Betreuung von Frauen in der Latenzphase auf der

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Betreuung von Frauen in der Latenzphase auf der
Berner Fachhochschule Fachbereich Gesundheit
Betreuung von Frauen in der
Latenzphase auf der Pränatalstation
nach Geburtseinleitung mit Prostaglandinen am Termin
Bachelor-Thesis
Franziska Rotzer
Brigitte Schönenberger
Bern
2010
Betreuung eingeleiteter Frauen
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................... 2
1
Zusammenfassung............................................................................................ 3
2
Ausgangslage .................................................................................................... 4
3
Einleitung........................................................................................................... 5
4
Theoretischer Hintergrund ............................................................................... 8
4.1
Geburtseinleitung .................................................................................. 9
4.2
Prostaglandine zur Geburtseinleitung am Termin ................................ 11
4.3
Latenzphase........................................................................................ 13
4.4
Geburtsschmerz .................................................................................. 15
4.5
Betreuung ........................................................................................... 18
5
Methoden ......................................................................................................... 23
6
Ergebnisse ....................................................................................................... 27
6.1
Beschreibung der aktuellen Situation .................................................. 27
6.2
Durchführung der Interviews ............................................................... 31
6.3
Ergebnisse der Interviews ................................................................... 31
6.4
Vergleich und Diskussion der Ergebnisse ........................................... 38
6.5
Projektplan .......................................................................................... 40
7
Diskussion ....................................................................................................... 41
8
Schlussfolgerungen ........................................................................................ 45
9
Literaturverzeichnis ........................................................................................ 47
10
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. 51
2
Betreuung eingeleiteter Frauen
1
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund
Diese Arbeit behandelt das Thema der Betreuung von Frauen auf der Pränatalabteilung,
welche eine Geburtseinleitung am Termin bei regelrechter Schwangerschaft durch vaginale
Applikation von Prostaglandinen erhalten haben. Das Ziel dieser Arbeit ist, einen Projektplan,
sowie Empfehlungen für eine Pränatal- und Wochenbettabteilung zu erarbeiten, welche folgende Fragen beantworten: Wie sieht eine bedürfnisorientierte Begleitung von Frauen in der
Latenzphase aus? Wie kann die Arbeit organisiert werden, damit die Frauen bedürfnisorientiert begleitet werden können?
Methode
Um das gewählte Thema zu bearbeiten, wurde ein Literaturreview in den Datenbanken
Pubmed und Cochrane durchgeführt. Ergänzend zu den Studien, sowie Reviews wurden in
Fachbüchern zusätzliche Informationen gesucht. Zur Erhebung des Problems in der ausgewählten Institution wurde ein Interview aufgrund der Literatur zusammengestellt. Es beinhaltet Fragen zu den Erfahrungen in der Betreuung der eingeleiteten Frauen, zur Infrastruktur und zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Die Befragung wurde auf der Pränatalund Wochenbettstation, sowie Gebärabteilung bei sechs Hebammen, neun Pflegefachfrauen
und zwei Personen vom ärztlichen Dienst durchgeführt.
Die Ergebnisse der ausgewerteten Interviews wurden der Literatur gegenüber gestellt und
verglichen. Aus der Diskussion des Vergleichs wurden Empfehlungen und Lösungsansätze
entwickelt. Das Vorgehen für einen Projektplan zur Implementierung von Massnahmen
wurde erläutert.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Interviews zeigten, dass ein hochmotiviertes Team die eingeleiteten
Frauen gerne betreut. Es wurden vor allem Defizite in organisatorischen und infrastrukturellen Grundlagen, sowie bezüglich kompetenter Betreuungspersonen ersichtlich. Der Veränderungsbedarf dieser Grundlagen ergab Folgendes: Die Betreuung der eingeleiteten
Frauen sollte durch eine Hebamme gewährleistet sein. Die Frauen sollten ein Einzelzimmer
auf der Pränatalstation erhalten und zudem ist eine Badewanne von Vorteil. Zur
kontinuierlichen
Betreuung
der
Frauen
sollten
freie
Kapazität
geschaffen,
sowie
interdisziplinäre Absprachen getroffen werden. Als sekundäre Ergebnisse haben sich
sprachliche Hindernisse, eine mangelnde Aufklärung der Frauen bezüglich Ablauf der
Geburtseinleitung und deren Wirkung, sowie Zeitpunkt und Grund der Einleitung ergeben.
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Betreuung eingeleiteter Frauen
Schlussfolgerungen
Die Fragen und Ziele konnten nur teilweise erfüllt werden, da die Ergebnisse gezeigt haben,
dass zuerst Grundlagen zu Infrastruktur, Arbeitsorganisation und Fachkompetenz geschaffen
werden müssen, damit eine bedürfnisorientierte Betreuung von eingeleiteten Frauen gewährleistet werden kann. Daraus ergaben sich keine konkreten Massnahmen. Es wurden
aber Lösungsansätze aufgezeigt, welche die Institution für ein Projekt oder mehrere Teilprojekte aufnehmen und weiter entwickeln kann. Somit könnte einerseits die bedürfnisorientierte
Betreuung der eingeleiteten Frauen gewährleistet werden und andererseits würde das Ansehen der Institution in der Gesellschaft gesteigert.
Weitere Forschungsprojekte, um Grundlagen zu erheben, welche die Betreuungspersonen
benötigen, um eingeleitete Frauen in der Latenzphase zu begleiten sind sinnvoll. Ergänzend
sollten auch die Bedürfnisse der eingeleiteten Frauen in der Latenzphase erhoben sowie die
sekundären Ergebnisse in weiteren Arbeiten aufgenommen werden.
2
AUSGANGSLAGE
In einem Kantonsspital mit rund 1300 Geburten im Jahr werden Frauen am Termin mit
Prostaglandinen eingeleitet. In diesem Zusammenhang werden vor allem folgende Probleme
genannt: Die Geburtseinleitung kann Stunden bis Tage dauern und die Frauen müssen diese
Zeit im Krankenhaus verbringen. Das Medikament wird im Gebärsaal verabreicht und nach
den erforderlichen Kontrollen werden die Frauen auf die gemischte Pränatal- und Wochenbettabteilung verlegt, wo sie meist in einem Mehrbettzimmer stationär aufgenommen werden.
Es wird vor allem von Hebammen berichtet, dass ihrer Meinung nach die Anzahl
Frauen, die zur Einleitung ins Spital kommen, zunimmt. Dies hat zur Folge, dass Frauen, bei
denen die Geburt eingeleitet wird, die Latenzphase im Spital verbringen müssen, im Gegensatz zu Frauen, welche spontan Wehen bekommen und so die Latenzphase zu Hause, in
einem ihnen bekannten Umfeld mit Vertrauenspersonen verbringen können. Das Krankenhaus ist eine ihnen unbekannte Umgebung und bietet keine Privatsphäre. Die Frauen müssen sich mit wechselnden und unbekannten Betreuungspersonen, die sie begleiten, abfinden. Zudem wird oftmals eine Widersprüchlichkeit zwischen den Erwartungen der Frauen
bezüglich des Verlaufs der Einleitung und der Realität festgestellt. Von Hebammen und Betreuungspersonen wird berichtet, dass diese Stunden und Tage dauernde Einleitung schon
in der Latenzphase zu Erschöpfung führen kann, da die Frauen in der Latenzphase Wehen
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Betreuung eingeleiteter Frauen
unterschiedlich schmerzhaft empfinden und unterschiedlich mit diesem Schmerz umgehen
können.
Das Team, welches diese Frauen auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung betreut, besteht aus verschiedenen Berufsgruppen wie Pflegefachfrauen, Hebammen, Lernenden und Fachangestellten Gesundheit (FAGE). Diese Betreuungspersonen sind noch für
andere Frauen, wie Schwangere und Wöchnerinnen, zuständig. Von den Hebammen und
Pflegenden wird berichtet, dass sie Mühe haben die eingeleiteten Frauen ausreichend zu betreuen und zu begleiten. Die eingeleiteten Frauen können wegen des grossen Pflegeaufwandes nicht als prioritär eingestuft und betreut werden.
Auch die infrastrukturellen Möglichkeiten wie Badewanne, Einzelzimmer, usw. sind
auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung begrenzt, oder gar nicht vorhanden. Bei den Betreuungspersonen auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung herrscht auch eine gewisse
Angst, dass sie bei den eingeleiteten Frauen etwas Wichtiges verpassen und dass die
Frauen auf der Abteilung gebären könnten. Vielfach entsteht dadurch eine Diskrepanz bezüglich der Bestimmung des Zeitpunktes der Verlegung von der Abteilung in den Gebärsaal,
sowie des gegenseitigen Verständnisses für Limitationen der durchzuführenden Massnahmen.
Das Team auf der Abteilung ist an Lösungsansätzen interessiert, um die Frauen bedürfnisorientiert und optimal betreuen zu können. Dies sind die Beweggründe, weshalb dieses
Thema für die Bachelor-Thesis gewählt wurde.
3
EINLEITUNG
Im Review von MacKenzie (2006), in welchem die Geburtseinleitung um die letzte Jahrtausendwende beschrieben wird, wird berichtet, dass rund 20% aller Geburten in Grossbritannien Geburtseinleitungen sind. Diese Zahl blieb in den letzten Jahren konstant. Vor
vielen Jahrhunderten war laut MacKenzie (2006), die einzige Indikation für eine
Geburtseinleitung, der intrauterine Tod des Fetus. Heute sind die häufigsten Gründe zur
Einleitung eine Schwangerschaftsdauer länger als 40 Schwangerschaftswochen (SSW)
sowie die hypertensive Erkrankung der Mutter. Verlängerte Schwangerschaften werden je
nach Gynäkologe oder Gynäkologin und Gebärabteilung unterschiedlich definiert und
beinhaltet jedes Gestationsalter zwischen 40., 41. und 42. SSW (MacKenzie, 2006).
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Betreuung eingeleiteter Frauen
Die Geburtseinleitung bei einem unreifen Zervixbefund kann zu Wehentätigkeit
ohne ausreichende Eröffnung des Muttermundes (MM), Hyperstimulation des Uterus und
weiter zu oftmals frustranen Einleitungsversuchen mit protrahierten und erschöpfenden Geburtsverläufen, sowie hohen Kaiserschnittraten führen (Enkin, Keirse, Neilson, Crowther,
Duley, Hodnett & Hofmeyr, 2006, Schneider, 2006, S. 698).
Die Inzidenz von eingeleiteten Erstgebärenden, bei welchen die Geburt mittels
Kaiserschnitt beendet wird, ist um das 2.2 fache höher als bei jenen Frauen die spontan Wehen bekamen, dies berichten Greulich & Tarrant (2007) in ihrem Artikel: Wie die Latenzphase diagnostiziert und unterstützt werden kann. Der Hauptgrund für den Kaiserschnitt war
eine unreife Zervix mit einem Bishop-Score ≤ 5. In diesem Artikel wird ebenfalls beschrieben,
dass die Dauer der Latenzphase Einfluss auf den Geburtsmodus hat. Dauert die Latenzphase 15.1 bis 18 Stunden, lag die Rate an Vaginalgeburten bei 64%, dauerte die Latenzphase 18.1 bis 24 Stunden, lag die Rate bei 32% (Greulich & Tarrant, 2007).
In den beiden Studien (Kjaergaard, Foldgast & Dykes, 2007, Gatward, Simpson,
Woodhart & Stainton, 2009) wird festgehalten, dass Frauen bei denen keine spontanen Wehen am Termin einsetzen, sich das Gefühl entwickeln kann, dass ihr Körper und sie selber
versagt haben. Auch kann Angst aufkommen, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung ist.
Simkin & Ancheta (2006) beschreiben die Reaktion von Frauen in der Latenzphase
so, dass sie Techniken zur Schmerzbewältigung anwenden, die besser für die aktive
Geburtsphase geeignet sind. Da sich die Frauen keine Vorstellungen machen können, wie
das Anfangsstadium einer Geburt ablaufen kann, haben sie aufgrund der Wehenaktivität und
Intensität hohe Erwartungen, die beim nächsten Untersuch enttäuscht werden. Sie können
sich nicht vorstellen, wie sie die stärker werdenden Wehen überstehen sollen (Simkin &
Ancheta, 2006, S. 113).
Die Spitalumgebung birgt den Nachteil, dass die Frauen die Wehen in der Latenzphase bereits als anstrengender und schmerzhafter empfinden. In dieser Umgebung können
sie nicht ihren Bedürfnissen, wie Musik hören, Baden, Umhergehen, Telefonieren, Essen,
Trinken, sich Zurückziehen, usw. ohne Umstände nachkommen (Harder, 2007, S. 250).
Harder (2007) beschreibt weiter, dass die Frauen durch verschiedene Interventionen wie
Cardiotokogramm (CTG) Schreiben, Vaginaluntersuchungen, Besprechung des weiteren
Verlaufes und Vorgehens, der Klinikroutine unterworfen sind. Sie fühlen sich fremdbestimmt
und abhängig vom Klinikpersonal, was sich belastend auswirkt.
Die Frauen beschreiben in einer prospektiven Studie von Lavender, Walkinshaw &
Walton (1999) über Faktoren, welche zu einem positiven Geburtserlebnis führen, dass die
Begleitung und Betreuung durch die Hebamme, eines Partners oder Familienangehörigen,
grundlegend zu einem positiven Geburtserlebnis geführt haben. Laut Enkin et al. (2006) zeigt
sich in der Praxis oft ein anderes Bild. Die Frauen werden meist von mehreren Fachper6
Betreuung eingeleiteter Frauen
sonen begleitet und betreut. Der dadurch entstehende Wechsel kann den Frauen ein Gefühl
der Isolation geben. Weiter berichten die Autoren, dass eine Erstgebärende ohne besonderes Risiko in einem Lehrkrankenhaus innerhalb von sechs Stunden durch 16 verschiedene
Personen versorgt, aber die meiste Zeit alleine gelassen wird (Enkin et al., 2006). Dies lässt
vermuten, dass durch die Betreuung verschiedener Personen, keinen Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zulässt. Da die Frauen von verschiedenen Betreuungspersonen unterschiedliche Informationen erhalten, können sie verunsichert werden.
Die Hebamme arbeitet mit den Frauen partnerschaftlich zusammen und gewährt
ihnen die erforderliche Unterstützung, Betreuung und Beratung während Schwangerschaft,
Geburt, Wochenbett und Stillzeit (Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz,
2007). Um den Frauen die erforderliche Unterstützung und Beratung gewähren zu können,
braucht es Instrumente zur Erhebung dieser Bedürfnisse und einen gezielten Handlungsablauf, sowie die organisatorischen und infrastrukturellen Grundlagen. Mit dem Ziel einer
optimalen Versorgung von Frau, Kind und Familie, sollen Hebammen effektiv mit anderen
Kolleginnen und anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten.
Um das Gefühl der Sicherheit vermitteln zu können, sollten einheitliche Informationen an die
Frauen weiter gegeben werden. Dies setzt klar definierte Kompetenzen der verschiedenen
Berufsgruppen welche die Frauen betreuen, voraus.
Aufgrund dieser Problematik ist das Ziel dieser Arbeit, einen Projektplan, sowie Empfehlungen für eine Pränatal- und Wochenbettabteilung zu erarbeiten. Damit soll erreicht werden,
dass die Frauen in der Latenzphase bedürfnisorientiert begleitet und unterstützt werden und
die Arbeitsorganisation soll so gestaltet sein, dass die Betreuungspersonen den Frauen eine
bedürfnisorientierte Begleitung zukommen lassen können.
Folgende Fragen müssen geklärt werden:
-Wie sieht eine bedürfnisorientierte Begleitung von Frauen in der Latenzphase aus?
-Wie kann die Arbeit organisiert werden, damit die Frauen bedürfnisorientiert begleitet
werden können?
In dieser Arbeit wird vor allem die Betreuung der eingeleiteten Frauen in der Latenzphase ausgearbeitet. Es handelt sich dabei um low risk Schwangere, welche im Zeitraum von 40 1/7 SSW und 42 0/7 SSW mit vaginal applizierten Prostaglandinen eingeleitet
werden.
Ausgeschlossen sind alle anderen Phasen der Geburt, sowie Zeitpunkt, Entscheid
und Medikamentenwahl zur Geburtseinleitung. Zudem wird auf durch die Einleitung entstehende Nebenwirkungen, wie z. Bsp. Hyperstimulation des Uterus und Uterusruptur, sowie
medizinisch invasive Massnahmen, wie Periduralanästhesie (PDA) zur Schmerzreduktion
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Betreuung eingeleiteter Frauen
und auf das Medikament Oxytocin zur Wehenstimulation nicht eingegangen. Schmerzlindernde Massnahmen werden genannt, aber keine Anwendungsanleitungen recherchiert
und eingeführt. Geburtseinleitungen nach spontanem Blasensprung, welche keine Wehen
entwickeln und nach Sectio caesarea (Sectio) bei Multigravida, sowie Einleitungen im
zweiten oder dritten Trimester aufgrund von fetalen Anomalien und intrauterinem Fruchttod
sind ebenfalls nicht Thema dieser Arbeit.
4
THEORETISCHER HINTERGRUND
In dieser Arbeit liegen die Themenschwerpunkte in der gewünschten Wirkung der
Prostaglandinen (PGE) bei der Geburtseinleitung, der Latenzphase sowie den Geburtsschmerzen und deren Einflussfaktoren. Zur Lösung des Problems soll ein Konzept beitragen,
welches die Frau und deren ganzheitliche Betreuung unterstützt.
Um die Evidenz zu ermitteln, wurden folgende Suchstrategien im Zeitraum vom 03.04.2010
bis 17.05.2010 angewendet.
Als erstes wurden folgende Suchbegriffe festgelegt: postterm pregnancy, cervical, ripening,
delivery, herbal, stimulation, support, normal birth, care, labor, labour, induction, pain,
treatment, midwife, intervention, contractions, reduce, latent phase, onset, organization,
environment, management, caregivers, continuity, anxiety, experience, first stage, childbirth.
Diese Suchbegriffe wurden in verschiedenen Kombinationen in den Datenbanken Pubmed,
Cochrane und The Geneva Foundation for Medical Education and Research (gfmer)
verwendet. Pubmed diente vorwiegend zur Studiensuche, Cochrane Database vorwiegend
um Reviews zu finden und gfmer zur Suche nach Leitlinien. Diese Datenbanken wurden
ausgewählt, weil sie grosse, elektronische und fachspezifische Datenbanken und für alle
zugänglich sind. Um mehr Leitlinien zu finden, wurden die Hompages von der
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft (AWMF, 2008)
und dem National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE, 2008) abgerufen, da
diese international anerkannte Leitlinien aufzeigen. Ebenfalls wurden Fachbücher und
offizielle Fachorgane wie Hebamme.ch für themenspezifische Artikel genutzt. In gefundenen
Studien wurden die Referenzen gesichtet, um Primärliteratur ausfindig zu machen.
Die Artikel wurden nach Titel und Abstract ausgewählt und sind aufgrund folgender Kriterien
selektioniert worden: Interventionen für Fachpersonen während der Geburtseinleitung,
Latenzphase, Betreuung durch Fachperson, in englischer und deutscher Sprache, sowie
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Betreuung eingeleiteter Frauen
möglichst aktuelle Publikationen. Ergänzend wurde in Hebammen spezifischen Fachbüchern
nach relevanten Informationen gesucht.
Die definitive Literatur, welche für die Evidenz zur Ergebniserhebung dient, wird mittels
Analyseraster analysiert und einem Evidenzlevel nach AWMF (2006) zugeteilt. Damit wird
die Qualität der Literatur definiert.
Die verwendete Leitlinie und das Review, werden im folgenden Abschnitt kurz beschrieben
und dem Evidenzlevel nach AWMF (2006) zugeordnet. Die verwendeten Fachbücher Enkin
et al. (2006) und WHO (2000) können keinem Evidenzlevel zugeordnet werden, da die
Primärstudien zu den jeweiligen Texten nicht deklariert sind.
Die National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health (2007) sind
von der NICE beauftragt, Leitlinien zu erstellen. Ethische wie moralische Aspekte und berufliche Verantwortung sind gegeben. Alle beteiligten Personen sind namentlich aufgeführt.
Relevante Berufsgruppen sind vertreten und klientenzentrierte Interessengruppen wurden in
die Leitlinienentwicklung involviert. Externe, unabhängige Fachpersonen werden fortlaufend
einbezogen. Relevante praxisnahe Themen werden nur mit Studien mit höchstem Level bearbeitet. Daraus entwickeln sie explizit empfohlene und nicht mehr empfohlene
Interventionen zu jeder Thematik. Präventive Massnahmen sowie Themen mit Forschungsbedarf werden genannt.
Die Leitlinie der NICE wurden im Evidenzlevel Grade A nach AWMF (2006) eingestuft. Dank
ihrer Qualität gelten sie als allgemeingültige bekannte Empfehlungen und werden weltweit
genutzt.
Das Review von Hodnett et al. (2009), Continuous support for women during
childbirth, vereint 16 RCT`s aus elf verschiedenen Ländern. Die Literatursuche wurde in anerkannten medizinischen Datenbanken durchgeführt. Die Suchstrategie wurde nicht detailliert beschrieben. Alle 16 ausgewählten Studien werden im Anhang mit Methoden, Teilnehmerinnen, Interventionen und Resultate, Risk of Bias und Zuteilung nach Higgins (2005)
sowie im Fliesstext in den Resultaten beschrieben. Alle Ergebnisse werden im Fliesstext und
im Anhang mit Tabellen dargestellt.
Dieses Review wurde dem Evidenzlevel I nach AWMF (2006) zugeordnet.
4.1
Geburtseinleitung
Die Schwangerschaftsdauer wird nach Schneider (2006, S. 692) mit 266 Tagen nach
Konzeptionsdatum bzw. 280 Tagen nach dem ersten Tag der letzten Menstruation definiert.
Nach
Erreichen
dieses
errechneten
Termins
gilt
die
Schwangerschaft
(SS)
als
Terminüberschreitung. Nach Literatur von Hohlfeld et al. (2002) zitiert in Enkin et al. (2006)
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Betreuung eingeleiteter Frauen
ist die Inzidenz bei 27%, dass eine SS länger als 41 SSW dauert. Bei Übertragung ab der
42. SSW geben Enkin et al. (2006) eine Inzidenz zwischen 4 und 14% an. Gleichwohl
definiert die NICE (2008) eine Terminüberschreitung ab der 42. SSW. Sie hält fest, dass bei
Durchführung einer Terminüberprüfung im ersten Trimester, die Inzidenz einer prolongierten
SS zwischen 5 und 10 % liegt. Hingegen gibt Schneider (2006, S. 692) nur eine Inzidenz von
5 % an.
Zur Terminüberschreitung dokumentiert Schneider (2006, S. 692-695), dass eine
SS, die länger als 40 SSW dauert, nicht ohne weiteres mit einer Plazentainsuffizienz
einhergeht, so dass als Folge bei den Feten eine gehäufte Makrosomie vorkommt. Weiter
beschreibt er, dass die antepartalen Todesfälle zwischen der 37. und 41. SSW ein Risiko
und in der 40. SSW am höchsten sind. Die Ursachen dieser Mortalität sind nicht geklärt,
jedoch macht er darauf aufmerksam, dass durch sorgfältige Überwachung der SS und der
Geburtseinleitung nach der 41. SSW dieses Risiko reduziert werden kann. NICE (2008) sagt
zur Geburtseinleitung aus, dass keine Evidenz besteht eine elektive Einleitung ohne
medizinischen Grund durchzuführen. Sie deuten dabei eine höhere Inzidenz an begleiteten
Geburtsbeendigungen an und erwähnen, dass ein Einfluss auf das Geburtserlebnis möglich
ist. Deshalb unterstützt NICE (2008), dass Frauen mit regelrechter SS jede Chance
bekommen sollen, spontan die Geburtswehen zu erlangen. Zudem empfiehlt sie, dass
Frauen mit regelrechter SS die Möglichkeit erhalten sollen, die Geburt zwischen der 41 0/7
und 42 0/7 SSW einzuleiten, um Risiken der prolongierten SS wie intrapartum und
neonatalem Tod zu verhindern. Weiter sagt sie, dass die Einleitung gegenüber den Frauen
begründet werden und die Frauen über den Ablauf aufgeklärt werden sollen.
Durch den Entscheid der Geburtseinleitung gehen die Erwartungen eines natürlichen Geburtsbeginns bei eingeleiteten Frauen verloren (Gatward et al., 2009). In dieser
Studie sagen eingeleitete Frauen aus, dass sie bei der Planung der Geburtseinleitung zu
wenig Informationen über den Ablauf und die Vorbereitung erhielten. Sie betonen, wie wichtig eine verständliche Aufklärung ist, damit sie ihre Vorstellungen und Wünsche anpassen
können. Daraus lässt sich ableiten, dass zu einer bedürfnisorientierten Betreuung fundierte
Informationen gehören. Somit sind die Frauen gut vorbereitet, machen sich keine falsche
Vorstellungen. Sie können sich auf die neue Situation einlassen.
Sowohl Husslein & Egarter (2006, S. 676) als auch Enkin et al. (2006) besagen,
dass bei einer Geburtseinleitung mit unreifer Zervix die Wehentätigkeit keine ausreichende
Wirkung auf die Eröffnung des MM hat. Somit müssen mit mehr Komplikationen wie höhere
Rate von Zervixdystokien, protrahierten Geburten und mütterlicher Erschöpfung sowie fetalem Distress gerechnet werden. Wird die Wehentätigkeit ohne Zervixreifung forciert, kann
dies zu einer frustranen Einleitung, zu protrahierten Geburtsverläufen und Erschöpfung der
Frauen führen (Enkin et al., 2006). Daraus lässt sich schliessen, dass das Erkennen des Zu10
Betreuung eingeleiteter Frauen
standes der Frauen und das Erheben des Zervixbefundes eine wichtige Aufgabe der Betreuungsperson ist, damit unerwünschte Situationen vermieden werden. Der Bishop-Score
gilt als bekanntes Beurteilungsmodell, um den Zervixbefund zu erheben (Enkin et al., 2006).
Dabei werden fünf Kriterien erhoben: Länge, Konsistenz und Lage der Portio, der Höhenstand des vorangehenden Kindsteil und die Öffnung des MM. Der Einsatz von PGE zur Geburtseinleitung hat sich bei unreifer Zervix als vorteilhaft und effektiv gezeigt und führt meist
innerhalb von 12 bis 24 Stunden zur vaginalen Geburt (Enkin et al., 2006).
Die AWMF (2008) hält die Wichtigkeit fest, dass jede Geburtseinleitung eine
individuelle und kritische Kosten – Nutzen – Analyse erfordert. Das Ziel der Einleitung soll
einerseits ein besseres perinatales Ergebnis für Mutter und Kind sein, und andererseits zur
Verbesserung des Bishop-Scores, die zur Geburt führenden Wehen und Erreichen einer
vaginalen Geburt, führen. Einige Punkte, die sie bezüglich Vorgehen nennt, sind:
a) Anamneseerhebung, b) sonographische Untersuchung wegen der Kindseinstellung,
c) Einleitungsmethode in Abhängigkeit des Bishop-Scores (unreifer Befund < 6, reifer Befund
≥ 6) und d) Aufklärungsgespräch mit den Frauen sowie deren Dokumentation. Bei einem
Misslingen der Einleitung soll nach erneuter Überprüfung der Indikation eine neue
Therapieart gewählt werden.
4.2
Prostaglandine zur Geburtseinleitung am Termin
In den letzten Wochen der Schwangerschaft beginnen sich Mutter und Kind für die Geburt
vorzubereiten (Amis, 2004). Amis hält fest, dass für diesen physiologischen Geburtsvorgang
viele mechanische und hormonelle Faktoren zusammen spielen müssen. Während das Kind
tiefer ins Becken eintritt, verändert der Zervixkanal seine Position und beginnt sich langsam
zu erweichen (Amis, 2004). Dabei spielen u.a. die Prostaglandine (PGE) und Östrogene eine
wichtige Rolle (Pildner von Steinburg & Lengyel, 2006, S. 450). PGE beeinflussen die uterine
Muskelaktivität sowie die Zervixreifung, weshalb sie häufig zur Geburtseinleitung eingesetzt
werden.
Zur Geburtseinleitung legen Husslein und Egarter (2006, S. 672-681) dar, dass
das PGE ein Gewebshormon ist und im Körper in der Dezidua, den Eihäuten und der Zervix
vorhanden ist. Das in der Geburtshilfe eingesetzte PGE Dinoproston (Propess®) entspricht
dem körpereigenen Prostaglandine PGE2. In der Geburtshilfe werden auch synthetische
Prostaglandine PGE1 eingesetzt wie das Misoprostol (Cytotec®). Das letztere gilt als „OffLabel-Use“ Medikament. Die PGE können oral; vaginal als Gel, Tablette oder Insert; als Gel
intrazervikal oder intravenös verabreicht werden. Die meist genannten Risiken sind uterine
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Betreuung eingeleiteter Frauen
Hyperstimulation mit und ohne Alteration der kindlichen Herzfrequenz, Übelkeit sowie
Erbrechen.
Die Empfehlung zur Geburtseinleitung von NICE (2008) ist wie folgt: Die bevorzugte Methode zur Geburtseinleitung ist PGE2. Es sollte als Gel, Tablette oder als Insert mit
Rückholband vaginal angewendet werden. Die Anwendungsempfehlung lautet: Abhängig
vom Zervixbefund wird die Medikamentendosis bestimmt und als Gel oder Tablette appliziert
und bei insuffizienten Kontraktionen nach sechs Stunden wiederholt. Beim Vaginalinsert hält
eine Dosis über 24 Stunden. Der Vorteil beim Vaginalinsert gegenüber Tablette oder Gel ist,
dass es bei Hyperstimulation, fetalem Distress oder Einsetzen der Wehen entfernt werden
kann. Frauen sollen von den Fachpersonen auf das Risiko von Hyperstimulation des Uterus
aufmerksam gemacht werden. Die Einleitung mit PGE2 soll am Morgen erfolgen, da eine
grössere mütterliche Zufriedenheit beschrieben wird.
PGE1 verglichen mit PGE2 ist effektiver in Bezug auf eine vaginale Geburt innerhalb von 24h.
Misoprostol zeigt aber ein höheres Risiko von Hyperstimulation und mekoniumhaltigem
Fruchtwasser. Ein Review von der WHO (2000), fand nicht genug Studien, um die Evidenz
und die Sicherheit von Misoprostol zu belegen. Darum gibt NICE (2008) die Empfehlung,
Misoprostol nur zur Einleitung bei einem intrauterinen Fruchttod anzuwenden.
Wird die Einleitung aus medizinischen Gründen gemacht, empfiehlt die AWMF (2008) die
Frauen stationär aufzunehmen, da der Wirkungseintritt nicht vorauszusehen ist und die entsprechenden Überwachungsmassnahmen nicht zeitgerecht durchgeführt werden können.
Durch
die
Einleitung
mit
vaginaler
Applikation
von
PGE
soll
eine
Zervixvorbehandlung, ein Priming, erreicht werden. Das PGE hat die Wirkung den Reifungsprozess der Zervix zu stimulieren und eine Zervixerweichung und -verkürzung zu erreichen
(Husslein und Egarter, 2006, S. 672-681). Die Zervix besteht vorwiegend aus Bindegewebe,
zusammengesetzt aus Elastin und Kollagenfasern, glatter Muskulatur und Fibroblasten in
Verbindung mit Blutgefässen, Epithel und schleimabsondernden Drüsen (Coad & Dunstall,
2007, S. 357-358). Sie dokumentieren, dass die Verkürzung und Eröffnung des Zervixkanals
bei Nullipara und Multipara unterschiedliche Vorgänge zeigen. Die Autoren erklären sie wie
folgt: bei der Nullipara beginnt die Eröffnung am inneren MM und verläuft Richtung äusserem
MM. Gleichzeitig zieht sich die glatte Muskulatur zusammen und bewirkt eine Verkürzung
des Zervixkanals. Bei Multipara geschieht die Eröffnung von innerem und äusserem MM
gleichzeitig. Das PGE bewirkt zudem eine künstliche Wehentätigkeit, fördert eine Zunahme
der Kontraktilität des Uterus, sowie die Wehenentstehung und deren Vermehrung. Enkin et
al. (2006) dokumentieren, dass eine vaginale Prostaglandinegabe zur Reifung der Zervix einen rascheren Geburtseintritt bewirkt als bei oraler Verabreichung. Sie erwähnen einerseits,
dass mögliche Gefahren der forcierten Zervixreifung die Hyperstimulation des Uterus und
das normabweichende fetale Herztonmuster sein können, andererseits zeigt es keine
12
Betreuung eingeleiteter Frauen
Inzidenz von erhöhter Sectiorate oder vaginal operativen Geburtsbeendigungen. Kindliche
Outcomes konnten nicht dargelegt werden. Als weitere unerwünschte Reaktionen mit
Prostaglandineinleitung werden laut den Autoren häufig gastrointestinale Beschwerden wie
Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoe bei der Frau beobachtet.
In der Studie von Gatward et al., (2009) halten die Frauen fest, dass der Zeitpunkt
der Einleitung durch klinische Richtlinien definiert ist und den Frauen auferlegt wird. Die
Frauen erhalten das Gefühl, dass ihr Körper gescheitert ist und dass etwas mit ihrem Körper
nicht stimmt. Einerseits ruft das Angst und Zweifel hervor, dass nicht alles gut kommt und
anderseits hoffen sie, dass ihr Körper soweit bereit ist, dass nur eine Dosis Prostaglandine
nötig ist, um ihren Körper in Gang zu setzen. Sie erwarten eine schnelle Geburtsbeendigung.
4.3
Latenzphase
In Mändle (2007, S. 322) wird bei der regelrechten Geburt der Geburtsverlauf in drei Perioden eingeteilt: Eröffnungs-, Austreibungs- und Plazentarperiode. Die Eröffnungsperiode wird
wiederum in die Latenzphase und die Aktivphase unterteilt.
Für die vorliegende Arbeit ist die Latenzphase relevant und wird deshalb genauer erläutert.
Die Geburtseinleitung mit Prostaglandinen hat das Ziel, die Frauen in die Latenzphase und
weiter zum Geburtsbeginn zu bringen. Es soll aufgezeigt werden, was die Literatur bezüglich
Betreuung und Begleitung in der Latenzphase festhält.
Aus Fachliteratur und Studien ist zu entnehmen, dass es keine einheitliche Definition der
Latenzphase und deren Dauer gibt. Zusammenfassend lässt sich aber ableiten, dass der
Geburtsbeginn der Beginn von Kontraktionen, Zervixveränderungen und Muttermundseröffnung umfasst.
Die:NICE (2008) definiert die Latenzphase als die Zeitperiode mit schmerzhaften
Kontraktionen, mit einer Zervixveränderung von Zervixverkürzung bis -verstreichung und
Muttermundseröffnung bis zu 4 cm. Nachher folgt die Aktivphase mit regelmässigen,
schmerzhaften Kontraktionen und progressiver Muttermundseröffnung grösser als 4 cm.
Mändle (2007, S. 322) definiert die Latenzphase von Wehenbeginn bis zu einer
Muttermundseröffnung von 2-3 cm. Die Latenzphase nimmt im Geburtsverlauf die meiste
Zeit der Eröffnungsperiode in Anspruch. Bei einer Erstgebärenden kann sie durchaus 8-10
Stunden dauern (Mändle, 2007, S. 322).
In einem Artikel von Greulich & Tarrant (2007) über Diagnose und Management der Latenzphase wird dargelegt, dass die Latenzphase als schwer zu definieren und die Dauer
schwer zu messen ist. Die Latenzphase deckt die Dauer ab, in der sich die Kontraktionen
ausrichten und zu koordinieren beginnen. Die Zervix verändert sich, indem sich das Bindegewebe erweicht, sich verkürzt und eine Eröffnung des MM bewirkt. Dies kann eine lange
13
Betreuung eingeleiteter Frauen
Zeit in Anspruch nehmen, als sehr schmerzhaft empfunden werden und zu Erschöpfung,
Dehydratation und Angst führen.
Zum Schluss noch eine Illustration der Latenzphase einer freiberuflichen Hebamme für ihre
Klientinnen: „Der Körper ist wie ein Instrument, das vor dem grossen Orchesterfinale zuerst
gestimmt und beübt werden muss. Die Latenzphase ist wie die Übungszeit für das gelingende Schlusskonzert“ (Antener, zitiert durch Michel, 2003, S. 6).
Zur prolongierten Latenzphase schreiben Enkin et al. (2006), dass diese schwierig
zu definieren ist, weil die Dauer der Latenzphase individuell und dadurch verschieden ist. Sie
erörtern, dass sehr wenig über die Latenzphase bekannt ist, da diese von den meisten
Frauen zu Hause verbracht wird. Deshalb existieren wenig Studien, die das Phänomen der
Latenzphase erforscht haben. Weiter schreiben Enkin et al. (2006), dass übertriebener
Schmerzmittelverbrauch, Beruhigungsmittel oder eine unreife Zervix die Ursachen für eine
prolongierte Latenzphase sein können. Interventionen sind dann erforderlich, wenn mütterliche oder fetale Indikationen bestehen. Zudem auch bei Frauen, bei denen das Management
„Latenzphase zu Hause verbringen“ keinen Erfolg zeigt und darauf den Wunsch zur Einleitung äussern.
Greulich & Tarrant (2007) greifen für die Definition der prolongierten Latenzphase auf Daten
von Friedmann zurück. Friedmann (1983) definiert diese bei Nullipara > 20 Stunden und bei
einer Multipara > 14 Stunden. Wird von dieser Basis ausgegangen, sind etwa 5 – 6,5% der
Frauen betroffen.
Bei all den unterschiedlichen Aussagen und den verschiedenen Definitionen der
Forscher und Forscherinnen liegt die Vermutung nahe, dass für die Frauen die Latenzphase
eine sensible Zeit ist. Das Handling dieser Wehen ist für die Frauen sowie für die Hebammen
schwierig. In der Studie von Carlsson, Hallberg & Odberg Pettersson (2007) ist ersichtlich,
dass Frauen, welche bereits in der Latenzphase das Spital aufsuchen froh sind, Verantwortung übergeben und Entscheidungen gemeinsam treffen zu können. Weiter belastet sie die
Unsicherheit, die richtigen Wehen und den richtige Zeitpunkt des Geburtsbeginns zu erkennen. Gross et al., zitiert in Michel (2007) beschreiben, wie vielfältig der Geburtsbeginn von
den Frauen wahrgenommen und diagnostiziert wird. Weniger als 60 Prozent der Frauen erleben Wehen als Auslöser ihrer Geburt. Weitere Auslöser, welche Frauen wahrnehmen, sind
Blasensprung (28%), andauernder Schmerz (24%), Abgang von Blut (16%), gastrointestinale
Symptome (6%), Gefühlsunruhe(6%) und veränderte Schlafmuster (4%) als Geburtsbeginn.
Abgeleitet von dieser Erhebung, wird empfohlen, dass das Betreuungspersonal als Massstab
zur Festlegung des Geburtsbeginns sich eher nach erkannten Signalen der Frauen erkundigen, statt den Geburtsbeginn als regelmässige Kontraktionen zu definieren.
Greulich & Tarrant (2007) fassen die Latenzphase wie folgt zusammen: der Start erfolgt mit
mütterlichen Wahrnehmungen, nicht unbedingt mit regelmässigen Kontraktionen, begleitet
14
Betreuung eingeleiteter Frauen
durch langsame Eröffnung des MM, die meist mit 3-5 cm endet. Die Autorinnen sehen die
Wichtigkeit eher darin, dass die Fachpersonen erkennen, wann die Frauen noch nicht in der
Aktivphase sind, um unnötige Interventionen wie Oxitocingabe oder operative Geburtsbeendigung zu vermeiden. In zwei grossen Cohort-Studien, welche Greulich & Tarrant (2007) für
die Recherche verwendeten, haben sie die Outcomes der Geburt bei Frauen bei Eintritt mit
Zervixdilatation ˂ 4 cm und ≥ 4 cm verglichen. Darin wurde aufgezeigt, dass Frauen, die mit
Zervixdilatation ˂ 4 cm in den Gebärsaal zugelassen wurden, eine signifikant höhere
Sectiorate hatten und der Verbrauch von Oxitocin, PDA’s und anderen geburtshilflichen Interventionen höher waren. Die Forscher und Forscherinnen stellten sich die Frage, ob die
höhere Interventionsrate in der Latenzphase durch von Natur aus ineffiziente Wehen, oder
das frühe in Kontakt kommen mit dem medizinischen System, verursacht werden.
Die Frauen aus der Studie von Carlsson et al. (2007) nannten als Schwierigkeiten
den Umgang mit Schmerzen, die Dauer und den langsamen Fortschritt bezogen auf die Latenzphase bis zum Geburtsbeginn. Im Artikel von Austin & Calderon (2003) wird festgehalten, dass es für Hebammen eine Herausforderung ist, Frauen in der Latenzphase zu betreuen, damit diese Phase und der Geburtsbeginn nicht als frustrierende Erfahrung endet.
Sie empfehlen eine umfassende Beurteilung mit einer sorgfältigen Anamnese zum Ausschluss von Risikofaktoren, sowie Erkennen und Erheben des psychosozialen Status der
Schwangeren. Ein breites Angebot zur Unterstützung der Entspannung (warmes Bad, Dusche, Positionswechsel, Bewegungsfreiheit, Musik hören) sowie die Aufklärung über die
Charakteristika der Latenzphase erleichtern diese Phase zusätzlich.
Für die Praxis lässt sich ableiten, dass es für die Betreuungspersonen wichtig ist,
Gespräche mit den eingeleiteten Frauen zu führen. Ihre Vorstellungen der Geburt zu erfragen, um herauszufinden wie sie im Alltag den Umgang mit Schmerzen meistern oder wie sie
die letzte Geburt erlebt haben. Gespräche führen zu einem besseren Kennenlernen der
Frauen und stellen eine Vertrauensbasis für eine gute Kooperation zwischen Hebamme und
Frau während der Geburt her. Weiter ermöglichen die Informationen eine ganzheitliche Betreuung, damit die eingeleiteten Frauen sich wohlfühlen und die Betreuungsperson eine Unterstützung bieten kann, welche den Frauen in der Latenzphase eine Entspannung ermöglicht.
4.4
Geburtsschmerz
Nach Schmid (2005) sind physiologische Abläufe im Körper nicht schmerzhaft. Treten
Schmerzen an Organen auf, dienen sie als Warnsignale, um auf eine Krankheit oder
Verletzung aufmerksam zu machen. Die heutige Medizin hat das Ziel, die Krankheit oder
15
Betreuung eingeleiteter Frauen
Verletzung mit Medikamenten zu heilen und somit die Schmerzen zu eliminieren. Die Geburt
gilt auch als physiologischer Ablauf, wobei es dort nicht darum geht, die Schmerzen zu
bekämpfen, sondern den Umgang mit den Schmerzen zu finden und deren Auswirkung zu
nutzen. Als wesentlicher Unterschied zu den anderen Arten von Schmerzen, ist der
Geburtsschmerz ein intermittierender Schmerz mit individueller Dynamik, angepasst an
Bedürfnissen von Mutter und Kind. Ausserdem liegt in diesen Wehenrhythmen das grosse
Geheimnis der natürlichen Geburt.
Schmid (2005) beschreibt, dass die ersten Wehen durch mütterliche und plazentare Hormonveränderung und aktive Kindsbewegung verursacht werden. Dadurch wird die
Produktion von Oxitocin angeregt, die für das Auslösen der unregelmässigen Wehentätigkeit
in der Latenzphase verantwortlich ist. Durch Bindegewebsveränderungen an der Zervix und
bei der Muttermundseröffnung können viszerale Schmerzen entstehen. Dieser Schmerzreiz
stimuliert
die Oxitocinausschüttung
und führt
zu koordinierter
und
regelmässiger
Wehentätigkeit. Es entsteht ein Rhythmus aus einem Zusammenspiel von intermittierendem
Schmerz und Oxitocinausschüttung. Diese intermittierende Reaktion führt wiederum zu erhöhter Oxitocinproduktion und gleichzeitig zur Bildung von Endorphinen. Die Produktion von
Endorphinen ist ein weiterer wichtiger Faktor für die Verarbeitung des Schmerzes. Es sind
körpereigene Opiate, die die Schmerzempfindung vermindern. Dieses Hormon versetzt
zudem die Frauen in eine gewisse Trance und lässt sie in ein verändertes Bewusstsein
entschwinden. Die Endorphine sind auch für die Trennung vom Kind notwendig, um es nach
der Geburt mit grosser Freude zu empfangen und sich in die Bindung mit dem Kind
einzulassen.
Die Wehen rufen bei den Frauen eine akute Stresssituation hervor und bewirken
damit eine Ausschüttung von Stresshormonen (Katecholamine). Damit die Frauen nicht in
chronischen Stress versetzt werden, ist das Funktionieren des Parasympathikus notwendig.
Dieser hilft den Frauen sich in den Wehenpausen zu entspannen und Ruhe zu finden. Der
Gegenspieler des Parasympathikus ist der Sympathikus und beide gehören zum vegetativen
Nervensystem und haben ihre Wichtigkeit bei der Geburt. Während der Parasympathikus für
Entspannung und Dehnung des unteren Uterinsegments verantwortlich ist, sorgt der Sympathikus für die Uteruskontraktion und die Kraft. Ist das Wechselspiel des vegetativen Nervensystem gestört, kann es zu ineffektiven Wehen, Dystokien von Uterus und Zervix sowie
zu Verspannung führen. Kommen die Frauen in einen Dauerstress, dann wird die körpereigene Oxitocinausschüttung gehemmt und der Geburtsfortschritt verzögert sich.
Wehen sind dynamische Prozesse und wechseln ihre Schmerzintensität im
Wehenverlauf (Conell-Prince, Evans, Hong, Shafer & Flood, 2008). In der Studie von Lally,
Murtagh, Macphail & Thomson (2008) wird der Geburtsschmerz als das schmerzhafteste
Ereignis dargestellt, welches eine Frau erfährt. Der Geburtsschmerz zeigt im Verlauf ver16
Betreuung eingeleiteter Frauen
schiedenste körperliche Muster. Das Schmerzempfinden ist sehr individuell und Frauen aus
der Studie von Lally et al. (2008) bekennen, dass der Geburtsschmerz anders als der Krankheitsschmerz ist. Zudem ist er für sie auch schwer zu beschreiben.
Im Artikel von Ernst (2003) wird der Schmerz in der Latenzphase bis zu einer
Muttermundseröffnung bis 4 cm als reissend und in der Aktivphase als krampfend, schneidend und scharf beschrieben. Der Schmerz entsteht durch Überdehnung und kleinste Risse
am MM, Dehnung des unteren Uterinsegments, Zerrung der Mutterbänder, Dehnung des
Beckenbodens und der Vulva, Druck auf Beckengelenke, Nervenkompression und Komprimierung der Blutgefässe im Uterus ausgelöst durch Kompression bei der Wehentätigkeit
(Ernst, 2003). Weiter erörtert er, dass der Schmerz durch psychische und physische Einflüsse verstärkt werden kann. Dabei können allgemeine Anspannung im Körper, fehlende
Bewegungsfreiheit, Angst und Unsicherheit, negative Erwartungshaltung gegenüber dem
Schmerz, eigene Schmerzerfahrungen, fehlender Kontakt zum Kind, fremde Umgebung,
fehlende menschliche Unterstützung, kulturelle Aspekte, Besorgnis um die Gesundheit des
Kindes und eine Fehleinstellung des Kindes eine Ursache sein, erwähnt der Autor. Im Gegenzug beschreibt der Autor folgende helfende Faktoren, die Schmerzen zu reduzieren:
Fähigkeit zur Entspannung, Bewegungsfreiheit, freie Verhaltensmöglichkeit, physiologische
Körperhaltungen, Vertrauen, Akzeptanz des Geburtsschmerzes, beruhigende und intime
Umgebung, Unterstützung durch eine Begleitperson, professionelle und einfühlsame
Begleitung durch die Hebamme und ein warmes Bad.
Daraus lässt sich ableiten, dass die Betreuungsperson den eingeleiteten Frauen in
der Latenzphase vermitteln soll, dass sie die Schmerzen zulassen können und dies als normalen und natürlichen Prozess ansehen und ihre eigenen Verarbeitungsstrategien nutzen
sollen. Die Betreuungsperson soll den Frauen eine intime Umgebung bieten, in der sich die
Frauen wohl fühlen und Ruhe finden können. In der Wehenpause sollen sich die Frauen entspannen, damit sie den Schmerz auf ein physiologisches Minimum reduzieren können. Die
Betreuungsperson soll versuchen Stressoren von den Frauen fern zu halten und Ängste der
Frauen zu minimieren, damit die Frauen ein positives Geburtserlebnis erfahren können (Lally
et al., 2008).
NICE (2008) empfiehlt den Betreuungspersonen: a) den Umgang mit Frauen in
den Wehen respektvoll zu gestalten, b) die Frauen sollen unter Kontrolle sein und mit
entscheiden können, c) die Wünsche und Erwartungen der Frauen sollen der Betreuungsperson bekannt sein, d) bei effektiven Wehen sollen die Frauen eine eins zu eins Betreuung
erhalten, e) sie sollen jederzeit nach Analgetika verlangen können, f) die Frauen sollen ermutigt werden, sich zu bewegen und die Position einzunehmen in welcher sie sich wohl fühlen,
um ihre eigene Coping Strategie nutzen zu können, g) Frauen sollen in der Anwendung von
17
Betreuung eingeleiteter Frauen
Atmungs- und Entspannungstechnik, Musik hören oder mit Massage unterstützt werden und
h) das Bad gilt als schmerzlindernd.
NICE (2008) besagt weiter, dass Wehen, welche durch Einleitung ausgelöst werden, schmerzvoller sind als spontane Wehen. Dies wiederum verzeichnet mehr PDA’s und
begleitete Geburtsbeendigungen. Die Frauen sollen wissen, dass für die Schmerzlinderung
verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen: a) Analgetika sollen wie verlangt angeboten werden, b) Geburtsbegleiter oder Geburtsbegleiterin (aussenstehende Person nach
eigener Wahl oder Fachperson) soll den Frauen Unterstützung geben und c) die Frauen
sollen ihre eigenen Coping-Strategien zur Schmerzbewältigung nutzen.
Das lässt die Vermutung bestärken, dass bei eingeleiteten Frauen die Betreuung noch anspruchsvoller ist und mit viel Feingefühl begleitet werden soll, damit die bereits in der Latenzphase hospitalisierten Frauen keine Stressoren erfahren. So kann sich der Geburtsverlauf positiv entwickeln.
4.5
Betreuung
Reaktionen von Frauen
Die Autorinnen Gatward et al. (2009) beschreiben, dass die Geburtseinleitung am Termin
von den Frauen als grosser Eingriff erlebt wird. Die Frauen halten fest, dass das Schwangerschaftsende von den Klinikrichtlinien bestimmt wird und ihnen die Einleitung auferlegt wird.
Dies verlangt ein Umdenken bezüglich ihren Erwartungen und ihren Vorstellungen eines
natürlichen Geburtsprozesses. Die Autorinnen halten fest, dass die Frauen vielfach Wünsche
und Vorstellungen haben und sich daraus ihren individuellen Geburtsplan bereits erstellt haben. Weiter äussern die Frauen, dass die Geburtseinleitung in eine bestimmte medizinische
Richtung läuft und die einzelnen Schritte bereits festgelegt sind, falls der Körper nicht so
reagiert wie er sollte. Von den Frauen verlangt dies ein Umdenken, um die neue Situation zu
akzeptieren. Weiter erfordert es die Bereitschaft ihre Erwartungen an die neue Situation zu
adaptieren. Die Frauen bemängeln in diesem Zusammenhang die fehlende Aufklärung über
den Einleitungsprozess. Sie befinden sich im Krankenhaus und warten bis der Körper auf
das verabreichte Medikament reagiert und hoffen auf einen baldigen Geburtsbeginn. Sie
sehnen sich auf den Moment, indem sie ihr Kind in den Arm nehmen können.
Setzen dann die ersten unregelmässigen und schmerzhaften Kontraktionen ein, sind sie
voller Hoffnung, dass sie die Bestätigung erhalten, dass die Geburt begonnen hat. Dieser
Hoffnung gegenüber steht die Theorie von Carlsson et al. (2007), dass die Dauer der Latenzphase, bis zum Einsetzen von regelmässigen, zervixwirksamen Kontraktionen, oft ein
18
Betreuung eingeleiteter Frauen
langsamer Prozess mit kleinen Fortschritten sowie variierend in den Schmerzlevel ist. Weiter
besagen sie, dass diese Phase als empfindlich und störanfällig durch äussere Einflüsse ist.
Betreuungspersonen
Enkin et al. (2006) nennen als zentralen Aspekt die Unterstützung durch eine
Betreuungsperson während des Gebärens. Die Frauen sollen zu keinem Zeitpunkt der
Geburt auf die zuständige Betreuungsperson verzichten müssen. Die Autoren nennen als
Unterstützung physikalische Massnahmen, die das Wohlbefinden der Frauen abdecken und
auf die Wünsche und Bedürfnisse der Frauen ausgerichtet sind. Ein weiterer Teil der
Betreuung umfasst die emotionale Unterstützung, welche Erklärungen, Lob und Ermutigung
beinhalten. Das Profil der Betreuungsperson beschreibt die WHO (2000) wie folgt: a) sie soll
eine professionelle Ausbildung haben, b) ein angemessenes Wissen der Hebammenkunst
besitzen, c) die Fähigkeit haben, Risikofaktoren und auftretende Komplikationen frühzeitig zu
erkennen und Lösungen anzuwenden, d) durch Beobachten den Zustand der Mutter und des
Feten feststellen und einordnen können und e) den Frauen Geduld und empathische
Einstellung entgegen bringen.
Die WHO (2000) zitiert aus RCT’s Klaus et al., (1986), Hodnett & Hosborn, (1989),
Hemminki, et al., (1990) und Hofmeyr et al., (1991): wenn immer möglich sei eine kontinuierliche Betreuung anzustreben. Sie beschreiben viele Vorteile der kontinuierlichen und empathischen Betreuung wie kürzere Geburtsdauer, signifikant niedriger Bedarf an Medikamenten
und PDA’s, reduzierte Häufigkeit von Apgar Scores unter 7 und reduzierte Häufigkeit von
operativen Geburtsbeendigungen. Weiter beschreibt die WHO (2000), falls die kontinuierliche Betreuung nicht möglich ist, soll die Kontinuität durch ein einheitliches Betreuungssystem gewährleitstet werden. Dies wiederum setzt eine funktionierende interdisziplinäre Zusammenarbeit (IZA) voraus. Respektvolle Zusammenarbeit sorgt für eine qualitativ hochstehende Rund-um-Versorgung der Frauen. Weiter braucht diese Zusammenarbeit klare Absprachen und eine feste Zuteilung der einzelnen Arbeitsgebiete (Schwarz, 2008).
Austin & Calderon (2003) dokumentieren, dass alle Hebammen die grosse Herausforderung kennen, Frauen in der Latenzphase zu betreuen. Oft resultiert eine frustrierende Erfahrung für alle Beteiligten wegen stundenlangen, schmerzhaften Wehen und minimalem Geburtsfortschritt. Daraus lässt sich ableiten, dass noch grössere Erwartungen an die
Hebamme gestellt werden, die Frauen individuell und bedürfnisorientiert zu begleiten, wenn
die Latenzphase durch eine Prostaglandineinleitung initiiert wird.
Betreuungskonzept
Die WHO (2000) hat ein Betreuungskonzept entwickelt, welches die normale physiologische
Geburt unterstützen soll. Das Ziel der Betreuung ist den Frauen und den Kindern eine nor19
Betreuung eingeleiteter Frauen
male Geburt zu ermöglichen, möglichst einen natürlichen Geburtsverlauf zu leiten und nur
notwendige Interventionen anzuwenden, wenn es die Sicherheit verlangt. Weiter beschreibt
die WHO (2000) generelle Aspekte, die bei einer normalen Geburt berücksichtigt werden
sollen. Das psychische und physische mütterliche Wohlbefinden soll im Mittelpunkt stehen.
Daraus beschreiben sie zwei Betreuungsformen.
Die emotionale Ebene, in der die Frauen gelobt und bestätigt werden, fundierte und verständliche Informationen erhalten, um Eigenverantwortung und Entscheidungen übernehmen
zu können. Das psychische Wohlbefinden soll durch Wahrung der Intimsphäre und Wahl der
eigenen Begleitperson gesteigert werden. Die Anwesenheit überflüssiger Personen bei dem
Geburtsprozess soll vermieden werden. Das Vertrauen soll durch eine tragende Kommunikation zwischen Frau und Betreuungsperson angestrebt werden.
Die körperliche Ebene, welche das Beobachten und Dokumentieren des körperlichen Wohlbefindens beinhaltet, gehören das Erfassen der Vitalzeichen und das Erheben von
Schmerzäusserungen mit der Visuellen Analogskala (VAS) dazu. Die bedürfnisorientierte
Unterstützung durch Berührungen, Kreuzbeinmassage, durch das Motivieren zu Positionswechsel und Bewegung sollen gewährleistet werden. Weiter sollen den Frauen auch negative Einflüsse, wie z. Bsp. die Rückenlage, aufzeigt werden.
Betreuungsmodell
Jean Ball (Bryar, 2003) hat ein Betreuungsmodell (Liegestuhlmodell) erarbeitet, um eine individualisiertes Vorgehen bei der Betreuung angehen zu können. Dieses Modell soll die Frau
mit ihren Ressourcen ganzheitlich erfassen und Unterstützung des Wohlbefindens bieten
sowie Halt und Rückhalt geben. Dieses Modell besteht aus drei Stützen: der Persönlichkeit
der Frau, der sozialen Situation und der bestehenden Infrastruktur sowie den Fachkräften.
Mit eingeschlossen sind auch Angst, Lebensereignisse der Frau, welche Jean Ball unter dem
Thema Wohlbefinden der Frau zusammenfasst. Alle Stützen müssen vorhanden sowie stark
genug sein, damit die Frau sich gestützt und wohl fühlen kann. Dieses Modell kann der
Hebamme helfen vorhandene Ressourcen der Frau zu nutzen und alle Bereiche in Kenntnis
zu bringen, worauf sie ihre Betreuung abzustützen kann.
20
Betreuung eingeleiteter Frauen
Abb. 1: Das Liegestuhlmodell von Jean Ball (zitiert nach Bryar, 2003, S. 183)
Es kann einen möglichen Ansatz bieten, um ein individualisiertes Vorgehen einer Betreuung anzugehen
Die erste Stütze des Modells, die Persönlichkeit der Frau, umfasst ihre Lebenserfahrung. Daraus können Ressourcen geschöpft werden. Es gilt bei ihr das Kohärenzgefühl
für die Einleitung der Geburt zu wecken, damit sie fähig ist, die Geburt mit einem positiven
Geburtserlebnis zu erfahren. Ihre Eigenverantwortung soll dadurch bestärkt werden, damit
sie fähig ist, mit zu entscheiden. Die positive Einstellung der Frau kann für die Einleitung eine
weitere positive Ressource sein. Damit die Frau die Einleitung mit ihren eigenen Ressourcen
bewältigen kann, soll die Hebamme ihre Bedürfnisse in der Latenzphase sondieren. In einem
Gespräch mit der eingeleiteten Frau lässt sich z. Bsp. herauskristallisieren: a) wie ihr Wissensstand über die Einleitung ist, b) wie sie mit Schmerzen umgeht, c) wie sie sich gerne bewegt, d) wie sie sich ablenken und entspannen kann, e) was für Erwartungen sie an die
Hebamme stellt und f) welche Vorstellungen sie über die Geburt hat.
Die zweite Stütze des Modells, der Partner sowie das familiäre und soziale Umfeld,
sind sehr hilfreich für die Frau. Der Rückhalt von der Familie bietet der Frau Entlastung und
Sicherheit. So kann z. Bsp. die Übernahme der Betreuung des ersten Kindes durch die Familie sehr hilfreich sein. Das Paar kann so in Ruhe im Spital sein. Die Gewissheit, dass das
Kind in guten Händen ist, sorgt beim Paar für Entspannung und lässt ihnen Zeit, die Latenzphase zu bewältigen. Dabei spielt der Partner beim Geburtsprozess eine wichtige Rolle. Die
Hebamme kann den Partner mit einbeziehen, ihm Informationen sowie Anleitung einer
Kreuzbeinmassage geben. Er wird dadurch ermutigt, eine aktive Rolle bei der Betreuung zu
übernehmen. Ausserdem vermittelt der Kontakt zum Kind durch Berühren des Bauches der
Frau Sicherheit. Enkin et al. (2006) zeigen auf, dass für die Frau während dem Geburtsprozess eine soziale Unterstützung nach eigener Wahl förderlich ist. Weiter führen sie aus,
dass diese Person zusätzlich emotionalen Unterstützung bieten, sowie für physikalische Betreuungsmassnahmen eingebunden werden soll. Hodnett et al. (2009) führen aus, wie wichtig es ist, dass kontinuierliche Betreuung während den Wehen die Norm sein sollte. Des
21
Betreuung eingeleiteter Frauen
weiteren erläutern sie, dass die wichtigsten Elemente einer kontinuierliche Betreuung, die
emotionale Unterstützung, die Informationsabgabe über den Geburtsprozess, die Empfehlung betreffend der Coping-Strategie, die entspannenden Massnahmen sowie die Möglichkeit ihre Wünsche zu äussern, sind.
Die dritte Stütze des Modells, als Boden bezeichnet, bildet die Betreuungsangebote rund um die Geburt. Sie beinhaltet die Infrastruktur sowie das Fachpersonal verschiedenster Berufsgruppen. Sowohl Hodnett et al. (2009) als auch Enkin et al. (2006) beschreiben, dass viele atmosphärische Faktoren einer Klinik, wie institutionelle Routine, Mangel an
Privatsphäre sowie nicht vertraute Begleitpersonen, Stress bei der Frau auslösen können.
Zusätzlich gelten auch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit als mögliche Stressoren.
Weiter dokumentieren die Autoren, dass technische Geräte, der medizinische Ablauf, sowie
unbekannte Betreuungspersonen weitere Ursachen für Angst, Schmerzen und Nervosität
sein können. All diese Faktoren können sich möglicherweise negativ auf den Geburtsfortschritt auswirken. Daraus lässt sich ableiten, dass eine kontinuierliche Betreuung, das
Schaffen von Vertrauen, die Aufklärung über spezifische Abläufe sehr wichtige Aufgaben der
Hebamme sind.
Nach Einleitung mit Prostraglandine kann es unter Umständen lange dauern bis sich ein positiver Wirkungseffekt im Geburtsfortschritt zeigt und die Frau bzw. das Paar dadurch viel
Zeit bis zur Geburtsbeendigung im Spital verbringt. Daraus lässt sich schliessen, dass eine
situationsangepasste Atmosphäre der Frau bzw. dem Paar gewährleistet sein sollte. Dies
sollte ein Raum sein, in welchem sie Ruhe findet, sich zurückziehen kann, ihre Intimsphäre
sicher gestellt ist und bei Wunsch der Partner die ganze Zeit bei ihr bleiben kann. Die infrastrukturellen Gegebenheiten sollten nebst den Bewegungsfreiheiten und Intimsphäre auch
schmerzlindernde oder wehenunterstützende Massnahmen ermöglichen. Als Beispiel sei die
Möglichkeit, ein warmes Bad zu nehmen, genannt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, wie wichtig das Zusammenspiel von kontinuierlichen
Betreuung, dem Fachwissen, der kommunikativen Kompetenz in der Beratung und die infrastrukturellen Gegebenheiten für die eingeleitete Frau in der Latenzphase sind, damit sie
bedürfnisorientiert unterstützt werden kann.
22
Betreuung eingeleiteter Frauen
5
METHODEN
In diesem Kapitel werden die Methoden beschrieben, wobei die Fachliteratur von Behrens &
Langer (2006) als Grundlage diente. Die Auswahl für das gewählte Thema wird erläutert. Zur
Erhebung der aktuellen Situation der Institution wurde ein Raster von Rycroft-Malone (2004)
verwendet und die Daten von der Homepage der Institution und aus der Erfahrung bezogen.
Die aktuelle Situation der Abteilung wurde mittels Interview erfragt. Weiter wird beschrieben,
wie das Vorgehen bei einer Implementierung eines Projektes stattfindet.
Veränderungen in der Praxis beinhalten nach Behrens & Langer (2006) drei Aufgaben. Erstens die Veränderung in der einzigartigen Beziehung zwischen einem individuellen Pflegebedürftigen und einer einzigartigen Gesundheitsfachperson, zweitens die Adaptation der
Arbeitsorganisation und drittens die Implementierung von Evidenz basierten Praxisprozessen
in der Organisation.
Die erste Aufgabe hat als Grundlage die interne Evidenz aus der einzigartigen Beziehung zwischen Gesundheitsprofessionellen und Pflegebedürftigen. Dies führt zur Frage
nach der externen Evidenz und Erfahrung Dritter. Wobei die Autoren die interne Evidenz als
Lehre der Zielklärung, Anamnese und Pflegediagnose definieren und die externe Evidenz die
Datenbanken über erwiesene Wirksamkeiten beinhalten (Behrens & Langer, 2006).
Auf diese Arbeit übertragen bedeutet das, dass auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung
als erstes beobachtet und erfragt wurde, was für aktuelle Themen bestehen. In Zusammenarbeit mit der Abteilung wurden zwei Themen bestimmt, welche zur Genehmigung eingereicht wurden. Anschliessend wurde für das genehmigte Thema Literatur gesucht, um eine
Vertiefung des Themas zu erreichen. Die Problembeschreibung wurde differenziert und mit
relevanter Theorie unterlegt.
Für die zweite Aufgabe, der Adaptation der Arbeitsorganisation, ist es nötig abzuklären, ob die Institution bereits der Evidenz basierten Praxis entspricht oder ob sie sich an
die verschiedenen Verfahren noch anpassen muss. Evidenz basierte Praxis bedeutet nach
Behrens & Langer (2006), dass alle Interventionen, die durch das Gesundheitspersonal an
Pflegeempfängern ausgeführt werden, wissenschaftlichem Wissen entsprechen oder dem
Wunsch des Pflegeempfängers entsprechen und im wissenschaftlichen Rahmen vertretbar
ist.
Um das für diese Praxis beurteilen zu können, wurde die aktuelle Situation nach RycroftMalone (2004) in der Praxis durch publizierte Daten der Institution und durch Interviews erhoben. Über die Homepage der Institution wurden Daten wie Gesundheitspolitik, Art der Institution, diagnostische und therapeutische Möglichkeiten und ökonomische Vorgaben abgerufen. Eine der Verfasserinnen dieser Arbeit absolvierte in dieser Institution zwei Praktika im
23
Betreuung eingeleiteter Frauen
Rahmen der Hebammenausbildung und arbeitete dort bereits davor mehrere Jahre. Das
Praktikum ermöglichte ihr den Zugang zum Intranet. Dort wurden aktuelle Informationen über
Leitbild, interne und externe Weiterbildungen, sowie interne Evidenz zugänglich gemacht.
Die langjährige Berufserfahrung in dieser Institution ermöglichte ihr Informationen zur Zufriedenheit des Personals, zur Betriebskultur und zum Leitungsstil einfliessen zu lassen. Die
spezifischen Daten zur Abteilung wurden durch den Arbeitsplan, im Gespräch mit der Stationsleitung und dem Team erfasst. Diese Daten und Informationen gaben Aufschluss über
Aufgaben, Zielsetzung, Organisation, Qualität sowie Gesundheitsförderung dieser Institution.
Diese Daten dienten zur Vervollständigung der Erfassung der aktuellen Situation in der Praxis. Zusammen mit den Daten aus den Interviews soll eine Einschätzung bezüglich der Bereitschaft zur Projektumsetzung ermöglicht werden.
Es wurde ein Interview (siehe Anhang 11.2) entwickelt das einerseits der Erhebung
der aktuellen Situation in der Praxis diente und andererseits die Haltung und die Erfahrung
der Betreuungspersonen zu diesem Thema erfragte. Weiter sollte die Befragung bewirken,
dass die Mitarbeitenden auf dieses Thema sensibilisiert, ihr Interesse geweckt und die Bereitschaft gefördert wird an diesem Implementierungsprojekt mitzuarbeiten. Diese Art der
Datenerhebung wurde gewählt, weil der direkte Kontakt zwischen den Verfassenden dieser
Arbeit und den befragten Personen in der Praxis von Vorteil ist. Dies bot die Möglichkeit bei
unklaren Antworten Rückfragen zu stellen. Ein weiterer Vorteil des Interviews war der direkter Austausch von Wissen zu diesem Thema.
Die Auswahl der Fragen wurde aus der Literatur im theoretischen Teil dieser Arbeit
abgeleitet. Drei Fragen sollten Aufschluss geben über das Vorgehen der Fachpersonen in
der Betreuung eingeleiteter Frauen. Über dieses Vorgehen besteht ein Standard auf der
Pränatal- und Wochenbettabteilung. Diese Fragen sollten klären, ob dieser Standard genutzt
wird. Acht Fragen sollten die Erfahrungen der Betreuungspersonen zu diesem Thema wiederspiegeln und die von ihnen angewendeten Massnahmen erheben. NICE (2008) hält fest,
dass man die Bedürfnisse der Frauen und wie sie mit Schmerzen umgehen in Erfahrung
bringt, damit sie optimal und individuell betreut werden können. Ein warmes Bad wird als
schmerzreduzierend beschrieben. Die NICE (2008) empfiehlt professionelle Informationen
den Frauen abzugeben und sie darüber aufzuklären, dass durch die Einleitung Wehen hervorgerufen werden können, welche schmerzvoller empfunden werden können als spontane
Wehen. Studien, welche in Enkin et al. (2006) zitiert werden, beschreiben, dass kontinuierliche Betreuung eine grosse Bedeutung bei den Frauen hat. Sie brauchen während des Gebärens weniger Analgetika oder Anästhesien und auch medizinische Interventionen sind
seltener (Enkin et al., 2006). Mit zwei Fragen wurden die infrastrukturellen Möglichkeiten angesprochen. In Enkin et al. (2006) sowie im Review von Hodnett, Gates, Hofmeyr & Sakala
(2009) steht, dass eine familiäre Atmosphäre und die Wahrung der Intimsphäre eine tiefere
24
Betreuung eingeleiteter Frauen
Interventionsrate bewirken sowie den Geburtsfortschritt positiv beeinflussen. Zudem wurden
zwei Fragen zur interdisziplinären Zusammenarbeit gestellt, um zu erfassen, ob dort Veränderungsbedarf besteht. Schwarz (2008) gibt an, dass eine respektvolle Zusammenarbeit
eine qualitativ hochstehende Rund-um-Versorgung der Frauen bewirkt. Demografische Daten werden erhoben um vergleichende Angaben, zu den mittels Interview erhobenen Daten,
machen zu können.
Die Interviews wurden von den Verfasserinnen dieser Bachelor-Thesis an zwei Tagen im betreffenden Spital geführt. Befragt wurden die Stationsleitung und die diplomierten
Betreuungspersonen verschiedener Berufsgruppen der Pränatal- und Wochenbettabteilung.
Da es auch die Zusammenarbeit mit der Gebärabteilung und dem ärztlichen Dienst betrifft,
wurden die Stationsleitung und Hebammen der Gebärabteilung sowie Ärzte und Ärztinnen
befragt. Mit den Stationsleitungen und der Pflegeexpertin wurden die Termine zur Befragung
festgelegt. Dies, weil sie grossen Einfluss und eine Mitsprache bei der Projektplanung haben
sowie zusätzlich Informationen zu Set und Setting geben können. Um das Resultat der Befragung durch Absprachen nicht zu beeinflussen und einen allgemein breiten Eindruck zu
erhalten, wurden die Betreuungspersonen auf den Abteilungen zufällig, je nach Anwesenheit
pro Schicht, ausgewählt. Die Interviewten wurden zu Beginn der Befragung über Sinn und
Zweck informiert und die Vertraulichkeit der Daten zugesichert.
Die erhobenen Daten wurden anschliessend qualitativ und quantitativ ausgewertet. Die
quantitativen Daten wurden ausgewertet, analysiert und zum Teil graphisch dargestellt. Die
Fragebogen wurden alphabetisch nummeriert. Die Antworten der qualitativ erhobenen Daten
wurden zu jeder Frage in einer Tabelle aufgelistet (Mayring, 2003). Für deren Zusammenfassung wurden pro Frage Kategorien gebildet (siehe Anhang 11.3). Die Aussagen konnten
so zugeordnet sowie quantifiziert werden und erleichterten so das Analysieren. Die Ergebnisse aus den quantitativen und qualitativen Analysen wurden mit der Evidenz im theoretischen Teil verglichen. Aus diesem Vergleich leiteten sich dann die Diskussion und die
Schussfolgerungen für diese Arbeit und die Massnahmen für das Praxisprojekt ab. Alle Daten werden vertraulich behandelt. Es erscheinen keine Namen, weder von der Institution,
noch von den Interviewpersonen.
In Behrens & Langer (2006) wird das Konzept von Kitson et al. (1998) erläutert. Dieses erklärt, dass eine erfolgreiche Implementierung von der externen Evidenz und drei dazugehörigen, unabhängig voneinander zu erhebenden Faktoren abhängen: a) die Güte der Evidenz,
b) der Organisationskontext in dem eine Evidenz basierte Praxis eingeführt werden soll und
c) die Güte der "Facilitatoren", welche Gesundheitspersonen unterstützen, ihre Arbeitsgewohnheiten und Arbeitseinstellungen zu ändern.
25
Betreuung eingeleiteter Frauen
Ein Vorteil einer solchen Modellierung mit mehreren voneinander unabhängigen
Dimensionen besteht darin, dass jede einzelne Dimension für sich gemessen werden und
sich entwickeln kann. Es sollte selbstverständlich sein, dass die einzuführende Empfehlung
auf Evidenz beruht. Weiter sind wichtige Faktoren wie Facilitatoren und organisationelle
Kontexte zu diskutieren. Facilitatoren können in Einzelpersonen und Gruppen unterteilt werden. Erstere können Promoter oder Promoterin (Mitglied im Pflegeteam), Prozessbegleiter
oder Prozessbegleiterin (Begleitet Prozesse für die gesamte Institution, nach Bedarf in verschiedenen Bereichen), Pflegeexperte oder Pflegeexpertin (für die Qualität der Pflege in der
gesamten Institution verantwortlich, meist ein Spezialist oder Spezialistin für eine Evidenz
basierte Praxis) oder Lehrpersonen (enger Kontakt zu Ausbildungseinrichtungen) sein. Bei
den Gruppen können vorher genannte Einzelpersonen aktiv werden. Als Gruppen zählen
Qualitätszirkel (Problem analysieren und Lösungen erarbeiten), Ausbildung allgemein
(Grundstein für die spätere berufliche Praxis), POL (problemorientiertes Lernen), Arbeitsgemeinschaft Pflegeforschung (Treffpunkt von Pflegenden von verschiedenen Stationen um
Probleme aus der Praxis zusammenzutragen), Journal Club (Vorstellen von Forschungsarbeiten aus Fachzeitschriften, Studien kritisch beurteilen).
Um ein Implementierungsprojekt zu initiieren wäre eine Pflegeexpertin als Projektleiterin ideal. Dies hat zum Vorteil, dass sie erstens Mitglied im Pflegeteam ist und somit direkten Bezug zur Praxis und zum Team hat. Dies bedeutet, dass Änderungen vom Team
leichter akzeptiert werden. Zweitens hat sie durch ihre Ausbildung zur Pflegeexpertin Kenntnisse vom wissenschaftlichen Arbeiten und die Erfahrung, Projekte zu implementieren. Drittens fungiert sie als Bindeglied zur gesamten Institution. Als weitere Facilitatoren werden
zusätzlich zwei Mitarbeiterinnen aus dem Team ausgewählt, welche an der Umsetzung der
Implementierung Interesse zeigen. Sie sollten folgende Voraussetzungen aufweisen: Loyalität, Zuverlässigkeit, Motivation und Führungsqualitäten. Ein weiteres Kriterium ist ein Arbeitspensum von mindestens 80 % auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung. Das hohe
Arbeitspensum garantiert eine fast tägliche Anwesenheit von mindestens einer Projektverantwortlichen, welche als Ansprechperson für Fragen und Unklarheiten dient. Ihre Aufgabe
ist es zudem als Bindeglied zwischen Projektleiterin und Team zu amten.
Die Aufgabe der Projektverantwortlichen beinhaltet das Überprüfen des Projektplanes, ob dessen Umsetzung möglich ist und wenn nötig dessen Anpassung. Weiter sind
sie verantwortlich alle involvierten Personen über das Projekt zu informieren und alle Sitzungen zu protokollieren. Zudem sind sie zuständig für die Durchführung der Evaluationen sowie
für den kontinuierlichen Informationsfluss zu allen beteiligten Personen. Sie sind Ansprechpersonen für Mitarbeitende, um deren Anregungen, Fragen und Unklarheiten aufzunehmen
und zu klären. Eine wichtige Aufgabe der Projektverantwortlichen besteht darin, den
26
Betreuung eingeleiteter Frauen
Projektbeteiligten ein positives Feedback zu geben, ihnen erreichte Teilziele aufzuzeigen, sie
zum Weitermachen zu motivieren und ihnen die Ziele des Projekts erläutern.
6
ERGEBNISSE
In diesem Kapitel werden die Institution, sowie die aktuelle Situation der Pränatal- und
Wochenbettabteilung zusammenfassend beschrieben. Die Auswertung der Interviews wird
nach Hauptkategorien und Unterkategorien aufgeführt und erläutert. Anschliessend wird die
aktuelle Situation, welche sich aus der Beschreibung von Setting, Set und den Ergebnissen
der Interviews zusammensetzt mit der Evidenz der Literatur verglichen. Die Ergebnisse aus
diesem Vergleich bieten die Grundlage für die Diskussion. Daraus lassen sich Konsequenzen und Massnahmen zur Veränderung der Praxis ableiten, welche hier erörtert werden.
6.1
Beschreibung der aktuellen Situation
Setting
Bei der Institution, für die ein Projekt zur Implementierung geplant werden soll, handelt es
sich um ein Kantonsspital, welches 300`000 Einwohner und Einwohnerinnen versorgt. Es
betreibt 350 Betten und hat 700 Pflegemitarbeiter und Pflegemitarbeiterinnen. Das Spital hat
den Leistungsauftrag der erweiterten Grundversorgung und als diagnostische und therapeutische Möglichkeiten eine Notfallversorgung, eine Intensiv- und Überwachungsstation, eine
Intermediate Care, Chirurgie, Orthopädie, Medizin, Gynäkologie und Geburtshilfe, Dialyse,
Onkologie, eine Kinderklinik und Neonatologie.
Gesundheitspolitisch ist diese Institution zusammen mit anderen regionalen Institutionen des
Kantons in ein Gesundheitsnetz eingebettet, um durch Kooperation dem Wohle des Patienten zu dienen. Zudem werden mit dieser Vernetzung die hohe Anforderung der Gesundheitsversorgung garantiert sowie Versorgungssicherheit, Qualität und Wirtschaftlichkeit gewährleistet. Der Kanton übernimmt mit seinen Gesundheitsinstitutionen eine Pionierfunktion
zur Sicherung der zukünftigen Gesundheitsversorgung. Die privatrechtliche Institution ist
eine Aktiengesellschaft. Sie wird durch leistungsbezogene Fallpauschalen finanziert, welche
auf gesamtschweizerisch einheitlichen Strukturen beruhen.
Für 2012 ist die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) geplant. Im Leitbild der
Organisation wird beschrieben, dass das physische und psychische Wohlergehen der Pa27
Betreuung eingeleiteter Frauen
tienten und Patientinnen im Mittelpunkt steht. Die bestmögliche Behandlung, Betreuung und
Beratung soll ihnen zukommen. Grosses Engagement nach heute gültigen medizinischen,
pflegerischen und ökonomischen Grundsätzen, unter Berücksichtigung der ethischen Verantwortung, soll dies unterstützen.
Die Führungsverhältnisse und Organisationsabläufe sind einfach, übersichtlich und transparent.
Wesentliche
Teile
der
Qualität
werden
mit
Professionalität,
Effizienz
und
Wirtschaftlichkeit erreicht. Weiter beschreibt die Organisation in ihrem Leitbild, dass sie dem
Fortschritt und der Entwicklung verantwortungsbewusst gegenüberstehen. Offene Kommunikation und enge Zusammenarbeit, intern wie extern, helfen ebenfalls das Qualitätsniveau
zu halten. Daraus lässt sich ableiten, dass es sich um ein humanistisches Leitbild handelt.
Der Leitungsstil der Organisation ist durch eine klare Stellenverteilung definiert. Sie zeichnet
sich durch wirkungsvolle, interdisziplinäre Zusammenarbeit aus und bietet interne Aufstiegsmöglichkeiten für alle Berufsgruppen. Die Betriebskultur ist freundlich und wertschätzend. Die Zufriedenheit der Angestellten wird mittels Outcome-Messung erhoben.
Resultate konnten nicht in Erfahrung gebracht werden.
Aus- und Weiterbildung ist in dieser Institution ein wichtiges Thema. 175 Personen aus verschiedenen Berufsgruppen werden ausgebildet. Zusammen mit einem anderen regionalen
Spital wird eine Schule geführt (Jahresbericht 2009).
Statistiken zu Bettenbelegung, Personal und Zeitaufwand werden erfasst und auf der Homepage publiziert. Relevant für diese Arbeit ist die Geburtenzahl mit rund 1300 im Jahr 2009.
Weiter wird in dieser Statistik die Anzahl Geburtseinleitungen mit 221 im Jahr 2009 aufgeführt, wobei die Methoden, Indikationen und der Zeitpunkt der Einleitung nicht differenziert
werden.
Externe Bewertungen werden u.a. durch Patientenfragebogen erhoben. Die Institution ist
durch United Nations International Children’s Emergency Fund (UNICEF) als stillfreundliche
Klinik zertifiziert.
Set
Die Implementierung soll auf einer gemischten Pränatal- und Wochenbettstation durchgeführt werden. Die Station ist in zwei Gruppen (1 + 2) eingeteilt. Gruppe 1 ist eine reine
Wochenbettstation und Gruppe 2 ist die gemischte Station. Beide Seiten haben je fünf
Einzel- bzw. Zweierzimmer und vier Dreierzimmer. Davon stehen der Pränatalstation zwei
Einzel- bzw. Zweier- und zwei Dreierzimmer zur Verfügung. Die Station wird von einer Stationsleitung und deren Stellvertretung geführt. Insgesamt arbeiten dort 47 MA (inkl. hauswirtschaftliche MA und Lernende). Das diplomierte Team zählt 32 MA und weist folgende Berufsgruppen auf: Fünf Hebammen, 13 Pflegefachfrauen Diplomniveau II (DN II), 13 Kinderkrankenschwestern (KWS) und eine FAGE. Eine Stelle wird durch eine Pflegeexpertin HöFa
28
Betreuung eingeleiteter Frauen
II besetzt. Alle Hebammen und zwölf MA (vier DN II und acht KWS) sind der gemischten
Bettenstation zugeteilt.
14
12
10
8
Anzahl
Mitarbeitende
6
4
2
0
Pflegefachfrauen
Hebammen
Abb. 2: Verhältnis Pflegefachfrauen und Hebammen auf der gemischten Pränatal- und Wochenbettabteilung
Nach Angaben der Stationsleitung weist die Mehrheit der diplomierten Fachpersonen eine
Berufserfahrung von mehr als zehn Jahren auf. Für die Abteilung ist ein Assistenzarzt oder
eine Assistenzärztin im Turnussystem zuständig. Die Institution bietet ein grosses Spektrum
an internen und externen Fort- und Weiterbildungen an. Die Stationsleitung bestätigt, dass
das Angebot von den MA genutzt wird und dass auch Kurzfortbildungsbeiträge zu abteilungsspezifischen Themen an Teamsitzungen eingeplant werden. Sie beschreibt ihren
Leitungsstil als demokratisch. Die Stationsleitung ist offen für Veränderungen sowie Anpassungen. Sie bietet Unterstützung und hat die Fähigkeit das Team zu motivieren. Auch
vermerkt sie, dass das Einführen einer Veränderung oder einer neuen Massnahme sehr
einfach abläuft. Dies schreibt sie der allgemein guten Zusammenarbeit und Kommunikation,
sowie dem motivierten Team zu. Wichtig ist ihr auch eine gute interdisziplinäre
Zusammenarbeit mit dem Leitungskader, dem ärztlichen Team, dem Gebärsaal- sowie dem
Abteilungsteam. Die Stationsleitung beschreibt die IZA als sehr positiv und gut funktionierend
und begründet dies mit der offenen Kommunikation als auch der Vertrautheit durch
langjähriges Kennen und Zusammenarbeiten.
Während eines Praktikums auf dieser Station wurde ein direkter Einblick gewonnen und
festgestellt, dass die Stationsleitung keine feste Einteilung bei der Betreuung der hospitalisierten Frauen hat. Sie ist jedoch stets auf der Abteilung präsent und übernimmt bei grossem
Arbeitsanfall oder Engpässen einzelne Arbeiten wie z. Bsp. Eintritts- oder Austrittsgespräche
der Frauen. Dadurch ist auch der Austausch zwischen Leitung und Team über den aktuellen
Arbeitsanfall auf der Station gewährleistet. Das Arbeitsklima wurde als respektvoll, kollegial
und konstruktiv erlebt. Die Arbeitsbelastung variiert und ist abhängig von der Anzahl Frauen
auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung, sowie deren Selbstständigkeit und Mobilität.
Nach Angabe der Stationsleitung ist die Arbeitsbelastung sehr hoch. Auf Grund der höheren
29
Betreuung eingeleiteter Frauen
Geburtenzahl 2010 im Vergleich zur gleichen Zeitspanne von 2009 wurden zwei zusätzliche
Stellen bewilligt. Aktuell ist die Arbeitsbelastung nochmals gestiegen, da ein naheliegendes
Belegarztspital mit Geburten- und Wochenbettabteilung per sofort geschlossen wurde. Dies
führte zu Überstunden und verlangte Flexibilität und eine hohe Arbeitsbereitschaft der MA.
Die Arbeitsbelastung wird in jeder Schicht noch subjektiv erhoben. Regelmässige anonyme
MA Befragungen an der Frauenklinik zeigen eine kleine Fluktuation und eine grosse Zufriedenheit. Gefässe, wie Teamsitzungen, Fallbesprechungen und interdisziplinäre Teamsitzungen werden zu kritischen Reflexionen der Praxis genutzt. Weiter wird die Qualität auch durch
die retournierten Erhebungsbögen zur Zufriedenheit von hospitalisierten Frauen erfasst.
Diese gelangen zuerst an eine Ombudsstelle und anschliessend erhält die betreffende Station eine Kopie der Rückmeldungen. Diese werden gesammelt, ausgewertet und dem Team
wird ein Feedback gegeben. Ein grosser Teil der Rückmeldungen fällt sehr positiv aus. Diese
Evaluation wird sehr ernst genommen. Gehäufte Bemängelungen werden angegangen und
verbessert. Wenn eine Frau ein Nachgespräch wünscht, wird dies durch einen telefonischen
Rückruf durchgeführt.
Für wiederkehrende Handlungsabläufe stehen den MA ein Schemaordner mit Richtlinien und
Standards zu Verfügung. Passend zu dieser Arbeit besteht ein Standard: Einleitung mit
Prostaglandinen (PGE). Die relevanten Punkte werden kurz beschrieben: Die eingeleiteten
Frauen sollen nach PGE-Verabreichung eine Stunde liegen. Nach der ersten PGE-Gabe
erfolgen CTG-Kontrollen nach zwei sowie nach sechs Stunden. In der Zwischenzeit sollen
sich die Frauen im Spitalareal frei bewegen. Bei Unwohlsein, Kontraktionen oder Fruchtwasserabgang sollen sie sich bei der zuständigen Betreuungsperson melden. Zur Erleichterung der Wehentätigkeit sind alternative Massnahmen aufgelistet. CTG-Kontrollen werden
durchgeführt bei Wehenbeginn und wenn die Wehenintensität zu nimmt. Die Hebammen auf
der Abteilung haben die Kompetenz, selber das CTG zu beurteilen und die Vaginaluntersuchung durchzuführen. Ist eine Pflegefachfrau im Dienst, muss sie für Tätigkeiten, welche
nicht in ihrer Kompetenz liegen, den ärztlichen Dienst oder die Hebamme im Gebärsaal
kontaktieren. Sobald die Überwachung und Betreuung der Frauen auf der Abteilung nicht
mehr gewährleistet ist oder wenn die Frauen ihre Wehen nicht in einem geschützten Rahmen verarbeiten können, gilt dies als Zeitpunkt zur Verlegung in den Gebärsaal. Jede Pflegende auf der Abteilung hat das Recht selbständig über eine Verlegung zu entscheiden und
diese zu veranlassen.
30
Betreuung eingeleiteter Frauen
6.2
Durchführung der Interviews
Die Interviews wurden in der Zeitspanne von einer Woche durchgeführt. Insgesamt wurden
17 Interviews geführt, die Hälfte durch direkte Befragung. Sieben Fragebogen wurden durch
die Fachpersonen selbständig ausgefüllt, sowie zwei telefonisch erhoben. Dem ärztlichen
Dienst wurden nur die Fragen 1, 2, 3, 5, 13, 14, 15 gestellt, da sie die anderen nicht betrafen.
Die Änderung der beschriebenen Methode hinsichtlich der Befragung ist aufgrund einer sofortigen Schliessung eines nahegelegenen Spitals entstanden. Die Schliessung hatte zur
Folge, dass viele Frauen zur Geburt in dieses Kantonsspital ausgewichen sind. Dadurch
stieg die Arbeitsbelastung für die Mitarbeitenden im Gebärsaal und auf der Pränatal- und
Wochenbettabteilung sehr stark an.
Von den Befragten sind sechs Hebammen, neun Pflegefachfrauen, sowie zwei Gynäkologen
oder Gynäkologinnen im Alter zwischen 36 und 50 Jahren. Die Mehrheit der Befragten hat
eine Berufserfahrung zwischen 21 und über 25 Jahren. Die Hälfte der Befragten ist null bis
zehn Jahre auf der Abteilung. Die andere Hälfte elf bis über 25 Jahre. Diese Daten decken
sich mit der Aussage der Stationsleitung zur aktuellen Praxissituation. Nur drei der Befragten
weisen keine Fort- oder Weiterbildung aus. Alle anderen absolvierten Fort- oder
Weiterbildungen zu fachspezifischen, alternativmedizinischen Themen sowie Ausbildungen
zu Kader, HöFa II und Stillberatung oder besuchten interne Angebote.
6.3
Ergebnisse der Interviews
Die Auswertung der Interviews wurde soweit reduziert, dass daraus sieben Hauptkategorien
mit den dazugehörigen Unterkategorien entstanden sind. Bei der alphabetischen
Nummerierung der Fragebögen wurde der Buchstabe H versehentlich ausgelassen.
31
Betreuung eingeleiteter Frauen
Tabelle 1: Zweite Reduktion nach Mayring (2003), Haupt- und Unterkategorien der Interviews
HK1: Informationserhebung
• Zwischen Fachpersonen
• Zwischen Fachperson und Frau
HK3: Vorgehen bei erster Wirkung des PGE
• Parameter erfassen
• Wehenunterstützende Massnahmen
• Schmerzlindernde Massnahmen
• Verlegungsgünde
• Nicht umsetzbare alternative Methoden
HK5: Betreuungsqualität
• Fachkompetenz
• Infrastruktur
• Arbeitsorganisation
• Kommunikation
HK2: Informationsabgabe im Kontext mit Praxiserfahrung
• Abteilungsspezifisches Prozedere
• Physiologische und pathologische Körperreaktionen
• Positive Erfahrungen
• Negative Erfahrungen
HK4: Zustandserfassung der Frauen
• Wissensstand
• Reaktionen
• Aktuelles Befinden
• Umgang mit Schmerz
HK6: Interdisziplinäre Zusammenarbeit
• Allgemeine Beurteilung
• Ansprechpartner und Ansprechpartnerin
• Kritische Punkte
HK7: Wünsche von Betreuungspersonen für die eingeleiteten Frauen
• Betreuung durch Hebamme
• Mehr Zeit
• Mehr Personal
• Angepasste Räume
• Gute Aufklärung
HK1: Informationserhebung
Zwischen Fachpersonen: Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass sie genügend Informationen haben, um die eingeleitete Frau betreuen zu können. Diese Informationen erhalten sie
vorwiegend durch den Rapport, welchen sie bei der Verlegung der Frau vom Gebärsaal auf
die Abteilung durch die Hebamme erhalten. Zusätzliche Informationen, welche im Rapport
nicht ausgetauscht wurden, werden aus der Dokumentation geholt.
Zwischen Fachperson und Frau: Für 7 von 17 Befragten genügen die vorhandenen Daten
nicht. Vor allem die befragten Hebammen erklären, dass sie sich durch Gespräche mit den
Frauen und den Partnern, ergänzende Informationen holen. Es sind Informationen hinsichtlich: a) Vorstellungen und Bedürfnisse zur Geburt, b) Umgang mit Schmerzen und c) Erfahrungen aus früheren Geburten. Ergänzend dient das persönliche Gespräch um sich ein Bild
der Frauen zu machen. Dadurch können die Frauen während der Betreuung spezifisch eingeschätzt werden.
32
Betreuung eingeleiteter Frauen
HK2: Informationsabgabe im Kontext mit Praxiserfahrung
Abteilungsspezifisches Prozedere: Fast alle Betreuungspersonen informieren die Frauen bei
Übernahme auf die Abteilung über das abteilungsspezifische Prozedere. Genannt wurden
Punkte wie: a) die Frauen müssen nach Einlage des PGE eine Stunde liegen, b) CTGKontrollen erfolgen nach zwei und sechs Stunden und c) die Frauen sollen spazieren gehen.
Physiologische und Pathologisch Körperreaktionen: Fünf der Befragten klären die Frauen
über das Verhalten bei Blasensprung, Wehenbeginn und Blutungen auf. Von vier Interviewten erhalten die eingeleiteten Frauen Hinweise zu Körperreaktionen auf PGE wie Dauer und
Wirkung. Einzelne Personen geben den Frauen noch zusätzliche Auskunft über mögliche
Massnahmen und instruieren Drittpersonen, wie sie die Frauen weiterführend unterstützen
können.
In der Betreuung von eingeleiteten Frauen machen die Befragten unterschiedliche Erfahrungen.
Positive Erfahrungen: Laut Aussagen werden positive Erfahrungen dann gemacht, wenn:
a) die Frauen über die Einleitung verständlich aufgeklärt wurden, b) die Frauen eine positive
Einstellung zu Einleitung und Geburt haben und c) ein kontinuierlicher Geburtsfortschritt
sichtbar ist.
Negative Erfahrungen: Die Betreuungspersonen machen die Erfahrung, dass bei lang
andauernder Latenzphase nach Einleitung und bei Schmerzen ohne Geburtsfortschritt die
Frauen ungeduldig, frustriert und enttäuscht werden, was im Extremfall bis zur Erschöpfung,
zu einer PDA und zu pathologischen CTG `s führt. Die Befragten beschreiben, dass dies bei
der Betreuung zu höherem Zeitaufwand führt. Wenn die Zeit wegen hoher Arbeitsbelastung
auf der Abteilung nicht vorhanden ist, löst dies bei der Betreuungsperson Stress und Frustration aus. All diese Aspekte werden als Grund für negative Erfahrungen angegeben. Befragte berichten, dass sie bei erfolglosem Verlauf den Einleitungsgrund und Einleitungszeitpunkt hinterfragen.
HK3: Vorgehen bei erster Wirkung des PGE
Parameter erfassen: Zwei Drittel der Befragten erklären, dass sie die Qualität, die Länge, die
Abstände, die Häufigkeit und die Intensität der Wehen erfragen, sobald das PGE bei den
eingeleiteten Frauen zu wirken beginnt. Knapp ein Drittel der Befragten erfassen die
Schmerzen mit Hilfe einer Skala wie Dolometer und VAS. Zudem führen die Interviewten
neben dem Erfragen der Wehen, Kontrollen wie CTG und Vaginaluntersuchung durch, um
ergänzende Informationen zum Zustand der Frauen zu erhalten.
Wehenunterstützende Massnahmen: Eine Minderheit der Befragten wendet, sobald das PGE
bei den eingeleiteten Frauen zu wirken beginnt, Wehen unterstützende Massnahmen, wie
Spazieren gehen und Brustwarzenstimulation, an.
33
Betreuung eingeleiteter Frauen
Schmerzlindernde Massnahmen: Im Gegensatz dazu nutzen über die Hälfte der Befragten
schmerzlindernde Massnahmen.
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Anzahl Befragte
Abb. 3: Von den Betreuungspersonen am häufigsten angewendete Massnahmen zur Verarbeitung des
Wehenschmerzes
Bei den alternativen Methoden werden folgende Massnahmen am häufigsten genannt:
a) Wickel acht Mal, b) Massage fünf Mal, c) Sitzball fünf Mal d) Bad vier Mal und e) Atemtechniken vier Mal. Im Zusammenhang mit der ersten Wirkung des PGE`s werden medikamentöse schmerzlindernde Massnahmen fast gleich oft genannt. Drei Viertel der Befragten
erwähnen Buscopan Suppositorium und die Hälfte nennt Benuron Suppositorium sowie
Tramal Suppositorium.
Die Frauen zu motivieren wird von knapp der Hälfte der Befragten angegeben. Dies sowohl
im Zusammenhang mit Wehen Erleichterung, sowie als Geburtsprozess unterstützende
Massnahme. Verlegung als Massnahme in dieser Phase der Einleitung nennen wenige der
Befragten.
Verlegungsgünde: Als Gründe für die Verlegung erwähnen die Interviewten: a) starke
Schmerzen, b) den Befund der Vaginaluntersuchung und c) die Arbeitssituation auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung.
Nicht umsetzbare alternative Methoden: Drei Viertel der Befragten gaben an, dass es Massnahmen gibt, welche sie gerne anwenden würden, dies jedoch aus verschiedenen Gründen
nicht können. Zu diesen Massnahmen gehören hauptsächlich alternative geburtsunterstützende Massnahmen wie: Akupunktur, Homöopathie, Bad, Wickel und Massage. Wenige
nennen noch Betreuung/Präsenz, Bewegung für die Frauen und Vaginaluntersuchung zur
Beurteilung des Geburtsfortschrittes. Als Gründe der Nichtdurchführung, wird von der Hälfte
34
Betreuung eingeleiteter Frauen
der Befragten keine Ausbildung und Kompetenz genannt. Knapp die Hälfte erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Infrastruktur wie Räume, Platz, Material (Arzneien, Badewanne), welche nicht vorhanden ist, sowie die Zeit, welche zur Durchführung oftmals fehlt.
HK4: Zustandserfassung der Frauen
Wissensstand und Reaktionen: Ein Drittel der Befragten beschreiben, dass die Frauen oftmals mit falschen Vorstellungen, wie u.a. schnelle Geburt und wenig Schmerzen, zur Einleitung kommen. Knapp zwei Drittel der Befragten äussern, dass der Wissensstand der Frauen,
also wie umfänglich die Frauen über den Einleitungsgrund, den Ablauf der Einleitung und
mögliche Reaktionen des eigenen Körpers aufgeklärt und informiert sind, Einfluss auf deren
Reaktionen im Verlauf haben. Dies führt aus der Sicht von fünf Befragten zu einer Enttäuschung der Frauen, weil es nicht so abläuft, wie sie es sich erhofft haben.
Aktuelles Befinden: Von fünf Befragten wird Angst als weiterer Zustand der Frauen bei der
Einleitung beobachtet. Diese Angst wird durch den Einleitungsgrund, v.a. bei medizinischen
Indikationen und durch das Nichtwissen, was auf sie zukommt, ausgelöst.
Umgang mit Schmerz: Ein Drittel der Befragten schauen bei der Einschätzung des Zustandes der Frauen vor allem darauf, wie die Frauen mit den Schmerzen umgehen können und
ein Viertel der Befragten wie das aktuelle Befinden der Frauen ist.
HK5: Betreuungsqualität
Auf die Frage, ob es Faktoren gibt, welche die Betreuung der eingeleiteten Frauen auf der
Abteilung erschweren, bejahen 15 von 17 diese Frage. Die Befragten bemängeln
Fachkompetenz, infrastrukturelle Möglichkeiten, Arbeitsorganisation, sowie sprachliche Hindernisse.
Inwiefern die Betreuungsqualität bei den eingeleiteten Frauen auf der Abteilung umgesetzt
werden kann, spielt aus Sicht des ärztlichen Dienstes sowohl Fachkompetenz und Arbeitsanfall auf der Abteilung, als auch ihre eigene Arbeitsbelastung mit Visite, Geburt oder Ambulatoriums-Dienst, eine grosse Rolle. Die Personen des ärztlichen Dienstes sagen aus,
dass das Prozedere der Frauen sehr von der Fachperson abhängt, welche auf der Abteilung
ist. Die Befragten des ärztlichen Dienstes halten fest, dass sie stärker in der Beurteilung involviert sind, wenn eine Pflegefachfrau für die Frauen zuständig ist, als wenn die Betreuung
durch eine Hebamme auf der Abteilung gewährleistet ist. Sie sehen aber auch eine hohe
Arbeitsbelastung, sowie die Tatsache, dass eingeschränkte Räumlichkeiten für die Unterstützung der eingeleiteten Frauen erschwerend sind.
Fachkompetenz: Unsicherheit im Umgang mit eingeleiteten Frauen wird in sieben Aussagen
erwähnt, sowie den Zustand der Frauen und die aktuelle Situation nicht einschätzen und
abschätzen zu können. Einzelne davon äusserten Angst, etwas zu verpassen oder sogar
35
Betreuung eingeleiteter Frauen
eine Geburt auf der Abteilung zu haben so dass sich bei der Betreuungsperson Druck, innere Hektik oder Stress auslöst. Sechs Befragte nennen ganz klar als Grund, das Fehlen
von Hebammen spezifischem Fachwissen, welches ihnen die Betreuung der eingeleiteten
Frauen erschwert. Sie erwähnen auch Schmerzen, Wehenintensität und die Körperreaktion
nicht einschätzen zu können. Weiter sind diese sechs Befragte auf interdisziplinäre Zusammenarbeit, d.h. auf andere Fachpersonen angewiesen, welche Befunde erheben, wie
vaginaler Untersuch, CTG Interpretieren und das Prozedere festlegen. Diese Abhängigkeit
wirkt zusätzlich noch belastender, wenn die gerufene Person nicht sofort abkömmlich ist.
Infrastruktur: 15 Befragte begründeten die infrastrukturelle Einschränkung dadurch, dass die
eingeleiteten Frauen meist in Mehrbettzimmern verweilen und dies eine bedürfnisorientierte
Betreuung erschwert. Interviewte des ärztlichen Dienstes machen die Aussage, dass es im
Mehrbettzimmer schwierig ist, die Intimsphäre zu wahren, wenn sie den vaginalen Untersuch
ausführen. Die Privatsphäre im Mehrbettzimmer wird auch von vier Betreuungspersonen
explizit erwähnt. Drei andere Betreuungspersonen nennen die Erfahrungen, dass die
Wehenverarbeitung von den Frauen bei Anwesenheit von Zimmernachbarinnen erschwert
ist. Eine Befragte gewichtet die eingeschränkte Räumlichkeit v.a. in der Nacht als erschwerend, weil schlafende Patientinnen auf die Wehenverarbeitung der eingeleiteten Frauen störend wirken.
Arbeitsorganisation: Im Zusammenhang mit dem Arbeitsanfall auf der Abteilung sehen wiederum 15 Befragte die Betreuung eingeleiteter Frauen als erschwerend. Sie sagen aus, dass
die Unterstützung der Frauen, sobald sie Wehen oder Schmerzen angeben, sehr zeitintensiv
ist und dass sie die Unterstützung oft nicht anbieten können, da es der Arbeitsanfall oder die
Anzahl MA (Spätdienst/Nachtwache) auf der Abteilung nicht zulassen.
Kommunikation: Als weiterer Punkt wird von fünf Befragten die sprachliche Barriere genannt.
Sie stellen fest, dass die Fremdsprachigkeit ein Hindernis ist, um die eingeleiteten Frauen
optimal aufzuklären und ihnen personenspezifische Betreuung zu bieten.
Voraussetzungen, welche den Befragten eine Erleichterung im Umgang mit eingeleiteten
Frauen bieten, sind für die meisten das Vorhandensein von Fachwissen und genügend Zeit.
Zwei Befragte nennen explizit, dass die Frauen durch eine Hebamme betreut werden müssen. Sieben Befragte bekräftigen nochmals die Sinnhaftigkeit eines Einzelzimmers. Einzelne
erwähnen als Erleichterung den Vorteil von guter sprachlicher Verständigung und die Wichtigkeit der Einstellung der Frauen zur Einleitung und Geburt. Eine Person beschreibt, dass
das Mehrbettzimmer auch den Vorteil haben kann, das die Frauen durch andere Frauen
Ablenkung finden.
36
Betreuung eingeleiteter Frauen
HK6: Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Allgemeine Beurteilung: Die IZA zwischen Fachpersonen auf der Abteilung, Hebammen im
Gebärsaal und dem ärztlichen Dienst wird von der Mehrheit als gut bewertet. Zwei nannten
sie sehr positiv und zwei gaben an, dass sie noch verbesserungsfähig ist, begründet mit
besserer Absprache und klarer Kommunikation.
Ansprechpersonen: Die Mehrheit der Befragten gelangt zu gleichen Teilen an die Hebammen oder an den ärztlichen Dienst. Etwas weniger als die Hälfte wendet sich auch an die
Arbeitskollegin auf der Abteilung und drei holen sich Anregung aus dem Standard zur Betreuung der eingeleiteten Frauen.
Kritische Punkte: Laut den Aussagen der Befragten sind kritische Punkte bezüglich der IZA:
a) der Verlegungszeitpunkt, b) der Verlegungsgrund in den Gebärsaal, c) die Arbeitsbelastung auf der Abteilung wie im Gebärsaal und d) die klare Kommunikation untereinander. Die
Mehrheit der Befragten beschreibt, dass das Thema Verlegung in den Gebärsaal häufig ein
heikler Punkt der IZA ist. Dies ist von vielen Faktoren abhängig. Neun sagen aus, dass die
Arbeitsbelastung einen Einfluss hat. Sechs ergänzen, dass es eine Rolle spielt, welche Ausbildung die diensthabende Betreuungsperson auf der Abteilung aufweist. Diese beiden
Punkte führen oft zu einer frühen Verlegung der Frauen in den Gebärsaal und somit zu Unverständnis, da die Frauen noch nicht unter der Geburt sind. Bei den Frauen kann das die
falsche Hoffnung einer baldigen Geburt auslösen. Bezüglich der Arbeitsplanung erwähnen
vier Befragte die Absprache zwischen dem ärztlichen Dienst und den Betreuungspersonen.
Dass die leidenden Frauen auf der Abteilung lange warten müssen, bis eine andere Fachperson kommt, um den Zustand der Frauen zu beurteilen und anschliessend das Prozedere
fest zu legen, wird als weiterer Grund genannt. Einzelne Antworten betreffen auch die
Unerfahrenheit des ärztlichen Dienstes beim Erheben des Befundes des vaginalen Untersuchs, welcher ebenfalls zu einer frühen Verlegung in den Gebärsaal führt.
HK7: Wünsche von Betreuungspersonen für die eingeleiteten Frauen
Betreuung durch Hebamme, Mehr Zeit, Mehr Personal, Angepasste Räume,
Gute Aufklärung
Sieben Befragte wünschen sich die Betreuung der eingeleiteten Frauen durch eine
Hebamme. Gleich viele wünschen sich mehr Zeit zu haben. Drei äussern bessere Absprachen respektive Kompromisse und drei wünschen angepasste Räumlichkeiten. Wiederum
gleichviel nämlich je zwei Mal werden mehr Personal, sowie eine gute Aufklärung der Frauen
genannt. Zum Schluss wurde ein Mal der Wunsch geäussert, dass die Frauen positiv auf die
PGE-Applikation ansprechen.
37
Betreuung eingeleiteter Frauen
6.4
Vergleich und Diskussion der Ergebnisse
In den Interviews zeigt sich, dass positive Erfahrungen in der Betreuung der eingeleiteten
Frauen gemacht werden. Dass sich die Betreuungspersonen gerne um eingeleitete Frauen
kümmern und sich dieser Herausforderung stellen wollen. Trotzdem ist aus dem Vergleich
der aktuellen Praxis und der Literatur ersichtlich, dass Änderungsbedarf der untersuchten
Pränatal- und Wochenbettabteilung vorhanden ist. Die Hauptergebnisse aus dem Vergleich,
bezogen auf die Zielsetzung und Fragestellung dieser Arbeit, betreffen: a) die Infrastruktur,
b) die Arbeitsorganisation und c) die Kompetenzen der Betreuungspersonen. Sekundäre
Ergebnisse beinhalten: sprachliche Hindernisse, die mangelnde Aufklärung der Frauen bezüglich Ablauf der Geburtseinleitung und deren Wirkung, sowie Zeitpunkt und Grund der
Einleitung. Auf die sekundären Ergebnisse wird in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen.
Aus den Aussagen der Befragten lässt sich ableiten, dass Veränderungsbedarf vorhanden
ist und dies in einer weiteren Arbeit aufgegriffen werden sollte.
Das Interview zeigt, dass die Mehrheit der Befragten genügend Daten aus Rapport
und Dokumentation erhalten, um die Frauen betreuen zu können. Jedoch ist es von Vorteil,
die Ressourcen der Frauen zu erheben, um sie bedürfnisorientiert betreuen zu können. Vor
allem die befragten Hebammen gaben an, sich persönliche Informationen zu den Frauen in
einem Gespräch zu holen. Die AWMF (2008) empfiehlt zum Vorgehen, die Anamnese und
den Befund des Bishop-Scores zu erheben, bevor die Frauen eingeleitet werden. Laut dem
Betreuungskonzept (Bryar, 2003) wird empfohlen, Daten zur Persönlichkeit der Frauen zu
erfassen. Daraus lässt sich ableiten, dass dies den Beziehungsaufbau zwischen Betreuungsperson und den eingeleiteten Frauen fördert, Vertrauen schafft und eine Kooperation während des Geburtsverlaufes ermöglicht.
Aus den Interviews geht hervor, dass die Betreuungspersonen die eingeleiteten
Frauen vor allem über Fixpunkte im Vorgehen der Einleitung informieren. Nur wenige geben
zusätzliche Informationen zu Komplikationen und Wirkung der PGE. Ein grosser Teil der Befragten sagt, dass bei der Betreuung eingeleiteter Frauen eine positive Erfahrung gemacht
wird, wenn die Frauen über die Einleitung fundiert aufgeklärt sind. NICE (2008) wie auch
Calderon & Austin (2003) sehen die Wichtigkeit in der Aufklärung. Eine fundierte Aufklärung
über Komplikationen und Wirkung der PGE bedeutet, dass falsche Vorstellungen, welche
eingeleitete Frauen haben können, relativiert werden.
Negative Erfahrungen der Betreuungspersonen, welche sich aus der Dauer und
der daraus resultierenden Folgen wie Erschöpfung, Frustration und Enttäuschung ergeben,
decken sich mit der Darlegung von Calderon & Austin (2003). Weitere Einflüsse zu einer negativen Erfahrung sind infrastrukturelle Gegebenheiten und die Arbeitsbelastung. Enkin et al.
(2006) und Hodnett et al. (2009) legen dar, dass die Geburt in einer ruhigen Atmosphäre und
angepassten Räumlichkeiten stattfinden und die Betreuenden Zeit haben sollen. Auch im
38
Betreuung eingeleiteter Frauen
Betreuungskonzept von Bryar (2003) wird die Infrastruktur als tragende Grundlage zur ganzheitlichen Betreuung genannt. Wenn das Arbeitsumfeld der Betreuungspersonen wie oben
genannt gestaltet ist, kann die Betreuung der eingeleiteten Frauen erleichtert werden, was
wiederum Einfluss auf die Motivation und Zufriedenheit hat. Dadurch können negative Erfahrungen reduziert werden.
Am ausgewählten Praxisort, wird bei Situationsveränderung der Frauen, nach Vorgabe der abteilungsspezifischen Richtlinien, der aktuelle Zustand der Frauen erfasst und es
wird ihnen Unterstützung angeboten. Der Umfang an Unterstützung ist abhängig von folgenden Limitationsfaktoren: Zuständigkeit bei noch anderen zu betreuenden Frauen, Arbeitsanfall und fehlendes Fachwissen und Kompetenz. NICE (2008) und WHO (2000) besagen,
dass die Wehen in ihrer Stärke, Dauer sowie Häufigkeit erfragt werden und die Frauen in
den Wehen unter Kontrolle sein sollen. Sie sollen Wünsche und Erwartungen anbringen
können. Zudem sollen ihnen Unterstützung und schmerzlindernde Massnahmen angeboten
werden. Einige der Betreuungspersonen nutzen auch die Ressourcen der Frauen, was auch
NICE (2008) empfiehlt, dass die Coping-Strategien der Frauen genutzt werden sollen.
Die WHO (2000) beschreibt das Profil der Betreuungsperson von Frauen unter der
Geburt mit einer professionellen Ausbildung und der Fähigkeit ihren Zustand zu beobachten
und zu beurteilen. Diese Voraussetzung wird am Praxisort nur teilweise erfüllt. Die Aussagen
der Befragten unterstützen die Sinnhaftigkeit der Hebammen in der Betreuung der eingeleiteten Frauen. Denn viele Befragte äussern Unsicherheit, Druck sogar bis zu Angst etwas
zu verpassen. Sie geben an, dass sie wegen des fehlenden Hebammen spezifischen Fachwissens auf andere Professionen, wie Hebammen und Ärzte oder Ärztinnen, angewiesen
sind, um die Frauen beurteilen (VU und CTG), sie bezüglich ihres Schmerzes einschätzen
und Entscheidungen im weiteren Prozedere treffen zu können. Der Veränderungsbedarf auf
die Kompetenzen bezogen, zeigten die Befragten damit auf, dass die Betreuung eingeleiteter
Frauen belastend wird, wenn das Fachwissen nicht vorhanden ist. Dies hat zur Folge, dass
die Zustandserhebung sowie die Einschätzung der Frauen erschwert werden. Für weitere
Entscheidungen sind sie auf andere Disziplinen angewiesen. Dies führt zu Hektik und zu
einer belastenden Situation der Betreuungspersonen, was zur Folge hat, dass die Betreuungsperson den Eindruck hat, die Sicherheit der Frauen nicht mehr gewährleisten zu
können. Daraus resultiert, bei Frauen die noch nicht unter der Geburt sind, eine verfrühte
Verlegung in den Gebärsaal.
Die Betreuungsqualität ist aus der Sicht der Befragten nicht nur eingeschränkt wegen des fehlenden Fachwissens, sondern auch wegen infrastrukturellen und arbeitsorganisatorischen Limitationen. Carlsson et al. (2007) beschreiben die Latenzphase als empfindlich
und störanfällig durch äussere Einflüsse. Enkin et al. (2006) und Hodnett et al. (2009) beschreiben, dass eine situationsangepasste Atmosphäre gewährleistet sein soll. Zur Förde39
Betreuung eingeleiteter Frauen
rung des psychischen Wohlbefindens der Frauen, befürwortet auch die WHO (2008) die
Wahrung der Intimsphäre und die Möglichkeit, die Anwesenheit einer Begleitperson nach
Wahl zu haben. In der Praxis bemängeln die Befragten, dass eine solche Umsetzung nur
beschränkt möglich ist und als Nachteil in der Betreuung der eingeleiteten Frauen angesehen wird. Ein Veränderungsbedarf für die Infrastruktur bedeutet, dass eingeleitete Frauen
ein Einzelzimmer zur Verfügung gestellt bekommen, damit die Privat- und Intimsphäre gewährleistet werden kann (NICE, 2008, Enkin et al., 2006, Hodnett et al., 2009). NICE (2008)
empfiehlt zur Wehenverabeitung und Schmerzlinderung ein Bad in warmem Wasser. Dies
kann ebenfalls aus infrastrukturellen und logistischen Gründen nicht garantiert werden, da
auf der Abteilung keine Badewanne vorhanden ist. Zudem ist vor der Nutzung der Badewanne im Gebärsaal die Abklärung nötig, ob sie frei ist.
Aus dem Interview resultiert, dass die Betreuungspersonen für eine bedürfnisorientierte und kontinuierliche Betreuung meist nicht viel Zeit haben. Die WHO (2000) und
Hodnett et al. (2009) unterstützen beide eine kontinuierliche Betreuung der Frauen. Enkin et
al. (2006) benennen als einen zentralen Aspekt die Unterstützung der Frauen durch eine
Betreuungsperson während des Gebärens. Die Frauen sollen zu keinem Zeitpunkt der Geburt auf die zuständige Betreuungsperson verzichten müssen. Der Veränderungsbedarf bei
der Arbeitsorganisation besteht vor allem in der Zeitressource des Betreuungspersonals,
sobald das PGE zu wirken beginnt und die Frauen das Bedürfnis äussern, Unterstützung
sowie Begleitung zu erhalten. Dies wird dadurch erschwert, dass es nicht die Norm ist, eine
eins-zu-eins Betreuung der Frauen auf der Abteilung zu planen, sondern, dass die Betreuungspersonen für mehrere Frauen gleichzeitig die Verantwortung tragen. Weitere
erschwerende Faktoren sind plötzlicher Wechsel des Arbeitsanfalles sowie eine reduzierte
Anzahl von Betreuungspersonen in Spät- und Nachtdienst.
Aus der Befragung resultiert, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der
Praxis im Allgemeinen als gut empfunden wird. Kritische Punkte sind Grund und Zeitpunkt
der Verlegung in den Gebärsaal, Arbeitsanfall sowie Erfahrung und Fachwissen der zuständigen Fachperson auf der Abteilung. Schwarz (2008) schreibt, dass eine gut funktionierende
und respektvolle Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen für eine qualitativ hochstehende
Rund-um-Versorgung der Frauen steht.
6.5
Projektplan
Im Kapitel Methode wurde die Implementierung des Projektes geplant. Die Ergebnisse zeigen, dass keine konkreten Massnahmen auf der Abteilung umgesetzt werden können, sondern zuerst Änderungen in der Infrastruktur und Arbeitsorganisation sowie bei den Betreuungspersonen initiiert werden müssten. Dies würde bedeuten, dass höhere Instanzen
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Betreuung eingeleiteter Frauen
zuständig sind und nicht wie geplant das Team. Um an höhere Instanzen zu gelangen, muss
der Dienstweg eingehalten werden. Für die Lösungsansätze aus dieser Arbeit bedeutet dies,
dass die Stationsleitung den Projektplan der Pflegedienstleitung und Spitalleitung vorstellen
müsste. Diese würden den Projektplan überprüfen und weitere Schritte wie Projektteam,
Finanzierung und Umsetzung des Projektes einleiten.
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DISKUSSION
Aus dem Vergleich und der Diskussion der Ergebnisse ist ersichtlich, dass ein Veränderungsbedarf in der Infrastruktur, Arbeitsorganisation sowie Fachkompetenz der Betreuungspersonen besteht. Die konkreten Massnahmen für diese Veränderungen sind von höheren
Instanzen dieser Institution zu bewerkstelligen. Empfehlungen, welche zu Veränderungsansätzen führen könnten, werden in diesem Kapitel festgehalten. Zudem werden Grenzen und
Limitationen dieses Projektes aufgeführt.
Infrastruktur
In dieser Arbeit wird empfohlen, den eingeleiteten Frauen ein Einzelzimmer zur Verfügung zu
stellen, damit sie ihren Bedürfnissen nachkommen, sich frei bewegen und sich somit ungestört auf die Geburt einlassen können. Dies bringt den Vorteil, dass die Privat- und Intimsphäre der eingeleiteten Frauen gewährleitstet werden kann wie NICE (2008), Enkin et al.
(2006) und Hodnett et al. (2009) dies empfehlen. Das Einzelzimmer ermöglicht den Frauen,
dass kontinuierlich eine Begleitperson anwesend sein kann. Für die Betreuungspersonen
bedeutet ein Einzelzimmer, dass sie Gespräche, Interventionen und Massnahmen in einem
geschützten Rahmen ausführen können.
Nachteilig könnte die fehlende Ablenkung durch die Zimmernachbarinnen und der fehlende
Austausch über die Erfahrungen in der Schwangerschaft und zur jetzigen Situation gesehen
werden. In der untersuchten Institution ist die Anzahl der Einzelzimmer begrenzt und abhängig von der Zimmerbelegung durch privatversicherte Frauen. Aus finanzieller Sicht werden
die Kosten der Hospitalisation nicht gedeckt, wenn die Einzelzimmer mit allgemein versicherten Frauen belegt werden.
Um die Umsetzung der Zuteilung eines Einzelzimmers bei eingeleiteten Frauen zu
realisieren, könnten Lösungsansätze für die Abteilung sein, dass den eingeleiteten Frauen
wenn möglich ein Einzelzimmer gegeben wird oder die eingeleiteten Frauen alleine in einem
Mehrbettzimmer untergebracht werden. Nur wenn es die Bettenbelegung erfordert, werden
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Betreuung eingeleiteter Frauen
weitere Frauen in dieses Zimmer aufgenommen. Als weitere institutionelle Lösungsansätze
könnte bedacht werden, dass zusätzliche Einzelzimmer geschaffen werden oder ein spezieller Raum zur Verfügung gestellt wird, welcher nur für eingeleitete Frauen genutzt wird,
und der auch infrastrukturell auf die Bedürfnisse der Frauen abgestimmt ist.
Sinnvoll wäre es, in diesem Raum eine Badewanne mit einzuplanen, da zur Wehen Verarbeitung und Schmerzlinderung von NICE (2008) ein Bad in warmem Wasser empfohlen wird.
Einen positiven Effekt des Badens sehen auch Greulich & Tarrant (2007). Daraus lässt sich
schliessen, dass die eingeleiteten Frauen in einem warmen Bad Ruhe und Entspannung
finden können und dadurch eine Schmerzlinderung erreichen. Ein weiterer Vorteil für die
eingeleiteten Frauen sowie für die Betreuungsperson ist, dass die Nutzung der Badewanne
vereinfacht wird, da sie keinen Wechsel der Abteilung sowie der Betreuungsperson bedingt.
Es ist aber zu bedenken, dass bei badenden Frauen die Anwesenheit einer Begleitperson
oder Betreuungsperson garantiert sein muss.
Fachkompetenz und Arbeitsorganisation
Die Betreuungsperson soll laut WHO (2000) eine professionelle Ausbildung haben. Dies bedeutet für eingeleitete Frauen, dass die Betreuungsperson über Fachwissen zu Schwangerschaft und Geburt verfügt. Hodnett et al. (2009) zeigen auf, dass eine kontinuierliche Betreuung positive Auswirkungen auf den Geburtsverlauf hat. Dies führt zu den Empfehlungen für
die Praxis, dass die eingeleiteten Frauen kontinuierlich durch eine Hebamme betreut werden
sollten. Diese Veränderungsempfehlung ist abhängig von der Arbeitsorganisation auf der
Abteilung und wird im Zusammenhang diskutiert. Damit die eingeleiteten Frauen durch eine
Hebamme betreut werden könnten, bedingt dies eine Arbeitsplananpassung. Das bedeutet:
a) es sollte eine adäquate Anzahl Hebammen auf der Abteilung angestellt sein, damit in jeder Schicht mindestens eine Hebamme eingeplant werden kann und b) es sollte genügend
Betreuungspersonal pro Schicht eingeplant werden, damit die Hebamme freie Kapazitäten
hat, wenn die eingeleiteten Frauen eine kontinuierliche Begleitung verlangen.
Um eine optimale Arbeitsplanung zu gewährleisten, bedingt dies eine gute interdisziplinäre
Kommunikation zwischen dem ärztlichen Dienst, dem Gebärsaal und der Pränatal- und Wochenbettabteilung. Hilfreich sind kontinuierliche Informationen über Planung und Anzahl der
Frauen, die eingeleitet werden sollen. Es ist sinnvoll die Anzahl an einzuleitenden Frauen pro
Tag zu begrenzen.
Als Lösungsansatz bietet sich an, am bereits bestehenden Modell mit Springerfunktion als Ressource bei grossem Arbeitsanfall anzuknüpfen. Dazu müsste eine diplomierte Hebamme diese Springerfunktion übernehmen, um die kontinuierliche Betreuung der
eingeleiteten Frauen ggf. zu übernehmen. Kann dieser Lösungsansatz nicht realisiert werden, weil der Stellenplan nicht angepasst werden kann, benötigt es einen Lösungsansatz,
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Betreuung eingeleiteter Frauen
welcher aus dem vorhandenen Personalbestand umgesetzt werden kann. Dann werden
Ressourcen der Pflegefachpersonen genutzt und mit Hebammen spezifischem Fachwissen
erweitert. Durch Schulung von interessierten Pflegefachpersonen soll erreicht werden, dass
sie mehr Wissen und Grundlagen über Latenzphase, Wehenmuster und Verhaltensweisen
der eingeleiteten Frauen erlangen. Dies führt dazu, dass sie die Situation besser einschätzen
können und sich in der Begleitung der eingeleiteten Frauen sicherer fühlen. Es kann vermutet werden, dass dies zu einer Entspannung im Team führt, da die geschulten Pflegefachpersonen die eingeleiteten Frauen betreuen. Details über Inhalt und Ablauf der Schulung soll
durch eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel erarbeitet werden, die Schulung spezifisch auf die
Abteilung auszurichten.
Folgende Vorteile lassen sich ableiten, wenn die obengenannten Aspekte bei der
Organisation der Arbeit berücksichtigt werden: Die Zeitressource sowie fachkundige Betreuungspersonen ermöglichen eine kontinuierliche Begleitung der eingeleiteten Frauen. Ein
Vertrauensverhältnis wird aufgebaut und die Anzahl der Betreuungspersonen im Verlauf der
Latenzphase werden minimiert. Dies bedeutet, dass die Frauen einheitliche Informationen
erhalten, das Gefühl der Sicherheit vermittelt bekommen, sowie Verantwortung abgeben
können. Für die Betreuungspersonen bedeutet dies, dass sie sich nur auf die eingeleiteten
Frauen konzentrieren können. Dies wiederum führt dazu, dass sie auf die Bedürfnisse der
eingeleiteten Frauen eingehen können und im Zusammenhang mit dem vorhandenen Fachwissen eine Steigerung der Betreuungsqualität erreichen. Eine kontinuierliche Betreuung
bewirkt, dass die eingeleiteten Frauen länger auf der Abteilung unterstützt werden können
und ihnen nicht mit einer verfrühten Verlegung in den Gebärsaal die Illusion der baldigen
Geburt vermittelt wird. Wird der Lösungsansatz der Betreuung durch eine Hebamme, in
Bezug auf die Bedeutung für den Beruf betrachtet, bedeutet dies die ganzheitliche Betreuung
der Frauen durch eine Hebamme.
Eine weitere Veränderungsstrategie, welche aber noch grundlegende Abklärungen
bedingt, wäre, die Pränatalabteilung von der Wochenbettstation zu trennen und durch Hebammen zu führen. Es müsste ein neues Projekt initiiert und abgeklärt werden, ob das Interesse und der Bedarf für eine solche eigenständige Pränatalabteilung vorhanden ist und ob
der Aufbau einer Schwangerschaftssprechstunde integriert werden könnte. Weiter müsste
das Kosten-Nutzen Verhältnis analysiert werden. Dies hätte zur Folge, dass die Frauen
ganzheitlich von Hebammen betreut werden, sowohl in Schwangerschaft als auch bei der
Geburt. So könnte bereits eine Beziehung zwischen Hebamme und Frau aufgebaut werden.
Dies wird durch das Kompetenzprofil der Hebamme gestützt. Die Aufgabengebiete lassen
sich kombinieren, weil das regelrechte und regelabweichende der Schwangerschaft beinhaltet, dass dies zu den Aufgaben einer Hebamme gehört. Als Vorteil kann gesehen werden,
dass eine solche Abteilung das Ansehen der Institution in der Gesellschaft steigern würde.
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Betreuung eingeleiteter Frauen
Zudem kann diese Vorsorge und Betreuung durch Hebammen eine Entlastung von internen
und externen Gynäkologen und Gynäkologinnen bedeuten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hebamme und dem ärztlichen Dienst würde gefördert.
Aus der Diskussion ist ersichtlich, dass die Ziele dieser Arbeit teilweise erreicht wurden. Es
konnten auf Grund der Ergebnisse keine konkreten Massnahmen ermittelt und somit keinen
Projektplan ausgearbeitet werden. Stattdessen wurden Lösungsansätze entwickelt, welche
die Bereiche Infrastruktur, Arbeitsorganisation und der Kompetenzen der Betreuungspersonen aufgreifen.
Die Frage, wie eine bedürfnisorientierte Begleitung von eingeleiteten Frauen in der Latenzphase aussieht, konnte nicht abschliessend beantwortet werden. Es benötigt allgemein Informationen über Bedürfnisse und Erfahrungen der Frauen in der Latenzphase, damit das
Vorgehen definiert werden kann. Da die meisten Frauen die Latenzphase zu Hause bewältigen, gibt es nur wenig Literatur dazu (Enkin et al., 2006). Um dieses Defizit an Wissen auszugleichen, sollten Frauen zu diesem Thema befragt werden. Weiter ist zu erheben, welche
Bedürfnisse eingeleitete Frauen in der Latenzphase im Spital haben und ob sich diese von
den Frauen, welche die Latenzphase zu Hause bewältigen, unterscheiden. Zudem bedingt
es, dass ein Erhebungsinstrument erarbeitet wird, um die individuellen Bedürfnisse der
Frauen in den jeweiligen Situationen zu erfassen, damit die Betreuung darauf abgestimmt
werden kann.
Bevor die Frage beantwortet werden kann, wie die Arbeit organisiert werden kann, damit die
Frauen bedürfnisorientiert begleitet werden können, müsste zuerst die Frage gestellt werden,
welche Voraussetzungen müssen vorhanden sein, damit die Betreuungspersonen den eingeleiteten Frauen eine bedürfnisorientierte Begleitung zukommen lassen können. Diese Arbeit zeigt auf, dass zu diesen Voraussetzungen Infrastruktur, Arbeitsorganisation sowie fachkompetente Betreuungspersonen gehören. Solche Veränderungen von Grundlagen verlangen u.a. bauliche, personelle und organisatorische Umstrukturierungen sowie finanzielle
Mittel für die Umsetzung, welche nur durch höhere Instanzen bewilligt werden können.
Da der ärztliche Dienst bei eingeleiteten Frauen in die Begleitung involviert ist, ist es nötig,
ihn mit ein zu beziehen, um Massnahmen nach den Bedürfnissen der Frauen mit ihnen planen und absprechen zu können. Deshalb wäre es sinnvoll mehr Ärzte und Ärztinnen zu interviewen, um auch ihre Vorstellungen zu erfassen, damit das gegenseitige Verständnis erhöht, sowie die konstruktive Zusammenarbeit unterstützt wird.
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Betreuung eingeleiteter Frauen
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SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Ziele dieser Arbeit, Anpassung der Arbeitsorganisation und Betreuung eingeleiteter
Frauen während der Latenzphase, damit die Frauen bedürfnisorientiert begleitet werden
können, wurden nur teilweise erreicht. Einerseits zeigten die Ergebnisse, dass gewisse infrastrukturelle und organisatorische Voraussetzungen sowie fachkompetente Betreuungspersonen zuerst vorhanden sein müssen. Andererseits wäre es zu empfehlen, die
Bedürfnisse der eingeleiteten Frauen in der Latenzphase vorher in Erfahrung zu bringen. Zur
Schaffung dieser Voraussetzungen wurden Möglichkeiten entwickelt, welche der Institution
als Lösungsansätze dienen können. Es sind folgende Grundlagen bei der Infrastruktur, der
Arbeitsorganisation sowie beim Fachwissen zu empfehlen, damit eine kontinuierliche,
bedürfnisorientierte Betreuung eingeleiteter Frauen gewährleistet werden kann. Konkret
heisst das:
Infrastruktur: Einzelzimmer auf der Pränatal- und Wochenbettabteilung sind wichtig, damit
die Privatsphäre der Frau/des Paares gewährleistet werden kann. Diese bieten einen geschützten Rahmen um Gespräche zu führen und Massnahmen auszuführen. Zudem ist eine
Badewanne hilfreich, da sie einen positiven Effekt auf Wehenverarbeitung und Schmerzlinderung hat. Dieses Angebot wird von den Betreuungspersonen oft empfohlen und von den
Frauen meist gerne beansprucht.
Fachkompetenz: Obwohl auf der Abteilung ein hochmotiviertes Team arbeitet und grosses
Interesse an der bedürfnisorientierten Betreuung eingeleiteter Frauen zeigt, ist es wichtig,
dass eingeleitete Frauen in der Latenzphase durch Hebammen betreut werden. Sie verfügen
über das nötige Fachwissen und über die entsprechenden Kompetenzen. Für die Pflegefachpersonen bedeutet dies einerseits Entlastung und andererseits bietet es den Frauen den
Vorteil, dass sie fundierte Informationen erhalten, welche ihnen auch zustehen.
Arbeitsorganisation: Die Umsetzung einer kontinuierlichen Betreuung bedingt auch arbeitsorganisatorische Änderungen. Die Strukturen sollten so gestaltet werden, dass jederzeit freie
Kapazitäten geschaffen werden können. Dies kann durch den Einsatz eines sogenannten
Springers, sowie die Ergänzung des Stellenplans mit genügend Hebammen, erreicht werden. So könnte in jeder Schicht eine Hebamme eingeplant werden. Zusätzlich ist es wichtig,
dass durch interdisziplinäre Absprachen die Anzahl der Frauen und der Zeitpunkt der Einleitung geplant werden können.
Die Umsetzung dieser drei Grundlagen bedingt das Interesse und die Einwilligung durch höhere Instanzen aus der Spitalorganisation, der öffentlichen Hand, sowie aus dem Gesundheitswesen und ist zudem von der Zusicherung von finanziellen Mitteln abhängig. Weiter
sind diese Instanzen verantwortlich, dass die Lösungsansätze konkretisiert und umgesetzt
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Betreuung eingeleiteter Frauen
werden. Dieses Projekt ist ein längerfristiger Prozess, da es eine zeitlich grössere Planung
und Umsetzung in Anspruch nimmt. Zudem kommt erschwerend dazu, dass die finanzielle
Situation im Gesundheitswesen der Schweiz angespannt ist. Dies lässt vermuten, dass die
Umsetzung des gesamten Projektes eine eher schlechte Prognose hat. Grössere Chancen
würden vermutlich bestehen, wenn Teile aus dem gesamten Projekt herausgelöst, einzeln
geplant und eingeführt würden.
Für weitere Forschungsprojekte ist es sinnvoll, Grundlagen zu erheben, welche die Betreuungspersonen benötigen, um eingeleitete Frauen in der Latenzphase zu begleiten. Ein
weiterer Aspekt beinhaltet die Erhebung der Bedürfnisse der eingeleiteten Frauen in der Latenzphase. Das Ziel ist, die Entwicklung eines Betreuungskonzeptes für die eingeleiteten
Frauen in der Latenzphase, welches allgemein gültig ist. Auch die sekundären Ergebnisse
wie sprachliche Hindernisse, mangelnde Aufklärung der Frauen bezüglich Ablauf der Geburtseinleitung und deren Wirkung, sowie Zeitpunkt und Grund der Einleitung sind Themen,
welche in einer anderen Arbeit aufgenommen werden sollten.
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaft
BFH
Berner Fachhochschule
CTG
Cardiotokogramm
FAGE
Fachangestellte Gesundheit
GFMER
The Geneva Foundation for Medical Education and Research
IZA
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
HöFa
Höhere Fachausbildung
MA
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
MM
Muttermund
NICE
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PDA
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PGE
Prostaglandine
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