Welpenprobleme – Problemwelpen

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Welpenprobleme – Problemwelpen
Welpenprobleme – Problemwelpen: angeborene Fehlbildungen
Bei Säugetieren, die bei einer Geburt mehrere Nachkommen haben, wie bei Katzen, Hunden oder Schweinen gibt
es tendenziell mehr missgebildete Neugeborene als bei Menschen, Pferden oder Kühen, wo nur ein Sprössling zur
Welt kommt. Das ist ganz normal und darum kann es auch in einem Papillonwurf mal einen „fehlerhaften“ Welpen
haben. Es sind nicht viele, dessen bin ich mir nach Aufzucht von fast 800 Welpen seit 1966 sicher und würde ihre
Zahl auf ca. 2 ½ % schätzen.
Bei ganz gravierenden Defekten werden die Welpen tot geboren oder überleben die ersten 48 Stunden nicht.
Manchmal sieht man, was nicht stimmt: ein „offener Bauch“, bei dem sich die Bauchdecke nicht geschlossen hat,
eine sichtbare Kiefer-Gaumenspalte, die verhindert, dass der Welpe ein Vakuum bilden und an der Mutter saugen
kann. Es gibt keine Möglichkeit, solche Welpen aufzuziehen und das ist gut so.
Bei „geringeren“ Missbildungen ist es möglich, dass der
Welpe problemlos über die ersten Lebenswochen
kommt. Sie machen sich erst später bemerkbar – was
ein Drama für die Züchterfamilie ist! In meinen fast 800
Papillonwelpen in mehr als 40 Jahren habe ich einige
solche traurigen Dinge erlebt. Man muss als Züchter
darauf vorbereitet sein, darf Auffälligkeiten nicht negieren und irgendwie auffällige Welpen keinesfalls platzieren, bevor sie nicht exakt vom Tierarzt untersucht und
mit ca. 10 Wochen vom ihm gesund befunden wurden.
Foto mit Missbildung der Wirbelsäule, knapp 6 Wochen alt, war in
der Säugezeit unauffällig. Die Problematik tauchte mit dem Laufenlernen auf.
Auch wenn einmal ein Welpe mit Missbildung in einem Wurf ist, heisst das nicht, dass die Wurfgeschwister auch
tangiert sind. Sie können völlig gesund sein. Missbildungen bringt ein Welpe zwar mit auf die Welt, aber das heisst
noch nicht, dass er den Mangel von seinen Eltern geerbt hat. Gerade die Tatsache, dass Arten mit vielen Nachkommen bei einer Geburt mehr betroffen sind, deutet darauf hin, dass es teils „Unfälle“ bei der embryonalen Entwicklung sind, die zu Missbildungen führen.
Auch äussere Schadstoffe können zu missgebildeten Welpen führen, d.h. eine Vergiftung der Hündin in der frühen
Trächtigkeit. Solche äusseren „Noxen“ können einen ganzen Wurf schädigen, so dass mehrere Welpen mit einem
ähnlichen Defekt zur Welt kommen. Ich erlebte das 1992, als ich das ganze Obergeschoss, wo ich mit den Hunden
lebte, renovieren liess: neue Böden verlegt, geklebt mit Kunstharzkleber, alles frisch gestrichen, teils mit dauerhaften Acrylfarben. Tagsüber waren die Hunde im Garten, doch wenn die Handwerker gingen gegen 17 Uhr bis am
andern morgen waren wir alle in den frisch renovierten Räumen und es roch noch wochenlang nach Kunstharzkleber und Farbe. Eine Hündin war 2 Wochen vor der Renovation gedeckt worden. Der Wurf bestand aus 3 Welpen,
die alle eine gravierende Gaumenspalte aufwiesen! Vater der Welpen war mein alter englischer Rüde, der vorher
keine solchen Mängel vererbt hatte! Der Tierarzt wies darauf hin, dass der Kleber bis zu 85% aus Lösungsmitteln
bestehen könne und Schadstoffe wie Polychlorbutadien, Formaldehyd oder Isocyanate enthalte. Wenn die Hündin
während Tagen und Wochen sich in diesen Dämpfen aufgehalten habe, sei eine Entwicklungsstörung der Embryonen möglich. Vor mehr als 15 Jahren war das Bewusstsein, dass Baustoffe möglichst schadstoff-frei sein müssen,
noch nicht so verbreitet und gängige Produkte alles andere als unbedenklich. Damals wurde mir erst klar, dass
nicht alles, was die Welpen mit auf die Welt bringen, durch die Gene verursacht ist!
Man kann sicher nicht alle Defekte auf „Umwelt- und Entwicklungsschäden“ zurückführen. Es gibt Mängel, die
einen genetischen Hintergrund haben können, doch die Abgrenzung ist sehr schwierig. Wenn sich ein bestimmtes
Problem in der Rasse häuft, könnte ein familiäres genetisches Defizit vorhanden sein. Der verantwortungsbewusste Züchter ist gut beraten, Welpen die sterben oder eingeschläfert werden müssen, durch den Tierarzt an die Pathologie zu geben. Nur dann bekommt er einen sicheren Befund, kann schriftliche Unterlagen in ein Mäppchen ablegen und bei Bedarf Jahre später wieder konsultieren, wenn sich ihm eine Frage stellt.
Am häufigsten kamen in meinen Papillonwelpen Gaumenspalten vor, es war etwa eine auf 100 Welpen. Einen richtig „offenen Bauch“ habe ich hingegen nie gesehen, weiss nur, dass es einzelne Fälle bei befreundeten Züchtern
gab, in den 70-er Jahren mehr als in den letzten 20 Jahren.
Nach der Gaumenspalte sind Herzfehler wohl die häufigste Fehlbildung bei neugeborenen Papillons – bei Menschenkindern übrigens auch.
Herzfehler sind auch mehr als einmal in meinen Welpen vorgekommen. Ein etwa 4-wöchiger Welpe verhielt sich
auffällig, sass da mit nach oben gestrecktem Kopf und schien mir eine bläuliche Zunge zu haben. Ich dachte an
Wespen- oder Bienenstich als Ursache für eine allergische Reaktion. Leider diagnostizierte der Tierarzt ein schweres Herzgeräusch und schloss auf ein grosses Loch in der Wand zwischen beiden Herzkammern (Ventrikel-Septum-Defekt). Es blieb nur, den Kleinen zu erlösen. In zwei weiteren ähnlichen Fällen wurde die Diagnose beim Untersuch (Auskultation) vor der Impfung vom Tierarzt festgestellt. Beide Welpen habe ich behalten, denn die Prognose bei so schweren Herzfehlern heisst: ein kurzes Leben. Sie wurden 4 und 6 Monate alt, bis sie zeigten, dass
sie nicht mehr rennen können und das Herz nicht mehr mitmacht. Ich habe aber Verständnis dafür, wenn der Züchter bei einer solchen Diagnose mit 8-9 Wochen den Welpen vom Tierarzt einschläfern lässt.
Neben solchen Defekten zwischen den Herzkammern kommt bei Hunden auch öfter eine Gefässmissbildung am
Herzen vor. Vor der Geburt werden die Welpen von der Mutter über die Plazenta mit Sauerstoff versorgt und nicht
über die Lunge. Im fetalen Kreislauf ist der sog. Ductus arteriosus darum eine notwendige Verbindung zwischen
der Lungenschlagader und der Aorta. Er muss sich innert weniger Tage nach Geburt beim Welpen schliessen, damit die Sauerstoffversorgung über die Lunge normal funktioniert. Wenn er bestehen bleibt, spricht der Tierarzt vom
persistierenden Ductus arteriosus, kurz PDA. Er verursacht nicht immer ein verdächtiges Herzgeräusch und wird
mit einer Herzultraschall-Untersuchung diagnostiziert. Früher oder später wird eine Herzinsuffizienz die Folge sein.
PDA wird in manchen Rassen gehäuft festgestellt und als erbliche Disposition betrachtet. In den Papillons ist es
ein sehr seltener Defekt und ein Bezug auf familiäre Disposition ist nicht erkennbar.
Der „Wasserkopf“ oder Hydrocephalus ist eine
Fehlbildung, die mit dem extremen Zwergwuchs
zusammenhängt. 1967 hatte ich den ersten solchen Welpen in meinem 3. Wurf – und wusste es
gar nicht. Der Kleine wurde 10-wöchig platziert und
kam nach kurzer Zeit wegen seiner „Eigenarten“
zurück. Er war geistig behindert, begriff nicht, was
man von ihm wollte, lief manchmal sinnlos im
Kreis. Es war meine erste Erfahrung überhaupt mit
einem angeborenen Defekt. Darum weiss ich, dass
ein „junger“ Züchter mangels Erfahrung solche Dinge übersehen könnte, weil er Fehlverhalten (noch)
nicht richtig einschätzen kann. Eine relativ grosse
offene Fontanelle oder ein nicht symmetrisch geformter Schädel müssen immer Anlass sein, den
Welpen dem Kleintierarzt vorzustellen mit der Frage, ob ein Wasserkopf vorliegen könnte.
Foto: extrem kleiner Welpe mit breiter Stirn und offener Fontanelle, hatte keinen Wasserkopf.
Heute ist die Diagnose mit Ultraschall sehr einfach – damals vor 40 Jahren konnten die Tierärzte nicht einmal röntgen. Einen minimalen Hydrocephalus kann man allenfalls an „eigenartigem“ Verhalten feststellen, wenn er gravierender ist, können Krampfanfälle oder Bewusstlosigkeit auftreten. In den letzten 10 Jahren habe ich das bei Papillons nie mehr gesehen oder gehört. Sie sind nicht mehr so kleine Zwerge, wie sie einst waren. Das „Wunschgewicht“ war früher „unter 3 kg“ und die heutigen Rassevertreter sind viel kräftiger. Der Züchter sollte aufmerksam
bleiben.
Ein ähnlicher Defekt durch „falsche“ Blutgefässe wie beim Herzen kann auch in der Leber auftreten. Eigene Erfahrungen damit habe ich nicht. Beim „Liver-Shunt“ oder richtig portosystemischen Shunt wird ein Teil des Blutes nicht
zur Leber geführt, um dort entgiftet zu werden. sondern fliesst direkt in die hintere Hohlvene. Beim Föten arbeitet
die Leber (noch) nicht, denn das Blut wird über die Nabelvene in die Plazenta geführt. Kurz nach der Geburt muss
sich diese Verbindung schliessen. Bei einer Störung des Verschlusses, entsteht der gefürchtete „Liver-Shunt“. Bei
Papillons soll sich diese Gefässmissbildung ausserhalb der Leber befinden. Durch den Defekt wird die Leber mangelhaft mit Blut versorgt und kann sich nicht voll entwickeln. Zudem bleiben Abbauprodukte im Blut und verursachen eine zunehmende „Vergiftung“ mit Ammoniak, was zu Störungen des zentralen Nervensystems führt.
Betroffene Welpen sind nach Aussagen von Züchtern, die das erlebt haben, bis zum Alter von einigen Wochen
ziemlich unauffällig. Es soll sich bei Papillons um eine Gefässmissbildung ausserhalb der Leber handeln, die mit
gewissen Erfolgsaussichten operiert werden kann. Es ist in der Literatur von Vererbung die Rede. Die Zahl der Fälle in der Schweiz ist aber so minimal, dass man keine Aussagen darüber machen kann. Die Züchter sollten aufmerksam sein und Welpen mit Auffälligkeiten wie viel Durst (Verdacht auf Blasenentzündung), häufig dünnem Kot
oder nervösen Störungen exakt abklären lassen (Ultraschall-Untersuchung).
Mitte der 80-er Jahre musste ich Erfahrungen mit „Nieren-Dysplasie“ machen (auch renale Dysplasie genannt). Zuerst schien es, dass in den Würfen eines neu importierten Deckrüden grundloses Welpensterben wäre. Fast in jedem Wurf dieses Vaters starb ein Welpe in den ersten 2-5 Lebenstagen, ohne dass man sagen konnte, warum. Sie
wurden ganz normal und vital geboren, saugten anfangs, wurden immer schwächer, verloren Gewicht und starben.
An die Pathologie eingeschickt, kam kein konkreter Befund, nur dass sie „unterernährt“ und lebensschwach gewesen wären.
Bei einem Welpen, der zuerst vital schien, dann anfing zu kümmern am 3.
Tag, versuchte ich, die Saugunlust mit Flaschenernährung zu überwinden. Schliesslich schien er zu überleben, blieb zwar sehr klein, war aber
fröhlich und mit 2 Monaten einigermassen in Ordnung. Ich hatte mich zu
früh gefreut, im Alter von 4 Monaten starb er innert 48 Stunden an unstillbarem Erbrechen und Nierenversagen. Der Pathologe fand: angeborene
Nierendysplasie, d.h. völlig unterentwickelte, viel zu kleine Nieren und
hielt es für möglich, dass bei den gestorbenen Welpen der gleiche Defekt
vorlag, der nicht gefunden wurde, weil die Nieren neugeborener Papillons
winzig klein sind.
Ich hatte den bezüglich Welpensterben verdächtigen Champion-Rüden nicht mehr eingesetzt und wollte es jetzt
wissen: nochmals ein Wurf von ihm, nochmals ein nach 3 Tagen gestorbener Welpe und jetzt auch der Befund des
inzwischen „wissenden“ Pathologen: angeborene Nierendysplasie. Ich hab den Deckrüden aus der Zucht eliminiert
und auch seine Töchter bei mir. Seither gab es bei mir keinen Fall von Nierendysplasie mehr. Interessant ist, dass
der Importrüde einen berühmten Vater mit ungezählten Nachkommen hatte. Auch seine Mutter war in Ordnung. Es
gab in allen ihren Nachkommen keine Nierendysplasie, nur vom Rüden, den ich gekauft hatte. Dieser wurde mehr
als 15 Jahre alt. Vielleicht hat er durch eine spontane Mutation diesen Defekt vererbt. Es scheint ausser mir kein
Papillonzüchter so etwas festgestellt zu haben, niemand redet von Nierendysplasie und es ist mehr als 20 Jahre
nichts mehr aufgetaucht. Doch die Züchter sollten wachsam sein.
Nicht tödlich sind meistens Skelett-Defekte. Es kann passieren, dass ein Welpe nur mit 3 Pfötchen zur Welt
kommt, die vierte Gliedmasse ist nur zum Teil vorhanden. Solche Welpen können leben, doch es stellt sich die Frage, ob man sie am Leben lassen soll. Durch die Fortbewegung nur auf 3 Beinen sind sie gravierend handicapiert.
Man sieht den Defekt sofort bei der Geburt und kann den Neugeborenen beim Tierarzt einschläfern lassen. Die
Entscheidung muss der Züchter selber treffen.
Mehr als einmal in Papillonwelpen vorgekommen ist angeborene
Schulterluxation. Diesen Mangel sieht man erst im Alter von etwa
7-8 Wochen, wenn die Welpen richtig laufen. Obwohl eines der
Schultergelenke keine belastbare Verbindung zwischen Schulterblatt und Oberarm hat, können sie sich gut fortbewegen. Sie fallen auf, weil sie hinken und vorne etwas tiefer stehen als hinten.
Der intakte Vorderlauf wird im Stand in der Mitte unter den Körper
gestellt und der defekte entlastet, aber er wird im Laufen kurz mitbelastet und weil er verkürzt ist, wird das Hinken deutlich.
Eine Röntgenaufnahme gibt Aufschluss über den Defekt. Die
Lebensqualität ist nicht wesentlich eingeschränkt und es ist vertretbar, diese Welpen aufzuziehen und an einen rücksichtsvollen
Besitzer zu verschenken.
Welpe mit Schulterluxation, ca. 10 Wochen alt
Wir Züchter sind bei jedem Wurf gefordert, die Welpen gut zu beobachten, ob sie sich normal entwickeln und alles
in Ordnung ist. Wenn man nicht sicher ist, muss der Tierarzt die notwenigen Abklärungen treffen oder an eine spezialisierte Kleintierklinik überweisen.
Man muss das Thema angeborene Missbildungen auch in der richtigen Relation sehen: Etwa einer von fünfzig
Welpen ist bei mir im Durchschnitt aller Jahre mit einer angeborenen Fehlbildung zur Welt gekommen.

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