EHEC: Alarm im Darm
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EHEC: Alarm im Darm
Lebensmittelinfektionen ÜBERWACHUNG EHEC: Alarm im Darm Udo Pollmer, Manfred Stein >>> Alle rohen Lebensmittel bergen bekanntlich ein gesundheitliches Risiko, egal ob Muscheln, Mett oder Möhren. Die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten – weniger tierische Produkte und mehr pflanzliche Rohkost – hat selbstverständlich auch Folgen für die Verbreitung von Krankheiten. Bei Obst und Gemüse sind die wichtigsten Übertragungswege von Krankheitskeimen organischer Dünger (Fäkalien aller Art wie Mist, Gülle, Guano, Klärschlamm), die Art der Bewässerung (z. B. Beregnung aus einem Bach in den durch Regenwasser Fäkalien von Weide- oder Wildtieren gelangt sind), sowie das Anfassen der Ware durch Erntearbeiter. Ein Report der US-Verbraucherschutzorganisation „Center for Science in the Public Interest“ (CSPI) belegt, dass frisches Obst und Gemüse für deutlich mehr Salmonellenausbrüche verantwortlich ist als Geflügel. Zudem waren bei Masseninfekten durch Obst und Gemüse durchschnittlich mehr Menschen betroffen. (Obst und Gemüse: 47,8 Personen; Geflügel 30,6; Rindfleisch 27,4; Meeresfrüchte 9,9). Häufigste Ursache waren Noroviren, gefolgt von E. coli und Salmonellen. Beim aktuellen Ausbruch durch Sprossen in Deutschland waren es bei der Niederschrift bereits stattliche 3.250. Lebensmittelinfektionen sind mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. In den USA wird von jährlich 76 Millionen Infektionen gesprochen. Hiervon mussten 325.000 im Krankenhaus behandelt werden. Dennoch starben etwa 5.000 Patienten. Für England und Wales liegen die Zahlen bei 2,4 Millionen Erkrankungen pro Jahr, 21.000 Krankenhauseinweisungen und mehr als 700 Todesfällen. Für Deutschland fehlen vergleichbare Daten. EHEC vom Typ O157:H7 oder auch Salmonellen, die mit organischem Dünger auf dem Feld ausgebracht werden, bleiben ein halbes Jahr im Boden vital. Gelangen sie dabei auf Gemüse wie Radieschen oder Karotten, bleiben sie abermals Monate lang infektiös. Gleiches gilt für Grünsalate, die mit erregerhaltigem Wasser gegossen oder beregnet wurden. Da im Bioanbau nur organische Dünger erlaubt sind, handelt es sich in diesem Falle um eine Risikotechnologie. Umso mehr als die Fäkalien global eingekauft werden, z. B. in Form von Guano. Gegen eine Düngung von Getreide oder Kartoffeln mit Fäkalien ist hingegen wenig einzuwenden. Speziell Blattgemüse nehmen Keime wie E. coli oder Salmonellen über die Wurzeln auf. In diesem Falle bleibt selbst gründliches Waschen ohne Wirkung. Deshalb ist Rohkost grundsätzlich nicht für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser oder Altenheime geeignet. Dort werden auch keine rohe Eier verwendet, die bekanntlich mit der gleichen Problematik behaftet sind. Nicht umsonst kommt das Wort Gemüse von Mus – weil man es sinnvollerweise kocht. Besonders problematisch sind Schnippelsalate. Dies zeigen Untersuchungen des BfR; vor allem gegen Ende des MHD erreichten die Keimzahlen bedenkliche Werte. Die an den Schnittstellen austretenden Nährstoffe sind für viele Keime ein attraktives Medium. Die Feuchtigkeit in den Plastikbeuteln begünstigt das Wachstum. Bei Sprossen ist die Keimbelastung aufgrund der Aufzuchtbedingungen selbstevident. Dabei ist es gleichgültig, ob dies in Gärtnereien zum Vertrieb über den Handel oder im Haushalt auf der Fensterbank geschieht. Wer in Länder mit niedrigem hygienischen Standard reist, kennt die goldene Regel: Cook it, peel it or forget it. Und die meisten halten sich daran. Wenn aber genau diese Produkte aus den fraglichen Regionen importiert werden, kennt die Begeisterung für frische Trauben aus Indien oder Kräuter aus Afrika keine Grenzen mehr. Niemand würde Mett aus Ostafrika roh essen, aber Netzmelonen aus der Dritten Welt werden geschnitten, auf einen Teller gelegt und dann im Laufe eines sommerlichen Nachmittags den Kindern als Erfrischung in den Garten gestellt. In vielen Herkunftsländern gibt es nicht mal Kläranlagen. Da werden die Abwässer des Krankenhauses direkt zu Beregnung der Obstplantagen verwendet. In der rissigen Oberfläche der Netzmelonen sammeln sich pathogene Keime. Wenn dann die Fruchtstücke im eigenen Saft in der Sonne auf dem Teller liegen, finden exotische Erreger – egal ob Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten auf der Schale – alsbald einen neuen Wirt. Wesentliche Ursache des aktuellen EHEC-Ausbruchs war die Ernährungsberatung, die aller Welt einredete, frische Sprossen seien gesund. Besonders unrühmlich ist das Beispiel der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), die während des EHEC-Skandals ein Merkblatt im Internet anbot, das zur Eigenpro- duktion und umfänglichen Rohverzehr von Sprossen rät: Die würden nämlich die „Abwehrkräfte“ stärken. Der Preis für derartige „Empfehlungen“ sind bisher an die 800 HUS-Fälle und 36 Tote. Rohkost ist nicht gesund, sondern lediglich essbar – so wie rohe Eier auch. Die vielen medial versprochenen gesundheitlichen Vorteile ließen sich in rigorosen prospektiven Studien ausnahmslos nicht bestätigen. Wir verdanken der 5-am-Tag-Kampagne zumindest einen Teil der EHEC-Toten und der Menschen, die für den Rest ihres Lebens schwerst geschädigt sind. Um diese dubiose Kampagne mit wissenschaftlichen Belegen als Maßnahme zur Krebsvorbeugung zu untermauern, wurde in der EU vor über 20 Jahren die größte Ernährungsstudie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, EPIC) initiiert, die jemals in Europa durchgeführt wurde. Im Jahre 2000 wurde sie abgeschlossen, doch die Ergebnisse wurden erst 10 Jahre später publiziert. Diese Studie galt einst unter Ernährungsexperten als der ultimative Beweis für die Überlegenheit von frischem Obst und Gemüse – zumindest solange von den zahlreichen beteiligten Forschungsteams „passende“ Teilergebnisse an die Presse weitergereicht wurden. Die inzwischen vorliegende Gesamtauswertung zeigte die Nutzlosigkeit von Obst und Gemüse zur Vorbeugung vor Krebs. Da Angaben zur Gesamtmortalität fehlen, ist das Ergebnis mutmaßlich alles andere als ein Ruhmesblatt für die Ernährungsberatung. Eine „Entwarnung“ nach Abklingen der Neuerkrankungen ist seuchenpolitisch zynisch. Nicht nur, weil es noch viele andere Erreger gibt, die auf diesem Wege verbreitet werden, sondern auch, weil niemand weiß, wo die Bienenbütteler Biokeime überall hin verbreitet worden sind. Der Erreger treibt schon seit 10 Jahren sein Unwesen in Deutschland. Erstmals wurde er im Jahr 2001 bei einem an HUS erkrankten Kind in Münster diagnostiziert. Da aber nur ein Teil der Infizierten sichtbar erkrankt, ist die Infektionskette kaum rückverfolgbar. Das Genom des Erregerstammes, ein enteroaggregativer Escherichia coli (EAEC), weist auf einen Ursprung in Zentralafrika. Er wird von Reisenden – egal ob Touristen, Geschäftsleute, Gaststudenten, Wanderarbeiter – verbreitet. Da Reisedurchfälle vom Hausarzt meist mit Antibiotika behandelt werden, kommt es hier zur Resistenzbildung. Aus Sicht des BfR deutet Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung 7/2011 239 das Resistenzmuster „auf einen menschlichen Ursprung hin“. Der Keim enthält lediglich ein Element, das er von einem „echten“ EHEC übernommen hat. Erst mit gentechnischen Methoden ist es gelungen, die quasi identischen Krankheitsbilder zwei unterschiedlichen Keimen zuzuordnen. Womöglich ist das auch der Grund, warum eine Untersuchung aus Dänemark hatte schon vor Jahren ergeben, dass die EHEC-Keime, die zu menschlichen Infektionen führten, ausnahmslos andere waren, als in der Tierhaltung. Vom Menschen allerdings können sie wieder in Tierhaltung gelangen – z. B. durch Urlaub auf dem Bauernhof oder wenn Tiere bei der so genannten „Tiergestützten Therapie“ mit Patienten von Kliniken in Kontakt kommen. Bio-Mastrinder und Bio-Milchkühe unterscheiden sich weder in Hinblick auf die Häufigkeit von EHEC noch auf die Resistenzmuster von konventionellen Tieren. Zudem werden EHEC-Keime auch bei Wildtieren beobachtet wie Rotwild, Gämsen und Tauben. Vor allem letztere gelten als ein wichtiges Reservoir für Shiga toxinprodzierende E. coli O157:H7. Das Problem ist weniger die „Massentierhaltung“, die eine bessere Kontrolle von Keimen erlaubt als die Freilandhaltung, sondern primär die „Massenmenschenhaltung“ und ihre „Massenmedien“. Das befremdlichste an diesem Skandal war wohl die Tatsache, dass er sogar ange- kündigt worden war – doch die Medien gaben die Warnung nicht an die Bevölkerung weiter. Genau einen Tag bevor der erste Fall auftrat, hatte das BfR vor der Katastrophe gewarnt. Das Dokument vom 9. Mai trägt den Titel „hohe Keimbelastung in Sprossen und küchenfertigen Salatmischungen“. Dabei wird auf die EHECGefahr hingewiesen – speziell durch Sprossen, die im Biosektor erzeugt werden. Das BfR nennt aber nicht nur um EHEC sondern sorgt sich um die ganze Palette an Krankmachern in Salat und Konsorten: Listerien, Salmonellen, Bacillus cereus, Staphylococcen, Noroviren, Hepatitis-A-Viren und Schimmelpilze. In Kohlsalat zählen beispielsweise Listerien zur typischen Begleitflora. Bei Obst spielen vor allem Noroviren eine höchst unerfreuliche Rolle. Zahlreiche Todesfälle gehen jedes Jahr auf ihr Konto. Vor drei Wochen haben diese Viren in Hannover zwei Kliniken heimgesucht. Dort infizierten sich über die Küche fast 100 Personen – Patienten wie Personal. Wer frischen Salat essen will soll das bitte tun – aber nicht anderen, namentlich Schutzbefohlenen, als „gesund“ aufdrängen. Risiken sind allgegenwärtig. Wer zum Skifahren geht, weiß, dass er sich dabei die Knochen brechen kann. Er akzeptiert das Risiko, weil ihm der Wintersport Freude macht. Aber Skifahren beugt nicht Beinbrüchen vor. Wer frische Radieschen liebt, mag sie gerne essen, auch wenn dadurch das Risiko höher ist, fürderhin die Radieschen von unten betrachten zu müssen als bei einer Portion heißer Pommes mit steril verpacktem Ketchup. Angesichts des Kasperletheaters der Gesundheitspolitiker möchte man sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn ein hochvirulenter Erreger durch Reisende, Lebensmittel oder Bioterrorismus die Bevölkerung bedroht. In einem dichtbesiedelten Land besteht immer das Risiko einer rasanten Ausbreitung. Zum Schluss das erfreulichste Ergebnis des Skandals: Als der gastronomische Betrieb in Lübeck als eine Drehscheibe für die Keime – dank zugekaufter Sprossen – erkannt wurde, hat das Gesundheitsamt nicht etwa die Mitarbeiter des Betriebes überprüft – dies veranlasste erst der Inhaber und zwar auf eigene Kosten! Das hygienische Fachwissen ist in Kneipen offenbar solider als in so manch einer Gesundheitsbehörde. Faschingskrapfen Filet Stroganow nicht mehr bekannt. So hält der Name einer Speise die Erinnerung an ein ganzes Geschlecht wach. Herkunft und Entstehung Herkunft und Entstehung Diese Köstlichkeit aus Germteig ist in der närrischen Zeit unverzichtbar. Die Erfindung des Krapfens soll auf die Wiener Kuchenbäckerin Cäcilie Krapf, genannt Cilli, zurückgehen. Sie soll in ihrem Geschäft so genannte „Cillikugeln“ gefertigt und mit Früchten gefüllt haben. Für dieses Germgebäck wurde sie durch einem Hofball während des Wiener Kongresses so berühmt, dass allein im Jahr 1815 an die zehn Millionen Krapfen bei offiziellen Empfängen und Bällen verspeist worden sein sollen. Schmalzgebäcke, die unserem Krapfen vergleichbar waren, hat es aber schon lange vor Cäcilie Krapf gegeben. Bereits im 12. Jahrhundert waren sie bekannt und in Wien gab es schon 1486 die ersten „Krapfenpacherinnen“. Im von Conrad Hagger im Jahre 1719 herausgegebenen „Neuen Saltzburgischen Koch-Buch“, werden Germkrapfen beschrieben. Hagger war Küchenchef der Salzburger Erzbischöfe. Er hatte eine gründliche Ausbildung in den verschiedensten hochfürstlichen Küchen Europas genossen. Sein Krapfenrezept entspricht der heutigen Zubereitung, nur eine Füllung ist noch nicht erwähnt. Schmalzgebackenes war damals sehr beliebt und wurde das ganze Jahr gegessen, weil in jeden Haushalt im Gegensatz zu einem Backofen eine Schmalzpfanne vorhanden war. Jedes Jahr werden in Österreich etwa 100 Millionen Krapfen verspeist, davon die Hälfte in der Faschingszeit. Das Geschlecht der Stroganows zählte mehrere Jahrhunderte zu den reichsten und politisch einflussreichsten Familien in Russland. Immer bekleideten sie höchste Staatsämter am Zarenhof. Sie stammten ursprünglich aus Nowograd, südlich von Petersburg, wo sie als Händler tätig waren. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts zog die Familie an den Ural, dem Grenzgebirge zwischen Europa und Asien. Mit der Gewinnung von Salz machten sie ein riesiges Vermögen. Im Jahre 1558 erhielten die Stroganows von Zar Iwan dem Schrecklichen große Ländereien und das Recht eine eigene Armee zu führen. Die dem Zaren direkt unterstellten Stroganows waren so eine wichtige Bastion gegen die weiter im Osten herrschenden Tartaren. Vom Ural aus leiteten die Stroganows gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Eroberung und Erschließung Sibiriens ein und erreichten 1639 die Pazifikküste. Die Besitzungen der Stroganows umfassten schließlich etwa 36 Millionen Hektar Land. Im eisigen Sibirien soll das Gericht auch entstanden sein. Vom durch den Dauerfrost festgefrorenen Fleisch konnte der Koch der Stroganows nur die dünnen Filetspitzen und dünne Scheiben herunter schneiden. Das daraus hergestellte Gericht war aber so schmackhaft, dass es häufig gewünscht wurde. Immer wurde es aus Rindfleisch gekocht. Nach welchem Mitglied der Familie der Stroganows das Gericht benannt wurde, ist Literatur siehe www.das-eule.de Udo Pollmer, Dr. Manfred Stein Europäisches Institut für Lebensmittelund Ernährungswissenschaften e. V. Eppinger Straße 4 75050 Gemmingen [email protected] Geschichte der Gerichte 240 Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung 7/2011 Filet Wellington Herkunft und Entstehung Das Filet Wellington erinnert an einen großen Feldherrn. Der erste Herzog von Wellington wurde 1769 als Arthur Wellesley in Dublin geboren. Er schlug die militärische Laufbahn ein und führte schließlich 1815 die britischen Truppen in der Schlacht bei Waterloo, wo er gemeinsam mit den verbündeten Preußen unter Feldmarschall Blücher Napoleon vernichtend schlug. König George III adelte Wellington und übertrug ihm später auch das Amt des Premierministers. Ihm zu Ehren wurde das mit Pilzmasse bestrichene Rinderfilet im Blätterteigmantel, das ursprünglich aus Irland stammte, als „Filet oder Beef Wellington“ benannt, welches er gerne gegessen haben soll. Von manchen wird auch behauptet, dass das Filet den Namen des Herzogs deswegen erhielt, weil die fertige Speise den glänzenden braunen Gummistiefeln glich, deren Schnitt Wellington erfunden haben soll, und die in England noch heute als Wellingtons oder abgekürzt Wellies genannt werden. Hofrat Dr. Josef Schöchl Fanny von Lehnertstraße 1, A-5020 Salzburg [email protected]