Das neue Stadion von Nizza, die „Allianz Riviera“, ist in vielerlei

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Das neue Stadion von Nizza, die „Allianz Riviera“, ist in vielerlei
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IN DEX
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F U SS BA LL­
STA D I O N
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I N T E RV I EW
Das neue Stadion von Nizza, die „Allianz Riviera“,
ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Das darin verbaute
Holz brachte ein Plus in Sachen Nachhaltigkeit
und ein Minus an Gewicht, was im Gesamtkonzept
der Erdbebensicherheit zugutekam. Die abgerundete Silhouette fügt sich zudem perfekt in die
hügelige Landschaft des Var-Tals ein.
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ST EC K B R I E F
FA ZI T
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Fußballstadion Nizza
Energetische
Spitzenklasse
text: Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag | fotos: Milène Servelle
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S
eit September 2013 hat die französische Stadt Nizza
eine Attraktion mehr: das neue Multifunktionsstadion „Allianz Riviera“. Die Arena ist für 35.000 Zuschauer ausgelegt. Sie ist das erste Objekt des Raum- und
Stadterschließungsprojekts „Éco-Vallée Plaine du Var“. Das
Plusenergie-Stadion gilt als Vorzeigeobjekt in Sachen Nachhaltigkeit. Umweltbelange standen von Anfang an im Mittelpunkt der Planung.
FOTO: ALLIANZ RIVIERA/VIGOUROUX FRANCIS
Zwischen Entwurf und baubarer
Konstruktion liegt ein Jahr Arbeit
Nach einem eingeladenen Wettbewerb unter drei Generalunternehmen, die jeweils mit einem Architektur- und einem Ingenieurbüro im Team angetreten sind, beauftragte
die Stadt Nizza 2009 das Siegerteam Vinci Concessions zusammen mit dem Pariser Architekturbüro Wilmotte & Associés und dem Ingenieurbüro „Iosis et Egis Bâtiment“ mit
dem Bau. Hierfür erhielten sie als Entwurfs- und Planungsvorgabe ein Pflichtenheft zu Nachhaltigkeitsaspekten. Das
Stadion musste außerdem innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt sein. Die Idee einer organisch geschwungenen
Konstruktion, die einerseits das Spielfeld luftig umschließt,
andererseits die Hügelketten beidseits vom Var-Tal in
seiner Form aufnimmt – die Dachfläche sollte korrespondierende Wölbungen erhalten –, war bald geboren.
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Geländeplan
3D-Modell
Ausschnitt
ABBILDUNGEN, ZEICHNUNG: WILMOTTE & ASSOCIÉS
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Fußballstadion Nizza
Schnitt
Westtribüne
Photovoltaik-Paneele
auf Trapezblech
Flächenstreifen 1:
Transparente ETFE-Folie
PVC-Membran
Transparente ETFE-Folie
Dachrinne
Dachrinne
Flächenstreifen 2:
Transparente
ETFE-Folie
Explosionszeichnung
der baulichen Ebenen
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Pressebereich
Treppe E1/A11
Bereich mit
bevorzugten
Plätzen
Flächenstreifen 3:
Transparente
ETFE-Folie
2
Loge mit
12 Plätzen
Ehrenloge
Betriebsraum
3
Zugangsterrasse
Vorplatz
Lounge
Zugang für
Super-VIPs
Rauchabzug
Lounge
Verteilerhalle
Akkreditierungsstelle
Lounge
Umlaufender
Erschließungsgang
Ausschank/Imbiss
Gemischte
Zone
Wartebereich
für Blitzinterviews
Gleise
Gleise
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Aufbau
Im Sockelbau aus Stahlbeton kommen eine Tiefgarage und Umkleiden
unter. Darüber ist eine dreirangige
Tribüne ausgebildet mit dahinter
liegenden Aufenthaltsräumen und
den Erschließungszonen aus Treppen
und Zugangsbereichen – ebenfalls
aus Stahlbeton. 60 gewölbte Halbrahmen mit Innenbögen aus gekreuzten BS-Holz-Balken und Bogenrücken
aus Stahlrundrohren, die über
Stahlrohr-Pyramiden zu einem
räumlichen Fachwerk zusammengespannt sind, bilden die Fassade
und die Überdachung rundum.
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Membran
Bogenrücken aus Stahl
Innenbogen aus Holz
Tribüne
Sockelbau
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Fußballstadion Nizza
»Das im Stadion
verbaute
Holz brachte ein
Plus für die
Nachhaltigkeit und
ein dickes
Minus an Gewicht.«
Schnitt Tribüne
PVC-Membran
ETFE-Membran
ETFE-Membran
PhotovoltaikPaneele
Bogenrücken
und „Pyramiden“
aus Stahl
Innenbogen
aus BS-Holz
↑ An einem Verbindungsknoten schließen
immer Balken desselben
Typs an.
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Doch es dauerte noch fast ein Jahr, bis
sie in eine baufähige Konstruktion übersetzt war. Dank 3D-CAD-Programmen
ließ sich die umschließende Konstruktion, bei der die Architekten von Anfang
an an eine netzartige Hülle dachten, relativ einfach generieren. Doch die eigentliche Arbeit begann erst danach: In den
verschiedenen Schritten der Entwurfsplanung waren die konstruktiven Überlegungen mit den geometrischen Anforderungen nach und nach so in Einklang
zu bringen, dass nach mathematischen
Grundsätzen eine Reihe gleicher Bauelemente in einer geordneten Gesamtstruktur entwickelt werden konnte.
Die enge Zusammenarbeit der Architekten, der Tragwerksplaner und des
Bauunternehmens sowie der ständige Austausch untereinander führten
Schritt für Schritt zur baubaren Lösung.
Im Oktober 2010 präsentierte Nizzas
Bürgermeister Christian Estrosi der Öffentlichkeit erstmals die Pläne für das
ZEICHNUNG: WILMOTTE & ASSOCIÉS
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Oberes Auflager
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Unteres Auflager mit horizontaler
Anbindung sowie V-Stützen
ins Sockelgeschoss verankert
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Stadion. Finanziert von einer öffentlich-privaten Partnerschaft (Private-Public-Partnership
(PPP)-Modell)), kostete die Allianz Riviera die
private Investorengruppe Nice Éco Stadium
(NES), deren Anteilsinhaber die Vinci Concessions (50 %), die ,Caisse des Dépôts‘ und die ,South Europe Infrastructure Equity Finance‘ sind,
sowie Errichter und Betreiber 243,5 Mio. Euro.
69 Mio. Euro stammen von Zuschüssen für die
Kommunen.
Bei dem im Sommer 2011 begonnenen und
im Sommer 2013 fertiggestellten Bauvorhaben
waren vier Regionaltöchter von Vinci Construction France und das Holzbauunternehmen Fargeot Lamellé Collé aus Vérosvres am Werk, zudem Regionaltöchter von Vinci Energies France.
Holz für mehr Leichtigkeit und Nachhaltigkeit
Der Vorschlag aus dem Planungsteam, für das
Tragwerk auch Holz zu verwenden, erschien
den Architekten nicht gleich als die beste Wahl,
überzeugte sie schließlich aber doch. Denn der
nachwachsende Baustoff bot drei entscheidende Vorteile: seine Nachhaltigkeit, Stichwort
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ZEICHNUNG: WILMOTTE & ASSOCIÉS
Fußballstadion Nizza
„Reduzierung des CO2-Fußabdrucks“, die
hohe Druckfestigkeit im Verhältnis zum
Eigengewicht und die Verringerung des Eigengewichts des Gesamttragwerks, was sich
positiv auf die zu berücksichtigende Erdbebensicherheit des Bauwerks auswirkt –
denn Nizza liegt in einer Erdbebenzone.
Die Planer entwickelten ein Konzept aus
Sockelbau, Tribüne und einer netzartigen
Dachkonstruktion aus zwei Ebenen – einem
Holzgitter und einem räumlichen Stahlfachwerk –, überspannt mit einer Membran.
Im Sockelbau aus Stahlbeton, der auch die
Vorplätze mit ausbildet, kommen eine Tiefgarage und Umkleiden unter. Darüber hinaus integriert er ein Einkaufszentrum und
ein Sportmuseum. Damit wollte man das
Areal auch außerhalb von Veranstaltungen
im Stadion zum Anziehungspunkt machen
und für die alltägliche Nutzung attraktiv
gestalten. In den Sockelbau ist die dreirangige Tribüne – ebenfalls aus Stahlbeton –
eingebettet und das Ganze mit dem auskragenden Holz-Stahl-„Gewölbe“ überdacht.
Als Abdeckung fungiert eine Membran. Im
senkrechten Bereich kam eine transparente
ETFE-Folie (Ethylen-Tetrafluorethylen) zum
Einsatz, die den Charakter des Dachtragwerks durchscheinen lässt, aber auch den
Einfall von (Sonnen-)Licht erlaubt. Im waagerecht auskragenden Dachbereich dagegen
wählten die Planer eine weiße PVC-Folie als
Außenhaut.
Grundriss
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»Das Projekt ist das Ergebnis eines
interaktiven Planungsprozesses!«
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Wie fand Ihr Büro Willmotte &
Associés, das zusammen mit dem Generalunternehmen Vinci zum Wettbewerb
für das neue Eco-Stadion in Nizza
eingeladen wurde, zu der Idee,
das Stadiondach in Holz und Stahl
auszuführen?
Die Ausschreibung des Wettbewerbs forderte Nachhaltigkeit
und einen geringen CO2-Fußabdruck, also einen niedrigen
Primärenergieverbrauch beim
Bauen und Nutzen des Multifunktionsstadions. Bei der Überlegung, womit wir diese Kriterien erfüllen könnten, kamen wir
ziemlich schnell auf die Idee,
mit Holz zu bauen. Im zweiten
Schritt stellte sich uns dann
die Frage, wie man die großen
Spannweiten und Auskragungen der Dachkonstruktion mit
Holz bewältigen könnte. Das
brachte uns schließlich auf die
Zweischaligkeit, also eine innere netzartige Schale aus Holz
mit einem darüber gespannten
Stahltragwerk zu kombinieren.
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Hat Ihr Büro vor der Realisierung
der ‚Allianz Riviera‘ schon andere Holzbauten geplant?
Ja, aber nur im Einfamilienhaus-Bereich.
Erfahrungen mit Großprojekten dieser Art
in Holzbauweise hatten wir keine. Das war
Neuland für uns.
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Wie sind Sie an das Projekt herangegangen? Wie haben Sie sich das nötige
Know-how beschafft?
Wir haben uns die notwendigen Kenntnisse selber erarbeitet und uns in die Materie
vertieft. Dabei haben wir natürlich auch
verschiedene Holzbau-Unternehmen auf
eine Zusammenarbeit angesprochen. Am
Ende kristallisierte sich das französische
Holzbau-Unternehmen Fargeot als die richtige Wahl heraus. Das hatte auch mit der
Art des Projekts zu tun: Das Stadion wurde im Rahmen eines
Private-Public-Partnership(PPP)Modells gebaut. Das heißt, es
gibt einen Betreiber, ein Generalunternehmen und einen, der
das Stadion über 30 Jahre nutzt,
bevor es dann an die Stadt Nizza als Eigentümer übergeht.
Daher waren in den Wettbewerbsunterlagen auch die Baukosten festgelegt. Da Fargeot
ein Tochterunternehmen des
Generalunternehmens Vinci ist,
war klar, dass der Generalunternehmer Interesse daran hatte,
seine Tochter ins Team zu holen
– auch um Kostensicherheit zu
gewährleisten. Vinci konnte außerdem den französischen Holzbau-Papst, Professor Dominique
Calvi vom Ingenieurbüro Calvi
Etudes Structures, der auch
beim Centre Pompidou in Metz
mitgewirkt hat, als Berater gewinnen. In dieser Konstellation,
mit der wir beim Wettbewerb
angetreten sind, hatten wir einen der erfahrensten Köpfe der
Holzbauszene im Boot. Damit
waren wir perfekt aufgestellt.
Architekt Ralf Levedag ist Projektleiter
beim Büro Wilmotte & Associés SA in
Paris. Er war verantwortlich für Entwurf
und Bauausführung des neuen Stadions in
Nizza, der Allianz Riviera. Seit 2007 gehört
er zum Team von Jean-Michel Wilmotte.
FOTO: SUSANNE JACOB-FREITAG
Der Entwurf für das Eco-Stadion „Allianz Arena“ in Nizza vom
Pariser Architekturbüro Willmotte & Associés geht zurück auf die
grundsätzliche Frage: „Wie kann man nachhaltige Materialien
in einem Großbauwerk, wie es die Multifunktionsarena ist, einsetzen?
Bei den Überlegungen kam dann als einziger nachwachsende
Baustoff schnell Holz ins Spiel.
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Fußballstadion Nizza
der Parametrisierung trotz der
komplexen Geometrie eine maximale Standardisierung der
Bauteile für eine wirtschaftliche
Fertigung zu erreichen. Hier lag
ein großes Kosteneinsparpotenzial.
sung, die es erlaubte, die Anzahl der Knotenpunkte zu minimieren, was uns mit den
sich durchkreuzenden Holzquerschnitten
gelungen ist. Damit konnten wir die Anschlussknoten halbieren und erheblich
Kosten sparen. Erwähnenswert finde ich
aber auch den positiven Nebeneffekt bei der
Verwendung von Holz: Das Dachtragwerk
wurde besonders leicht. Durch die Konstruktionsweise verhält es sich gegenüber
Erdbebenlasten außerdem relativ gutmütig
und kann Horizontalkräfte „abfedern“. Ansonsten konnten wir natürlich nachweisen,
dass der CO2-Fußabdruck im Vergleich mit
einer konventionellen Bauweise sehr niedrig ausfällt: Wir haben etwa 3.000 Tonnen
CO2 eingespart.
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War es Ihnen in diesem
Team möglich, die Gestaltung der Dachkonstruktion
für die Einreichung des Entwurfs
beim Wettbewerb so zu konkretisieren, dass die Baukosten
kalkuliert werden konnten?
Ja, absolut. Wir konnten auf Basis des Vorentwurfs bereits Massen ermitteln und eine vorläufige Kostenschätzung erstellen,
die uns eine Zusage der Einhaltung der Baukosten ermöglichte. Als dann klar war, dass wir
den Wettbewerb gewonnen haben, machten wir uns als Team
an die detaillierte Ausarbeitung
der Konstruktion.
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Wie muss man sich das
vorstellen?
Aufgrund der Komplexität der
Geometrie des Projekts galt es
zunächst, in intelligente neue
Programme zu investieren und
in Leute, die sie bedienen können. Denn der gesamte Stadionbau mit Dachtragwerk musste
als parametrisierbares 3D-CADModell konstruiert werden, um
sowohl alle maßgeblichen Rahmenparameter zu berücksichtigen als auch eine harmonische
Form zu finden. Gleichzeitig
war es wichtig, die Modell-Dateien problemlos reihum an die
Projektbeteiligten zur Bearbeitung weitergeben zu können,
das heißt vom Architekten zum
Tragwerksplaner, zum HolzbauUnternehmen und zurück usw.
Für diesen iterativen Prozess
zur Optimierung des Tragwerks
in statischer und ästhetischer
Hinsicht benötigten alle dasselbe Programm. Übergeordnetes
Ziel war außerdem, mit Hilfe
www.lignardo.de
Wie haben Sie persönlich
diesen iterativen Planungsprozess, an dem alle bis zum
letztmöglichen Zeitpunkt gefeilt
haben, wahrgenommen?
Das war eine spannende Zeit.
Wir waren von Anfang an neugierig auf das Projekt. Gerade die Herausforderung, eine
noch nie dagewesene Lösung
zu entwickeln, hat uns gereizt.
Wir wollten die Möglichkeiten,
die uns Holz oder auch Holz in
Kombination mit Stahl bei einem Projekt dieser Größenordnung bietet, ausloten. Da hatten
wir Ehrgeiz und Enthusiasmus.
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Welche besonderen Problemstellungen fallen
Ihnen spontan ein, wenn Sie an
das Dachtragwerk denken?
Gute Detail-Lösungen für die
Verbindung des äußeren Stahltragwerks mit dem inneren
Holzgitternetz in Kombination
mit der komplexen Geometrie
zu finden, war beispielsweise
eine knifflige Aufgabe. Oder
auch die Ausführung der Knotenpunkte des Gitternetzes:
Hier suchten wir nach einer Lö-
Welche Nachhaltigkeitsanforderungen
erfüllt das Eco-Stadion noch?
Die Wettbewerbsausschreibung forderte
ein Plusenergie-Stadion. Die Aufgabe lautete: Das Stadion muss mehr regenerative
Energien erzeugen, als bei 25 Fußballspielen verbraucht wird. Um das zu erreichen,
nutzten wir Geothermie und PhotovoltaikElemente zur Energiegewinnung. Darüber
hinaus haben wir ein System zur natürlichen Belüftung entwickelt, das besonders
wenig Energie verbraucht. Ansonsten ist
das „Eco-Stadion“ HQE-zertifiziert (Haute
Qualité Environnementale), was der DGNBZertifizierung entsprechen dürfte.
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Welche neuen Erfahrungen nehmen Sie
aus diesem Projekt mit?
Das Zusammenspiel zwischen uns als Architekten, den Ingenieuren und Fachplanern
gestaltete sich außerordentlich gut und war
letztendlich der Schlüssel zum Erfolg.
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ENERGIE
KONZEPT
Die Allianz Riviera ist eines der ersten
Plus­energie-Stadien. Mit seiner
innovativen Holzkonstruktion und
der konsequenten Nutzung erneuerbarer Energien für den Betrieb
avancierte die Mehrzweckarena
zu einem Vorzeigeprojekt der Region.
MULTIFUNKTIONSSTADION: EIN PLUS IN SACHEN NACHHALTIGKEIT
Die auf dem Dach installierten 4.032
Photovoltaik-Module (8.500 m²)
produzieren 1.500 MWh pro Jahr.
Das entspricht einem Jahresverbrauch von 616 Haushalten. Damit
kann der Strombedarf des Stadions
weitgehend gedeckt werden.
Die Dachhaut des Stadions besteht
aus ETFE-Folien (Ethylen-Tetrafluorethylen); diese haben eine Dicke
von 0,25 mm und sind zu 90 Prozent
lichtdurchlässig. Da sie wesentlich
leichter sind als Glas, wurden durch
ihre Verwendung die Lasten für
die Dachkonstruktion erheblich
geringer und damit auch der Materialeinsatz für das Tragwerk.
Die Folien sind sehr widerstandsfähig und selbstreinigend, sodass
wenig Wartungsbedarf besteht, was
sie auch im Unterhalt wirtschaftlich
und umweltfreundlich macht. Der
Energiebedarf für die Herstellung
von ETFE-Folien liegt bei etwa
10 Prozent dessen, was bei der
Herstellung von Glas benötigt wird.
ETFE ist zu 100 Prozent recycelbar.
Auf dem Dach wird auch Regenwasser gesammelt, das vier Rückhaltebecken im Bereich der Parkplätze
speichern und für die Bewässerung
des Rasens sowie für die Toiletten
genutzt wird. Zusätzlich haben
die Planer ein neues, natürliches
Lüftungssystem entwickelt, das
den Wind der „Plaine du Var“ (VarEbene) nutzt. Dieser wird durch die
zu den Vorplätzen hin angehobene
Außenhaut in die Betonstruktur
des Stadions geleitet, dort „gespeichert“ und mit Hilfe von ‚poteaux
soufflants‘ (Lüftungssäulen) verteilt.
Diese speziell für das Stadion
entwickelte Technik reduziert den
Energieverbrauch zur Klimatisierung der Räume wesentlich.
Prinzip der natürlichen Belüftung
über Lüftungssäulen
Zusätzliche Luftauslässe über Lüftungssäulen
Wind aus der
Var-Ebene
(Luft-)Öffnung auf
Höhe des Vorplatzes
Belüftungssystem rund um das Stadion
Umkehrprinzip zur Nutzung der Warmluft aus dem „Treibhaus-Effekt“ der ETFE/PVC-Dachhaut
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Belüftung über
perforierte Stützen
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Fußballstadion Nizza
Belüftungskonzept
Erhöhung der
Sogwirkung der
Lüftungssäulen durch
angestaute Wärme aus
Sonneneinstrahlung
Das 54.000 m²-Projekt beinhaltet
Flächen für Kommerz und Entertainment, ein etwa 3.000 m² großes Sport­
museum, Restaurants und Parkplätze
sowie das Stadion für Fußball, Rugby
und Leichtathletik. Mit Hilfe der Geothermie wird das Wasser des Flusses
Var zur Heizung und Kühlung der
Räume genutzt, die dafür benötigten
Energiekosten ließen sich damit
auf ein Minimum reduzieren. Die
benötigte Heizenergie liegt bei
20,37 kWh/m² pro Jahr.
Die Materialkombination Holz/Stahl
für das Dachtragwerk ermöglichte es,
im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise 3.000 Tonnen CO₂ und
14 GigaWh Primärenergie zu sparen.
ABBILDUNGEN: WILMOTTE & ASSOCIÉS; FOTO: ALLIANZ RIVIERA/MILÈNE SERVELLE
Technik und Material erfüllen die
Anforderungen der Haute Qualité
Environnementale (HQE) Performance
Standards, was etwa der DGNB-Zertifizierung in Deutschland entspricht.
Belüftung über
Lüftungssäulen durch
natürliche Ventilation
Belüftung der Räume
durch Luftumleitung
Natürlicher Luftzufluss,
abgekühlt durch
Betonkernaktivierung
(Nutzung der
Gebäudemasse zur
Kühlung der Luft)
ENERGIEKENNWERTE
Verlegte PhotovoltaikModule
8.500 m²
Photovoltaik-Module
4.032 Stück
Heizenergiebedarf p.a.
20,37 kWh/m²
→ Photovoltaik,
PVC- und ETFEFolien bieten
gezielt Strom­
erzeugung,
Schatten und
Durchblick.
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Das Multifunktions­stadion in
Nizza präsentiert sich
als transparentes Bauwerk.
← Das Dachtragwerk
nimmt die Wellenbewegung der Tribüne auf.
ST EC KBRIE F
Multifunktionsstadion Allianz Riviera in Nizza, Frankreich
4.000 3.300 243,5
M³ B RET TS PER RHO L Z
TO N N EN STA HL I N DE R
DAC H KO N ST RU KTI O N
M I O. E U RO
BAU KOSTE N
BAUWEIS E :
Ingenieur-Holz-/Stahlbau
EN T W I C K LER :
ADIM Côte-d’Azur, F-06202 Nizza,
www.adim.fr
H O L ZBAU :
Fargeot Lamellé Collé,
F-71220 Vérosvres,
www.arbonis.com
BAUZE IT :
Juli 2011 bis September 2013
BAUH E RR/AUFT RAG G EBER :
Stadt Nizza, F-06364 Nizza,
www.nice.fr
AUFTR AG NE HM E R:
Nice Eco Stadium
(Tochtergesellschaft von VINCI)
FINANZ IE RUNG :
Private-Public-Partnership-Modell
(PPP)
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G EN ER A LU N TE RN E H M E R:
VINCI Concessions Rhône Alpes,
www.vinci.com
ARC H I T EK T U R :
Wilmotte & Associés, F-75012 Paris,
www.wilmotte.fr
T R AG W ER KSP L AN U N G :
ISOSIS et EGIS Bâtiment,
F-78286 Guyancourt Cedex,
www.egis.fr
STAH L BAU :
SMB Construction Metallique,
F-22440 Ploufragan, www.smb-cm.fr
MO N TAG E :
G.M.G. General Montaggi
Genovesi S.r.l., I-16128 Genua,
www.generalmontaggigenovesi.it
FOTOS: ALLIANZ RIVIERA/MILÈNE SERVELLE
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Fußballstadion Nizza
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ass es überhaupt möglich ist, eine derart komplexe Geometrie dieser Größenordnung mit so vielen Bauteilen und
Anschlussknoten zu errichten, kann als Meisterleistung bezeichnet werden. Sie ist das Ergebnis optimaler Zusammenarbeit zwischen
allen Planungsbeteiligten, in Kombination mit
modernsten Software-Programmen und dem
Ingenieursverstand, der sie sowohl richtig einzusetzen weiß als auch die jeweiligen Ergebnisse des iterativen Annäherungsprozesses zu deuten versteht. Das Ziel, ein leichtes und weiches
Tragwerk zu schaffen, haben die Planer dank
Holz und den Tausenden von Gelenkverbindungen erreicht.
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↑ Optisch entstand eine
Gitterstruktur aus Holz
mit aufgeständerter Membran.
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