Verkauf von ein Präzedenzfall

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Verkauf von ein Präzedenzfall
Trends im Kreditgeschäft
Verkauf von
Bildquelle: _Rainer Sturm_pixelio.de
Konsumentenkrediten –
ein Präzedenzfall
Von Hans Werner Kegel und Peter Stemper
Mit der Übernahme des Konsumentenkreditportfolios der Readybank hat der
Inkassodienstleister Hoist Finance
einen Präzedenzfall geschaffen –
schließlich handelte es sich um ungekündigte Kredite. Möglich wurde die
Übernahme durch die Banklizenz der
schwedischen Mutter. Nachdem die
Migration reibungslos verlaufen ist,
sollen weitere Portfolien folgen. Red.
Der Finanzdienstleister Hoist Finance in
Duisburg hat über seine schwedische Mut­
tergesellschaft, die Hoist Kredit AB, im
vergangenen Jahr 18 000 Konsumenten­
kreditverträge aus dem Bestand der Rea­
dybank übernommen. Die Readybank war
eine Tochtergesellschaft der ehemaligen
WestLB. Das besondere an der Transak­
tion: Erstmals wurden ungekündigte Kon­
sumentenkredite verkauft.
Der reibungslose Präzedenzfall könnte
Schule machen – und den Startschuss für
die Entwicklung eines neuen Marktes mar­
kieren. Das Portfolio, vorwiegend Konsu­
mentenkredite und einige nachrangige
Baufinanzierungen, besteht aus einem
bunten Strauß an Spezial-, Händler- und
Internetfinanzierung mit einem Gesamtvo­
lumen von rund 120 Millionen Euro. Ein­
malig an der Transaktion ist, dass die
Kredite ungekündigt waren. Denn anders
als bei „faulen Krediten”, den Non-Perfor­
bank und markt Heft 10
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Oktober 2013
ming Loans (NPL), ist in diesem Segment
der vollständige Verkauf der Kredite noch
nicht üblich.
Vor dem erfolgreichen Deal standen des­
halb auch erst einmal drei wichtige Fra­
gen: Was sagt die Finanzaufsicht BaFin?
Klappt die IT-Migration? Und vor allem:
Wie reagieren die Kunden? Schließlich gab
es keine Blaupause, die Transaktion war
der sprichwörtliche Sprung ins kalte Was­
ser. Im Nachhinein steht fest: Es gab keine
wirklichen Probleme. Alle Bedenken stell­
ten sich als unbegründet heraus.
Doppelfunktion als Inkassodienstleister
und Bank als Voraussetzung
Entscheidend dafür war insbesondere die
Doppelfunktion von Hoist Finance als In­
kassodienstleister und Bank. Die schwe­
dische Hoist Kredit AB verfügt über eine
Banklizenz, während die deutsche Hoist
GmbH auf das Servicing spezialisiert ist.
Nur deshalb war der Deal überhaupt
regulatorisch darstellbar: Die WestLB
Zu den Autoren
Hans Werner Kegel ist CEO der HOIST
GmbH, Duisburg. Dr. Peter Stemper ist
Head of Risk Services der Portigon AG,
Düsseldorf, vormals Vorstand der ready­
bank AG.
suchte nicht nach einem Servicer, der die
Kredite für sie lediglich bearbeitet, sondern
wollte die Kredite komplett aus den Bü­
chern haben.
Wenn Stundungen oder ähnliche Verände­
rungen vorgenommen werden, wertet die
BaFin dies als neues Kreditgeschäft, auch
wenn grundsätzlich nur bestehende Ver­
träge abgewickelt und keine neuen Darle­
hen vergeben werden. Deshalb kann ein
reiner Servicer ein Kreditportfolio eigentlich
nicht übernehmen.
Alternativ wäre nur ein Verkauf an eine an­
dere Bank oder an ein Konsortium aus
Bank und Servicer infrage gekommen. Ers­
teres ist schwierig, weil andere Banken mit
Blick auf Basel III noch genauer auf ihr Ei­
genkapital schauen. Letzteres hätte die
Deal-Komplexität deutlich erhöht. Es war
deshalb ein wichtiges Kriterium, dass Hoist
alles aus einer Hand anbieten konnte.
Schwedische Aufsicht ist zuständig
Hoist selbst vereinfachte die schwedische
Banklizenz die Abstimmung mit der BaFin.
Diese wurde zwar selbstredend über die
Transaktion in Kenntnis gesetzt und trug
den Vorgang mit, doch weil die schwe­
dische Mutter die Forderung hält und die
deutsche Gesellschaft lediglich als Servicer
auftritt, ist die schwedische Aufsicht für die
Kontrolle zuständig. Dort besteht bereits
ein etabliertes Verhältnis.
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Trends im Kreditgeschäft
Bausparen
Von Freund- zu Feind-Sparern
Einst nannte man sie „Freundsparer”, weil
sie fleißig ihren Bausparvertrag besparten,
aber nach Erreichen der Zuteilungsreife
das Bauspardarlehen nicht in Anspruch
nahmen, sondern weitersparten. In Zeiten
steigender Zinsen sind diese Kunden den
Bausparkassen besonders lieb. In Zeiten
lang anhaltend fallender Zinsen fällt auch
der Liebreiz, dann sind ihnen die Kunden
vor allem teuer. Wurden die Darlehensver­
zichter in der Vergangenheit noch mit den
sogenannten Renditetarifen und Zinsboni
gelockt, jetzt hätte man sie gerne wieder
raus aus den Kollektiven. Denn für ihre
eigenen Anlagen bekommen die Bauspar­
kassen zu wenig, um sich die hochver­
zinsten Policen weiter leisten zu können
oder zu wollen. Wüstenrot hat jetzt 15 000
Bausparverträge gekündigt.
Damit folgen die Ludwigsburger dem Bei­
spiel der BHW Bausparkasse, die bereits
im Jahr 2008 Altverträge einseitig kün­
digte, die vor allem in den achtziger Jah­
ren abgeschlossen wurden. Aber auch
andere Bausparkassen überlegen, wie sie
die kostspieligen Altverträge aus dem Be­
stand bekommen.
Juristisch scheint es nach mehreren Urtei­
len so zu sein, dass die Bausparkassen
vollbesparte oder übersparte Verträge mit
einer Frist von drei Monaten kündigen dür­
fen. Denn, so heißt es aus dem Verband
der Privaten Bausparkassen, Bausparen
ist Zwecksparen, um einen Darlehensan­
spruch zu erwerben. Bei einem bis zur
Bausparsumme oder darüber hinaus be­
sparten Vertrag, kann jedoch kein Bau­
spardarlehen mehr gewährt werden, weil
Guthaben und Darlehen zusammen die
vereinbarte Bausparsumme nicht überstei­
gen dürfen. Vom Oberlandesgericht Ko­
blenz sowie den Landesgerichten Stuttgart
und Hannover sind deshalb die Vertrags­
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kündigungen durch die Bausparkassen
bestätigt worden.
Dennoch sind die Kündigungen für die
Institute heikel, weil sie fast unweigerlich
einen Imageschaden verursachen, der
jahrelang den Vertrieb belasten kann.
Denn das Vorgehen zerstört Vertrauen,
wenn aus ehemals hoch willkommenen
nunmehr unliebsame Kunden werden.
Klar ist, dass es den Bausparkassen
nach einem Jahrzehnt sinkender Zinsen
schwerer fällt, von der Zinsdifferenz zwi­
schen Kollektivguthaben und Kapitalan­
lage zu leben. Letztlich muss auch jedem
Kollektivmitglied daran gelegen sein,
dass seine Bausparkasse – also im Kern
sein Bausparkollektiv – wirtschaftlich ge­
sund bleibt. Hierfür bedarf es aber offen­
sichtlich noch mehr Aufklärungsarbeit für
den Bauspargedanken – bei den Vertrie­
ben und bei den Kunden. Dass Bauspa­
ren von den Kassen seit Kurzem wieder
eindeutig als Finanzierungsprodukt und
eben nicht als Kapitalanlage angeboten
wird, ist deshalb richtig.
Doch es sind nicht nur die Bausparkassen
allein, die von ihren Produkten „aus einer
anderen Zeit” eingeholt werden. Bekannt
geworden ist jüngst der Fall der Sparkas­
se Ulm, die offensichtlich ihre Kunden aus
dem Produkt „Vorsorgesparen Scala” he­
rauszuberaten versucht, das einen Bonus­
zins von 3,5 Prozent bietet.
Dabei werde nach Aussage der Kanzlei
Trewius mit einseitiger Vertragskündigung
gedroht, um, so vermuten die Verbrau­
cherschützer, mit einem „Versuchsballon”
die Kundenreaktion zu testen. Man darf
aber annehmen, dass die Betroffenen
ähnlich unerfreut reagieren wie die gekün­
digten Bausparer. L.H.
Nach der überwundenen aufsichtsrecht­
lichen Frage stand als zweite rechtliche
Hürde die Deal-Struktur im Mittelpunkt.
Zivilrechtlich müssen die Kunden bei un­
gekündigten Verträgen zustimmen, wenn
diese übernommen werden. Da dies bei
18 000 Verträgen in einer überschaubaren
Zeit praktisch unmöglich gewesen wäre,
nutzten die Vertragspartner eine Möglich­
keit des Umwandlungsgesetzes. Es er­
laubt, Verträge im Zuge einer Teilrechts­
nachfolge automatisch zu überführen.
Probleme mit den Kunden gab es keine.
Der Welcome-Letter wurde mit der Ready­
bank abgestimmt und die Mitarbeiter wur­
den speziell geschult. Auch im Nachhinein
gingen keine Beschwerdebriefe ein.
Extrem wichtig war auch eine sichere Mi­
gration der Daten. Auch das klappte vor­
züglich. Hoist ist durch den Kauf von For­
derungen auf Datenmigration spezialisiert.
Die eigene IT-Abteilung ist in der Lage,
Schnittstellen zu generieren. Erleichternd
kam hinzu, dass das IT-System der Ready­
bank übernommen wurde. Dieses System
ist hochflexibel und lässt es zu, Workflows
von der Genehmigung bis zur Ausbuchung
ohne Medienbrüche zu bearbeiten. Die ei­
gentliche Migration ging letztlich in nur drei
Monaten über die Bühne.
Das Portfolio der Readybank soll aber für
Hoist Finance erst der Anfang sein. Noch
in diesem Jahr sollen ein bis zwei Portfo­
lien der doppelten bis vierfachen Größe
hinzukommen. Die Voraussetzungen für
weitere Kredite sind geschaffen, genug
Potenzial am Markt gibt es.
Die Versuche einiger Anbieter, im deut­
schen Konsumentenkreditgeschäft Fuß zu
fassen, sind gescheitert. Zuletzt warf die
Allianz Bank das Handtuch. Der Markt
verdichtet sich, und Basel III wird weitere
Banken aus dem Markt drängen. Zudem
könnten Teilportfolien auf den Markt kom­
men, wenn Banken ihre Schwerpunkte
verändern. Gerade Kredite mit Zahlungs­
störungen erfordern viel Eigenkapital. Ge­
nau diese Randbereiche sind für Hoist
Finance interessant. ▬
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