Ein Traum – erfüllt auf 750 Quadratmetern

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Ein Traum – erfüllt auf 750 Quadratmetern
AutomatenMARKT | August 2001 | Praxis
Scotty’s American Billiards
Ein Traum – erfüllt auf 750 Quadratmetern
Modern und frauenfreundlich. Cocktails statt Korn. Trotzdem laufen
Geldspielgeräte. Thomas Overbecks Erfolgskonzept eines Billard-Cafés.
Die Lage ist optimal. Vis-a-vis des
Hauptbahnhofs, unmittelbar daneben
eines der neuen CinemaxxMultiplexkinos, die heute selbst in
mittelgroßen Städten das Bild der City
prägen. Einen besseren Standort kann
man sich nicht wünschen. Etwa als
Autohändler, um dort die neueste
Fahrzeugkollektion auffällig hinter der
lang gestreckten Schaufensterfront zu
präsentieren. Oder als
Automatenunternehmer, um dort mit
einer modernen Spielstätte von den
zahlreichen vorbeibummelnden CityBesuchern zu profitieren.
Scotty’s American Billiards in Krefeld: In diesem eleganten Ambiente fühlen sich
auch Frauen wohl. Ihr Anteil unter den Gästen: 30 bis 40 Prozent.
Wenn man jedoch Thomas Overbeck heißt, Jura in Hannover studiert hat und sich
früher mehr im Ausland als in der deutschen Heimat aufgehalten hat, gibt es nur
einen Grund, in Krefeld sesshaft zu werden. Toplage hin oder her. Es zählt nur, dass
ein Traum Wirklichkeit werden kann. Auf 750 Quadratmetern im Zentrum der Stadt,
wo früher ein Händler Autos ausstellte, hat Overbeck sich seinen Traum erfüllt: ein
Billard-Café.
Das ist ihm so gut gelungen, dass ihn nicht nur internationale Magazine für das
Design, die Inneneinrichtung, das Konzept und die Atmosphäre loben. Sondern dass
hier auch von Anfang an alljährlich das Finale der Brunswick Challenge ausgetragen
wird, die Jürgen Beckmann, Chef von Billard-Beckmann in Saarbrücken, seit 1998
bundesweit ausschreibt.
Die geschwungene Linienführung der Bar signalisiert Eleganz, die sich bis zum
Thekenregal fortsetzt. An zwei Geld-Gewinn-Spiel-Geräten können sich Gäste die
Zeit bis zum nächsten Billard-Spiel oder einfach beim Warten auf die Verabredung
vertreiben.
„Weil“, so Jürgen Beckmann, „Thomas Overbeck das Konzept für dieses einzigartige
9-Ball-Turnier mit erfunden hat. Und außerdem seine Spielstätte alle Anforderungen
für eine Finalrunde erfüllt.“
Ein Billardtisch reicht nicht, wenn 64 Finalisten an einem Tag den Gewinner von vier
Reisen nach Las Vegas ausspielen wollen. Thomas Overbeck hat 14 Billardtische.
Auch wenn sich die Brunswick Challenge an Hobbyspieler richtet, so sind die jedoch
ambitioniert. Sprich: Die Queues müssen ebenso in Topform sein wie die Tische.
„Das ist ja ein großer Fehler“, sagt dazu Overbeck, „den viele Betreiber von BillardCafés oder Spielstätten begehen: Sie kümmern sich nicht ums Detail. Wenn der
Bezug nicht regelmäßig erneuert wird, die Kugel nicht sauber läuft, dann ärgern sich
die Gäste. Warum sollen sie noch einmal wiederkommen, wenn sie um ihren Spaß
betrogen werden?“
Sein Konzept für ein Billard-Café geht auf, weil er auf solche scheinbar
nebensächlichen Details achtet. Neues Tuch für die Tische und der Bezug ist teuer,
Queues sind auch nicht für einen Groschen zu haben. Doch für die Erlebnisqualität,
für die Gäste entscheidend.
Denn auch Thomas Overbeck steht mit seinem Scotty’s American Billiards (Scotty ist
der Spitzname von Overbeck in der Billard-Szene) in Konkurrenz zu anderen
Freizeitangeboten in Krefeld. Ob Bodybuilding, Sonnenstudios, Bowlingbahnen, Sport
wie dem lokalen Eishockey oder Fußball, dem Kino gegenüber oder zu anderen
Kneipen in der 250 000 Einwohnerstadt.
Geschenkt gibt es nichts, aber die
Gäste müssen das Gefühl haben, es
lohnt sich hier Geld zu lassen.
Deswegen sind die Fenster auch nicht
zugezogen, sondern Blickfang für
Passanten: Das Café versteckt sich
nicht, sondern wirbt direkt mit seinen
Reizen. Eine helle, damit freundliche
Atmosphäre dank der großen
Fensterfront. Mit einem Design, das
konsequent an einem Thema
ausgerichtet ist: die 50er-Jahre in den
USA. Das überzeugt deswegen, weil
nicht wahllos mit Kitsch geklotzt wird.
Sondern elegant einige wenige, dadurch
aber prägende Akzente gesetzt werden.
Freuen sich über eine tolle Finalrunde der
4. Brunswick Challenge: Thomas
Overbeck (links) und Jürgen Beckmann.
Etwa durch ein Filmplakat mit James
Dean. Das jedoch nicht irgendwie mit
Reißzwecken an der Wand gehalten
wird. Sondern in einem edlen Wechselrahmen ausgestellt wird. Da sind Stühle und
Tische, die Overbeck nicht aus dem Katalog ausgesucht hat. Sondern von einem
Designer hat entwerfen lassen.
„Natürlich ist mein Café auch Stammlokal für Billard-Clubs. Doch allein von deren
Umsatz kann ich nicht leben. Ich muss auch andere potenzielle Kunden ansprechen:
Freizeit- oder Hobbyspieler, ebenso Gelegenheitsspieler“, erklärt Overbeck.
Deswegen die Entscheidung, viel Geld für ein ansprechendes Ambiente auszugeben.
Das ist seine Philosophie, mit der er überdies bei der Zielgruppe Frauen ankommt. 30
bis 40 Prozent der Gäste sind Frauen. Diesen hohen Anteil erklärt Overbeck mit der
offenen Gestaltung: keine dunklen, verborgenen Ecken. Von jedem Punkt in seiner
Spielstätte kann das Auge das gesamte Geschehen überblicken.
Overbeck: „Das hält ein Publikum fern, das ich nicht haben will.“
Gleichwohl ist seinem Innenarchitekten das Kunststück gelungen, die 750
Quadratmeter Fläche in verschiedene Bereiche zu gliedern. Die große Fläche für den
Billardbereich wird durch eine knapp brusthohe Mauer abgetrennt. Sie ist leicht
geschwungen geführt, wirkt deswegen weder massiv noch störend.
Direkt dem Eingang gegenüber dominiert keine Theke, sondern eine Bar, die auf allen
Seiten Sitzplätze anbietet. Denn auch in der modernen Gastronomie haben viele Gäste
das Bedürfnis nach Kommunikation. Oder, wie das in der Eckkneipe heisst: an der
Theke beim Bier zu hocken und zu quatschen. Bier wird auch im American Billiards
gezapft. Doch ebenso werden Cocktails gemixt, die häufig mehr den Geschmack von
Frauen treffen als das Gebraute.
Letztlich, trotz der durchgestylten Innengestaltung, baut Scotty’s American Billiards
keine Hemmschwelle auf. Es ist zwar modern, aber nicht auf Szene getrimmt. Der
Arbeiter spielt bei ihm ebenso Billard wie der Rechtsanwalt, der 16-Jährige mit seiner
Freundin ebenso wie der Familienvater mit seinem Sohn.
Deswegen ergänzen sich die Brunswick Challenge und Scotty’s American Billiards.
Weil Overbecks Konzept wie das von Jürgen
Beckmann darauf zielt, ständig neue Interessenten für Billard zu gewinnen. Denn die
Challenge ist ein Marketingmittel wie das Café-Design, mit dem Freizeit- und
Gelegenheitsspieler angesprochen werden sollen. Weil diese Zielgruppen dank eines
ausgefeilten Handicap-System im gesamten Turnier bis hin zum Finale die Chance
haben, wesentlich stärkere Gegner zu schlagen, spielen sie mit um eine Reise nach
Las Vegas zum Billiard Congress of America, der weltgrößten Messe dieser Art.
Jahr für Jahr begeistert die Challenge immer mehr Billard-Fans. Diesmal nahmen
mehr als 700 Spieler teil. Ein neuer Rekord. Zum Finale qualifizierten sich übrigens
auch zehn Frauen. Ebenfalls ein neuer Rekord. Jürgen Beckmann ist zufrieden, weil
wieder einmal die Rechnung aufgegangen ist. Davon wird nicht nur sein Unternehmen
profitieren. Sondern ebenfalls die 30 Spiel- und Gaststätten, in denen die 700
Teilnehmer von April bis Juni in den Vorrunden die Finalisten ausspielten.
Beckmann überlegt bereits, wie nächstes Jahr die Challenge noch attraktiver gestaltet
werden könnten: „Vielleicht sollten wir die vierte Reise nach Las Vegas auslosen und
nicht ausspielen.“
Dann nämlich hätten diejenigen noch die Chance auf einen Gewinn, die im Finale
bereits nach wenigen Runden ausscheiden. Über diese Idee wird Jürgen Beckmann
vermutlich noch mit Thomas Overbeck nachdenken. Denn Scotty ist nicht erst mit
der Eröffnung seines American Billiards 1996 zu diesem Sport gestoßen. Bereits seit
1993 ist er Sportdirektor der Pool Billiard Association, hat mehr als einhundert
internationale Turniere geleitet und ist als Jurist für Vertragsverhandlungen wie zu
Weltmeisterschaften verantwortlich. Zwar darf man ihn mithin als Billard-Enthusiasten
bezeichnen, doch ohne Geschäftssinn lässt sich ein Billard-Café nicht mit Gewinn
betreiben.
Deswegen hängen in unmittelbarer Nähe zur Bar zwei Geld-Gewinn-Spiel-Geräte, für
die Overbeck mit einem Automatenunternehmer einen Vertrag geschlossen hat:
„Automaten sind nicht so mein Ding. Deswegen arbeite ich mit einem Aufsteller
zusammen. Wir haben vereinbart, dass ich zweimal im Jahr einen Gerätewechsel
verlangen kann, wenn die Umsätze nicht stimmen. Denn ob ein Gerät gut läuft, weiß
man immer erst hinterher.“
Auf die Einnahmen aus den Geldspielgeräten baut er. Wie auch bei anderen
Automaten. Zwei Touchscreens in Thekenversion sowie ein Mensch-ärgere-Dich-nichtTischgerät sind aufgestellt. Des weiteren fünf Darts links und rechts des Eingangs.
Schließlich können Gäste an fünf runden Tischen im Bereich hinter der Bar an einem
Großbildschirm Sportereignisse wie Formel-1-Rennen verfolgen.
Thomas Overbeck: „Billard ist zwar der Schwerpunkt. Aber man muss nicht Billard
spielen, um bei uns Gast zu sein und sich wohl fühlen zu können.“
Die durchdachte Konzeption von getrennten Bereichen, die jedoch nicht die 750
Quadratmeter in unzusammenhängende Teile spaltet, erlaubt das. Hier kehren ebenso
Gäste ein, die einfach nur einen Cocktail trinken wollen. Nur die für Eckkneipen
mitunter typischen Dauer-Thekenhocker dürften sich hier wohl nicht finden. Aber die
sind ja auch nicht Overbecks Zielgruppe.