Jungbrunnen für die Haut?
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Jungbrunnen für die Haut?
FOKUS: GESICHTSPFLEGE + DEKO PRODUKTENTWICKLUNG Stammzellen Jungbrunnen für die Haut? D a vor allem in Deutschland immer wieder über die Forschung an embryonalen Stammzellen für medizinische Zwecke und die damit verbundenen Risiken und ethischen Probleme diskutiert wird, ist es wichtig, die Grundlagen des kosmetischen Claims zu verstehen. Seit die Anti-Aging-Creme Amatokin von Voss Laboratories 2007 in den USA als erstes Produkt auslobte, Stammzellen in der Haut zu beeinflussen, nimmt die Zahl der Wirkstoffe und der kosmetischen Fertigprodukte, die darauf abzielen, die epidermalen Stammzellen zu schützen und zu regulieren ständig zu. Foto: Babor Was sind Stammzellen? Wirkstoffe aus pflanzlichen Stammzellen dürften demnächst boomen 12 COSSMA 9 I 2010 Dabei stellen sich vor allem folgende Fragen: • Was sind eigentlich Stammzellen? • Welche unterschiedlichen Typen gibt es? • Wo befinden sie sich in der Haut? • Welche Aufgabe erfüllen sie dort? Interessanterweise haben Stammzellen in der Haut mit den embryonalen Stammzellen, die man aus der Diskussion kennt, nur noch wenig gemeinsam, so dass hier ethische Bedenken gar keine Rolle spielen. Stammzellen sind undifferenzierte Zellen im Körper, die sich in unterschiedliche Zelltypen und Gewebe entwickeln können. Diese Differenzierung, also Veränderung bzw. Weiterentwicklung, spielt in der Entwicklung bzw. Entstehung des Menschen eine entscheidende Rolle. Ohne diese Alleskönner-Zellen wäre die Entstehung des Lebens, wie wir es kennen, unmöglich. Bei der Fortpflanzung des Menschen entsteht aus einer einzigen Zelle, nämlich der befruchteten Eizelle, ein ganzer Mensch, der aus unzähligen unterschiedlichen Zellen und auch Zelltypen besteht. Zellen, aus denen der gesamte Organismus entstehen kann, nennt man totipotente (alleskönnende) Zellen. Da es solche Zellen nur ganz zu Beginn der Entwicklung eines menschlichen Individuums gibt, www.cossma.com nennt man sie auch embryonale Stammzellen. Um genau diese Art von Zellen geht es in der ambivalenten Diskussion um die Stammzellforschung. Totipotente Stammzellen gibt es nur bis zum Achtzell-Stadium, also sofort nach der Befruchtung und bis zu 3 Zellteilungen später. Würde man diese Zellen einzeln „großziehen“, so könnte aus jeder Zelle ein Mensch entstehen. Dies geschieht z.B. bei eineiigen Zwillingen, ist also ein ganz natürlicher Vorgang. Nach dem Achtzell-Stadium beginnt ein Prozess, der sich Differenzierung nennt. Bei jeder weiteren Zellteilung verändern sich, in Abhängigkeit von verschiedensten Steuerungsmechanismen, die Gene, die aus der Erbsubstanz abgelesen werden. Die Zellen, die nun entstehen, sind nicht mehr identisch und es werden Gewebe und Zelltypen gebildet. Aus der neueren Forschung ist bekannt, dass Stammzellen auch im erwachsenen Menschen vorkommen. Sie sorgen dafür, die jeweiligen Gewebe zu regenerieren. So finden sich Stammzellen z.B. im Blut, im Knochenmark, in der Leber, im Immunsystem, im Nervengewebe und in der Haut. Diese quasi „schlafenden Ersatzteillager“ werden bei Bedarf aktiviert, um neue Zellen des betreffenden Gewebes zu bilden. Da solche Stammzellen die Fähigkeit verloren haben, jede beliebige andere Zelle ausbilden zu können und im Grunde erwachsen sind, nennt man sie adulte bzw. unipotente Stammzellen. Erst durch das Vorhandensein solcher Stammzellen in der Haut kommt etwa eine Wundheilung zustande. Die Stammzellen, die für die Hautregeneration verantwortlich sind, befinden sich in der Basalschicht der Epidermis. Wenn sie sich teilen, entsteht in direkter Nachbarschaft zur Stammzelle eine neue Hautzelle. Diese neue Hautzelle wiederum teilt sich und wandert schlussendlich in die Hornschicht. Dieser Vorgang, der als Keratinisierung bekannt ist, zeigt, dass sich ohne Stammzellen keine neuen Hautzellen in der Haut bilden würden. Es sollte also tunlichst vermieden werden, die Stammzellen oder die unmittelbare Umgebung bzw. die Lebensbedingungen der Stammzellen zu schädigen, die PRODUKTENTWICKLUNG ihre Anzahl oder Qualität negativ beeinflussen würden. Die Stammzelle und ihre Umgebung sind also vor negativen äußeren Einflüssen zu schützen, um ihre natürliche Alterung nicht zu beschleunigen und um dafür zu sorgen, dass sie länger fehlerfrei agiert. Ein solcher Schutz lässt sich z.B. mit Hilfe von Antioxidanzien wie Q10, Vitamin-E-Derivaten, Flavonoiden oder mit Lichtfiltersubstanzen erzielen. Jede Creme mit Lichtschutz oder mit den gängigen Antioxidanzien würde also in das Segment der Stammzellkosmetik passen. Aus Marketingsicht ist dies natürlich relativ banal. Daher gibt es mittlerweile eine Vielzahl kosmetischer Wirkstoffe, die speziell für den Schutz der Hautstammzellen oder/und ihrer Umgebung entwickelt wurden. Wirkstoffe für Stammzellkosmetik In diesem Zusammenhang ist der Wirkstoff PhytocellTec Malus Domestica von Mibelle hervorzuheben. Hierbei handelt es sich um den liposomal verkapselten Extrakt aus undifferenzierten Zellen des Schweizer Apfels Uttwiler Spätlauber. Diese sogenannten pflanzlichen Stammzellen, aus denen durch geeignete Kultivierungsmethoden die gesamte Pflanze regeneriert werden könnte, sind in der Lage, menschliche Stammzellen vor Stress, z.B. UV-Licht, zu schützen. Menschliche und tierische Stammzellen verboten Die Marketingstrategie ist deshalb so interessant, weil der Einsatz menschlicher oder tierischer Stammzellen in kosmetischen Mitteln verboten ist. Über den Umweg der pflanzlichen Stammzelle ergibt sich also eine intelligente Möglichkeit, eben diesen Begriff in der Marketingaussage zu verwenden. Das vom Hersteller patentierte Verfahren, undifferenzierte pflanzliche Zellen heranzuzüchten, lässt darauf schließen, dass hier sicher noch einige Wirkstoffe zu erwarten sind. Erste Beispiele von Mibelle sind die Wirkstoffe PhytoCellTec Solar vitis und PhytoCellTec Alp Rose, die beide mit dieser Technik hergestellt werden. PhytoCellTec Solar vitis aus der Traube Fotos: Lancôme, 3Lab, Babor www.cossma.com FOKUS: GESICHTSPFLEGE + DEKO Produkte mit Stammzellauslobung wird speziell zum Schutz der Stammzellen vor Sonneneinstrahlung propagiert, während PhytoCellTec Alp Rose aus der Alpenrose allgemein die Widerstandsfähigkeit der Stammzellen steigert und sich somit vor allem für schützende Produkte eignet. Auch BioTechMarine bietet Wirkstoffe aus pflanzlichen Stammzellen. Sie werden aus Zellkulturen dedifferenzierter pflanzlicher Zellen gewonnen und unter dem Namen Cellulosome angeboten. Diese Wirkstoffe sind nicht hinsichtlich des Effektes auf die Hautstammzellen getestet, sondern sie zielen auf andere Wirkorte, z. B. Melanozyten und Fibroblasten. So wurde für das aus dem Seefenchel gewonnene Cellulosome CIC2 eine hautaufhellende und regenerierende Wirkung bestätigt. Cellulosome Eryngium aus der Stranddistel stimuliert die Zellerneuerung und den Aufbau von Dermisproteinen. Die Verwendung spezifischer Peptide eignet sich, um die Umgebung der Stammzellen in einem guten Zustand zu erhalten. Deshalb werden z.B. Peptide eingesetzt, die die Matrixmetalloproteinasen hemmen, also die Enzyme, die für den Abbau der extrazellulä- ren Matrix verantwortlich sind. Nur einige Beispiele sind: Trifluoroacetyl Tripeptide-2 – ECM-Protect – von Atrium, Palmitoyl Tetrapeptid-7 und Palmitoyl Oligopepdid – beide in Matrixyl 3000 und Haloxyl – von Sederma. Biospectrum bietet gleich verschiedene Peptide und Proteine aus Soja oder Weizen zum Schutz der Stammzellumgebung an. Beispiele für Marktprodukte mit einer Marketingauslobung hinsichtlich Stammzellschutz oder Stammzellvitalisierung sind: Dior mit seinem Capture R 60/80 XP, worin ein stabiles VitaminE-Derivat zum Schutz der Stammzellen eingesetzt wird. Juvena bietet SkinNova SC an, wobei Peptide dafür sorgen, dass die Stammzellumgebung für eine normale Stammzellaktivität sorgt. Lancôme Absolue Precious Cells, Babor Skinovage NanoCell und 3Lab M Cream nutzen pflanzliche Stammzellen zum Schutz der epidermalen Stammzellen. Andrea Weber Leitung Forschung und Entwicklung, Dr. Babor Cosmetics, Aachen, Deutschland COSSMA 9 I 2010 13