Jungbrunnen für die Haut?

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Jungbrunnen für die Haut?
FOKUS: GESICHTSPFLEGE + DEKO PRODUKTENTWICKLUNG
Stammzellen
Jungbrunnen
für die Haut?
D
a vor allem in Deutschland
immer wieder über die
Forschung an embryonalen
Stammzellen für medizinische Zwecke und die damit verbundenen Risiken und ethischen Probleme diskutiert wird, ist es wichtig, die Grundlagen des kosmetischen Claims zu
verstehen.
Seit die Anti-Aging-Creme Amatokin von
Voss Laboratories 2007 in den USA als
erstes Produkt auslobte, Stammzellen in
der Haut zu beeinflussen, nimmt die Zahl
der Wirkstoffe und der kosmetischen
Fertigprodukte, die darauf abzielen, die
epidermalen Stammzellen zu schützen
und zu regulieren ständig zu.
Foto: Babor
Was sind Stammzellen?
Wirkstoffe aus pflanzlichen Stammzellen
dürften demnächst boomen
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Dabei stellen sich vor allem folgende Fragen:
• Was sind eigentlich Stammzellen?
• Welche unterschiedlichen Typen gibt
es?
• Wo befinden sie sich in der Haut?
• Welche Aufgabe erfüllen sie dort?
Interessanterweise haben Stammzellen in der Haut mit den embryonalen Stammzellen, die man aus der Diskussion kennt, nur noch wenig gemeinsam, so dass hier ethische Bedenken
gar keine Rolle spielen.
Stammzellen sind undifferenzierte
Zellen im Körper, die sich in unterschiedliche Zelltypen und Gewebe entwickeln können. Diese Differenzierung,
also Veränderung bzw. Weiterentwicklung, spielt in der Entwicklung bzw.
Entstehung des Menschen eine entscheidende Rolle. Ohne diese Alleskönner-Zellen wäre die Entstehung des
Lebens, wie wir es kennen, unmöglich.
Bei der Fortpflanzung des Menschen entsteht aus einer einzigen Zelle, nämlich der befruchteten Eizelle,
ein ganzer Mensch, der aus unzähligen
unterschiedlichen Zellen und auch
Zelltypen besteht. Zellen, aus denen
der gesamte Organismus entstehen
kann, nennt man totipotente (alleskönnende) Zellen. Da es solche Zellen
nur ganz zu Beginn der Entwicklung eines menschlichen Individuums gibt,
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nennt man sie auch embryonale
Stammzellen. Um genau diese Art von
Zellen geht es in der ambivalenten Diskussion um die Stammzellforschung.
Totipotente Stammzellen gibt es nur
bis zum Achtzell-Stadium, also sofort
nach der Befruchtung und bis zu 3 Zellteilungen später. Würde man diese Zellen einzeln „großziehen“, so könnte aus
jeder Zelle ein Mensch entstehen. Dies
geschieht z.B. bei eineiigen Zwillingen,
ist also ein ganz natürlicher Vorgang.
Nach dem Achtzell-Stadium beginnt
ein Prozess, der sich Differenzierung
nennt. Bei jeder weiteren Zellteilung
verändern sich, in Abhängigkeit von
verschiedensten Steuerungsmechanismen, die Gene, die aus der Erbsubstanz abgelesen werden. Die Zellen,
die nun entstehen, sind nicht mehr
identisch und es werden Gewebe und
Zelltypen gebildet.
Aus der neueren Forschung ist bekannt, dass Stammzellen auch im erwachsenen Menschen vorkommen. Sie
sorgen dafür, die jeweiligen Gewebe zu
regenerieren. So finden sich Stammzellen z.B. im Blut, im Knochenmark, in
der Leber, im Immunsystem, im Nervengewebe und in der Haut. Diese
quasi „schlafenden Ersatzteillager“
werden bei Bedarf aktiviert, um neue
Zellen des betreffenden Gewebes zu
bilden. Da solche Stammzellen die Fähigkeit verloren haben, jede beliebige
andere Zelle ausbilden zu können und
im Grunde erwachsen sind, nennt man
sie adulte bzw. unipotente Stammzellen. Erst durch das Vorhandensein solcher Stammzellen in der Haut kommt
etwa eine Wundheilung zustande.
Die Stammzellen, die für die Hautregeneration verantwortlich sind, befinden sich in der Basalschicht der Epidermis. Wenn sie sich teilen, entsteht
in direkter Nachbarschaft zur Stammzelle eine neue Hautzelle. Diese neue
Hautzelle wiederum teilt sich und wandert schlussendlich in die Hornschicht.
Dieser Vorgang, der als Keratinisierung
bekannt ist, zeigt, dass sich ohne
Stammzellen keine neuen Hautzellen
in der Haut bilden würden. Es sollte also tunlichst vermieden werden, die
Stammzellen oder die unmittelbare
Umgebung bzw. die Lebensbedingungen der Stammzellen zu schädigen, die
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ihre Anzahl oder Qualität negativ beeinflussen würden. Die Stammzelle
und ihre Umgebung sind also vor negativen äußeren Einflüssen zu schützen,
um ihre natürliche Alterung nicht zu
beschleunigen und um dafür zu sorgen, dass sie länger fehlerfrei agiert.
Ein solcher Schutz lässt sich z.B. mit
Hilfe von Antioxidanzien wie Q10, Vitamin-E-Derivaten, Flavonoiden oder
mit Lichtfiltersubstanzen erzielen. Jede
Creme mit Lichtschutz oder mit den
gängigen Antioxidanzien würde also in
das Segment der Stammzellkosmetik
passen. Aus Marketingsicht ist dies natürlich relativ banal. Daher gibt es
mittlerweile eine Vielzahl kosmetischer Wirkstoffe, die speziell für den
Schutz der Hautstammzellen oder/und
ihrer Umgebung entwickelt wurden.
Wirkstoffe für
Stammzellkosmetik
In diesem Zusammenhang ist der
Wirkstoff PhytocellTec Malus Domestica von Mibelle hervorzuheben. Hierbei
handelt es sich um den liposomal verkapselten Extrakt aus undifferenzierten Zellen des Schweizer Apfels Uttwiler Spätlauber. Diese sogenannten
pflanzlichen Stammzellen, aus denen
durch geeignete Kultivierungsmethoden die gesamte Pflanze regeneriert
werden könnte, sind in der Lage,
menschliche Stammzellen vor Stress,
z.B. UV-Licht, zu schützen.
Menschliche und tierische
Stammzellen verboten
Die Marketingstrategie ist deshalb
so interessant, weil der Einsatz
menschlicher oder tierischer Stammzellen in kosmetischen Mitteln verboten ist. Über den Umweg der pflanzlichen Stammzelle ergibt sich also eine
intelligente Möglichkeit, eben diesen
Begriff in der Marketingaussage zu verwenden. Das vom Hersteller patentierte Verfahren, undifferenzierte pflanzliche Zellen heranzuzüchten, lässt darauf schließen, dass hier sicher noch
einige Wirkstoffe zu erwarten sind. Erste Beispiele von Mibelle sind die Wirkstoffe PhytoCellTec Solar vitis und
PhytoCellTec Alp Rose, die beide mit
dieser Technik hergestellt werden. PhytoCellTec Solar vitis aus der Traube
Fotos: Lancôme, 3Lab, Babor
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Produkte
mit Stammzellauslobung
wird speziell zum Schutz der Stammzellen vor Sonneneinstrahlung propagiert, während PhytoCellTec Alp Rose
aus der Alpenrose allgemein die Widerstandsfähigkeit der Stammzellen
steigert und sich somit vor allem für
schützende Produkte eignet.
Auch BioTechMarine bietet Wirkstoffe aus pflanzlichen Stammzellen.
Sie werden aus Zellkulturen dedifferenzierter pflanzlicher Zellen gewonnen und unter dem Namen Cellulosome angeboten. Diese Wirkstoffe sind
nicht hinsichtlich des Effektes auf die
Hautstammzellen getestet, sondern
sie zielen auf andere Wirkorte, z. B.
Melanozyten und Fibroblasten. So
wurde für das aus dem Seefenchel gewonnene Cellulosome CIC2 eine hautaufhellende und regenerierende Wirkung bestätigt. Cellulosome Eryngium
aus der Stranddistel stimuliert die
Zellerneuerung und den Aufbau von
Dermisproteinen.
Die Verwendung spezifischer Peptide eignet sich, um die Umgebung der
Stammzellen in einem guten Zustand
zu erhalten. Deshalb werden z.B. Peptide eingesetzt, die die Matrixmetalloproteinasen hemmen, also die Enzyme, die für den Abbau der extrazellulä-
ren Matrix verantwortlich sind. Nur
einige Beispiele sind: Trifluoroacetyl
Tripeptide-2 – ECM-Protect – von Atrium, Palmitoyl Tetrapeptid-7 und Palmitoyl Oligopepdid – beide in Matrixyl
3000 und Haloxyl – von Sederma. Biospectrum bietet gleich verschiedene
Peptide und Proteine aus Soja oder
Weizen zum Schutz der Stammzellumgebung an.
Beispiele für Marktprodukte mit einer Marketingauslobung hinsichtlich
Stammzellschutz oder Stammzellvitalisierung sind: Dior mit seinem Capture
R 60/80 XP, worin ein stabiles VitaminE-Derivat zum Schutz der Stammzellen
eingesetzt wird. Juvena bietet SkinNova SC an, wobei Peptide dafür sorgen,
dass die Stammzellumgebung für eine
normale Stammzellaktivität sorgt. Lancôme Absolue Precious Cells, Babor
Skinovage NanoCell und 3Lab M
Cream nutzen pflanzliche Stammzellen
zum Schutz der epidermalen Stammzellen.
Andrea Weber
Leitung Forschung und Entwicklung,
Dr. Babor Cosmetics,
Aachen, Deutschland
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