politik orange

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politik orange
8. bis 9. Oktober 2005,
Magdeburg
Zeitung zur DJV-Fachtagung
„24 Stunden Zukunft“
politik orange
»Eine Chance«
»PR-Leute«
»Boulevardisierung«
Für die Zukunft
Seite 02
Sind schlechte Menschen, aber gut bezahlt
Seite 04
Alltag im Journalismus
Seite 06
„IHR MACHT POLITIK FÜR
DIE ZUKUNFT“
Die Kritiklosigkeit der jungen Journalisten-Generation gibt Michael
Konken, DJV-Vorsitzender, stark zu denken.
Von Kristin Heiß, Erik Staschöfsky und Mandy Hannemann
„Ich habe soeben meine fünfzigste Stunde
Zukunft beendet“, scherzt Markus Beyer Vorsitzender des Fachausschusses Jugend. Zum
dritten Mal veranstaltet der DJV den Kongress
„24 Stunden Zukunft“ und zum dritten Mal ist
der mittlerweile stellvertretende Sprecher des
Senats der freien Hansestadt Bremen dabei. „24
Stunden Zukunft“ – ein Kongress für die Elite
des DJV-Nachwuchses, in dem es um nicht mehr
geht, als um die Zukunft des Journalismus in
Deutschland!
Wie komme ich voran? Wie erreiche ich meine
Ziele? Was ist eigentlich der Journalismus von
morgen? Wie bestehen die Journalisten von
heute die Herausforderungen der Branche von
morgen? Und was macht einen guten Schreiberling
eigentlich aus? „Wenn die jetzige Generation
von Journalisten weiterhin so satt und unkritisch
bleibt, dann sehe ich für viele schwarz in diesem
Haifischbecken“, doziert Michael Konken,
Vorsitzender des DJV, im Interview. „Immerhin
machen sie die Politik der Zukunft.“ Eine
Entwicklung, die er seinen Aussagen zufolge seit
mehreren Jahren beobachtet und damit erklärt,
dass bereits in der Erziehung und auch in der
Gesellschaft der gewisse Biss und das Festhalten
an Projekten und Ideen fehlt.
Und trotzdem ist und bleibt der Journalist
für viele junge Menschen immer noch ein
Traumberuf. Durch die Welt zu reisen, die neuesten
Enthüllungen aus dem Bundeskanzleramt publik
zu machen oder als Erster vom spektakulären
Transfer bei Real Madrid zu berichten. „Für
meine Generation waren es die Spiegel- und die
Watergate-Affäre, die uns dazu getrieben haben,
uns für den Journalismus zu entscheiden“,
erläutert Konken weiter, „und teilweise strahlt das
bis heute noch aus.“
Nur wie kann ein Berufszweig, trotz aller
Vorbilder, mit ständig schrumpfenden Redaktionen
und immer schlechter bezahlten freien Journalisten
noch ein Traumberuf sein? Vielleicht deshalb,
weil sich einfach jeder Visitenkarten ausdrucken
kann, auf denen so schön „Freier Journalist“
steht. Schließlich handelt es sich nicht – wie beim
Bäcker oder Klempner – um eine geschützte
Berufsbezeichnung.
„Gerade um diesem Trend entgegenzuwirken,
versuchen wir vom DJV Netzwerke zwischen den
Journalisten zu knüpfen“, erläutert Ariane Steinbart,
stellvertretende Vorsitzende des Fachausschusses
Junge.
Wer in diesem begehrten Modeberuf, wie
Michael Konken den Journalismus gerne nennt,
Fuß fassen will, muss nicht nur bereit sein, zeitliche
und finanzielle Opfer zu bringen, sondern sollte
vor allem mit unerschöpflicher Begeisterung hinter
seinem Traum stehen, Journalist zu werden.
„24 Stunden Zukunft“ soll dabei nicht nur
ein reines Forum sein, an dessen Ende fleißig
Visitenkarten ausgetauscht werden. Viel mehr
sollen die Teilnehmer handfeste Ergebnisse und
neue Informationen aus Magdeburg mit nach
Hause nehmen. Und sich womöglich in der
Zukunft selbst aktiv im DJV, der Gewerkschaft der
Journalistinnen und Journalisten, engagieren.
politik orange
02 herzlich willkommen
INSIDE:
„24 STUNDEN
ZUKUNFT“
Große
Erwartung:
Bei der Eröffnung blicken
die jungen
Profis nach
vorn
EINE CHANCE FÜR DIE ZUKUNFT
Von Kristin Heiß und Matthias Ennersch
„Ich beobachte mit Sorge die Erosionen
auf dem Markt der journalistischen Aus- und
Weiterbildung.“, eröffnet Michael Konken,
Bundesvorsitzender des DJV, die Fachtagung des
Verbandes in Magdeburg.
In „24 Stunden Zukunft“, so auch der Titel
des Kongresses, stellen sich zahlreiche Referenten
und Medienprofis den 95 jungen Journalistinnen
und Journalisten. Diese sind aus der gesamten
Bundesrepublik nach Sachsen-Anhalt gekommen,
um über die Zukunft der Medien zu diskutieren
und um hier praktische Alternativen für ihre tägliche
Arbeit zu finden.
Denn Konkens Worten zufolge sieht es düster
aus für den Berufszweig, dessen Popularität
trotz aller Widrigkeiten unvermindert anhält. Die
derzeitigen Entwicklungen in der Branche sind
Besorgnis erregend und der Bundesvorsitzende
findet keine positive Antwort auf die Frage, „ob
der Journalismus überhaupt noch eine Chance für
den Nachwuchs bietet“.
Der Berufseinstieg wird zunehmend schwieriger
und Festeinstellungen entwickeln sich zu einer
exklusiven Ausnahme. Ein bereits aus der
Wirtschaft bekannter Trend, auf Leiharbeitsfirmen
zurückzugreifen, nimmt weiter zu. Alternativ bleibt
der, nach Ansicht Konkens, unsichere Ausweg in
die Freiberuflichkeit und den PR-Bereich.
Für Markus Beyer sind die Aussichten wesentlich
rosiger. „Wir sind die Zukunft des DJV“, betont
der Vorsitzende des Bundesfachausschusses Junge
Journalistinnen und Journalisten. Auch für ihn ist
der Journalismus ein Modeberuf, der nichts von
seiner Anziehungskraft verloren hat. Beyer, der
eine inhaltliche Vorschau auf die verbleibenden
„23 1⁄2 Stunden“ gibt, betrachtet die Zukunft
nüchtern. Der deutsche Nachwuchsjournalist steht
am Scheideweg. Welche Zukunft hat die sogenannte
Generation P.? Wie schmal ist der Grat zwischen
Existenzgründung und Existenzangst? Einige
Themen können nur angerissen werden.
Getreu Konkens Motto, dass junge Journalisten
auch Opfer bringen müssen, investieren die
Teilnehmer hier ein Wochenende in ihre Zukunft
und somit in den deutschen Journalismus. Es sind
wichtige und notwendige Stunden in Magdeburg.
Von Kristin Heiß und Olaf Schütte
Junge Journalisten haben im DJV eine Lobby – und
einen Fachausschuss: Vertreter der Bundesländer treffen
sich alle drei Monate, um Erfahrungen auszutauschen
und Pläne zu schmieden. Ergebnis solchen Köpferauchens ist auch die Fachtagung „24 Stunden Zukunft“.
Etwa alle zwei bis drei Jahre gibt es solche Tagungen.
Motto, inhaltliche Themen und Referentenwünsche,
kurz der konzeptionelle Teil kommt aus dem Fachausschuss. Vieles bereiten die jungen Kollegen des
Fachausschusses ehrenamtlich vor. Den vertraglichen
Part übernimmt das Bundesbüro des DJV.
Die Wahl der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt als Tagungsort kommt nicht von ungefähr: Magdeburg ist eine junge Medienstadt. Neben Funkhäusern,
Tageszeitung und Anzeigenblätter gibt es an der Elbe
eine entstehende PR-Szene. Hier werden berufliche
Zukunftsmodelle gelebt, die auch auf dieser Fachtagung
diskutiert werden. Nicht zuletzt steht mit dem MaritimHotel ein bewährter Partner zur
Verfügung.
Ariane Steinbart, die ehrenamtlich mit ihren Kollegen seit
Januar an der Umsetzung der
Tagung arbeitet, ist verwundert,
wie schnell die Zeit seitdem
vergangen ist: „Ich kann immer
noch nicht glauben, dass es
schon fast wieder vorbei ist.“ Die nächste Fachtagung
soll aber der Nachwuchs veranstalten. „Es wäre schön,
wenn die Teilnehmer von heute die Veranstaltung von
morgen planen würden.“ Immerhin sollen hier in
Magdeburg nicht nur Inhalte, sondern auch eine tiefe
Bindung an den DJV vermittelt werden.
fruchtfleisch | was erwartet ihr von „24 stunden zukunft“?
„Erwarte mir
neue Ideen“
Veronika
Huber, 27,
arbeitslos
Von dem Kongress erwarte ich mir neue
Ideen und einen regen
Austausch mit den anderen
Teilnehmern.
„Erfahrungen
anderer hören“
Daniel
Hopkins, 27,
Volontär
Ich erhoffe
mir neue Kontakte und
freue mich, etwas über die
Erfahrungen der anderen
Teilnehmer zu hören.
„Handwerkszeug
erweitern“
Daniel Hautmann, 30,
Freier Fachjournalist
Mein Ziel liegt
darin, das
eigene Handwerkszeug zu
erweitern und neue Anregungen für meine Arbeit
einzufangen.
Zeitung zur DJV-Fachtagung „24 Stunden Zukunft“
von hier nach da 03
8. bis 9. Oktober 2005, Magdeburg
WO BIN ICH – WEISS ICH NICHT
Kann mir eine Analyse meiner Schwächen zu neuen Stärken verhelfen?
Von Lisa Magdalena Richter und Christin Campe
Intuitiv? Flexibel? Musisch? Ganzheitlich?
Rational? Wo liegen meine Stärken, wo meine
Schwächen? Dies waren Fragen, die sogar
die Psychologin, Helen Hannerfeldt, den
Teilnehmern nicht beantworten konnte. Schließlich
kennt jeder Einzelne seine persönlichen Stärken
am besten. Kompetenztrainer können diese nur
aus den Menschen herauskitzeln.
Wie aber funktioniert das? Man nehme 40
Teilnehmer, verteile an jeden vier Karten und lasse
sie „Marktplatz“ spielen. Ergebnis sind 40 mit
bunten Kärtchen handelnde Journalisten, die sich
mit Sätzen konfrontiert sehen wie: „Tauschst du
mathematisch gegen intellektuell?“ oder: „Ich suche
objektiv!“. Doch wozu das alles? Die Teilnehmer
sollten Karten „ertauscht“ haben, deren Attribute
einigen ihrer persönlichen Stärken entsprechen
– unter anderem, um sowohl selbstbewusstes
Auftreten als auch das Selbstvertrauen als solches
zu stärken.
„Es war zwar nur ein Spiel, aber trotzdem hat
es mir gezeigt, in welcher Ecke ich stehe. Was war
nur Wunschvorstellung meiner Stärken und was
ist die Wirklichkeit“, stellte Björn Schwentker,
Wissenschaftsjournalist, fest. Doch sichere Rezepte
für eine Selbstvermarktung mit Erfolgsgarantie bot
Helen Hannerfeldt nicht. Ernüchterung machte
sich breit. Trotzdem konnten die Besucher des
Workshops einige praktische Tipps mitnehmen:
Die berufliche Laufbahn eines jeden führt kaum
an der „freundlichen, persönlichen Unterhaltung“
mit dem potentiellen Chef vorbei.
Wie präsentiere ich meine Stärken? Wie rede
ich über meine Schwächen, ohne Schwächen
eingestehen zu müssen? Fragen über Fragen
wurden in 90 Minuten mit amüsant-anschaulichen
Anekdoten von der Kompetenztrainerin
beantwortet.
Ein Exkurs führte zudem in das Reich
der absoluten Bewerbungs-Tabus. Vorbei an
überzogener Ehrlichkeit, unbedingt tot zu
schweigenden Familienzerrüttungen, bis hin zum
Dampf ablassen über den vorherigen Chef. Auch
die abgedroschene „Ungedulds-Ausrede“ – auf
Ins Auge gefasst:
Jeder hat seine Stärken und Schwächen, die es zu kennen gilt
die Frage nach negativen Eigenschaften – ist
zwar anscheinend clever durchdacht, zieht aber
nicht. Bei den Antworten des Bewerbers darf
ein wenig mehr Kreativität erwartet werden, ist er
doch schließlich nur ein Sandkorn in der Sahara
der Bewerber.
Das Prinzip aus Problemen Herausforderungen
zu machen, ist kein schlechtes, erklärt die Expertin:
„Jeder sollte in bestimmten Situationen solche
Schwächen nennen, die sich schnell in Positives
ummünzen lassen.“
DIE DREI STRATEGISCHEN „A“-FALLEN
Von Cynthia Ruttkowski
Jammernde „Arme Tröpfe“ bringen es nicht
weit auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt.
Selbstbewusstsein und der Wille, seine Wünsche
für sich einzufordern, machen dagegen den
erfolgreichen Freiberufler aus. „Wer Erfolg haben
will, der muss seine Ziele kennen und wissen, wie
er diese erreichen kann“, so formulierte Referentin
Cordula Nussbaum die scheinbar einfache Lösung
für die Probleme vieler freier Journalisten. Das
Verkennen eigener Potentiale und Planlosigkeit
führe häufig zu Frust und Unzufriedenheit im
Job. Während die Einen ihr berufliches und
privates Leben gänzlich dem „Autopiloten“
Coacht freie Journalisten:
Cordula Nussbaum gibt Tipps
gegen Planlosigkeit
überlassen, der sie erfolgreich an Chancen und
Möglichkeiten vorbei manövriert, bricht bei
Anderen übertriebener „Aktionismus“ aus, der
ebenso wenig effektiv wie erfolgreich ist. Doch was
ist zu tun, um diesen „A“-Fallen aus dem Weg zu
gehen, zufrieden zu sein, Geld zu verdienen und
seinen eigenen Ansprüchen zu genügen?
In sich hinein hören und zu wissen, wohin
man will – das ist die Basis, auf der sinnvolle
Strategien entwickelt werden können. Man muss
nicht nur die eigenen Ziele kennen, sondern sollte
sie auch begründen können. „Viele Menschen
verfolgen Ziele, die in Wahrheit nicht ihre eigenen
sind oder die vor langer
Zeit ihre Bedeutung
verloren haben“, erklärt
Nussbaum.
Her rscht Klarheit
darüber, was erreicht
werden möchte,
sollten gute Strategien
entwickelt werden. Das
Auseinandersetzen mit
eigenen Stärken und
Möglichkeiten, sowie die
gründliche Recherche potentieller Arbeitgeber
steht nun im Vordergrund. Was kann und will ich
– diese Fragen müssen nun beantwortet sein.
Doch was nützen die eigenen Fähigkeiten,
Potentiale und Ziele, wenn niemand davon weiß?
Selbstvermarktung ist hier von entscheidender
Bedeutung. Sich und seine Leistungen für andere,
besonders für mögliche Auftraggeber, sichtbar
zu machen, ist der Schlüssel zu einem guten
Selbstmarketing. Der Grat zwischen gesundem
Selbstbewusstsein und aufgesetztem Schauspiel
ist hier jedoch sehr schmal und sollte deshalb
gut ausgelotet werden. Auch das sogenannte
„Networking“, das Auf- und Ausbauen von
nützlichen Kontakten in der Branche, ist geradezu
überlebenswichtig, um sich auf dem Arbeitsmarkt
zu etablieren. „Knüpfe Kontakte und erzähle
anderen von deinen Plänen, dann werden sie
unbewusst auch für dich arbeiten“, erklärt
Nussbaum. Weder besondere Fähigkeiten noch
umfangreiche Erfahrung im Beruf können eine
fehlende Präsenz am Markt ausgleichen.
Auch wenn viele Anregungen und Impulse
gegeben wurden, blieben einige Antworten
unbefriedigend.
politik orange
04 böser zwilling
Professor Dr. Klaus Kocks (53 Jahre), Meinungsforscher und Kommunikationsberater, sorgte während seines Impulsreferates für
Aufsehen, als er die neue Studie von Prof. Dr. Siegfried Weischenberg mit deutlichen Worten kritisierte. Weischenberg hatte darin den
PR-Mann klar vom „deutschen Journalisten“ abgegrenzt und die
Einflussnahme der PR als stark steigend beschrieben. „Ich bin zum
Glück nie karriere-technisch soweit abgesunken, dass ich Journalist
werden musste“, so Kocks.
Von Christin Campe und Lisa Magdalena Richter
„PR-LEUTE SIND SCHLECHTE
MENSCHEN, ABER GUT BEZAHLT“
PO: Was war das Ziel Ihrer Rede
Prof. Dr. Klaus Kocks: Mein Ziel ist gesellschaftspolitisch. Ich will eine freie Presse, auch
wenn ich als PR-Mann gegenläufig agiere. Aber
PR ist ein Parasit der freien Presse und der
Parasit will nicht unbedingt, dass es dem Wirt
schlecht geht.
PO: In Ihrem Referat sagten Sie, dass sich Objektivität nicht nach Vorsatz, sondern nach Möglichkeit
hat, in der vorgegebenen Zeit einfach nur seine
Seiten zu füllen?
Im Gegensatz dazu bietet der Spiegel seinen
Redakteuren die Möglichkeit von fünf Wochen
Recherche-Zeit. Die können auf riesige Archive
zurückgreifen.
Es geht bei der Frage nach gutem Journalismus einfach um Arbeitsbedingungen. Solange
diese nicht geboten werden können, kann man
von objektiven Journalismus nicht reden.
entscheidet. Gibt es in Ihren Augen keine objektiven
Journalisten?
PR lässt sich ethisch nicht begründen. PR hat
nichts mit Gesinnungsethik zu tun, sondern mit
Verantwortungsethik. Kann ich mich der Verantwortung stellen, Apfelsaft zu verkaufen oder
Kokain? Man muss auch immer mit den Folgen
leben können. Ich habe Alkopops vertreten, bin
ich jetzt mit daran schuld, dass sich junge Leute
am Wochenende ins Koma saufen?
PO: Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Haben
Sie in Ihrer Familie Probleme durch berufliche Hand-
PO: Was ist der Unterschied zwischen PR und
Prof. Dr. Klaus Kocks: Objektiver Journa- Journalismus?
lismus kann nicht von Redakteuren gemacht
Prof. Dr. Klaus Kocks: Journalisten werden
werden, die tagtäglich vier Seiten im Lokalteil schlecht bezahlt. PR-Leute sind schlechte Menfüllen müssen. Die können sich nicht lange schen, die aber gut bezahlt werden.
hinsetzen und noch recherchieren. Die arme Sau
nimmt, was sie zusammenraufen kann. Wie kann
PO: Haben Sie als PR-Mensch – also als „schlechter
da eine Lokalzeitung noch kritische Beiträge Mensch“ – ein gutes Gewissen bei ihrer Arbeit?
Prof. Dr. Klaus Kocks: Mein Gewissen ist rein.
bringen, wenn der Redakteur schon Probleme
lungen? Was sagt Ihre Frau dazu, wenn Sie Alkopops
vermarkten, die Ihre Tochter konsumieren kann?
Prof. Dr. Klaus Kocks: Was ist denn mit
der Eigenverantwortung der Jugendlichen?
Verhindere ich mit den Alkopops nicht, dass
die Jugendlichen unkontrolliert in der Garage
Unmengen Wodka mit Orangensaft mischen?
Das ist meine eigene Entscheidung, die ich alleine
treffen muss.
Letzte Diskussionen:
Mit der Runde zum Boulevard-Journalismus schlossen „24 Stunden Zukunft“
in Magdeburg
Zeitung zur DJV-Fachtagung „24 Stunden Zukunft“
normaler stress 05
8. bis 9. Oktober 2005, Magdeburg
DAS SIND WIR…
Prof. Dr. Siegfried Weischenberg stellte auf dem
Fachkongress seine neuesten
Studienergebnisse zum Journalismus in Deutschland vor.
Die Ergebnisse zeigen, dass
„Deutschlands Journalisten
noch zufriedener sind als in
früheren Jahren.“
Von Lisa Magdalena Richter
und Matthias Ennersch
„LEUTE LASST EUCH
NICHT VERFÜHREN VON
DIESER GLAMOURWELT“
ist ein absurder Vorwurf, das kann er nicht
gemeint haben. Ich werde mal mit ihm
welche Ziele verfolgen Sie damit?
Prof. Dr. Siegfried Weischenberg: Der darüber reden.
Anlass war ein ganz simpler: Wiederholung
der Studie von 1993. Es sollte die EntwickPO: Würden Sie heute noch Jugendlichen
lung in den letzten zwölf Jahren aufgezeigt empfehlen, Journalist zu werden?
werden. Damals war der Anlass die DiskusProf. Dr. Siegfried Weischenberg: Ich
sion, was den deutschen Journalismus von möchte weder zu- noch abraten. Die Frage
den anderer Länder unterscheidet.
ist: Wie groß ist die Motivation? Wenn die
Leute wirklich für diesen Beruf brennen und
eine große Motivation haben, warum nicht?
PO: Auf welcher Grundlage wurde Ihre
Studie erstellt? Welcher Personenkreis wurde
Bei mir war das ähnlich, ich wusste mit 14,
dass ich das machen will. Aber man muss
befragt?
Prof. Dr. Siegfried Weischenberg: Grund- sich natürlich auch im Klaren darüber sein,
lage war der Fragebogen, der bereits in dass dazu Stress, unregelmäßige Arbeitszeiunserer ersten Studie 1993 verwendet wurde. ten und wechselnde Anstellungen gehören.
Somit konnte ein Vergleich hergestellt Journalismus basiert auf dem Gesamtbereich
werden. Befragt wurden nur hauptberufliche der Nachrichtenredaktion, das ist manchmal
Journalisten. Die Studie erstreckt sich über nicht sehr spannend.
alle Altersgruppen in Deutschland.
Schwerpunkte in der Medienbranche
verlagern sich und ich denke, dass in
Zukunft noch viele qualifizierte Journalisten
PO: Von einigen Kollegen werden Ihren
Studienergebnisse angezweifelt. Was sagen Sie
gebraucht werden.
PO: Was war der Anlass Ihrer Studie und
Ihren Kritikern?
Prof. Dr. Siegfried Weischenberg: Zweifler? Da kenne ich nur Kocks. Was hat er
denn gesagt?
PO: Nennen Sie uns bitte den grundlegenden Unterschied zwischen Public Relations (PR)
und Journalismus in einem Satz!
Prof. Dr. Siegfried Weischenberg: Der
grundlegende Unterschied ist, dass JournaStudie an.
lismus einen gesellschaftlichen Auftrag hat
Prof. Dr. Siegfried Weischenberg: Das und PR gruppenorientiert ist.
PO: Er zweifelt den Wahrheitsgehalt Ihrer
fjp>media ist der Verband junger Medienmacher in Sachsen-Anhalt. Wir arbeiten an Onlinemedien, Hörfunkprojekten, Videoproduktionen
und im Printbereich.
fjp>media bietet Workshops, Pressefahrten
und Rechtsschutzversicherung. Wir sorgen für
eine reibungslose Akkreditierung z.B. bei Messen
und Konzerten.
In Magdeburg haben wir den Medientreff
zone!, eine Bildungseinrichtung mit Redaktions- und Seminarräumen und einer großen
Mediathek. Hier arbeiten wir auch an medienpädagogischen Projekten mit Kindern ab dem
Vorschulalter.
Jährlich verleiht fjp>media die „Goldene
Feder“ als Auszeichnung für die besten Jugendzeitungen und die begabtesten Nachwuchsjournalisten aus Sachsen-Anhalt.
Für unsere Mitglieder stellen wir den bundesweit einheitlichen Jugend-Presseausweis aus.
Auch wenn es ein Büro mit Geschäftsführer
gibt: Den Hut bei fjp>media haben Jugendliche
und junge Erwachsene auf. Wir bestimmen, wo
es lang geht.
Kontakt:
fjp>media, Verband junger Medienmacher
PF 1441 – 39004 Magdeburg
Telefon: 0391/ 5 61 82 38
Fax: 0391/ 5 41 07 67
E-Mail: [email protected]
Web: fjp-media.de
politik orange
06 geschmack entscheidet
BOULEVARDISIERUNG – ALLTAG
IM JOURNALISMUS
Alexander Fritsch ist freier TV-Autor und Produzent. Seit 2000 ist er zudem
Korrespondent für Reuters-TV. Als Vorstand des DJV-Landesverbandes Berlin
moderierte er die Podiumsdiskussion „Boulevardisierung der Medien“.
Von Benno Müchler
Journalismus hängt vom Geschmack des
Konsumenten ab. Der „Kokain-Konsum“
unkritisch, vielleicht zu faul geworden?
von Kate Moss ist wahr und basiert auf Fakten.
Alexander Fritsch: Man muss hier sehr Schlechter Journalismus ist das nicht.
deutlich abgrenzen. Boulevard-Journalismus
kommt nicht durch schlechte Recherche und
PO: Wie sieht es in der Zukunft aus? Wird die
ist daher kein schlechter Journalismus. Den Boulevardisierung weiter voranschreiten?
„stern“ würde man zum Beispiel nicht als BouAlexander Fritsch: Der Boulevard-Jourlevard-Magazin bezeichnen. Boulevardesquer nalismus wird sich durchsetzen. Dazu ein
Journalimus ist ernst zu nehmen und auch als Beispiel: Vor 20 Jahren wäre es undenkbar
solcher zu kennzeichnen.
gewesen, dass die „tagesschau“ sportliche
Meldungen in ausgeprägter Form bringt.
Heute widmet sie samstags einen Großteil
PO: Die Boulevardisierung entsteht natürlich
durch das Konsumverhalten des Zuschauers
ihrer Sendezeit der Bundesliga. Boulevarund des Lesers. Geht durch diese Entwicklung
desque Techniken greifen über. Es gibt heute
nicht immer ein Stück Wahrheit des Journalismus
keinen Journalismus mehr, ohne Wissen über
verloren?
solche Techniken. Der Boulevard-JournalisAlexander Fritsch: Ob wahr oder falsch mus ist ein ‚Muss‘ für jeden Journalisten und
– darüber entscheiden Geschmacksfragen. gehört zu seinen Grundkenntnissen.
PO: Ein Gespenst
sein. Wenn eine solche Recherche Ursache der
geht durch die Medien.
Boulevardisierung ist, sind Journalisten dann zu
Die Boulevardisierung
– farbenfrohe, lustige,
unterhaltende und fast
reißerische Formate.
Ist die Boulevardierung noch ein Gespenst oder
schon eine ernst zu nehmende Bedrohung der
Medien?
Alexander Fritsch: Die Boulevardisierung ist
weder Gepenst noch Bedrohung. Sie ist Teil
des journalistischen Alltags, die die maximale
Verbreitung ihrer Produkte zu ihrem Ziel hat.
Es ist eine der vorherrschenden Formen in
Deutschland.
PO: Journalismus fängt mit einer Idee und
der Recherche an. Das Internet mit „Google“
kann dabei eine Hauptquelle des Journalisten
politikorange – frisch, fruchtig, selbstgepresst
[email protected]
politikorange ist ein Netzwerk
zur Demokratieoffensive. Der
Vorsatz: informieren, motivieren
und aktivieren. Etwa 20 junge
Medienmacher verwirklichten im März 2002 die Idee
einer unabhängigen Zeitung,
die seitdem mit wechselnden
Schwerpunktthemen und wechselnden Partnern erscheint und
von jungen Redakteuren aus
ganz Deutschland gestaltet wird.
Von Jugendlichen für Jugendliche. Der Aufruf dazu erfolgt
in der Regel im Internet unter
www.jugendpresse.de und www.
politikorange.de.
> Wer ist politikorange?
Du bist politikorange! Du und
viele andere engagierte junge
Menschen, die am Medienmachen interessiert sind und mitbestimmen wollen. Bisher sind die
Jugendpresse Deutschland, die
Servicestelle Jugendbeteiligung,
das Hausaufgabenheft „Häfft“
und die BundesschülerInnenvertretung dabei. Aber schon viele
andere Initiativen und Verbände
haben Interesse bekundet, sich
in den Dienst der Idee von politikorange zu stellen. Und wenn
du mitmachen willst, egal ob als
Einzelperson oder als Initiative,
bist du herzlich willkommen.
> Was ist politikorange?
> politikorange.de - ist eine
unabhängige Plattform für
politikinteressierte, junge
Menschen, mit Datenbanken
über interessante Projekte und
Organisationen, sie gibt Hilfen
bei der Projektorganisation, und
veranstaltet Diskussionsforen zu
verschiedenen Themen.
> politikorange gibt es auch als
Magazinbeilage in der Berliner
Tageszeitung taz - mit Artikeln
aus Politik, Lifestyle, Szene,
Medien und vielen wichtigen
Infos zu Beteiligungsmöglichkeiten. Ihr seid dabei: Als Redakteure, Layouter oder Fotografen.
> politikorange - die Zeitung.
Bei Veranstaltungen entsteht
innerhalbweniger Tage eine
Zeitung, die die Veranstaltung
kommentiert und begleitet. So
zum Beispiel diese Zeitung zur
Youth Media Convention auf der
Fähre zwischen Kiel und Oslo.
> Wo ist politikorange?
Unter www.politikorange.de und
www.jugendpresse.de erfahrt
ihr, wo die nächste politikorange
gemacht wird. Dort könnt ihr
euch auch als Redakteure
bewerben.
> politikorange - events.
Veranstaltungen, die von
Jugendlichen selbst organisiert
und konzipiert sind, sollen
nicht länger nebeneinander
stattfinden, sondern in einen
Zusammenhang gestellt werden.
politikorange hat einen politischen Anspruch, will Jugendlichen die Möglichkeit geben,
sich eine Meinung zu bilden und
diese natürlich frei zu äußern.
Wenn du diese Ideen spannend
findest und Lust hast, dich einzuklinken, melde dich einfach bei
[email protected].
Alle Ideen sind willkommen.
Bis bald!
impressum
Diese Ausgabe von politikorange zur DJV-Fachtagung
für junge Journalistinnen und Journalisten „24 Stunden
Zukunft“ in Magdeburg ist ein Projekt des Netzwerks
„politikorange“ und fjp>media.
Herausgeber:
politikorange - Netzwerk Demokratieoffensive
c/o Jugendpresse Deutschland e.V.
Grolmanstraße 52, 10623 Berlin
Tel. (030) 450 865 50, Fax (030) 450 865 59
www.jugendpresse.de, [email protected]
Redaktion:
fjp>media, Verband junger Medienmacher
Gareisstraße 15
39106 Magdeburg
Tel. (0391)561 82 36, Fax (0391) 541 07 67
www.fjp-media.de, [email protected]
Chefredaktion:
Kristin Heiß V.i.s.d.P. ([email protected])
Mandy Hannemann ([email protected])
Organisation: Kai Hartig, Kristin Heiß, Olaf Schütte, Erik
Staschöfsky, Matthias Zagermann
Redaktion: Christin Campe, Matthias Ennersch, Michaela
Grunow, Pierre Kurby, Benno Müchler, Lisa Magdalena
Richter, Cynthia Ruttkowski, Olaf Schütte, Erik Staschöfsky, Andreas Stein
Bildredaktion und Layout: Mandy Hannemann
Auflage: 300 Exemplare
Webseite: www.24StundenZukunft.fjp-media.de
Zeitung zur DJV-Fachtagung „24 Stunden Zukunft“
können und existenz 07
8. bis 9. Oktober 2005, Magdeburg
IM GEFÜGE DER MACHT
Von Michaela Grunow und Benno Müchler
Wer sich von den Teilnehmern einen
reinen Praxisworkshop zum journalistischen
Handwerkszeug erhofft hatte, wurde hier fast
enttäuscht und erst kurz vor Ende befriedigt.
Stattdessen sind die Rahmenbedingungen
journalisitscher Arbeit geklärt worden.
Ermunternd sprach Referent Ekkehart
Sieker über Ziele und Interessen. Zukünftige
Journalisten müssten wissen, welche Art von
Journalismus sie betreiben möchten.
Einerseits gibt es den „wahren Journalismus“,
der wirklich informiert und die Demokratie
verteidigt. Seine Grundlage ist Artikel 1 des
Pressekodex, wonach die Achtung vor der
Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde
und die wahrhaftige Unterrichtung der
Öffentlichkeit oberstes Gebot sind. Andererseits
gibt es den Bereich der „Public Relations“ (PR),
der sich am Gewinn orientiert. „Es geht um
das Geschäft“, so Siekert. Ein Journalist müsse
Geld verdienen, um zu überleben. Dabei dürfe
er nie vergessen, dass er in einem Staat lebe,
in dem Medien und Republik von Mächtigen
beherrscht würden: „Wirtschaftskonzerne
sind mächtiger als Staaten und Bertelsmann
mächtiger als irgendein Kanzler.“
Egal für welche Richtung sich angehende
Medienmacher entscheiden, wichtig ist, dass
die eigenen Ziele klar gesteckt sind, um diese
im Berufsleben durchsetzen zu können. Da
heißt es: „Kämpfen und gegebenenfalls Opfer
bringen.“ Wer gegen den Strom schwimmt,
wird weniger verdienen als der, der sich in
seinen Ansichten zwar verrenkt, aber sich
hierarchisch unterordnet.
Dennoch kann jeder seinen eigenen Weg
beschreiten – am besten mit Gleichgesinnten.
Ohne Auseinandersetzungen ist das jedoch
kaum möglich. „Sie müssen wissen, wann
Sie den Mund aufmachen, sollten sich aber
nicht bei jeder Kleinigkeit aufregen“, riet er
den Anwesenden.
Klar war schließlich für Sieker: „Ich habe an
den Reaktionen einiger Teilnehmer gemerkt,
dass ich in meiner Ausführung über das
wirkliche Machtverhältnis in den Medien nicht
so ganz falsch lag.“ Teilnehmerin Katja Feller
stimmte zu, ging aber etwas enttäuscht aus
dem Workshop: „Inhaltlich wurde das Thema
verfehlt. Um Praxis, wie die Recherche, ging
es fast gar nicht. Dennoch habe ich Herrn
Sieker verstanden. In Zukunft werde ich mehr
darauf achten, was PR ist und Inhalte stärker
hinterfragen.“
Aufgabe im
Blick:
Als Journalist
auch gegen
den Strom
schwimmen
DER WEG IST DAS ZIEL
Von Pierre Kurby und Matthias Ennersch
Die ausgewiesene Rechtsexpertin gab den
Anwesenden zahlreiche Tipps und Informationen,
feine Details und Hinweise. Sie referierte über
Finanzierung und notwendige Versicherungen.
So bietet das Überbrückungsgeld eine Möglichkeit
finanzieller Absicherung in den ersten
Monaten. Voraussetzung dafür ist unter
anderem ein Businessplan, der auch der
Selbstkontrolle dient. Handwerkliches
Geschick und Glück gehören ebenso
zur Existenzgründung. Doch ist der Weg
Expertin im
Recht:
steinig und oftmals kompliziert.
Petra KauffDie Versicherungsberaterin, die selbst
mann sprach
viel Glück hatte, spricht aus eigener
über Finanzierungsfragen
Erfahrung, denn: „In den ersten zwei
Immer weniger Journalisten bekommen die
Chance einer Festeinstellung. Im Workshop
„Existenzgründung“ informierte daher Petra
Kauffmann über die Hürden auf dem Weg in
die Selbstständigkeit.
Jahren habe ich rote Zahlen geschrieben“.
Kaufmann gab ganz praktische Anregungen und
empfiehlt unter anderem, Büro und Wohnung
räumlich zu trennen. Existenzgründungsvereine
in den Bundesländern beraten individuell und
geben weitere hilfreiche Informationen.
Der 25jährige Moritz Wedel war vom
Themeninhalt angenehm überrascht. „Petra
Kauffmann hat umfassend und tiefgründig
erzählt.“ Auch Anne-Kathrin Wehrmann
fand die verschiedenen Tipps informativ. Die
Komplexität der Selbständigkeit ist für die
Volontärin abschreckend. Doch sieht sie ihre
Zukunft nüchtern und die umfassende Recherche
als notwendig.
fruchtfleisch | wo seht ihr euch selbst in zehn jahren?
„Freier
Wirtschaftsjournalist“
Daniel
Bouhs, 23,
Student und
Journalist
Ich gehe davon aus das ich
freier Wirtschaftsjournalist
werde.
„Chefin der
Online-Redaktion“
Miriam
Godau, 32,
OnlineRedakteurin
Ich möchte Chefin der
Online-Redaktion werden.
„Wofür ich mich
geeignet fühle“
Kathrin
Konyen, 26,
Studentin
Ich möchte
eher keine
Chefredakteurin werden. Lieber mache
ich etwas, wofür ich mich
geeignet fühle.
politik orange
08 wohin eigentlich?
„DIE ZUKUNFT LIEGT IM
BAUCHLADEN-JOURNALISMUS“
Die Medienbranche ist im Wandel: Überall werden Stellen gestrichen. Gleichzeitig strömen immer mehr Nachwuchsjournalisten auf den
Medienmarkt. Kein Wunder, dass sich unter den Medienmachern Zukunftsängste breitmachen. Im Workshop III bemühte sich Referent Wolfgang Kiesel deswegen, den Teilnehmern neue Wege in den freien Journalismus aufzuzeigen und ihnen die Angst vor dieser neuen Form der
Arbeit zu nehmen. Von Andreas Stein
Die Schwarzmalerei einiger Branchenkenner will
Wolfgang Kiesel so nicht stehenlassen. „Wir haben
keine Medienkrise“, sagt er bestimmt. Vielmehr
wurden die Medien in
den letzten Jahren massiv
umstrukturiert. Deshalb
stehen die Chancen für
viele junge Berufsstarter
schlecht. „Existenzängste
Wolfgang
sind normal, denn in
Kiesel
vielen Redaktionen
„Ich mache seit 21 Jahren nur noch
geht die Sense um“,
das, was mir Spaß macht und hätte
weiß der erfahrene
das schon eher tun sollen“, sagt
Medienmacher Kiesel.
Wolfgang Kiesel und lacht. Seine
Viele Journalisten müssen
eindrucksvolle Vita umfasst viele
Stationen: Nach Erfahrungen im
sich an den Gedanken
Fernseh- und Printbereich arbeitete er
gewöhnen, dass sie an
als Dozent und Berater für angehende
ihrem momentanen
Journalisten und engagierte sich im
DJV. Als Fachjournalist beschäftigt
Arbeitsplatz nicht bis zur
sich Kiesel mit Hafenwirtschaft,
Rente bleiben werden.
Zukunft wird jede
Journalistenkarriere
mehrere Redaktionsstellen, Netzwerkjobs
und freie Mitarbeit
in den Medien
umfassen“, ist sich
Wolfg ang Kiesel
sicher.
Rechtssicher
Nur wer Netzwerke aufbaut, sich Alternativen
und Nischen in der Medienbranche sucht, hat
in Zukunft eine Chance. Darum erläuterte
Kiesel die verschiedenen Arbeitsformen der
freien Journalisten und stellte ihre Stärken und
Schwächen gegenüber.
Vom Arbeitsplatz zuhause bis hin zur
Spezialschiffbau und vielen weiteren
eigenen
Firma ist dabei alles möglich (siehe
technischen Themen.
Infobox). Außerdem erklärte Wolfgang Kiesel die
Karrierenvielfalt
verschiedenen möglichen Rechtsformen, in denen
Aber es gibt Lichtblicke am Horizont, denn man sich als freier Journalist organisieren kann.
die besondere Arbeitsweise freier Journalisten Vom klassischen Freiberufler über die GmbH bis
könne laut Kiesel auch ein Vorteil sein. „In hin zur Genossenschaft – auch hier gibt es keinen
einzig richtigen Weg. Kiesel warnt aber vor der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), da man
im Fall einer Klage gegen Partner der eigenen
Firma mit seinem kompletten Privatvermögen
haftet. Dagegen empfiehlt er die traditionsreiche
Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft
(OHG), wo man sich schon für wenig Geld den
eigenen Firmennamen sichern kann und ein
Haftungsschutz für die Gesellschafter existiert.
Fazit von Workshop III:
Wer flexibel und spezialisiert ist, findet laut
Wolfgang Kiesel auch im neuen Medienzeitalter
seinen Platz.
Die Möglichkeiten freiberuflicher Arbeit
> Zuhause
Freie Journalisten, die von
zuhause arbeiten, sind fachlich
und zeitlich unabhängig.
Weitere Pluspunkte sind für
Kiesel die hohe Mobilität
und die gute Profilierung
auf Themenschwerpunkte.
Allerdings haben Einzelkämpfer
keine Vertretungsmöglichkeiten, kaum soziale Kontakte und
müssen sich ihr Büro aufwändig
selbst einrichten.
> Netzwerke
Die Gründung von lockeren
Netzwerken ermöglicht
dem freien Journalisten den
Austausch von Erfahrungen
und die Möglichkeit zur
Zusammenarbeit mit
Kollegen ohne räumliches
Miteinander.
Die Interaktionsmöglichkeiten und der breite
Erfahrungspool machen
das Netzwerk für Kiesel zu
einer Organisationsform mit
Zukunft.
> Pauschalist
„Ein Pauschalarbeitsvertrag
ist wie eine Verlobung“,
meint Wolfgang Kiesel. Man
bekommt ein kalkulierbares
Honorar und ist fest in eine
Redaktion eingebunden.
Was viele jedoch nicht
wissen: Als Pauschalist
ist man kein Angestellter,
sondern freier Mitarbeiter,
darum ist das Risiko einer
Kündigung hoch. Alt wird
man als Pauschalist also
nicht.
> Tagelöhner / Feste Freie
Sogenannte „Feste Freie“
haben einen Rahmenvertrag
mit ihrem Arbeitgeber
abgeschlossen, der
allerdings nur für die Dauer
der Produktion gilt – eine
Kündigung ist also jederzeit
möglich. Allerdings bietet
diese Form der Arbeit
gute Honorare und viele
Aufstiegschancen.
eine gemeinsame Website,
haften in Rechtsstreitigkeiten
grundsätzlich alle Beteiligten
mit ihrem Privatvermögen
– ein hohes Risiko.
> Firma I
> Firma II
Eine weitere Möglichkeit für
freie Journalisten ist die Arbeit
als Partner oder Zuarbeiter
in einer Bürogemeinschaft
oder einem Pressebüro.
Laufende Kosten und
Investitionen kann man sich
so teilen und übernimmt
oft schon bestehende
Produktionsaufträge.
Hat diese Firma jedoch
Wer eine eigene Firma
gründet, hat den Vorteil
der freien Partnerwahl. Mit
dem eigenen Dream-Team
und dem richtigen Konzept
haben die Journalisten
eine gute Chance auf dem
freien Markt. Hat sich die
eigene Firma erstmal einen
Namen gemacht, steht dem
Erfolg nichts mehr im Wege.

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