Sigmar Polke - Akademie der Künste
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Sigmar Polke - Akademie der Künste
Pressedossier Sigmar Polke – Eine Hommage Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck Ausstellung 14. Januar – 13. März 2011 Inhalt Informationen und Daten Zur Ausstellung Tafeltexte aus den Ausstellungssälen Kurzbiografien Veranstaltungen Zwei Kartoffeln (Klaus Staeck) Wir Kleinbürger!, Bizarre und Day by Day (Dietmar Rübel) Übersicht Pressefotos Stand: 12.01.2011 Pressekontakt ARTEFAKT Kulturkonzepte Ursula Rüter, Stefan Hirtz Tel. +49 (0)30 440 10 686 [email protected] Akademie der Künste Anette Schmitt Tel. +49 (0)30 200 57-15 09 /-1514 [email protected] / [email protected] Informationen und Daten Titel Sigmar Polke – Eine Hommage Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck Veranstaltet von Akademie der Künste Laufzeit Ort 14.01. – 13.03.2011 Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 Berlin-Mitte Tel. 030 200 57-1000 dienstags bis sonntags 11-20 Uhr € 6/4 bis 18 Jahre Eintritt frei. Am 1. Sonntag im Monat Eintritt frei www.adk.de/polke Öffnungszeiten Eintritt Internet Pressevorbesichtigung Donnerstag, 13.01.2011, 11 Uhr Mit Klaus Staeck und Dietmar Rübel Eröffnung Donnerstag, 13.01.2011, 19 Uhr Es sprechen Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, und Dietmar Rübel, Hochschule für Bildende Künste Dresden Medienpartner berlin.de Deutschlandradio Kultur Monopol Straßenfeger taz Zitty Ausstellungsarchitektur und Realisation Ausstellungsgrafik Simone Schmaus, Jörg Scheil, Isabel Schlenther, Ingrid Strey, Claudio D’Ambrosio, Stefan Rummel, Sören Reuter, Igor Livshits, Reinhard Pusch, Anna Wolf, Anja Gerlach, Nadine Doberschütz, Joachim Hupfer, Michael Piaskowski fernkopie, Berlin Die Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ wird kuratiert von Klaus Staeck und Kirsten Klöckner in Zusammenarbeit mit Dorothee Böhm, Petra Lange-Berndt, Michael Liebelt und Dietmar Rübel. Dank an die Michael & Susanne Liebelt-Stiftung (Hamburg) und Erhard Klein (Bad Münstereifel). Die Akademie der Künste wird gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 2 Zur Ausstellung Sigmar Polke – Eine Hommage Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck Klaus Staeck schaut in seiner Hommage an Sigmar Polke (1941-2010) auf eine vier Jahrzehnte währende Arbeitsfreundschaft und widmet einem der bedeutendsten Künstler Deutschlands eine sehr persönliche Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste. Diese Freundschaft mit Polke beruhte auch darauf, dass Staeck nicht nur Verleger oder Galerist sondern ebenso der Künstlerkollege war. Auf die Frage, wie es dazu kam, dass das größte Kontingent seiner Editionen bei Staeck publiziert wurde, antwortete der Künstler lapidar: „Er hat den Drucker, hat die Logistik, hat den Vertrieb und die Künstler.“ Die Ausstellung am Pariser Platz zeigt 90, teils großformatige Blätter Polkes aus mehreren Jahrzehnten, Objekte wie den Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann, die berühmte „Kartoffelmaschine“ von 1969, sowie Zeugnisse und Fotografien aus einem Künstlerleben. Staeck öffnet seine privaten Archive und dokumentiert eine Vertrautheit, die er auch fotografisch begleitete. So werden erstmals Fax-Korrespondenzen präsentiert, die Sigmar Polke zu spielerischem Umgang reizte, Entwürfe, bearbeitete und gestaltete Rechnungen, Einladungen, Kataloge. Das Material zeigt den politischen und öffentlichen Künstler Polke. Die Ausstellung zeigt darüber hinaus die Werkgruppe Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen. Das zehnteilige Ensemble aus den Jahren 1974-1976 nimmt durch die einzigartige Vielfalt von Figuren, Zeichen und Zitaten aus populären Bildwelten einen zentralen Stellenwert im Œuvre Polkes ein. Es ist mit Hilfe der Michael & Susanne Liebelt-Stiftung in die Akademie-Ausstellung gelangt. Die Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ wird kuratiert von Klaus Staeck und Kirsten Klöckner in Zusammenarbeit mit Dorothee Böhm, Petra Lange-Berndt, Michael Liebelt und Dietmar Rübel. Dank an die Michael & Susanne Liebelt-Stiftung (Hamburg) und Erhard Klein (Bad Münstereifel). Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 3 Tafeltexte aus den Ausstellungssälen Max-Liebermann-Saal „Er hat den Drucker, hat die Logistik, hat den Vertrieb und die Künstler.“ Sigmar Polke Die erste Arbeit, die Sigmar Polke (1941-2010) für die Edition Staeck realisierte, war 1969 der Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann – eines seiner ganz wenigen Objekte, dem 90 Grafikauflagen folgten. Belege einer Arbeitsfreundschaft, denn Klaus Staeck war nicht nur der Verleger und Galerist, sondern immer auch der Kollege. 1972 erschien das Künstlerbuch Bizarre mit Fotos von übermalten CDU-Plakaten zur Bundestagswahl 1972. Nicht ganz zufällig enthält das Buch ein Foto von dem damals tausendfach geklebten Staeck-Plakat Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen. Im gleichen Jahr erschien die Serie Kölner Bettler, 1974 das Blatt New Yorker Bettler, beide sah Sigmar Polke in der Edition Staeck am besten aufgehoben. 1985 entstanden drei Offsetdrucke. Bis 1995 dauerte es, bis es zu der Edition Sechs Richtige kam, Originale in einer Auflage von 30 Exemplaren. Als Material dienten Reste jener Folie, die Christo bei der „intermedia ’69“ zur Verhüllung des Heidelberger Amerika-Hauses verwendet hatte. Ab 1995 kam es in rascher Folge fast Jahr für Jahr zu weiteren Editionen, viele von einer subtilen Konsumkritik geprägt. Polke machte sich stets darüber Gedanken, ob die Blätter in die durch Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Blinky Palermo, Dieter Roth, Nam June Paik auch politisch bestimmte Edition Staeck auch wirklich passen. Besonderes Augenmerk legte er jeweils auf die Titelfindung. Jeder, der Polke kannte, weiß, dass es nicht ganz einfach war, sich mit ihm zu verabreden und ihn zu treffen. Eine Ahnung von diesen Schwierigkeiten vermitteln die über hundert Faxe, in denen um einen dringenden Signier- oder Gesprächstermin gebeten wurde. Kam es dann zu einem Treffen, wurde es schnell zu einem kleinen Fest voller Arbeit, Heiterkeit und ironischem Schlagabtausch. Im Laufe der Zeit entstanden etwa zweihundert Porträtaufnahmen und Fotos seines Kölner Ateliers. Auch viele der ganz persönlichen Dokumente belegen den hintergründigen Humor des großen Zauberers Sigmar Polke und seinen analytischen Blick bei der Bewertung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Saal 1 Day by Day… They Take Some Brain Away Die Editionen der 1970er Jahre rücken die politischen Aspekte der Kunst von Sigmar Polke in den Blick. Eines der anschaulichsten Zeugnisse dieser Auseinandersetzung mit politischen Themen der Zeit ist die gemeinsam mit Achim Duchow, Astrid Heibach und Katharina Steffen zusammengestellte Künstlerzeitung Day by Day... They Take Some Brain Away. Sie entstand 1975 anlässlich der Teilnahme Polkes an der Biennale von São Paulo. In einer wilden Mischung aus Sex, Revolution und Sensation scheint die Härte der damaligen politischen Kämpfe auf: Linker Befreiungspathos trifft bei Polke & Co. auf die Männerfantasien der bürgerlichen Presse. Auch in den Fotografien der Wahlplakate für das Künstlerbuch Bizarre und in Bildern von Bettlern werden verdrängte Wünsche und Ängste sichtbar. Die beschmierten Wahlplakate offenbaren insbesondere den alltäglichen Faschismus in der damals immer noch jungen BRD. Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 4 Die Arbeiten verdeutlichen den anarchischen Skeptizismus von Sigmar Polke und lassen das Scheitern politischer Utopien wie auch die Grenzen künstlerischer Einflussnahme auf gesellschaftliche Prozesse anschaulich werden. Saal 2 Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen Die zehnteilige Werkgruppe Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen von 1974-1976 markiert einen Wendepunkt im Schaffen des Künstlers. Hatte Sigmar Polke in den Rasterbildern und dem Kapitalistischen Realismus der 1960er Jahre die Lebenswelt der Wirtschaftswunderzeit mit viel Ironie analysiert, kam es in der folgenden Dekade zur Attacke auf gesellschaftliche Normen. Nicht allein in der Kunst, sondern auch im eigenen Leben wurden mit humorvoller Provokation, teils auch beißendem Spott, die Grenzen des vermeintlich guten Geschmacks überschritten – auf der Suche nach Alternativen zum kleinbürgerlichen Dasein. Die zehn großformatigen Gouachen auf Papier verdanken ihren Titel Hans Magnus Enzensbergers Essay über Die Unaufhaltsamkeit des Kleinbürgertums aus dem Jahr 1976. In den einzelnen Tableaux durchdringen und überlagern sich eine Vielfalt von Figuren, Spuren, Zeichen und Zitaten aus Politik, Populärkultur, Ethnologie und der Geschichte der Kunst. Wie in seinem Frühwerk projizierte der Künstler gedruckte Vorlagen und übertrug diese von Hand auf die Bildträger. Polke favorisierte in den siebziger Jahren vor allem Bilder aus internationalen Underground-Magazinen und Comics wie Actuel, MAD, Brummbär-Comix oder dem indizierten Anarchist Cookbook. Wir Kleinbürger! thematisiert Menschenmassen, marxistische Splittergruppen, Konsumrausch, Exotismus, sexuelle Ausschweifungen, Drogenkonsum, Magie und Terrorismus. Bevölkert werden die Tableaux von Göttinnen und Superhelden, Außerirdischen und schrägen Vögeln, Schlächtern und Bombenlegern. Auf diesem Weg entstand ein Panorama der von Hippietum, Proto-Punk, Frauenbewegung und Terrorismus geprägten Zeit. In einer Vielzahl von Zeichen und Figuren werden Geschichtsbilder karikiert, überzogene politische Gesten oder autoritär vorgetragene Ideologien als Peinlichkeit entlarvt und soziale Realitäten reflektiert. Für die Ausstellung wurde die Arbeit Schlangenhaut wieder in das Ensemble eingefügt und damit ein früher Zustand der Werkgruppe rekonstruiert. War Enzensberger davon überzeugt, dass die petite bourgeoisie sämtliche gesellschaftlichen Bereiche bestimmen würde, verleiht Polke mit der Werkgruppe der Hoffnung auf ein Leben jenseits von Normierung Ausdruck. Allerdings hatten diese Bilder möglicher antibürgerlicher Subkulturen 1976 ihr utopisches Versprechen schon fast eingebüßt. So spielt die Kleinbürger-Serie die Frage an das Publikum zurück: Sollen wir diese Bilder der Klasse des begrenzten Bewusstseins überlassen, oder können sie neu angeeignet werden? Wie sähen Alternativen aus? Können sie auch gelebt werden? Die Ausstellung wird unterstützt von der Michael & Susanne Liebelt-Stiftung, Hamburg. Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 5 Kurzbiografien Sigmar Polke geboren am 13. Februar 1941 in Oels/Niederschlesien, wuchs in der DDR auf, die er 1953 verließ. Er absolvierte eine Glasmaler-Lehre in Düsseldorf-Kaiserswerth und war von 1961 bis 1967 Student von Gerhard Hoehme und Karl Otto Götz an der Düsseldorfer Kunstakademie. 1963 gründete er zusammen mit Gerhard Richter und Konrad Lueg den Kapitalistischen Realismus. Von 1970 bis 1971 war er Gastprofessor an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und zwischen 1977 und 1991 Professor an derselben Hochschule. Er war Teilnehmer an der documenta in den Jahren 1972, 1977 und 1982 in Kassel. 1975 erhielt er den Preis der Stadt São Paulo anlässlich der 13. Biennale von São Paulo und 1986 wurde er u.a. mit dem Großen Preis für Malerei (Goldener Löwe) auf der XLII. Biennale di Venezia ausgezeichnet. Seinen größten öffentlichen Auftrag erhielt Polke mit der Erneuerung der Glasfenster des Zürcher Grossmünsters, die ihm im Jahre 2006 im Rahmen eines Künstlerwettbewerbs zugesprochen wurde. Polke verstarb am 10. Juni 2010 in Köln. Klaus Staeck wurde am 28. Februar 1938 in Pulsnitz/Sachsen geboren, aufgewachsen in Bitterfeld. Nach dem Abitur 1956 Übersiedlung nach Heidelberg. Jurastudium in Heidelberg, Hamburg und Berlin. Daneben Beginn der Arbeit als politischer Grafiker. Seit 1969 Zulassung als Rechtsanwalt. Teilnahme an der documenta in den Jahren 1977, 1982 und 1987 in Kassel. Seit 1982 Mitglied im P.E.N.-Zentrum, seit 1986 Gastprofessor an der Kunstakademie Düsseldorf. Mehr als 3000 Einzelausstellungen. Preise u.a.: 1979 Kritikerpreis, 1996 Gustav-Heinemann-Bürgerpreis, 1999 Kulturgroschen des deutschen Kulturrates, 2010 Stern der Satire, Mainz, und Hambacher Preis. Seit 1993 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin. 2006 Wahl und 2009 Wiederwahl zum Akademie-Präsidenten. (Ausführliche Biografie unter www.staeck.de ) Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 6 Veranstaltungen Veranstaltungsort: Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 Berlin-Mitte Donnerstag, 13.01.2011, 19 Uhr Ausstellungseröffnung Es sprechen Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste und Dietmar Rübel, Hochschule für Bildende Künste Dresden Eintritt frei Samstag, 29.01.2011, ab 18 Uhr Lange Nacht der Museen 20.30 + 21.30 Uhr Führungen mit Klaus Staeck 22.30 + 23.30 Uhr Conny Bauer – Soloposaune Clubraum + Dachterrasse sind geöffnet € 15/10 Die Akademie der Künste öffnet ihr Haus am Pariser Platz wieder für die Besucher der Langen Nacht der Museen. Im Zentrum steht die Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage. Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck“. Akademie-Präsident Klaus Staeck führt durch die Ausstellung und gibt Aufschluss über Geschichten und Anekdoten, die sich hinter den Exponaten verbergen. Wer die Führungen verpasst, kann Klaus Staecks Ausführungen in einer Videoaufzeichnung in der Ausstellung verfolgen. Später am Abend wird der Posaunist Conny Bauer im Clubraum spielen und das Akademie-Gebäude mit seinen melodischen Improvisationen zum Klingen bringen. Wie immer zur Langen Nacht der Museen sind die Dachterrasse mit Blick auf das Brandenburger Tor, der Clubraum, das Bistro und die Buchhandlung geöffnet. Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 7 Mittwoch, 23.02.2011, ab 19 Uhr Lange Polke Nacht Filme, Berichte, Gespräche von und mit Weggefährten, Sammlern und Kollegen € 8/5 Weggefährten, Kollegen, Sammler erinnern an Sigmar Polke. Anlass ist die Ausstellung seiner Werke, die größtenteils aus Klaus Staecks Archiv stammen. Auf die Frage, wie es dazu kam, dass viele seiner Editionen bei Staeck publiziert wurden, antwortete Polke lapidar: „Er hat den Drucker, hat die Logistik, hat den Vertrieb und die Künstler.“ Filme, Berichte und Gespräche geben Einblicke in die Arbeit eines der experimentierfreudigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, der collagierte, kopierte, montierte, Alltagsprodukte verwendete und dessen Kölner Atelier einem chemischen Labor glich. „In Heidelberg habe ich Polke nur einmal getroffen, im Februar 1990. Als er in meiner Galerie den großen Kopierapparat sah, trat er sofort in Aktion, legte seinen Kopf auf die Scheibe und bearbeitete anschließend die so entstandenen Kopien vielfältig.“ (Klaus Staeck, 2010) Programm Berichte, Gespräche, Lesungen u.a. mit Jürgen Becker Erhard Klein Christof Kohlhöfer Claus von der Osten Klaus Staeck Film „Der ganze Körper fühlt sich leicht und möchte fliegen“ Christof Kohlhöfer, Sigmar Polke, Deutschland 1969, 35’ Führungen durch die Ausstellung Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 8 Zwei Kartoffeln (Klaus Staeck) Die erste Arbeit, die Sigmar Polke für meine Edition realisierte, war 1969 der Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann – eines seiner ganz wenigen Multiples, hergestellt in einer Auflage von 30 Exemplaren. Auf der Grundlage einer überdimensionalen groben Skizze baute den Apparat nach mehreren Anläufen mein Heidelberger Freund Jochen Goetze, ein promovierter Historiker mit handwerklichem Geschick. Mit Goetze hatte ich 1969 das große Abenteuer „intermedia ’69“ in und um die Heidelberger Studentenheime am Klausenpfad organisiert. An drei Tagen im Mai strömten einige tausend Besucher zu einem der letzten großen Happening- und Fluxus-Festivals an den Neckar. Als alles vorbei war, bilanzierten wir als Veranstalter ein beachtliches Defizit. Vor allem zahlreiche Schäden an den angemieteten Gebäuden waren zu begleichen, u.a. war das Schieferdach des Amerika-Hauses nach einer der ersten Christo-Verhüllungen in der Bundesrepublik demoliert. Joseph Beuys war als erster bereit zur solidarischen Unterstützung, er stellte eine Auflage seines Multiples mit Schwefel überzogene Zinkkiste (tamponierte Ecke) für den Schuldenabbau zur Verfügung. Das war der Beginn einer Objekte-Reihe unter dem Label tm70 mit Arbeiten von Beuys, Filliou, Rinke, Roth, Spoerri, Staeck, Uecker und Weseler. Die „Kartoffelmaschine“, wie wir das Gestell im Laufe der Zeit nur noch nannten, fand zum Preis von 290,- DM anfangs kaum Käufer, inzwischen wird sie bei Auktionen zu Höchstpreisen versteigert. Um nicht die 30 sperrigen Objekte für Signatur und Nummerierung in Polkes Wohnung in die Düsseldorfer Kirchfeldstraße zu transportieren, beschrieb er die Deckplatten vor dem Zusammenbau. Ganz in der Nähe im Fürstenwall hatten damals übrigens Gerhard Richter und Günther Uecker mit Gastrecht für Blinky Palermo sowie Klaus Rinke ihre Ateliers. 1972 folgte das Künstlerbuch Bizarre mit Fotos von übermalten CDU-Plakaten zur Bundestagswahl 1972. In dieser Dokumentation trafen sich unser beider politischen Überzeugungen. Nicht ganz zufällig enthält das Buch ein Foto von meinem damals tausendfach geklebten Plakat Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen, das mich seinerzeit in der Bundesrepublik bekannt machte. Im gleichen Jahr erschien die Serie Kölner Bettler, 1974 das Blatt New Yorker Bettler, beide sah Sigmar Polke in meiner Edition am besten aufgehoben. Erst elf Jahre später arbeiteten wir wieder zusammen, 1985 entstanden drei Offsetdrucke ohne Titel. Dann dauerte es wiederum zehn Jahre, bis es zu der Edition Sechs Richtige kam, Originale in einer Auflage von 30 Exemplaren. Als Material dienten Reste jener Folie, die Christo bei der „intermedia ’69“ zur Verhüllung des Heidelberger Amerika-Hauses verwendet hatte. Ab dem Jahr 1995 kam es in rascher Folge fast Jahr für Jahr zu Editionen, viele geprägt von einer subtilen Konsumkritik. Dabei machte sich Polke stets Gedanken, ob die Blätter in meine durch Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Blinky Palermo, Dieter Roth, Nam June Paik und Wolf Vostell geprägte Edition auch wirklich passten. Besonderes Augenmerk legte er auf die Titelfindung. So zum Beispiel bei der Serie Der Erste Schnitt, Der Zweite Fall, Der Dritte Stand und den Blättern Filmverführung, Freistilübung, Betriebsfest, Preisvergleich. Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 9 Die teilweise recht langen Unterbrechungen in der Zusammenarbeit taten unserer vier Jahrzehnte währenden Arbeitsfreundschaft keinen Abbruch. In seinen Augen war ich jemand, der zur Verbreitung seiner Arbeiten effektiv beitrug. Unsere besondere Beziehung beruhte wohl mit darauf, dass ich für Sigmar Polke immer Künstlerkollege war, nicht nur ein Verleger oder Galerist. Jeder, der Polke kannte, weiß, dass es nicht ganz einfach war, sich mit ihm zu verabreden und ihn zu treffen. Das ging auch mir nicht anders. Besonders innig kommunizierten später unser beider Faxgeräte. Ich habe weit über hundert Faxe aufbewahrt, in denen ich um einen dringenden Signier- oder Gesprächstermin bat. Wenn er gelegentlich einmal zurückrief, war die Freude groß; kam es dann gar zu einem Treffen, dauerte es meist viele Stunden und wurde immer zu einem kleinen Fest voller Heiterkeit und ironischem Schlagabtausch. Über eines dieser Signiergespräche existiert eine Tonbandaufzeichnung. Leider habe ich erst spät damit begonnen, unsere Treffen fotografisch zu begleiten. Im Laufe der Zeit entstanden etwa zweihundert Porträtaufnahmen und Fotos seines Kölner Ateliers im Weiherstrasser Weg, erreichbar über den Gottesweg. Die kleine und die große Politik blieb in unseren Gesprächen selten außen vor. Mich erstaunte, dass erst in den zahlreichen Nachrufen auf Sigmar Polke sein politisches Engagement, das in vielen seiner künstlerischen Arbeiten zum Ausdruck kommt, hinreichend gewürdigt wurde. In Heidelberg habe ich Polke nur einmal getroffen, im Februar 1990. Er war zufällig in der Stadt. Als er in meiner Galerie den großen Kopierapparat sah, trat er sofort in Aktion, legte seinen Kopf auf die Scheibe und bearbeitete anschließend die so entstandenen Kopien noch vielfältig. Der lange Abend endete bei viel Kirschwasser in einem indischen Restaurant um die Ecke. Text aus: Sigmar Polke. Rasterfahndung. Steidl Verlag, Göttingen, 2011. Herausgegeben von Klaus Staeck. (Begleitpublikation zur Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage. Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck“) Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 10 Wir Kleinbürger!, Bizarre und Day by Day (Dietmar Rübel) Im zentralen Raum der Ausstellung ist die zehnteilige Werkgruppe Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen von 1974-1976 zu sehen. Die zehn Papierarbeiten waren lange Zeit vergessen, bis eine dreiteilige Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle von 2009 bis 2010 den Werkkomplex wiederentdeckte. Damit wurde das Kleinbürger-Projekt zur letzten großen Ausstellung zu Lebzeiten des Künstlers. Als Erinnerung an die wunderbare Zusammenarbeit mit Sigmar Polke wird diese ungewöhnliche Werkgruppe in der Akademie der Künste im Rahmen der Hommage noch einmal gezeigt – erweitert um einige neu entdeckte Arbeiten und Materialien. Das raumgreifende Ensemble markiert einen Wendepunkt im Schaffen des Künstlers. Hatte Sigmar Polke in den Rasterbildern und dem Kapitalistischen Realismus der 1960er Jahre die Lebenswelt der Wirtschaftswunderzeit mit viel Ironie analysiert, kam es in der folgenden Dekade zur Attacke auf gesellschaftliche Normen. Nicht allein in der Kunst, sondern auch im eigenen Leben wurden mit humorvoller Provokation, teils auch beißendem Spott, die Grenzen des vermeintlich guten Geschmacks überschritten – auf der Suche nach Alternativen zum (klein-)bürgerlichen Dasein. Die zehn großformatigen Gouachen auf Papier verdanken ihren Titel Hans Magnus Enzensbergers Essay über Die Unaufhaltsamkeit des Kleinbürgertums aus dem Jahr 1976. In den einzelnen Tableaux durchdringen und überlagern sich eine Vielfalt von Figuren, Spuren, Zeichen und Zitaten, aus Politik, Populärkultur, Ethnologie und der Geschichte der Kunst. Wie in seinem Frühwerk projizierte der Künstler gedruckte Vorlagen und übertrug diese von Hand auf die Bildträger. Polke favorisierte in den siebziger Jahren jedoch Bilder aus internationalen Underground-Magazinen und Comic-Sammelbänden wie Actuel, MAD, Brummbär-Comix oder dem indizierten Anarchist Cookbook. Auf diesem Weg entstand ein Panorama der von Hippietum, Proto-Punk, Frauenbewegung und Terrorismus geprägten Zeit. In einer Vielzahl von Zeichen und Figuren werden Geschichtsbilder karikiert, überzogene politische Gesten oder autoritär vorgetragene Ideologien als Peinlichkeit entlarvt und soziale Realitäten reflektiert. Mit dem Kleinbürger-Ensemble rücken die politischen Aspekte der Kunst von Sigmar Polke in den Blick. Eines der anschaulichsten Zeugnisse dieser Auseinandersetzung mit politischen Themen der Zeit ist die gemeinsam mit Achim Duchow, Astrid Heibach und Katharina Steffen zusammengestellte Künstlerzeitung Day by Day... They Take Some Brain Away. Sie entstand 1975 anlässlich der Biennale von São Paulo. In einer wilden Mischung aus Sex, Revolution und Sensation wird die Härte der damaligen politischen Kämpfe präsentiert: Linker Befreiungspathos trifft bei Polke & Co. auf die Männerfantasien der bürgerlichen Presse. Auch die Fotografien der Wahlplakate für das Künstlerbuch Bizarre machen verdrängte Wünsche und Ängste sichtbar, insbesondere der alltägliche Faschismus in der damals immer noch jungen BRD. Dietmar Rübel ist seit 2009 Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Studium der Kunstgeschichte, Politischen Wissenschaft sowie Film- und Literaturwissenschaft in Hamburg und Zürich. Sigmar Polke – Eine Hommage Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 11 Pressefotos Sigmar Polke – Eine Hommage 14.01. – 13.03.2011, Akademie der Künste Veröffentlichung kostenfrei im Rahmen der aktuellen Berichterstattung über die Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ in der Akademie der Künste. Genehmigungen darüber hinaus erteilt die VG Bild-Kunst, Bonn. Belegexemplar erwünscht. Passwort zum Download im Pressebereich von www.adk.de bitte erfragen unter Tel. 030 200 57-1514 oder [email protected] adk_Polke_Staeck_1997 Sigmar Polke und Klaus Staeck, 1997 Foto: Kirsten Klöckner © VG Bild-Kunst adk_Polke_Kleinbuerger_Baumhaus Sigmar Polke: Baumhaus, aus dem Zyklus „Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen“, 1976 Gouache und Acrylfarbe auf Papier auf Leinwand, 205 x 294,5 cm Foto: Olaf Pascheit © VG Bild-Kunst adk_Polke_Filmverfuehrung Sigmar Polke: Filmverführung, 1998 Serigraphie auf Schoellershammer-Karton, 50 x 70 cm Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Kleinbuerger_Giornico Sigmar Polke: Giornico, aus dem Zyklus „Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen“, 1976 Gouache, Goldbronze, Lack- und Acrylfarbe auf Papier auf Leinwand, 206 x 296 cm Foto: Olaf Pascheit © VG Bild-Kunst adk_Polke_Blues Sigmar Polke: I got the Blues, 2008 Serigraphie auf Karton, 55 x 75 cm Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Kleinbuerger_Supermarkets Sigmar Polke: Supermarkets, aus dem Zyklus „Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen“, 1976 Gouache, Goldbronze, Lack- und Acrylfarbe, Filzstift, Collage auf Papier auf Leinwand, 204 x 291,5 cm Foto: Olaf Pascheit © VG Bild-Kunst 8 adk_Polke_Schnitt Sigmar Polke: Der erste Schnitt, 1995 Serigraphie auf SchoellershammerKarton, 43 x 61 auf 55 x 75 cm Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Fall Sigmar Polke: Der zweite Fall, 1995 Serigraphie auf SchoellershammerKarton, 43 x 61 auf 55 x 75 cm Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Stand Sigmar Polke: Der dritte Stand, 1995 Serigraphie auf SchoellershammerKarton, 43 x 61 auf 55 x 75 cm Edition Staeck © VG Bild-Kunst 1 Pressefotos Sigmar Polke – Eine Hommage 14.01. – 13.03.2011, Akademie der Künste Veröffentlichung kostenfrei im Rahmen der aktuellen Berichterstattung über die Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ in der Akademie der Künste. Genehmigungen darüber hinaus erteilt die VG Bild-Kunst, Bonn. Belegexemplar erwünscht. Passwort zum Download im Pressebereich von www.adk.de bitte erfragen unter Tel. 030 200 57-1514 oder [email protected] adk_Polke_Bargeld Sigmar Polke: Bargeld lacht, 2002 Offsetlithographie, Siebdruck auf Karton, 70 x 50 cm Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Portraet_Ei Sigmar Polke mit Ausschnitt „Unerwünschte Geschenke“, 2003 Fotografie, 21 x 30 cm Foto: Klaus Staeck Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Preisvergleich Sigmar Polke: Preisvergleich, 2001 Offsetlithographie und Siebdruck auf Schoellerhammers-Karton, 100,5 x 69 cm Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Portraet_Kamera Sigmar Polke, 1995 Fotografie, 21 x 30 cm Foto: Klaus Staeck Edition Staeck © VG Bild-Kunst adk_Polke_Stempel Das kann doch kein Motiv sein, 2000 Stempelobjekt, Holz und Gummi, 7 x 7 cm (Stempelfläche), 7,5 x 8 x 8 cm (Stempel) © VG Bild-Kunst adk_Polke_Portraet_2000 Sigmar Polke in seinem Kölner Atelier, 2000 Fotografie, 21 x 30 cm Foto: Klaus Staeck Edition Staeck © VG Bild-Kunst 2