Vortrag Flottillenadmiral Luther - Deutsches Maritimes Institut (DMI)
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Vortrag Flottillenadmiral Luther - Deutsches Maritimes Institut (DMI)
Vortrag Flottillenadmiral Luther Führungsstab der Marine Stabsabteilungsleiter FÜ M III Aktuelle Fragen der Deutschen Marine Ein Blick auf die Deutsche Marine zeigt im April 2010:. Unsere Boote stehen heute vor der Küste des Libanons im Einsatz. Unsere Schiffe und Flugzeuge begleiten Handelsschiffe durch die Gewässer vor Somalia und schützen sie vor Piraten. Unser Einsatzausbildungsverband befindet sich auf dem Rückweg von Südafrika und liegt zurzeit vor Kreta oder besser gesagt in der Suda Bay, nachdem er in Südafrika ein hervorragendes Flugkörperschießen absolviert hat. Und als besonderen Höhepunkt ist heute unsere Fregatte Hessen zu erwähnen. Sie ist voll integriert in die Trägergruppe des Flugzeugträgers Harry S.Truman der United States Navy und ersetzt dort, das ist besonders hervorzuheben, voll einen amerikanischen Kreuzer der Ticonderoga-Klasse und fährt in diesem Verband mit. Der Admiral der Carrier-Strike-Group hat gegenüber dem Führungsstab der Marine ausdrücklich betont, nachdem er kürzlich an Bord der Hessen war, wie beeindruckend, wie sensationell unsere Fregatte in diesem Verband ihre Aufgaben absolviert. Er hob auch hervor, dass sich gleichzeitig die Besatzung als auch das Schiff in diese Carrier-Strike-Group integriert haben. Ferner stellte er fest, - man kann deutlich bei Amerikanern raushören, ob sie das ehrlich meinen oder ob es nur höfliche Floskeln sind,- dass er den Wunsch habe, ein vergleichbares Maß ein Einsatzqualität, an Professionalität und vor allem auch an persönlichem Engagement der einzelnen Besatzungsmitglieder in der US-Navy zu erreichen, so wie er das auf der Hessen zurzeit erlebt. Weiterhin besetzen wir zur Zeit drei der vier Standing Maritime Groups der Nato, insgesamt könnte man das alles mit dem neudeutschen Wort„business as usual“ bezeichnen. Ein Blick auf die politische Landschaft in Deutschland zeigt, dass wir auch in Zukunft etwa in gleicher Weise in der Einsatzrealität gefordert sein werden wie heute. Jedoch zeigen sich ausgerechnet hier in Deutschland zunehmend deutlich erkennbare Risse in diesem Bild, die insbesondere unsere Durchhaltefähigkeit und unsere Befähigung, in den Einsätzen präsent zu sein, stören, und die dieses Bild sogar zu zerstören drohen. Grund für diese Entwicklung sind vor allem die -2aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland und der Welt und ihre Auswirkungen auf den Haushalt. Auch unsere Marine wird von der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht unberührt bleiben. Allerdings bietet jede Herausforderung auch Chancen, alte Zöpfe abzuschneiden, Ballast abzuwerfen und gestärkt aus dieser Prüfung hervorzugehen. Um einer Herausforderung erfolgreich zu begegnen, hilft nur ein Ziel und zunächst auch ein Konzept zu haben. Dennoch darf festgestellt werden, dass die Deutsche Marine in dieser Hinsicht gut aufgestellt ist. Zunächst ist daher kurz auf unsere konzeptionellen Arbeiten einzugehen, im wesentlichen aber auf die im November 2008 vom Inspekteur, d. h. die noch von Vizeadmiral Nolting, dem bis zum 28. April 2010 amtierenden Inspekteur der Marine, erlassene „ZVM 2025 plus“, also den Zielvorstellungen der Marine für die Jahre 2025 und später. Ebenso wichtig wie die konzeptionellen Grundlagen ist es jedoch auch, diese konsequent in die Praxis umzusetzen. Daher ist anschließend auf die beiden Felder einzugehen, auf denen für uns in der Marine heute die größten Herausforderungen bestehen. Nämlich die Entwicklung des Haushalts und die Entwicklung der Personalsituation. Ohne zuviel zu verraten, ist hier festzustellen: Auf beiden Feldern sieht es nicht nur nicht rosig aus, sondern eher dunkel. Und es besteht auf beiden Feldern dringender Handlungsbedarf. Die Notwendigkeit, hier das Ruder fest in die Hand zu nehmen ist erkannt und es wird auch auf einige Maßnahmen entsprechend einzugehen sein. Konzeptionelle Grundlagen. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich das Koordinatensystem der Deutschen Marine erheblich verschoben. Als Stichworte zu nennen sind hier nur unsere weltweite Beteiligung am Schutz der Seeverbindungslinien, die damit verbundene Diskussion um maritime Sicherheit sowie letztendlich die konsequente Ausrichtung auch der maritimen Einsätze der Bundeswehr auf Konfliktverhütung und Krisenbewältigung. Um diesen Phänomenen Rechnung zu tragen und für die vor uns liegenden Herausforderungen gewappnet zu sein, galt es also den Kurs der Marine neu festzulegen. Diese Festlegung des Kurses ist durch die bereits angesprochene ZVM 2025 + geschehen. Als Grundlagendokumente oder auch als Basis dienen die „Konzeption der Bundeswehr“ (KDB) und das 2006 noch vom alten Minister erlassene bzw. von der Bundeskanzlerin sogar unterzeichnete „Weißbuch 2006“. Beide -3Dokumente, KDB und Weißbuch, sind auch weiterhin noch gültig, weshalb wir mit den ZVM 2025 + auf tragendem Boden stehen. Inwieweit wir uns erst auf die Ergebnisse der Arbeit, der gerade jetzt aufgenommenen Strukturkommission, auf die wir uns in jedem Falle einzustellen haben, stützen können, wird sich eben nach Abschluss der Arbeiten der Strukturkommission zeigen. Das ist auch ein Grund dafür, weil gegenwärtig noch nicht alle Fragen zu beantworten sind. Die Zielvorstellungen der Marine(ZVM) Die ZVM geben die die Entwicklungslinien der Deutschen Marine vor. Richtungsgebend sind dazu die beiden Grundprinzipien nämlich einmal Projekt, d. h. Projektion de Force und Protect, also beschützen. Projekt als die Fähigkeit zu Einsätzen weltweit, mithin das, was die NATO mit der Fähigkeit zu expeditionary operations bezeichnet und zum anderen Protect, dem Schutz deutscher Bürger und dem Schutz deutscher Interessen in der Welt zu dienen. Beide Fähigkeiten stehen ganz im Kontext der streitkräftegemeinsamen Einsatzrealität der Bundeswehr. Das Prinzip Projekt treiben wir mit den Konzeptionellen Grundvorstellungen die See als Basis streitkräftegemeinsamer Operationen an und über Land voran, kurz mit der KGV Basis See. Die KGV Basis See ist vom Generalinspekteur entsprechend wahrgenommen und empfohlen. In der Abstimmung mit dem Führungsstab der Streitkräfte und den anderen militärischen Organisationsbereichen beabsichtigen wir, dieses Konzept zu einer Teilkonzeption weiter zu entwickeln und so einen vernünftigen, aber soliden Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr zu leisten. Im Bereich Protect ist es uns gelungen, die ministerielle Mitzeichnung der KGV Maritime Sicherheit abzuschließen und sie dem Generalinspekteur zur Zeichnung vorzulegen. Hierzu ist aktuell zu sagen, dass der Generalinspekteur diese KGV vor drei Wochen erst einmal angehalten hat, nicht weil sie ihm mißfällt, oder weil sie entsprechend die Rahmenbedingungen nicht erfüllt. Er hat sie angehalten, weil auch er zunächst auf die Ergebnisse der Strukturkommission abwartet. Damit soll die neue KGV in einem weiteren Rücklauf an neue Realitäten oder Veränderungen angepasst werden. Mit den internen abgestimmten Positionen, ZVM 2025 +, Protect, Projekt sowie KGV Basis See entstand eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit mit den anderen in diesem Bereich tätigen Ressorts auf nationaler wie auch internationaler Basis. Konzeptionell haben wir also -4unsere Hausaufgaben gemacht. Es stellt sich nun die Frage nach der Umsetzbarkeit unserer , konzeptionellen Vorstellungen in die Realität? Die Haushaltslage Die Anfang März 2010 abgeschlossene Haushaltsdebatte im Bundestag hat gezeigt, dass die eben schon erwähnte Wirtschafts- und Finanzkrise bereits in diesem Jahr deutliche Auswirkungen auf den Haushalt und dort besonders auf den Einzelplan 14 hat. Der mit dem Bundeswehrplan 2010 angemeldete umfangreiche und im Vergleich zum Vorjahr angestiegene Bedarf der Streitkräfte konnte nicht ganz im Haushalt 2010 realisiert werden. So wurde für dieses Haushaltsjahr durch den Bundestag bereits eine Unterdeckung von 800 Mio.€ für den Einzelplan 14 insgesamt beschlossen, wobei sich die Frage stellt, was das für die deutsche Marine bedeutet. Untersucht man den Einzelplan 14 auf Einsparungsmöglichkeiten, so stellt man erstens fest, dass gut 75 % des Bundeswehrhaushaltes gesetzt und unveränderlich sind. Da sind zum Beispiel Personalkosten und die ganzen Betreibermodelle: Bundeswehr- Fuhrpark, BWI Informationstechnik G.m.b.h. und letztlich auch die jetzt noch hinzukommende BIMA d. h. die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, deren Aufgabe in Verwaltung und Verwertung der Liegenschaften des Bundes nach kaufmännischen Gesichtspunkten liegt. Von den restlichen 25 % sind es dann effektiv nur zwei Felder, auf denen wir sparen können, die militärische Beschaffung und Materialerhaltung. Betrug für die Materialerhaltung der Haushaltsmittelbedarf im Jahr 2000 noch ungefähr 200 Mio € pro Jahr, so beträgt er heute rund 300 Mio €, eine Steigerung von 50 % in einem Jahrzehnt. Diese Kostensteigerung der letzten Jahre ist in erster Linie auf die hohe Abnutzung von Material im Einsatz zurückzuführen. Einsatzdauer, wie auch das tropische Einsatzklima, führen regelmäßig zu erhöhtem Verschleiß und zur Materialermüdung. Auch auftretende Obsoleszenzen in älteren Anlagen und versteckte Schäden erfordern zunehmend ein deutlich höheren Instandsetzungsaufwand. Bei neuen Einheiten, die wir als Hochtechnologieträger in die Flotte eingeführt haben ,– es sei hier nur die Fregatte F 124 genannt,- sind, bedingt durch die hohe Komplexität der Systeme, selbstverständlich deutlich höhere Ausgaben zu Materialerhalt für die technische-, logistische Unterstützung und Systempflege zu verzeichnen. Die konkreten Auswirkungen der Unterdeckung wurden im Haushaltsaufstellungsverfahren deutlich, so dass nur, um ein konkretes Beispiel zu nennen, bereits jetzt die Werftliegezeit von 4 Einheiten, nämlich einer Fregatte, einem EGV (Einsatzgruppenversorger), einem Tender und einem Flottendienstboot, mithin im ersten -5Drittel des Jahres, um ein halbes Jahr geschoben werden mussten. Damit können Zahlungsverpflichtungen haushälterisch nach 2011 verlagert werden. Das Schieben von Instandsetzungsbedarf führt natürlich regelmäßig zu einem nicht angemeldetem Mehrbedarf in den Folgejahren. Auf Dauer ist dies also auch keine tragfähige Lösung, denn auf diese Weise wird die Bugwelle immer höher. Damit verzeichnen wir heute schon ein finanzielles Fehl für die Materialerhaltung unserer Einheiten von mindestens 80 Mio € im Jahr 2011. Das sind 80 Mio € für das nächste Jahr, die bereits fehlen. Neben der Verfügbarkeit der Einheiten für die Flotte geht damit selbstverständlich ebenfalls die Planbarkeit für die Besatzungen verloren. Aber auch im investiven Bereich ist eine deutliche Unterdeckung zu verzeichnen. Die bereits angelaufenen Großprojekte Fregatte 125, das zweite Los U 212 und der dritte Einsatzgruppenversorger, der wer es noch nicht weiß „Bonn“ heißen wird, binden fasst den gesamten Invest-Titel. Für wichtige Betriebsinvestitionen, wie technische Änderungen, kleinere Beschaffungen zum Erhalt der Einsatzfähigkeit der Flotte in der Nutzung, bleibt kein Freiraum mehr. Diese kurz- bis mittelfristig nicht realisierbaren Vorhaben beinhalten u. a. die Erfüllung geänderter gesetzlicher Auflagen zur Verkehrssicherheit sowie für den Umwelt- und Betriebsschutz. Hinzu kommen die leider auch nach Zulauf unserer neuen Waffensysteme der Fregatte 124 und der Korvette 130 die weiterhin erforderlichen investiven Aufwendungen, um die volle Einsatzreife zu erreichen. Um den Amtschef des Marineamtes noch zu ergänzen, ist festzuhalten, wir erwarten im Führungsstab der Marine eine Einsatzfähigkeit von dem System Korvette 130. Das bedeutet, sowohl die Korvette K 130 im Flottenalltag, als sie auch in einer Rotation nutzen können. Es müssen also wenigstens zwei, drei bis vier Korvetten für die Flotte zur Verfügung stehen, die sie dann auch in die Einsatzrealität einsteuern und integrieren kann .Das wird nicht vor 2112 bis eher Ende 2012 /2013 geschehen. Weitere Stichworte sind bei den Neubeschaffungen Kostenobergrenzen, lange Bauzeiten, Anpassung an Einsatzbedingungen und Ersatzteilerstbedarf, um nur einige Problemfelder zu nennen. Zusammenfassend ist hier festzustellen, dass die absehbaren und die nicht absehbaren finanziellen Ressourcen für die fahrende und fliegende Flotte in Nutzung nicht ausreichen, um eine durchgängige Materialerhaltung und zeitgerechte Umsetzung der Betriebsinvestition zu -6gewährleisten. Auch der Konsolidierungsbedarf des Bundeshaushaltes bis zum Greifen der Schuldenbremse im Jahr 2016 lässt keine Verbesserung der Haushaltslage zugunsten der Materialerhaltung und investiver Maßnahmen der Streitkräfte erwarten. Ferner ist zu bemerken, als diese Überlegungen hier zu Papier gebracht wurden, war noch nicht die Alarmglocke aus Athen angeschlagen worden. Die Folge dieses Sparzwangs ist eine reduzierte Verfügbarkeit einsatzfähiger Waffensysteme bei gleichzeitiger Inkaufnahme des Verlustes von Teilfähigkeiten. Das führt folgerichtig bis zur Erosion und dann zur Erosion sogar aller Fähigkeiten in der Flotte. Das ist die Gefahr um die es geht. Folglich sind Einsatzfähigkeit, Durchhaltefähigkeit und die erforderliche Verfügbarkeit der Marine im Einsatz in naher Zukunft neu zu definieren. Es handelt sich hier vor allen Dingen um die Lage in diesem und im nächstem Jahr. Es sei an das eingangs skizzierte Bild der absehbaren Einsätze und der Einsatzrealität erinnert. Wir gehen davon aus, dass wir auch in Zukunft diese Einsätze werden durchführen können und wir werden auch dazu stehen und wir werden sie auch natürlich ganz klar mit hoher Priorität bedienen. Aber die dazu verfügbaren Einheiten werden immer weniger. Die Schere wird größer und eine weitere Herausforderung ist nicht zu vergessen, das Personal. Das ist nämlich die zweite große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Die Personalsituation Der Inspekteur hat in seiner diesjährigen Jahresweisung sogar die Personalsituation als die strategische Herausforderung für dieses Jahr herausgehoben. Besonders beschäftigen uns hier die Umstellung der Wehrpflicht auf W 6 ab Oktober 2010 und natürlich die demografische Entwicklung. In der Quintessenz betreffen beide Aspekte die Nachwuchsgewinnung für die Deutsche Marine in erheblichem Umfang. Hinsichtlich der internen Regeneration besteht gerade für die Marine eine Abhängigkeit von der Wehrpflicht. Jeder vierte Soldat auf Zeit war zuvor ein Grundwehrdienstleistender in der Marine. Und etwa 60 % der Grundwehrdienstleistenden der Marine werden zu Längerdienenden. Die Marine ist auf diese Längerdienenden im besonderen Maße auch angewiesen. Junge Soldaten werden sich auch zukünftig nur dann für eine Verlängerung ihrer Dienstzeit entscheiden, wenn sie den Dienst bei der Marine und vor allen Dingen in der Marine, d.h. in der Flotte authentisch erleben und sich auch als ein wichtiger Bestandteil unserer Marine fühlen können. Daher ist es entscheidend, dass die künftigen Grundwehrdienstleistenden auch bei der Verkürzung auf 6 Monate sinnvoll integriert und eingesetzt werden können. Die -7Marine wird weiterhin alle Rekruten quartalsweise zu einer dreimonatigen Grundausbildung einberufen. Bekanntlich ist es aber Grundwehrdienstleistenden nicht möglich, an mandatierten Einsätzen teilzunehmen. Die Verwendung von Mannschaften an Bord erfordert für alle Seefahrtsvorhaben dennoch grundsätzlich neben einem dritten Monat Grundausbildung eine weitere Zeit der Bordintegration und ist deshalb sinnvoller Weise nur mit länger dienenden Mannschaften machbar. Dies hat zur Folge, dass sich Grundwehrdienstleistende, die sich nicht über sechs Monate hinaus verpflichten wollen, künftig leider eben nur mit Schwierigkeiten, oder sagen wir einmal, überwiegend nur an Land eingesetzt werden. Sie können nur mit Schwierigkeiten zum Dienst in der Flotteverwendet werden. Das bedeutet wiederum eine besondere Herausforderung für die Nachwuchsgewinnungsorganisation, da die Entscheidung zur Ableistung des Wehrdienstes als freiwillig Dienstleistender ,also als FWDL, bzw. für eine Verpflichtung als SaZ, künftig vor oder mindestens während der Allgemeinen Grundausbildung getroffen werden muss. Die Personallage der Marine insgesamt ist in einzelnen Verwendungsreihen ziemlich bis sehr angespannt. Der Vakanzenumfang bei den Soldaten auf Zeit hat sich im vergangenen Jahr nochmals erhöht. Besondere Schwierigkeiten in der Gewinnung bestehen im Bereich der Marineführungsdienstler, also den 20er-Verwendungsreihen und bei den Minentauchern. Unabhängig von den eben genannten Weiterverpflichtungen bei den Grundwehrdienstleistenden, machen wir uns außerdem mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung und Personalbindung seit längerer Zeit Sorgen um die Attraktivität des Dienstes in der Flotte. Denn einmal bedingt durch die demografische Entwicklung in Deutschland und die abnehmende Geburtenrate ist zu erwarten, dass sich der Wettbewerb um Talente in den kommenden Jahren weiter verschärft. Viel wird daher von diesem Wettbewerb um motiviertes und qualifiziertes Personal abhängen. Erkannte Defizite sind zu beseitigen und neue Konzepte für attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen müssen mutig und entschlossen vorangetrieben werden. Dafür werden sich die Aufgaben der Marine aber absehbar weder verringern, noch ändern und ebenfalls nicht in der Intensität groß nach unten bewegen. Dies unterstreicht zwar auf der einen Seite den militärpolitischen und streitkräfteweiten Stellenwert unserer schwimmenden Einheiten, sorgt jedoch dafür, dass die Auslastung der Flotte auf hohem Niveau bleibt und in der Folge mit weniger Einheiten erfüllt werden muss. -8- Darüber hinaus erhöhen u. a. die normale Einsatzausbildung in See, Werftliegezeiten außerhalb des Heimatstützpunktes, die Abwesenheit der Soldatinnen und Soldaten erheblich. Wir haben heute Abwesenheitszeiten von über 240 Tagen. Solche Abwesenheitszeiten von 240 Tagen sind keine Seltenheit mehr. Und dies geschieht auch schon seit mehreren Jahren. Die Herausforderung liegt darin, den Dienst in der Deutschen Marine so zu gestalten, dass er für Berufsanfänger, ebenso wie für bereits dienende Soldaten eine lohnenswerte Alternative zu einem zivilen Beruf darstellt. Faktisch muss also letztendlich Seefahrt attraktiv bleiben, d.h. die Abwesenheiten des einzelnen Besatzungsangehörigen müssen sich in erträglichen Grenzen halten und möglichst auch planbar sein und planbar bleiben. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklung ist Personalgewinnung und Personalbindung eine dauerhaft strategische Herausforderung für die Marine und dies unterstreicht, dass der Inspekteur dieses Ziel als die strategische Herausforderung für dieses und die kommenden Jahre auch gesetzt hat. Wenn es uns gelingt, junge Menschen für die Seefahrt zu begeistern- und die Betonung liegt für die Seefahrt und nicht für die Behörde und nicht für das Ministerium- und für den Dienst in der Marine zu gewinnen, ist überhaupt erst einmal die personelle Einsatzfähigkeit der Marine zu gewährleisten. Diese beiden großen Herausforderungen liegen vor uns, die wir umschiffen müssen. Haushalt und Personal. Beide müssen wir bewältigen, um den Erhalt und die Zukunftsfähigkeit der Maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr sicherzustellen. Dem Personal kommt dabei eine absolute Schlüsselrolle zu, denn immer noch gilt das Prinzip: nicht Schiffe, sondern Besatzungen kämpfen. Es sind tragfähige Konzepte, für attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen zu entwickeln, um gesellschaftlichen Entwicklungen, wie Vereinbarkeit von Familie und Dienst, d. h. Work Life -Balance in Zeiten dieses Wandels entsprechend angemessen Rechnung tragen zu können. Man wird um die Abwesenheitsbelastungen erträglicher und planbarer zu gestalten, d. h. überhaupt gestalten zu können, auch die Strukturen in der Flotte robuster gestalten müssen. Deshalb kommt es darauf an, flexible Besatzungskonzepte, Intensivnutzung der Technik und eine stützpunktnahe Ausbildung zu entwickeln, welche die -9Abwesenheitsbelastung nachhaltig verringern und den Besatzungen stabilere Planungsparameter geben und anbieten können. Ein erster Einstieg ist mit der Personalergänzung in der Flotte erfolgt. Es ist zunächst nur ein Einstieg. Diesen Ansatz weiter verfolgend, ist für die Fregatte der Klasse 125 ein sogenanntes MBK, Mehrbesatzungskonzept, d. h. ein Zweibesatzungskonzept vorgesehen. Erstmalig wird hier mehr als nur eine Besatzung pro Schiff ausgeplant, die untereinander in einem festgelegten Rhythmus von voraussichtlich etwa vier Monaten rotieren werden. Dies erhöht die Verfügbarkeit dieser Einheiten und trägt gleichzeitig den bereits erwähnten gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung. Neben diesem neuen Besatzungskonzept gilt unser nächster Augenmerk auf der sogenannten stützpunktnahen, einsatzorientierten Ausbildung der Marine, d.h. SEAM. Mit SEAM wird die Ausbildung zum Soldaten gebracht, indem intensiv moderne Ausbildungsverfahren und Technologie angewandt werden. Es werden stützpunktnahe Aus- und Weiterbildungszentren für beide Einsatzflottillen, nämlich in Kiel und Wilhelmshaven eingerichtet. SEAM findet begleitend während des Einsatzausbildungsprogramms nach Instandsetzungsvorhaben statt, aber auch danach, während der Betriebsperiode und bei der konkreten Einsatzvorbereitung. Die Unterstützung umfasst sowohl den Bereich der Team-, wie auch der Individualausbildung. SEAM soll oder greift im Konzept auf mobile Ausbildungsteams ebenso zurück, wie auf moderne Simulatoren zur Darstellung komplexer Einsatzszenarien. Weiterhin wird zurzeit in einem streitkräftegemeinsamen Ansatz und im Rahmen einer modernen und zukunftsorientierten Personalentwicklung an weiteren Lösungsvorschlägen gearbeitet, um möglichst viele Optionen zur Steigerung der Attraktivität unseren Menschen gegenüber anbieten zu können. Dies steht übrigens auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom September bzw. November 2009. Damit existiert der politische Wille, auch tatsächlich etwas für unsere Besatzungen zu tun. Ein SEAM in der Form und Weise, wie wir es uns vorstellen und wie es tatsächlich die Menschen entlastet, ist nicht zum Nulltarif zu haben. Damit dürfte auch unmissverständlich klar sein, dass solche Vorhaben Kosten verursachen. In Anbetracht der Situation im Haushalt, ist es unser Ziel, die notwendigen maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr insgesamt für die laufenden und die wahrscheinlichen zukünftigen Einsätze auf See sicherzustellen. Weiterhin gilt es, dass die Deutsche Marine - 10 ebenso wie alle andern Organisationsbereiche gründlich zu überprüfen sind. Alles kommt auf den Tisch. Es geht nicht nur um eine Außerdienststellung von zwei Einheiten oder von einem Geschwader, sondern das, was zurzeit überdacht wird, hat sicherlich bundeswehrweit, d.h. streitkräftegemeinsam ganz andere Dimensionen. Der Maßstab ist dabei, und das ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren neu, die strikte Ausrichtung auf die laufenden und die wahrscheinlichen Einsätze der Bundeswehr, und es darf nicht so sein, darauf weisen wir im Ministerium immer wieder hin, dass wir die Bundeswehr nach Afghanistan ausrichten. Die Einsatzrealität darf nicht nur auf Afghanistan fokussiert bleiben. Wir dürfen also keine Bundeswehr nach Maßstab Afghanistan machen. Auch in den letzten vier Jahren haben wir eine gänzlich neu geschaffene Flottenorganisation geschaffen mit den beiden Einsatzflottillen und den drei Einsatzstäben, welche konsequent an der Einsatzrealität ausgerichtet sind. Jetzt kommt es darauf an, diese Vorleistungen entsprechend zu vertreten und die künftige Relevanz der Deutschen Marine in den Einsätzen und in einem maritimen Fähigkeitsspektrum der Bundeswehr entsprechend deutlich zu machen und zu unterstreichen. Dafür sind wir gut gerüstet und vor allen Dingen verfügt die deutsche Marine mit der eingangs dargestellten konzeptionellen Grundlage über Konzepte, auch alle unsere Fähigkeiten in die streitkräftegemeinsamen Operationen einzubringen, d.h. die Hausaufgaben sind gemacht. Zusammenfassung Abschließend ist festzuhalten, es liegen interessante Zeiten vor uns. Nach der alten Seemannsweisheit: Bereite Dich auf den Sturm vor, bevor er losbricht, sind wir gut vorbereitet auf das, was in Strukturkommission, in Untersuchungen und Überprüfungen, intern und extern des Ministeriums entsprechend sich vollziehen und auf uns zukommen wird. Die Deutsche Marine ist konsequent auf die Einsatzrealität ausgerichtet. Die Konflikte der Zukunft werden voraussichtlich auch weiter vornehmlich an Land entschieden. Infolge der Ballung der Weltbevölkerung in den Küstenregionen und der Bedeutung der See für die Weltwirtschaft (Beispiel. Piraterie) ist aber auch zunehmend mit der maritimen Komponente von Streitkräften zu rechnen und auch damit zu arbeiten. Und das ist den Damen und Herren Politikern auch an die Hand zu geben. Unsere laufenden und kommenden Rüstungsprojekte - 11 sind vor diesem Hintergrund konzeptionell wohl begründet und tragen den Anforderungen streitkräftegemeinsamer Einsätze im Rahmen internationaler Konfliktbewältigung und Konfliktverhütung auch Rechnung. Der gegenwärtig stattfindende Prozess der Neuorientierung eröffnet uns die Chance, unsere Planungen auch für dasJoint - Support – Ship sowie für eine neue Korvette 131 mit Nachdruck zu fordern und sie auch entsprechend einzubringen. Die Herausforderung der kommenden Monate und Jahre besteht darin, unsere Position im Wettbewerb mit den größeren Teilstreitkräften zu halten und das Bewusstsein für die Bedeutung der maritimen Domäne für Deutschland in unserer Gesellschaft weiter zu fordern. Und dazu brauchen wir aller Unterstützung. Denn es gilt tatsächlich heute, jedem zumitzuteilen, warum wir eine maritime Komponente brauchen, warum wir in unserer Marine zukunftsfähig entsprechend aufgestellt sind, sein wollen und bleiben wollen. Daraus folgt unschwer, dass die maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr auch in Zukunft, eben aus den genannten Gründen, auch eine wesentliche Rolle spielen werden. Sie werden für die Vertretung und den Schutz deutscher Interessen weltweit überhaupt nicht wegzudenken sein. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen, die wir heute beobachten können, wird das eigentlich nur noch unterstrichen, wenn man sich beispielsweise den Jemen oder die Seegebiete im östlichen Mittelmeer anschaut. Ein Blick auf Gebiete, die sich an der Grenze zu einer Krisenlage befinden, wie beispielsweise die Malakkastraße, zeigt, dass das alles dadurch nur noch unterstrichen wird. Aber das sind natürlich Themen, über die man lediglich nur diskutieren kann. Auf der Ebene der Politik müssen diese Dinge allerdings entscheidungsreif diskutiert und entschieden werden. Konkret für uns bedeutet das, sie müssen durch die politische Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung entschieden werden. Es kann hier versichert werden, dass die Erkenntnis über das Anstehen der Notwendigkeit von grundlegenden Entscheidungen im BMVg sowohl auf der Führungsebene der militärischen Führung, als auch der politischen Leitung angekommen ist. Ein schlichtes „Weiter-so“ reicht nicht mehr und wird es auch nicht mehr geben