Die Beschneidung gesetzlich gestatten?

Transcrição

Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
Von Prof. Dr. Rolf Dietrich Herzberg, Bochum
Der Bundestagsbeschluss v. 19.7.2012 fordert von der Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes. Es soll sicherstellen, „dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von
Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist“.
Und es soll dabei grundgesetzlich geschützte Rechtsgüter,
u.a. das „der körperlichen Unversehrtheit“, berücksichtigen.
Wie das? Was erlaubt werden soll, die Abtrennung der Vorhaut, lässt sich nur unter Zurücksetzung, d.h. Nichtbeachtung
des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit durchführen. Es
zu „berücksichtigen“ heißt doch wohl, an dem Verbot festzuhalten, das aus dem Gesetz folgt. Hier scheint aber gemeint,
dass man es nicht ganz außer Acht lassen und der gesetzlichen Ausnahmeerlaubnis, Kindern die Vorhaut abzutrennen,
wenigstens Grenzen ziehen soll.
Vorgelegt hat die Bundesregierung Anfang Oktober 2012
einen „Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz“, überschrieben mit „Entwurf eines Gesetzes über den
Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des
männlichen Kindes“. Vorgeschlagen und zur Diskussion
gestellt wird ein Regelungstext, der als § 1631d ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden soll:
„Beschneidung des männlichen Kindes
(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine
medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht
einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst
durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die
Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks
das Kindeswohl gefährdet wird.
(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1
durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und,
ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.“
I. Der vorangegangene Beschluss besteht aus einem einzigen
Satz, und schon er zeigt an, dass die geforderte Legalisierung
sich in unsere Rechtsordnung schwerlich einfügen und mit
dem Grundgesetz kaum zu vereinbaren sein wird. Körperverletzungen ohne Heilungssinn sollen grundsätzlich Unrecht
bleiben, aber die eine, „die Beschneidung von Jungen“, soll
– in Grenzen – erlaubt sein, auch wenn sie medizinisch unnötig ist. Ich habe einen Bekannten, der noch heute darunter
leidet, dass seine christlichen Eltern ihn als Fünfjährigen
– unter Narkose – haben beschneiden lassen. Der einzige
Grund war, dass sie ihn äußerlich dem jüngeren Bruder angleichen wollten. Beim Jüngeren war die Beschneidung gesundheitlich geboten und die Eltern fürchteten seelische
Schäden, wenn ihm etwas fehlte, was der Ältere hatte. Für
diesen ist im Rückblick das ganze Geschehen eins der
schrecklichsten Erlebnisse seiner Kindheit. Den Beschluss
verstehe ich dahin, dass das Gesetz auch eine so motivierte
Abtrennung der Vorhaut für „zulässig“ erklären soll (zur Aussage des aktuellen Entwurfs s.u. II.).
Man wird einwenden, das gehe zu weit; das Gesetz solle
der Religionsfreiheit das ihr zukommende Gewicht geben und
ein Fehlurteil, wie das Landgericht Köln eines gefällt habe,
für die Zukunft ausschließen. Darum sei die Zulässigkeit auf
Fälle der religiös-rituellen Beschneidung zu begrenzen.1 Aber
im Beschluss deutet sich zunächst einmal an, dass der Bundestag als der Gesetzgeber diese Eingrenzung nicht plant.
„Grundsätzlich zulässig“ sein soll „die Beschneidung von
Jungen“ und nicht etwa nur die religiös motivierte. Manche
Eltern möchten ihren Jungen aus anderen Gründen beschneiden, die sie, wie die religiösen Eltern die ihren, wichtig finden. So berufen sich die Verteidiger der jüdisch-muslimischen
Beschneidungspraxis ja auch in jeder Diskussionsrunde auf
die USA. Keineswegs missbilligen sie es, vielmehr heißen sie
es gut, dass dort ohne religiösen Sinn immer noch sehr viele
männliche Babys beschnitten werden. Selbst nach ihrer Ansicht muss bei der Werte- und Interessenabwägung die Religionsausübung nicht in die Waagschale fallen, auch eine ganz
anders motivierte Entscheidung der Eltern, ihr Kind beschneiden zu lassen, soll den Akt vollkommen rechtfertigen.
Nehmen wir z.B. das Motiv der Masturbationsbekämpfung. Hier hat die weite Verbreitung der frühkindlichen Operation in den USA ihre historische Wurzel. Lewis Sayre und
John Harvey Kellogg, Ärzte und Moralapostel des viktorianischen Zeitalters, kämpften in den 1870er Jahren diesen Kampf
mit missionarischem Eifer. Erfolg hatten sie insofern, als
immer mehr Eltern ihrer grausigen Therapieempfehlung folgten, den Jungen durch Wegschneiden der Vorhaut die Sache
zu erschweren und die Lust zu mindern.2 Wenn nun heute
Vater und Mutter dieses Ziel für ihren Sechsjährigen verfolgen, nachdem sie ihn ein paar Mal erwischt haben, so erlaubt
ihnen das geplante Gesetz die „fachgerechte Beschneidung“;
nur muss sie „ohne unnötige Schmerzen“ vorgenommen werden. Eine empörende Regelung und eine groteske dazu. Denn
alle anderen erzieherischen Misshandlungen und Gewaltanwendungen bleiben nach § 1631 Abs. 2 BGB strikt verboten.
Wenn der Vater dem Söhnchen das Onanieren verleiden will
durch eine „saftige Ohrfeige“ oder eine „tüchtige Tracht Prü1
So hält es nach Pressemitteilungen auch eine interne Weisung
des Berliner Justizsenators. Religiös motivierte Beschneidungen sollen jedenfalls vorläufig nicht verfolgt werden. Die
Sprecher der betroffenen Religionsgemeinschaften sehen das
kritisch, weil damit die Bekenntnisfreiheit bedroht werde.
2
Kellogg sah die Sache so: „Ein Mittel gegen Masturbation,
welches bei kleinen Jungen fast immer erfolgreich ist, ist die
Beschneidung. Die Operation sollte von einem Arzt ohne
Betäubung durchgeführt werden, weil der kurze Schmerz
einen heilsamen Effekt hat, besonders, wenn er mit Gedanken
an Strafe in Verbindung gebracht wird. Bei Mädchen ist die
Behandlung mit unverdünnter Karbolsäure hervorragend
geeignet, die unnatürliche Erregung zu mindern“ (zitiert nach
Schmidt-Salomon, Fragen und Antworten zur Knabenbeschneidung, http://pro-kinderrechte.de/wp-content/uploads/
2012/08/faq_beschneidung.pdf [zuletzt abgerufen am 10.10.
2012]).
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
486
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
gel“, wie sie „noch niemandem geschadet hat“, so begeht er
eine strafbare Körperverletzung, während die demselben
Zweck dienende „fachgerechte“ Genitalverstümmelung erlaubt wäre.
II. Nun ist freilich das Folgende zu bedenken: Wenn jemand unter bestimmten Umständen töten oder verletzen darf,
dann entfällt seine Rechtfertigung normalerweise nicht deshalb, weil er aus einem fragwürdigen, ja hässlichen Motiv
heraus handelt. Ein Tierarzt z.B. darf auf Verlangen der
Eigentümer leidende Hunde einschläfern. Er darf das allemal
auch dann, wenn er mit diesen Taten heimlich seinen Sadismus befriedigt oder empathielos nur auf das Honorar abzielt.
So kommt auch bei der Jungenbeschneidung in Betracht, dass
die Befürworter einer Erlaubnis, die allein an die elterliche
Einwilligung gebunden ist, sich auf die objektive Beförderung
des Kindeswohls berufen können. Die Tat veranlasst haben
mag also selbst ein so befremdlicher Beweggrund wie die
Onanieverhinderung oder die Angleichung an den kleinen
Bruder nach dessen medizinisch notwendiger Zirkumzision
oder die ästhetische Flause einer Mutter, die sich in dem
holländischen Dokumentarfilm „Mom, why did you circumcise me?“ den Fragen ihres Sohnes stellen muss.3 Vielleicht
kann man ja sagen, dass objektiv betrachtet sich jede Beschneidung „zum Wohl des Kindes“ (§ 1627 BGB) auswirkt
oder ihm doch jedenfalls „unterm Strich“ nicht abträglich ist
und dass es deshalb auf ein gutes Motiv gar nicht ankommt.
Im Recht wäre z.B. sogar die junge Urologin, die sich von
der Zirkumzision keinerlei Vorteile für ihren Dreijährigen
verspricht, ihn aber dennoch beschneidet, um das Operieren
zu üben.
Der Regierungsentwurf sieht es anders. Er regt die Schaffung eines Rechtfertigungsgrundes an, den der Strafrichter
verneinen muss, wenn er „durch die Beschneidung auch unter
Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet“
sieht. Rein theoretisch könnte der Richter über diesen Vorbehalt jede medizinisch unnötige Jungenbeschneidung der
Rechtfertigung entziehen. Er müsste nur die Tat dahin gehend
bewerten, dass sie als irreversible, riskante und mit erheblichen Schmerzen verbundene Körperverletzung das Kindeswohl gefährde (und tatsächlich beeinträchtige), und zwar in
allen Fällen, auch im praktisch wichtigsten Fall der rituellen
Beschneidung. Die Entstehungsgeschichte des neuen § 1631d
BGB würde uns aber belehren, dass der Richter es so nicht
sehen soll. Die Rechtfertigungsnorm durch ein strenges Kindeswohlverständnis, so einleuchtend es auch sei, gegenstandslos machen darf er nicht. Er soll ihr eine Art unwiderlegliche Vermutung des Inhaltes entnehmen, dass jedenfalls
eine nach der lex artis durchgeführte rituelle, dem jüdischreligiösen oder muslimisch-religiösen Zweck dienende Be3
Unter: http://www.youtube.com/watch?v=U5kaEEckXmU.
Der Film zeigt auch die Beschneidung eines Jungen, dessen
Eltern den Eingriff aus hygienischen Gründen vornehmen
lassen, die Mutter zusätzlich aus ästhetischen („it looks
nicer“). Sehr aufschlussreich ist dann, wie der unbeschnittene
Vater auf die Frage reagiert, warum er den Eingriff nicht
auch für sich wolle: Er habe kein Problem mit seiner Vorhaut.
schneidung das Kindeswohl nicht gefährde. Andererseits:
Auf das religiöse Motiv beschränkt sein soll die Rechtfertigung auch wieder nicht. „Die vorgeschlagene Regelung differenziert […] nicht nach der Motivation der Eltern, insbesondere enthält sie keine Sonderregelung für religiös motivierte
Beschneidungen […]“, sagt die Begründung, und sie unterscheidet: Hier die Beschneidung aus Gründen der Religion,
der kulturellen Tradition oder zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, dort Beschneidungen z.B. „aus rein ästhetischen
Gründen oder mit dem Ziel, die Masturbation zu erschweren“. Aber angedeutete Empfehlungen zur Zweckbewertung
in den Materialien sind keine gesetzlichen Festlegungen.
Außerhalb des (religiösen) Kernbereichs ist die in Abs. 1 S. 2
geforderte Wertung im Grunde dem Belieben des Richters
überlassen. Er muss keineswegs, aber er kann z.B. die Zwecke der Onanieverhinderung, der Penisverschönerung, der
Erleichterung des Waschens oder der Geschwisterangleichung (s.o. I.) missbilligen und die so motivierte Tat bestrafen. Denn bei solcher Zwecksetzung, könnte er sagen, werde
die Beeinträchtigung des Kindeswohls durch Raub des sensibelsten Penisteiles von keiner guten Absicht aufgewogen.
Diese Bewertungsfreiheit bedeutet eine große Rechtsunsicherheit. Sie wird vermieden, wenn man dem Motiv überhaupt
keine Relevanz gibt. Genau so könnte man, wie unter I. schon
gesagt, den Bundestagsbeschluss v. 19.7.2012 verstehen, und
seine Sicht der Dinge scheint sich zu verbreiten: Weg von der
so überaus heiklen Berufung auf die Religionsfreiheit, die
jeden nachdenklichen Kopf sofort fragen lässt, wie man denn
jemals das Recht haben könne, durch Verletzung der eigenen
Kinder, etwa durch ihre Geißelung am Karfreitag, seine Religion auszuüben, und hin zu einer säkularen Begründung, welche die Geißelung selbstverständlich verboten sein lässt, die
Beschneidung aber als einen unter dem Kindeswohlaspekt
vertretbaren Akt dem Entscheidungsermessen der Eltern anheimgibt, ohne irgendwie nach den Motiven zu fragen oder,
in Umkehrung des Entwurfs, ohne „Berücksichtigung des
Zweckes“.
Zur Legitimierung des erwarteten Gesetzes haben wir in
diesem Geiste Wolfram Höfling argumentieren gehört, nämlich in der Sitzung des Ethikrates am 23.8.2012. Und Bijan
Fateh-Moghadam hat versucht, schon dem geltenden Recht
einen Rechtfertigungsgrund abzugewinnen und ihn, ohne
Rücksicht auf die Motivation, allein mit dem Elternrecht und
dem Kindeswohl zu begründen. Sein Ergebnis ist, dass Beschneidungen, wenn von der „stellvertretenden Einwilligung“
der Sorgeberechtigten gedeckt und lege artis durchgeführt,
normalerweise, auch ohne „kurativ-medizinische Indikation“,
gerechtfertigt seien. Die Motivation sei gleichgültig. Die
Erlaubnis folge „aus der für jedermann geltenden Bestimmung der Reichweite des elterlichen Sorgerechts. Auch das
in Deutschland lebende säkulare amerikanische Elternpaar darf
sich aus kulturellen, traditionellen, ästhetischen oder präventiv-medizinischen Gründen für die Beschneidung seines Sohnes entscheiden.“4 Dass diese Entscheidung mit dem Kriteri-
4
http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/religion_
und_politik/aktuelles/2010/05_2010/ansichtssache_fateh-
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
487
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
um des Kindeswohls (§ 1627 BGB) vereinbar sei, stützt der
Autor auf „erhebliche hygienische und präventiv-medizinische Vorteile“, die den Nachteilen der Verletzung gegenüberstünden. „Auf die Religionsfreiheit als Rechtfertigungsgrund“
müsse darum nicht „zurückgegriffen werden.“5 „Der Befund
macht deutlich, dass das Recht auch dort, wo es Freiheitsräume für religiöse Praktiken schafft, nicht selbst religiös
begründet ist: der rechtlichen Zulässigkeit der Beschneidung
von Knaben liegt die Systemreferenz des Rechts und nicht
die der Religion zugrunde.“6
Aber die Begründung ist nicht stichhaltig. Einerseits: Die
„hygienischen und präventiv-medizinischen Vorteile“ einer
Beschneidung, die „kurativ-medizinisch“ unnötig ist, sind
äußerst zweifelhaft,7 und wären sie wirklich anzuerkennen, so
könnte man sie doch allesamt auch ohne die dem Kind aufgezwungene Operation erreichen: durch sorgfältiges Waschen
und später, in Fällen eines besonders riskanten Sexuallebens,
durch Kondombenutzung oder äußerstenfalls durch eine Zirkumzision, die der Jugendliche oder junge Mann um seiner
Gesundheit willen eigenverantwortlich begehrt.
Die Begründung des Regierungsentwurfs gibt der Stellungnahme der Amerikanischen Akademie der Kinderärzte
von August 2012 Gewicht, wonach „die gesundheitlichen
Vorteile beschnittener Neugeborener schwerer wögen als die
Risiken“. Hier jedes (pekuniäre) Eigeninteresse auszuschließen, ist nicht realistisch, und der „Stellungnahme“ Gewicht
zu geben, verbietet sich schon deshalb, weil sie fast nur mit
der Aids-Prophylaxe argumentiert.8 Dass dieser Gesundheitsaspekt für den deutschen Gesetzgeber kein Grund sein darf,
die Abtrennung der Vorhaut bei kleinen Jungen zu erlauben,
versteht sich von selbst. Die Äußerung der amerikanischen
Kinderärzte steht auch ganz isoliert da. In aller Welt wenden
sich die zuständigen Fachärzte gegen die Zirkumzision bei
normaler Penisbeschaffenheit, und auch die deutschen Mediziner sehen die behaupteten „Vorteile“ nicht, von einem
„Überwiegen“ gar nicht zu reden.
Hört man die religiös motivierten Beschneidungsbefürworter, dann scheint ohnehin der Wunsch, es möge diese Vorteile geben, der Vater der Behauptung zu sein. Wohl kaum
ein Land beobachtet in Gesundheitsdingen sich selbst sorgfältiger als Deutschland. Hat die Beobachtung jemals die
moghadam.pdf (zuletzt abgerufen am 10.10.2012), unter
„Religiöse Rechtfertigung?“.
5
Fateh-Moghadam, RW 2010, 115 (142).
6
Siehe oben (Fn. 4), unter „Religiöse Rechtfertigung?“.
7
http://www.circumcision.org/studies.htm (zuletzt abgerufen
am 10.10.2012) – Die Autoren des Regierungsentwurfs sind
in ihrer zielstrebigen Begründung überaus deutlich bemüht,
Argumente für die vorgeschlagene Beschneidungserlaubnis
zu finden. Aber auch sie vermeiden es, „unterm Strich“ für
ein deutsches Gesetz gesundheitliche Vorteile ins Feld zu
führen (siehe unter A. II. 2. d).
8
Wie weit in Sachen Beschneidung die Mentalität der Kinderärzte-Akademie von der unseren entfernt ist, zeigt sich
auch darin, dass die Akademie vor Jahren empfohlen hat, die
Mädchenbeschneidung in der Form des „ritual nick“ (a small
cut to the clitoris) zuzulassen.
behaupteten Vorteile bestätigt? Leiden in Deutschland Jungen und Männer, deren Zirkumzision medizinisch niemals
indiziert war und die ihre Vorhaut zeitlebens behalten, häufig
an Krankheiten, die den rituell Beschnittenen erspart bleiben?
Davon hört man nie etwas; umso mehr von den Beschwerden
und Leiden, die gerade jetzt viele beschnittene Männer öffentlich bekunden.
Andererseits: Die medizinisch nicht indizierte Abtrennung
des Präputiums vom kindlichen Penis, obwohl oft absichtsvoll bagatellisiert, ist in Wahrheit ein schwerwiegender Eingriff: in vielen Fällen qualvoll und immer riskant, komplikationsträchtig, irreversibel und verbunden mit der Gefahr, das
Opfer lebenslang zu belasten. Wissenschaftliche Forschung hat
ergeben, dass die Entfernung der Vorhaut im Säuglings- oder
Kindesalter als Trauma wirkt und zu erheblichen körperlichen, sexuellen oder psychischen Komplikationen und Leidenszuständen führen kann (nicht muss!), die den Beschnittenen noch als Erwachsenen belasten.9 Allein die wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, dass das sensorische Gewebe des Penis zu fast 70 % auf die Vorhaut entfällt, dass sie die
eigentliche „erogene Zone“ des männlichen Geschlechtsorgans bildet, macht es geradezu absurd, ihre Vernichtung mit
dem körperlichen Wohl des Kindes zu rechtfertigen.
An keiner Stelle der Begründung des Regierungsentwurfs
wird der Charakter eines bestellten Gutachtens deutlicher als
in dem eilig-kurzen Abschnitt, der „Medizinische Risiken
und Folgen der Beschneidung“ betrifft (A. II. 4.). Unbezweifelbar liegen hier Gründe, die entschieden und mit größtem
Gewicht gegen die Kindeswohldienlichkeit und gegen die
Gestattung der medizinisch nicht indizierten Zirkumzision
sprechen. Aber das Bestreben der Referenten ist, alle Gründe
herunterzuspielen und möglichst allen mit dem Hinweis zu
begegnen, dass sie empirisch nicht gesichert und wissenschaftlich bestritten seien. Kennzeichnend Anfang und Ende:
„Die chirurgisch durchgeführte Zirkumzision gilt als ‚komplikationsarm’ […]. Zudem ist der Besorgnis einer Traumatisierung mit Hinweis darauf, dass weltweit rund 30 Prozent
der Männer beschnitten sind, die ‚Evidenz normaler Lebenswege’ entgegengehalten worden […].“
Aber das seelische Wohl, hört man immer wieder, das
wird durch eine Beschneidung jedenfalls dann befördert, wenn
sie den Sinn hat, das Kind in die Religionsgemeinschaft seiner Eltern einzubinden, wenn sie das Kind gleichsam mit
dem Stempel der Dazugehörigkeit versieht, der ihm Geborgenheit und die Wärme der Gemeinschaft verheißt. Eine
Begründung des Dürfens, die zwar auf die rituelle Beschneidung beschränkt ist und mit der Religion zu tun hat, die sich
aber nicht auf die Religionsfreiheit beruft, sondern allein auf
das Recht und die Pflicht der Eltern, „die elterliche Sorge
[…] zum Wohl des Kindes auszuüben“ (§ 1627 BGB). Es
versteht sich, dass diese Erwägung ganz entsprechend auch
die Entscheidung christlicher Eltern gutheißt, ihr Kind taufen
zu lassen.
9
So Matthias Franz, Professor und Arzt für psychosomatische Medizin an der Universität Düsseldorf, FAZ v.
9.7.2012, S. 7.
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
488
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
Was einen sofort stutzig machen muss, ist die indirekte,
im Umkehrschluss erkennbare Behauptung, dass die vielen
christlichen, jüdischen und muslimischen Eltern, die ihr Kind
nicht taufen oder beschneiden lassen, weil es später selbst
und eigenverantwortlich darüber entscheiden soll, dass diese
Eltern sein Wohl zu fördern versäumen und ihm die Aussicht
auf wärmende Geborgenheit vorenthalten – was man ihnen
natürlich vorwerfen müsste. Aber das wäre ein Vorwurf, den
die liberal denkenden Eltern mit Recht als eine Unverschämtheit zurückweisen würden. Und geradezu empören muss sie
die Anklage, die Dr. Johannes Friedrich, Landesbischof a.D.,
Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
und Herausgeber des Magazins chrismon, gegen sie richtet:
dass sie sich der „Versagung eines Lebensrituals“ schuldig
machen, weil sie einem jüdischen Sohn „eine für seine religiöse Identität wichtige Tradition vorenthalten“. Er nehme an
seiner „seelischen Unversehrtheit“ Schaden, „wenn er feststellen muss, dass sein Vater einer zentralen religiösen Pflicht
nicht nachgekommen ist und ihn dadurch seiner religiösen
Heimat beraubt“.10 Gemeint ist, dass jüdische Eltern ihren
Sohn seelisch versehren (= misshandeln), wenn sie ihn körperlich unversehrt heranwachsen und ihn selbstverantwortlich
über seine Vorhaut entscheiden lassen. Friedrich nennt es
einen „Skandal“, wenn es Rechtspflicht wäre, durch Verschonung des Kindes dessen körperliche Unversehrtheit und autonome Selbstbestimmung zu achten. Nein, ein Skandal ist das
Urteil, das er über Eltern fällt, die ihrem Kind diese Achtung
erweisen.
Ich hoffe, dass der Autor dies inzwischen, nach dem Studium der Leserkommentare,11 selbst eingesehen hat. Die Kommentatoren sind ausnahmslos gegen die rituelle Kinderbeschneidung. Sie zeigen sich überaus befremdet von Friedrichs Skandalthese und abgestoßen vom Eifer der meisten
Kirchenmänner, sich bei den Sprechern der Nachbarreligionen anzubiedern, statt sich im Geist der Nächstenliebe mit
aller Kraft dafür einzusetzen, dass wehrlosen Kindern nicht
der besonders erogene Teil ihres Geschlechtsorgans geraubt
wird. Und man stellt in ethisch-menschlicher Hinsicht die
Dinge auf den Kopf, wenn man so tut, als ob den jüdischen
Eltern, die dem Gruppendruck widerstehen und sich schützend vor ihren Jungen stellen, später Vorwürfe des Beschützten drohen. Friedrich könnte diese Spekulation mit keinem
einzigen Fall belegen. Es gibt Tausende bekennende Juden,
die zeitlebens unbeschnitten bleiben, ohne sich doch ihrer
„religiösen Heimat beraubt“ zu fühlen. Wohl aber gibt es
viele junge Juden, die sich ihrer Vorhaut beraubt fühlen, sie
manchmal zu restituieren suchen, sich organisieren und für
die Abschaffung des Rituals kämpfen.
Aber ich lasse Friedrichs extreme Sicht beiseite und räume ein, dass die Einbindung in eine religiöse Gemeinschaft
für das Kind normalerweise zwar nicht nur, aber jedenfalls
auch ihr Gutes hat. Die Frage ist dann, ob denn die Eltern ihr
Kind, um ihm das Gute zu verschaffen, wirklich ganz früh,
ohne sein verantwortliches Einverständnis abzuwarten, taufen
oder beschneiden lassen müssen. Um dem Argument der Förderung des seelischen Kindeswohls Relevanz zu verschaffen,
müssten die Religionsgemeinschaften sich erst einmal inhuman gegen Nichtgetaufte und Nichtbeschnittene verschließen
und es darauf anlegen, den Eltern die Taufe oder den blutigen
Schnitt abzunötigen. Hier sehe ich keine Gefahr. Getauft oder
beschnitten zu sein ist wohl nirgends in Deutschland Voraussetzung für die wohlwollende Aufnahme und Integration in
eine christliche oder jüdische oder muslimische Gemeinde,
wenn die Eltern sie für ihr Kind wünschen.12 Aber ich will
auch den Ausnahmefall bedenken: Die Eltern wünschen, dass
ihr Kind, solange es Kind ist und nicht selbst entscheiden
kann, ungetauft oder unbeschnitten bleibt und dennoch ohne
Vorbehalt und ohne Einschränkung in die religiöse Gemeinschaft aufgenommen wird. Der zuständige Geistliche indes
besteht auf dem vorherigen Vollzug des Rituals der Taufe
oder der Beschneidung. Wie sollen sich dann die Eltern,
wenn sie das Wohl des Kindes wollen, verhalten? Wer das
Herz auf dem rechten Fleck hat, weiß selbst die Antwort: Sie
sollen auf dem Absatz kehrtmachen und sich an einen anderen Geistlichen wenden. Denn unter dem Erstbefragten integriert und von seinem Geist geprägt zu werden, wäre für jedes
Kind, auch für ein schon getauftes oder beschnittenes, von
Übel.
III. Blicken wir noch einmal zurück auf den neuen § 1631d
BGB, wie er im Regierungsentwurf zur Debatte gestellt wird!
Ich bewerte ihn als eine Regelung, die geltendem Recht widerspricht, nämlich dem Übereinkommen über die Rechte
des Kindes (ÜRK), auch „UN-Kinderrechtskonvention“ genannt. Das bedarf der Begründung.
Die vorgesehene Beschneidungserlaubnis fügt sich ein in
einen Komplex von Vorschriften, die im Einzelnen bestimmen, welche Rechte und Pflichten die Eltern haben – im Rahmen ihrer stets „zum Wohl des Kindes“ auszuübenden „Personensorge“. Mit dem Wohl des Kindes ist aber die schwere
Verletzung, die ihm der Beschneider antut, gar nicht vereinbar. Die Argumente pro Kindeswohlförderung erweisen sich,
wie dargelegt, bei genauerer Betrachtung als nicht stichhaltig.
Wenn es in der Familie um jemandes Wohl geht, dann um
das der Eltern, die mit der Beschneidung eine religiöse Pflicht
zu erfüllen, eine Tradition zu pflegen und vielleicht auch einem Gruppendruck zu gehorchen bestrebt sind. Intuitiv erfassen das auch die Apologeten des Elternrechts auf Kinderbeschneidung, denn den Akzent legen sie immer auf das elterliche Recht, ihre Religion auszuüben, und nicht etwa auf die
elterliche Pflicht, ihr Kind zu „pflegen“. Es ist ja schon auf
den ersten Blick eine geradezu aberwitzige Annahme, man
könne ein Kind dadurch pflegen und seinem Wohl dienen,
dass man ihm den sensibelsten Teil seines Geschlechtsorgans,
der für das Empfinden sexueller Lust besonders wichtig ist,
abschneidet. Die vorgeschlagene Rechtfertigungsnorm fingiert
12
10
Friedrich, chrismon, Das evangelische Magazin 9/2012, 10.
11
http://chrismon.evangelisch.de/blog/auf-einwort/beschneidung-eine-religioese-pflicht-15169
(zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
Dies haben mir auch die Bekundungen des jüdischen sowohl wie des muslimischen Teilnehmers einer Diskussion bestätigt, die am 19.9.2012 der Deutschlandfunk („Länderzeit“)
ausgestrahlt hat (die beiden Teilnehmer: Leo Lattasch und
Nourdin Akil).
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
489
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
sozusagen die Vereinbarkeit mit dem Kindeswohl für einen
Eingriff, ohne sich dazu zu bekennen, dass er eine schwerwiegende Körperverletzung und dem Kindeswohl in Wahrheit abträglich ist. In den langen Ausführungen der Autoren
findet sich nirgendwo eine Begründung, weshalb im Normalfall der Beschneidung, den Abs. 1 S. 1 erfasst, die Abtrennung eines wichtigen, schützenden, hochsensitiven gesunden
Körperteils von einem gesunden Körper das Kindeswohl
nicht sofort beeinträchtige und für die Zukunft gefährde. Es
wird dies nur behauptet, indem der Regelungstext die Kindeswohlgefährdung in Abs. 1 S. 2 als Ausnahme hinstellt.
Damit verschleiert der Gesetzentwurf, worum es eigentlich geht: Um eine tatbestandsmäßige Körperverletzung, die
in Wahrheit nicht zum Wohl des Kindes erlaubt wird (wie
z.B. eine Blinddarmoperation oder wohl auch noch das psychisch indizierte Anlegen der Ohren), sondern – unter Inkaufnahme seiner Minderung – zur Befriedigung der Interessen anderer Personen. Das Kind ist Opfer einer Körperverletzung, die deshalb erlaubt sein soll, weil wichtige Interessen
außerhalb seiner Person sie gebieten. In den allermeisten
Fällen ist es das Interesse der Eltern an der Erfüllung einer
religiösen Pflicht. Das macht die Situation der Eltern mit
einer Notstandslage vergleichbar. Sie stehen unter dem Druck
von religiösem Gebot, Gruppenerwartung, Tradition und
Konvention. Sich davon befreien können sie nur, indem sie
nachgeben, d.h. ihr Kind durch die (erwartete und religiös
gebotene) Beschneidung körperlich verletzen. Sachgerecht
wäre es darum, die Erlaubnis, etwa als § 228a, in das Strafgesetzbuch einzurücken, wo ihr dann die unausgesprochene
Wertung zugrunde läge, dass im Konflikt zwischen Eltern- und
Kindesinteresse „das geschützte Interesse“ (der Eltern) „das
beeinträchtigte“ (des Kindes) „wesentlich überwiegt“ (vgl.
§ 34 StGB).
Nun ist aber die Beschneidung als schwerwiegende Körperverletzung, deren Schädigungseffekt durch keinen Heilungserfolg oder anderen Gesundheitsgewinn kompensiert
wird, für die Gesundheit des Kindes schädlich. Nach Art. 24
ÜRK haben die Vertragsstaaten Maßnahmen zu treffen, nämlich „alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich
sind, abzuschaffen“. Mit Recht sagt Holm Putzke: „Die religiöse Beschneidung ist ein solcher Brauch“, und er weist den
Einwand zurück, „dass allein die Genitalverstümmelung von
Mäd-chen und Frauen gemeint sei“; diese Sicht werde „weder
vom Wortsinn gestützt noch von der Entstehungsgeschichte
des Textes“.13 Der Gesetzgeber würde sich also mit dem
neuen § 1631d BGB hinwegsetzen über die Pflicht des Ver13
Putzke, in: Putzke u.a. (Hrsg.), Strafrecht zwischen System
und Telos, Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum siebzigsten Geburtstag am 14. Februar 2008, 2008, S. 669 (S. 704).
Hinzu kommen die in den letzten Jahrzehnten gewonnenen
empirischen Erkenntnisse über die Funktion der Vorhaut und
die schwere Belastung, die ihre Abtrennung oft mit sich
bringt. Die ersichtlich voreingenommene Argumentation des
Regierungsentwurfs unter A. VII. 1. verschweigt diesen Gesichtspunkt und behauptet erwartungsgemäß die Vereinbarkeit des geplanten § 1631d BGB mit Art. 24 ÜRK.
tragsstaates Deutschland, den Beschneidungsbrauch „abzuschaffen“; im Gegenteil, der Brauch würde durch Legalisierung begünstigt. Man könnte hinweisen auf die Interessen,
die für die Beibehaltung des Brauches und für die Beschneidung im konkreten Fall sprächen und die es gegen das Gesundheitsinteresse des Kindes abzuwägen gelte. Aber genau
diesen Interessenkonflikt entscheidet ja Art. 24 ÜRK, und
indem er dem Gesundheitsinteresse des Kindes den höheren
Rang einräumt, wiederholt er für den speziellen Fall des
schädlichen Brauches nur, was allgemein schon Art. 3 Abs. 1
sagt: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel
ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
Gar nicht beachtet haben die Autoren des Entwurfs einen
zweiten Widerspruch. Ich meine den Wertungswiderspruch
zwischen dem geplanten § 1631d BGB und dem schon geltenden § 1631b BGB. Das Einwilligungsrecht, das den Eltern
eingeräumt werden soll, bedeutet für sie die Erlaubnis, auf
die Begehung einer Körperverletzung (§ 223 StGB) zum
Schaden des Kindes hinzuwirken, und für den Beschneider
die Rechtfertigung bei der Erfüllung des Tatbestandes. Den
Referenten war natürlich eines klar: Sie durften diese Gestattungen nicht an die Voraussetzung binden, dass die Beschneidung, obwohl ohne Heilungssinn, das Wohl des Kindes
positiv fördert. Die vielen muslimischen und jüdischen
Eltern, die ihrem Kind die Genitalverletzung ersparen und
ihm die spätere eigene Entscheidung offenhalten, versäumen
ja nicht etwa, ihm eine für sein Heil erforderliche Wohltat zu
erweisen. Darum mussten sich die Referenten mit einer
Annahme begnügen, die zwar auch falsch, aber nicht so
offensichtlich falsch ist: Die medizinisch unnötige Beschneidung sei im Normalfall kindeswohlneutral, nur ausnahmsweise gefährde sie das Kindeswohl. Die Eltern hätten also
regelmäßig die Wahl zwischen zwei unter dem Kindeswohlaspekt gleichwertigen Entscheidungen; wie christliche Eltern,
die sich fragen, ob sie ihrem Baby die Taufe auferlegen oder
nicht lieber seine Religionsmündigkeit abwarten und dann
den jugendlichen Sohn entscheiden lassen. So haben denn die
Referenten der Rechtfertigung nur eine negative Grenze
gezogen: Es genügt, dass die Beschneidung das Kindeswohl
nicht gefährdet. Für das Kindeswohl erforderlich sein muss
sie nicht.
Nun vergleiche man diese Regelung mit der des § 1631b
BGB! Auch dort geht es um eine Maßnahme der Personensorge, die zum Nachteil des Kindes einen Straftatbestand
erfüllt, nämlich den des § 239 Abs. 1 StGB. Das macht die
Maßnahme besonders problematisch. Darum haben die Eltern
keine freie Hand. Es genügt nicht, dass die Freiheitsentziehung das Kindeswohl nicht gefährdet. Nein, die Maßnahme
bedarf erstens „der Genehmigung des Familiengerichts“ und
sie muss zweitens positiv „zum Wohl des Kindes […] erforderlich“, d.h. einer Operation vergleichbar sein, die dem Kind
zwar Schmerzen bereitet, aber um seiner Gesundheit willen
nottut. Für die Gestattung der zeitweiligen Freiheitsentziehung werden also weitaus strengere Voraussetzungen aufgestellt als für die einer Körperverletzung, die mit Schmerzen,
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
490
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
Risiken und dem endgültigen Verlust eines wichtigen Körperteiles verbunden ist.
Dieser Wertungswiderspruch bekräftigt unseren Befund.
Anders als bei der gesetzlichen Erlaubnis der Unterbringung
geht es bei der für die Beschneidung geplanten nicht um das
Interesse des Kindes, um den Schutz und die Förderung seines Wohls. Vielmehr handelt es sich um einen Konflikt von
Interessen, den der Gesetzgeber zulasten des Kindes und
zugunsten der Eltern entscheiden soll. Die Rechtfertigungsnorm, die diese Entscheidung trifft, sollte sich nicht tarnen als
eine Bestimmung, die eine besondere Maßnahme der „Personensorge“ zur „Pflege“ und zum „Wohl des Kindes“ erlaubt.
Sie gehört ins Strafgesetzbuch!
IV. Was es juristisch bedeutet, dass der geplante § 1631d
BGB der UN-Kinderrechtskonvention widerspricht, will ich
nicht ergründen. Ich betrachte vielmehr einen mit dem Regierungsentwurf konkurrierenden Gesetzesvorschlag. Auch er
kollidiert mit dem ÜRK, bekennt sich aber deutlicher zum
besagten Interessenkonflikt und damit zum Opferstatus des
Kindes, indem er das „religiöse Selbstverständnis“ als die
Triebfeder benennt, die die Eltern dahin bringt, in die Verletzung ihres Kindes einzuwilligen. Hans Michael Heinig
schlägt vor, in das Gesetz über die religiöse Kindererziehung
einen § 3a einzufügen: „Die elterliche Sorgeberechtigung in
religiösen Angelegenheiten umfasst auch die Einwilligung in
eine von medizinisch qualifiziertem Personal de lege artis
durchgeführte Zirkumzision, wenn eine solche nach dem
religiösen Selbstverständnis der Sorgeberechtigten zwingend
geboten ist […]“.14 Heinig will also die Verletzungserlaubnis
darauf beschränken, dass es sich erstens um eine Zirkumzision handelt und zweitens die Tat religiös motiviert ist. Aber
das führt zu nichts Gutem. Zum einen verstieße die Beschränkung eklatant gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG),
was die Autoren des amtlichen Entwurfs im Prinzip richtig
erkannt haben. Wollen amerikanische Eltern in Deutschland
ihr Baby beschneiden lassen, dann müsste es sie empören,
dass ihnen ihre säkulare Familientradition zu pflegen verboten wäre, während das jüdische Elternpaar mit der Beschneidung seiner religiösen Überlieferung folgen dürfte. Und ein
zweiter Vergleich: Eine auf ihre Art fortschrittliche jüdische
oder muslimische Sekte hält auf Gleichberechtigung, indem
sie den Mädchen das gleiche fromm-religiöse „Gottesgeschenk“ gewährt. Sie praktiziert eine maßvolle Beschneidung
des weiblichen Genitales, die die sexuelle Sensibilität jedenfalls nicht stärker herabsetzt, als es die Zirkumzision tut. Mit
welchem Recht würde man diese religiös geadelte Körperverletzung weiterhin verbieten, wenn die männliche Beschneidung erlaubt würde? Die Frage ist keineswegs eine rein theoretische. Thomas von der Osten-Sacken berichtet, es sei „bei
den Schafi’iten ‚circumcision obligatory upon men and women‘“. Weiterhin führt er aus: Weil es den Schafi’iten „angeblich nur um die Entfernung der Spitze der Klitoris geht,
die sie als eine Art Vorhaut der Frau betrachten, wehren sie
sich […], diesen Eingriff mit anderen […] Formen von Genitalverstümmelung gleichzusetzen. Sie argumentieren vielmehr ganz ähnlich wie dieser Tage Beschneidungsbefürwor14
Heinig, FAZ v. 18.7.2012, S. 5.
ter in Deutschland: Medizinisch habe ihre Form der Mädchenbeschneidung keine Folgen, dabei verweist man gerne
auf entsprechende Gutachten und beginnt sogar ganz ausdrücklich, FGM [female genital mutilation] zu verurteilen“.15
Im aktuellen Streit ist die Ablehnung jeder Form der weiblichen Beschneidung, auch der mildesten, eine höchst erfreuliche Gemeinsamkeit. Aber auch die weibliche Beschneidung
kann Tradition und religiöses Gebot sein, und man kann sie
so maßvoll vornehmen, dass sie das sexuelle Erleben nicht
oder kaum beeinträchtigt. Intellektuelle Redlichkeit gebietet,
dass man das deshalb aus dem Gleichheitssatz ableitbare
Argument gelten lässt, in welche Richtung es auch ziele, sei
es pro weibliche oder – wie bis jetzt ausschließlich – contra
männliche Beschneidung. Zu beobachten ist aber, dass in der
Diskussion die eine Seite jedes Mal mit aufgeregter Empörung reagiert, wenn die andere Seite zum Vergleich und zur
Erwägung des Argumentes auffordert. Der Grund dieser
Reaktion liegt auf der Hand: Das Argument ist zu stark, man
darf ihm keinen Einlass gewähren. Deshalb haben sich auch
alle Redner der Bundestagsfraktionen, die den Beschluss v.
19.7.2012 befürworten, beeilt, den Sachzusammenhang selbst
mit den leichten Formen der Mädchenbeschneidung zu leugnen. Eine aussichtslose Strategie! Jeder Blick in die Leserkommentare zu einschlägigen Aufsätzen und Interviews im
Internet zeigt, dass sich dem unbefangenen Betrachter die
Parallelität geradezu aufdrängt. Man macht sich unglaubwürdig, ja lächerlich mit der Behauptung, das Anritzen der äußeren Schamlippen sei schlimmer als die Abtrennung der männlichen Vorhaut und mit dieser Operation sei das Anritzen
„schlechterdings unvergleichbar“.
Zweitens würde das Kriterium des religiösen Selbstverständnisses seinen Zweck in vielen Fällen nicht erreichen.
Eltern, die ihrem Kind unbedingt die Vorhaut abschneiden
wollen, etwa wegen der Masturbation oder aus ästhetischen
Gründen, könnten behaupten, dass auch sie als Christen sich
der Bibel und dem göttlichen Beschneidungsbefehl verpflichtet sehen. Das als Lüge zu erkennen und den Beweis zu führen wäre kaum möglich.
Und vor allem drittens: Nirgends sonst verbindet sich das
Recht der freien Religionsausübung (Art. 4 GG) mit einer
Beschränkung fremder Rechte und eigener Pflichten. Das sagt
ausdrücklich Art. 140 GG, indem er die Anordnungen des
Art. 136 der Weimarer Reichsverfassung übernimmt. Diese
kategorische Regelung, die im Streit um die Beschneidung
viel zu wenig beachtet wird, hält auch jeder Vernunftprobe
stand. So mag jemand seine Religion ausüben, indem er täglich in derselben Kirche zu später Stunde ein Abendgebet
verrichtet. Findet er nun eines Tages die Kirche verschlossen,
15
http://jungle-world.com/jungleblog/1790/ (zuletzt abgerufen am 10.10.2012). „Eine Art Vorhaut“ geht nicht einmal
weit genug. Die Anatomie unterscheidet, ganz parallel zum
Penis, die „Klitorisvorhaut“, welche „die empfindliche Klitoris-Eichel“ schützt; http://de.wikipedia.org/wiki/Klitoris
(zuletzt abgerufen am 10.10.2012). Zwischen beidem bildet
sich, wie beim Mann, das sog. Smegma, das mitunter gesundheitliche Probleme schafft – aber nur, wie beim Mann,
bei mangelhafter Genitalhygiene!
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
491
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
so kann er, rechtlich gesehen, wohl kaum die Freiheit haben,
sich auf verbotenem Wege Zutritt zu verschaffen. Er hat den
Hausfrieden zu achten, andernfalls macht er sich strafbar.
Wer beim muslimischen Opferfest im Hinterhof einen Hammel schlachtet, darf von Rechtsvorschriften, gegen die mit
der gleichen Tat ein christlicher Schlachter verstieße (vgl.
etwa §§ 4 Abs. 1 S. 3; 4a Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz),
nicht entbunden sein. Die fromme Dame, deren Hilfeleistung
bei einem Unglücksfall unentbehrlich ist, kann schwerlich
von ihrer Pflicht deshalb befreit sein, weil sie ihren Rosenkranz weiterbetet oder demonstrativ das Gebot der Sabbatruhe weiter einhält. Und selbst vor etwas so Banalem wie
dem Eigentum an einer Kerze muss die Religionsausübung
innehalten. So inbrünstig diese auch sei, wenn für die Votivkerze 50,- Cent zu entrichten sind, dann darf der Betende sie
nicht ohne Bezahlung anzünden, und kann er sie nicht bezahlen, dann muss er seine Religionsausübung eben aufs Beten
beschränken. Das Anzünden wäre, obwohl Religionsausübung, eine rechtswidrige Beeinträchtigung fremden Eigentums (§ 1004 BGB).
Frei sein und „ungestört“ bleiben kann die „Religionsausübung“ (Art. 4 Abs. 2 GG) also nur in den Grenzen, die das
staatliche Recht ihr zieht. Darum geht es hier auch gar nicht
um eine „Abwägung“, die es natürlich einer oberflächlichen
Betrachtung leicht macht, nach dem persönlichen Wertempfinden bei allen möglichen Interessenkonflikten das religiöse
Interesse obsiegen zu lassen. So ja das Argumentationsmuster
der Beschneidungsverteidiger. Keineswegs wollen sie dem
Kind die Grundrechte bestreiten. Aber sie halten die Freiheit
der die Tradition pflegenden und „Identität stiftenden“ Religionsausübung für so wertvoll und gewichtig, dass dahinter
die dem widerstreitenden Grundrechte des Kindes zurückstehen müssen; d.h. seine Rechte, körperlich unversehrt zu bleiben und sich in seinem Sexualleben wahlfrei zu entfalten.
Aber man muss genauer hinsehen: In Wahrheit entsteht gar
kein Widerstreit und keine Notwendigkeit abzuwägen. Vollkommen zu Recht wendet sich darum Bockemühl gegen die
übliche Sicht: „In der Beschneidungdiskussion wird ein Konflikt zwischen zwei Grundrechten thematisiert: dem Recht
auf körperliche Unversehrtheit und dem Recht auf freie Religionsausübung. Doch dieser Konflikt ist in der Verfassung
bereits entschieden. Laut Grundgesetz werden bürgerliche
und staatsbürgerliche Rechte durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. D.h.: Das Recht
auf körperliche Unversehrtheit hat unbedingten und uneingeschränkten Vorrang vor dem Recht auf freie Religionsausübung“.16 Und nicht nur das Recht auf körperliche Unver16
Bockemühl, Der Spiegel v. 6.8.2012, S. 6. Anders natürlich, wenn man Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 WRV beiseitelässt oder diesen Vorschriften die strikte Grenzziehung, die
der Wortlaut ergibt, nicht entnehmen zu dürfen glaubt (vgl.
BVerfGE 33, 23 [30 f.]; 93, 1 [21]). Dann bedarf es einer
„systematischen Abstimmung der Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1,
Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG“. Schlehofer hat durch Aufdeckung
drohender Normwidersprüche stringent nachgewiesen, dass
die erstgenannte Bestimmung „den Grundrechten der Eltern
aus Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG eine verfassungsim-
sehrtheit hat diesen Vorrang. Das Grundgesetz bestimmt, dass
uns die Ausübung unserer Religion überhaupt keinen Eingriff
in fremde Rechte gestattet, etwa in das Hausrecht, das Eigentum, die Ehre, und dass sie uns von keiner Rechtspflicht
entbindet, etwa der Pflicht, strafrechtliche Verbote und Gebote oder die Straßenverkehrsregeln zu befolgen. Selbstverständlich sind die Grenzen zugunsten der Religionsausübung verschiebbar. Aber wenn sie gegen die Regel stattfindet, ist sie
nur dann berechtigt, wenn vorher die Grenzen durch eine
rechtsgültige Anordnung tatsächlich verschoben worden sind,
z.B. durch einen Verwaltungsakt, der den Fahrzeugverkehr
sperrt und den Teilnehmern einer Fronleichnamsprozession
erlaubt, die Fahrbahn in voller Breite zu nutzen.
Die Rechtslage so genau zu prüfen und dabei auch noch
die Art. 140 des Grundgesetzes und 136 der Weimarer
Reichsverfassung zu beachten ist Bielefeldts Sache nicht. Für
seine Beweisführungszwecke genügen ihm freie, von rechtlichen Vorgaben unbelastete Wertungen wie diese: Die Religionsfreiheit gibt „keinen Freibrief für die Aushebelung anderer Menschenrechte oder sonstiger wichtiger Rechtsgüter.
Konkrete Beschränkungen der Religionsfreiheit […] müssen
aber mit Sorgfalt und unter strikter Beachtung dafür vorgegebener Kriterien erfolgen. Ein strafrechtlich bewehrtes generelles Verbot der Knabenbeschneidung wäre jedenfalls ein zu
drastischer Eingriff“.17 Auf diesem Argumentationsniveau erlaube ich mir die Umkehrung: Das Recht auf körperliche
Unversehrtheit garantiert nicht die Verschonung von allen
Beeinträchtigungen, die um fremder Rechte willen unumgänglich sind. Konkrete Beschränkungen des Grundrechts
aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG müssen aber mit Sorgfalt und unter
strikter Beachtung dafür vorgegebener Kriterien erfolgen. Die
rechtliche Gestattung der rituellen Knabenbeschneidung wäre
jedenfalls ein zu drastischer Eingriff.
V. „Warum das Urteil des LG Köln zur religiös motivierten Beschneidung nicht überzeugt“, wollten in dieser Zeitschrift Werner Beulke und Annika Dießner herausfinden.18
Schlüsselvorschrift ist für sie Art. 4 Abs. 2 GG, aber bezogen
auf das Kind als das Subjekt des Grundrechts. Autor und
Autorin sehen die Sache so, dass z.B. beim Getauftwerden
das Kind selbst „Religion ausübt“ und die Entscheidung der
manente Grenze“ ziehe (ders., in: Joecks/Miebach [Hrsg.],
Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 1, 2. Aufl.
2011, Vor §§ 32 ff. Rn. 143). Auch unabhängig von Art. 140
GG i.V.m. Art. 136 WRV verbietet also das Grundrecht des
Kindes auf körperliche Unversehrtheit den Eltern, unter dem
Gesichtspunkt der eigenen „Religionsausübung“ oder der
religiösen „Pflege und Erziehung der Kinder“ ihren Jungen
zu beschneiden. Mit rechtstheoretischen Überlegungen
kommt Reinhard Merkel jetzt zum selben Ergebnis: „Kein
Freiheitsrecht, welchen Gewichts immer, gestattet, unter
welchen Bedingungen immer, das direkte Eindringen in den
Körper eines anderen, und wäre der Eingriff noch so bagatellhaft“ (ders., Süddeutsche Zeitung v. 25./26.8.2012, S. 12
[Hervorhebung im Original]).
17
Bielefeldt, Blätter für deutsche unter internationale Politik,
2012, 63 (71).
18
Beulke/Dießner, ZIS 2012, 338.
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
492
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
Eltern als die des Kindes selbst anzusehen ist. Die Eltern, so
könnte man sagen, entscheiden in Religionsangelegenheiten
nicht über, sondern für das Kind. Diese Betrachtungsweise
richtet zunächst noch keinen Schaden an, denn Beulke und
Dießner betonen anfangs als Richtschnur das „mutmaßliche
Interesse“ des Kindes. Eine für das Kind und somit fiktiv vom
Kind getroffene Entscheidung darüber, wie es seine Religion
ausübt, ist nur dann rechtens, wenn sie die Interessen des
Kindes zumindest nicht verletzt. Das läuft auf dasselbe
hinaus wie die übliche Betrachtung, dass die Eltern, wenn sie
sich etwa für oder gegen die Taufe des Kindes entscheiden,
ihr eigenes Recht nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 S. 1
GG ausüben. Sie haben sich dabei am „Wohl des Kindes“ zu
orientieren, doch ist dieses bei der Frage nach der ersten Einbindung des Kindes in eine Religionsgemeinschaft nicht
positiv feststellbar; ob sich die Eltern für die Bindung oder
dagegen entscheiden, ob sie es z.B. als Säugling taufen lassen
oder ihm die volle Freiheit einer späteren eigenen Wahl bewahren, das sind unter dem Kindeswohlaspekt gleichwertige
Entscheidungen, und das sind sie genauso, wenn man nach
dem „mutmaßlichen Interesse“ des Kindes fragt. Der Sinn
„von Religionsfreiheit und Elternrecht“, sagt Heinig, „ist es
ja gerade, die Koexistenz der unterschiedlichen Weltanschauungen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Der Gläubige
hält es für erforderlich, seine Kinder im Glauben zu erziehen
– der Atheist hingegen hält es für einen schweren Fehler […].
Die Lösung liberaler Verfassungen ist, diese Frage den Eltern
zu überlassen, weil der Staat es nicht besser weiß“.19
Auf dieser Grundlage verblüffen nun Beulke und Dießner
den Leser mit der Weichenstellung, dass die Eltern ihre Kinder der Religionsgemeinschaft ihres Bekenntnisses geradezu
ausliefern dürfen. Denn im Falle der religiösen Einbindung
des Kindes soll dessen „mutmaßliches Interesse“ darin bestehen, sich dem jeweils anstehenden Ritual, wie immer es aussehe, zu unterwerfen. „Was als im religiösen Sinne ‚anstehend‘ anzusehen ist, ist der jeweiligen Religion vorbehalten“.
Die kühne These wird auch begründet: „Würde der Gesetzgeber insoweit Vorschriften erlassen, würde er das Gebot
religiöser Neutralität verletzen und sich zum Religionsgelehrten aufschwingen“. Als Schreckensbild, „was einen dann
erwarten würde“, dienen Beulke und Dießner „die Äußerungen Herzbergs […], der sich zu Überlegungen verleiten lässt,
auf welche Weise das Judentum bzw. der Islam die aus seiner
Sicht gebotene Wartezeit bis zur selbstbestimmten (Verweigerung der) Beschneidung überbrücken könnte“20. So geht es
nicht, meinen meine Kritiker und ziehen es vor, die richtigen
„Religionsgelehrten“ und Glaubensprediger über Recht und
Unrecht entscheiden zu lassen. Diese sagen uns, welche rituellen Verletzungen des Kindes „anstehen“ und deshalb auch
in seinem „mutmaßlichen Interesse“ liegen. Das könnte z.B.
die besonders schmerzhafte Beschneidung sein, weil ja auch
Abraham sie ohne Betäubung hat aushalten müssen. So löst
sich selbst der handgreiflichste Interessenkonflikt – z.B. der
zwischen den entschlossenen Eltern und ihrem verzweifelt
sich sträubenden und um Gnade flehenden Fünfjährigen – in
19
20
Heinig, FAZ v. 30.7.2012, S. 5.
Beulke/Dießner, ZIS 2012, 338 (344 f.).
Wohlgefallen auf: „Erklären die Eltern anstelle ihres Knaben
die Zustimmung zur religiös motivierten Zirkumzision, dann
realisieren sie dessen Recht auf Religionsausübung und verzichten in diesem Punkt wirksam für das Kind auf das Recht
auf körperliche Unversehrtheit“.21
Mir scheint offensichtlich, dass Beulke und Dießner beim
Bestreben, die traditionelle Beschneidung schon de lege lata
als erlaubt zu erweisen, auf einen Irrweg geraten sind. Der
weltliche Gesetzgeber, so sehen sie es, hat sich „religiöser
Neutralität“ zu befleißigen und es der jeweils vom Kind, vertreten durch die Eltern, gewählten Religion zu überlassen,
welches Eintrittsopfer das Kind erbringen muss. Leiten die
Glaubenslehrer aus Genesis 17, 10-12, die religiöse Pflicht
her, sich die Penisvorhaut abschneiden zu lassen und Gott zu
opfern, dann spielt das weltliche Grundrecht auf körperliche
Unversehrtheit keine Rolle; das Kind hat wirksam verzichtet,
abzuwägen gibt es nichts. Bekennt sich ein Mädchen, von
den Eltern vertreten, zur schafi‘itischen Lehre und lautet diese, auch Mädchen müssten ein Opfer bringen und sich in etwa
gleichem Maße genitalverstümmeln lassen, dann ist eben diese Körperverletzung gerechtfertigt. Oder wenn die Eltern
gehorsame Mitglieder einer Gemeinschaft sind, die nach
einem urreligiösen Motiv ihrem Gott die Männlichkeit des
Erstgeborenen zu opfern auffordert.22 Kein Staatsanwalt
könnte die Täter verfolgen, sie wären bei aller Schrecklichkeit der Verletzung kraft der Religionsfreiheit – des Verletzten! – und verfassungskonformer Auslegung der „guten Sitten“ (§ 228 StGB) im Recht, und auch der Gesetzgeber müsste den barbarischen Unfug dulden, weil für ihn „das Gebot
religiöser Neutralität“ gilt und er sich nicht „zum Religionsgelehrten aufschwingen“ darf.
Das sollen wir auch in Ansehung des § 1631 Abs. 2 BGB
beachten: „Was Gewalt i.S. der Norm bedeutet, bedarf ja
gerade der – verfassungskonformen – Auslegung“23. Also
entscheidet über das Recht der Eltern, den Sohn mit der Rute
zu züchtigen, die Frage, ob Täter und Opfer ihre Religion
ausüben. Das wird wohl immer dann der Fall sein, wenn die
gläubigen Eltern sich von ihrer geistlichen Obrigkeit haben
belehren lassen, beim Erziehen seines Sohnes müsse man
sich nach den Sprüchen Salomos richten (vgl. dort 13, 24; 22,
15; 23, 13, 14; 29, 17). Der in diesem frommen Geist prügelnde Vater, so sieht es das Autorenduo, übt keine „Gewalt“
21
Beulke/Dießner, ZIS 2012, 338 (345).
So verstanden wurde von manchen Exodus 22, 28 („Deinen ersten Sohn sollst Du mir geben“), eine Deutung, die an
altägyptische Vorstellungen anknüpft. In „Joseph und seine
Brüder“ lässt Thomas Mann die Ehegeschwister Huij und
Tuij erzählen, wie sie ihren Sohn Potiphar, Josephs ersten
Herrn in Ägypten, als Säugling kastrierten: „Unseren Hor,
den wir gezeugt als Usir- und Eset-Geschwister im finsteren
Grunde, ihn wollten wir entziehen dem dunklen Bereich und
ihn dem Reineren weihen. Das war die Abschlagszahlung
[...], auf die wir uns einigten. Und fragten nach seiner Meinung nicht, sondern taten mit ihm, wie wir taten [...]“ (Joseph
in Ägypten, Viertes Hauptstück: Der Höchste, Abschnitt Huij
und Tuij).
23
Beulke/Dießner, ZIS 2012, 338 (345).
22
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
493
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
i.S.d. § 1631 Abs. 2 BGB! Und wird etwa der Fünfjährige
i.S.v. Art. 136 Abs. 4 WRV „gezwungen“, wenn er mit aller
Kraft widerstrebt und die frommen Beschneidungstäter ihn
brutal niederdrücken und festhalten? Nein, sagen Beulke und
Dießner und sehen, weil sie ja das verfassungsrechtliche Verbot der Anwendung von Zwang verfassungskonform auslegen,
Herzbergs These „entkräftet“, dass in solchem Fall das Kind
zur Teilnahme an einer religiösen Übung „gezwungen“ werde. Da wird ein schreiender Junge, der weg will, mit eisernem
Griff festgehalten, auf den Tisch gedrückt und gezwungen,
sich beschneiden zu lassen – aber i.S.v. Art. 136 Abs. 4 WRV
wird er dazu nicht gezwungen, weil er selbst sich ja in seiner
Religionsfreiheit entschieden hat, beschnitten zu werden. Man
fragt sich, ob das wirklich ernst gemeint ist.
Auch ein dem Rechtsgutrange nach geringeres Verbot als
das der Körperverletzung hebelt die Beulke/Dießnersche Lehre zugunsten der Religionsfreiheit aus. Angenommen, der
schlaue Führer einer christlichen Sekte bindet die Aufnahme
und die damit verbundene besondere Gottesgnade daran, dass
die betreffende Person aus eigenem Vermögen dem lieben
Gott, sprich der Gemeinde, ein angemessenes Opfer bringt.
Die sich dazu bekennenden Eltern haben einen Sohn, der das
schon als Säugling erreichen kann, weil er geerbt hat. Er übt
nun seine Religion aus, indem er, natürlich von seinen Eltern
vertreten, kräftig zahlt. Das Verbot des § 1641 S. 1 BGB, das
ihn an sich vor solchem Verlust schützen soll, bleibt ohne
Auswirkung, weil die Hingabe des Geldes sich ja als Religionsausübung des Kindes darstellt. Wie die Vorhaut, kann
natürlich auch Geld das religiöse Opfer sein, und so wenig
wie die Abtrennung der Vorhaut wäre die Abtrennung eines
Vermögensteiles für irgendwen ein Unrecht.
Mir erscheint das alles abwegig. Es kann nicht richtig sein,
dass Eltern ihrem Kind durch eine die Religion betreffende
Entscheidung Schaden zufügen dürfen, bloß weil man den
Akt auch als Religionsausübung des Kindes selbst interpretieren kann.
Zu widersprechen ist aber auch Heinig, der die oben zitierten Ausführungen mit dem Satz beschließt: „Nur wo ein
schwerer irreparabler Schaden zugefügt wird, greift der Staat
ein“. Ich lasse beiseite, dass die rituelle Beschneidung dem
Kind genau dies, einen „schweren irreparablen Schaden“, zufügt: Es ist grundsätzlicher zu fragen, ob das Elternrecht überhaupt jemals eine Körperverletzung, die nicht der Gesundheit
dient, legitimiert. Nein! Der Staat setzt sein Verbot, auch bei
religiöser oder erzieherischer Begründung der Tat, jeder Zufügung eines Körperschadens entgegen; ob er „schwer“ und
„irreparabel“ ist, spielt keine Rolle. Z.B. die maßvolle Geißelung der eigenen Kinder am Karfreitag, die bizarrer Weise
eine christliche Sekte von ihren Gläubigen einfordert. Mit
Heinig darin keine rechtswidrige Körperverletzung zu sehen,
bedeutet ein Verständnis des Grundgesetzes, das dem § 1631
Abs. 2 BGB widerspricht. Will Heinig am Ende die Vorschrift
verfassungswidrig nennen, weil so viel Schutz des Kindes
vor Gewalt mit der elterlichen Erziehungs- und Religionsfreiheit sowie der Religionsfreiheit des Kindes (Beulke/Dießner!) unvereinbar ist?
Diese Überlegungen setze ich auch Höfling und seiner
Argumentation in der Sitzung des Ethikrates am 23.8.2012
entgegen. Höfling schafft sich Kriterien, die nicht alle Körperverletzungen, aber die üblichen rituellen Beschneidungen
vom Entscheidungsrecht der Eltern gedeckt sein lassen, wenn
nur bestimmte Grenzen eingehalten werden. Er übersieht,
dass das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit,
anders als etwa sein Recht auf Freiheit (Hausarrest!), der
elterlichen Bestimmungsmacht eine besondere Schranke setzt
und dass insbesondere die medizinisch unnötige Jungenbeschneidung unvereinbar ist mit der Pflicht, „die elterliche
Sorge […] zum Wohl des Kindes auszuüben“; was freilich
der aktuelle Entwurf stillschweigend verleugnet, indem er die
Rechtfertigungsregel statt im StGB als § 1631d BGB einzuordnen empfiehlt (s.o. III.).
VI. Es bleibt also bei der unter IV. gewonnenen Einsicht:
Dass Eltern Religion ausüben, sei es für sich selbst oder für
das Kind als dessen Vertreter, erlaubt ihnen auch nicht den
kleinsten Eingriff in die Rechte einer anderen Person, auch
nicht in Rechte des eigenen Kindes wie seine körperliche
Unversehrtheit oder sein Vermögen. Das ergibt unsere Verfassung. Darum müsste im anstehenden Fall der Gesetzgeber
das Grundgesetz ändern, wenn entgegen Art. 140 GG, Art.
136 Abs. 1 WRV ein spezieller Akt der Religionsausübung,
die rituelle Beschneidung, die Rechte des zu beschneidenden
Kindes und die (Unterlassungs-)Pflichten der die Beschneidung Ausführenden beschränken soll. Eltern sollen in die
staatsbürgerlichen Grundrechte männlicher Kinder auf körperliche Unversehrtheit und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (in sexueller Hinsicht) insoweit eingreifen dürfen
oder eingreifen lassen dürfen, wie es zur Durchführung einer
rituellen Beschneidung nötig ist. Nur wenn nach der Entscheidung des Gesetzgebers – wie der Regierungsentwurf es
anregt – die Beschneidung auch einen anderen Grund als den
religiösen haben kann, entfällt das spezielle grundgesetzliche
Problem, um dann aber sogleich andere verfassungsrechtliche Probleme aufzuwerfen, die genauso schwer wiegen. Ist
z.B. eine Beschneidung, die die Eltern allein deshalb verlangen, weil in ihren Familien so üblich, vereinbar mit den
Grundrechten des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und
(sexuelle) Selbstbestimmung?
Für Grundgesetzänderungen bedarf es nach Art. 79 GG
einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Ist sie wirklich erreichbar, wenn die Abgeordneten bedenken, was alles erlaubt
werden muss, damit nach Auffassung der Wortführer für ihre
Religionsgemeinschaft „ein Leben in Deutschland weiterhin
möglich ist“? Für unmöglich erklärt haben sie es schon, wenn
ihnen zugemutet würde, dass blutige Ritual beim Kind ins
Symbolische zu sublimieren und mit der Anregung einer
wirklichen Zirkumzision zu warten, bis der religionsmündige
Jugendliche eigenverantwortlich selbst entscheiden kann. Aber
mir scheint unbestreitbar, dass der Staat eine religiös motivierte Missachtung des kindlichen Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit nicht zulassen kann, ohne den ethischen
Gehalt seiner Verfassung zu vermindern. Würden deshalb die
Sprecher der Gemeinschaften nicht vielleicht doch wenigstens für Deutschland eine Art Vetorecht des Kindes akzeptieren? Würden sie eine Regelung gutheißen, die es dann beim
(strafrechtlichen) Verbot belässt, wenn das Kind durch Worte, Gesten, Tränen, körperlichen Widerstand zu erkennen gibt,
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
494
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
dass es nicht beschnitten werden will? Der Regierungsentwurf schlägt diese Regelung nicht vor. Er sieht die Eltern
nach § 1626 Abs. 2 S. 2 BGB nur „gehalten, sich mit dem
entgegenstehenden Kindeswillen auseinanderzusetzen“. Was
den eigenen Regelungstext betrifft, so könne „im Einzelfall“
der Gegenwille des Kindes nach Absatz 1 Satz 2 „Berücksichtigung finden“ (S. 24). Das lässt alles offen und stellt es
den Eltern im Prinzip frei, sich über den Gegenwillen hinwegzusetzen
Anders Bijan Fateh-Moghadam. Schon nach geltendem
Recht müsse „der erkennbar entgegenstehende Wille Minderjähriger auch dann respektiert werden, wenn diese noch nicht
selbst einwilligungsfähig sind“.24 Er hätte dies für den Normalfall der religiös-rituellen Beschneidung mit einer Norm
unserer Verfassung belegen können, denn im vierten Absatz
des grundgesetzlich weitergeltenden Art. 136 WRV heißt es:
„Niemand darf [...] zur Teilnahme an religiösen Übungen [...]
gezwungen werden.“25 Die Wortführer der betroffenen Religionsgemeinschaften betonen ständig und stützen gerade
darauf ihr grundgesetzliches Argument, dass es sich bei der
Beschneidung um Religionsausübung und um ein religiöses
Ritual handelt. Das zu beschneidende Kind nimmt also, mehr
oder weniger bewusst, an einer religiösen Übung teil, genau
wie das ein Mensch tut, der getauft wird oder sich taufen
lässt.
Im Sinne des Artikels zur Teilnahme verbotenerweise „gezwungen“ wird ein Kind nun gewiss nicht, wenn man den
religiösen Akt an ihm als Säugling so vollzieht, dass er keine
oder so gut wie keine körperliche Reaktion auslöst. Zur Teilnahme an seiner Taufe, wenn sie sich in Gebeten, Gelöbnissen und ein wenig Wassergießen erschöpft, wird der Täufling
nicht „gezwungen“ – obwohl es an seinem Willen, das Sakrament zu empfangen, natürlich fehlt. Anders muss man es
aber bei der Beschneidung eines Babys sehen, vor allem
wenn sie nach jüdischem Ritus ohne Betäubung vollzogen
wird. Man muss die Operation nur einmal miterleben oder im
Dokumentarfilm beobachten: Das Kind bäumt sich auf wie
ein gequältes Tier, seine Bewegungen müssen unterdrückt werden (Näheres s.u.). Es fehlt nicht nur, wie beim Täufling, am
Wollen des Aktes, nein, das Kind zeigt den Willen, dass er
unterbleibe, dass man ihm solche Schmerzen nicht antue.
Hier kann es für den Interpreten keinen Zweifel geben: Der
Säugling wird im Sinne des Artikels „gezwungen“.
24
http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/religion
_und_politik/aktuelles/2010/05_2010/ansichtssache_fatehmoghadam.pdf (zuletzt abgerufen am 10.10.2012). Dasselbe
fordert jetzt der Ethikrat:
http://www.ethikrat.org/presse/pressemitteilungen/2012/press
emitteilung-09-2012/ (zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
25
Die WHO, auf deren eng begrenzte Zirkumzisionsempfehlung sich die Beschneidungsbefürworter ständig, die Empfehlung verfälschend, berufen, sagt gleichfalls, dass auch gesundheitsdienliche Beschneidungen nur ohne Zwang („absence of coercion“) ausgeführt werden sollen;
http://www.who.int/mediacentre/news/releases/2007/pr10/en/
index.html (zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
Ebenso zweifellos Zwang erleiden kann aber auch ein Junge, der seine Beschneidung nach muslimischen Brauch mit
vier oder sechs oder acht Jahren bewusst erlebt. Und das lässt
mich vermuten, dass die muslimischen Beschneidungsbefürworter mit einer Legitimierung des Aktes erst dann zufrieden
sind, wenn diese auch das verfassungsrechtliche Verbot der
Zwangsanwendung (Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4
WRV) beseitigt. Selbst wenn man dem Art. 136 Abs. 4 WRV
nur das Verbot der Drohung und der körperlichen Gewalt entnimmt, würde die muslimische Praxis in vielen Fällen dagegen verstoßen. Will das Gesetz sein politisches Ziel erreichen,
dann muss es wohl oder übel sogar die erzwungene und gewaltsame Beschneidung gestatten und das Verbot des Art. 136
Abs. 4 WRV ausdrücklich preisgeben.26 So verstehe ich auch
den Gesetzesvorschlag, den Heinig macht. Der Gegenwille
des Kindes, der beim Säugling, wenngleich „nur“ als ein
gleichsam animalischer, immer gegeben ist und mit Zwang
überwunden werden muss, spielt für Heinig wohl keine Rolle, denn er sieht anscheinend in der jüdischen Säuglingsbeschneidung kein Problem. Aber auch der bewusste Protest
des älteren Kindes, den Fateh-Moghadam wohl allein im
Auge hat und als befugniseinschränkend anerkennt, wird in
Heinigs Vorschlag nicht als Erlaubnissperre berücksichtigt.
Nach Heinigs Sicht gebietet es die lex artis geradezu, gegen
das sich wehrende Kind unterdrückende (fixierende) Gewalt
anzuwenden, damit die blutige Amputation keinen „unnötigen“ Körperschaden anrichtet. Und auch der berufene Gesetzgeber wird vielleicht nicht anders können, als sich der
Forderung nach Gestattung von Drohung und brutaler Gewalt
zu beugen – wenngleich diese Forderung nicht offen erhoben
wird, sondern sich versteckt im Verlangen nach Respekt und
Ehrfurcht vor überliefertem religiösem Brauchtum. Ich
bekenne, dass mich im Hinblick auf das kommende Sondergesetz ein gelindes Grauen anwandelt, zumal die ersten
Gesetzesvorschläge es bereits versäumt haben, die Beschneidung, wenn nur gewaltsam oder mit Drohungen durchführbar, strikt zu untersagen.
VII. Die Verteidiger der dem Kind aufgezwungenen
Beschneidung argumentieren mit der normativen Kraft des
Faktischen: weltweite Verbreitung, Jahrtausende alte Tradition. Heinig findet „die Debatte in Deutschland [...] ein wenig
eurozentrisch“ und bringt vor: „Fast ein Drittel der Weltbevölkerung“ (gemeint ist wohl nur die männliche) „ist beschnitten – und das geht quer durch die Kulturen. In Südkorea ist
die Hälfte der Männer beschnitten, in den arabischen Ländern
achtzig Prozent, in den Vereinigten Staaten mehr als die
Hälfte.“27 Ohne die allgemeine Rückläufigkeit und die weltweiten Gegenbewegungen zu erwähnen, gibt in jeder dem
Thema gewidmeten Fernsehtalkshow die eine Seite solche
statistischen Hinweise. Was sie damit den Zuschauern sugge26
Der Regelungstext des aktuellen Entwurfs weicht der Entscheidung aus. An die u.U. bestehende Notwendigkeit, das
Grundgesetz zu ändern, scheinen die Verfasser gar nicht
gedacht zu haben. Und die Beschneidung klipp und klar zu
verpönen, wenn das Kind sie ablehnt, hat man sich nicht
entschließen können (s.o. Fn. 24).
27
Heinig, FAZ v. 30.7.2012, S. 5.
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
495
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
riert, ist der berühmte „naturalistische Fehlschluss“ vom Sein
aufs Sollen und Dürfen: Wenn doch so oft beschnitten wird,
dann soll man es auch tun und die Eltern sollen es auch dürfen. Aber so zu argumentieren ist genauso unsinnig, wie aus
dem Umstand siebzigprozentiger Nichtbeschneidung abzuleiten, religiöse Beschneidung solle nicht stattfinden und verboten bleiben oder verboten werden. Die Frage des Sollens und
Dürfens ist keine Frage der Statistik, sondern eine der Ethik
und des Rechtes.
Was für die gegenwärtige Verbreitung gilt, das gilt genauso für die zeitliche Dauer. Sie bildet – für sich genommen, siehe aber unten IX. und X. – kein Argument. Die Frage, ob einem Kind mit der ihm aufgezwungenen (oder auch
äußerlich, seinen fremdbestimmten Worten nach, von ihm
gewollten) Entfernung des Präputiums ein Unrecht geschieht,
ist nicht mit dem Hinweis zu beantworten, dass man sehr
viele Kinder beschneidet, und das schon seit Jahrhunderten
und Jahrtausenden. Es ist geradezu abwegig, vom historischen
Faktum auf eine moralische Gebotenheit („zum Wohl des
Kindes“) zu schließen, wie das z.B. Swatek-Evenstein tut:
„Die Entscheidung der Eltern für eine Beschneidung des
Sohnes sollte daher dann als im Kindeswohl stehend angesehen werden, wenn es sich dabei um die bewusste Entscheidung für die Fortführung einer [...] jahrtausendealten Tradition handelt“.28 Eher ist das Gegenteil richtig. Der Blick über
die Jahrtausende zurück führt uns in eine Zeit, wo man Götter
durch Tötungen zu besänftigen oder zu erfreuen hoffte, wo
Kinder das Eigentum des Vaters waren, wo dieser ihnen antun durfte, was er wollte, oder antun musste, was er als göttlichen Befehl zu vernehmen glaubte, und sei es der Befehl, den
eigenen Sohn (Isaak, Genesis 22) zu opfern oder sich selbst
und allen Söhnen und Knechten die Vorhaut abzuschneiden
und die Sichweigernden aus dem Volk auszurotten (Genesis
17).29 Es sind Menschen, die die Texte der Bibel geschrieben
und darin behauptet haben, Gott habe tatsächlich zu Abraham
gesprochen und ihm tatsächlich solche Befehle erteilt. Gleichwohl entnehmen manche dem 17. Kapitel der Genesis auch
heute noch Befehle Gottes, denen sie gehorchen zu müssen
glauben. Sublimierung ins Symbolische bei der Beschneidungsfeier am achten Tag und religiöse Anregung des Sichbeschneidenlassens erst, wenn der Betroffene sich selbst
entscheiden kann? Nein, hat darauf einmal Dieter Graumann,
28
Swatek-Evenstein, Jüdische Allgemeine v. 18.2.2010
(http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/5375
[zuletzt abgerufen am 10.10.2012]).
29
„Das ist aber mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir
und euch und deinem Samen nach dir: Alles, was männlich
ist unter euch, soll beschnitten werden. Ihr sollt aber die Vorhaut an eurem Fleisch beschneiden. Das soll ein Zeichen sein
des Bundes zwischen mir und euch. Ein jegliches Knäblein,
wenn‘s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren
Nachkommen. Beschnitten werden soll alles Gesinde, das dir
daheim geboren oder erkauft ist. Und also soll mein Bund an
eurem Fleisch sein zum ewigen Bund. Und wo ein Mannsbild
nicht wird beschnitten an der Vorhaut seines Fleisches, des
Seele soll ausgerottet werden aus seinem Volk, darum daß es
meinen Bund unterlassen hat.“
Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, in
einem Interview geantwortet, Gott habe ja die wirkliche
Beschneidung am achten Tag verlangt und mit ihm könne
man nicht verhandeln. Erkennt er den Widerspruch nicht?
Selbst der gläubigste Jude sieht keine Pflicht mehr, auf die
Beschneidung von Arbeitnehmern und auf die „Ausrottung“
der Sichweigernden hinzuwirken. Er anerkennt es stillschweigend als selbstverständlich, dass von Gott erteilte
Befehle im Lauf und Wandel der Zeit erlöschen können.
Warum soll er sie dann nicht abschwächend deuten dürfen?
Manche Pflicht, die laut Genesis 17 Gott dem Volk Abrahams auferlegt hat, gilt heute nicht mehr, weil sie unvereinbar
wäre mit dem gegenwärtigen Stand unserer Zivilisation und
ganz zweifellos unvereinbar mit unserer Rechtsordnung. Dies
akzeptiert man. Dann sollte man sich aber auch der Einsicht
öffnen, dass die Neugeborenenbeschneidung, die als Befehlsbefolgung und blutiges Ritual übrig geblieben ist, unvereinbar sein könnte mit einer Ethik, die Kindern Schmerz und
Leid anzutun verbietet, und mit einer Rechtsordnung, die
jedem, auch jedem Kind, „das Recht auf körperliche Unversehrtheit“ garantiert.
VIII. Eine ernsthafte Verfolgung der rituellen Beschneidung als Straftat würde die gläubigen Eltern in die Hände von
Kurpfuschern treiben und dem Wohle des Kindes mehr schaden als nutzen! Die Verteidiger des religiösen Brauches stellen das in Diskussionen oft als geradezu selbstverständlich
hin und pflegen damit starken Eindruck zu machen. Aber das
Argument erweist sich, wenn man darüber nachdenkt, als null
und nichtig. Eine Tat, die verboten und mit Strafe bedroht ist,
kann dies zu Unrecht sein (man denke an homosexuelle Akte
Erwachsener, § 175 StGB a.F.), aber man darf sie nicht deshalb legalisieren, weil die Täter in der Illegalität besonders
schwere Schäden anzurichten drohen. So wird die Nutzung
kindlicher Körper, um sich sexuell zu erregen oder zu befriedigen, in § 176 StGB mit schwerer Strafe bedroht. Wäre sie
straffrei, würde so manches Kind noch leben, das der Täter
aus Angst vor Strafe getötet hat. Soll man deshalb solche
Nutzung, wenigstens in den leichteren Fällen, entkriminalisieren? Und fordert dies, um Näherliegendes zu vergleichen,
irgendjemand für die auch in Deutschland oft von Einwanderern praktizierte leichte Form der Mädchenbeschneidung (Stufe IV der WHO-Einteilung: Anritzen oder einmaliges Durchstechen der äußeren Schamlippen)? Auch für diese Beschneidung gilt ja, dass die Strafdrohung sie ins Dunkel treibt, wo
die Eingriffe mit großen Gefahren verbunden sind. Doch
niemandem kommt in den Sinn, insoweit die Strafdrohung zu
bekämpfen und eine Erlaubnis zu fordern. Mit dem Argument
der „Risiken und Nebenwirkungen“ einer Strafdrohung kann
man deren Berechtigung nicht widerlegen, auch nicht im Fall
der Knabenbeschneidung.
Die übliche Betrachtung der Folgen ist auch einäugig,
weil die Nachteile im Kampf gegen die Mädchenbeschneidung nicht in Rechnung gestellt werden: Die Mädchenbeschneider dieser Welt werden die deutsche Erlaubnis zur Knabenbeschneidung dankbar aufnehmen, denn, so können sie in
Zukunft sagen und sich rechtfertigen, selbst eine Demokratie
wie Deutschland, wo die Verfassung ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einräumt, erlaubt religiös motivierte
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
496
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
Eingriffe in den Genitalbereich kleiner Kinder. Auch ist die
Vermutung, die Kinder würden nunmehr im Hinterzimmer
beschnitten, für Juden und Moslems ehrabschneidend. Auszugehen ist doch davon, dass jüdische und muslimische Eltern ihre Kinder lieben und deren Bestes wollen. Das bestreitet nun jeder Diskutant, der behauptet, sie würden gegebenenfalls ihre Kinder im Hinterzimmer Kurpfuschern unters Messer legen. Ein ähnliches Unbehagen tritt hinzu: Muss es die
Gläubigen nicht kränken, dass manche argwöhnen, sie würden sich nicht an ein plausibles und demokratisch legitimiertes Verbotsgesetz halten? Wenn die meisten Bundestagsmitglieder zu der Einsicht gelangen, dass Eltern kein Recht haben und keines haben sollen, vom Körper ihres Kindes eine
erogene Zone abtrennen zu lassen, dann darf man die Eltern
doch nicht als unfähig hinstellen, ebenfalls zu dieser Einsicht
zu gelangen. Was soll gelten, wenn, wovon die Justizministerin ausgeht, am Ende ein anderes Verfassungsorgan, das Bundesverfassungsgericht, entscheidet? Falls die Verfassungsrichter die Beschneidungserlaubnis als verfassungswidrig bewerten, müssen sie das Gesetz für nichtig erklären. Wer wollte
behaupten, dass die Gläubigen auch diesen Richterspruch
missachten und an der Beschneidung festhalten würden? Sollte
gar das Verfassungsgericht darauf Rücksicht nehmen? Nein,
eine Tat, die ethisch und rechtlich verboten sein sollte, darf
der Rechtsstaat nicht deshalb erlauben, weil die potentiellen
Täter ankündigen oder erwarten lassen oder man ihnen unterstellt, das Verbot zu missachten.
IX. Die gesamte bisher vorgetragene Argumentation hat
dem LG Köln zugestimmt und mit ihm dem geltenden Recht
ein strafbewehrtes Verbot der medizinisch nicht indizierten
Kinderbeschneidung entnommen. Sie war zugleich ein Plädoyer, die Gesetzeslage nicht zu verändern. Den einheitlichen
materiellen Kern der Begründung bilden die ethische Pflicht,
Kinder vor Schmerz und Leid zu bewahren, und das grundgesetzliche Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit.
Dieses Plädoyer war aber, was ich stark betone, einseitig.
Angenommen, das Verbot, vom Kölner Gericht als geltendes
Recht erkannt, wird nun allgemein befolgt. Dann wird zwar
viel kindliches Leid vermieden, aber dafür leiden Erwachsene. Denn sie leiden darunter, dass die von ihnen religiös begehrte Beschneidung ihres Kindes unterbleibt; dass in ihrer
Religionsgemeinschaft eine Tradition nicht mehr gepflegt
wird; dass sie sich einem ihrer Überlieferung feindlichen Verbot unterwerfen sollen, von dem sie fürchten, dass es langfristig zur Erosion ihrer religiösen Gemeinschaft führen werde. Näher betrachtet setzt sich (im angenommenen Fall) dieses Erwachsenenleid aus Zorn, Kummer, Abschiedsweh und
einem Gefühl der Demütigung zusammen (zur gesetzgeberischen Beachtlichkeit dieses Leides s.u. X.).
Zum Nachdenken in diese Richtung hat mich das lange
Gespräch mit einem guten Freund gebracht, der sich zum
Judentum bekennt, ohne es religiös zu praktizieren. Rational
zu denken und zu argumentieren ist er in hohem Grade befähigt, und darum auch war er weit entfernt, das Kölner Urteil,
wie Seligmann, als „Provinzposse“ oder, wie Bielefeldt, als
„hingerotzt“ und als „groben Unfug“ zu verhöhnen oder, wie
Angela Merkel, Deutschland als „Komikernation“ zu betrachten, wenn seine Rechtsordnung die rituelle Kinderbeschnei-
dung verbieten sollte. Vielmehr war er, als Nichtjurist, bereit,
davon auszugehen, dass das Kölner Urteil die Rechtswidrigkeit der Beschneidung nach dem geltenden Recht schlüssig
begründet habe und die Richter sich verpflichtet fühlen mussten, so zu urteilen.30
Zugleich aber gab er mir zu bedenken, wie die meisten
erwachsenen Juden das Urteil erleben müssten: als einen
„feindseligen Akt“, in kalter Gesetzesanwendung gerichtet
gegen sie, ihre „Identität stiftende“ Tradition und ihre Religion.31 Natürlich wisse er, dass das Verständnis der Bibel und
das Ob und Wie des Vollzugs der von ihr geforderten Handlungen dem Wandel unterlägen. Ersichtlich gelte das auch für
das Beschneidungsritual. Es gebe keine Autorität, die heute
noch alles zu tun fordere, was der Gott der Genesis im 17.
Kapitel (12-14) zu tun befehle. So möge sich irgendwann
einmal auch eine Deutung des Gebotes der Kinderbeschneidung durchsetzen, die das Ritual symbolhaft und unblutig
auszuführen empfehle; ja vielleicht lasse man den Befehl
auch für die Lebenswirklichkeit schlicht erlöschen, weil er,
wie der der Gesindebeschneidung, nicht mehr in die Zeit und
ihre Rechtsordnung passe. Aber so ein Wandel müsse sich
von innen heraus vollziehen. Jetzt empfänden die Juden den
Verzicht auf die traditionelle Beschneidung, wenn sie ihn
leisten müssten, als etwas ihnen von außen Aufgezwungenes,
begründet mit einem rechtlichen Verbot, wonach sich vorher
kein Staatsanwalt gerichtet habe und das nun vielen eher wie
aus dem Hut gezaubert als dem geltenden Recht entnommen
erscheine. So füge es sich an die vielen, vielen Vorschriften,
womit die (christliche) Mehrheitsgesellschaft seit Jahrhunderten die Juden schikaniere und drangsaliere: besondere Kleidung oder Abzeichen darauf oder spitze Hüte zu tragen, in
Ghettos zu wohnen, monogam zu leben, Sonderabgaben zu
entrichten, sich auf bestimmte Berufe zu beschränken, und
schließlich, in der dunkelsten Zeit, den Autobahnen, Schwimmbädern und Wäldern fernzubleiben, kein Radio zu besitzen,
kein Haustier zu halten usw. Nun also, fast wie aus heiterem
Himmel, ausgerechnet in Deutschland, diese vom Urteil ausgelöste Welle öffentlicher Bekundungen, dass die Beschneidung eine rechtswidrige Körperverletzung und strafrechtlich
zu verfolgen sei – wo doch vorher der Rechtsstaat sie toleriert
30
Das räumt auch Samuel Korn ein, der in Frankfurt der
jüdischen Gemeinde vorsteht. Juristisch möge das Kölner
Urteil mit seiner Berufung auf das im Grundgesetz garantierte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit womöglich
„eine gewisse Fundiertheit“ besitzen. Aber die jüdische Gemeinschaft in Deutschland werde ein Verbot von Beschneidungen nicht akzeptieren, man könne diese Jahrtausende alte
Tradition nicht aufgeben (Korn, FAZ v. 28.6.2012, S. 2). Ich
frage mich: Wie kann Korn als Staatsbürger ein von ihm
unbestrittenes, aus der Verfassung seines Staates folgendes
Verbot missachten und „die jüdische Gemeinschaft in
Deutschland“ dazu auffordern?
31
Die Unrechtsfeststellung des Landgerichts beschränkt sich
auf die muslimische Beschneidung von Jungen, die im Kern
wissen, was ihnen geschieht. Aber die Gründe, die angeführt
werden, gelten für die im Judentum übliche Säuglingsbeschneidung genauso.
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
497
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
habe. Das schaffe Unmut und Empörung und tue vielen bitter
weh.
Darauf ist, in aller mitfühlenden Nachdenklichkeit, zunächst einmal kritisch manches zu erwidern. Erstens: Es geht
um eine Körperverletzung, die zwar keinem Heilungszweck
dient, die aber auch liebende Eltern ihrem Kind zufügen, weil
sie dafür gute Gründe zu haben glauben, seien es religiöse
oder, auf lange Sicht, gesundheitliche. Dass so eine Verletzung nicht nur den Tatbestand des § 223 StGB erfüllt, sondern auch Unrecht ist, versteht sich nicht von selbst. Vielmehr kommt eine Rechtfertigung ernsthaft in Betracht. Ergeben könnte sie sich sowohl aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG („Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der
Eltern“) wie aus Art. 4 Abs. 2 GG („Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“). Daraus erklärt sich ja,
nebenbei bemerkt, dass das Amtsgericht Köln die Tat des
muslimischen Arztes als rechtmäßig bewertet hat, und daraus
erklärt sich auch der Freispruch wegen eines „unvermeidbaren Verbotsirrtums“ in der zweiten Instanz. Man darf wohl
vermuten, dass die Staatsanwälte über die Jahrzehnte hin
geneigt waren, von der Rechtmäßigkeit der weltweit verbreiteten und in Deutschland meist religiös motivierten Zirkumzision auszugehen. Sie sahen sich der Toleranz verpflichtet
und wollten deshalb die Rechtsfrage nicht allzu tief ergründen.
Aber neben der Strafjustiz gibt es die Strafrechtswissenschaft. Sie hat erkannt, dass die Toleranz zulasten Dritter
geübt worden ist, zulasten der Kinder. Aus diesem Grund
bringt auch der fordernde Hinweis Graumanns nichts, die
Beschneidungsgegner müssten das Ritual ja nicht gutheißen,
sondern ihm gegenüber nur Toleranz üben. Damit sagt er, der
Staat dürfe und solle nicht eingreifen. Aber ob der Staat eingreifen darf und soll, das ist gerade die Frage, die unsere
Debatte zu beantworten hat. Man setzt also das zu Beweisende, das Nichtdürfen und Nichtsollen voraus, wenn man Toleranz gegenüber dem Beschneidungsakt einfordert. Wie seltsam wäre ein Debattenbeitrag, der im Streit um das Züchtigungsrecht der Eltern fordert, das Züchtigen zu tolerieren!
Nachdem das Problem, das lange Zeit niemand gesehen hatte,
in das Blickfeld der Strafrechtswissenschaft geraten war, war
es Pflicht und Aufgabe der damit Befassten, eindringlicher
nachzudenken und ihre Stimme gegen medizinisch nicht
indizierte Beschneidungen zu erheben, wenn sie deren
Rechtswidrigkeit erkannt zu haben glaubten. Nun hat sich eine
Strafkammer von den im Schrifttum dargelegten Gründen
überzeugen lassen und die Beschneidung im zu entscheidenden Fall als Unrecht bewertet. Die Richtigkeit dieser Bewertung mag man, wie es viele tun, bestreiten, aber es ist kein
Argument gegen sie, dass in vergleichbaren Fällen vorher
noch nie eine Beschneidung für Unrecht befunden worden
war.
Zweitens ist klar, dass Strafrechtswissenschaftler, Staatsanwälte und Richter, die so urteilen, es auch müssen aussprechen dürfen. Viele, die sich betroffen fühlen, werden das dann
als einen „von außen“ verübten Druck missbilligen, und auch
manch aufgeschlossener Kopf unter den jüdischen und muslimischen Mitbürgern hätte vielleicht lieber eine Entschärfung des religiösen Brauches „von innen heraus“ abgewartet.
Aber das Grundgesetz, das im Verein mit dem Strafgesetzbuch diese Entschärfung von Anfang an gefordert hat, gilt
nun seit 63 Jahren. In all der Zeit hat die Justiz es mit dem
Legalitätsprinzip, was unser Problem betrifft, nicht allzu
genau genommen und einer Entwicklung von innen heraus
unbewusst reichlich Raum gegeben. Sie ist im Ganzen ausgeblieben, trotz wachsender Skepsis auch unter den Betroffenen. Sollte da nicht jeder das Urteil begrüßen, wie es Memet
Kiliç, integrationspolitischer Sprecher der Grünen, in einem
Interview getan hat? „Ich verstehe das Urteil als Denkanstoß,
der der Justiz in einem säkularen Staat durchaus zukommt.
Wenn alle Religionen gemeinsam sich gegen den Richterspruch wenden, kommt bei mir der Verdacht auf, sie verteidigen ihren eigenen Machtbereich. Die Glaubensgemeinschaften, die auf den Stammvater Abraham zurückgehen, fordern
zum Gebrauch der Vernunft auf. Das heißt: Neue Einsichten
erlauben es, alte Praktiken zu ändern.“32 Ganz ähnlich äußert
sich der Historiker Michael Wolffsohn: „Man mag das Kölner
Beschneidungsurteil so oder anders bewerten, es wäre gerade
für uns Juden eine Gelegenheit gewesen, jüdische Inhalte zu
überdenken und, mit neuer innerer Kraft, beizubehalten –
oder zu ändern.“33
Drittens ist der historische Vergleich unberechtigt und
ungerecht. Im Gegensatz etwa zum mittelalterlichen Verbot,
einen Handwerksberuf auszuüben, ist ja das Verbot der medizinisch unnötigen Beschneidung nicht gegen eine religiöse
Minderheit gerichtet. Es ist vielmehr nur ein Ausschnitt aus
dem Verbot der Körperverletzung, das im Deutschen Reich
und in der Bundesrepublik Deutschland allgemein und immer
schon gegolten hat. Die Kölner Richter hätten die Tat genauso für Unrecht befunden (und obendrein noch die Schuld
bejaht!), wenn ein christlicher Arzt sie begangen hätte, veranlasst vom Bestreben der streng katholischen Eltern, ihren
Jungen vor der schweren Sünde der Unkeuschheit, der
„Selbstbefleckung“ (Masturbation, von manu stuprare = mit
der Hand schänden) zu schützen. Man beziehe einmal auf
diese katholische Tat den Satz der Rabbinerin und Kinderurologin Antje Yael Deusel, dass das Kölner Urteil „die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen in den Rang
einer Straftat gestellt sehen“ wolle.34 Wäre eine Beschneidung, die diesen Sinn hätte, keine Straftat? Wenn aber hier
die „religiösen Gründe“ dem Täter nicht helfen, warum dann
anders bei der jüdischen Säuglingsbeschneidung? Es gibt bei
gleichermaßen religiös motivierten Taten kein rationales
32
Interview zur Beschneidung: „Der Politik fehlt wohl der
Mut“, http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-zurbeschneidung-der-politik-fehlt-wohl-der-mut.8cdc8b783b96-403d-a17c-bd92af90d934.html (zuletzt abgerufen am
10.10.2012).
33
Siehe: www.welt.de/debatte/article108845278/Nicht-dieBeschneidung-macht-den-Juden.html (zuletzt abgerufen am
10.10.2012). In dem Artikel relativiert der Autor auch sehr
stark die Bedeutung, die der Beschneidungsakt für das Judentum hat. Aussagen der religiösen Wortführer, ein Beschneidungsverbot mache jüdisches Leben in Deutschland unmöglich, nennt er „substanz- und taktlos“.
34
Deusel, Deutsches Ärzteblatt 2012, A 1538.
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
498
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
Argument, die Gottesbundbeschneidung gegenüber der Sündenverhinderungsbeschneidung zu privilegieren.35
De facto wird aber die rituelle Beschneidung sehr wohl
privilegiert. Fragt man, wie in Deutschland die Strafjustiz mit
dieser Körperverletzung umgeht, so muss die Antwort lauten:
Sie wird nicht verfolgt und bekämpft, sondern in einem Maße
toleriert, wie es für vergleichbare andere Körperverletzungen
ausgeschlossen wäre. Sogar das Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft im Kölner Fall, ein einziges unter tausenden, die hätten sein können, hat ja in zwei Instanzen zu Freisprüchen geführt: Die Tat sei rechtmäßig, sagt das Amtsgericht, der Täter sei ohne Schuld, sagt das Landgericht.
Der Vorwurf der Religionsfeindlichkeit und der historische
Vergleich wären aber auch dann nicht berechtigt, wenn sich
aus dem riesigen Feld der Körperverletzungen (§ 223 StGB)
die rituelle herausschneiden ließe. So kann man Deusel verstehen. Sie tut so, als habe erst das Kölner Urteil diese eine
und ganz besondere Körperverletzung, die vorher erlaubt war,
„in den Rang einer Straftat gestellt“. Aus dieser (falschen)
Sicht heraus wirft sie nun vielen, die das Urteil bestätigen,
„erschreckende Polemik“ vor sowie „eine grundsätzliche
Religionskritik“. Und „zutiefst erschreckend“ findet Deusel
auch „die Respektlosigkeit, ja, das geifernd-fanatische Eintreten für eine Freiheit von Religion, anstelle einer Freiheit der
Religionsausübung, die hierbei nicht selten zutage treten“.
Der Journalist Richard Szklorz teilt Deusels Sicht und findet
diese Worte: „Nach dem gerichtlichen Verbot der Beschneidung scheinen Juden in der öffentlichen Wahrnehmung da
angekommen, wo sie real immer schon waren: in der Position
einer fremden Minderheit, an der man sich nach Bedarf auch
mal vergreifen kann [...]. So einen voyeuristischen Blick auf
einen zweifellos empfindlichen Körperteil, so eine zur Schau
gestellte Sorge um das Wohlergehen der betroffenen Kinder
hat das Land noch nicht erlebt [...]. Mit genüsslicher Freude
an der Einmischung verweisen viele Anhänger des Kölner
Urteils medienwirksam auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Kindes“, was „in letzter Konsequenz bedeutet: die Aufforderung an beide Religionsgemeinschaften, sich
selbst zu verleugnen oder Deutschland zu verlassen“.36 Denselben Ton schlägt Maram Stern an, aus der hohen Position
eines Vizepräsidenten des Jüdischen Weltkongresses. Die es
wagen, sich kritisch zur rituellen Beschneidung zu äußern,
erhalten keine Antwort auf ihre sachlichen Argumente, sondern werden verglichen mit „mittelalterlichen Inquisitoren“;
sie müssen sich „Scheinheiligkeit“ vorwerfen lassen und „Verlogenheit“, weil sie ihre Gehässigkeiten „hinter einer medizinischen Argumentation verstecken“.37
35
Das bevorstehende Gesetz wird deshalb vielleicht die Knabenbeschneidung pauschal, wie auch immer motiviert, erlauben; s.o. I., II. Der Regierungsentwurf gibt dem „Zweck“ der
Beschneidung Relevanz, ohne zu entscheiden, bei welcher
Zweckverfolgung das Einwilligungsrecht der Eltern entfällt.
36
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuillet
on/1821770/ (zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
37
http://www.tagesspiegel.de/meinung/gastbeitrag-beschneid
ungs-debatte-der-heilige-eifer-der-intoleranten/7042150.html
(zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
Wie muss es um die Möglichkeit sachlicher Entgegnungen
bestellt sein, wenn man zu so unsachlichen greift und den
Meinungsgegner zu diffamieren sucht! Niemand kennt alle
Leserbriefe und Internetäußerungen, die dem LG Köln Recht
geben. Zweifellos gibt es darunter, vor allem „aus der rechten
Ecke“, auch bösartige. Aber unter den seriösen Kommentaren
der Zeitungen und des juristischen Schrifttums und übrigens
auch unter den Leserbriefen, die ich gelesen habe, war nicht
einer, der Menschen von ihrer Religion abzubringen sucht oder
die Freiheit der Religionsausübung bekämpft. Und nicht ein
einziger plädiert respektlos oder gar geifernd-fanatisch gegen
die rituelle Kinderbeschneidung. Dass die Kritiker des Brauches die Juden in die Position einer Minderheit rücken, „an
der man sich nach Bedarf auch mal vergreifen kann“, dass sie
Juden und Muslime dazu auffordern, „sich selbst zu verleugnen oder Deutschland zu verlassen“, ist gehässiger Unsinn,
den Wolffsohn „substanz- und taktlos“ nennt. Im Kern sagen
und fordern die Beschneidungsgegner ja nur dies: Der Religionsausübung jede Freiheit – in den Grenzen der Gesetze!
Niemals kann sie es rechtfertigen, Kinder körperlich zu verletzen. Und die das sagen, sind weder Voyeure noch Inquisitoren, noch scheinheilig und verlogen, noch stellen sie Sorge
um kindliches Wohlergehen „zur Schau“, sondern sie finden
nur einfach, dass man Kinder vor körperlichem Schaden
bewahren und ihnen keine Schmerzen zufügen soll. Mag es
noch so fromm gemeint sein und den Bund mit Jesus bedeuten: Man darf auch am Karfreitag seinem Kind keine Dornenkrone aufdrücken.
X. „Kein nachdenklicher und einfühlender Mensch wird
es billigen, dass einem Säugling ein Teil seines Körpers weggeschnitten wird [...].“38 Den meisten in der Mehrheitsgesellschaft, denen der Beschneidungsbrauch religiös und als Tradition nichts bedeutet, ist es schier unfasslich, dass dieses
Argument in der Diskussion den Meinungsgegner nicht erschüttert und nicht einmal nachdenklich zu machen scheint.
Aber vielleicht würde es sie ihrerseits nachdenklich stimmen
und eine gewisse Zugeständnisbereitschaft erwecken, wenn
man ihnen das Folgende vor Augen führt: Nicht nur die penisverletzende Beschneidung, sondern auch ein sie effektiv
unterdrückendes Verbot erzeugt Leid.39 Ich habe es vereinfa38
Schmidtbauer, „Beschneidung ist nicht harmlos“, unter:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/nach-dem-koelner-urteilbeschneidung-ist-nicht-harmlos-1.1401049 (zuletzt abgerufen
am 10.10.2012).
39
Merkel, Badische Zeitung v. 22.8.2012
(http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/ethikratmitglied-beschneidungen-ohne-anaesthesie-ist-einefolterqual--63255547.html [zuletzt abgerufen am 10.10.
2012]), sieht Deutschland „in einer Art rechtspolitischen
Notstands“, weil wir „den Juden gegenüber eine besondere
Verpflichtung“ haben. Eigentlich seien „die beiden Dinge,
die abzuwägen sind, nicht vergleichbar: moralische Pflicht
der Politik und Schutzgebot des Rechts“ (ähnlich ders., Süddeutsche Zeitung v. 25./26.8. 2012, S. 12). Die Vergleichbarkeit ergibt sich aber dann, wenn man das von den meisten
Juden bekämpfte (von vielen allerdings auch begrüßte, s. bei
Fn. 51) Beschneidungsverbot unter dem Aspekt der Leider-
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
499
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
chend das „Erwachsenenleid“ genannt, weil natürlich nur Menschen es empfinden, die sich ihrer Betroffenheit bewusst sind
und die den gesellschaftlichen Kampf um die Beschneidung
begreifen.
Hier droht nun der unwirsche Einwand, es verbiete sich
jeder Vergleich mit dem Leid der Kinder, an die das Messer
gelegt werde. Die dagegen vorgehende staatliche Gewalt erzeuge bei denen, die am Beschneidungsbrauch festhalten
möchten, vielleicht Verdruss, Zorn und Ärger, aber kein Leid.
Das ist gewiss für viele die rechte Kennzeichnung ihrer Gefühle, doch es gibt auch andere, die tiefer empfinden. Für sie
gehört die blutige Abtrennung der Vorhaut, weil religiöse
Pflicht und uralte Tradition, so sehr dazu, dass sie in einem
Deutschland, welches diese Genitalverletzung verbietet und
strafrechtlich verfolgt, nicht länger leben möchten. Solche
Beteuerungen sind nicht immer glaubhaft, bei manchen aber
sind sie der ehrliche Ausdruck einer zutiefst schmerzlichen
Sorge, hierzulande künftig keine religiöse Heimat mehr zu
haben. Diese schmerzlich Betroffenen wird man vielleicht in
erster Linie unter den (werdenden) Müttern und Vätern suchen, denen nach ihrer Religion die Beschneidung ihres Sohnes bevorsteht. Ich vermute aber, dass den eigenen Sohn von
Rechts wegen verschonen zu müssen, die meisten Eltern nicht
bedrücken, sondern eher erleichtern würde – wenn nur die
Autorität der Religionsführer ihren Segen dazu gäbe, d.h.
wenn sie sich entschlössen, den Eltern als religiös vollwertige
Alternative ein Beschneidungsfest mit unblutig-symbolhafter
Penisberührung anzubieten.
Die Not des Erwachsenenleides kann nach geltendem
Recht die Körperverletzung keinesfalls erlauben. Aber vielleicht ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, dass er die Rechtslage verändere und die Erlaubnis schaffe. Er könnte über eine
Umverteilung des Leides nachdenken und in einer ausgewogenen Regelung (die vielleicht das Grundgesetz ändern müsste!) das Beschneidungsleid der Kinder in Grenzen akzeptieren, um das Abschieds- und Verzichtsleid vieler Erwachsener
auf ein Maß zu senken, welches sie vielleicht als erträglich
hinnähmen. Was also ist bei Lichte betrachtet das Ziel des
Bundestagsbeschlusses? Eine Gesetzesänderung, die Leid verschiebt – zugunsten der Erwachsenen, zulasten der Kinder.
Der Beschluss erkennt indirekt an, dass die herkömmliche
Praxis der medizinisch unnötigen, rein religiös motivierten
Zirkumzision gesetzwidrig ist. Und er sagt ausdrücklich, dass
sich dies in Grenzen ändern soll, aber nur im Rahmen eines
Gesetzes, welches das Recht auf körperliche Unversehrtheit
des Beschneidungsopfers immerhin „berücksichtigt“.
Ganz einseitig ist demgegenüber das Bestreben der kämpferischen Beschneidungsbefürworter, inner- wie außerhalb der
betroffenen Religionsgemeinschaften. Sie wollen, dass legalisiert werde, was vorher nur toleriert wurde, nämlich eine
zeugung betrachtet. Dass die Androhung der (strafrechtlichen) Verfolgung jüdisch-religiösen Brauchtums in Deutschland bei manchen Juden ein besonderes Leid erzeugt, kann
man dabei in Rechnung stellen. Merkels Kennzeichnung der
abzuwägenden Interessen vermag im Übrigen nicht zu erklären, dass der Gesetzgeber auch im Hinblick auf die muslimische Beschneidung abwägen muss.
Beschneidungspraxis, wie sie Tradition ist, und in dieser
Tradition spielt das Grundrecht des Kindes auf körperliche
Unversehrtheit keine Rolle. Die Schranken der Beschneidung
bestimmen allein Religion und Elternwille. Sie sagen, was
Kindern angetan werden darf und was sie sich gefallen lassen
müssen. Z.B. auch die gewaltsame Beschneidung, wenn das
Opfer sich sträubt, oder die betäubungslose Zirkumzision,
wenn der Ritus sie fordert.
Bei solcher Einseitigkeit ist zunächst einmal die starke
Betonung des Erwachsenenleides selbstverständlich. Wir vernehmen sie z.B. in einer Pressemitteilung Charlotte Knoblochs, der Vizepräsidentin des jüdischen Weltkongresses;
„wir Juden in Deutschland sind es“, sagt sie, „die Angst haben müssen, in ihrer ohnedies nicht unbelasteten Heimat ihre
Religion nicht mehr frei ausüben zu können. Wir könnten
bald gezwungen sein, das Land zu verlassen [...]“.40 Oder
man lese die verständnisvollen Worte des UN-Sonderberichterstatters für Religions- und Weltanschauungsfreiheit Heiner
Bielefeldt: „Viele der hier lebenden jüdischen und muslimischen Eltern würden eine generelle Verbotsregelung als staatliche Verweigerung des Rechts ansehen, ihre Söhne in die
Glaubensgemeinschaft rituell einzuführen. Diskreditierende
Bezeichnungen der Beschneidung als ,barbarische Praxis‘,
,Verstümmelung‘ oder ,Angriff auf wehrlose Kinder‘ haben
unter Juden und Muslimen daher tiefe Verbitterung ausgelöst“.41
Aber die Beschneidungsbefürworter sprechen nicht nur von
Kummer und Verbitterung, sie stellen durchaus auch die Frage nach dem Beschneidungsleid, d.h. die Frage, ob und in
welchem Maße Neugeborene und Knaben unter dem Beschneidungsakt und seinen Folgen zu leiden haben. Denn die
Verteidiger der Tradition erkennen sehr wohl, dass dieses Leid
zu jenem in Relation steht. Je schwerwiegender das Beschneidungsleid, desto eher ist ein Schmerz des Verzichtes den Erwachsenen, die an der Tradition festhalten wollen, zuzumuten. Und hier sehe ich bei aller Frontenverhärtung einen Ansatz für die selbstkritische Verschiebung des zunächst bezogenen Standpunktes.
Dass insoweit Hoffnung besteht, wurde mir deutlich während der ARD-Sendung „Menschen bei Maischberger“ am
14.8.2012. Es diskutierten u.a. drei Befürworter der traditionellen Beschneidungspraxis: Dieter Graumann (Vorsitzender
des Zentralrates der Juden in Deutschland), Bilkay Öney
(SPD-Integrationsministerin von Baden-Württemberg), Sebastian Isik (Allgemeinmediziner und Beschneidungsspezialist).
Alle drei gaben der Frage nach dem Beschneidungsleid Relevanz. Besonders tat dies Graumann mit der bemerkenswerten
Erklärung: „Wenn wir wüssten, dass es schädlich wäre, würden wir es doch nicht machen“. Dieses „wenn schädlich, dann
Schluss damit“ ist nicht selbstverständlich. Er hätte auch
sagen können, das Ritual der Vorhautabtrennung sei für das
Judentum so wichtig, dass man daran auch um den Preis er40
http://www.ikg-m.de/knobloch-beschneidungsverbot-wareende-des-judentums-in-deutschland/ (zuletzt abgerufen am
10.10.2012).
41
Bielefeldt, Blätter für deutsche und internationale Politik
2012, 63 (71).
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
500
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
heblicher Schmerzen, Leiden und Schäden des Kindes festhalten müsse. Er sagt es nicht, sondern öffnet sich in puncto
Schädlichkeit, jedenfalls theoretisch, der Belehrung und einem besseren Wissen.42 Etwas sehr Einleuchtendes ist freilich in Rechnung zu stellen: „Besonders schwierig ist es, ein
solch objektiv schädigendes Verhalten zu erkennen, wenn es
von einer religiösen Tradition eingefordert wird, die für das
Individuum identitätsstiftend ist [...]. Dies führt dazu, dass
religiös motivierte Beschneidungsbefürworter besonders starke Abneigungen haben, sich mit den Erkenntnissen der empirischen Wissenschaften zu beschäftigen, sofern diese im Widerspruch zu den eigenen Glaubensüberzeugungen stehen“.43
Hier könnte die Erklärung dafür liegen, dass Graumann die
Traumatisierung und die Beeinträchtigung des sexuellen Erlebens, die die Zirkumzision nach öffentlicher Bekundung vieler Betroffener und nach wissenschaftlicher Erkenntnis oft
42
Das tun auch andere, z.B. in einer ZDF-Sendung v.
22.8.2012,
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1710378/Rel
igionsfreiheit-oder-Kindeswohl%253F (zuletzt abgerufen am
10.10.2012). Der Rabbiner Julian-Chaim Soussan gestand
seinen Gegnern zu, dass man das umstrittene Ritual preisgeben müsse, wenn wissenschaftliche Studien überzeugend
dartäten, dass die Zirkumzision dem Betroffenen erheblichen
Schaden zufüge.
43
Schmidt-Salomon, http://pro-kinderrechte.de/wpcontent/uploads/2012/08/faq_beschneidung.pdf (zuletzt abgerufen am 10.10.2012). Einen geradezu peinlichen Beleg liefert Charlotte Knobloch. Sie nennt ihre Meinungsgegner, die
juristisch gegen das Recht auf Beschneidung und medizinisch-psychologisch gegen die folgenschwere Operation
argumentieren, „Besserwisser aus Medizin, Rechtswissenschaft, Psychologie oder Politik, die ungehemmt über
,Kinderquälerei‘ und ,Traumata‘ schwadronieren“, aber sie
lässt sich nicht herbei, auch nur auf ein einziges der Argumente einzugehen (unter
http://www.sueddeutsche.de/politik/beschneidungen-indeutschland-wollt-ihr-uns-juden-noch-1.1459038 [zuletzt abgerufen am 10.10.2012]). Im selben Geiste Maram Stern (s.o.
bei Fn. 37) und Bachrach, Die ZEIT v. 13.9.2012, S. 11. Was
die Kritiker der Beschneidungspraxis in der Sache vorbringen, interessiert ihn nicht. Denn es sind ja „selbstgefällige
Urologen und Rechtsprofessoren“, die jetzt „den richtigen
Resonanzboden für ihre spitzfindigen Argumentationen gegen eines unserer bedeutsamsten Rituale gefunden“ haben.
Daneben gibt es in seinen Augen noch eine „Handvoll gnadenlos polemisierender Damen und Herren aus der Politik,
ausgestattet mit diesem urdeutschen Gerechtigkeitswahn“,
und „eine Armada von Leserbriefschreibern“, die sich berufen fühlen, „ihr Unwissen zu vergessen und eine rechthaberische Gutmenschenethik zu verbreiten, die eine harmlose,
friedliche, Jahrtausende währende Tradition an den Pranger
stellt“. Bachrach konfrontiere sich einmal mit den leichten
Formen der weiblichen Beschneidung, die immerhin auch
schon einige Jahrhunderte Tradition aufzuweisen haben! Sind
die auch harmlos und friedlich? Und würde er auch dort die
Kritiker des Brauches so herunterputzen?
nach sich zieht, einfach als „nicht belegt“ beiseiteschiebt.44
Und hier sehe ich auch den Grund, weshalb Graumann mit
einem ganz sonderbaren Argument bestreitet, dass überhaupt
irgendetwas Schmerz- und Qualvolles, was dem Kindeswohl
abträglich sein könnte, mit der Beschneidung verbunden sei.
Die Eltern, die die Beschneidung veranlassen, liebten ja ihre
Kinder. Sie wollten für ihren Kleinen nur das Beste. Es sei
absurd und kränkend, ihnen vorzuhalten, dass sie ihn quälen
und verletzen; „sind diese Eltern denn alle Kindesmisshandler“? Kurz und bündig wiederholt sich das Argument bei
Öney: „Als hätten Juden und Muslime das Kindeswohl nicht
im Blick. Das finde ich unverschämt“.45 Und noch kürzer
sagt es Knobloch: „Wir tun unseren Kindern nicht weh“.46
Der Fehler liegt auf der Hand: Aus dem guten Willen
wird auf die gute Tat geschlossen. Zu glauben, einem Neugeborenen nicht weh zu tun, heißt nicht, ihm tatsächlich keine
Schmerzen zuzufügen. Und das Kindeswohl „im Blick“ zu
haben, heißt nicht, ihm wirklich zu dienen. Eltern können
z.B. ihren Sohn zu seinem Heil von den „Ungläubigen“
abschotten und jahrelang in die Koranschule schicken, wo er
in Wahrheit geistig verarmt. Das Abschneiden der Vorhaut
bei einem acht Tage alten Säugling ist objektiv i.S.d. § 223
StGB sowohl eine Gesundheitsschädigung wie eine körperliche Misshandlung und zwar, was heute erwiesen ist, eine
qualvolle. Der Arzt Prof. Dr. Feurle berichtet in der FAZ
vom 6.7.2012 von eigenen Erfahrungen, die er in einem
Krankenhaus in New Jersey, USA, gemacht hat: „Nach örtlicher Desinfektion musste zunächst die Vorhaut mit der gezähnten Pinzette gefasst und von der Glans gelöst werden.
Schon dabei schrien die Kinder erbärmlich. Als die Vorhaut
dann mit der gebogenen Schere in mehreren Etappen rings
abgeschnitten wurde, schrien die Kinder dermaßen, dass
ihnen manchmal der Atem stockte und sie blau im Gesicht
wurden. Mit aller Kraft versuchten sie, sich von ihren Fesseln
zu lösen“.47 Später wirkt es sich aus, dass die Beschneidung
44
Matthias Franz, Professor und Arzt für psychosomatische
Medizin an der Universität Düsseldorf, betreibt zur Zirkumzision und ihren Folgen seit Jahren empirische Forschung;
ergeben hat sich ihm, dass die Entfernung der Vorhaut im
Säuglings- oder Kindesalter als Trauma wirkt und zu erheblichen körperlichen, sexuellen oder psychischen Komplikationen und Leidenszuständen führen kann, die den Beschnittenen noch als Erwachsenen belasten (ders., FAZ v. 9.7.2012,
S. 7). Solche Aussagen als nicht beweiskräftig unbeachtet zu
lassen ist nicht statthaft. Es muss darauf ankommen, ob die
Unschädlichkeit bewiesen ist; genug, dass Franz vielleicht
recht hat.
45
http://www.daserste.de/unterhaltung/talk/menschen-beimaischberger/sendung/2012/beschneidungsstreit-100.html
(zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
46
http://www.ikg-m.de/knobloch-beschneidungsverbot-wareende-des-judentums-in-deutschland/ (zuletzt abgerufen am
10.10.2012).
47
Der Arzt Leo Lattasch, ein Befürworter der jüdischen Neugeborenenbeschneidung, wollte im Ethikrat am 23.8.2012
demonstrieren, wie schnell und harmlos die Zirkumzision vor
sich geht. Die Folge: Eine Zuhörerin war vom Leiden und
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
501
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
dem Opfer irreversibel fast 70 % des sensorischen Penisgewebes raubt mit der unweigerlichen Folge eines erheblichen
Sensibilitätsverlustes. Es ist abwegig, Misshandlung, Qual
und Kindeswohlverletzung mit der Begründung zu bestreiten,
die Eltern wollten die Operation zum Besten des Kindes, sie
handelten aus Liebe und religiöser Fürsorge.
Die Ministerin Öney fand in der Diskussionsrunde die
herkömmliche Beschneidungspraxis gut; die Funktion des
Penis werde „in keinster Weise“ beeinträchtigt, und ihr sei
kein Fall bekannt, dass sich ein Mann für traumatisiert (gemeint: an den Dauer- und Spätfolgen leidend) erklärt hätte.48
Die Ministerin hatte sich in keinster Weise kundig gemacht.
In Wahrheit gibt es solche Äußerungen zu hunderten, z.B.
diese vom 7.8.2010: „Ich gehöre zu denjenigen, die als Kind
unter Schmerzen gegen meinen Willen und unter dem Vorwand religiöser Pflicht genitalverstümmelt wurden. Meinen
Eltern mache ich daraus keinen Vorwurf, weil sie als Gläubige es nicht besser wussten. Heute, 40 Jahre später, bereuen
sie es, weil sie sehen, wie ihr Sohn darunter leidet“.49 Und
das Kölner Urteil hat zwei Jahre später eine wahre Flut solcher Klagen und Bekenntnisse ausgelöst. Studieren sollte die
Ministerin das Interview, das Christian Mentz mit Ali Utlu
geführt hat. Der Berliner Ex-Muslim berichtet von eigenen
und fremden Erfahrungen und macht es höchst glaubhaft,
dass Einbußen im sexuellen Erleben normale, aber meist
verschwiegene Folgen der Beschneidung sind. „Es ist einfach
ein Tabu und man spricht nicht darüber. Die meisten werden
damit groß und werden auch nie dagegen argumentieren.
Wenn man aber [...] vertraut miteinander spricht, sagen viele,
dass sie Probleme haben. Aber sie würden es niemals öffentlich sagen. Sie würden dann ihr Gesicht als Mann verlieren“.50 Und lesen sollte die Ministerin auch den erschütternd
Schreien des Säuglings so erschüttert, dass sie in Ohnmacht
fiel.
48
Der ZEIT-Herausgeber Josef Joffe hält für bemerkenswert,
„dass kein Opfer der Beschneidung je seine Eltern ex post
verklagt“ habe. „Berechtigt wären rund eine Milliarde Männer auf Erden“ (Joffe, Die ZEIT v. 30.8.2012, S. 12). Und die
Bundestagsabgeordnete und frühere Bundesjustizministerin
Zypries (Recht und Politik 2012, 139) findet, das LG Köln
habe nicht berücksichtigt, „dass – soweit bekannt – noch nie
jemand im Erwachsenenalter gegen die an ihm vorgenommene Beschneidung vorgegangen wäre“. Das sagt man so ins
Blaue hinein und glaubt, ein Argument für das Beschneidendürfen gefunden zu haben. Aber wenn es eins wäre, dann
spräche es weit mehr dafür, die Mädchenbeschneidung zu
akzeptieren, denn Frauen tragen ihr Verstümmelungsschicksal klagloser als Männer. Nicht von Frauen, wohl aber von
vielen, vielen Männern, die ihren Eltern bittere Vorwürfe
machen, hätten Joffe und Zypries bei einiger Aufmerksamkeit
erfahren können.
49
http://www.spuren.ch/archiv/archiv_comments/970_0_82_
0_c/ (zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
50
http://www.siegessaeule.de/artikel-archiv/queere-welt/
beschneidung-traumatisch-und-der-horror.html?PHPSESSID
=ddd7da9537b99007d65c8e369547174a&tx_comments_pi1[
begründeten Appell, den Eran Sadeh, israelischer Jude und
Gründer von „Protect the Child“, in der Bundespressekonferenz am 12.9. 2012 gerichtet hat „an Bundeskanzlerin Angela
Merkel, die Mitglieder des Deutschen Bundestages [...] und
alle Eltern weltweit [...], die beabsichtigen, ihr Kind beschneiden zu lassen“: „Je mehr ich las und je mehr ich die
Funktion der Vorhaut verstand, desto schwieriger wurde es,
sich der schmerzhaften und bestürzenden Einsicht zu entziehen, dass mein Penis beschädigt und in seiner Fähigkeit, Lust
zu empfinden, geschwächt wurde und dass ich nie in der
Lage sein würde, Sex so zu genießen, wie die Natur es vorgesehen hat. Durch die Amputation der Vorhaut wird höchst
erogenes Gewebe, bei einem erwachsenen Mann von der
Größe einer Scheckkarte entfernt. Ein Mann, dem das schützende Gewebe des Penisschafts fehlt, spürt weniger Vergnügen, weil ihm Tausende von Nervenenden fehlen, die mit
dem amputierten Gewebe entfernt wurden. Die Vorhaut dient
als schützende Hülle, die den Penisschaft hinauf und herunter
gleitet, die Reibung verringert, die spezialisierten Nervenenden sowie den Peniskopf stimuliert und somit den Geschlechtsakt für beide Partner bequemer und angenehmer
macht“.51
Der dritte Verteidiger des Gewohnten war in Maischbergers Runde Dr. Isik, der Kinder zu Hunderten von Berufs
wegen beschnitten hat und weiterhin Kinder beschneiden
möchte. Nach seiner Darstellung ist mit lege artis ausgeführten Zirkumzisionen überhaupt kein Leid verbunden.52 „Das
Kind merkt gar nichts“ (außer dem Betäubungspiekser), „die
Heilung ist wunderbar“. Der Akt sei gesundheitsdienlich und
mit Impfung und Zahnklammereinsatz vergleichbar. Die
Eltern sollten ihn so früh wie möglich veranlassen, erstens
weil Säuglinge noch keine Angst hätten und zweitens weil
Sechzehnjährige dem Abschneiden wohl mehrheitlich widersprechen würden.53 Kein Wort zum Kölner Fall des gesunden
Vierjährigen, wo die anerkannt kunstgerechte Beschneidung
mit grässlichen und gefährlichen Komplikationen verbunden
war und eine klinische Nachbehandlung – auf der Intensivstation! – von zehn Tagen sowie mehrere Nachoperationen nötig
wurden; kein Wort zu den Auswirkungen auf das nahe und
ferne Sexualleben (das ihn ja auch nichts mehr angeht); kein
page]=1&cHash=68cb130672ce18a382966374c5094e62
(zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
51
Die vollständige Erklärung findet sich auf der Seite
http://pro-kinderrechte.de/statement-von-eran-sadeh/ (zuletzt
abgerufen am 10.10.2012).
52
Dem entspricht die Wahrnehmung des Wiener Rabbiners
Schlomo Hofmeister. Er setzt die Belastung des Säuglings
durch eine Zirkumzision – ich fürchte: allen Ernstes – mit
derjenigen gleich, die das Kind beim Windelwechseln erleidet (so in der Talkrunde „Pro und Contra“ im Österreichischen Fernsehen am 9.7. 2012).
53
Schmidt-Salomon, http://pro-kinderrechte.de/wp-content/
uploads/2012/08/faq_beschneidung.pdf (zuletzt abgerufen am
10.10.2012), nennt das eine „unfreiwillig selbstentlarvende
Aussage“, die deutlich zeige, „wie sehr die gängige Praxis
der Beschneidung über die Selbstbestimmungsrechte des
betroffenen Jungen hinweg geht“ (unter 11.).
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
502
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
Wort zum gerade erschienenen Spiegel-Artikel, worin der
Kinderchirurg Maximilian Stehr resümierend schreibt: ,,Bei
Beschneidungen aus religiösen Gründen gibt es keinen medizinischen Nutzen. Darum wiegt umso schwerer, dass es ein
ernsthafter, mit Risiken und Komplikationen behafteter Eingriff ist. Die Beschneidung fügt dem Knaben auch mit Narkose oder regionaler Betäubung unzumutbare Schmerzen zu.
Aus ärztlich-ethischer Sicht ist dieser Eingriff daher abzulehnen“.54
Wer die rituelle Beschneidung verteidigt – wie muss er
die Augen vor den Tatsachen verschließen! Z.B. der GrünenPolitiker Volker Beck am 14.7.2012 im Bundestag: Es sei
doch mit der Beschneidung „keine gesundheitliche Beeinträchtigung“ verbunden, sie hinterlasse „keinen pathologischen
Befund“. Das ist so, als tröste man den vom Fahrrad Gestürzten, der sich mit Prellungen und Hautabschürfungen blutend
hochrappelt, mit der Belehrung, gesundheitlich sei er nicht
beeinträchtigt und von einem pathologischen Befund könne
keine Rede sein. Weiß Beck wirklich nicht, dass, wer ein
Kind des Präputiums beraubt, eben dadurch dessen Gesundheit beeinträchtigt und einen pathologischen Penisbefund
schafft? Wo die Absicht der Einsicht den Zutritt versperrt,
bleibt dann auch die simpelste Kontrollüberlegung aus. Beck
beurteile doch einmal den folgenden Fall: Fanatische Gottesstreiter entführen kleine Jungen, narkotisieren sie fachgerecht
und nehmen an ihnen, vollkommen lege artis, die Beschneidung vor. Dann bringen sie sie wohlversorgt zurück zu ihren
Eltern. Bleibt Beck konsequent? Das hieße die empörten
Eltern mit der Erklärung beschwichtigen: Korrekt war die Tat
zwar nicht, aber die Gesundheit des Jungen ist nicht beeinträchtigt und der Penisbefund ist trotz Vorhautentfernung kein
pathologischer.55 Oder man stelle sich den anderen Fall vor,
Beck würde so den Kollegen trösten, dem der Urologe im
Zuge einer Prostatektomie aus hygienischen Gründen auch
mal eben die Vorhaut amputiert hat! Lässt aber der Politiker
sich nicht trösten und tritt er an die Öffentlichkeit mit dem
Vorwurf, er sei nun infolge der Eigenmacht des Arztes lebenslang genitalverstümmelt, so droht ihm die nächste Belehrung; und zwar die bielefeldtsche Rüge, das sei aber eine
„diskreditierende Bezeichnung“, die ja den unschädlichen
Akt empörender Weise mit der Genitalverstümmelung von
Mädchen gleichsetze „und unter Juden und Muslimen daher
tiefe Verbitterung“ auslösen müsse. Aber Betroffenen und
Kritikern das Wort „Verstümmelung“ zu verbieten, weil die
Beschneidungsbefürworter lieber den gärtnerischen Euphemis54
Stehr, Der Spiegel v. 23.7.2012, S. 125.
Sehr schön wäre auch der Trost, den Brigitte Zypries zu
spenden hätte: „Auch wenn es sich dabei um einen irreversiblen körperlichen Eingriff handelt, so ist er doch – nach den
Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt – nicht gesundheitsschädlich, sondern das Gegenteil. Außerdem ist er für
die Betroffenen ohne Folgen und sozial akzeptiert“ (dies.,
Recht und Politik 2012, 139). In welchen Händen liegt unsere
Gesetzgebung! Man kann nur hoffen, dass Zypries, bevor sie
ihre Stimme abgibt, wenigstens eine Widerlegung ihres
Standpunktes zur Kenntnis nehmen wird: die aus der Feder
Putzkes auf der Nachbarseite 138.
55
mus hören und gebrauchen, ist natürlich Unfug. Wer einem
Menschen, ob Kind oder Erwachsener, den sensibelsten Teil
seines Geschlechtsorgans raubt, der verstümmelt ihn an diesem Organ, wie er durch die Amputation des kleinen Fingers
die Hand verstümmeln würde. Dass der Penis für den Geschlechtsverkehr mehr oder weniger tauglich bleibt, wie die
Hand zum Greifen, tut nichts zur Sache. Der Geist, in welchem der Akt vollzogen wird, mag ihn in den Augen der
Gläubigen zu einer heiligen, einer von Gott gewollten, einer
den Bund mit Gott stiftenden Verstümmelung machen, aber
er bleibt, was er ist: eine Verstümmelung. „Wenn wir die
religiöse und politische Rhetorik beiseitelassen, bleibt die
Beschneidung von Jungen so schlicht wie klar eine sexuelle
Verstümmelung. Ich weiß das, weil ich selbst als Erwachsener beschnitten worden bin. Ich hatte ein Sexualleben vor
meiner Beschneidung und habe eins danach – ich kann vergleichen. [...] Es ist mehr als dreißig Jahre her, dass ich auf
dem OP-Tisch lag. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder.
Zwei Jungen. Und ich schwöre: Kein Messer, keine Schere
wird je in die Nähe ihrer Vorhaut kommen.“56
Manchen, der mit dem Messer Vorhäute sogar abgeschnitten hat und vielleicht immer noch abschneidet, plagt sein
Gewissen. Man höre das ehrliche Bekenntnis des Rabbiners
Worch: „It‘s painful. It’s abusive. It’s traumatic. And if anybody who is not in a covenant does it, I think they should be
put in prison. I don’t think anybody has an excuse for mutilating a child, depriving them of their glans penis. We don’t
have rights to other people’s bodies and a baby needs to have
its rights protected. I think anybody who circumcises a baby
is an abuser, unless it’s absolutely medically advised because
of some complication that a urologist says ‚this baby has to
be circumcised.‘ Otherwise, what for? [...] I’m an abuser. I do
abusive things because I’m in covenant with God.”57
XI. Der Gesetzgeber wird wohl die Verstümmelung in
Grenzen erlauben. Er wird damit im Interessenkonflikt zwischen den bedrohten Kindern und den Erwachsenen, die am
Beschneidungsbrauch hängen, einen Kompromiss zulasten
der Kinder wählen. Denn nach geltendem Recht ist bei einem
56
Niels Juel, Beschneidung mit 18 – Im Bett mit und ohne,
http://www.taz.de/Beschneidung-mit-18/!101655/ (zuletzt abgerufen am 10.10.2012) – ein im Ganzen höchst lesenswerter
Beitrag eines Autors, der sich seiner jüdischen Freundin zuliebe hat beschneiden lassen.
57
Seine Sätze stammen aus dem Dokumentarfilm „Cut –
Slicing Through the Myths of Circumcision“; zum Zitat siehe
http://www.noharmm.org/CArabbi%20admits.htm (zuletzt abgerufen am 10.102012). Für Schirrmacher, FAZ v. 23.9.
2012, S. 31, dagegen ist es eine Verkehrung der Wahrheit
(„Inversion“), „wenn im Jahr 2012 eine jahrtausendealte
Praxis wie die Beschneidung von deutschen Gerichten als
‚Körperverletzung‘ verurteilt wird und in Deutschland eine
Debatte darüber beginnt, die ‚Judentum‘ und ‚Körperverletzung‘ in einen juristisch-semantischen Zusammenhang
bringt, der einen sprachlos macht, in dem jüdische Eltern ihre
eigenen Kinder verletzen […]“. Sprachlos macht mich
Schirrmachers Weigerung, in dem, was die Beschneidung
dem Kind antut, eine Körperverletzung zu sehen.
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
503
Rolf Dietrich Herzberg
_____________________________________________________________________________________
Kind, wie das LG Köln richtig geurteilt hat, jede medizinisch
unnötige Zirkumzision, auch die von den Eltern gewollte und
religiös motivierte, als Körperverletzung verboten. Sie jetzt in
Grenzen zu gestatten ist eine schwerwiegende Entscheidung,
weil auch die dann erlaubten Verletzungen schwer wiegen.
„Bei der Vorhautbeschneidung handelt es sich [...] um einen
risikoreichen, schmerzvollen, mitunter sogar traumatisierenden Eingriff, der mit der irreversiblen Amputation eines
hochsensiblen, funktional nützlichen Körperteils verbunden
ist“.58 „Ohne medizinischen Grund verliert der Junge irreversibel einen gesunden, erogenen Teil seines Körpers – nachweislich hat eine Zirkumzision einen Sensibilitätsverlust zur
Folge. Zudem erleidet das Kind, auch wenn narkotisiert,
Schmerzen, sowohl bei der Operation als auch in Form von
postoperativen Wundschmerzen. Im Judentum wird die Beschneidung überwiegend sogar ohne Narkose durchgeführt.
Untersuchungen zeigen, dass dies für den empfindlichen
Säugling eine Qual ist. Schmerztraumata sind die Folge [...].
Hinzu tritt das Operations- und Komplikationsrisiko [...].
Und eben wegen des Fehlens jeder medizinischen Indikation
ist es keineswegs das, was Juristen ein ‚erlaubtes Risiko‘ nennen. Abgesehen davon liegen die Komplikationsraten (Nachblutungen, Infektionen, Harnröhrenverengung) teilweise bei
über zehn Prozent.“59
Roma locuta, causa finita, wenn das Gesetz zustandekommt? Nein. Erstens wird irgendwann die Frage zu entscheiden sein, ob das Gesetz auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Und zweitens werden sich die betroffenen Eltern,
Ärzte und Religionsführer fragen, ob die Verletzungen der
Kinder, die jetzt vorgenommen werden dürfen, auch vorgenommen werden sollen. „Wenn wir wüssten, dass es schädlich wäre, würden wir es doch nicht machen“ (Graumann).
„Wir müssten das Ritual preisgeben, wenn wissenschaftliche
Studien überzeugend dartäten, dass die Zirkumzision den
Betroffenen erheblichen Schaden zufügt“ (Soussan). Solche
Studien sind im Zuge der aktuellen Diskussion vorgelegt
worden.60 So ist es eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, dass die Vorhaut etwa 70 % des sensorischen Penisgewebes enthält und ihre Entfernung die Sensibilität vermindert.
Schon das müsste genügen, von der verbreiteten Verharmlosung der Operation abzurücken und den „erheblichen Schaden“ einzugestehen. Wer ihn, wie Graumann und Soussan,
als ausschlaggebendes Kriterium anerkennt, muss folgerichtig auch dagegen sein, dass die Eltern und die Sprecher der
Religionsgemeinschaften die rituelle Beschneidung ihrer
Kinder weiterhin verlangen. Und sie müssen dafür sein, dass
die Eltern und die Geistlichen über die Schmerzen und Risi58
Schmidt-Salomon, http://pro-kinderrechte.de/wpcontent/uploads/2012/08/faq_beschneidung.pdf (zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
59
Putzke, Recht und Politik 2012, 138 (Heft 3).
60
Eindrucksvoll zusammengefasst finden sich die Forschungsergebnisse bei Merkel, Süddeutsche Zeitung v. 25./26.8.2012,
S. 12. Er berichtet u.a. von einer „umfassend begründeten
wissenschaftlichen Schätzung“ aus dem Jahr 2010, die „auf
über hundert Todesfälle pro Jahr im Zusammenhang mit der
Beschneidung von Knaben“ kommt – allein für die USA!
ken der Operation sowie über die Auswirkungen im Sexualleben aufgeklärt und so davon abgebracht werden, die Beschneidung zu fordern.
Gemessen an den Grundprinzipien unserer Rechtsordnung
kann das Gesetz, wenn es kommt, nur ein angreifbares und
zutiefst fragwürdiges sein. Die Vorhaut ist ein wichtiger Teil
des Körpers, eine erogene Zone. Sie einem Kind ohne medizinische Notwendigkeit abzuschneiden, sollte verboten sein.
Die meisten Entscheidungsträger, die die Änderung der
Rechtslage wollen, werden das Gesetz auch keineswegs aus
ethischer Überzeugung, sondern allein aus politischen Gründen vorschlagen, beschließen oder bestätigen. Aber steckt in
der politischen Motivation nicht doch eine tiefere Weisheit
und dürfen wir nicht hoffen, dass am Ende das Beschneidungsleid wirksamer eingedämmt sein wird, als wenn alles beim
Alten bliebe? Das Gesetz kommt denen, die am Ritus und an
der Tradition festhalten wollen, entgegen und bewahrt sie vor
demütigender Verpönung. Aber wie es zustande gekommen
sein wird, nach eindringlicher Diskussion und unter Berücksichtigung empirischer Erkenntnisse, steckt in ihm doch viel
von der ethischen Forderung, das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zu achten. Die Beschneidung, das
wird sich im Gesetz andeuten, ist ein schwerwiegender Eingriff, und besser wäre es, er bliebe dem Kind erspart. Das ist
eine gute, „von außen“ geschaffene Grundlage für den Wandel „von innen heraus“, den mein jüdischer Freund in Aussicht stellt und abgewartet sehen möchte. Was sich bei vielen
aufgrund der aktuellen Debatte und wissenschaftlicher Beiträge schon gewandelt hat, ist die Einschätzung und Gewichtung des Beschneidungsleides. Und wer diesem Leid, wie wohl
jeder mitfühlende Mensch, ob Jude, Christ oder Moslem, für
sein Urteil Bedeutung beimisst, muss auf die Dauer dafür
sein, Kinder vor dem Leid zu bewahren und beim Beschneidungsfest an die Stelle der folgenschweren Operation einen
symbolischen Akt zu setzen. Niemanden, meine ich, kann
unberührt lassen, was eine Leserin auf Maram Sterns mitleidfreien Beitrag (s.o. bei Fn. 37) im Internet geantwortet hat:
„In der Beschneidungsdebatte geht es darum, sich selbst
erklären zu müssen, weshalb man den natürlichen Schutzinstinkt der Eltern gegenüber ihren Neugeborenen mittels Gruppenzwang durchbricht, um [...] das Urvertrauen des Neugeborenen in den von seinen Eltern gewährten Schutz vor Leid
und Tod zu verletzen [...]. Die Beschneidung stellt einen
Bruch innerhalb der wichtigsten zwischenmenschlichen Beziehung dar, die es gibt. Es gibt wohl keinen größeren Verstoß gegen natürliche menschliche Empfindungen als die Verletzung eines entblößten und ohnmächtig ausgelieferten Säuglings durch seine Eltern. Hierin liegt die unfreiwillige Selbstanklage, die hinter jeder Verteidigung dieses Brauches durchschimmert: Dass man die Beschneidung durchführt, obwohl
sie sich falsch anfühlt [...]. Zurück bleibt das Gefühl, dass
unter uns vermeidbares Leid und Unrecht geschieht.“61
61
Siehe http://www.tagesspiegel.de/meinung/gastbeitragbeschneidungs-debatte-der-heilige-eifer-derintoleranten/7042150.html
(zuletzt abgerufen am 10.10. 2012).
_____________________________________________________________________________________
ZIS 10/2012
504
Die Beschneidung gesetzlich gestatten?
_____________________________________________________________________________________
Zugegeben, die Operation in eigenverantwortlicher Entscheidung nachholen zu lassen, werden dann wohl die meisten jungen Juden und Muslime sich weigern. Das würden
viele beklagen. Z.B. der israelische Oberrabbiner Metzger,
der sich über den Sinn der Beschneidung wie folgt geäußert
hat: „Die Brit Mila, die Beschneidung, das ist ein Bund, ein
Abkommen, das jeder Jude hat mit seinem Gott.“ Sie sei ein
„Stempel, ein Siegel auf dem Körper eines Juden. Ein Siegel,
von dem man sich nie verabschieden kann.“ Damit soll jeder
jüdische Mann „selbst an dem verlorensten Ort der Welt daran erinnert werden, dass er Jude ist.“62 Ganz ähnlich sagt es
Swatek-Evenstein: „Die Beschneidung ist das unauslöschliche
Zeichen der Zugehörigkeit zum Verbund des jüdischen Volkes [...]“63. Man kann es kaum deutlicher sagen: Es soll dem
Gezeichneten schwer gemacht werden, jemals im Leben sein
Judentum abzulegen. Ist das zu vereinbaren mit dem Persönlichkeitsrecht und der Religionsfreiheit, die doch ständig
beschworen wird? Dem Regierungsentwurf sind diese Rechte
des Kindes keine Zeile wert.
62
Vgl. zu den Zitaten:
http://www.sueddeutsche.de/politik/oberrabbiner-in-berlinrabbi-metzger-zieht-die-grenzen-der-beschneidung1.1446407 (zuletzt abgerufen am 10.10.2012).
63
Swatek-Evenstein, Jüdische Allgemeine v. 18.2.2010 (s.o.
Fn. 28).
_____________________________________________________________________________________
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com
505

Documentos relacionados