Vorbeugung und Behandlung von Schleimhautschäden und

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Vorbeugung und Behandlung von Schleimhautschäden und
Vorbeugung
und Behandlung von
Schleimhautschäden
und Mundtrockenheit
nach Bestrahlung
und/oder
Chemotherapie
im Kopf-/Hals-Bereich
Dr. Maria Schulz
Dr. Heino Davids
2
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Vorwort
1997 sind die Mundpflegeprogramme erstmals im Druck erschienen. Von
Ärzten, Pflegepersonal und Betroffenen wurden sie als gute Hilfe angenommen. In der jetzigen Auflage sind die Mundpflegeprogramme überarbeitet
worden, wobei insbesondere die Schleimhautprophylaxe mehr in den Vordergrund gerückt ist. Hinzugekommen sind Hinweise zum Speichelersatz, kurze
Tipps zur Ernährung, Hinweise zur Schmerztherapie und zur Problematik der
Refluxerkrankung.
Bei der überwiegenden Zahl der Patienten mit einem Tumor im Kopf-HalsBereich findet sich die Trias:
–– starkes Rauchen
–– vermehrter Alkoholkonsum
–– schlechter Zahnstatus
Nach ausgedehnten Tumor-Operationen, z. T. mit Verlust der funktionstüchtigen Schleimhautoberflächen, in Verbindung mit kurativer-palliativer Strahlentherapie und gegebenenfalls Chemotherapie stehen die prätherapeutisch
schon ungünstigen Schleimhautverhältnisse, während und auch noch lange
Zeit nach Abschluss der Tumor-Therapie, unter besonderer Belastung.
Die trockene, infektanfällige Mundschleimhaut, insbesondere bei Strahlenepithelitis-Mucositis und Schleimhautulcerationen bei Chemotherapie, tritt
oftmals in den Vordergrund der Beschwerdesymp­tomatik.
Die Entwicklung standardisierter Mundpflegeprogramme sowohl für die
Prophylaxe als auch für die Therapie bakterieller und mykotischer Infektionen
war ein seit langem angestrebtes Ziel.
Frau Dr. Schulz war als Oberapothekerin über 3 Jahre im Rahmen interner
qualitätssichernder Maßnahmen in die klinischen Visiten unserer HNO-Klinik
mit einbezogen und nahm regelmäßig beratend von seiten ihres Fachgebietes
an der Tumor-Sprechstunde teil, so dass ihr das Krankengut der HNO-Tumorpatienten bestens vertraut ist.
Die dabei gewonnene Erfahrung führte zur Erstellung der sechs vorliegenden
Mundpflegeprogramme, wie wir sie nun schon seit Jahren in unserer Klinik
mit Erfolg anwenden. Die standardisierten Programme werden ebenso dem
weiterbehandelnden Arzt, der diese Patienten in der Regel seltener betreut,
an die Hand gegeben. Es ist unsere Absicht, durch die konsequente Anwendung dieser Mundpflegeprogramme, für die Tumor-Patienten im Kopf- und
Hals­bereich, ein Stück Lebensqualität wiederzugewinnen bzw. zu erhalten.
Dr. med. H. Davids
Chefarzt der HNO-Klinik
am Kreiskrankenhaus Lüdenscheid
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Einleitung
Bei Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich kann man nicht nur onkologische Wertmaßstäbe anlegen, man muss auch psy­cho­soziale Aspekte in die
Behandlung einfließen lassen.
Nach überstandener Operation ergeben sich für den Patienten mehrfache Probleme, die sein Wohlbefinden deutlich ein­schrän­ken: Schmerzen, psychische
Probleme der Krankheitsbewältigung, mögliche postoperative Infektionen,
notwendige Atemübungen, physiotherapeutische Maßnahmen und vor allem
auch Probleme im Mundbereich.
Letztere, induziert durch Zytostatikabehandlung, Operation und Strahlentherapie, können zu schweren Beeinträchtigungen der Mundschleimhaut, einem
schnell proliferierenden Zellsystem, führen. Diese ist somit besonders anfällig
für Strahlenschäden, hat aber bei einer gezielten Therapie eine schnelle Heilungstendenz.
Durch die operativen Maßnahmen werden natürlich Störungen der Innervation und Permeabilität der Arteriolen und Kapillaren die Folgen sein. Ausmaß
und Schwere sind ein wesentlicher Ansatz­punkt, lindernd bzw. heilend einzuwirken.
Soorbefall, Ulzerationen der Mundschleimhaut, Entzündungen jeglicher Art,
besonders nach Bestrahlung, Schmerzen beim Essen bzw. Schlucken sowie
Mundtrockenheit müssen gezielt behandelt werden, um diesen zusätzlichen
Leidensdruck beim Patienten zu mindern.
Um diese Patienten mit bestehenden bzw. akut auftretenden Problemen im
Mundbereich nach Operation, Bestrahlung und gleichzeitig bestehendem
Faktor XIII-Mangel (Wundhei­lungs­störungen) zu helfen, wurden, je nach klinischer Situation, folgende Mundpflegeprogramme erarbeitet:
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Problematik
Mangelernährung ist die häufigste Begleiterscheinung bei bösartigen Erkrankungen im Kopf/Halsbereich und ist Folge eingeschränkter Nahrungsaufnahme, da der Schluckvorgang durch Operation, Bestrahlung und Chemotherapie
erschwert ist. Deshalb ist eine wichtige Aufgabe in der Tumornachsorge diese funktionelle Störung zu behandeln. Die Patientin leiden unter Schmerzen,
Mundtrockenheit, schlecht heilenden Wunden, Bakterien und Pilzbefall.
Durch die Erkrankung und die onkologische Therapie ist die Schleimhaut derart geschwächt, dass die normalerweise in der Mundhöhle vorkommenden
Keime (Bakterien und Pilze) schon bei kleinen Schleimhautverletzungen zu Infektionen führen können. Deshalb ist bei allen Tumorpatienten eine besondere Pflege der Mundhöhle und der Zähne grundsätzlich erforderlich.
Das veränderte Milieu in der Mundhöhle sowie die Bestrahlung und ggf. Chemotherapie führen zur sogenannten radiochemotherapeutisch bedingten Mukositis und zu Zahnschäden durch Zerstörung des Zahnschmelzes.
Empfehlenswert ist es deshalb, zu Beginn der Strahlentherapie die Patientin
mit sogenannten Fluorschienen zu versehen, die zu einem Schutz des Zahnschmelzes dienen. Der Patient selber sollte bei seiner Erkrankung darauf achten, dass er möglichst Vitamin A - reiche Kost zu sich nimmt, da Vitamin A
einen besonderen Schutz der Schleimhaut gewährt.
Hierzu gehören:
Tomatensaft, Möhrensaft, Rote Beete Saft, Gemüsesäfte.
Da die käuflich zu erwerbenen Säfte in der Regel wegen ihrer Gewürzbeimischung nicht vertragen werden, weil sie ein Brennen in der Mundschleimhaut
verursachen, empfiehlt es sich, den Säften einige Tropfen Speiseöl (Olivenöl,
Sonnenblumenöl etc.) beizumischen, um den Gewürzen die Schärfe zu nehmen und den Drink gleitfähig zu machen. Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, wobei sich Mineralwasser – allerdings als sogenanntes „Stilles
Wasser“ – besonders zur Regulation des Mineralhaushaltes und zum Schutz
der Zähne eignet. Vermieden werden sollten auf alle Fälle alkoholische Mundwasser und chlorhexedinhaltige Spülungen. Auch Spülungen mit Kamillentee
führen zu einer Austrocknung der Schleimhäute und ist dementsprechend zu
vermeiden. Salbei-Tee hingegen hat einen positiven Effekt auf die Schleimhaut
und wirkt befeuchtend.
Wichtig ist die regelmäßige Mund- und Zahnpflege, wie sie in dem Mundpflegeprogramm I beschrieben ist. Eine wöchentliche professionelle Zahnreinigung durch den Zahnarzt ist zu empfehlen.
Die einzelnen Programme sind, in Rücksprache mit dem Arzt, individuell und
gezielt auf die Patienten abzustimmen.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Mundtrockenheit – Xerostomie
Die Mundtrockenheit ist für viele Patienten die unangenehmste und am meisten belastende Begleiterscheinung der Bestrahlung. Sie ist Folge verminderter
Speichelproduktion, insbesondere wenn die Speicheldrüsen durch die Bestrahlung nahezu ausgeschaltet worden sind. Bei eingeschränkter Schluckfunktion
und schlechtem Ernährungszustand liegt ein gestörter Wasserhaushalt vor.
Verstärkt wird die Mundtrockenheit zudem durch zahlreiche Medikamente,
insbesondere morphinhaltige Schmerzmittel, Herz-Kreislauf-Medikamente
und Schlaf- und Beruhigungsmittel.
Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, die im Durchschnitt 2,5 – 3 l
pro Tag betragen sollte:
Empfohlen:
–– Mineralhaltiges Wasser ohne Kohlensäure (sog. Stilles Wasser), da Kohlensäure zu Mund- und Schleimhautbrennen führt
–– Spülung der Mundhöhle mit NaCl-Lösung (positiver Effekt auf das
Flimmerepithel der Schleimhaut)
–– Kamillentee sollte wegen seiner austrocknenden Wirkung unbedingt
vermieden werden
–– Milch- und Kakaogetränke führen zum Verschleimen, wobei Joghurt
gut vertragen wird
Gut bewährt hat sich die Empfehlung, 2 – 3 Tropfen Speiseöl (Olivenöl, Sonnenblumenöl, etc.) in den Mund zu geben. Somit bildet sich eine gleitfähige
Emulsion. (Die Anwendung von Speiseöl zur Gleitfähigmachung der Schleimhaut sollte allerdings nicht angewendet werden unmittelbar vor oder während
der Bestrahlung, da sich hier durch die energiereichen Strahlen ein „Brateffekt“ ergeben kann und es zu Verbrennungen an der Schleimhaut kommen
kann.) Die Speichelproduktion kann angeregt werden durch Pilocarpin-haltige
Tropfen (2%ig), z. B. auch als Augentropfen im Handel oder durch den Apotheker herzustellen, diese sind jedoch verschreibungspflichtig.
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Speichelersatzmittel sollen großzügig zur Anwendung kommen, wobei fluoridhaltiger, auf Mucinbasis hergestellter Speichelersatz am geeignetsten
erscheint, insbesondere zum Schutz des Zahnschmelzes (Zahnschmelz ist
durch die Bestrahlung gefährdet). Bei unseren Patienten findet Saliva medac
die größte Akzeptanz. Weiterhin gibt es Glandosane und Ptyalin etc., die jedoch bei Tumorpatienten als weniger geeignet erscheinen. Vermieden werden
sollten alle zuckerhaltigen Substanzen, da es hier zu Kariesbildung und weiteren Zahnschäden kommen kann.
Die konsequente Therapie der Mundtrockenheit verbessert die orale Funktion,
so dass die Nahrungsaufnahme erleichtert wird. Die sozialen Aktivitäten werden weniger eingeschränkt, insbesondere das Sprechen – besondere Bedeutung bei kehlkopflosen Patienten. Vermieden werden sollte auf alle Fälle die
allgemeine Empfehlung Bonbons zu lutschen, da der Zuckergehalt bei ohnehin gestörtem Mundmilieu die Zahnkaries fördert.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Ernährung
Zur Ernährung sollen nur wenige Tipps gegeben werden.
"Richtig essen nach Kehlkopfoperation" im Trias Verlag. Dieses
Buch eignet sich natürlich auch als Rezeptbuch für sonstige Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich.
Es gilt jedoch die Vermeidung von:
–
Fruchtsäuren
–
scharfen Gewürzen
–
kohlensäurehaltigen Getränken
–
austrocknenden Tees, insbesondere Kamillentee
–
Milch, Kakao – Verschleimungstendenz
Das Kochbuch
können Sie bei der
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Empfohlen:
–
Häufig kleine Mahlzeiten, gut gleitfähig
–
ausreichende Flüssigkeitszufuhr
–
fettreiche Nahrung, da guter Gleiteffekt
Die Gleitfähigkeit kann unterstützt werden durch Gleitmittel, z. B. sogenannte
MCD-Ampullen (Fa. Fresenius).
Gezielte Ernährungstherapie sollte erfolgen mit:
–
Kohlehydraten
–
möglichst fett- und proteinangereicherter Nahrung
–
Ballaststoffen
–
Energiebedarf: 35 kcal/kg Körpergewicht
–
Flüssigkeitsbedarf: mind. 40 ml/kg Körpergewicht/Tag
Vermieden werden sollten Nahrungsmittel, die die Schleimhaut angreifen.
Hierzu gehören Produkte, die Schimmel enthalten, auch Schimmelkäse, nitrathaltige Produkte, gegrillte und gebratene Speisen, schleimbildende Lebensmittel und Gewürze.
Wichtig ist, dass die Nahrung für den Patienten entsprechend vorbereitet
wird, dazu gehören Maßnahmen wie Zerkleinern, Verflüssigen, Passieren, Andicken, Portionieren, Dämpfen, Schmoren und Dünsten.
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Mit der Erkrankung geht, bedingt durch die Erkrankung selbst, die Medikamenteneinnahme, Strahlen- und Chemotherapie, oft eine Appetitlosigkeit
einher.
Hier einige Tipps, um gegen die Appetitlosigkeit anzugehen.
1. Das Auge isst mit – auch breiige, passierte und flüssige Kost sollte so
zubereitet werden, dass sie für den Patienten appetitlich erscheint.
2. Kleine Mahlzeiten – da das Essen meist nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist, sollte man sich auf kleine Mahlzeiten einstellen,
aber dafür öfter etwas Essbares zu sich nehmen.
3. Essen im Kreis der Familie – Essen ist eine kommunikative Tätigkeit.
Man sollte sich wieder bemühen, am Familienessen teilzunehmen,
und Essen mit Freunden zu arrangieren.
4. Morgens ist der Appetit am größten – man sollte immer Essen, wenn
der Appetit am größten ist und das ist physiologischerweise in den
Morgenstunden der Fall, so dass man sich gewöhnen sollte, hier ein
ausgiebiges Frühstück zu sich zu nehmen.
5. Häufig essen – wenn Lust dazu besteht
6. Nicht zum Essen zwingen
7. Meidung von stark riechendem Essen – wenngleich, insbesondere bei
kehlkopflosen Patienten, das Riechvermögen stark eingeschränkt ist,
führt stark riechendes Essen eher zu Abneigungsgefühlen.
8. Essen für unterwegs
9. Medikamentöse Appetitanregung – Es gibt eine Reihe Medikamente,
die ärztlich zu verordnen sind, um den Appetit wieder anzuregen.
Insbesondere bei fehlendem Geruchsvermögen fehlt auch der Appetit, der Anreiz zum Essen. Unterstützt werden kann diese Maßnahme
z. B. durch Aromatherapie. Entsprechende Präparate sind über die
Apotheke zu beziehen.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Wichtig bei der Nahrungsaufnahme ist für die Tumorpatienten, dass das Essen
nicht scharf ist, jedoch gewürzt.
Gut verträgliche Gewürze sind:
Basilikum, Dill, Estragon, Kümmel, Majoran, Petersilie, Rosmarin, Schnittlauch, Salbei, Thymian, Zitronenmelisse, Zitronenthymian, milder Apfelessig, milder Balsamico, milder Senf.
Unverträgliche Gewürze sind:
Cayennepfeffer, Chilischoten, Curry, Muskatnuss, Paprika, Pfeffer, Ingwer,
Meerrettich, Peperoni, scharfer Essig, scharfer Senf, Zitronensaft.
Ferner ist für die Zubereitung des Essens wichtig, dass es leicht zu schlucken, aber dennoch ein ballaststoffreiches Essen ist, da dies für die Verdauung wichtig ist.
Ballaststoffreiche Kost ist:
1. Obst, Gemüse, Kartoffeln, Vollkornprodukte, Vollkornnudeln,
Vollkornbrot, Joghurt, Dickmilch.
2. Dörrobst
3. Brottrunk – beim Bäcker erhältlich
4. Fermentierter Tee
5. Hafer-, Weizenkleie
6. lauwarmes Wasser fördert die Verdauung
Damit man genussvoll essen kann, ist es wichtig, dass das Essen in einer geruchsneutralen Atmosphäre stattfindet. Hierzu gehören frisch gelüftete Räume, bei denen auf die entsprechende Raumlufthygiene zu achten ist.
Durch die spezielle Erkrankung leidet der Patient unter Ausdünstungen, die
insbesondere für seine Familie und sonstige Begleitpersonen zu einer Geruchsbelästigung werden kann, wie z.B. beim gemeinsamen Essen. Neben den
Anforderungen an die erhöhte Körperhygiene ist es möglich, die Geruchsbelästigung im Raum durch die Anwendung von Nilodor Tropfen zu verbessern.
Wenige Tropfen Nilodor im Raum verteilt führen dazu, dass üble Gerüche beseitigt werden und ein neutrales Raumluftklima entsteht.
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Reflux – nächtlicher Magensäurerückfluss
in den Magen
Ein vielfach vernachlässigtes Problem ist der nächtliche gastrooesophageale
Reflux (Magensäurerückfluss).
Der Rücklauf der Magensäure während der Nacht bis in den Rachen und
Mundhöhle schädigt die Schleimhaut und führt zu Mundtrockenheit, Reizerscheinungen, Verschleimtsein und erhöhter Infektanfälligkeit.
Neben den bekannten prädisponierenden (begünstigenden) Faktoren führt
insbesondere abendlicher Alkoholkonsum zu Reflux, ebenso wie späte Nahrungsaufnahme. Weitgehend unberücksichtigt bleibt der medikamentös induzierte (ausgelöste) Reflux.
Besonders Herz-Kreislaufmittel, Antidepressiva, Hochdruckmedikamente,
Beruhigungs- und Schlafmittel sowie Schmerzmittel führen zum nächtlichen
Säurereflux, gerade auch in liegender Position. Die Behandlung mit Protonenpumpenhemmer, wie Antra bzw. Antra mups, besonders durch die Gabe einer
Abenddosis, hat sich in der täglichen Praxis bei diesen Patienten bewährt.
Der nächtliche Rückfluss von Magensäure kann durch ein spezielles Untersuchungsverfahren, die sog. pH-Metrie festgestellt werden. Gerade bei Patienten mit Tumoren im Kopf-Halsbereich nach Strahlen- und Chemotherapie
wird durch den Säurerückfluss die Schleimhaut zusätzlich geschädigt und verschlimmert die ohnehin problematischen Verhältnisse in der Mundhöhle. Deshalb sollte hier konsequent eine Abklärung und Behandlung erfolgen.
Die Therapie sollte erfolgen mit Protonenpumpenhemmern wie z.B. Nexium,
wobei besonders auf die Abenddosierung Wert zu legen ist.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Schmerzen
Schmerzen im Mund-Rachenbereich verhindern eine ausreichende Nahrungsaufnahme.
Unbestritten ist eine wirkungsvolle Schmerztherapie wichtig für eine vernünftige Nahrungsaufnahme. Jedoch sollten nur Schleimhaut schonende
Schmerzmittel verwendet werden, die nicht zu einer lokalen Schleimhautreizung führen, wie z.B. aspirinhaltige Mittel. Hinzu kommt, dass morphinhaltige
Schmerzmittel die Schmerzen zwar nehmen, aber die Mundtrockenheit erheblich verstärken und somit einer ausreichenden Nahrungsaufnahme wegen trockener Schleimhaut wieder entgegenstehen.
Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit der Gabe von sog. Cox-2-Hemmern. In Bezug auf Schleimhautreizung und Mundtrockenheit haben sie nicht
die Nebenwirkungen wie die anderen genannten Stoffklassen. Allerdings sind
diese Schmerzmittel in der letzten Zeit in die Kritik geraten, insbesondere wegen unerwünschter kardialer Nebenwirkung, so dass bereits einige Präparate
aus dem Handel genommen worden sind. Derzeit stehen uns als orales Präparat noch Bextra zur Verfügung und Dynastat als i.v. Präparat. Beide Präparate
sollten allerdings nur unter strenger Indikationsstellung zur Anwendung kommen.
Viele Schmerzen werden ausgelöst durch lokale Schleimhautwunden und
Operationsnarben. Um zentral wirksame (damit austrocknende) Präparate einsparen zu können, empfiehlt sich die lokale Schmerzbehandlung durch Gabe
von anästhesierenden Schleimhautgels zur Schmerztherapie:
–– Xylocain-Gel
–– Gelicain
–– Dynexan Mundgel
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Mundpflegeprogramm I
Bisher keine Komplikationen
1. Weiche Zahnbürste in ethanolischer Chlorhexidinlösung (Chlorhexamed-Lösung) aufbewahren. Vor Gebrauch der Zahnbürste muss dieses
allerdings mit Wasser abgespült werden.
2. 4 x täglich Zähne putzen mit Emser Zahnpasta,
bzw. Zahnpasta ohne Alkohol verwenden (nach
jeder Mahlzeit und vor dem Schlafengehen).
3. 4 x täglich mit Betaisadona Mundantiseptikum
Lösung spülen.
Bisher keine Komplikationen bei Faltenzunge
4. Lippen regelmäßig mit Bepanthen Augen- und
Nasensalbe eincremen.
5. Bei Zahnprothese: Gebiss mit Zahnpasta putzen,
mit Wasser abspülen, danach reinigen mit Hexoral; nicht eingesetzte Zahnprothesen in Hexoral
legen. Vor Einsetzen der Zahnprothese nochmals mit Wasser abspülen.
6. Spülung der Mundhöhle mit Emser Sole. Dies
führt dazu, dass sich die Beweglichkeit der Flimmerhärchen auf der Schleimhaut besser erholt.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Mundpflegeprogramm II
Bei Pilzinfektion
Es sind die Hinweise aus dem Mundprogramm I ebenfalls zu beachten.
1. Weiche Zahnbürste in ethanolischer Chlorhexidinlösung
(Chlorhexamed-Lösung) aufbewahren.
2. 4 x täglich Zähne putzen mit Emser Zahnpasta
(nach jeder Mahlzeit und vor dem Schlafengehen).
3. 5 x täglich gurgeln mit Hexoral oder Lorgyl oder
Wasserstoffperoxydlösung 3 %ig (1 Esslöffel/1 Glas Wasser).
4. Candio-Hermal Suspension im Mund verteilen, 1 Minute
ein­wirken lassen, dann schlucken (4 x täglich 8 ml).
5. Offene Stelle mit Pyoktaninlösung 2% betupfen.
6. Lippen regelmäßig mit Bepanthen Augen- und Nasensalbe
eincremen.
7. Bei Zahnprothese: Gebiss mit Zahnpasta putzen, mit Wasser
ab­spülen, danach reinigen mit Hexoral.
8. 5 - 10 Minuten vor jeder Mahlzeit Lidocain-Schleimhaut-Haftgel
(Rezept siehe Seite 19) oder Dynexan-A-Gel anwenden.
9. Spülung mit NaCl-Lösung oder Emser Sole.
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Mundpflegeprogramm III
Bakterielle Infektion
Es sind die Hinweise aus dem Mundprogramm I ebenfalls
zu beachten.
1. Weiche Zahnbürste in ethanolischer Chlorhexidinlösung (Chlorhexamed-Lösung) aufbewahren.
2. 4 x täglich Zähne putzen (nach jeder Mahlzeit
und vor dem Schlafengehen).
3. 5 x täglich Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung (Natri­umchloridlösung 0,9 %,
1 Esslöffel Kochsalz / 1 l abgekochtes Was­ser),
Wasserstoffperoxidlösung 3 % (1 Esslöffel /
1 Glas Wasser) oder Salbeiaufguss (2,5 %ig,
3 gehäufte Teelöffel / 100 ml kochendes Wasser).
„Schwarze Haarzunge” nach vorangegangener langfristiger Antibiotika-Therapie bei
bakterieller Infektion (keine Krankheit)
4. Candio-Hermal Suspension im Mund verteilen,
1 Minute einwirken lassen, dann schlucken
(4 x täglich 8 ml).
5. Offene Stelle mit Terracortril Gel betupfen.
6. Lippen regelmäßig mit Bepanthen Augen- und
Nasensalbe eincremen.
7. Bei Zahnprothese: Gebiss mit Zahnpasta putzen,
mit Wasser ab­spülen, danach reinigen mit
Hexoral.
8. 5 -10 Minuten vor jeder Mahlzeit LidocainSchleimhaut-Haftgel (Rezept siehe Seite 19)
oder Dynexan-A-Gel anwenden.
9. Spülung mit Betaisodona Mundantiseptikum
Lösung.
10. Anwendung von Locabiosol-Spray.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Mundpflegeprogramm IV
Prophylaxe und
Therapie der Strahlenstomatitis
1. Lokale Kryotherapie im Mund
–– zerstoßenes Eis lutschen
–– in Kugelform gefrorenen Ananassaft lutschen (Rezept siehe Seite 19)
Inhaltsstoff Bromelain ist entzündungshemmend, wundheilungsfördernd.
2. Sucralfatprophylaxe
4 x täglich Ulcogantsuspension 1 - 3 Minuten im Mund bewegen.
3. Behandlung mit Beriglobin (durch den betreuenden Arzt)
0. Tag:
10 ml Beriglobin i.m. handwarm
2. und 4. Tag:
je 5 ml Beriglobin i.m. handwarm
am 6. Tag:
deutliche Besserung
4. Speichelersatz durch Gabe von Saliva Medac
5. Spülung mit Betaisodona Mundantiseptikum
6. Regelmäßige Spülung mit NaCl-Lösung oder Emser Sole – dies
fördert die Schleimhautzielientätigkeit.
(Während der Bestrahlung keine Schleimhautpflege mit Öl-Bratpfanneneffekt).
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Mundpflegeprogramm V
Behandlung der
trockenen Mundschleimhaut
1. Physiologische Kochsalzlösung
Durch die Spülung mit 0,9 % Natriumchloridlösung = Koch­
salzlösung
(1 Essl. Kochsalz auf 1 l abgekochtes Wasser) wird die Schlagfrequenz
der Flimmerepithelien beeinflusst, was zu einer besseren Benetzung der
Schleimhaut führt.
2. Sucralfat (Ulcogant)
Sucralfat führt zu einer Viskositäts- und Permeabilitätsänderung
der Schleimhaut und zu einer Steigerung der Schleim- und Bi­
car­­
bonatproduktion. Dieses führt zu einem verbesserten Schleimschutzfilm
mit folgender Wirkung:
–– geringere Schleimhautschäden bei Bestrahlung
–– weniger Schluckbeschwerden
–– geringere Schmerzen
3. Saliva Medac
(künstlicher Speichel)
4. Lemon-Sticks Pagavit
Befeuchtete Wattetupfer mit Zitronenaroma
5. Pilocarpin Tropfen 2 % ig durch den Arzt verordnen lassen.
6. Tropfenweise Applikation von Speiseöl (Olivenöl, Sonnenblumenöl, etc.). Mehrfach 2 – 3 Tropfen unter die Zunge geben;
dadurch bildet sich eine Suspension in der Mundhöhle, die
den Gleiteffekt fördert.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Mundpflegeprogramm VI
Prophylaxe der Mundschleimhautulceration bei Chemotherapie
1. Fluorouracil und Leucovorin
Ulcogant Suspension im Mund bewegen.
Lokale Kryotherapie im Mund
–– zerstoßenes Eis lutschen
–– in Kugelform gefrorenen Ananassaft lutschen (Rezept siehe Seite 19)
Inhalts­
stoff Bromelain ist entzündungshemmend, wundheilungfördernd.
Prostaglandin E-Tabletten (Cytotec) im Mund zergehen lassen
Allopurinol-Mundspülung
16mg/ml Allopurinol (3 Tabletten Allopurinol 300 mg pro 150 ml Aqua
dest.)
–– 5 Minuten mit dieser Lösung den Mund spülen.
2. Methotrexat
–– Rescue-Therapie spätestens 24 Stunden nach Methotrexatgabe beginnen. Leucovorin-Lösung aus der Ampulle im Mund bewe­gen (10 mg
Folinsäure in 1 ml Wasser), Wiederholung alle 3-6 Stunden.
–– Systemische Gabe von Leucovorin 6 mg Folinsäure/m2 bis 15 mg Folinsäure/m2 Körperoberfläche alle 3-6 Stunden i.m. (i.v.).
–– Beginn der Schutzbehandlung spätestens 24 Stunden nach Be­ginn
der Methotrexat-Infusion.
–– Ende der Schutzbehandlung frühestens 72 Stunden nach Beginn der
Methotrexat-Infusion.
4. Speichelersatz durch Gabe von Saliva Medac
5. Spülung mit Betaisodona Mundantiseptikum
6. Regelmäßige Spülung mit NaCl-Lösung oder Emser Sole.
7. Tropfen Speiseöl unter die Zunge, damit sich eine gleitfähige
Emulsion bildet, die das Schlucken erleichtert.
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Rezeptur
Herstellung von Lidocain-Schleimhaut-Haftgel
Bei der Herstellung des Lidocain-Schleimhauthaftgels lehnen wir uns an
eine Vorschrift der Apotheke des Klinikums der Justus-­Liebig-Universität
in Gießen, Leiter A. May, an.
Zusammensetzung:
Lidocainhydrochlorid 1,5 g
Gelzubereitung (siehe unten)
47 ,0 g
Sacchillen 7 Stück
Zitronenöl
9 Tropfen
Pomeranzentinktur
5,0 g
Aqua dest.
46,0 g
Gelzubereitung:
Tylopur MH 300
3,3 g
Aqua dest. ad 47 ,0 g
Herstellung von Ananas-Eis
Ananassaft, Bromelain enthaltend und somit wundheilungsfördernd, wird
in einer Form ausgegossen, die das Eis zu Kugeln formt. Auf diese Weise
soll vermieden werden, dass die bereits vorgeschädigte Mundschleimhaut
der Patienten zusätzlich durch scharfe Kanten verletzt wird. Saure Zusätze wie z.B. Zitronensäure dürfen nicht enthalten sein, weil sie die Mundschleimhaut reizen und Schmerzen verursachen können. Nach Lagerung
im Tiefkühlfach werden die Eiskugeln aus der Form gelöst und in eine
Kruke abgegeben.
Da eine angebrochene Flasche Ananassaft nur kurze Zeit haltbar ist, wird
der Inhalt einer Flasche in mehrere kleine Portionen aufgeteilt, die unabhängig voneinander verbraucht werden können. Das nötige Volumen für
die Füllung einer Eisform wird unter der Laminar-Flow Werkbank in eine hitzesterilisierte Injektions- oder Infusionsflasche gefüllt. Der Saft wird
dann höchstens sechs ­Monate im Kühlschrank gelagert. Das Eis hat eine
Haltbarkeit von 14 Tagen.
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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Schlusswort
Mit Hilfe dieser regelmäßigen und gezielten Mundpflege kann der Leidensdruck stark gemindert und die Lebensqualität des Be­trof­fenen spürbar gesteigert werden. Das Gelingen dieser Behandlung setzt allerdings eine hohe
Disziplin und Ausdauer beim Patienten voraus. Diese Mundpflegeprogramme
müssen konsequent und regelmäßig durchgeführt werden, sonst bleibt der
Therapieerfolg aus.
Der regelmäßige Besuch beim HNO- oder Hausarzt bzw. beim Strahlentherapeuten sichert die genaue Einschätzung des Zu­stan­des der Mundschleimhaut,
auch nach Beendigung der Strahlen- bzw. Chemotherapie.
Dem behandelnden Arzt sollten diese Mundpflegeprogramme vorgelegt werden. Er wird das jeweils zutreffende Programm auswählen und die dafür notwendigen Medikamente verordnen.
Individuelle Rezepturen sollten das Ziel haben, Schmerzen beim Essen, Appetitlosigkeit und drohendem Gewichtsverlust soweit wie möglich einzugrenzen,
um Maßnahmen wie parenterale und enterale Er­näh­rung nur in zwingenden
Situationen durchführen zu müssen. Der Krankenhausaufenthalt des Patienten soll dadurch soweit wie möglich verkürzt, sein Leidensdruck verringert
und seine Lebensqulität verbessert werden.
Literaturhinweis:
Beim Verfasser
Anschriften der Verfasser:
Dr. Maria Schulz
Schloß-Apotheke
Puschkinstraße 14
07586 Bad Köstritz
Dr. Heino Davids
Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik
Kopf- und Halschirurgie,
plastische Operationen,
Klinikum Lüdenscheid,
Paulmannshöher Straße 14
58515 Lüdenscheid
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Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
Persönliche Notizen
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
21
Persönliche Notizen
22
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
SERVOX –
Die Marke für Laryngektomie & Tracheotomie
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[email protected]
www.servona.de
Schleimhautschäden und Mundtrockenheit
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