Bei mir, wo ich bin - Edith-Stein

Transcrição

Bei mir, wo ich bin - Edith-Stein
Bei mir,
wo ich bin
Joh. 17,24
Edith Stein,
Gefährtinnen und Gefährten
auf dem Kreuzweg Jesu:
1. Station: Die Verhaftung
Elisabeth Prégardier/Anne Mohr
Passion im August
Prégardier / Mohr
Passion im August
Edith Stein und Gefährtinnen:
Weg in Tod und Auferstehung
336 Seiten, Broschur
Format 20 x 21 cm
DM 36,– / sFr 36,– / ÖS 270,–
ISBN 3-924574-67-7
Gegen die Deportation von nichtchristlichen Juden durch
die deutsche Besatzungsmacht protestierten die katholischen
holländischen Bischöfe mit einem Hirtenschreiben, das am
26. Juli 1942 von allen Kanzeln verlesen wurde.
Im Gegenschlag verhafteten die Nationalsozialisten an dem
darauffolgenden Sonntag, dem 2. August, alle katholischen
Juden in Holland, einschließlich der jüdischen Klostermitglieder. Zu den Verhafteten gehörten die Karmelitin Benedicta
a Cruce (Edith Stein) und ihre leibliche Schwester Rosa Stein.
Vom KZ Amersfoort wurden sie zum Sammellager nach
Westerbork gebracht. Am 7. August ging ein Transport mit
510 Männern und 477 Frauen nach Auschwitz. Nach der
Ankunft, am Sonntag, dem 9. August, wurden 523 Menschen
sofort vergast. Zu diesen gehörten auch Edith Stein, ihre
Schwester Rosa und weitere Ordensfrauen und Ordensmänner.
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Im Band 5 der Reihe »Zeugen der Zeitgeschichte« werden
Dokumente, Berichte und Protokolle vorgelegt, die teilweise
Jahre später niedergeschrieben worden sind und Auskunft
geben, was in der »Passionswoche im August 1942« geschehen ist. Gleichzeitig wird das Lebensschicksal der jüdischen
Menschen vorgestellt, die an dem gleichen Tag wie Edith Stein
in holländischen Klöstern verhaftet wurden und in Auschwitz
den Tod fanden.
Gedanken zum Kreuzweg
Jesus nachfolgen, heißt dorthin gehen,
wohin er uns vorausgegangen ist.
Wohin wir gehen, ist er schon da.
In der Volksfrömmigkeit wird kein Weg Jesu so intensiv betrachtet wie der Weg seiner Passion. Durch
viele Jahrhunderte hindurch haben Menschen dazu beigetragen, den Kreuzweg Jesu auszugestalten:
Kreuzwegstationen in Kirchen und Kapellen, in der freien Natur, an Wallfahrtsorten. Ungezählte
Beter haben Gedanken zu den einzelnen Stationen niedergeschrieben, uralte Gebetsrufe begleiten
die Betrachter von Station zu Station.
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich,
denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.
Mit welcher Station beginnt der Kreuzweg?
Nach einer langen Tradition, die den Kreuzweg auf 14. Stationen festgelegt hat, beginnt er mit der
Verurteilung Jesu durch Pilatus. Buchstäblich würde er jedoch beginnen von dem Augenblick an, wo
Jesus das Kreuz auf die Schulter gelegt wird, das ist die 2. Station in der herkömmlichen Betrachtung.
Es ist jedoch auch möglich, mit der Verhaftung Jesu im Garten Gethsemani zu beginnen.
Der Evangelist Johannes berichtet, wie die Häscher mit Laternen, Fackeln und Waffen in den Garten
eindringen.
Jesus nun, der alles wußte, was über ihn kommen sollte, trat hinaus und sprach zu ihnen:
„Wen sucht ihr?“ Sie antworteten. „Jesus, den Nazaräer!“ Er antwortete ihnen: Ich bin es!“
Wie oft wurden in dem Jahrhundert, das hinter uns liegt Menschen verhaftet! Wie oft mußten Männer, Frauen und auch Kinder auf die Frage nach ihrem Namen antworten: „Ich bin es!“ Und dann
begann für sie ein Kreuzweg, der für nicht wenige mit dem Tod endete.
Edith Stein ist diesen Kreuzweg Jesu mit ihren Gefährtinnen und Gefährten gegangen. Am 26. Juli
1942 hatten die katholischen Bischöfe in den Niederlanden mit einem Hirtenbrief, der von allen
Kanzeln verlesen worden war, gegen die Deportation der jüdischen Mitbürger durch die nationalsozialistische Besatzung protestiert. Als Racheakt verfügten die Behörden, daß ab sofort die katholisch
getauften Juden, die zunächst von den Deportationen zurückgestellt, verhaftet und in den Osten, d.h.
in die Vernichtungslager transportiert werden sollten.
Am Sonntag, dem 2. August 1942, ging eine Verhaftungswelle durch das ganze Land.
Wir kennen die Berichte über die Verhaftung von Edith Stein und 25 weiteren Personen, Geschwistern, Mütter mit ihren Kindern, Ordensleuten. Wir wollen diese erste Station ihres gemeinsamen
Kreuzweges mit Jesus betend begleiten. In diesen Kreuzweg beziehen wir ein die Familienangehörigen der Verhafteten, die zu einem anderen Zeitpunkt umgekommen sind.
Edith Stein in ihrem letzten Werk Kreuzeswissenschaft
Kein Menschenherz ist je in eine so dunkle Nacht eingegangen, wie der Menschensohn in
Gethsemani und Golgotha. In das unergründliche Geheimnis der Gottverlassenheit des
sterbenden Gottmenschen vermag kein forschender Geist einzudringen.
Aber Jesus kann auserwählten Seelen etwas von dieser äußersten Bitterkeit zu kosten
geben. Es sind seine treuesten Freunde, denen er es als letzte Probe ihrer Liebe zumutet.
Wenn sie nicht davor zurückschrecken, sondern sich willig hineinziehen lassen in die
Dunkle Nacht, dann wird sie ihnen zum Führer.
Das ist die große Kreuzerfahrung: äußerste Verlassenheit und eben in dieser Verlassenheit die Vereinigung mit dem Gekreuzigten. Kreuz und Nacht sind der Weg
zum himmlischen Licht: das ist die frohe Botschaft vom Kreuz.
3
Passion im August (2.-9. August 1942)
Edith Stein und Gefährtinnen. Weg in Tod und Auferstehung
Herausgegeben von Anne Mohr und Elisabeth Prégardier
PLÖGER VERLAG GMBH, Annweiler 1995
Inhalt
1. Geleitwort Bischof Dr. Hubert Luthe
7
2. Einleitung
11
3. Passionsgefährtinnen und -gefährten von Edith Stein
15
4. Martyrologium
27
5.
„Hättest du erkannt, was dir den Frieden bringt.“ (Lk.19,42)
35
6. Telegramm der Niederländischen Kirchen vom 11. Juli 1942
38
7. Hirtenbrief der katholischen Bischöfe in den Niederlanden
vom 26. Juli 1942
41
8. Bericht von P. Ignatius Bromberg über
die Woche vom 2.-7. August 1942
46
9. Schwester Teresia Benedicta a Cruce und Rosa Stein
55
10. Dr. Ruth Kantorowicz
109
11. Alice Reis
131
12. Annemarie und Elfriede Goldschmidt
147
13. Schwester Aloysia Löwenfels
159
14. Schwester Mirjam Michaelis
177
15. Dr. Lisamaria Meirowsky
195
16. Geschwister Löb
211
17. Schwester Charitas Bock, Edith und Leni Bock
sowie ihre Mutter Herma
229
18. Familie de Man
261
19. Bruder Wolfgang Rosenbaum
271
20. Elvira Platz
279
21. Schwester Judith Mendes da Costa
283
22. Berichte von Überlebenden
301
23. „Wer sind diese, woher sind sie gekommen?“ (Offb.7,13)
309
24. Wort der deutschen Bischöfe aus Anlaß des 50. Jahrestages der
Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1995
314
25. Rede der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
zum 50. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz
317
26. Wallfahrt nach Westerbork
320
27. Dank/Quellenangaben
325
28. Literaturhinweise/Bildnachweis
331
4
Anregungen zur Gestaltung des Kreuzweges
Dieser Kreuzweg ist eine Fortschreibung der Dokumentation „Passion im August“.
Er wurde schon mehrmals gebetet, u.a.: Bei der Wallfahrt des Katholischen Deutschen Frauenbundes
aus Nordrhein-Westfalen am 12. März 1997 nach Münster im Paulusdom. Beim 93. Katholikentag
in Mainz während der Liturgischen Nacht mit Kardinal Meisner in der Kirche St. Ignaz.
Der Kreuzweg Edith Stein 1. Station „Verhaftung“ kann in gewisser Weise auch als Passionsspiel
betrachtet werden, bei dem alle Personen ihre Darsteller haben. Dabei handelt es sich um 18 Frauen
(davon 7 Ordensfrauen), 4 Männer, 2 Mädchen und zwei Jungen, die am 2. August 1942 verhaftet
worden sind.
Hinzu kommen noch 3 Personen, die zu den Familien der Verhafteten gehören und auch den Tod
gefunden haben, Hans Löb, Schwester Veronika Löb und Jan de Man.
Für das Passionsspiel werden also benötigt: 19 Frauen (davon 8 Ordensfrauen), 6 Männer, 2 Mädchen, 2 Jungen.
Wenn möglich, sollte zusätzlich die Person Jesu durch einen Priester dargestellt werden.
Die Leitung des Kreuzweges liegt am besten in der Hand einer Person – hier Chronist/in – genannt.
Sein/ihr Platz ist am Ambo. Der Chronist/die Chronistin hat die Aufgabe, die einzelnen Personen
bzw. die Gruppen der Verhafteten aufzurufen, diese mit wenigen Sätzen von ihrem Lebensschicksal
her vorzustellen sowie Zeit und Ort der Verhaftung anzusagen. Er/Sie benennt auch die Verfasser der
Berichte über die Verhaftung.
Wenn es sich um die Verhaftung einer einzelnen Person handelt, liest diese den Text vor. Dann
schreitet sie zum Altar und entzündet ihre Kerze an der Osterkerze, die vor dem Altar steht. Ihre
Kerze stellt sie dann auf den Altar (bzw. auf einen bereitgestellten Ständer). Währenddessen betet der
Chronist/die Chronistin die Fürbitte. Wo gegeben, intoniert anschließend die Orgel den Liedruf:
„Kyrie eleison, sieh wohin wir gehn, ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.“
Handelt es sich um eine Gruppe der Verhafteten, dann liest eine Person aus der Gruppe den Text vor.
Nachdem die Kerzen an der Osterkerze entzündet worden sind, stellen sich die Personen um den
Altar.
Nach dem letzten Bericht (Schwester Judith Mendes da Costa) erheben sich die Anwesenden und
beten gemeinsam das Schlußgebet. Das Schlußlied mit seinen 10 kurzen Strophen kann im Wechsel
rechts und links im Kirchenschiff gesungen werden. Erste und letzte Strophe gemeinsam.
Die Gebetszettel dazu liegen in den Bänken aus. (Beispiel eines Gebetszettels in der Anlage)
Alle Verhafteten nehmen ihre Kerze in der Reihenfolge wie sie diese auf den Altar gestellt wieder an
sich und ziehen mit dem Priester an der Spitze durch den Mittelgang aus der Kirche. Der Chronist/
die Chronistin begleitet vom Ambo aus den Auszug mit Hinweisen über den historischen Ablauf der
Passionswoche im August 1942.
5
Chronologie der Verhaftungen
am Sonntag, 2. August 1942, in den Niederlanden
1.
Jesu Verhaftung
im Garten Gethsemani: "Ich bin es
2.
Beim Nachtoffizium
in der Abtei Koningsoord
"Schwester Hedwige Löb( 42),
"Schwester Maria Thérèse Löb(31)
"Dr. Lisamaria Meirowsky (38),
und anschließend in der Abtei Koningshoeven
"Pater Ignatius Löb (33),
"Pater Nivardus Löb (29),
"Bruder Linus Löb (32).
Beim Gang zur Osterkerze stellen sich mit auf:
Schw. Veronica Löb +1944 und Hans Löb +1945
3.
4.30 Uhr
in der Wohnung in Rotterdam
"Edith Bock (35),
"Leni Bock (30)
"Herma Bock Merkelbach (56).
4.
5.00 Uhr
in Almelo im Haus der Schwestern vom Guten Hirten
"Alice Reis (39).
5.
5.45 Uhr
im Herz-Jesu-Kloster in Moerdijk
"Schwester Charitas Bock (33).
6.
6.30 Uhr
im Kloster der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Geleen
"Schwester Aloysia Löwenfels (27).
7.
7.00 Uhr
im Franziskanerkloster in Woerden
"Bruder Wolfgang Rosenbaum (27).
6
8.
8.00
in Leiden in ihrer Wohnung
"Elvira Sanders-Platz (51)
9.
8.30 Uhr
im Altenheim der Franzikanerinnen in Marienwaard
"Schwester Mirjam Michaelis (53).
10.
Am Morgen
im Ursulinenkloster in Venlo
"Dr. Ruth Kantorowicz (41).
11.
Am Morgen
in der Wohnung in Berlicum
"Eva Maria de Man-Kalkar (37) mit
"Anneke (14),
"Jochie (12),
"Magdaleentje (10),
"Pieterje (9).
Dazu kommt Jan de Man, nach 1942 erschossen.
12.
16.00 Uhr
im Kloster in Koningsbosch
"Annemarie Goldschmidt ( 20),
"Elfriede Goldschmidt (19).
13.
17.00 Uhr
Karmelkloster in Echt
"Schwester Benedicta Stein (51),
"Rosa Stein (59).
14.
Zeitpunkt nicht bekannt
in Bilthoven,
"Schwester Judith Mendes da Costa (47).
Von der Familie Löb sterben nach späterer Verhaftung die Ordensfrau Veronica und ihr leiblicher
Bruder Hans Löb. Von der Familie de Man wird der Sohn Jan auf der Flucht zu seinem Vater in
Frankreich erschossen. Die am 2. August 1942 Verhafteten werden zunächst in die Lager Amersfoort
und Westerbork gebracht. Aus dem Lager Westerbork gelangten noch 20 Nachrichten an die Heimatklöster und Familien. 15 Boten kamen bis zum Schlagbaum von Westerbork. Am 7. August geht ein
Transport mit 987 Männern, Frauen und Kindern, darunter über 60 katholisch getaufte Juden, nach
Auschwitz. Die meisten von ihnen werden gleich nach der Ankunft durch Giftgas im “Weißen Haus”
in Birkenau ermordet.
7
Gedenkkreuz an Edith Stein, Gefährtinnen und Gefährten
vor dem Karmelkloster Maria in der Not in Essen-Stoppenberg.
8
1
Die Verhaftung Jesu
Jesus in seiner Abschiedsrede zu den Jüngern:
Vater, ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie
sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt
hast vor Erschaffung der Welt.
Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, und sie haben erkannt, daß du mich
gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemach und werde ihn bekannt
machen, damit die Liebe , mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in
ihnen bin.
Jesus im Garten des Ölberges
Nach diesen Worten ging Jesus mit seinen Jüngern hinaus, auf die andere Seite des
Baches Kidron. Dort war ein Garten; in den ging er mit seinen Jüngern hinein.
Auch Judas, der Verräter, der ihn auslieferte, kannte den Ort, weil Jesus dort oft mit
seinen Jüngern zusammengekommen war. Judas holte die Soldaten und die Gerichtsdiener der Hohenpriester und der Pharisäer, und sie kamen dorthin mit Fackeln, Laternen
und Waffen.
Jesus, der alles wußte, was mit ihm geschehen sollte, ging hinaus und fragte sie: Wen
sucht ihr? Sie antworteten: Jesus von Nazareth. Er sagte zu ihnen: Ich bin es.
(Joh 17,25-26; 18,1-5)
9
Schwester Hedwige (Lien Löb)
Trappistin
Geboren am 3. März 1908 in Rijswijk.
Verhaftet am 2. August 1942
in der Abtei Koningsoord in Berkel-Enschot.
Getötet am 30. September 1942 in Auschwitz.
Schwester Maria-Theresia (Door Löb)
Trappistin
Geboren am 22. Oktober 1911 in Sawah-Loento (Indonesien).
Verhaftet am 2. August 1942
in der Abtei Koningsoord in Berkel-Enschot.
Getötet am 30. September 1942 in Auschwitz.
Dr. Lisamaria Meirowsky
Ärztin, Dominikanertertiarin
Geboren am 7. September 1904 in Graudenz.
Verhaftet am 2. August 1942
in der Abtei der Trappistinnen in Berkel-Enschot.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
10
Dr. Lisamaria Meirowsky
2
Schwestern Löb
Dr. Lisamaria Meirowsky
Beim Nachtoffizium in der Abtei Koningsoord
und anschließend in der Abtei Koningshoeven
• Schwester Hedwige Löb( 42), - Schwester Maria Thérèse Löb(31)
• Dr. Lisamaria Meirowsky (38),
• Pater Ignatius Löb (33), Pater Nivardus Löb (29), Bruder Linus Löb (32).
In der Kreuzweg-Gruppe stellen sich mit auf: Schwester Veronika Löb und Hans Löb
P. Anselmus Terstegge:
Bericht 1962 über die Verhaftung der Geschwister Löb und Dr. Lisamaria Meirowsky
Verhaftung in der Abtei Koningsoord
Während die Schwestern im Nachtchor beteten, wurde plötzlich laut geschellt. Einen
Augenblick später wurden Mutter Hedwige und Mutter Maria-Theresia aus dem
Chor gerufen und sie begaben sich in die Krankenabteilung. Zur gleichen Zeit brachte
der Rektor den Schwestern die Eucharistie, die ihre Wegzehrung wurde. Mutter Hedwige
war zunächst außer sich vor Angst in der Vorausschau auf das Leid, das sie erwarten
würde. Sie gewann jedoch rasch ihre Selbstbeherrschung zurück. Als man sie mit einem
baldigen Wiedersehen trösten wollte, sagte sie: „O nein, das ist nicht nötig. Ich habe
gerade dem Herrn gesagt: Ich ergebe mich dir. Tue mit mir, was du willst.“
Auch Mutter Maria-Theresia vermutete, daß es ein Abschied für immer sei. Lächelnd
verabschiedete sie sich von jedem, bedankte sich und bat um Verzeihung für ihre Fehler.
Inzwischen wurde die Gestapo ungeduldig. Man schlug auf die Tür und forderte fluchend, die Schwestern sollten kommen. Als die Tür aufging, stand der Mann stumm vor
Erstaunen da. Er war gewohnt, Bilder von Angst und Jammer zu sehen und er traute
seinen Augen nicht, als er sah, wie die beiden Schwestern ruhig vor der Äbtissin niederknieten und sich dann zu seiner Verfügung stellten. Die Schwestern stiegen in ein
abgedunkeltes Auto, das kurz danach vor der Pforte von Koningshoeven hielt.
Außer den beiden Trappistinnen war Frau Dr. Meirowsky im Wagen, eine jüdische
Ärztin aus Polen. Sie war Mitglied des Dritten Ordens vom hl. Dominikus. Sie hatte im
Kloster Koningsoord freundliche Aufnahme gefunden und als Ärztin und Pförtnerin
viele gute Dienste geleistet.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtinnen Schwester Hedwige, Schwester Maria-Theresia
Lisamaria Meirowsky und Schwester Veronika,
in der Treue zum Wort der Bischöfe
habt ihr Verhaftung und Tod bereitwillig angenommen.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn
11
Pater Ignatius (Georg Löb)
Trappist
Geboren am 25. September 1909 Hoensbroek.
Verhaftet am 2. August 1942
in der Abtei Koningshoeven bei Tilburg.
Getötet am 19. August 1942 in Auschwitz.
Pater Nivardus (Ernst Löb)
Trappist
Geboren am 29. Oktober 1913 in Sawah-Loento (Indonesien).
Verhaftet am 2. August 1942
in der Abtei Koningshoeven bei Tilburg.
Getötet am 19. August 1942 in Auschwitz.
Bruder Linus (Robert Löb)
Trappist
Geboren am 15. Oktober 1910 in s´Gravenhage.
Verhaftet am 2. August 1942
in der Abtei Koningshoeven bei Tilburg.
Getötet am 30. September 1942 in Auschwitz.
Schwester Veronica (Wies Löb)
Trappistin
Geboren am 22. Oktober 1911 in Sawah-Loento (Indonesien).
Wurde später auch verhaftet, wieder freigelassen.
Stirbt am 1. August 1944.
Hans Löb
Techniker
Geboren am 11. November 1916 in Sawah-Loento (Indonesien).
Wurde später verhaftet und zur Zwangsarbeit verschleppt.
Stirbt am 20. Februar 1945 im KZ Buchenwald.
12
2
Brüder Löb
Verhaftung in der Abtei Koningshoeven
Jetzt wurden Pater Ignatius, Pater Nivardus und Bruder Linus, die mit ihren
Brüdern das Nachtoffizium beteten, aus der Kirche gerufen. Vater Abt und einige Brüder
gingen mit. Dom Simon riet den Patres, sie sollten die heilige Messe feiern, es könnte
ihre letzte sein. Als ein Mitbruder Pater Ignatius bewegen wollte zu flüchten, sagte er:
„Was würden die Folgen für unser Haus sein? Sie haben gedroht, zehn Patres zu erschießen, wenn wir nicht kommen.“ Zu einem anderen Mitbruder sagte er: „Auf Wiedersehen
im Himmel.“ Pater Nivardus zelebrierte gesammelt wie immer die Messe und faltete
ruhig seine liturgischen Gewänder. Er vermied es zu sprechen, denn es herrschte das
monastische Stillschweigen. Still verabschiedete er sich von seinen Mitbrüdern, denen er
begegnete und machte das Zeichen: „Auf Wiedersehen.“ Auch er vermutete, was auf ihn
zukam. Im Gästehaus sagte er zu einem Mitbruder: „Betet für uns, wir sind auf dem
Kreuzweg zum Martyrium.“
Als Bruder Linus erfuhr, was vorgefallen war, war seine erste Reaktion: „Mich bekommen sie nicht.“ Als man ihn darauf hinwies, welchen Repressalien die Kommunität ausgeliefert würde, verzichtete er auf Widerstand und diente bei der Messe von Pater Ignatius.
Nach der Messe bat er einige Mitbrüder um ihr Gebet, „damit ich durchhalte“.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährten Pater Ignatius, Pater Nivardus und Hans Löb,
in der Gemeinsamkeit der Liebe zum kontemplativen Leben
seid ihr den Weg zum Himmel gegangen.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn
13
Herma Bock-Merkelbach,
geb. Grünbaum
Mutter von Resi, Edith und Leni Bock
Geboren am 29. September 1886 in Leobersdorf, Niederösterreich.
Verhaftet am 2. August 1942 in Rotterdam.
Getötet am 20. August 1942 in Auschwitz.
Edith Bock
Lehrerin
Geboren am 23. August 1907 in Wien.
Verhaftet am 2. August 1942 in Rotterdam.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
Leni Bock
Büroangestellte
Geboren am 25. Juni 1912 in Wien.
Verhaftet am 2. August 1942 in Rotterdam.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
14
3
Herma, Edith und Leni Bock
4.30 Uhr in der Wohnung in Rotterdam
Edith Bock (35), Leni Bock (30), Herma Bock-Merkelbach (56).
Willem Merkelbach-van Enkhuizen
Brief vom 2. August 1942 an seinen Bruder Louis über die Wegführung seiner Frau Herma und der
Töchter seiner Frau, Edith und Leni:
Heute morgen um 4.30 Uhr wurden Herma, Edith und Leni abgeholt. Sie mußten
Decken und Eßwaren für drei Tage mitnehmen und sind dann mit einem großen Polizeiauto abtransportiert worden. Wohin, weiß ich nicht, aber man vermutet zum Konzentrationslager Amersfoort. Ich ging sofort zum Pfarrhaus der Kapuziner, von wo aus man
mich weiter auf dem laufenden halten will. Es scheinen im ganzen Land alle katholisch
gewordenen Juden abgeholt worden zu sein, als Strafe für den Brief der Bischöfe. Ich
habe mich heute morgen lange tapfer gehalten, aber jetzt bin ich zusammengebrochen.
Ich finde es so schrecklich schlimm für sie, die so etwas doch gar nicht verdient haben.
Heilige Edith Stein
und Gefährinnen der Familie Bock,
Mutter Herma, Leni, und: Edith,
in der Angst und Not eueres Leidensweges
hat Jesus euch die Gewißheit seiner Nähe gegeben.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn
15
Alice Reis
Krankenschwester
Geboren am 17. September 1903 in Berlin.
Verhaftet am 2. August 1942 im
Haus der Schwestern vom Guten Hirten in Almelo.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
16
4
Alice Reis
5 Uhr in Almelo im Haus der Schwestern vom Guten Hirten
Alice Reis (39).
Eine Schwester vom Guten Hirten in Zoetworde
über das Leben und die Verhaftung von Alice Reis:
Am 2. August 1942 - erschien in der Frühe um 5 Uhr ein Auto der SS. Schwester Oberin,
die inzwischen verstorbene Schwester Assistentin und Schwester M. Magdalena wurden
ins Sprechzimmer gerufen und man hat zwei volle Stunden hin und her gesprochen –
wegen Schwester Alice. Wir sollten sie herausgeben und weigerten uns. Schwester
Alice war leidend, Asthma. Es half nicht. Um 7 Uhr mußte Schwester Magdalena zu
Schwester Alice gehen und ihr das Entsetzliche mitteilen.
Als sie hörte, daß sie „gefordert“ wurde, schrie sie voll Entsetzen auf: „Nein, nein, nein!“
Sie warf sich gegen die Wand und schrie stets wieder „Nein!“
Schwester M. Magdalena hatte es recht schwer, sie zu überzeugen, daß dem Hause, den
180 Mädchen und allen Ordensfrauen große Gefahr drohe, wenn sie sich widersetzte.
Schwester Alice war übrigens vorbereitet auf diese Stunde, denn Mutter Oberin hatte vor
der Zeit Stiefel und gröbere Kleidung anschaffen müssen im Falle der „Forderung“ bzw.
Auslieferung. Schwester Alice hatte dies bei sich.
Schließlich ergab sie sich in ihr Schicksal und ging – ganz gebrochen – am Arm der
Schwester Magdalena mit nach unten. Oben auf dem Gang vor der Krankenstation fiel
sie ihr um den Hals und bat um Verzeihung, weil sie oft unleidlich gewesen war. Ganz
schrecklich muß dieser Augenblick gewesen sein, besonders weil Schwester Magdalena
drängen mußte. Die Zeit verstrich so schnell.
Im Nu nahm die drei SS-Männer Schwester Alice in Empfang, sie mußte ins Auto und
wenige Augenblicke später war alles vorbei.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtin Alice Reis,
verbunden durch das geistliche Band der Taufe
seid ihr gemeinsam eingetaucht in den Tod Jesu Christi.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn
17
Schwester Charitas (Resi Bock)
Lehrerin, Schwester vom Heiligsten Herzen Jesu
Geboren am 13. Juni 1909 in Wien.
Verhaftet am 2. August 1942 im Mutterhaus in Moerdijk.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
18
5
Schwester Charitas Bock
5.45 Uhr im Herz-Jesu-Kloster in Moerdijk
Schwester Charitas Bock (33).
Die Mitschwester Ignace de Bruin
über den Abtransport von Schwester Charitas aus Breda:
Schwester Charitas war völlig ruhig, als sie die Nachricht erhielt. Schwester Charitas
zog ihr Ordenskleid an, ich warf es mir übers Nachthemd. Ich zog Brot aus dem Schrank
und ein paar Decken aus dem Bett und in einer Viertelstunde saßen wir fertig im Auto
auf dem Weg nach Breda. Ich war mitgekommen, um zu sehen, was geschehen würde.
Die Männer im Auto entschuldigten sich mehrmals für das, was sie tun mußten. Als wir
in Breda auf dem Kasteelplatz ankamen, standen überall Wagen mit schwerbewaffneten
Soldaten. Wir mußten zuerst nach oben in ein Büro kommen, wo verschiedene ältere
Menschen saßen und ein jüngerer Mann, ein gewisser Herr Lapidaire aus Breda, der,
soviel ich weiß, eine jüdische Großmutter hatte. Eine junge Frau und zwei kleine Kinder
waren bei ihm. Er war sich in keiner Weise bewußt, was auf ihn zukam.
Wir wurden in dem Büro furchtbar angeschnauzt. Dann mußten alle, die aufgerufen
wurden, in den Überfallwagen einsteigen. Es waren auch sehr alte Menschen aus dem
Laurentius-Altenheim dabei. Schwester Charitas sagte zu mir: „Tun Sie so, als wäre nichts;
nur nicht weinen. Sie sollen keinen Spaß daran haben.“
Dann fuhren sie ab unter einem großen Machtaufgebot von Soldaten und Waffen. Ich
stand jetzt allein mit einem deutschen Offizier auf dem Kasteelplatz. Er sagte zu mir:
„Daran sind Eure Bischöfe schuld, die diesen Brief in den Kirchen verlesen ließen.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtin Schwester Charitas,
geborgen im Herzen Jesu
habt ihr Erniedrigung, Tod und Auferstehung erfahren.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
19
Schwester Aloysia (Luise Löwenfels)
Kindergärtnerin, Arme Dienstmagd Jesu Christi
(Dernbacher Schwestern)
Geboren am 5. Juni 1915 in Trabelsdorf bei Bamberg.
Verhaftet am 2. August 1942
im Kloster der Armen Dienstmägde in Geleen.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
20
6
Schwester Aloysia Löwenfels
6.30 Uhr im Kloster der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Geleen
Schwester Aloysia Löwenfels (27).
Klosterchronik Geleen
Bericht über die Verhaftung von Schwester Aloysia:
Am Sonntagmorgen, dem 2. August 1942, schellte es gegen halb sieben an der Klosterpforte. Zwei SS-Leute und der örtliche Schutzmann X. wollten herein. Die Pförtnerin
ließ sie in das Sprechzimmer und warnte die Provinzoberin Schwester Immaculata. Als
diese in das Sprechzimmer kam, fragte einer der SS-Leute, ob in diesem Haus eine
Luise Löwenfels wohne und wenn ja, dann müsse sie sofort geholt werden. Als nun
Schwester Immaculata mit Schwester Aloysia und der Pförtnerin zurückkam, fragte der
SS-Mann Schwester Aloysia: „Sind Sie Luise Löwenfels?“ Und als sie dies bejahte, sagte
er: „Dann müssen wir Sie sofort mitnehmen.“
Weil es kurz vor der Frühmesse geschah und schon ein Priester zur Stelle war, benutzte
M. Immaculata die Gelegenheit, erst schnell zur Kapelle zu gehen. Dort empfing Schwester Aloysia zum letztenmal die heilige Kommunion. Der Schutzmann war feinfühlig
hinten in der Kapelle stehengeblieben bis Schwester Aloysia zurückkam. Dann wurde in
aller Eile das Notwendigste eingepackt: zwei Habite, zwei Paar Schuhe, Proviant und
einige meist unentbehrliche Sachen, alles unter Aufsicht des Schutzmanns, der aber sehr
rücksichtsvoll war. Inzwischen hatte die Messe angefangen und nur wenige in der Kapelle
hatten eine Ahnung, was draußen vor sich ging.
Als nämlich M. Immaculata mit Schwester Aloysia und dem Schutzmann in das Sprechzimmer zurückkehrte, standen die SS-Leute schon bereit, um sie mitzunehmen. Ruhig
und gelassen folgte sie ihnen nach draußen, derweilen sie eine Träne wegwischte. Es war
Schwester Immaculata und der Pförtnerin verboten, sie zum Überfallwagen zu begleiten.
Sie mußten an der Klosterpforte Abschied nehmen. Noch beiderseits ein warmer Händedruck, dann verschwand Schwester Aloysia im Überfallwagen. Niemand wußte, wohin es
ging. Dies alles hat sich in einer Viertelstunde abgespielt.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtin Schwester Aloysia Löwenfels,
frei von Bitterkeit über die Beschwernisse des Lebens
seid ihr Jesus auf seinem Kreuzweg nachgefolgt.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn
21
Bruder Wolfgang (Fritz Rosenbaum)
Franziskaner
Geboren am 27. Mai 1915 in Witten.
Verhaftet am 2. August 1942 im Franziskanerkloster in Woerden.
Getötet am 30. September 1942 in Auschwitz.
22
7
Bruder Wolfgang Rosenbaum
7 Uhr im Franziskanerkloster in Woerden
Bruder Wolfgang Rosenbaum (27).
Klosterchronik von Woerden:
Eintragung über die Verhaftung von Bruder Wolfgang:
Sonntag, 2. August 1942: Ein trauriger Tag für unsere Kommunität. Morgens um 7 Uhr
wurde Bruder Wolfgang Rosenbaum wegen „Israelitischer Abstammung“ festgenommen und abgeführt; zuerst nach Den Haag und von da über Amersfoort in das Fremdenlager in Westerbork. Einige Tage später, freitagmorgens, ist er mit einer Gruppe Juden
abtransportiert worden nach Osten.
Fast drei Jahre hat dieser Bruder, der zur Deutschen Provinz gehörte, in Woerden eine
Zuflucht gefunden. Wegen seiner Frömmigkeit, Brüderlichkeit und Gottesfurcht wurde
er von allen geliebt und geachtet.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährte Wolfgang Rosenbaum:
ihr habt uns die Botschaft eures Lebens geschenkt:
„Liebe besiegt Gewalt“.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
23
Elvira Sanders-Platz
Geboren am 15. September 1891 in Köln.
Verheiratet, eine Tochter.
Verhaftet am 2. August 1942 in Leiden.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
24
8
Elvira Sanders-Platz
8 Uhr in ihrer Wohnung in Leiden
Elvira Sanders-Platz
Gespräch mit der Tochter Anna Sanders am 30. Juli 1997
Chronist/in: Wie war das mit der Verhaftung Ihrer Mutter?
Anna Sanders
Ich weiß noch, daß meine Mutter mich am 26. Juli angerufen und zu mir gesagt hat:
„Hast du in der Kirche den Brief gehört, den die Bischöfe haben vorlesen lassen? Jetzt ist
doch alles gut, nun brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen“.
Aber es kam ja anders: Für mich eine sehr schwer zu verstehende Sache. Ich denke, daß
Seiß-Inquart damals mit Erzbischof de Jong über Schonung der katholisch getauften
Juden verhandelt hatte. Ob er auf Dauer sein Wort gehalten hätte, ist natürlich eine
andere Frage. Aber die Bischöfe hätten angeblich versprochen, daß diese Verhandlungen
geheim bleiben sollten, - und eine Woche später haben sie alles über die Kanzel veröffentlicht. Ich denke, das war der Grund, weshalb der Seiß-Inquart böse geworden ist und all
die Menschen verhaften ließ. Es ist mir noch immer ein Rätsel wie man so schnell, in
einer Woche Zeit, alle diese Namen und Adressen von diesen Leuten gefunden hat.
Chronist/in: Wir wissen, daß alles von Anfang an perfekt registriert war. Für die Behörden war der Zugriff
sehr einfach. Und dann kam der Morgen des 2. August, gab es denn keine Zeugen?
Anna Sanders
Nein, nur unsere Nachbarin, die hat das gesehen hatte, rief unseren Rechtsanwalt an.
Der hat dann den ganzen Tag, d.h. den ganzen Sonntag, versucht, nachzufragen, wohin
meine Mutter gebracht worden ist. Nachmittags um ½ 5 Uhr rief er bei mir in Alfen an, wo
ich wohnte. Ich bin sofort nach Leiden gefahren, ja, da war alles schon zu spät.
Chronist/in: Haben Ihre Verwandten noch versucht, zum Lager zu kommen?
Anna Sanders
Ja, ich wollte natürlich selber gehen, aber da hat meine Familie abgeraten. Sie sagten:
Du darfst nicht gehen. Du bist Halbjüdin, und wer weiß, was Dir geschieht. Aber mein
Vetter Reiner, der war zwar mit einer jüdischen Cousine von mir verheiratet, aber er war
Arier. Und meine Tante Anni, eine Schwester von meinem Vater, war nach den deutschen Gesetzen auch Arierin. Die sind also zusammen zum Lager gegangen und haben
für meine Mutter Koffer gebracht mit allen möglichen Sachen, warme Kleidung, Lebensmittel und vieles mehr. Aber sie haben meine Mutter nicht mehr zu sprechen bekommen.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtin Elvira Platz,
gemeinsam seid ihr auserwählt worden,
die Leiden unseres Herrn mitzutragen.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn
25
Schwester Mirjam (Else Michaelis)
Buchhalterin, Schwester vom hl. Josef in Trier
Geboren am 31. März 1899 in Berlin.
Verhaftet am 2. August 1942 bei den Franziskanerinnen
von Nonnenwerth in Marienwaard.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
26
9
Schwester Mirjam Michaelis
8.30 Uhr im Altenheim der Franzikanerinnen in Marienwaard
Schwester Mirjam Michaelis (53).
Hausoberin Schwester Maria
über die Verhaftung von Schwester Mirjam:
Die Sonntagsmesse war gerade aus und alle Hausbewohner beim ersten Frühstück. Da
wurde ich an die Pforte gerufen, wo ein Gestapomann Schwester Mirjam verlangte.
Ich ging mit ihm auf die zweite Etage, wo die Schwester gerade den Kaffee verteilte. Ich
legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte: „Das Kreuz ist da!“ Sie verstand sofort.
Der Gestapomann hatte ein Bajonett in der Hand. Wir gingen auf ihr Zimmer, der Mann
hinter uns her. Er zog ein Notizbuch heraus und verlas die Kleidungsstücke, die sie mitnehmen sollte. In dreiviertel Stunde werde sie abgeholt. Ich flog die Treppe herunter, um
einen Handkorb, Decken, Besteck, etc. zu holen. Alle halfen. Schwester Mirjam wollte
nicht frühstücken, sie blieb ruhig und gefaßt. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde ihrer Wegführung. Fast alle Damen und Herren und natürlich die Schwestern umstanden das arme Opferlamm.
Der Gestapomann, übrigens ein Jüngelchen von höchstens 20 Jahren, wurde ganz verlegen. Herr Rektor ging mit Schwester Mirjam ins Sprechzimmer, wo er ihr die Generalabsolution erteilte. Der Gestapomann war sichtlich in Verlegenheit, als alle Hausbewohner
sich so herzlich und weinend von Schwester Mirjam verabschiedeten. Ihre letzte Worte
waren: „Jetzt leidet das Alte Testament für das Neue.“
Der Wagen, der sie abholte, wurde gemeldet. Zwei holländische Polizisten kamen an die
Pforte. In der großen Aufregung vergaßen sie sich und nahmen ihr, der ausgestoßenen
Jüdin, das Handköfferchen ab. Vor dem Hause hielt ein Lastkraftwagen, mit Zelttuch
abgeschlossen. Kein Trittbrett, kein Bänkchen um aufzusteigen. Ich half ihr, damit sie
überhaupt hereinkommen konnte. „Sieh da, noch eine Schwester!“ rief ich laut. In dem
Wagen waren kleine schmale Bänke gestellt, worauf schon mehrere Personen saßen. Ein
letzter Händedruck und ein letzter Blick und der Wagen fuhr fort.
Ein alter Herr aus unserem Hause machte der Gestapo Vorwürfe. Er erhielt die Antwort:
„Wenn Sie nicht schweigen, nehmen wir Sie auch mit.“
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtin Schwester Mirjam Michaelis,
in der Liebe zum Volke des ersten Bundes
habt ihr euer Schicksal auf euch genommen.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
27
Dr. Ruth Kantorowicz
Wirtschaftsjournalistin, Bibliothekarin
Geboren am 7. Januar 1901 in Hamburg.
Verhaftet am 2. August 1942 im Kloster der Ursulinen in Venlo.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
28
10
Dr. Ruth Kantorowicz
Am Morgen im Ursulinenkloster in Venlo
Dr. Ruth Kantorowicz (41)
Pater Heinrich Horster in Steyl: am 23. April 19949
an die Priorin des Kölner Karmel über Leben und Verhaftung von Dr. Ruth Kantorowicz:
Die Verhaftung von. Ruth war noch sehr tragisch. Sie hatte an diesem Morgen noch nicht
kommuniziert. Die Kommunität der Schwestern pflegt des Sonntags in der Frühe nur zu
kommunizieren. Um 9 Uhr ist dann das Hochamt, weil nur eine hl. Messe ist. Man
konnte Ruth gar nicht so schnell finden. Nur in aller Eile konnten die Schwestern etwas
Wäsche zusammenpacken. Ich glaube, auch ohne Frühstück mußte sie aus dem Hause.
Die Révérende Mère M. Imelda verhandelte noch mit den SS-Soldaten, sie suchte einzuwenden, es seien doch keine echten Juden mehr, sie sei doch getauft. Darauf sagte der
SS-Soldat: „Über einen Ochsen können Sie soviel Weihwasser gießen, wie Sie wollen, es
wird darum doch keine Kuh.“
Als Ruth aus dem Hause ging, war sie ganz gefaßt. Die Pfortenschwester verabschiedete
sich mit Tränen in den Augen und mit den Worten: „Alles für Jesus, nicht wahr, Ruth?“.
Ruth antwortete: „Ja, alles für Jesus!“ Draußen stand ein verdeckter Lastwagen. Es waren schon Leute drin. Und die Schwestern sahen noch, wie die Leute von drinnen der
Ruth eine helfende Hand reichten.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtin Ruth Kantorowicz:
die Wissenschaft vom Kreuze Jesu hat euch durch die dunkle Nacht
den Weg zum himmlischen Licht gewiesen.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
29
Eva Maria de Man-Kalker
geboren am 10. April 1905 in Rotterdam.
Mutter der Kinder:
Anneke
geboren am 8. November 1928 in Woerden,
Jochie
geboren am 3. September 1930 in Berlicum,
Magdaleentje
geboren am 5. Februar 1932 in Berlicum,
Pietertje
geboren am 19. Mai 1933 in Berlicum
zusammen verhaftet am 2. August 1942 in Berlicum,
getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
Jan de Man
Geboren am 3. Februar 1925 in Utrecht.
Verhaftet in Rijkswijk, Zwangsarbeit in einem Bergwerk
in Oberschlesien, auf der Flucht nach Frankreich
zu seinem Vater Hermann de Man aufgegriffen und erschossen.
30
11
Eva de Man mit
Anneke, Jochie, Madaleentje und Pieterje
Am Morgen in der Wohnung in Berlicum
Eva Maria de Man-Kalkar (37) mit Anneke (14), Jochie (12), Madaleentje (10), Pieterje (9).
In der Kreuzweggruppe stellt sich mit auf der älteste Sohn, Jan de Man.
Marietje Boserup-De Man im August 1992
über die Verhaftung ihrer Mutter und Geschwister vor fünfzig Jahren:
Nach dem Bericht von unserem Hausarzt Dr. Hofmann hat der Bürgermeister von Berlicum
gegen ein Uhr nachts den Auftrag bekommen, die Familie wegzubringen. Von diesem
Zeitpunkt an bis zur Verhaftung morgens um sechs Uhr durch die Ortspolizei, die zusammen mit der Gestapo in Aktion trat, hat meine Mutter kein einziges Zeichen bekommen. Sonst hätte sie wohl noch etwas unternehmen können. Dies weiß ich ganz sicher,
weil Dr. Hofmann, der von meiner Mutter angerufen wurde, daß die Gestapo vor der Tür
stände, als einziger die Chance bekam, in unser Haus zu kommen. Mutter war vollkommen überrascht und ganz durcheinander.
Da der Bauernkarren, auf dem Mutter Eva – sie war damals 37 Jahre alt – und die vier
Kinder im Alter 13 bis 9 Jahren – weggefahren wurden, als Ziel „Vught“ hatte, war
man der Meinung, daß die Familie in das dortige Konzentrationslager gebracht worden
wäre. Aber Vught war bloß die erste Station. Nach ein paar Tagen wurden Eva und die
Kinder nach Westerbork gebracht und von dort aus rasch auf den Transport nach Auschwitz. Kurz nach der Ankunft kamen alle fünf in die Gaskammern.
Heilige Schwester Benedicta
in der Gefährtenschaft mit Mutter Eva Maria de Man
und ihren Kindern Anneke, Jochie, Madaleentje, Pieterje und Jan,
ihr habt die furchtbaren Stunden der Gefangenschaft,
des Transportes und des Todes erlitten
bis Gott euch für ewig in seine Arme geschlossen hat.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
31
Annemarie Goldschmidt
Schülerin
Geboren am 31. Januar 1922 in München.
Verhaftet am 2. August 1942 im Kloster Koningsbosch in Echt.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
Elfriede Goldschmidt
Schülerin
Geboren am 4. August 1923 in München.
Verhaftet am 2. August 1942 im Kloster Koningsbosch in Echt.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
32
12
Annemarie und Elfriede Goldschmidt
16 Uhr im Kloster in Koningsbosch
Annemarie Goldschmidt ( 20), Elfriede Goldschmidt (19).
Schwester Hieronyma: Brief vom 19. Januar 1995
über die Verhaftung von Annemarie und Elfriede Goldschmidt:
Ich kam am Sonntagabend, 2. August 1942, von meinem Kloster nach Koningsbosch,
um dort an den Exerzitien teilzunehmen. Die Schwestern befanden sich in großer Aufregung, denn wenige Stunden zuvor waren Elfriede und Annemarie Goldschmidt
weggeholt worden. Es muß gegen 4 Uhr gewesen sein, als die Gestapo mit den beiden
Mädchen unser Haus verließ. Die Schwestern hatten nach Auswegen gesucht, man hatte
um Aufschub gebeten, man könne sie nicht finden usw. An ein Verstecken oder Untertauchen war nicht zu denken. Die Soldaten forderten sie heraus. Annemarie und Elfriede begriffen noch nicht ganz, was diese Reise bedeutete. Sie hofften, doch wieder zurückkehren zu können, als sie mit ihrem Gepäck unter vielen Tränen Abschied nahmen.
Heilige Schwester Benedicta
und Gefährtinnen Annemarie und Elfriede Goldschmidt,
in der gegenseitigen Stärkung durch das gute Wort und im gemeinsamen Gebet
seid ihr durch die Woche der Passion gegangen.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
33
Dr. Edith Stein/
Schwester Teresia Benedicta a Cruce
Karmelitin, Philosophin
Geboren am 12. Oktober 1891 in Breslau.
Verhaftet am 2. August 1942 im Karmelkloster in Echt.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
Rosa Stein
Tertiarin des Karmels, Klosterpförtnerin
Geboren am 13. Dezember 1883 in Lublinitz.
Verhaftet am 2. August 1942 im Karmelkloster in Echt.
Getötet am 9. August 1942 in Auschwitz.
34
13
Schwester Benedicta und Rosa Stein
17 Uhr Karmelkloster in Echt
Schwester Benedicta Stein (51), Rosa Stein (59).
Priorin Antonia Engelmann in Echt
über die Verhaftung von Schwester Benedicta und Rosa Stein:
Sonntag, 2. August, waren wir alle im Chore vor ausgesetztem Allerheiligsten, als kurz
nach 5 Uhr abends die Oberin ins Sprechzimmer gerufen wurde. Schwester Benedicta
hatte eben die Betrachtungspunkte vorgelesen. Da ich damals Priorin war, ging ich sofort
zur Winde um nachzufragen, wer mich sprechen wolle. Als ich hörte, es seien zwei deutsche Offiziere, die wegen Schwester Benedicta und Frl. Rosa zu verhandeln hätten,
dachte ich, es sei wegen der Einreiseerlaubnis in die Schweiz, die die beiden Schwestern
schon längere Zeit erwarteten. So dachte ich, die beiden können ohne mich fertig werden
und ich rief Schwester Benedicta aus dem Chor nach dem Sprechzimmer, in dessen
äußerem Teil Rosa bereits anwesend war. Von außen, am Chorfenster stehend, sagte ich
noch der Gemeinde: „Schwestern, bitte beten, ich glaube, die Gestapo ist da!“ Danach
stellte ich mich vor der Türe des Sprechzimmers auf, um den Verlauf des Gespräches
abzuwarten. Ich erschrak natürlich, als ich merkte, daß es sich um viel Ernsteres handelte. Es war ja wirklich die SS! Der eine der beiden, der Wortführer, forderte Schwester
Benedicta auf, in 5 Minuten das Kloster zu verlassen. Sie antwortete: „Das geht nicht,
wir haben strenge Klausur.“ – „Machen Sie dies hier weg (er meinte das Gitter) und
kommen Sie hier heraus!“ – „Das müssen Sie mir erst hier vormachen.“ – „Rufen Sie die
Oberin!“
Weil ich ja alles selbst gehört hatte, ging ich auf einem kleinen Umweg zum Sprechzimmer und Schwester Benedicta in den Chor. Sie kniete ehrerbietig nieder vor dem Allerheiligsten Sakrament und verließ dann den Chor mit den Worten: „Bitte, beten, Schwestern!“ Inzwischen sprach ich mit dem SS-Mann. Er sagte: „Sind Sie die Oberin?“ – „Ja.“
– „Schwester Stein muß das Kloster in 5 Minuten verlassen!“ – „Das ist unmöglich.“ –
„Dann in 10 Minuten. Wir haben keine Zeit!“ –
Als ich einsah, daß ich nichts erreichen konnte, sagte ich nur noch: „Wenn wir der Gewalt weichen müssen, dann in Gottes Namen.“ –
Von der Zelle ging ich zur Klausurtür, wo Frl. Rosa kniete, um den Abschiedssegen zu
empfangen. Bald kam auch Schwester Benedicta hinzu. Die Schwestern liefen hin und
her, um aus der Küche noch einen kleinen Imbiß zu holen. Aber nur einige Bissen konnte
die gute Schwester Benedicta nehmen. Die Zeit war lang vorbei.
Natürlich stand die ganze Straße voller Menschen, und wer Teilnahme zeigen wollte,
kam übel an.
Selige Schwester Benedicta
und Gefährtin Rosa Stein,
im Gebet und in der Bereitschaft zur Hingabe
habt ihr zusammen den Weg in das Sterben angetreten.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
35
Schwester Judith Mendes da Costa
Dominikanerin
Geboren am 25. August 1895 in Amsterdam.
Verhaftet am 2. August 1942 im Kloster in Bilthoven,
am 15. August freigelassen aus dem Lager Westerbork,
am 25. Februar 1944 nach Theresienstadt deportiert,
am 16. Mai 1944 nach Auschwitz transportiert,
dort getötet am 7. Juli 1944.
36
14
Schwester Judith Mendes da Costa
Zeitpunkt nicht bekannt in Bilthoven,
Schwester Judith Mendes da Costa(47).
Schwester Judith wurde vom Transport am 7. August 1942 zurückgestellt.
Am 2. Februar 1944 wird sie wieder verhaftet und am 7. Juli 1944 in Auschwitz ermordet.
In ihrem Bericht nach ihrer Entlassung schreibt sie:
Während ich noch wartete, ergab sich die Gelegenheit, die Ordensleute kennnzulernen,
denen ich auf dem Weg zugewinkt hatte: zwei Trappistinnen, zwei Trappistenpatres und
ein Bruder, alle fünf aus einer Familie, dann eine Karmelitin, Doktor in Philosophie. Sie
war von Deutschland nach Holland vertrieben worden und hatte dann - zusammen mit
ihrer Schwester, die dem dritten Orden der Karmelitinnen angehörte – im Kloster in Echt
gelebt, wo sie an einem Werk über Johannnes vom Kreuz gearbeitet hatte. Dann war
noch da die Ärztin Dr. Lisamarie Meirowsky, als Krankenschwester gekleidet, Schwester
Mirjam von den Schwestern aus Trier, Schwester Luise Löwenfels aus Geleen, Dr. Ruth
Kantorowicz, Alice Reis, ein Patenkind von Edith Stein, als Postulantin gekleidet und
eine Schwester von Moerdijk, Schwester Charitas.
HeiligeSchwester Benedicta
und Gefährtin Schwester Judith Mendes da Costa,
als Töchter des Volkes Israel wurdet ihr hineingenommen in die Schoa.
Ihr gehört zu den mit dem Siegel des lebendigen Gottes Bezeichneten
vor dem Thron des geschlachteten Lammes.
Bittet für uns.
Liedruf
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
37
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn,
ruf uns aus dem Tode, laß uns auferstehn.
Wenn einer mir dienen will,
folge er mir nach;
und wo ich bin,
dort wird auch mein Diener sein.
Wenn einer mir dient,
wird der Vater ihn ehren.
Joh 12,26
Muß ich wandern
in finsterer Schlucht,
ich fürchte kein Unheil,
denn du bist bei mir,
Ps 23,4
Vater, ich will, daß alle,
die du mir gegeben hast,
dort bei mir sind, wo ich bin.
Sie sollen meine Herrlichkeit sehen,
die du mir gegeben hast,
weil du mich schon geliebt hast
vor der Erschaffung der Welt.
Joh 17,24
Edith-Stein-Denkmal in Köln des Bildhauers Bert Gerresheim.
Fußspuren der Verhafteten in den Tod.
Jesus kommt ihnen entgegen.
38
15
Schlußgebet
Großer, lebendiger und heiliger Gott,
wir haben die selige Teresia Benedicta vom Kreuz
mit ihren Gefährtinnen und Gefährten um ihre Fürsprache angerufen.
Wir bitten dich,
schenke uns durch ihr Vorbild und die Hingabe ihres Lebens
in der Kreuzesnachfolge deines Sohnes Jesus Christus, die Kraft,
dir treu zu bleiben und dereinst zusammen mit ihnen
dich in deiner Herrlichkeit loben zu dürfen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unsern Herrn. Amen
Schlußlied
1.
O du hochheilig Kreuze,
daran mein Herr gehangen
in Schmerz und Todesbangen.
6.
Du bist das Siegeszeichen,
davor der Feind erschricket,
wenn er es nur anblicket.
2.
Allda mit Speer und Nägeln
die Glieder sind durchbrochen,
Händ, Füß uns Seit durchstochen.
7.
Du bist der Stab der Pilger,
daran wir sicher Wallen,
nicht wanken und nicht fallen.
3.
Wer kann genug dich loben,
da du all Gut umschlossen,
das je uns zugeflossen.
8.
Du bist des Himmels Schlüssel,
du schließest auf das Leben,
das uns durch dich gegeben.
4.
Du bist die sichere Leiter,
darauf man steigt zum Leben,
das Gott will ewig geben.
9.
Zeig deine Kraft und Stärke,
beschütz uns alle zusammen
durch deinen heiligen Namen,
5.
Du bist die starke Brücke,
darüber alle Frommen
wohl in den Himmel kommen.
10.
damit wir Gottes Kinder,
in Frieden mögen sterben
als deines Reiches Erben.
39
Das Gedächtnis der Märtyrer verteidigen
Das vergangene 20. Jahrhundert brachte große wissenschaftliche und technische Fortschritte; der
Mensch hat sogar den Mond betreten. Trotz der vielen Errungenschaften auf allen Gebieten des
modernen Lebens erfuhren die Menschen in Europa verhängnisvolle Diktaturen, zwei furchtbare
Weltkriege. Ungezählte Menschen verloren ihre Heimat, Millionen Menschen mußten in den kriegerischen Auseinandersetzungen ihr Leben lassen, Männer, Frauen und Kinder wurden ermordet.
Zur Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 rief Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen
Schreiben TERTIO MILLENIO ADVENIENTE am 10. November 1994 alle Ortskirchen auf, ihre
Märtyrerchronik aufzuzeichnen. Er sagte:
In unserem Jahrhundert sind die Märtyrer zurückgekehrt
Soweit als möglich dürfen ihre Zeugnisse in der Kirche nicht verloren gehen. Von den
Ortskirchen muß alles getan werden, um durch das Anlegen der notwendigen Dokumentation nicht die Erinnerung zu verlieren an diejenigen, die das Martyrium erlitten haben.
Dies sollte auch einen ökumenisch beredten Zug haben.
In der Verkündigungsbulle zum Jubiläumsjahr 2000 „INCARNTIONIS MYSTERIUM“ vom 29. November 1998 schrieb der Papst.
Ein dauerndes und heutzutage besonders beredtes Zeichen für die Wahrheit der christlichen Liebe ist das Gedächtnis der Märtyrer. Ihr Zeugnis soll nicht vergessen werden. Sie
sind diejenigen, die das Evangelium verkündet haben, indem sie aus Liebe ihr Leben
hingaben Der Märtyrer ist vor allem in unseren Tagen Zeichen jener größeren Lieb, die
jeden anderen Wert einschließt. Sein Dasein spiegelt die letzten von Christus am Kreuz
gesprochenen Worte wider: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk
23,34). (...)
Unser nunmehr zu Ende gehendes Jahrhundert hat vor allem als Folge des Nationalsozialismus, des Kommunismus und der Rassen- oder Stammeskämpfe zahllose Märtyrer hervorgebracht. Menschen aller Gesellschaftsschichten haben für ihren Glauben gelitten,
indem sie ihr Festhalten an Christus und der Kirche mit dem Leben bezahlten oder mutig
endlose Jahre der Gefangenschaft und Entbehrungen aller Art auf sich nahmen, um nicht
vor einer Ideologie zurückzuweichen, die sich in das Regime einer grausamen Diktatur
verwandelt hatte. (...)
Darum wird die Kirche überall auf der Erde im Zeugnis der Märtyrer verankert bleiben
und ihr Gedächtnis sorgsam verteidigen müssen.
Edith Stein – Lebensopfer und Gefährtenschaft
In Briefen und Niederschriften von Edith Stein erkennen wir die Linien, die auf ihr Lebensopfer
hindeuten. Auch der Hinweis auf die Gefährtenschaft mit anderen Menschen in der Passion – ein
Aspekt, der in der Edith-Stein-Forschung viel zu wenig beachtet wird, – ist in ihren Äußerungen zu
erkennen.
Schon am 16. Februar 1930 schrieb Edith Stein aus Speyer an die ihr befreundete Benediktinerin
Adelgundis Jaegerschmid:
Es ist ein anderes: ein auserlesenes Werkzeug sein und in der Gnade stehen. Wir haben
nicht zu urteilen und dürfen auf Gottes unergründliche Barmherzigkeit vertrauen. Aber
den Ernst der letzten Dinge dürfen wir uns nicht verschleiern. Nach jeder Begegnung, in
der mir die Ohnmacht direkter Beeinflussung fühlbar wird, verschärft sich mir die Dringlichkeit des eigenen holocaustum.
40
Wenige Monate enthielt ein Brief aus Breslau an Schwester Adelgundis den Hinweis:
S. Petri ad vinc. (St. Petrus in Ketten) ist mir auch ein besonders liebes Fest, nicht als
ein Gedenktag, sondern im Sinn der Lösung von Fesseln durch Engelshand. Wie viele
Fesseln sind schon gelöst worden, und wie selig wird es sein, wenn die letzten fallen. Bis
dahin muß man still in denen aushalten, die einem noch beschieden sind – je stiller, desto
weniger spürt man davon. Und man darf ja den Engeln nicht ins Handwerk pfuschen.
Das Fest Petri Kettenfeier 1942 war der letzte Tag, den Edith Stein in Freiheit verbrachte, am Tag
darauf, am 2. August 1942, wurde sie verhaftet. Nach der Liturgie war es 10. Sonntag nach Pfingsten, in dessen Communio-Vers es heißt:
Acceptabis sacrificium justitae, oblationis et holocausta, super altare tuum, Domine.
Das vollkommene Opfer, Weihegaben und Brandopfer nimmst du entgegen, o Herr, auf
deinem Altar. (Ps. 50,21)
Den Beginn des Kreuzweges mit dem Herrn hatte Edith Stein deutlich erspürt wenige Monate nach
Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 und die ersten öffentlichen Ausschreitungen gegen die
Juden stattgefunden hatten. In ihrer 1938 angefertigten Niederschrift „Wie ich in den Kölner Karmel
kam“ heißt es:
Es war der Vorabend des ersten Freitags im April, und in diesem »Heiligen Jahr« 1933
wurde an allen Orten das Gedächtnis des Leidens unseres Herrn besonders feierlich
begangen. Um acht Uhr abends fanden wir uns zur Heiligen Stunde im Karmel KölnLindenthal ein. Ein Priester (Domvikar Wüsten, wie ich später erfuhr) hielt eine Ansprache und kündigte an, daß von nun an jeden Donnerstag diese Andacht hier gehalten
werden sollte. Er sprach schön und ergreifend, aber mich beschäftigte etwas anderes
tiefer als seine Worte. Ich sprach mit dem Heiland und sagte ihm, ich wüßte, daß es
Sein Kreuz sei, das jetzt auf das jüdische Volk gelegt würde. Die meisten
verstünden es nicht; aber die es verstünden, die müßten es im Namen aller
bereitwillig auf sich nehmen. Ich wollte das tun, Er sollte mir nur zeigen wie. Als
die Andacht zu Ende war, hatte ich die innere Gewißheit, daß ich erhört sei. Aber worin
das Kreuztragen bestehen sollte, das wußte ich noch nicht.
Am 31. Oktober 1938 schrieb Edith Stein an die ihr sehr verbundene Priorin der Ursulinen,
Petra Brüning, in Dorsten voller Sorgen (es war dies eine Woche vor dem Reichspogrom am 9.
November):
Zu sparen hat jetzt gar keinen Sinn, weil sie (die Familie in Breslau) ja doch alles hergeben müssen, wenn sie aus dem Land gehen. Wenn sie nur wüßten, wo sie hin sollen!
Aber ich vertraue, daß die Mutter aus der Ewigkeit für sie sorgt. Und darauf, daß der
Herr mein Leben für alle genommen hat. Ich muß immer wieder an die Königin
Ester denken, die gerade darum aus ihrem Volke genommen wurde, um für das Volk vor
dem König zu stehen. Ich bin eine sehr arme und ohnmächtige kleine Ester, aber der
König, der mich erwählt hat, ist unendlich groß und barmherzig. Das ist ein so großer
Trost.
Bald werden wir die 1. Vesper von Allerheiligen singen.
Was im letzten Satz des Briefes zunächst nur wie ein Hinweis auf das liturgische Stundengebet klingt,
ist letztlich die Einbindung in die Schar derer, die das 7. Kapitel der Offenbarung beschreibt: „Es sind
die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des
Lammes weiß gemacht“
Kaum ein halbes Jahr später, Edith Stein beffand sich schon im Karmel von Echt, schrieb sie am 26.
März 1939, es war der Passionssonntag an ihre Priorin:
Liebe Mutter, bitte, erlauben Sie mir, mich dem Herzen Jesu als Sühnopfer für
den wahren Frieden anzubieten: daß die Herrschaft des Antichrist, wenn möglich
ohne einen neuen Weltkrieg zusammenbricht und eine neue Ordnung aufgerichtet werden kann. Ich möchte es heute noch, weil es die 12. Stunde ist. Ich weiß, daß ich ein
Nichts bin, aber Jesus will es, und Er wird gewiß in diesen Tagen noch viele
andere dazu rufen.
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Die ,,medeslachtoffers“ (Mitschlachtopfer), wie sie in der niederländischen Sprache genannt werden,
sind in besonderer Weise dreißig Frauen, Männer und Kinder, Ordensleute und Laien, deren Lebenslinien mit Edith Stein zusammentreffen und deren Namen in den Dokumenten des gemeinsamen
Kreuzweges bezeugt werden.
Wie Edith Stein wurden sie am 2. August 1942 als katholisch getaufte Juden verhaftet, verbrachten
vier Tage in gegenseitiger Bestärkung und gemeinsamem Gebet in den Lagern Amersfoort und
Westerbork, befanden sich zwei Tage auf dem Transport in den Osten, die meisten von ihnen wurden
bei der Ankunft in Auschwitz ohne Namen, ohne Nummer, nackt in der Gaskammer des „Weißen
Hauses“ in Birkenau ermordet.
Wenn wir heute die heilige Edith Stein um Fürsprache anrufen, dann sollten wir mit Ehrfurcht auch
ihrer Passionsgefaährtinnen und –gefährten gedenken und darauf vertrauen, daß sie uns vom Himmel
her Hilfe vermitteln für die Gestaltung unserer Welt in Frieden und Freiheit.
Diese Gefährtinnen und Gefährten von Edith Stein waren in zweifacher Hinsicht zum Tode verurteilt
worden: Am 20. Januar 1942 entschieden die Nazis in der berüchtigten „Wannsee-Konferenz“ in
Berlin, alle Juden in Europa zu ermorden und am 27. Juli 1942 fiel das zweite Todesurteil aus Rache
gegen den Hirtenbrief der niederländischen Bischöfe, mit dem diese gegen die Deportation der jüdischen Mitbürger protestiert hatten.
Gefährtenschaft
Jahrelang hatten wir gegen alle Erwartung gehofft,
daß die Lieben, die so grausam weggeholt worden waren,
noch am Leben seien.
Es ist kaum zu glauben, daß Grausamkeit so weit gehen kann
und so viele gute und geliebte Menschen
in solchen Massen umgebracht hat.
Wir werden es vermutlich nie glauben können;
es sei denn jene, die es gesehen und
die nun jahrelang – ein Leben lang – die Bilder
von durchgestandenem Leid und schrecklicher Folter
vor sich sehen.
Die Erwartung, die wir hegen,
die Hoffnung gegen alle Hoffnung,
ist nicht eitel oder vermessen.
Unsere Geliebten leben und werden leben in Ewigkeit.
Ihr Glaube, ihre Güte und ihr Vertrauen
sind für uns wie ein Licht.
In diesem Licht gehen sie uns voran,
Kinder des Volkes Gottes, von denen so viele
Christus dem Licht begegnet sind
und ihm wie einer „Leuchte für ihre Füße“ folgten.
In dieser Treue und in diesem Licht
sind sie auch unser Licht
bis wir uns einmal wiedersehen.
Gedanken von Schwester Teresita Munsters zur Rückkehr der im Jahre 1942
aus den Niederlanden Verschleppten. (Mitschwester von Schwester Charitas Bock).
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