Politik und Zeitgeschichte im Comic

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Politik und Zeitgeschichte im Comic
Marianne Fix
Politik und Zeitgeschichte im Comic
mit einer annotierten Bibliographie für Öffentliche Bibliotheken
Grundlage der Untersuchung bilden in Deutschland erschienene Comics, d.h. vor allem amerikanische und französische Produktionen. Zur Darstellung des politischen Aspekts in Comics wird zunächst deren Entstehungsgeschichte
und weitere Entwicklung betrachtet. Wirtschaftliche Zwänge der Herausgeber beeinflußten die Inhalte ebenso, wie
zeitgeschichtliche Ereignisse und die daraus resultierenden Ideologien. Sachcomics werden aufgrund ihrer eigenen
Problematik als Informationsmedien speziell behandelt. Um einen Überblick über das aktuelle Angebot sowie die
Klassiker des Genres zu gewinnen, werden die Comics Themenkreisen von „Nationalsozialismus“ bis „Feminismus“
zugeordnet und dabei die verschiedenen Herangehensweisen und Motivationen der Autoren untersucht.
Politics and Contemporary History in Comic Strips, with an annotated bibliography for Public Libraries
The basis of the investigation is comics published in Germany, particularly U.S. and French productions. To explain
the political element of graphic novels their origin and evolution is considered. Economic pressure on publishers, as
well as contemporary events, influenced the contents and hence the political element. Non-fiction comics will be dealt
with separately because of special problems arising from their function as an information medium. To give an
impression of the range of subject matter, and to enable comic strips to be considered in a political light, they will be
classified under headings Iike „Nazism“ or „Feminism“, to show different methods of approach and different motivations
of authors.
Politique et histoire contemporaine dans les bandes dessinées, avec une bibliographie annotée pour les bibliothèques
publiques
La base de cette recherche repose sur les bandes dessinées publiées en Allemagne, qui sont surtout des productions
américaines et françaises. Pour la démonstration de l’aspect politique dans les bandes dessinées, on regarde d’abord
la genèse et le développement.
Des contraintes économiques des éditeurs influençaient les contenus aussi bien que les évènements contemporains
et les idéologies qui en résultaient. Les bandes dessinées non fiction sont traitées à part en raison de leur
problématique en tant que médias d’information. Pour faire un tour d’horizon de l’offre actuelle et des classiques du
genre, on divise les bandes dessinées en groupes thématiques du ,national-socialisme‘ au ,féminisme‘ et on examine
les différentes approches et les différentes motivations des auteurs.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Definitionen und Begriffe . . . . . . . . .
3 Eine kleine chronologische Übersicht unter
besonderer Berücksichtigung politischer
und zeitgeschichtlicher Aspekte . . . . . .
4 Sachcomics oder Educational Comics . . .
5 Themenkreise . . . . . . . . . . . . . . .
6 Comics als Ausdrucksmittel politischer
Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . .
7 Schlußbetrachtung: Comics in
Öffentlichen Bibliotheken . . . . . . . . .
Primärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . .
Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . .
Annotierte Bibliographie . . . . . . . . . . .
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Einleitung
Comics sind, falls sie in Öffentlichen Bibliotheken angeboten werden, vergleichbar mit den Süßigkeiten an der
Kasse eines Supermarktes.
Man findet sie mittlerweile überall, meist in den Nahbereichen. Doch das ist noch nicht lange so. In den siebziger Jahren galten Comics in den Bibliotheken noch als
Jugendliteratur; falls es überhaupt welche gab, verschwanden sie in den Kinderabteilungen.
Die Kritik an den bunten Heftchen ist bis heute nicht
abgerissen. Zwar sind die Vorwürfe der Schmutz- und
Schunddebatte, Comics würden das Sprach- und Denkvermögen negativ beeinflussen und aus Kindern Kriminelle machen, überwunden, doch folgten darauf andere:
Gewaltverherrlichung, Sexismus, Konformismus, Kulturimperialismus1.
Auch Alfred Clemens Baumgärtner, mit dessen Untersuchung über Abenteuer-Comics in den sechziger Jahren
doch immerhin eine Erneuerung der Comic-Kritik einherging schreibt: „… diesen Ergebnissen unserer Untersuchung zufolge sehen wir in einem intensiven ComicsKonsum vor allem eine politische Gefahr.“ 2 Und so ist
es auch verständlich, daß vielen Feuilletonisten auf das
Erscheinen von Art Spiegelmans „MAUS“ nur eine Frage
einfiel: „Ein Comic über Auschwitz – darf man das?“
Die Erwartungshaltung geht bei Comics immer noch in
1
2
„Zunächst müssen wir feststellen, daß fast allen Comics reaktionäre oder affirmative Ideologien zugrunde liegen“. Zit. nach
Giffhorn: Zur politischen Funktion von Comics. In: Comics im
ästhetischen Unterricht. Frankfurt 1974. S. 87.
Baumgärtner: Die Welt der Comics. Probleme einer primitiven
Literaturform. Bochum 1965. S. 103.
162
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Richtung Funny und Cartoon. Dabei werden in dem
Medium schon lange aktuelle zeitgeschichtliche Sujets
behandelt. Politik im Comic ist längst selbstverständlich,
ob als Tagespolitik oder als Science Fiction.
Da das Thema der Arbeit sehr breit angelegt ist, können
verschieden Aspekte nur angerissen werden. Das gilt
beispielsweise für Comics als Ausdrucksmittel von politischen Bewegungen oder den Einsatz von Comics als
Propagandamittel. Das größte Problem bei diesen Themen ist die Materialbeschaffung, da ein Großteil der
Comics nicht über den Buchhandel vertrieben wird und
somit nicht in Bibliotheken gelangt. Größere Bestände
sind in kaum einer Bibliothek vorhanden. Die Pflichtabgabe-Exemplare werden von den Verlagen nicht immer
abgeliefert, und sind sie tatsächlich in wissenschaftliche
Bibliotheken gelangt, ist es möglich, daß sie aus „organisatorischen“ Gründen nur teilweise erschlossen sind.
Um das Thema zu begrenzen, habe ich mich fast immer
auf die in deutscher Sprache erschienenen Comics beschränkt. Das erschien im Hinblick auf die Verwendbarkeit der Arbeit für Bibliotheken sinnvoll. Man sollte jedoch beachten, daß damit nur der europäische und der
amerikanische Markt wahrgenommen wird. Die Produktionen andere Länder mit großer Comic-Tradition wie
Japan, China oder die lateinamerikanischen Staaten
werden damit nicht berücksichtigt.
Auch Zeitungsstrips fallen weg, nur als Comic-Books
d.h. in gebundener Form Erschienenes konnte berücksichtigt werden. Ebenso werden Kinder- und Jugendcomics nur im Kapitel „Sachcomics“ speziell behandelt. Im
Unterschied zum Buchmarkt wird der Comic-Markt nicht
so stark in Altersgruppen eingeteilt.
2
Definitionen und Begriffe
„Definierbar ist nur das, was keine Geschichte hat.“
Nietzsche
2.1
sche schon sagt, ist die Geschichte bei der Definition
nicht erfaßbar, deshalb muß die geschichtliche Entwicklung in diesem Zusammenhang speziell dargestellt werden.
Bleibt die Möglichkeit, formbestimmende Elemente zu
sammeln, die jedoch nicht durchgängig vorhanden sind.
Bei den verbalen Darstellungsmitteln gibt es:
a) die Sprechblase (balloon) für die direkte Rede,
b) die Gedankenwolke für den inneren Monolog,
c) den Blocktext am Bildrand für kommentierende oder
erzählende Texte und
d) die Lautmalerei (Onomatopöie), die Geräusche wiedergibt.
Typische visuelle Elemente sind:
a) das Panel, das Einzelbild,
b) die Speedlines (kinetische Linien) und
c) die Piktogramme (Bildmetaphern), die z.T. auch in
den Sprechblasen erscheinen, z.B. Glühbirne für
plötzliche Erkenntnis.
Hinzu kommt das narrative Element, das die Erzählabsicht des Comics unterstreicht und durch das sich der
Comic vom Cartoon bzw. der Karikatur abgrenzt. Entscheidend für den Übergang von der Karikatur zum
Comic war die Bildreihung, das narrative Element. Im
Unterschied zur Karikatur, ebenfalls eine Form des „gezeichneten, unbewegten, erzählenden Bildes“, führt der
Comic in Phasen auf den Höhepunkt des Geschehens
hin, während die Karikatur nur den Höhepunkt schildert.6
Über diese formbestimmenden Elemente kann man sich
dem Medium Comic jedoch nur annähern. Gerade in
den späten siebziger Jahren entstehen Comics, die
selbst das immer beschworene narrative Element auflösen. Hier seien besonders die Sachcomics angeführt.
Was ist ein Comic?
2.1.1 Definition – Formale Kriterien
Der Begriff Comics entwickelte sich aus dem englischen
comic strip, also komische Streifen. Die Bezeichnung
bezieht sich einerseits auf den humoristischen Inhalt,
andererseits auf das formale Element der Bildreihung.
Der Begriff blieb erhalten, auch wenn schon bald nichthumoristische Streifen aufkamen. In der Literatur werden verschiedene Versuche unternommen, den Begriff
des Comics zu bestimmen.
In der „World Encyclopedia of Comics“3 heißt es beispielsweise: „A narrative form containing text and pictures arranged in sequential order (usually chronological).“
Nach Dolle-Weinkauf4 ist das hauptsächliche Gattungsmerkmal „das enge Zusammenspiel von Schrifttext und
Bild und die Präsentation einer Handlung in einer Folge
von Einzelbildern“. Zimmermann5 definiert vier Merkmale: „Integration von Wort und Bild, wobei das Bild dominiert; Erzählen einer Geschichte, einer story, in mehreren Bildern; periodisches Erscheinen; feststehende Figuren.“ Doch schon hier beginnen die Schwierigkeiten;
periodisches Erscheinen war in den Anfängen des Comics ein zutreffendes Kriterium, heute erscheinen jedoch viele Autorencomics als Monographien. Wie Nietz-
2.1.2 Das Wesen des Comic
Handelt es sich bei Comics nun um bloße Konsumartikel, um Trivialliteratur, ein Massenmedium, Esperanto
für Analphabeten oder gar die neunte Kunst? Formale
Kriterien sind nur ein unzureichendes Mittel, um den
Charakter des Mediums Comic in seinen inzwischen so
vielfältigen Erscheinungsweisen zu beschreiben.
Die zwei Informationsträger beim Comic sind das gezeichnete Bild und die Schrift. Historisch gesehen ist
dies eine Verbindung zweier Kulturträger aus einer gemeinsamen Wurzel. Bilder waren nicht nur im Neolithikum ein Zeichensystem mit eigenen Regeln, die gelesen
wurden. Die Schrift entwickelte sich zwar graphisch aus
den Bildern, doch löste sie sich von deren bedeutungsmäßigen Inhalt und wurde zu einer unabhängigen Technik.7 Während die Schrift versucht, die Sprache abzubilden, korrespondieren die Bilder mit der visuellen Gedankenwelt des Menschen. So entwickelten sich über Jahrtausende die bildhafte Darstellung und die Schrift als
3
4
5
6
7
Horn (Ed.): The World Encyclopedia of Comics. Vol. 2. New
York 1976. S. 794.
Dolle-Weinkauf: Comics. Weinheim 1990. S. 326.
Zimmermann: Vom Geist der Superhelden. München 1973.
S. 13.
Schwarz: Auf dem Weg zu einer Comicforschung. In: Fuchs:
Comics im Medienmarkt, in der Analyse, im Unterricht. Opladen 1977. S. 163-166.
Haarmann: Universalgeschichte der Schrift. Frankfurt 1990.
S. 22.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
zwei unterschiedliche Kulturträger mit jeweils eigener
Tradition, die sich aber auch gegenseitig immer wieder
beeinflussen. Gerade die politische Rhetorik war zu allen Zeiten reich an Bildern.
Eine andere Wesenseigenschaft des Comics sind die für
ihn typischen Produktions- und Distributionsbedingungen. Als Nebenprodukt der Zeitungsproduktion verdankt
der Comic sein Leben der Dampfpresse, die zur größeren Verbreitung von Druckerzeugnissen beitrug. Um nun
den Produktionsmöglichkeiten gerecht zu werden, versuchten die Verleger, sich ein möglichst großes Publikum zu verschaffen, das durch den hohen Anteil an
Analphabeten beschränkt war. So lag es nahe, BilderGeschichten in Zeitungen zu veröffentlichen. Der klassische amerikanische Zeitungsstrip wurde von einem
Team produziert, mindestens einem Zeichner und einem
Texter, dazu können noch Assistenten, Letterer oder
Koloristen kommen. Die Rechte für diese Serien lagen
dann beim Verlag und nicht bei den Autoren. So bestimmten diese unter Umständen auch die Inhalte. In
jüngster Zeit ist hier allerdings ein Wandel festzustellen.
Immer mehr Autoren haben sich von Großverlagen wie
DC getrennt, wenn sie dort die Rechte an ihren Serien
nicht behalten konnten. Durch diese Produktionsbedingungen werden Comics zum kommerziellen Medium.
Sie sind dadurch aber auch mit wirtschaftlichen und
politischen Zeitströmungen eng verbunden. Darin gleichen sie den Massenmedien.
Bei der Welt des Comics handelt es sich um ein eigenes
ästhetisches System. Tiere können sprechen, Menschen können fliegen, Traum und Wirklichkeit werden
untrennbar verwoben, Orte und Zeiten lösen sich aus
ihrem Zusammenhang, die Helden brauchen nicht zu
altern und können sich beliebig lange in einer bestimmten historischen Situation tummeln. Das führt zu einem
eigenen System von Bedeutungen, also einer Mythologie, die möglichst frei von inneren und äußeren Widersprüchen sein sollte wie z.B. Entenhausen oder Supermans Metropolis. Damit steht der Comic literarisch in der
Tradition der Sagen, Märchen und Fabeln. So ist Gewalt
im Comic nicht vergleichbar mit Gewalt im Film oder gar
realer Gewalt. Eingebettet in den Mythos nimmt niemand an, daß die römischen Legionäre die liebevolle
Behandlung durch die gallischen Krieger nicht überleben könnten.
Das Erschaffen einer solchen Mythologie ist die große
Kunst am Comic. Für die politische Betrachtung folgt
daraus, daß nicht die unmittelbare Abbildung der Realität für die historische und politische Bedeutung relevant
ist. Eine Ausnahme bildet der Sach-Comic, der von
seinem Anspruch her dokumentarisch sein will.
2.2
Gibt es den „politischen Comic“?
Comics können direkt und indirekt politisch sein.
Direkt, wenn sie ein politisches Thema behandeln, also
die -Auseinandersetzung mit der Politik suchen. Indirekt
ist praktisch jeder Comic politisch, indem er ein bestimmtes gesellschaftliches Wertesystem vermittelt, gerade dann, wenn er sich betont apolitisch gibt.
Zeitungsstrips wie „Doonesbury“ setzen sich, wie die
politische Karikatur, über Jahre hinweg auf direkte Weise mit Tagespolitik auseinander. Das verlangt eine sehr
schnelle, kurzfristige Produktion, die für Comic-Autoren
163
noch schwieriger ist als für Karikaturisten. Aber auch
umfangreichere Werke wie „MAUS“ beschreiben ein politisches Thema. Solche Comics könnte man, ebenso
wie den einschlägigen Teil der Sachcomics als „politischen Comic“ bezeichnen.
So ist Gewalt im Comic nicht vergleichbar mit Gewalt im
Film oder gar realer Gewalt.
Superhelden-Comics reflektieren in besonderer Weise
den gesellschaftlichen Wertewandel und sind somit indirekter Ideologieträger. Schon ihr Aufkommen in einer
Zeit wirtschaftlicher Depression bis hin zu ihrer Unterminierung in den achtziger Jahren, einer Zeit der Autoritätsverluste, ist eng mit der Zeitgeschichte verbunden.
Darüber hinaus schlagen sich darin die Allmachtsphantasien in Form der omnipotenten Superhelden nieder,
was politisch zumindest relevant ist. Sie werden deshalb
im Anschluß auch stellvertretend für andere Genres, wie
z.B. Adventure-Comics oder Science Fiction Comics,
eingehender betrachtet.
Der gern zitierte Ausspruch der Unterhaltungsfilmindustrie: „If you’ve got a message, send it by Western
Union“ hat nicht nur beim Film noch nie gestimmt.
3
Eine kleine chronologische Übersicht unter
besonderer Berücksichtigung politischer
und zeitgeschichtlicher Aspekte
In diesem Teil der Arbeit sollen nicht nur deutsche Comic-Produktionen berücksichtigt werden, da sonst wichtige Entwicklungen nicht schlüssig dargestellt werden
können. Die Beziehung zum deutschen Markt ist insofern gegeben als die Comics in der Regel in Übersetzungen vorliegen. Die Auswahl strebt an, einen möglichst
breiten Überblick über die verschiedensten Formen des
politischen Comics zu geben.
3.1
Urgeschichte des Comics: Die Geburt des
Comics aus dem narrativen Geiste der
Kunst
Für Wort-Bild-Verknüpfungen, die politische oder propagandistische Zwecke verfolgen, gibt es in der Geschichte zahlreiche Beispiele. Schon lange vor der offiziellen
„Geburtsstunde“ der Comics im Jahre 1896 (s. auch 2.2)
haben alle politischen Richtungen sich der Bildergeschichten bedient.
Eines der ältesten Beispiele ist wohl der Wandteppich
von Bayeux (1077), in dessen 58teilige Darstellung der
Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer lateinische Obertitel eingefügt sind.8
Die Bilderbogen, die mit ihren übersichtlich angeordneten umrandeten Feldern dem Comicpanel schon sehr
nahe kommen, werden nach der Erfindung des Buchdruckes mit immer längeren Textbeigaben versehen.
Thematisch beschäftigen sich die Bilderbogen, die vor
allem auch bei der einfachen Bevölkerung Verbreitung
finden, nicht nur mit Naturkatastrophen u.ä., sondern
durchaus auch mit politischen Ereignissen beispielsweise während der Reformationszeit.
8
Mayers Großes Taschenlexikon. Bd. 3. Mannheim 1987.
S. 105.
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Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Im England des 18. Jahrhunderts produzierte der Maler
und Kupferstecher William Hogarth (1697-1764) gesellschaftskritische Bilderserien. Hogarths Stiche finden in
der Bevölkerung auch als Raubdrucke und Plagiate weite Verbreitung.9 In der Stichfolge „The Election“10 setzt
sich Hogarth mit den Umständen des Wahlkampfs im
„Mutterland der Demokratie“ auseinander. Die Kandidaten machen ihren Wählern Versprechungen, lügen, betrügen und prügeln sich sogar. Da Hogarth den Torys
nahesteht, läßt er diesen unwürdigen Wahlkampf die
Whigs gewinnen.11
Hogarths Bilder sind voll von zahlreichen Anspielungen
und Nebenhandlungen. Spätere Karikaturisten wie Gillray, Rolandson und Cruikshank vereinfachen die Vielschichtigkeit der Bilder Hogarths auf eine dominante
Handlung, den Plot, mit satirischen Elementen. Diese
Reduktion des Bildes auf eine einfache Aussage, vor
allem dort, wo es illustrative Zwecke erfüllte, war möglicherweise der wichtigste Schritt in der Entwicklung der
Comics.12
In Spanien schuf Francisco de Goya (1746-1828) mehrere Folgen von untertitelten Radierungen, die sich mit
der politischen Situation Spaniens am Ende des 18. Jhd.
auseinandersetzen. Die „Caprichos“ (1799) und auch
„Desastres de la Guerra“ (1810-14) zeigen, daß sich
Goya, der spanische Hofmaler, den französischen Aufklärern verbunden sah.13 Die „Desastres de la Guerra“
schildern den Krieg gegen die französischen Invasoren
in 81 Blättern. Doch Goya wendet sich nicht nur gegen
die Franzosen, sondern vor allem gegen die spanische
Herrschaftsschicht, die die Massen für ihre Zwecke leiden läßt.14
nungen noch von der politischen Konsequenz mit
Schrödter zu vergleichen.18
Während des Vormärzes nimmt in Deutschland die humoristisch-satirische Presse 1844 ihren Anfang mit dem
„Münchner Bilderbogen“ und den „Fliegenden Blättern“.
Deren heute bekanntester Mitarbeiter war Wilhelm
Busch (1832-1908), dessen satirische Bildergeschichten sich manchmal auch gegen allzu konservative Einrichtungen des Biedermeiers wandten („Heiliger Antonius von Padua“ 1870 oder „Die fromme Helene“ 1872).
Von den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in
Deutschland entstandenen Satirezeitschriften ist der sozialistische „Wahre Jakob“ die bedeutendste. 1879 als
lokales Monatsblatt von Heinrich Wilhelm Dietz in Hamburg gegründet, erscheint er nach seinem Verbot im
März 1881 drei Jahre später in Stuttgart wieder. Aufgrund der Sozialistengesetze bekannte sich der „Wahre
Jakob“ nicht mehr offen zur Sozialdemokratie, verlor
aber keineswegs seine politische Stoßrichtung. Nach
dem Fall der Sozialistengesetze 1890 wurden dort Aufsätze von August Bebel und Wilhelm Liebknecht veröffentlicht. In seiner politischen Ausrichtung unterschied
sich der „Wahre Jakob“ stark von den eher rechts-oppositionellen Blättern wie dem „Neuruppiner Bilderbogen“
oder dem „Kladderadatsch“. Schließlich wurde er im
März 1933 von den Nationalsozialisten endgültig verboten.19
Der „Simplicissimus“ (1896-1944) war eine Zeitschrift,
die versuchte, den politischen Humor fernab von jeder
Parteienbindung zu pflegen. Allerdings geriet sie später,
obwohl einige ihrer Zeichner emigrieren mußten, in den
Strudel des Nationalsozialismus, bis sie 1944 ihr Erscheinen einstellte.20
3.2
3.3
Bildergeschichten und politische Karikatur
Dem Genfer Rhetorikprofessor Rodolphe Töpffer (17991846), der in der Literatur als einer der wichtigsten Väter
des Comics gilt, ging es dagegen eher um die zeichnerische Umsetzung grotesker Einfälle. Sein politisches
Verständnis war eher ein konservatives; er war bestrebt
allen Dingen das „mittlere Maß“15 zurückzugeben und
begründete die bürgerliche Karikatur des Biedermeiers.
Eine seiner ,politischen‘ Geschichten, die „Geschichte
Alberts“ (1845), schildert das Leben eines verzogenen
Taugenichts, der durch die Gründung einer radikalen
Zeitung zu Vermögen gelangt und sich damit in der
Gesellschaft, die er angeblich von Grunde her verachtet,
angenehm einrichtet.16
In Frankfurt veröffentlichen 1848 der satirische Schriftsteller und Abgeordnete Johann Herrmann Detmold und
der Zeichner Adolf Schrödter die „erste deutsche Bildergeschiche“17 über einen „Hinterbänkler“ des Paulskirchen-Parlamentes: „Thaten und Meinungen des Herrn
Piepmayer, Abgeordneter zur constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main“. Detmold und
Schrödter haben in ihre Geschichte reale Ereignisse aus
der Nationalversammlung eingebaut, z.B. die Abstimmung über das Erbkaisertum. Auch einige Abgeordnete
fanden sich in Schrödters feinsinnigen Tuschezeichnungen recht deutlich wieder.
„Struwwelpeter – ein Versuch zur Einigung Deutschlands“ oder Friedrich Pechts „Ätzblätter aus dem Frankfurter Parlament“ sind weder von der Qualität der Zeich-
Industrialisierung des Comics: Merkmale
eines Massenmediums
Der allgemein als erster Comic bezeichnete Strip, R.F.
Outcaults „The Yellow Kid“ (1896), spielt im New Yorker
Einwanderermilieu und gilt als sozialkritische Lausbubengeschichte.21
Die Frühgeschichte des Comics ist vor allem von den
Funnys bestimmt, von denen nun sehr viele periodisch
in Zeitungen erschienen und die erst später als eigen-
9 Metken: Comics. Frankfurt 1970. S. 13.
10 Sir John Soane’s Museum. London.
11 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.
S. 69.
12 Vom Penny Dreadful zum Comic. Englische Jugendzeitschriften, Heftchen und Comics von 1855 bis zur Gegenwart. Oldenburg 1981. S. 57.
13 Goya: Caprichos. Zürich 1972.
14 Goya: Desastres de la Guerra. Zürich 1972.
15 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.
S. 155.
16 Ebd.
17 Metken: Comics. Frankfurt. 1970. S. 17.
18 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.
S. 155 f.
19 Knilli: „Der wahre Jakob“ – ein linker Supermann“? In: Comic
Strips. Berlin 1970. S. 12-21.
20 Knigge: Fortsetzung folgt – Comic Kultur in Deutschland.
Frankurt 1986. S. 28.
21 Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums.
München 1971. S. 12.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
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ständige Comic-Books herausgegeben wurden. Als die
Vierfarbrotationsmaschinen aufkamen, stellte sich für
die Zeitungsverleger die Frage, wie sie diese Maschinen
nutzen konnten. Anfängliche Versuche mit dem Nachdruck berühmter Kunstwerke als Zeitungsbeilage fanden nicht den gewünschten Anklang und so kam Pulitzer
auf die Idee, farbige Comic-Strips, vorerst als Sonntagsbeilage, herzustellen.22
1929 erschienen erstmals nichthumoristische Abenteuer-Comics, „Tarzan“ von Harold Forster und der Science
Fiction „Buck Rogers“. Der Comicmarkt in den USA
wurde dann aber durch eine am Zeitungsmarkt orientierte Entwicklung auf wenige Syndikate aufgeteilt, die den
Comicmarkt zeitweise völlig beherrschten. Die lndustrialisierung der Comics nahm ihren Lauf, die Serien wurden
nicht mehr von originellen Karikaturisten gezeichnet,
sondern von kommerziellen Illustratoren und Gebrauchsgraphikern.23
3.4
Der Comic im Dienste der
Kriegspropaganda
In Deutschland erschien 1935 der erste von den drei,
sehr erfolgreichen „Vater und Sohn“-Bänden des Karikaturisten e.o. plauen (Erich Ohser). Die „Vater und Sohn“Geschichten spielen in ihrer charmanten Verschmitztheit oft satirisch auf den Ordnungssinn der Nazis an.
Ohser machte zwischen 1929 und 1933 auch immer
wieder Karikaturen für den sozialdemokratischen „Vorwärts“ und geriet dadurch schnell in Konflikt mit den
Nationalsozialisten. Um politisch wie auch ökonomisch
überleben zu können, ließ sich Ohser auf politische
Arbeiten für die Zeitschrift „Das Reich“ ein. Er unternahm
immer wieder Versuche der Kritik, daraufhin wurde er
1944 von der Gestapo verhaftet und nahm sich in der
Haft das Leben.
Bemerkenswert ist im Rückblick darauf, daß die nationalsozialistische Propaganda, sonst im Umgang mit
Massenmedien bestens bewandert, auf die Herstellung
und Verbreitung von Comics verzichtete. Nur im besetzten Frankreich versuchte man 1943-1945 mit dem Comic-Magazin „Le Téméraire“ ideologisches Gedankengut zu verbreiten.24
1929 erschienen erstmals nichthumoristische Abenteuer-Comics, „Tarzan“ von Harold Forster und der Science
Fiction „Buck Rogers“.
In den USA entstehen in der Nachfolge des 1938 erstmals erschienen „Superman“ eine Reihe von Superhelden-Comics. Paradigmatisch für den Transport ideologischen Gedankenguts, den man kaum noch als indirekt
bezeichnen kann, ist die Figur des „Captain America“,
die im 2. Weltkrieg entstand.
„Over the years, Captain America has always mirrored
the American psyche in the 1940’s, he was the super-patriot; in the 1950’s, he was the reactionary; today he is
the unsure giant. He is America.“25
Der „Kämpfer für Demokratie und Gerechtigkeit“ wurde
1941 von Jack Kirby und Joe Simon erschaffen. Das
Aushängeschild des amerikanischen Patriotismus trägt
passend dazu ein Trikot in den Farben der amerikanischen Flagge. Seine übermenschlichen Kräfte verdankt
der „Super-Soldier“einem amerikanischen Arzt, der wäh-
Abb. 1: Captain America im Kriegseinsatz
rend des Zweiten Weltkriegs versucht, eine ganze Armee von solchen Übermenschen zu produzieren. Doch
die Nazis bringen den Erfinder um und so bleibt es,
glücklicherweise, bei einem Unikat. Die Nullnummer
zeigt geradezu programmatisch auf dem Titelbild, wie
„Captain America“ dem gehaßten Feind Adolf Hitler einen Kinnhaken versetzt.
Die Serie läuft zunächst bis Mai 1949, ein neuer Versuch, die Serie wieder aufleben zu lassen, scheitert
1954. Im Jahre 1964 taucht „Captain America“ in einem
Magazin „Tales of Suspense“ wieder auf, aber erst 1968
hat er wieder ein eigenes Magazin in der Marvel Comics
Group unter der Leitung von Stan Lee. Der „rechte
Flügelmann“ des Marvel Imperiums wandelt sich langsam und stellt kritische Fragen, doch steht er immer
noch für die alten amerikanischen Werte Ehre, Wahrheit,
Gerechtigkeit und Gesetz. Stan Lee beschreibt ihn mit
den Worten: „Er wird immer der konservativste von unseren Helden sein.“26
22 Baumgärtner: Die Welt der Comics. Bochum 1965. S. 16.
23 Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums.
München, 1971. S. 17.
24 Denni: L’Ideologie Nazi du Téméraire. In: Le Collectionneur des
Bandes Dessinées 14. Paris 1978. S. 8-10.
25 Horn (Ed.): The World Encyclopedia of Comics. New York
1976.
26 Stan Lee diskus-Interview. In: diskus. Frankfturter Studentenzeitung. 1979. H. 2.
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Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Während des Krieges erscheinen zahlreiche ähnliche
Serien in den USA, mit Militärs oder Superhelden und
Heldinnen in der Titelrolle. Die Darstellung der Deutschen ist meist sehr platt, von einem eindeutigen GutBöse-Schema geprägt. Inwieweit in den USA Einfluß
von Regierungsseite auf die Produktion genommen wurde, ist nicht nachzuvollziehen. Doch waren die Hersteller
auf Papierzuteilungen der Regierung angewiesen, was
dem patriotischen Gewissen vielleicht nachhalf.27
Auch der Superstar der Adventure-Comics „Superman“
hatte seine Rolle im Krieg gespielt. Nach dem Ende des
Krieges wird er ganz besonders zu einem Hüter von
Ordnung und Gesetz. Er wird Teil der Exekutive und
verteidigt die bürgerliche Gesellschaft.28 In einer Episode „How Superman would end the war“ fliegt Superman
als Weltpolizist mit Hitler und Stalin unter dem Arm nach
Genf und stellt sie vor das Gericht der Vereinten Nationen.29
3.5
Die freiwillige Zensur im Kalten Krieg
Das berühmteste Beispiel von Kaltem Krieg im Comic ist
das 1947 in Millionenauflage erschienene Heft „Is this
tomorrow? America under Communism!“, in dem die
Jünger Stalins (deren Chef seltsamerweise einen Trotzki-Bart trägt) die Macht im Capitol an sich reißen. Endlich
an der Macht, schrecken die Diktatoren vor nichts mehr
zurück: Kranke werden umgebracht, Lebensmittellager
gesprengt, um hinterher Verhaftungswellen durchzuführen, Universitäten verstaatlicht (!) und Bücher verbrannt.30 Den Kommunisten wird darin genau dasselbe
politische Vorgehen unterstellt, wie es die Nazis an den
Tag gelegt hatten. So wurde das Feindbild hier ohne
nennenswerte Veränderung von den Nazis auf die Kommunisten übertragen. Das setzte sich dann auch in den
Superhelden-Comics fort, die „rote Gefahr“ bekämpfen
hieß die neue Parole.
Nachdem sich die Bundesrepublik langsam vom Krieg
erholte, gab es auch die ersten Versuche, amerikanische Produkte auf dem deutschen Markt zu etablieren.
Anfangs scheiterten zwar manche, Superman wurde
z.B. nach dem dritten Heft wieder eingestellt, aber die
Micky-Maus-Hefte fanden bald reißenden Absatz.31
Von dieser Entwicklung gar nicht begeistert, schuf Manfred Schmidt für die Zeitschrift „Quick“ eine Parodie auf
die amerikanischen Helden-Comics. Die Serie „Nick
Knatterton“, der Detektiv mit dem künstlichen Hinterkopf, wurde ein großartiger Erfolg. Sie erschien ab 1950
wöchentlich, bis sich dann 1962 „Schmidts Zeigefinger
weigerte, den Bleistift zu halten“, wie er seinen Ausstieg
aus der Serie begründete. Mit Seitenhieben auf die
Bundesregierung und vor allem mit der Kritik der geplanten Wiederbewaffnung brachte er seine pazifistische
Grundeinstellung zum Ausdruck.32
Im Jahr 1954 verabschiedet die „Comics Magazine Association of America“ den Comic Code als Selbstbeschränkung der Verleger, eine Reaktion auf die starke
öffentliche Kritik an der Darstellung von Gewalt, Kriminalität, Horror und Sexualität im Comic. Tatsächlich
herrschte bis dahin in der Comic-Welt eine wesentlich
größere Freizügigkeit als zur selben Zeit im Film. Das
mittelständisch-bürgerliche Wertesystem der amerikanischen Gesellschaft wurde verpflichtend für den Comic,
eine ethische Schwarzweißmalerei war die Folge.
Der dritte Artikel des Codes lautete beispielsweise: „Polizisten, Richter, Regierungsbeamte und ehrbare Institutionen dürfen nie in einer Art und Weise dargestellt
werden, die Respektlosigkeit gegenüber der etablierten
Autorität erwecken könnte.“33 Das aufgedruckte Siegel
sollte den Eltern einen sauberen und unbedenklichen
Inhalt bedeuten. Unter dem Code gediehen vor allem die
Superhelden-Comics, deren reine Begriffe von Gut und
Böse dafür prädestiniert waren.
Kritik war also kaum noch möglich, einige der wenigen
Ausnahmen war die Serie „Pogo“ von Walt Kelly, in der
deutliche Kritik an McCarthy laut wurde.
In Deutschland wird 1953 das „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ verabschiedet. Um
die Zensur der Hefte möglichst zu vermeiden, wurde
auch in Deutschland eine „Freiwillige Selbstkontrolle für
Serienbilder“ (FSS) initiiert. Der Grund war in erster Linie
ein ökonomischer; zensierte Hefte durften nicht mehr
verkauft werden, während die FSS den Verlagen noch
die Möglichkeit der Änderung ließ. Außerdem konnte
eine ganze Serie indiziert werden, falls in 12 Monaten
mehr als zwei Hefte indiziert wurden.34
3.6
Exkurs: Vom sympathischen Chauvinismus
zur faschistoiden Reaktion
Zu Beginn der sechziger Jahre entsteht in Frankreich
eine neue Serie, die sich zum Bestseller unter den
Comics entwickeln sollte. Erstmals 1959 in „Pilote“, dem
französischen Comicmagazin, erschienen, kommt 1961
das erste „Asterix“-Album auf den Markt. Der erste Band
erscheint noch mit einer Auflage von 6000 Stück, der
achte Band kommt bereits auf 600 000 Stück.35
Der erfolgreiche Semi-Funny wendet sich zwar an Jugendliche, aber die Gags sind teilweise so hintergründig,
daß sogar der Bildungsbürger daran Geschmack finden
kann.
Um die Bedeutung von Asterix zu unterstreichen, wird in
der Literatur häufig die Autorität des Politologen Alfred
Grossers bemüht, der gesagt haben soll, daß Asterix als
das „aufschlußreichste politische Buch der französischen Nachkriegszeit“36 anzusehen sei. Der wesentlichste politische Aspekt darin ist wohl das Element des
Chauvinismus.
Dies zeigt sich in der Konzeption der Geschichte um den
„Anti-Superhelden“ Asterix, die zweifellos eine chauvinistische Grundstruktur aufweist. Obelix’ ständiger Aus-
27 Fuchs: Kennerblick. In: Comixene. 1977. H. 15, S. 4-5.
28 Hausmanninger: Superman. Frankfurt 1989. S. 94.
29 Fuchs: Wo sind all die Krieger hin? In: Comic Jahrbuch 1986.
S. 4-5.
30 Heiß und Kalt – die Jahre 1945-69. Berlin 1986. S. 199-206.
31 Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums.
München 1971. S. 117.
32 Schmidt: Nick Knatterton. Oldenburg 1983.
33 Zit. nach: Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums. München 1971. S. 359.
34 Knigge: Fortsetzung folgt. Frankfurt 1986. S. 173 ff.
35 Affolter: René Goscinny – Eine längst überfällige Würdigung
eines genialen Szenaristen. In: Comic Jahrbuch 1987. Frankfurt 1987. S. 103.
36 Zit. nach Stoll: Bedingungen einer kritischen Asterix-Lektüre.
In: Comics im Medienmarkt, in der Analyse, im Unterricht.
Opladen 1977. S. 39.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Abb. 2: Gotische Schimpfwörter
spruch „Die spinnen, die Römer!“, der notfalls auch auf
andere Völker angewendet werden kann, sei hier nur
beispielhaft angeführt.
Das Dorf der Gallier liegt nicht ohne Grund in der Bretagne, eine Region Frankreichs, die für ihren starken Autonomieanspruch bekannt ist. Die Sympathie der Leser
liegt eindeutig bei der unterdrückten Minderheit, die sich
gegen die über ihr stehende Autorität wehrt, auch wenn
der Kampf aussichtslos erscheinen mag. Innerhalb des
Dorfes sind die Strukturen dafür sehr patriarchal, niemand begehrt ernsthaft auf. Auch der Aufstand der Frauen, die sich sonst mit der Rolle als Hausdrachen begnügen, wird friedlich beendet.37 Sich sämtlichen Neuerungen zu verschließen scheint das Ziel der eingeschworenen Dorfgemeinschaft zu sein.38
Die selbstgerecht-patriotische Haltung drückt sich auch
auf den zahlreichen Reisen der Helden aus; so werden
die Briten, die früher nur heißes Wasser verkosteten,
endlich mit der Teepflanze bekannt gemacht39 und die
167
Karikatur der Deutschen in „Asterix und die Goten“ tritt
die bekannten Klischees breit: Marschieren in Reih und
Glied oder lauter, autoritärer Umgangston.40
Goscinny hat zwar immer wieder jede politische Intention bestritten,41 aber 1976 tritt in „Obelix GmbH und Co.“
ein Römer auf, der Jacques Chirac auffällig ähnelt und
der versucht, die Dorfbewohner in einen kapitalistischem Konkurrenzkampf zu verstricken und damit Zwietracht zu säen.42
Doch der Chauvinismus der Originalversion wurde
durch die erste deutsche Übersetzung durch den Kauka-Verlag noch übertroffen.
Schon zwei Jahre, bevor die heute bekannte und so
beliebte Version des Ehapa-Verlages erschien, die seit
1967 publiziert wird, gab es eine „eingedeutschte“ Fassung unter dem Titel „Siggi und die goldene Sichel“ in
der Zeitschrift „Lupo“. Das Deckblatt war verändert und
das von „unbeugsamen Galliern bevölkerte Dorf“ wurde
zur „Fliehburg Bonnhalla“. Von „Wiedervereinigung“ ist
die Rede, und „Ähnlichkeiten mit lebenden Personen“
seien „rein zufällig“. Aus Asterix wurde „Siggi“, von Siegfried dem Unverwundbaren, aus Obelix „Babarras“, der
einen Findling mit sich herumträgt „wie andere einen
Schuldkomplex“; der Druide heißt „Konradin“ (es ist wohl
Konrad Adenauer gemeint) und der Barde wird mit dem
eigenartigen Namen „Parlament“ bedacht: „… nur ein
stummer Parlament ist ein guter Parlament, ansonsten
aber lästig!“43. Der Anführer der Schieberbande spricht
mit jiddisierendem Tonfall und selbst vor Grüßen wie
„Heil Hein, heil unserem geliebten Bonnhalla!“44 schreckt
die Kauka-Redaktion nicht zurück.
Als ihnen daraufhin von Goscinny und Uderzo die Rechte entzogen wurden, machte sich der Verlag an eine
Nachfolgeserie, die die Grundidee übernimmt. „Als die
Römer frech geworden“ heißt das erste Plagiat, das mit
den Hauptfiguren „Fritze Blitz und Dunnerkiel“ in dem
Kauka-Magazin „Fix und Foxi Super Tip Top Bd. 4“
erschien. Die reaktionäre Ideologie ist die gleiche geblieben, die Helden bekämpfen englischsprachige „Besatzer“. In „Der Ochsenkrieg“ widmen sich die Helden, die
wieder die alten Namen „Siggi“ und „Babarras“ tragen,
dem geteilten Deutschland. Die letzte dieser Geschichten war „Siggi und die Ostgoten“, darin hatte auch
„Franz-Josevix“ als „bajuwarischer“ Kollege von „Konradix“ seinen Auftritt.45 Im Kauka-Verlag erscheinen noch
mehr solcher revanchistischer Serien, z.B „Pichlsteiner“
und „Bretzelburger“ (1969), in denen die DDR als Heimstatt hungernder Sklaven dargestellt wird.46
Als sich jedoch die öffentliche Kritik rührte, reagierte die
Redaktion schnell und vermied daraufhin solche offensichtlichen Tendenzen.
37
38
39
40
41
42
43
44
45
Abb. 3: Siggi und die goldene Sichel in der Übersetzung
des Kauka-Verlags
46
Goscinny/Uderzo: Asterix und Maestria. Stuttgart 1992.
Goscinny/Uderzo: Die Trabantenstadt. Stuttgart 1975.
Goscinny/Uderzo: Asterix bei den Briten. Stuttgart 1971.
Holtz: Comics – ihre Entwicklung und Bedeutung. München
1980. S. 104 ff.
Holtz: Comics – ihre Entwicklung und Bedeutung. München
1980. S. 106.
Fuchs: Batman, Beatles, Barbarella. Ebersberg/Obb. 1985.
S. 63.
Lupo. 1965. H. 6, S. 10.
Lupo. 1965. H. 6, S. 13.
Knigge: Asterix in Deutschland. In: Comixene 17. 1978. S. 2739.
Lupo modern – Das junge Magazin.
168
3.7
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Befreiung: Satire und Nonsens im Comic
Das wichtigste Comic-Produkt der 50er Jahre war wohl
die Zeitschrift „MAD“, herausgegeben von William Gaines. Die einzige „Zeitschrift, die keine Werbung enthält“,
hat inzwischen allein in Amerika eine Auflage von über 2
Millionen. Auch in Deutschland entwickelt sich „MAD“
schnell zur Konkurrenz von „Pardon“. Während „Pardon“
von Anfang an die Politik zu einem der wesentlichen
Ziele ihrer satirischen Spitzen machte, ist bei MAD die
Politik nur eines von vielen Zielen.47 Auch andere klassischen politischen Satirezeitschriften wie z.B. „Simplicissimus“, der nach dem Krieg noch einmal aufgenommen
wurde, werden nun durch Zeitschriften verdrängt, die
den politischen Comic pflegen.48 Eine schärfere Reaktion auf den Code sind die anfangs im Straßenverkauf
verbreiteten „Underground-Comix“, die die tabuisierten
Themen Gewalt, Drogen und Sex aufnahmen. Die
Handlungen werden aus den Traumwelten der Funnys
und Actionstrips in die brutale Wirklichkeit übertragen.
Robert Crumbs „Zap Comix“ aus dem Jahre 1968 gilt als
der Beginn der legendären „U-Comix“. Ihre politische
Relevanz besteht wohl in erster Linie darin, das bürgerliche Normensystem aufzuweichen. Die meisten huldigen einem lustbetonten Anarchismus, der sich meist
damit begnügt, Polizisten zu veralbern, Geld und Joints
herbeizuschaffen.
Parallel zu den „U-Comix“ entstanden in den sechziger
Jahren die neue Generation der Superhelden. Ein neuer
Comic-Konzern „Marvel“ etablierte neue vermenschlichte Helden, die auch nach ihm benannt wurden, die
Marvelhelden. Serien wie „The Fantastic Four“ entwikkeln sich zu einem Riesenerfolg für den Konzern. Die
Helden sind nicht mehr auf allen Ebenen erfolgreich, sie
haben auch so ihre Probleme. In diesen Serien wird das
Gut-Böse-Schema im Rahmen des Comic-Codes aufgeweicht. Vor allem die Drogenproblematik durfte nach
einer Aufweichung des Codes, nun dargestellt werden.49
3.8
Eine deutsche Randnotiz:
Panzerknacker: Jünger Maos?
Um die Comic-Figur schlechthin, Barks Donald Duck,
nicht ganz zu übergehen, sei hier auf ein kleines Scharmützel des Bayernkuriers hingewiesen, der versuchte,
die Panzerknacker als marxistische Dogmatiker zu entlarven und in einem Artikel „Micky Maus auf Abwegen“50
Alarm schlug. In der „Micky Maus“-Ausgabe auf die
Bezug genommen wurde, äußert ein Mitglied der Panzerknacker eine ideologische Rechtfertigung ihrer
Raubzüge. „Der Spiegel“ nahm damals die Auseinandersetzung mit „Panzerknacker: Jünger Maos?“ auf. Die
Ducks kamen plötzlich in den Ruf, politisch zu sein, was
wohl stark damit zusammenhing, daß sie sich zur Lieblingslektüre der Linken entwickelt hatten. Eine soziologische Studie über die Ducks war dann natürlich nicht
mehr zu vermeiden. Unter dem Pseudonym „Grobian
Gans“ erschien 1970 „Die Ducks – Psychogramm einer
Sippe“.
Wesentlich kritischer setzten sich die Chilenen Ariel
Dorfmann und Armand Mattelart mit dem Disney-Produkt Mitte der Siebziger-Jahre auseinander. Sie analysierten vor allem die Sicht auf die Dritte Welt und deren
Darstellung in den Comics.51
Das Ergebnis ist, daß die „Guten Wilden“ vor allem als
Hintergrund für Schatzsuchen dienen. Der „Gute Wilde“
definiert sich vor allem durch seine bunte Folklore, seine
Naivität im Umgang mit Geld und eine verstümmelte
Sprache. Werden politische Organe der Länder dargestellt, sind sie korrupt und egoistisch, im sympathischsten Fall dumm und naiv. Da die Wilden auch arm
glücklich sind, muß niemand ein schlechtes Gewissen
haben, wenn Dagobert mit „seinen“ Schätzen abzieht.
Im Unterschied dazu gibt Donald Geld, das er in Entenhausen findet, immer zurück, denn es zu behalten wäre
Diebstahl. Die Ducks kämpfen um ihr Geld.
3.9
Kulturrevolution: Der intellektuelle Comic
Schließlich schwappte noch eine weitere Entwicklung
aus den USA über den großen Teich, die „Pop-Art“. Roy
Lichtenstein brachte das Comic-Panel erstmals ins Museum. Die Diskussion über den Kunstbegriff, die dadurch ausgelöst wurde, öffnet auch dem Comic neue
Möglichkeiten und ein anderes Publikum.
Die Serie „The Adventure of Phoebe-Zeitgeist“ zeigt
offen und satirisch überzeichnet, alles was während der
McCarthy-Ära nicht vorstellbar gewesen wäre. Ständig
wird das reizende Wesen gefoltert und mißhandelt,
mehrmalig stirbt sie dabei. Die Mischung aus Pornographie und Sozialsatire wandte sich klar an ein intellektuelles Publikum. In Deutschland setzte Karl Alfred Meysenbug seine Kritik an der Klischeewelt der Frauen in
„Agit-Pop-Comics“ um. In „Supermädchen“ beschreibt
er das Leben einer Verkäuferin, die sich als Teil der
Konsumgesellschaft fühlt, und die ihre Person, immer
freundlich, immer schön gleich mitverkauft. Die Botschaft ist in den Bilder, die in der trivialen Werbeästhetik
der Pop-Art hergestellt sind, klar erkenntlich.
In Frankreich kommt es während des Pariser Mais im
Jahre 1968 auch zu einem Streik in der Redaktion des
legendären Comic-Magazins „Pilote“. Drei Wochen erscheint das Magazin nicht, doch dann verwandelt René
Goscinny, unter dessen Leitung „Pilote“ erscheint und
der ein außergewöhnliches Gespür für den Markt hatte
„Pilote“ in ein Comic-Magazin für Erwachsene.52
Der intellektuelle Comic ist mittlerweile völlig etabliert.
Magazine wie „RAW“ von Françoise Mouly und Art Spiegelman veröffentlichen nur noch künstlerisch ambitionierte Arbeiten in aufwendigen Ausgaben die keine
Kompromisse an das Massenpublikum machen. Die
meisten dieser Comics haben eine depressive Grundstimmung und treffen damit wohl den Zeitgeist der Intellektuellen. Der Untertitel der ersten Ausgabe „The Graphix Magazine of Postponed Suicides“ spricht für sich.
47 Fuchs: Comics, Ideologie und Politik. In: Comics im Medienmarkt, in der Analyse, im Unterricht. Opladen 1977. S. 91.
48 Riha: Groteske, Kommerz, Revolte. In: Comic Strips. Geschichte, Struktur, Wirkung und Verbreitung der Bildgeschichte. Berlin 1970. S. 10.
49 Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums.
München 1971. S. 243.
50 Wurm: Micky Maus auf Abwegen. In: Bayernkurier, 27.9.1969.
Zit. nach: Knigge: Fortsetzung folgt … Frankfurt/M. 1986.
S. 245.
51 Dortmann/Mattelart: Walt Disneys „Dritte Welt“. Berlin 1977.
52 Knigge: Comic-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 231.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
3.10
Gesellschaftliche Wirklichkeit
In den USA erscheint 1968 erstmals in einer Studentenzeitung Garry Trudeaus „Doonesbury“. Der Strip, der
sich in erster Linie mit Tagespolitik und typisch amerikanischen Zeiterscheinungen befaßt, wurde später über
eine Presseagentur vertrieben und erschien zeitweise in
über 500 amerikanischen Tageszeitungen. Das veranlaßte den ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford zu
dem Ausspruch „Es gibt nur drei wichtige Hilfsmittel, uns
über das zu informieren, was in Washington vorgeht: die
elektronischen Medien, die Printmedien und Doonesbury, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge“53.
Der große Erfolg rettete die Serien auch vor der immer
wieder drohenden Zensur. Trudeaus harte Kritik an Ronald Reagan hatte immer zur Folge, daß er in den
konservativen Blättern tageweise nicht erschien. Doch
da der Strip in so vielen Zeitungen lief, hatte eine solche
Zensur keine große Wirkung.
Als erster Comiczeichner erhielt Trudeau 1975 den Pulitzerpreis für politische Karikatur. Die Protagonisten der
Serie leben bis 1982 in einer Studentenkommune; nach
einer zweijährigen Pause durften sie, mit einer neuen
bürgerlicheren Umgebung versehen, zurückkehren.54
In Frankreich hatte sich Anfang der siebziger Jahre
„Pilote“ von einem Jugendmagazin zu einem linksliberalen Blatt für Erwachsene gewandelt. Moebius, Druillet
oder Bretêcher wandten sich in dieser Zeit von „Pilote“
ab und junge Zeichner wie Enki Bilal nahmen ihren Platz
ein.
Bilal begann mit Schwarzweißarbeiten, und schon ab
1974 veröffentlichte er kolorierte Stories, meistens
Science Fiction und Phantasiegeschichten. Doch er
macht bei „Pilote“ auch politische Satiren und integriert
Politiker, z.B. Henry Kissinger als intergalaktischen Botschafter, in seine Weltraumabenteuer.55
Der Durchbruch kam für Bilal mit seinen „Légendes
d’Aujourd’hui“, die in der Zusammenarbeit mit Pierre
Christin 1975-1983 entstanden.56 Christin, der Politik-,
Sozial- und Literaturwissenschaft an der Sorbonne studiert hat, hat schon mehrere Comic-Szenarien geschrieben. Besonders bekannt wurde der Polit-Fiction „Valerian & Veronique“ mit Zeichnungen von Mézières.
„Es gibt nur drei wichtige Hilfsmittel, uns über das zu
informieren, was in Washington vorgeht: die elektronischen Medien, die Printmedien und Doonesbury, aber
nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“ (Gerald Ford)
Der erste Band der Legenden war „Kreuzfahrt der Vergessenen“, in dem ein Dorf sich mit Hilfe eines Antischwerkraftgenerators in die Lüfte erhebt, zum Protest gegen militärische Versuche mit der Schwerkraft in ihrer
Umgebung. Auch die weiteren vier Bände sind stark
geprägt von Christins Tätigkeit als Journalist, der eher
sozialkritische Comic-Reportagen verwirklicht hat. Doch
er nahm dann Bilals phantastisches Element in seine
Szenarien auf, und das Ergebnis ist im Zusammenspiel
von politisch-kritischem Inhalt und künstlerischer Darstellung einzigartig. Als „Stimmungsbericht zur Lage der
Linken“57 wird die Serie gelesen, wobei die einzige.
verbindende Figur, der Held 50/22B, den die Autoren im
ersten Band einführen, den ewigen Revolutionär darstellt. Seine Präsenz geht von Band zu Band zurück und
169
widerspiegelt damit, den schwindenden Optimismus der
Autoren.
3.11
Die dritte Generation: Der Abgesang der
Superhelden
In den siebziger Jahren führen die Bürgerrechtsbewegung, die Studentenunruhen und schließlich die Proteste gegen den Vietnamkrieg, zu einer Veränderung in
den altbewährten Superhelden-Comics, die ihre affirmative Haltung mehr und mehr aufgeben. Das Bild vom
sauberen Amerika wurde immer mehr gestört und nach
der Watergate-Affäre schwindet das Vertrauen in die
politische Ordnung merklich. Politiker werden als austauschbare Marionetten oder gar Kriminelle dargestellt.
Doch heißt das nicht, daß die Superhelden sich selbst
den Spielregeln der Demokratie beugen – ihre Souveränität bleibt unangetastet, ein antidemokratischer Garant
der Demokratie.
Die achtziger Jahre bringen schließlich nach den Marvelhelden eine dritte Generation. Mit Frank Millers „Batman“-Bearbeitung „The Dark Knight Returns“ wurde den
Superhelden 1986 endlich zum verdienten Ruhestand
verholfen. Miller versetzt die Geschichte in die Zukunft,
die Helden sind alte Männer, und Batman läßt sich zu
einem letzen Einsatz hinreißen, um seine Heimat von
den „Mutants“ einer Art Skinheadtruppe, zu befreien.
Batmans Comeback erreicht die Massen über das Fernsehen, nicht mehr „life“, wie in den klassischen Superhelden-Comics, in denen allenthalben jubelnde Massen
auf den Straßen zu sehen sind. Superman ist nun offiziell in Regierungsdiensten und gehorcht brav den Anordnungen seines Präsidenten, einer Parodie Reagans.
Batman wird zum Outlaw, zum Freibeuter, der sich, im
Gegensatz zu Superman nicht von der Öffentlichkeit
kontrollieren läßt.
Alan Moore geht mit seiner Variante des Superheldengenres noch weiter. In seinem mehrfach preisgekrönten
Werk „Watchmen“, mit den faszinierenden Zeichnungen
von Dave Gibbon stellt er die Helden nicht nur in Frage,
bei ihm werden sie. zu gescheiterten Existenzen. Miller
läßt Batman noch sein gewohntes Imperium Gotham
City, Moores Helden leben in dem realistischen New
York.
Die „Wächter“ waren früher Kämpfer für Recht und Ordnung, sie wachten über die Moral und die Stärke Amerikas. Heute leben sie in einer bürgerlichen Existenz und
ihre Vergangenheit ist in der Öffentlichkeit vergessen.
Der einzige von ihnen, der wirkliche Superkräfte besitzt,
ist „Mr. Manhatten“, der als Opfer eines atomaren Unfalls
das Gleichgewicht des Schreckens zugunsten der USA
verändert hat. „Mr. Manhatten“ sieht Menschen wie Dinge als Ansammlungen von Atomen und ist keiner Gefühle fähig. Ihm verdankt der Staat z.B. den Sieg im Vietnamkrieg.
53 Vgl. Trudeau: Doonesbury. Reinbek 1983.
54 Lietzmann: Doonesbury, ein Comic-Star kehrt zurück. In: FAZ
2.11.1984.
55 Bilal: Erinnerungen aus dem All. Stuttgart 1992.
56 Knigge: Comic-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 98.
57 Schreiber: Stimmungsbarometer der Linken. In: Konkret-Literatur 1990. Hamburg 1990. S. 76 f.
58 Hausmanninger: Superman. Frankfurt/M. 1989. S. 137-166.
170
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Der neurotische Ordnungsfanatiker „Rorschach“ ist
zwar ein unermüdlicher Kämpfer gegen das Böse in der
Welt, aber Moore führt ihn vor als Opfer seiner persönlichen Probleme; als Kind einer Prostituierten kann er die
Welt nur als Kloake sehen. Der „Comedian“, mit dessen
Ermordung die Geschichte beginnt, ist Agent des CIA
und repräsentiert die Unmoral des Systems.
„Laurie Juspeczyk“, die einzige Frau unter den Helden,
steht, wie sollte es auch anders sein, für die Macht der
Gefühle. Die wirtschaftliche Macht liegt bei „Ozymandis“, der als intelligenter, charismatischer Typ seit seinem Ausstieg aus der Superheldentruppe ein Wirtschaftsimperium aufgebaut hat, er verkörpert die These
„Wissen ist Macht“.
Die unterschiedlich angelegten Möglichkeiten, Macht zu
ergreifen, die Auswirkungen des Phänomens Macht und
die Frage, wie die Welt mit solchen Superwesen aussehen würde, sind Moores Interesse.59 Moore, der als
britisches Arbeiterkind früh politisiert wurde, setzt sich in
seinen Szenarien kritisch mit den Auswirkungen der
Politik von Margaret Thatcher auseinander. Für Moore
ist die Demokratie nicht gerade die ideale Staatsform;
vom Sozialismus ebenso enttäuscht, plädiert er für eigenverantwortliches Handeln und gegen das Abgeben
der Verantwortung an wie auch immer geartete Führer,
einen sozialen Anarchismus.
3.12
Traumata der Postmoderne
Ein weiteres herausragendes Werk ist die Anti-Utopie
„Alexander Nikopol im 21. Jahrhundert“, für die Bilal
auch die Szenarien schreibt, es thematisiert im ersten
Band Macht und Unterdrückung in einem kapitalistischen System.
Paris als Stadtstaat, in dessen Zentrum die Privilegierten leben und das von einem verelendenden Slum-Gürtel umgeben wird, ist beherrscht von Faschisten. Über
der Stadt schwebt eine Pyramide, in der ägyptische
Götter Monopoly spielen. Eine (Schein)-Wahl steht bevor, in der der Held Nikopol, der gerade aus einem
Kälteschlaf aufgetaut wurde, zum Kandidaten avanciert.
Der ägyptische Gott Horus will mittels seines Körpers
Einfluß und Macht bei den Menschen gewinnen, um
dann schließlich die Herrschaft in der Götterwelt zu
erreichen.
Abb. 4: Bilals Utopie
Bilals phantastische Bilder sind bevölkert von fliegenden
Putten, die schwanger werden können und sich rasant
vermehren, einem Papst, der sich per Hubapparat in die
Lüfte erhebt, um sein Image aufzupolieren, oder grüngestreiften Katzen mit telepathischen Fähigkeiten.
Die Handlung, deren zahlreiche Nebenstränge immer wieder zum Thema hinführen, hat einen klaren politischen
Ansatz, der durch die Zeitungsartikel, die immer wieder
in die Handlung einfließen, noch unterstrichen wird.
Bilals ägyptische Götter hängen in ihrer Pyramide über
Paris fest, ihnen ist der Sprit ausgegangen. Mit beißendem Spott weißt der Autor hier auf ein Machtmittel der
nahen Zukunft hin. Die Götter, denen die Menschen
eigentlich völlig egal sind, installieren daraufhin um an
Energie zu kommen, eine Räteregierung mit Nikopol an
der Spitze, der am Ende der Geschichte, genau wie der
einstige Diktator, in der Psychiatrie landet.
„Die Frau aus der Zukunft“, der zweite Band der Trilogie,
führt in die Metropolen Europas, deren Straßen von
wilden Kämpfen zwischen Einwanderern aus der Dritten
Welt beherrscht werden. Die Protagonistin Jill trifft den
Helden in einem autonomen Berlin, als sie einen Bericht
über die einzige Überlebende einer Weltraumexpedition
schreiben will. In diesem Band werden kaum noch Herrschaftsstrukturen geschildert; Bilal lehnt dies in der Einleitung explizit ab; er schreibt: „die politische Lage im
Stadtstaat Paris interessiert hier nicht weiter“60. Die individuellen Lösungen und das Auftreten stilisierter Frauen
stehen für den Zeitgeist der achtziger Jahre. Bilals Figuren bleibt nur noch die Flucht, eine Lösung ist nicht mehr
in Sicht.
Die im Vergleich zum ersten Band immer statischer
werdenden Bilder drücken den Stillstand aus, der mit der
Flucht anheim geht. In einem Anhang mit Jills Reportagen und Kommentaren, die als Mitteilungen aus der
Zukunft in der Redaktion der „Libertation“ auftauchten,
ist die Rede vom „Hyper-Liberalismus“, dem Triumpf der
liberalen Monopole über den Individualismus.
4
Sachcomics oder Educational Comics
„Die Ironie unseres Zeitalters des Bildes
besteht darin, daß es uns die Realität
verbirgt.“
Gisela Freud
Sachcomics, auch Educational Comics genannt, sind
nach Dolle-Weinkauf eine „Spielart der Sachliteratur, die
mit den visuell-verbalen Darstellungsmitteln des Comics
operiert“.61
Zwar sind Comics traditionell ein Unterhaltungsmedium,
doch schließt das natürlich nicht aus, sie zur Information,
zur Werbung oder auch zur Propaganda zu benutzen.
Comics zur politischen Bildung einzusetzen, z.B. als
Informationsbroschüren der amerikanischen Regierung
im Zweiten Weltkrieg, ist eine amerikanische Tradition.62
Die Schwierigkeit, die der populären Sachliteratur allgemein anhaftet, nämlich daß sie durch Vereinfachen, Veranschaulichen und Akzentuieren zur Wissenschaft hinführen soll, aber eben selbst keine wissenschaftliche
Literatur ist, gilt beim Comic ebenso für die bildhafte
Darstellung.
Bernd Weidemann beschreibt den dokumentarischen
Comic: „Dokumentarisch sollen im folgenden all jene
Comics heißen, in denen historische Ereignisse und
Personen mit der Absicht geschildert werden, sich an die
historischen Wahrheiten zu halten."63
59
60
61
62
Langhans (Hg.): Lexikon der Comics. Meitingen 1991.
Vgl. Bilal: Die Frau aus der Zukunft. Hamburg 1988. S. 5.
Dolle-Weinkauf: Comic. Weinheim 1990. S. 333.
Fuchs: Comics, Ideologie und Politik. In: Comics im Medienmarkt, in der Analyse, im Unterricht. Opladen 1977. S. 89.
63 Weidemann: Foto oder Zeichnung? In: Comics Anno. München
1991. S. 26-41.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Georg Seeßlen geht in seinem Artikel „Mythos contra
Geschichte – Über den Widerspruch von Comic-Erzählung und historischer Rationalität“ der Frage ebenfalls
nach. Seeßlen schreibt den Comics eine mythische Erzählweise zu, die der Dokumentation konträr entgegenstehe. Er schreibt zur Bildgestaltung: „Ein Comic-Panel
ist zugleich ein Bild und seine Interpretation“, die Einstellung, der Blickwinkel usw. sind Elemente, die über das
rein dokumentarische hinausgehen.64
Die Argumentation sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß weder Fotographie noch Sachtexte von Historikern eine „historische Wahrheit“ wiedergeben können. Der Interpretationsvorwurf muß immer erhoben
werden, nur drängt er sich bei einem neuen Medium, wie
dem Comic geradezu auf. So gesehen wäre die Darstellung von Geschichte im Comic eine Chance, um die
Rezipienten zu einer kritischen Auseinandersetzung, mit
der Darstellung von Geschichte anzuregen.
4.1
171
beliebt ist, da er auf Farbe verzichtet und daher preisgünstig in der Herstellung.
Für den Text benutzt Rius Sprechblasen und Blocktexte.
Sein Spanisch ist mit aztekischen Wörtern durchsetzt,
ganz wie die mexikanische Umgangssprache. Originalzitate oder Werkauszüge erkennt man immer deutlich an
der Typologie.
In Deutschland ist er besonders durch seinen Erstling
„Marx für Anfänger“ der 1979 im Rowohlt-Verlag erschienen ist, bekannt geworden. Trotz der unbestrittenen
Qualität des ersten Bandes wurde der Nachfolgeband
„Mao für Anfänger“ der 1980 erschien, vom Verlag überarbeitet. Die Autorenangabe hieß nun „Rius und Freunde“, was wohl der Wahrheit nicht besonders nahe kam.
Rius äußerte sich ziemlich verärgert dazu, „Rius und
Feinde“ sei wohl treffender.68
Der Autor Rius und seine Feinde
Daß gerade ein Mexikaner Sachcomics auf dem deutschen Markt populär machte, ist vielleicht kein Zufall. In
Lateinamerika sind Comics ein wichtiger Ideologieträger, der sich vor allem an die unteren sozialen Schichten
wendet.
Eduardo del Rio Garcia, bekannt unter seinem Pseudonym ,Rius‘, begann seine berufliche Karriere als Arbeiter
und wurde dann Anfang der sechziger Jahre, Karikaturist bei der Zeitung „Ovaciones“ in Mexiko-Stadt.65 Doch
bald geriet er in politischen Differenzen mit den Herausgebern und mußte die Zeitung verlassen. Bei seinem
Weggang konnte er seine inzwischen berühmte Serie
„Los supermachos“ für die er 1965 in Mailand den Preis
der Comic-Verleger bekam, nicht mitnehmen.66
So entwickelte er eine neue Reihe „Los Agachados“ (Die
Gebeugten). Für die er aufgrund des „Völkerverbindenden Charakters“, den Preis der Unicef erhält. Die Helden
seiner Serien sind Durchschnittsmexikaner, mit denen
sich die Leser gut identifizieren können. Die Preise und
Ehrungen haben Rius aber nur bedingt vor Repressionen geschützt. 1969 wird er vorübergehend verhaftet
und seine Karikaturen wurden fast nirgends mehr veröffentlicht.
Mit „Cuba para Principiates“ (Kuba für Anfänger) veröffentlichte Rius 1966 sein erstes Comic-Book. Es schildert die Geschichte Kubas mit großer Sorgfalt und Sachkenntnis und die Errungenschaften des Sozialismus mit
großer Begeisterung.
Der Erzähl- und Zeichenstil, den Rius entwickelt, ist
ebenso einfach wie raffiniert. Er verwendet oft bekannte
Bilder anderer Künstler, Comics, alte Stiche, Fotos oder
Landkarten. Diese Bilder oder Fotographien kommentiert er dann graphisch, in dem er sie mit Zeichnungen
ergänzt und ihnen so eine neue Aussage verleiht. Doch
werden die Originale, auch wenn sie verändert werden,
nie so verfremdet, daß man sie nicht mehr identifizieren
könnte. Die historische Aussage der Originaldokumente
wird so nicht beeinträchtigt. Das Bild bleibt für den Betrachter immer durchschaubar, die Ästhetik wird der
Transparenz deutlich untergeordnet. Es handelt sich
also nicht um geistigen Diebstahl, sondern um eine
besondere Collagenkunst. Rius gilt als führender ,Comic-Kompilator‘. Ein Stil, der in der Dritten Welt sehr
Abb. 5: Marx für Anfänger
Seine Lenin- und Trotzki-Biographien wurden dann auch
gar nicht mehr in Deutschland veröffentlicht. Der Rowohlt Verlag69 griff nun auf Plagiate englischer Autoren
zurück. Einige andere Bände von Rius erschienen noch
in linken Kleinverlagen, z.B. „Kuba für Anfänger“ bei der
Freundschaftsgesellschaft Westberlin-Kuba e.V., „Hallo
Nicaragua“ 1983 beim Weltkreis-Verlag, Dortmund.
Die 1987 entstandene Hitler-Biographie „Hitler para masoquistas“ (Hitler für Masochisten) wurde leider auf
deutsch noch nicht veröffentlicht.
Rius folgt in allen seinen Comics einer eindeutig marxistisch-leninistischen Ideologie und sieht diese wohl als
einzige Hoffnung für die Länder Lateinamerikas an. Das
seine Comics obwohl sie einerseits belehrend sind, andererseits nie aufdringlich pädagogisch wirken, begrün-
64 Seeßlen: Mythos contra Geschichte. In: Comic-Jahrbuch 1991.
Hamburg 1991. S. 23-31.
65 Tatum: Rius – der Comics-Autor als Sozialkritiker und politischer Unruhestifter. In: Comics und Cartoons in Lateinamerika.
München 1991. S. 55-70.
66 Frenzel: Rius. In: Comic Forum 30 (1985) S. 52-55.
67 Ebd.
68 Hachfeld: Themen, die in der Luft liegen. Gespräch mit dem
mexikanischen Karikaturisten Rius. In: tendenzen 149 (1985)
S. 27-29.
69 Der Rowohlt-Verlag hat sich auf Anfrage nicht geäußert.
172
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
det sich vor allem in seinem feinsinnigen Humor, der
einem selbst die Theorie des Mehrwerts zur Unterhaltung gereichen läßt.
4.2
Die Geschichte des Nationalsozialismus
Großes Aufsehen erregte 1989 die Veröffentlichung der
zweibändigen Hitler-Biographie des Journalisten Friedemann Bedürftig und des Zeichners Dieter Kalenbach.
Band 1 „Die Machtergreifung“ schildert Hitlers Lebensweg und die politische Situation der Weimarer Republik.
Band 2, „Der Völkermörder“ beginnt bezeichnenderweise bei der Grundsteinlegung zu einem neuen Autobahnteilstück und schildert dann den Verlauf des Zweiten
Weltkriegs.
Die Bände sind umstritten – „Der Spiegel“70 lobte, der
Literaturkritiker Jan Philipp Reemtsma weigerte sich in
der Zeitschrift „Konkret“,71 „dieses in jeder Beziehung
miserable Erzeugnis der papierschändenden Industrie“
überhaupt zu rezensieren. Tatsächlich ist schon das
Vorwort des Journalisten Erich Kuby „Eine Art Gebrauchsanleitung“, nicht dazu geeignet, einem zum Weiterlesen zu motivieren. Offensichtlich schätzt Kuby das
Medium Comic nicht allzusehr. Da aber Jugendliche
„überhaupt nichts mehr vom konzentrierten Lesen“ halten und auch nicht „die Veröffentlichungen zum Historikerstreit … auf dem Nachttisch liegen“72 haben, scheint
ihm ein Comic wohl besser als nichts zu sein. „Die
Mängel der Methode sind unvermeidlich“ meint Kuby,
der generell alle Versuche, eine „Zurückstutzung des
Nationalsozialismus auf das Wesen und Handeln dieses
einen Menschen“ für unhistorisch hält und damit gleich
einen Seitenhieb auf Fests berühmte Hitler-Biographie
landet. In der Neuauflage des Werkes von 1993 verzichtete der Carlsen-Verlag dann auch auf Kubys einleitende
Worte.
Kalenbach und Bedürftig verteidigen ihr Vorgehen in
ihrem Vorwort: „Zum einen ist die Tünche der Propaganda nirgends so dick wie beim ,Führer‘ und deswegen
kommt das wirkliche Geschehen am besten durch Restauration des ursprünglichen Bildes zum Vorschein.
Zum anderen hat es wohl in der Geschichte kaum einmal eine Entwicklung gegeben, die so auf eine Person
zugelaufen und dann wieder von ihr ausgegangen ist,
wie im Fall Hitler.“73
Sie weisen damit auf das Problem der Bildgestaltung in
diesem Bereich hin. Es gibt gerade von der Person
Abb. 6: Kalenbach. Hitler Band 2
Hitlers nur die von der Propaganda ausgewählten Bilder.
„Menschen brauchen Bilder, vor allem Gegenbilder zur
Propaganda der Täter.“74 Doch ihr Anspruch ist hoch
gegriffen und ,verbesserungs-Bedürftig‘.
Kalenbach bedient sich einer in Bonbon-Farben gehaltenen Collagetechnik, mit der die Seite immer ganz
gestaltet wird, es erfolgt keine Auflösung in Panels.
Damit stellt sich auch die Frage, inwieweit es sich hier
überhaupt noch um einen Comic handelt. Der Text wird
als ordnendes Element in Blöcken und Sprechblasen
eingesetzt. Die realistischen Buntstiftcollagen sind nach
Fotovorlagen entstanden, doch verbergen sie ihre Herkunft. Nicht nur die unstrukturierte Seitengestaltung verwirrt den Leser, sondern auch die Frage ,Foto oder
Fiktion?‘.75 Kalenbach schafft kein Zeitdokument weil er
die Herkunft seiner Bilder verschleiert.
Die Absicht, ,Gegenbilder‘ zu schaffen haben, die Autoren vielleicht am ehesten in einer Ästhetisierung der
Aussageabsicht umgesetzt; die Opfer sind weiß und
schön, Giftgas giftgrün76 usw. Bei der Darstellung Hitlers
gelingt es Kalenbach allerdings nicht, das Pathos der
Nazis zu konterkarieren und sich von der faschistoiden
Ästhetik zu lösen.
Friedemann Bedürftig, Herausgeber des ,Großen Lexikons des Dritten Reiches‘, versuchte, möglichst Originalzitate Hitlers zu verwenden; eine ehrenhafte Absicht,
nur sollte auch hier Transparenz gewahrt werden und
dem Leser klar sein, in welchen Fällen es sich um ein
Zitat und wann um Prosa handelt. Ein dokumentarischer
Comic muß Transparenz in Bild und Text wahren. Daß
dies möglich ist zeigt Rius. Problematisch ist schließlich
auch die Erzählweise, die Hitler als Protagonist quasi
zum negativen Superhelden aufbaut, der den Muttertod
und die Ablehnung auf der Kunsthochschule nicht verwindet und so zum Psychopathen wird.
4.3
Politische Theorie
In der Nachfolge Rius’ erscheinen noch zahllose Bände
(Atomkraft für Anfänger, Lenin f.A., Trotzki f.A., Frieden f.A. u.a.) in der Reihe „rororo-Sachcomic“ beim Rowohlt Verlag, der sich auch nicht scheut, mit dem RiusComic zu werben. Die Produktion der Nachfolgebände
basiert immer auf der Zusammenarbeit eines sachkundigen Autors und eines Studiozeichners die Rius’ Stil
kopieren.
Bemerkenswert sind noch die verschiedensten Versuche von Literaturadaptionen. 1980 erschien „Das Kapital“ von Jari Pekka Cuypers im VSA-Verlag. Er versucht
dann noch ein bißchen unbeholfen, den ersten Band des
„Kapitals“ leichtverständlich darzustellen. Von F.K.
Wächter erschien 1982 ebenfalls im VSA-Verlag das
„illustrierte Grundgesetz“, in dem Karikaturen und kleine
Strips sozusagen als „visueller Kontrapunkt“ dem Gesetzestext entgegengesetzt werden „Die Menschenrechte“
70 Der Spiegel 39 (1989) S. 78-80.
71 Konkret 11 (1989) S. 61.
72 Kuby: Eine Art Gebrauchsanleitung. In: Hitler Bd. 1. Hamburg
1989. S. 3.
73 Kalenbach/Bedürftig: Hitler Bd. 1. Hamburg 1989. S. 8.
74 Ebd.
75 Weidemann: Foto oder Zeichnung? In: Comics Anno. München
1991. S. 26-41.
76 Kalenbach/Bedürftig: Hitler Bd. 3. Hamburg 1989.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
(1991) ist ein Sammelband, in dem sechs Autoren, u.a.
Will Eisner, Annie Goetzinger, Alberto Breccia, einen der
Artikel der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten
Nationen erläutern. In Kurzgeschichten begründen sie
die Notwendigkeit der Rechte.
4.4
Politik für Jugendliche
In ihrer Jugendreihe „rororo-rotfuchs“ erschienen 198384 drei „Quercomics“ von Wolfgang Wimmer und dem
Münchner Zeichner Tschap: „Sklaven“ (1983), „Rüstung“
(1984) und „Moneymaker“ (1984). Diese Serie wurde
speziell für Acht- bis Zwölfjährige konzipiert, deren Fähigkeit, Bildergeschichten zu lesen, besonders hoch
sei.77
Der Band „Rüstung – vom Anfang der Erde bis zum
möglichen Ende“ versucht die Geschichte der Waffen
und der Kriege aufzuarbeiten. Die Erkenntnis, die vermittelt werden soll, heißt: nie hat Rüstung Kriege verhindert und den Frieden gesichert. Anhand der Zeitreise
von Nina und Tom wird versucht, politische und historische Zusammenhänge aufzuzeigen und die Leser zum
Handeln zu ermutigen.
5
Themenkreise
Um Literatur, und um solche handelt es sich beim Medium Comic, unter den Gesichtspunkten der Politik zu
betrachten, darf der Politikbegriff nicht zu eng definiert
werden.
Sowohl die institutionelle Dimension der Politik, die ,polity‘ z.B. in Darstellung von Wahlen oder Gesetzestexten
schlägt sich nieder als auch die normativ-inhaltliche, die
,policy‘, die besonders kritisch betrachtet wird. Der Bereich der ,politics‘, hier besonders alle Formen der
Macht, wird ebenfalls thematisiert.
Um einen Überblick über die Breite des Genres zu
vermitteln und zusätzlich eine Möglichkeit der Beurteilung zu schaffen, versuche ich, angelehnt an die Idee
der Interessenkreise bei der Belletristik, die Comics politisch-zeitgeschichtlichen Themenkreisen zuzuordnen.
Die üblichen Comic-Kategorien wie z.B. Funnys, Adventure-Comics, Semi-Funnys usw. werden hier zugunsten
einer Einteilung, die sich sowohl an politischen Handlungsfeldern orientiert wie auch politischen Theorien und
Systeme zum Gegenstand hat.
5.1
Krieg und Militär im Comic
Krieg ist im Comic eine beliebte Kulisse für Abenteurer
und Weltraumfahrer. An dieser Stelle sollen jedoch nur
die „Kriegs-Comics“ erörtert werden, die den Krieg thematisieren.
Aufgekommen ist das Thema während des Zweiten
Weltkrieges.
Metken78 schreibt dazu: „Als die Vereinigten Staaten
Ende 1941 in den Krieg eintraten, wurden auch die
meisten Comic-Helden zu den Waffen gerufen. Vielfach
hatten sie bereits vorher bekundet, auf wessen Seite die
Sympathien ihrer Entwerfer lagen.“ Superhelden und
Militärs bekämpften die Kriegsgegner der USA. In manchem Heft wurde Adolf Hitler selbst bemüht, um gegen
„Superman“, „Daredevil“ oder „Captain America“ anzutreten.
173
Doch nicht nur Superhelden, auch ,normale‘ Militärs
waren in dieser Zeit stark vertreten in den Comics.
„Blackhawk“ war eine bekannte Reihe, in der das Militär
sich sehr autoritär gab.79
Einen Einbruch erlitt die Produktion dieser Serien erst
Ende der sechziger Jahre, was zum einen mit dem
Aufkommen der Jugend- und Bürgerrechtsbewegung
und zum anderen mit der wachsenden Kritik an dem
Vietnamkrieg erklärt werden kann. Wegen der starken
Kritik wurde auch versucht, das Kriegsthema mit einem
friedlichen Motto zu versehen. Der Spruch „Make war no
more“80 tauchte in vielen Comics, meist im Schlußpanel,
ziemlich zusammenhanglos auf.
1983 hat der amerikanische Pädagoge Rifas81 solche
Serien untersucht und folgende Grundmuster festgestellt:
– im Krieg wird der Mann ein Mann;
– Krieg ist unvermeidlich, moralische Skrupel führen
zur Vernichtung;
– Krieg ist notwendig zur Verteidigung von Freiheit und
Demokratie;
– Krieg fördert die Rassen-Emanzipation;
– Krieg ist ein Spiel mit hohem Einsatz.
Kriegscomics produzieren in noch stärkerem Maße als
andere Comics eine Heldenfigur, die, ausnahmslos
männlich, teilweise so überzeichnet ist, daß sie einer
Karikatur ähnelt. Dem Held gegenüber steht das „Böse“,
der Feind. Dieses Grundmuster gilt ähnlich auch für den
Anti-Kriegscomic, in dem ein Pazifist die Heldenrolle
übernehmen kann.
Die amerikanischen Kriegscomics spielen hierzulande
bis heute kaum eine Rolle, da sich zum einen das
Gut-Böse-Schema USA gegen den Rest der Welt nicht
für den deutschen Markt eignet, zum anderen die Verlage wohl auch Angst vor der vorauszusehenden massiven Kritik hatten.82
Für die auf dem deutschen Markt erhältlichen Comics
lassen sich folgende Themenschwerpunkte feststellen:
– konventionelle Kriegsdarstellungen;
– technikverherrlichende Flieger-Comics;
– kritische, dem Krieg negativ gegenüberstehende Comics;
– Atomkriegsszenarien.
5.1.1 „Abenteuerspielplatz“ Krieg
Bei den konventionellen Kriegsdarstellungen handelt es
sich meist um Adventure-Comics, die den Krieg als
Hintergrund für die heldenhaften Aktivitäten ihrer Protagonisten benutzen.
Einer der bekannteren Vertreter ist der Deutsch-Spanier
Manfred Sommer, der mit seiner Serie „Frank Cappa“
die aktuellen Kriegsschauplätze der Welt beleuchtet.
Der Kriegsberichterstatter, dessen Name wohl von dem
77 Börsenblatt 2123 (1983).
78 Metken: Comics. Frankfurt/M. 1970. S. 75.
79 Fuchs: Wo sind alle Krieger hin: In: Comic Jahrbuch 1986.
Frankfurt/M. 1986. S. 45.
80 Maier: Make war no more. In: Comixene15 (1977) S. 6-9.
81 Bulletin of Interracial Books for Children Vol. 14. No. 6. 1983.
Zit. nach: Dolle-Weinkauf: Krieg und Frieden in Comics. In:
Beiträge zur Kinder- und Jugendliteratur 80 (1986) S. 37-49.
82 Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums.
München 1971. S. 181.
174
französischen Fotografen und Kriegsreporter Robert
Cappa entlehnt ist, hat eine eher ablehnende Haltung
dem Krieg gegenüber. Der Held, der immer wieder an
vorderster Front mitkämpft, ist ein Individualist, der versucht, beide Seiten zu verstehen. Doch auch wenn in
Sommers Handlungen immer wieder auf die Sinnlosigkeit des Krieges hingewiesen wird, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier mit den nach nationalen
Eigenarten differenzierten Grausamkeiten des Krieges
Effekthascherei betrieben wird.
In der Reihe des Splitter-Verlages aus München, „Splitter präsentiert Zeitgeschichte“, erscheinen dem Stil der
klassischen amerikanischen Kriegscomics verpflichtete
Storys. Mit dem US-Import „The NAM“ oder der U-Boot
Geschichte „Auf Feindfahrt“, wird versucht, Authentizität
zu inszenieren, indem die ganze Brutalität des Krieges
vorgeführt wird.
5.1.2 Fliegerserien
Einen besonderen Höhepunkt erreichte das Genre zur
Zeit des Zweiten Weltkriegs. Der Krieg dient als Kulisse
für spannende Abenteuer und seine Notwendigkeit wird
nie in Frage gestellt. Amerikanische Zeichner wie Milton
Caniff prägten den Stil mit Abenteuerserien wie „Terry
and the Pirates“, die Technikverherrlichung mit Patriotismus und Kampfgeist verbanden. Angesiedelt im militärischen Bereich werden die Befehlsstrukturen und militärischer Drill als selbstverständlich akzeptiert, wenn es
um den Schutz des Vaterlandes geht.83
Vor dem exotischen Hintergrund Chinas und Japans
erlebt Terry seine ersten Abenteuer, wächst heran und
darf schließlich im Zweiten Weltkrieg gegen den „gelben
Feind“ fliegen. Caniff war einer der erfolgreichsten
Zeichner und einer der besten Kriegspropagandisten
der USA. Die Folge, in der 1942 Colonel „Flip Corkin“
dem jungen Piloten markige Worte mit in den Kampf
gibt, wurde im Kongress verlesen und ins Protokoll aufgenommen.
Typisch für die europäischen Serien ist laut Andreas C.
Knigge, daß Gewalt nie in Eigenverantwortung ausgeübt wird, sondern immer in militärischen Verbänden, die
die moralische Verantwortung übernehmen.
„Terry and the Pirates“ erschien erstmals 1934 und wurde während des Krieges fester Begleiter der Soldaten in
den Zeitungen der Armee. 1947 begann Caniff mit einer
ähnlichen Serie um den Piloten „Steve Canyon“, der
anfangs ein Flugtaxi lenkt, aber zu Beginn des VietnamKriegs der Luftwaffe beitritt.
Milton Caniff gilt als einer der reaktionärsten Comic-Autoren der USA. Doch als ein informierter und analytischer Beobachter des Weltgeschehens und der militärischen Entwicklungen zeichnen sich seine Geschichten
immer durch Aktualität und technisches Know-how
aus.85
In den USA schon während des Krieges verbreitet und
erfolgreich, schufen die Europäer nach dem Krieg ähnliche Serien. Der Belgier Jean Michel Charlier ein begeisterter Pilot, begann als erster in Europa mit der FliegerSerie „Buck Danny“, die in der US Air Force angesiedelt
ist.86 Ein Auftritt Ronald Reagans vermittelt das Bild vom
allwissenden Politiker. In einer Phase der Geschichte,
als alle an „Buck Dannys“ Taten zweifeln, vertraut der
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Präsident seinem Helden, denn er weiß natürlich, auf
welche Menschen man sich verlassen kann.
Eine etwas andere Variante der Fliegercomics stammt
von dem Deutsch-Belgier Albert Weinberg. Seine 1954
begonnene Serie „Dan Cooper“ ist angereichert mit
Science-Fiction Elementen und spielt in Weltraumstationen und NASA-Labors. „Asterix“-Zeichner Uderzo kreierte die Serie „Tanguy“. die in der „Force de frappe“
angesiedelt ist. Uderzo gab „Tanguy“ allerdings dann
zugunsten seines großen Erfolges ab.
Typisch für die europäischen Serien ist laut Andreas C.
Knigge, daß Gewalt nie in Eigenverantwortung ausgeübt wird, sondern immer in militärischen Verbänden, die
die moralische Verantwortung übernehmen.87
Das Genre scheint sich jedoch langsam überlebt zu
haben. Zwar erscheinen im Moment noch klassische
Serien in deutschen Verlagen, doch gibt es auch hier
Anzeichen für einen Wandel „Der rote Baron“ des Amerikaners George Pratt zeigt anhand eines Vietnam-Piloten die psychischen Folgen, die ein Kriegseinsatz nach
sich zieht.
5.1.3 Krieg als Metapher
Der Franzose Jacques Tardi beschäftigt sich in seinem
Werk seit über zwanzig Jahren leidenschaftlich mit der
Kriegs-Thematik.
1973 erschien in Frankreich der Titel „Für Volk und
Vaterland“, ein Comic um den „Antihelden“ Brindavoine,
der als Soldat die Schrecken des Ersten Weltkrieges
erlebt. Man sieht ihn durch die Front laufen und dabei
zum Waffenstillstand aufrufen. Von einem Kameraden
angeschossen landet er im Lazarett. Als er von seinen
Fieberträumen erwacht, liegt er in einer Kirche, in der
sich ein deutscher, ein senegalesischer und ein französischer Deserteur zusammengetan haben. Am Ende
wird der Deutsche von dem Franzosen meuchlings erschossen. Das letzte Panel zeigt den Toten, und über
ihm eine Heiligenfigur mit segnender Armhaltung. Tardi
scheut sich nicht, Kritik an der Kirche und an allen
Institutionen zu üben, die den Krieg unterstützt haben.
Einen erdrückenden kafkaesken Alptraum schildert die
1975 entstandene „wahre Geschichte vom unbekannten
Soldaten“. Der Träumende ist ein Groschenromanautor
dessen Figuren zusammen mit Freunden aus seinem
Leben ein verwirrendes Spiel mit ihm spielen. Krähende
Raben verheißen Tod und Verwesung. Erst auf den
letzten Seiten klärt sich der Zusammenhang zum Titel.
Es handelt sich um die Phantasien eines sterbenden
Soldaten im Ersten Weltkrieg. Tardis surreale Erzählweise erlauben dem Leser keine Distanz, der ästhetische
Schock geht einher mit dem politischen. Er zeigt hier
keine Waffentechnik oder Frontromantik – die Handlung
spielt bis zur der letzten Seite noch nicht einmal im Krieg.
Er beschäftigt sich nur mit den letzten Gedanken eines
83 Die großen Fliegercomics. In: Rraah 21 (1992= S. 23-25.
84 Comic-Strips. Geschichte, Struktur, Wirkung und Verbreitung
der Bildergeschichten. Berlin 1970. S. 71.
85 Compart: Krieg im Abenteuer-Comic. In: Comic Jahrbuch
1986. Frankfurt/M. 1986. S. 32.
86 Im Moment erfolgt gerade eine Neuauflage bei Carlsen.
87 Knigge: Der Einfluß der amerikanischen Abenteuer-Serien auf
die europäischen Comics. In: Comic Jahrbuch 1986. Frankfurt/M. 1986. S. 39.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
namenlosen Soldaten, den er uns als leidendes Wesen,
voller Ängste und obszöner Träume, vorführt.
Auch der Italiener Lorenzo Mattotti stellt in seinem Band
„Feuer“ keine realistische Kriegssituation dar, sondern
bietet eine in fulminanten Bildern erzählte Geschichte
des Kampfes eines Menschen mit sich selbst.
Der Panzerkreuzer Anselm II, der vor der Insel Sankt
Agatha seinen Anker wirft, hat den Auftrag, mysteriöse
Ereignisse aufzuklären. Ein Spähtrupp unter der Leitung
des von Alpträumen heimgesuchten Leutnants Absinth
wird ausgesandt. Während des Landganges hat der
Leutnant das Gefühl, seine Traumwesen wiederzusehen. Er beginnt, die Insel zu lieben, und als bei einem
zweiten Landgang ein Soldat einen Stein „erschießt“
(der Stein beginnt zu bluten), entscheidet sich Absinth,
auf der Insel zu bleiben. Er wird jedoch gewaltsam
wieder zurückgebracht. Auch das hält den Untergang
des Schiffes nicht auf, denn gegen die unwirklichen
Mächte der Insel sind die Soldaten machtlos. Am Ende
entpuppt sich die Geschichte als Aufzeichnung eines
Selbstmörders.
In den letzten Jahren sind verstärkt Comics erschienen,
die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und allen seinen Erscheinungsbildern auseinanderzusetzen.
Mattotti entwirft außergewöhnlich eindrucksvolle Bilder
aus Ölkreide, die aber nie zum Selbstzweck werden. Der
Seitenaufbau wird streng beibehalten und verleiht der
Handlung eine nüchterne Wirkung.
Benutzt Tardi die psychischen Alpträume zur Warnung
vor dem Krieg, so geht Mattotti hier den umgekehrten
Weg. Für ihn ist die Kriegsgeschichte ein Mittel zum
Ausdruck unerklärlicher Welten. Die Ratio, versinnbildlicht im Militär, scheitert an dem Irrationalen, hier die
Feuerwesen der Insel. Die Natur beschreibt Mattotti als
eine Gewalt, die sich zu wehren weiß. Doch handelt es
sich hier um keine „Öko-Geschichte“; vielmehr zeigen
diese Sequenzen das phantastische, übersinnliche Element in dem Comic. Zweifellos ist das Etikett „KriegsComic“ gewagt, geht dieser Comic doch weiter als übliche Auseinandersetzungen mit Gewalt. Mattotti hat hier
die Szenerie eines Panzerkreuzers für das Spiel mit dem
Wirklichkeitsbegriff gewählt.
5.1.4 Atomare Apokalypse
Einen eigenen Themenkreis bilden auch die Comics, die
sich mit den Auswirkungen der Atombombe beschäftigen. Hier treten nicht mehr Militär und Kriegshandlungen
in das Zentrum der Handlung, sondern die grauenhaft
inhumanen Auswirkungen und Schrecken dieser Vernichtungswaffe.
Eine sehr direkte Auseinandersetzung bietet „Barfuß
durch Hiroshima“ von Nakazawa. Mit der Frage ,Was
wird danach?‘ beschäftigten sich vor allem in den achtziger Jahren zahlreiche Autoren und regten zu den wildesten Szenarien an, z.B. die Serie „Jeremiah“ von
Hermann, „Simon – Zeuge der Zukunft“ von Auclair oder
„Verbrannte Erde“ von Crespin.
Der Japaner Keije Nakazawa hat dagegen ein ganz
besonders authentisches Dokument geschaffen. Nakazawa, der den Atombombenabwurf auf Hiroshima selbst
miterleben mußte, schafft trotz unbeholfener Zeichnun-
175
gen ein sehr glaubwürdiges Bild der japanischen Kriegsdiktatur.
Die Geschichte wird erzählt aus der Perspektive des
kleinen Gen, der als Sohn eines Künstlers und Pazifisten sehr zu leiden hat. In der Schule, der Nachbarschaft
und selbst in der eigenen Familie herrscht Unverständnis für die Haltung des Familienoberhauptes. Um die
Schande des Vaters wieder gutzumachen, meldet sich
der älteste Sohn freiwillig zum Militär und erlebt dort die
letzten schrecklichen Tage von Soldaten einer Kamikaze-Einheit. Auch den Selbstmord ganzer Familien aus
Angst vor den Amerikanern zeigt Nakazawa. Die japanische Gesellschaft wird dominiert von Angst, Gewalt,
Hunger und Neid. Auch das Bild der Armee ist nicht
besser; Drill und Brutalität sind für den jungen Soldaten
die Hölle.
Schließlich endet alles in dem Inferno der Atombombenexplosion. Gen und seine Mutter müssen zusehen, wie
der Rest der Familie in ihrem Haus verbrennt.
Nakazawas Comic beruht auf einem einfachen Gut-Böse-Schema, in dem sich, die Charaktere nicht weiterentwickeln, außerdem wird Einstein fälschlicherweise als
begeisterter Vater der Atombombe dargestellt. Trotz dieser Mängel handelt es sich dabei um eine eindrucksvolle
Kritik an der Abschreckungspolitik.
Auch Art Spiegelman äußerte sich anerkennend: „ ,Gen
of Hiroshima‘ ist wüst gezeichnet, aber es ist dennoch
ein großartiger Comicstrip, weil die Geschichte in sich
stimmt.“88
Persönliche Betroffenheit versucht auch Raymond
Briggs in seinem Band „When the Wind Blows“ (dt.
„Strahlende Zeiten“) zu erzeugen. Seine Geschichte
spielt aber in England und beruht im Gegensatz zu
Nakazawas Erzählung nicht auf realen Ereignissen.
In das friedlich-beschauliche Leben eines älteren Ehepaars bricht plötzlich die Weltpolitik ein. Mit praktischem
Sachverstand versuchen sich die beiden zu schützen.
Verklärte Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg kommen bei den Vorbereitungen zum Bau eines Schutzraumes auf. Aber auch das genaueste Befolgen der offiziellen Anweisungen hilft den beiden nichts. Doch ihr Glauben an die Unfehlbarkeit der Autoritäten bleibt bis zuletzt
unerschütterlich. Er zeigt den langsamen Tod der alten
Leute einfühlsam und doch in seiner ganzen Grausamkeit.
Briggs Stärke ist es, einerseits unsere gesicherte Lebenssituation darzustellen und gleichzeitig die Hilflosigkeit, wenn das dünne Eis der atomaren Abschreckung
bricht.
5.2
Nationalsozialismus und Holocaust
In den letzten Jahren sind verstärkt Comics erschienen,
die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und allen seinen Erscheinungsbildern auseinanderzusetzen. Als wichtigster kann der 1989 in deutsch erschienene Comic „MAUS“ von Art Spiegelman gelten,
der vor allem in Deutschland eine Medienresonanz erfahren hat, wie nie zuvor ein Comic.
Doch es gab auch weniger populäre Versuche. In Frankreich erschien 1988 „Hitler = SS“ von Philippe Vuillemin
88 Affolter: Gespräch mit Art Spiegelman. In: Comic Art 6 (1983)
S. 6-16.
176
und Jean-Marie Gourio. Die beiden sind Mitarbeiter der
Satirezeitschrift „Hara-Kiri“, für die schon Reiser in den
sechziger Jahren gearbeitet hat. „Hitler = SS“ ist ein
aufklärerisch gemeinter Comic, der wegen seines gegen
alle Seiten gerichteten Zynismus, schließlich verboten
wurde. Der bittere Spott, der in den Geschichten steckt,
wurde nicht als solcher gebilligt.89 Die Autoren haben
versucht, das faschistische Menschenbild karikaturistisch zu übersteigern, doch die Darstellung eines Juden
mit großer Nase und dicken Lippen, der vor der Gaskammer Seife für 5 Franc verkauft, war den Gerichten
dann doch zu menschenverachtend.
Eine völlig andere Erzählweise pflegt Art Spiegelman,
der für sein außergewöhnliches Werk „Maus“ zahlreiche
Preise erhalten hat, u.a. den „Cavior Award“ für den
besten jüdischen Roman, den italienischen „Yellow Kid“,
den französischen „Prix Alfred“, den „Max-und-MoritzSonderpreis“ und den Pulitzerpreis.
Die Geschichte hat durchweg zwei Ebenen. Einmal die
historische, in der der Überlebenskampf des Vaters im
Dritten Reich dargestellt wird, und zum anderen die der
Gegenwart, die das Erzählen des Vaters und dessen
Beziehung zu seinem Sohn dokumentiert.
Vladek, der Vater, wird auf beiden Ebenen unterschiedlich geschildert. Während er in der Vergangenheit das
Opfer ist, erscheint er in der Gegenwart als Täter, der
seine Familie mit seinen unterschiedlichsten Marotten
terrorisiert.
,Der Comic im Comic‘, die Darstellung der Recherchen
und der Entstehung des Werkes, zeigt in aller Offenheit
die Schwierigkeiten des Autors mit seinem Thema. Der
Leser muß eine kritische Haltung annehmen da ihm
keine Identifikationsfigur und keine „reine Wahrheit“ an-
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
geboten wird. Indem er sich vom allwissenden Erzähler
zur Comicfigur degradiert, zeigt er auch seine Selbstzweifel an der zeichnerische Umsetzung.
Die handelnden Figuren als antropomorphe Tiere darzustellen, wirkt auf den ersten Blick sehr provokativ. Spiegelman hatte dafür einen Anlaß und einen Grund. Der
Anlaß war, daß er einen Strip mit Tieren für Robert
Crumb machen sollte, und der Grund war der Vergleich
der Nationalsozialisten von Juden mit Ungeziefer90 und
von Polen mit Schweinen.
Doch damit muß Spiegelman sich auch entscheiden –
es gibt keine ,gleichen‘ Menschen mehr, es gibt nur noch
Mäuse, Katzen und Schweine; beispielhaft stellt er das
Problem in einer Szene dar, in der er seine Frau Françoise, eine Französin, fragt, als welches Tier er sie
zeichnen soll? Spiegelman umgeht das Problem teilweise, indem er die Figuren Masken tragen läßt – ist die
Maus wirklich eine Maus? Spiegelman äußert sich hierzu: „All metaphors are a kind of lying. As soon as you
make a correspondence, it only highlights the gaps.
Nothing thoroughly interlocks.“
Die Tiermetaphern haben Spiegelman viel Kritik eingetragen, von jüdischer und vor allem von polnischer Seite.92 Der Hauptvorwurf war, es würden damit ethnische
Stereotypen verfestigt. Darauf meinten die Befürworter,
nur eine solche mythische Darstellung liese einen realistischen Eindruck entstehen.
Auch daß Spiegelman sich selbst wesentlich positiver
darstellt als seinen Vater, wurde bemängelt. Doch zeigt
Spiegelman vor allem, daß die Leiden des Vaters auch
an dem Sohn nicht spurlos vorübergegangen sind.
Weniger spektakulär, aber handwerklich sehr gelungen
ist die Beschreibung des Warschauer Ghettos von Paul
Gillon und Patrik Cothias, einer zweibändige Adaption
der Tagebücher „Der Schrei nach Leben“ des polnischen
Juden Martin Gray. Gillons Bilder sind von einer kühlen
Ästhetik, was der eher sachlichen, aber nicht gefühllosen Atmosphäre der Geschichte zugute kommt.
Auch die beiden jungen Deutschen Thomas Kühn und
Holger Klein haben sich in ihrem Erstling „Kann denn
Liebe Sünde sein?“ mit Schuld und Rache auseinandergesetzt. Der sympathische Cellist, dem plötzlich wieder
ein Engagement winkt, findet sich plötzlich seinen ehemaligen KZ-Musikerinnen gegenüber, denen er einst als
Lagerführer der SS vorstand. Obwohl die Frauen ihn am
Ende gehen lassen, kann er seiner Buße nicht entgehen.
5.3
Arbeitswelt
In ihrer Analyse der Walt-Disney-Produkte „Micky Maus“
und „Donald Duck“ weisen die Südamerikaner Dorfmann und Mattelart auf die Abwesenheit der Arbeitswelt
in diesen Comics hin.93 Donald Duck ist zwar ständig auf
Arbeitssuche, doch auch wenn er einen Job findet, ist
das Arbeitsverhältnis nie von langer Dauer.
Abb. 7: Art Spiegelman. Maus.
89 Albig: Karikatur des Grauens. In: Magazin der Süddeutschen
Zeitung (15.05.1992).
90 „Es ist ja wohl nur recht und billig, die Welt von einer minderwertigen Rasse zu befreien, die sich wie Ungeziefer vermehrt.“
Zit. nach Spiegelman: MAUS – Teil 1. Reinbek 1989. S. 4.
91 Fein: The Holocaust as a Cartoonist’s Way of Getting to know
His Father. In: New York Times 10.12.1991.
92 Schwarz: Maus. Gießen 1993. S. 22-26.
93 Dorfmann/Mattelart: Walt Disney „Dritte Welt“. Berlin 1977.
S. 81 ff.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Dorfmann und Mattelart sehen darin die wirtschaftliche
Karikatur der Entwicklungsländer, da nur der Primärund der Tertiärbereich der Ökonomie dargestellt wird.
Der Rohstoffabbau ist dabei immer mühelos möglich,
Goldminen ziehen nie irgendwelche Arbeit nach sich,
sondern verwandeln sich sofort in Taler. Der mühevolle
Abbau der Rohstoffe wird verschwiegen.
Lange Zeit spielten Frauen in der Comic-Szene keine
Rolle. Es gab keine bekannten Zeichnerinnen oder Szenaristinnen. Bei der Leserschaft war es auch nicht besser; selbst die in den vierziger Jahren entstandenen
Superheldinnen waren auf den männlichen, voyeuristischen Blick zugeschnitten.
Die verarbeitende Industrie, der Sekundärbereich, auf
dem der Reichtum der Industrienationen beruht, wird
ebenso völlig ausgespart. Darin besteht tatsächlich eine
Parallele zu der Wirtschaftsstruktur der Entwicklungsländer.
Die von Dorfmann und Mattelart analysierten Strukturen
findet man nicht nur bei den Ducks. Die Arbeitswelt
spielte in den Comics, wie auch im Film oder der Trivialliteratur lange Zeit keine Rolle.
Eine Ausnahme machen einige Strips, die speziell für
Gewerkschaftszeitungen entworfen wurden. Erich Rauschenbachs „Kollege Karl“ erscheint alle zwei Wochen
in der Mitgliederzeitung der IG Metall. Rauschenbach
benutzt für seine Strips eine ähnliche Technik wie Trudeau für seinen Doonesbury. Eine stehende Figur, „Kollege Karl“, kommentiert in jeweils vier Panels alle Themen, die die arbeitende Bevölkerung interessieren
könnte.
Ein besonders gelungenes Beispiel sind die „HammerComics: Tiefschläge aus der Arbeitswelt“ von den
Schweizerinnen Brigitte Fries und Liz Seitter. In einer
außergewöhnlichen Mischtechnik aus Fotografie und
Zeichnungen werden Themen wie Fremdenhaß oder
Unfallverhütung dargestellt. Zwar kommen auch typisch
schweizerische Probleme vor, beispielsweise das unmenschliche Saisonnierstatut, aber die meisten Szenen
könnten sich genauso auf bundesdeutschen Baustellen
abspielen. Entstanden ist die Serie für die Schweizer
Gewerkschaftszeitung „Bau und Holz“. Mit viel Witz,
Humor und Können haben die beiden Autorinnen einen
genauen Blick für die Arbeitswelt entwickelt.
Der bekannteste Arbeitnehmer im deutschen Comic
dürfte zweifellos „Werner“ sein. Der Motorradfreak, der
einen „phonetisch exakt umgesetzten Schnodder-Jargon“94 beherrscht, hat seinen Schöpfer „Brösel“ mittlerweile republikweit bekannt gemacht. Werner, der in seiner Freizeit lieber Bier trinkt und Motorrad fährt, wird
während seiner Ausbildung von seinem Meister schrecklich geschunden. Die entsprechen Storys haben nicht
umsonst den Titel „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“.
Mit der Utopie der Gewerkschaften, von einer Welt mit
gerechter Verteilung der erwirtschafteten Werte setzen
sich Christin und Bilal auseinander. „Die Stadt, die es
nicht gab“ aus den „Legenden von heute“, beschreibt
eine Kleinstadt mit monopol-kapitalistischer Gesellschaftsstruktur.
Während eines Streiks der Arbeiter stirbt der alte Unternehmer und die Erbin, eine junge, an den Rollstuhl
gefesselte Frau, will sich ein privates Utopia schaffen.
Eine neue Stadt soll entstehen, „geschützt vor Sonne,
177
Wind und vor menschlicher Not“! Lebhaft diskutieren die
zukünftigen Einwohner ihre Idealstadt. Doch nicht alle
fühlen sich wohl, vor allem die Nachdenklichen ergreifen
die Flucht.
In den Bildern Bilals drückt sich all die Phantasie und
Künstlichkeit aus, die dem Unternehmen eigen ist. Die
Stadt versinkt unter einer Glaskuppel, und die Ausstattung entspricht den Traumwelten den Kinder. Doch gerade die Kinder langweilen sich als erste darin.
Die Geschichte endet nicht euphorisch – weder im Gelingen noch im Scheitern – und sie bietet keine Lösung
an. Das beinhaltet auch eine gänzliche Absage an sozialistische Träume von gerechten Welten. Die künstliche
Insel der Gerechtigkeit kann doch nur materielle Bedürfnisse befriedigen und wird deshalb auch nur von denen
akzeptiert, die keine Träume haben. Letztlich ist sie ein
Spielzeug für die Reichen und Intellektuellen, die damit
ihr soziales Gewissen beruhigen oder um, wie es der
Ingenieur der Stadt ausdrückt, der Menschheit zu dienen.
5.4
Feminismus
Lange Zeit spielten Frauen in der Comic-Szene keine
Rolle. Es gab keine bekannten Zeichnerinnen oder Szenaristinnen. Bei der Leserschaft war es auch nicht besser; selbst die in den vierziger Jahren entstandenen
Superheldinnen waren auf den männlichen, voyeuristischen Blick zugeschnitten und folglich den männlichen
Mitgliedern der Gerechtigkeitsliga letztendlich unterlegen.95
Aber auch den zahlreichen wohlgeformten Heroinen
machte der Comic-Code schließlich den Garaus. Die
einzige Überlebende war „Wonder Woman“, die Amazonenkönigin, und erst 1962 durfte das Musterbeispiel
eines amerikanischen College-Girl, Linda Lee Danvers,
ihre Identität lüften: sie ist Supermans Cousine „SuperGirl“!96
Die dargestellten weiblichen Stereotypen schwankten
zwischen Vamp in schwarzer Abendrobe, Tigerfellbikini
und Hausdrachen.97 Nur in Ausnahmefällen erscheinen
Frauen als selbstbewußte, selbstverantwortlich handelnde Figuren, wie beispielsweise Oma Duck, die zwar
Kuchen bäckt und für ihre Tiere sorgt, aber sich dafür
auch nicht von Männern reinreden läßt.
Frischen Wind in das Frauenbild der Comics brachte
1962 Jean-Claude Forests „Barbarella“. Ein deutliches
Abbild von Frankreichs nationalem Sexsymbol Brigitte
Bardot, die zwar meist spärlich bekleidet, doch zumindest nicht an der Hand eines männlichen Vormundes
durch den Weltraum ,jettete‘.
Comics mit feministischem Hintergrund tauchen erstmals im Zuge der U-Comix-Entwicklung auf. Zeitschriften wie „Wimmen’s Comix“, oder „Girl Fight Comic“ reagieren in den USA der siebziger Jahre auch auf das
Frauenbild der U-Comix. Am bekanntesten wurde Trina
Robbins, die mit einem einfachen, groben Zeichenstil
94 Knigge: Comic-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 192.
95 Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums.
München 1971. S. 125.
96 Ebd. S. 126.
97 Vgl. hierzu: Umberto Ecos Ausführungen über die Tupfenbluse
bei Steve Canyon. In: Apokalyptiker und Integrierte. Frankfurt/M. 1984. S. 122.
178
verführerisch schöne, männermordende Superfrauen
schuf und damit die männliche Ästhetik überzeichnete.98
Die frechen Comics „Trots and Bonni“ von Shary Flenniken oder Linda Barrys „Girl and Boys“ sind in Deutschland außer in Sekundärliteratur zu den U-Comix leider
nie erschienen.99
Im Jahr 1991 schließlich brachte Elefanten Press einen
Sammelband mit Kurzgeschichten amerikanischer
Zeichnerinnen heraus, die wie Robbins stark der U-Comix-Tradition verhaftet sind. Die „Comic-Sisters“ antworten bewußt „politisch falsch“ auf Auseinandersetzungen
in der Frauen-Comic-Szene.100 Sie entmystifizieren in
ihren Strips zentrale „Frauenthemen“ wie „Wahre Liebe“
oder „Sex“ provokant und mit viel Humor.
In Deutschland haben Frauen wie Marie Marcks oder
Franziska Becker Freud und Leid des Frauenlebens in
Comics beschrieben.
Franziska Becker begann als Cartoonistin bei der Zeitschrift „Emma“, konnte dort ihr Talent in monatlichen
Strips entwickeln. „Feminax und Walkürax“ ist eine glänzende Parodie auf die Asterix-Hefte und speziell auf den
letzten Band „Asterix und Maestria“ in dem die Frauen
nach ihrem Aufstand wieder brav an den Herd zurückkehren. Die Qualität des Heftes, über den feministischen
Aspekt hinaus, mißt sich nicht nur daran, daß selbst der
streitbare Uderzo nicht den Vorwurf des Plagiates erhoben hat.
Becker überträgt die Geschichte in die germanische
Sagenwelt und die Protagonistinnen hadern mit den
Römern ebenso wie mit den Germanen. Ebenso wie das
„Vorbild“ Asterix lebt das Heft von Anspielungen auf die
Gegenwart und von Situationskomik. Alle Abgründe des
Frauenlebens und der feministischen Realität werden
beschrieben und veralbert.
Die ,grande dame‘ des feministischen Comic, Claire
Bretêcher, begann 1969 bei „Pilote“. Die Serie „Die Frustrierten“, mit der sie endlich den Durchbruch schaffte,
entstand für die Wochenzeitung „Nouvel Observateur“,
bis sie schließlich in Buchform erschien. Darin porträtiert
Bretêcher die 68er Bewegung mit all ihren Schrullen,
was ihr den Ruf von Frankreichs bestem Soziologen
eintrug.101
In „Monika, das Wunschkind“ stellt sie die vergeblichen
Bemühungen einer Schauspielerin dar, die versucht,
Schwangerschaft und Hauptrolle unter einen Hut zu
kriegen. Die Lösung scheint in der modernen Medizin zu
liegen. Die Hausperle Candida erklärt sich auch gleich
bereit, die Schwangerschaft zu übernehmen, doch es
kommt natürlich zu allerlei Verwicklungen.
Bretêcher und Becker ähneln sich im Zeichenstil. Ihre
Frauen sind keine Werbeschönheiten, sondern dicklich,
haben Kartoffelnasen und viel zu große Füße. Die Autorinnen nehmen ferner ähnliche Themen auf, z.B: Kindererziehung oder Beziehungsprobleme und siedeln diese
immer in der links-intellektuellen Szene an. Im Gegensatz zu den Amerikanerinnen versuchen sie, Situationen
aus dem alltäglichen Leben kritisch zu beleuchten.
Eher en passant setzt sich Anni Goetzinger, eine französische Zeichnerin, mit den Schwierigkeiten des Frauenlebens auseinander. „Die Diva“ ist eine Geschichte mit
zwei Handlungsebenen. Im Rückblick wird die Besatzungszeit in Frankreich geschildert. Eine junge Sängerin
verwickelt sich im Laufe ihrer Karriere in Kontakte zu den
Nationalsozialisten und wird dafür nach Ende des Krieges zur Verantwortung gezogen. Goetzinger schafft hier
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
eine Frauengestalt, die Opfer ihrer weiblichen Erziehung
und der Abhängigkeiten eines Frauenlebens wurde, weil
es ihr nicht gelang, sich selbst zu befreien. In der erzählerischen Gegenwart wird ihre Befragung durch ein Resistance-Tribunal geschildert. Hier stehen sich zwei Versionen einer Lebensgeschichte gegenüber, ihre persönliche und die der ehemaligen Widerstandskämpfer, ihrer
Richter.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich mit dem
Auftauchen der Frauen als Comic-Macherinnen die Darstellung der Frau verändert hat. Keine der bekannten
Zeichnerinnen produziert chauvinistische Massenware.
Die meisten verstehen sich als Feministinnen, auch
wenn sie sich nicht speziell mit der Frauenbewegung
beschäftigen und besetzten ihre Hauptrollen mit Frauen.
5.5
Ökologie
Bevor Pierre Christin zusammen mit dem Zeichner Enki
Bilal, seine „Legenden von heute“ begann, veröffentlichte er schon 1972 einen Band mit Jacques Tardi, der
thematisch zu dieser Reihe gehört. „Aufruhr in der Rouergue“ handelt von dem Versuch eines multinationalen
Konzerns, eine alte Kupfermine wieder in Betrieb zu
nehmen. Nicht nur die Lokalbevölkerung befürchtet damit eine Zerstörung des Waldes, in dem die Mine liegt,
auch das „kleine Volk“, die Zwerge und Kobolde des
Waldes, sorgen sich um ihre Welt. Mit Hilfe eines gewissen Milou Cadausac, der in den späteren Bänden als
Agent 50/22 B wieder auftaucht, können sie die Konzernleitung – alles Menschen mit einer materialistischen
Geisteshaltung – in völlige Verwirrung stürzen.
Durch kluges Vorgehen des Helden werden am Ende
Abb. 8: Aufruhr in der Rouergue
98 Robbins: U-Comix Sonderband 13. Linden 1977.
99 Metzler Comic Reader. Darmstadt 1975. S. 247, 271-273.
100 Noomin: Comic-Sisters. Berlin 1993. S. 7.
101 Kaps: Soziologin mit dem Zeichenstift. In: Comic-Forum 48
(1990) S. 35-38.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
alle Probleme zum Guten gewendet. Die Inbetriebnahme der Mine wird verhindert und trotzdem werden Arbeitsplätze geschaffen, denn der Konzern baut eine dem
traditionellen Handwerk der Gegend verbundene Fabrik.
Auch die angeworbenen spanischen Gastarbeiter werden integriert; an alle wird gedacht. Nur die Herren der
Konzernleitung können ihr altgewohntes Leben nicht
mehr weiterführen. Die Begegnung mit den Mächten
und Bewohnern des Waldes hat zu tiefe Risse in ihrem
vernunftorientierten Weltbild hinterlassen.
Die nächsten beiden Bände der „Légendes d’Aujourd’hui“, nun mit dem Zeichner Enki Bilal. beschäftigen
sich ebenfalls mit der Umweltzerstörung durch die Industrie.
In „Die Kreuzfahrt der Vergessenen“ geht es um ein
militärisches Geheimunternehmen, in dem ein Antischwerkraftsgenerator ein ganzes Dorf in die Lüfte erhebt.
Doch auch für die beteiligten Militärs bleibt das Ganze
nicht ohne Folgen. Im Laufe der Geschichte verwandeln
sie sich immer mehr in froschartige Gestalten, die bis
zuletzt gehorsam und technikgläubig den Anordnungen
der Regierungsbeamten Folge leisten. Auch hier äußert
sich der Protest der betroffenen Bevölkerung sehr mystisch in Form des wegfliegenden Dorfes.
In einer vorgestellten Geschichte, in der der Agent
50/22B von einer Kommission des Geheimdienstes anhand seines Dossiers vorgestellt wird, kommen zwei
Individuen vor, die eine „teilweise ähnliche Biographie
wie 50/22B“ haben: Herr Bilal und Herr Christin. Sie
charakterisieren ihren Helden selbst als „Symbolfigur mit
übernatürlichen Kräften, Anti-Held, ein Irrtum des Zeitgeistes, ein Symbol der widerstreitenden gesellschaftlichen Kräfte, des Klassenkampfes, der die herrschende
Ideologie unterlaufen wird“.102 So drückt sich in der Präsenz, bzw. Abwesenheit von 50/22B, die von Band zu
Band schwindet, der Optimismus der Autoren aus, durch
einen politisch handelnden Menschen die gesellschaftliche Entwicklung noch beeinflussen zu können.
Auch in „Das steinerne Schiff“ richtet sich die Kritik
gegen einen Konzern, der an der bretonischen Küste
eine Touristenzentrum bauen will. Eine alte Burg soll zu
diesem Zweck verlegt werden, doch der letzte Bewohner, ein merkwürdiger alter Mann, gibt nicht kampflos
auf. Die Burg verwandelt sich in ein Schiff, das Symbol
der ursprünglichen Lebensart der Bretonen, die vom
Fischfang lebten. Auch früher sei die Burg ein Schiff
gewesen, sagt der Alte, das Schiff mit dem die ersten
Menschen in die Bretagne kamen. Diese Geschichte
endet nicht mehr ganz so optimistisch wie die beiden
ersten, das Dorf verschwindet mit der Burg, ein unerklärlicher Vorgang. Doch an der Südspitze des amerikanischen Kontinentes, in Feuerland, entsteht ein neues
Dorf. Hier deutet sich ein Trend an, der sich in den
Werken der beiden Autoren nun fortsetzt. Immer mehr
schwindet die Zuversicht auf eine glückliche Lösung
nicht nur der Umweltprobleme der Menschheit.
Ein leider nicht mehr lieferbarer Comic erschien 1978 in
Deutschland. „Die Geschichte von der Wyhlmaus und
anderen Menschen“ von Wolfgang Hippe und Jari Pekka
Cuypers ist ein Ergebnis der Anti-Atomkraft-Bewegung
und speziell der Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk in Wyhl. Die Autoren treiben die Segnungen der
Industriegesellschaft satirisch auf die Spitze, im sie einen völlig durchtechnisierten Tagesablauf darstellen –
denn irgendwo muß der viele Strom ja hin. Eine tatkräf-
179
tige Maus führt durch das Geschehen und erklärt das
Funktionieren des KKWs genauso wie die Positionen
der Gegner. Landesvater „Filbi“ und die dargestellten
Kommunalpolitiker sind wohl die einzigen gewesen, denen das Lachen bei diesem Comic verging.
Eine steile Karriere hat die Serie der Marburger Joachim
Friedmann und Henk Wyninger „Lais und Ben“ gemacht.
Das Bundesministerium für Umweltschutz hat eine allerdings „überarbeitete“ Version für Schulen herausgegeben. „Lais und Ben“sind zwei junge Studenten, die in
einem Studiencamp im brasilianischen Amazonasgebiet
eigentlich ihren Forschungen nachgehen sollen. Doch
ihr Engagement für den Umweltschutz geht über die
eigentlichen Forschungen hinaus. Die Farbgebung und
der Zeichenstil erinnern an lateinamerikanische Kunst
und passen daher sehr gut zum Inhalt. Der Zusammenhang zwischen Entwicklungspolitik und Umweltschutz
wird deutlich.
Im Bereich des Jugend-Comics wird in nächster Zukunft
sicher noch einiges angeboten werden. Anzeichen hierfür sind einmal der Jugendliteraturbereich und auch die
Trickfilmindustrie, die das Thema Ökologie, das gerade
Jugendliche stark bewegt, verstärkt aufgreifen. Die TVSerie „Zaster, Zoff und die Rezurzen“, eine Mischung
aus Wiedervereinigungskrimi und Umweltkomödie, liegt
nun auch als Comic vor.
5.6
Rassismus
„In jedem Rassismus steckt ein Comic
strip, mit seiner krassen Entgegensetzung von Gut und Böse.“
Art Spiegelman104
Im amerikanischen Comic tauchen Schwarze erst seit
Ende der sechziger Jahre auf. Die Marvelhelden bekamen schwarze Helfer; so tauchte bei den „Fantastic
Four“ 1966 ein schwarzer Superheld auf: Black Panther.
Der Name wurde später geändert, um eine Verwechslung mit der Bürgerrechtsbewegung auszuschließen.
Auch Captain America bekamt einen schwarzen Helden
an seine Seite, „The Falcon“. Frühere Versuche, z.B.
von Will Eisner schon in den vierziger Jahren, scheiterten vor allem an der mangelnden Akzeptanz der Leser,
die nur Weiße im Comic akzeptierten.105
Rassismus in seiner momentan aggressivsten Form, der
Apartheid in Südafrika, ist das Thema zweier Geschichten des Franzosen Jean Louis Trippier, kurz ,Tripp‘ genannt. In „Zoulou Blues“ und „Afrikaans Bazaar“ verwickelt Tripp seinen Helden Jacques Gallard in die Auseinandersetzungen der Geheimpolizei mit dem ANC.
Tripp montiert geschickt Bilder eines Massakers an
Schwarzen in Südafrika parallel zu einem Anschlag von
Faschisten in Frankreich gegen Aktivisten von SOSRassismus und verschweigt somit auch nicht den Rassismus in Europa.
Er arbeitet in dem ersten Band Auszüge der Verteidigungsrede von Nelson Mandela ein und in dem zweiten
102 Christin/Bilal: Kreuzfahrt der Vergessenen. Reinbek 1988.
S. 14.
103 Comic Info 1 (1993) S. 10.
104 Howald: Fröschin oder Mäusin? In: Die Zeit (17.04.1992).
105 Fuchs/Reitberger: Comics – Anatomie eines Massenmediums. München 1971. S. 241.
180
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Band Lyrik von Breyten Breytenbach. Die beiden Symbolfiguren des Widerstandes gegen die Apartheid stehen stellvertretend für Menschen wie Gallard, die Position beziehen und gegen Unrecht eingreifen. Kleine
Schwächen haben die Geschichten aber doch: so sind
sich die Schwarzen bei Tripp noch einig, eine Zulu-Tanzgruppe unter einem gewissen „Buthelezi“ arbeitet Hand
in Hand mit dem ANC, was der Realität nicht mehr
entspricht.
Satirisch geht der in Frankreich lebende Farid Boudjellal
die Meinungsverschiedenheiten zwischen „Jude und
Araber“ an. In kurzen karikaturistischen Strips arbeitet er
Pointen heraus, die die altbekannten Streitereien ziemlich unsinnig erscheinen lassen. Die Jugendlichen und
Frauen stehen den Auseinandersetzungen der Väter auf
beiden Seiten hilflos gegenüber. Vielleicht sind Boudjellals Schilderungen nicht immer sehr realistisch doch er
entmystifiziert den Konflikt jedoch wohltuend.
Mit dem latenten Rassismus der dreißiger Jahre in den
USA setzt sich der Jude und „Spirit“-Schöpfer Will Eisner
in seinem autobiographisch geprägten Band „Im Herzen
des Sturms“ auseinander. In Brooklyn erfährt der kleine
Will, was es heißt Jude zu sein. Die Nachbarskinder
haben in ihm ihr neues Opfer entdeckt. Dem Vater seiner
Freundin wird die Werkstatt von Rassisten abgebrannt.
In seinem Mietskasernen-Epos „Lifeforce“, das in der
Bronx angesiedelt ist, leiden die Menschen besonders
unter der wirtschaftlichen Depression. Zwischen den
Zeichnungen tauchen immer wieder Zeitungsmeldungen auf und die Berichte über die Judenverfolgungen in
Europa gehen in Briefe einer deutschen Jüdin an ihren
Jugendfreund über, der daraufhin alles in Bewegung
setzt, sie in die USA zu holen.
5.7
Der Sozialismus
Die sozialistischen Systeme haben – mit Ausnahme von
China – vielleicht nie solch ideologische Comics produziert wie die USA. Es gibt keine sozialistischen Superhelden, die für Werte wie die Erfüllung des Fünf-JahresPlanes streiten.
Die DDR-Serie „Mosaik“ mit den mittlerweile auch in
West-Deutschland bekannten „Digedags“ schaffen zwar
auch ihre Feindbilder, doch sind diese im Vergleich zu
amerikanischen Serien wie Captain America ziemlich
harmlos.
Die chinesischen Comics beruhen auf einer langen Tradition und sind, anders als die westlichen Produkte,
weniger auf Unterhaltung, sondern mehr auf Belehren
ausgerichtet. Da sie schon immer zur Massenliteratur in
China gehöret haben, sind sie hier wesentlich mehr
verbreitet als in anderen sozialistischen Ländern. Das
klassische Beispiel für einen maoistischen Comic, „Das
Mädchen aus der Volkskommune“, wurde auch ins
Deutsche übertragen.
Aus westlicher Sicht haben sich die beiden Franzosen
Christin und Bilal ihre Gedanken zum real-existierenden
Sozialismus gemacht. Der letzte Band ihrer ,Legenden
von heute‘, „Treibjagd“, erschien erstmals 1983 und liegt
nun in einer erweiterten Version vor.106
Der Sonderzug mit Parteifunktionären gleitet durch die
schneebedeckte Landschaft. General Tschewtschenko,
ein körperliches Wrack, dessen Physiognomie erstarrt
ist und der nicht mehr sprechen kann, reist in Begleitung
seines Sekretärs und von Funktionären der Partei zur
Jagd in das krisengeschüttelte Polen.
Die sozialistischen Systeme haben – mit Ausnahme von
China – vielleicht nie solch ideologische Comics produziert wie die USA. Es gibt keine sozialistischen Superhelden, die für Werte wie die Erfüllung des Fünf-JahresPlanes streiten.
In Rückblenden wird die Karriere des Generals geschildert, der er Stück für Stück seine Menschlichkeit geopfert hat. Seine Geliebte wurde Opfer der großen stalinistischen Säuberung von 1937, und nach ihrem Tod gibt
es für ihn kein „Gut und Böse“ mehr. Doch Moral hat
nichts mit Intelligenz und Begabung zu tun und der Alte
ist immer noch der beste Jäger und schlägt seinen
potentiellen Nachfolger im Schachspiel. Opfer des sportlichen Vergnügens, man ahnt es schon, wird nicht das
Wild, sondern ein junges Mitglied des Politbüros.
Das Grundthema besteht in der Frage nach den Trägern
der Menschheitsgeschichte. Sind die Klassenauseinandersetzungen bestimmend, wie es der Historischen Materialismus besagt, oder ist die Geschichte ein Ergebnis
der Taten einzelner Menschen? Bilal und Christin schaffen das Bild eines Sozialismus, der den arbeitenden
Menschen als Träger der Geschichte, seinen ehemaligen Mittelpunkt, längst vergessen hat.
Der Lebensweg des Generals wird von verschiedenen
Seiten beleuchtet. Einst ein idealistischer junger Held,
gerät er in die Niederschlagung der Matrosen von Kronstadt (1921), die Schauprozesse der dreißiger Jahre,
den Einmarsch in Prag. Einmal an der Macht, ist Machterhalt das einzige Ziel. Doch die Erinnerung läßt den
General schließlich nicht mehr los, und er nimmt sich mit
dem Jagdgewehr das Leben.
Im neu angehängten ,Epitaph‘ kommen die Männer
noch einmal im Jagdschloß zusammen, um die Perestroika zu verhindern. Doch einer von ihnen, der Deutsche G. Schütz, aufgrund der Entmachtung Honeckers
Insasse einer psychiatrischen Anstalt und kein offizieller
Teilnehmer mehr, sprengt das Schloß in die Luft.
Hier wenden sich die Autoren endgültig gegen die marxistische Geschichtsschreibung, die den Einfluß von Individuen auf den Lauf der Welt nicht wahrhaben will.
Oder sollte der Untergang des Sozialismus das Ergebnis einer Klassenauseinandersetzung sein?
Ein anderes Autorenteam aus Frankreich, Tripp und
Barcelo, führt den Leser in seinem ersten auf deutsch
erschienenen Album „Soviet Zig Zag“ in die heutige
Sowjetunion. Der Tourist Gallard sieht einem hochkarätigen Schachspieler so ähnlich, daß es zu einer Verwechslung kommt. Als der Schachspieler kurz vor einen
Tournier verschwindet, gerät Gallard zwischen die Fronten der Geheimdienste. Der CIA hätte gerne den berühmten Schachspieler als Dissidenten, der KGB versucht dies zu verhindern. Der in der Ära der aufkeimenden Perestroika entstandene Comic, setzt die beiden
Supermächte in ihrer Moral und dem Umgang mit Menschen gleich.
106 Erscheinen der um einen Epitaph erweiterten Ausgabe für
April 1993 angekündigt.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
181
Abb. 9: Der Gegenspieler von „V“
5.8
Faschistische Gesellschaftsordnungen
Alan Moores sechsbändiger Comic-Roman „V for Vendetta“ entstand zwischen 1982-88. Die Geschichte um
den modernen ,Guy Fawkes‘ spielt in einem offen faschistischen England, genauer im London des Jahres 1997.
Alles beherrschend dringt die ,Stimme der Vorsehung‘ in
orwellscher Manier über Lautsprecher zu allen Bewohnern. Durch die Straßen geistern Polizisten, die an Ort
und Stelle gleich richten und das Urteil vollstrecken.
Plötzlich erschüttert eine Explosion London, das Parlamentsgebäude wird Opfer eines Anschlages.
„V“107 ein im Untergrund lebender Terrorist, vollzieht,
was Guy Fawkes knappe 400 Jahre früher nicht gelang.
Fortan wird „V“ gejagt, wie kein Staatsfeind zuvor. Trotzdem gelingen ihm immer neue Attentate auf die Schlimmsten der Repräsentanten des Unterdrückerstaates.
Auf einem seiner nächtlichen Streifzüge rettet er ein
Mädchen, Evey, die er nach und nach zu seiner Verbündeten erzieht. In Rückblenden werden ihr Leben und
gleichzeitig die Machtergreifung der Faschisten geschildert und die grauenhaften Lager, in denen die Gegner
der Diktatur gefangen gehalten wurden. „V“ ist aus einem solchen Lager geflohen und rächt sich nun an allen
seinen Peinigern. Die Welt ist durch einen großen Krieg
zerstört worden, Afrika vernichtet, aber auch Europa ist
nur noch eine einzige Umweltkatastrophe. Am Ende
bringt „V“ auch den faschistischen Führer um und kommt
dabei selbst ums Leben.
Die von starken Schatten überlagerten Zeichnungen
von David Lloyd erzählen nie zuviel, so daß eine geheimnisvolle Atmosphäre gewahrt bleibt.
Moore gibt den Menschen also nochmal eine Chance;
auch wenn sein Menschenbild ein negatives ist, kann er
doch die Hoffnung nicht begraben, daß ein besseres
System entstehen könnte.108 Zur Demokratie hat er ein
gebrochenes Verhältnis; die Sprengung des Parlaments
steht als Symbol dafür. „V“ ist ein autonom handelnder
Mensch, der seine Verantwortung nicht abgibt.
107 „V“ ist eine ebenso unsichtbar lebende Gestalt wie der Autor
des Romans „V“, Thomas Pynchon.
108 Langhans: Lexikon der Comics. Meitingen 1991.
182
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Den Faschismus stellt Moore in aller Grausamkeit, aber
nicht als plattes Schreckgespenst dar. Er bedient sich
hierzu immer wieder imposanter Bilder: in einem Dialog
mit der Statue der Gerechtigkeit, Justizia, beschuldigt
„V“ seine ,Geliebte‘ der Hurerei mit der Macht und
sprengt sie dann mit einer herzförmigen Bombe in die
Luft. Mit vielen Details schafft er ein durchaus differenziertes Bild der Diktatur und deren Mittel der Politik.
Moore zieht daraus die Konsequenz, daß so ein System
mit Gewalt bekämpft werden muß. Doch äußert er
schließlich auch Selbstkritik: „Grundsätzlich war ,V for
Vendetta‘ einer meiner gelungensten Versuche, die melodramatische Abenteuergeschichte in eine Art politischen Dialog umzuformen. Aber rückblickend würde ich
es ohne den Kerl im Umhang machen, ohne den Killer
in der Hauptrolle. Das deformiert unausweichlich die
Aussage und trivialisiert sie bis zu einem gewissen
Grad.“109
Bezieht man noch andere Comics, die von einer ähnlichen Gesellschaftsstruktur ausgehen in die Betrachtung
ein (s. Anhang), fällt auf, daß die Faschisten in keinem
Comic durch Gewalt, sondern immer durch freie Wahlen
an die Macht kommen. Das Mißtrauen der Comic-Autoren
gegen die „beste aller Gesellschaftsformen“ scheint groß.
5.9
Die Anarchie des Lachens
Wir müssen das Nichternstnehmen
ernstnehmen. Und das dann wieder
nicht ernstnehmen.“
Hans Dieter Hüsch
Der letzte der Themenkreise ist einer, der eigentlich
keiner ist. Doch mit sozialkritischen Funnys hat die Geschichte der Comics begonnen und bis heute ist die
politische Satire eine der gelungensten Seiten des Comics. Die zahlreichen Satireblätter, die durch die Wie-
dervereinigung Deutschlands noch Zuwachs erhalten
haben, weisen darauf hin.
Eine ungewöhnliche Brücke zwischen Comic und Cartoon schlug in den fünfziger Jahren Jules Feiffer mit
seinem „Feiffer“. Die Zeichnungen wiederholen sich von
Bild zu Bild oft ohne Veränderung, der Gag entsteht
durch den Text. Diese Methode wandte dann auch Garry
Trudeau in seinem bereit erwähnten „Doonesbury“ an.
So konnten auch in kürzester Zeit tagesaktuelle Satiren
entstehen.
Mit den Werten des Mittelstandes räumten die Underground-Zeichner auf. Die Opfer ihrer leicht anarchistisch
angehauchten Strips waren meist die Repräsentanten
der Staatsgewalt, die Polizei. Unverhohlen wurden in
den U-Comix Joints geraucht, und das zu einer Zeit, in
der die großen Comic-Konzerne aufgrund des ComicCodes das Wort ,Drogen‘ noch nicht einmal drucken
durften.
Sheldon, der Vater der „Freak Brothers“ wurde dann
auch zum großen Vorbild des Berliner Zeichners Gerhard Seyfried, dessen Comics hierzulande schnell populär wurden. Man fand die Strips auf allen Publikationen,
die mit „alternativer“ Kultur zu tun hatten. In „Invasion
aus dem All-Tag“ läßt er kleine schwarze Gnome auftreten, die den Anarchismus personifizierten. Sie; kommen
in teekesselförmigen Raumschiffen aus dem Weltraum
auf die Erde und bringen eine geheimnisvolle Waffe
mitbringen. Im Gegensatz zu seinen amerikanischen
Vorbildern, ist Seyfried aber politisch geradliniger. Als
Linker lehnt er Sexismus und Rassismus ab und pflegt
in seinen Beschreibungen der urbanen Alternativkultur
einen undogmatischen Anarchismus.
Der Franzose Franquin, der als Schöpfer des Marsupilamis berühmt wurde, hat auch eine Serie politischer
Satiren gezeichnet. Die „Schwarzen Gedanken“ paaren
bitterbösen Humor mit einem klaren Blick für problematische Zeiterscheinungen.
6
Comics als Ausdrucksmittel politischer
Bewegungen
Politische Bewegungen spiegeln sich nicht nur in Comics wider, sie drücken sich auch selbst in Comics aus.
Das geschieht meist sehr laienhaft in kurzen Strips,
beispielsweise auf Flugblättern oder in Zeitschriften.
Umfangreichere Werke sind in Deutschland hauptsächlich als Asterix-Raubdrucke aufgetaucht.
Das Thema kann an dieser Stelle nur angerissen werden, da die Materialsammlung gewissen Schwierigkeiten unterliegt und außerdem die Hefte für Bibliotheken
nicht relevant sind, da man sie nicht über den Buchhandel beziehen kann. Trotzdem sollen einige markante
Werke, zur Abrundung des Themas, kurz vorgestellt
werden.
Auch hier gehen die Traditionen weit zurück. Schon
während der russischen Oktoberrevolution fertigte eine
Gruppe junger Künstler, der auch Wladimir Majakowski
angehörte, in Moskau comicartige Großplakate an, die
mit Schablonen schnell vervielfältigt werden konnten.
Die sogenannten „Rosta-Fenster“ sollten eine schnelle
Reaktion auf politische Tagesereignisse sein. Entwurf
Abb. 10: Seyfrieds anarchistische Invasion
109 Ebd.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
und Produktion nahm höchstens zwei Tage in Anspruch.
Deshalb mußte die Darstellung der Personen stark
schematisiert werden, und die Farbgebung, die auf wenige Grundfarben beschränkt war, unterstrich die politische Bedeutung der Figuren.
Die Plakate wurden dann von der Russischen Telegraphen-Agentur (abgekürzt: Rosta) 1919-1922 in Schaufenstern leerer Läden aufgehängt. Sie erschienen zuerst
in Moskau, dann in Petrograd, Charkow und anderen
Städten.110
Comics in Fremdsprachen werden von den Lesern sehr
gut akzeptiert, was nicht weiter verwundert, da auf diese
Weise Fremdsprachenkenntnisse aufgefrischt werden
können, ohne daß dabei der Spaß an der Geschichte
verloren geht.
In Deutschland entstanden in der Anti-Atomkraft-Bewegung einige Comics, die als Raubdrucke über Info-Stände oder Aktionsgruppen vertrieben wurden. Meist handelt es sich hierbei um Asterix-Verfremdungen. Die Comic-Panels werden darin in anderer Reihenfolge, passend zu einem neuen Text, zusammengestellt.
Den Bau des schnellen Brüters verhindern die Gallier in
„Asterix und das Atomkraftwerk“. Cäsar und sein geldgieriger Gesinnungsgenosse Extraprofit haben nämlich
als Standort für den „brutus rapidus“ gerade das Dorf der
Gallier auserkoren was diese natürlich auf die Barrikaden treibt „Asterix im Hüttendorf“ thematisiert die Auseinandersetzungen um die Startbahn West bei Frankfurt. „Asterix gegen Rechts“ erschien 1980 zum Bundestagswahlkampf von Franz Josef Strauß. Darin bekommt
ein „Asterix“ mit Baskenmütze und rotem Stern Schwierigkeiten mit den demokratischen Vorstellungen des
restlichen Dorfes, der Basisgruppe, als er eine Gesinnungsprüfung einführen möchte. Hier wird die Kadermentalität revolutionärer Basisgrüppler liebevoll karikiert. ,Der Kandidat‘ erleidet, wohl der Hoffnung der
Verfasser Ausdruck verleihend, eine Niederlage.
In „Asterix und Obelix für die 35-Stunden-Woche mit
vollem Lohn u. Personalausgleich“ wird „Asterix“ zum
kämpferischen Betriebsrat der „Flickx-HinkelsteinGmbH“.
Wenn man sich diese vielfältigen Produktionen ansieht,
drängt sich der Eindruck auf, daß die Linke in Deutschland ihre Asterix-Hefte ganz besonders ins Herz geschlossen und wenig von den chauvinistischen Anklängen zur Kenntnis genommen hat; möglicherweise wegen der ganz besonders charmanten Form, in der er
erfolgt.
Eigenproduktionen gibt es aber auch in anderen Bereichen. Beispielsweise gab die Ulmer Amnesty International Gruppe einen selbstgemachten Comic zur Verschärfung des Asylrechts heraus.
Auch die ,rechte Szene‘ bedient sich des Comics. So
weisen Peter Dudek und H.G. Jaschke in ihrer Untersuchung der rechtsextremen Presse111 auf ein rechts-satirisches Jugendmagazin „Gäck“ hin, das auch durch Verwendung von Comics einen subkulturellen Habitus erzeugen will. Auf der Titelseite werden Daniel Düsentrieb
die Worte in den Mund gelegt: „Gäck! Die beste Erfindung, seit es Schülerzeitungen gibt!“.112 Aber auch
selbstgezeichnete Strips tauchen auf. So wird in einem
Strip das angebliche Verhältnis eines Linken (langhaarig, Peace-Zeichen um den Hals) zu einem Rechten
183
(kurze Haare, ansonsten neutral) ,entlarvt‘. Der Linke
stellt geschlossene Fragen, die den anderen als völligen
Durchschnittsbürger erscheinen lassen. Im letzten Panel, als er den Rechten als „gräßliches nazistisches
Monster“ beschimpft, verwandelt sich sein Peace-Zeichen in Hammer und Sichel, um so endgültig klarzustellen, wer hier das ,Monster‘ ist.
7
Schlußbetrachtung: Comics in
Öffentlichen Bibliotheken
Der Überblick zeigt, daß Comics heute an politischen
Inhalten mehr bieten als nur die Bestätigung eines Mittelstandsweltbildes. Gerade die spektakulären Neuerscheinungen der letzten Jahre, weisen darauf hin, daß
eine Stagnation der Kunstform Comic vorläufig noch
nicht zu befürchten ist.
Dieser Entwicklung sollte man in Bibliotheken Rechnung
tragen, indem man das Medium entsprechend ernst
nimmt. Dazu gehört, daß man zusammengehörige Serien auch komplett, beispielsweise in einer Kassette
ausleihen kann. Comic-Romane wie Moores „V for Vendetta“ oder „Die Wächter“ machen nur als Ganzes einen
Sinn, beim dritten Band zu beginnen wäre absurd. Allerdings sind an diesem Zustand die Verlage nicht unbeteiligt. Während in den USA „Watchmen“ in einem Band
erschien, splittet der Carlsen-Verlag – sehr geschäftstüchtig – die deutsche Ausgabe der Geschichte in sechs
Einzelteile, die dazu noch zeitlich versetzt erscheinen.
Bibliotheken sollten deshalb, bei allen Schwierigkeiten,
die die Beschaffung von Originalausgaben mit sich
bringt, mehr und mehr auf diese ausweichen. Comics in
Fremdsprachen werden von den Lesern sehr gut akzeptiert, was nicht weiter verwundert, da auf diese Weise
Fremdsprachenkenntnisse aufgefrischt werden können,
ohne daß dabei der Spaß an der Geschichte verloren
geht. Hier sei übrigens angemerkt, daß sich der Wortschatz von Comics in der Qualität nicht von dem anderer
Literatur unterscheidet.
Zu einem vernünftigen Bestandsaufbau gehört auch eine gute Informationsquelle, also eine Comic-Zeitschrift.
Beispielsweise Zeitschriften wie „Sprechblase“, „Rraah!“
oder das Wiener „Comic Forum“. In all diesen Zeitschriften wird auch wichtige Sekundärliteratur besprochen.
Das Geheimnis, weshalb in den meisten Bibliotheken
Comics bei der Systematikgruppe „Kunst“ stehen, die
diesbezügliche Sekundärliteratur jedoch bei der Gruppe
„Literatur“, konnte ich leider nicht lüften. Möglicherweise
war den zuständigen Bibliothekaren eben schon immer
klar, daß es sich bei Comics um die „neunte Kunst“
handelt.
Zuordnungsprobleme haben aber nicht nur Bibliotheken. Wenn Comics in Zeitungen oder Zeitschriften rezensiert werden, erscheinen die Kritiken selten im Literaturteil des Feuilletons. Doch die Comic-Forschung ist
mittlerweile eindeutig der Literaturwissenschaft zugeordnet.
Das bedeutet für die Bibliotheken eben auch, daß Co-
110 Majakowski „20 Jahre Arbeit“ Ausstellungskatalog. Berlin
1978. S. 168.
111 Dudek/Jaschke: Revolte von Rechts. Frankfurt/M. 1981.
S. 84 ff.
112 Ebd. S. 85.
184
mics, mit Ausnahme der Sachcomics, zur Belletristik
gehören. Da man in diesem Bereich natürlich die dünnen, viel zu hohen Heftchen schlecht unterbringen kann,
sollte man sich zu einer Comic-Systematik durchringen,
um das Problem grundsätzlich zu lösen. Die Variante,
Comics im Nahbereich unterzubringen, löst zwar auf
den ersten Blick die Probleme, bedeutet aber, daß das
Medium immer noch nicht ganz ernst genommen wird.
Konsequenterweise müßten nämlich, wie bei Krimis
oder anderen Interessenkreisen, die bedeutenden Werke in den systematisierten Bestand aufgenommen werden.
Primärliteratur
Bilal, Enki: Erinnerungen aus dem All – Kurzgeschichten 19741977. Stuttgart 1992.
Bilal, Enki: Die Frau aus der Zukunft. Hamburg 1988.
Bilal, Enki/Christin, Pierre: Kreuzfahrt der Vergessenen. Reinbek
1988.
Detmold, Johann H./Schrödter, Adolf: Thaten und Meinungen des
Herrn Piepmayer, Abgeordneter zur constituierenden Nationalversammlung zu Frankurt am Main. Berlin 1961.
Goscinny, René/Uderzo, Albert: Asterix bei den Briten. Stuttgart
1971.
Goscinny, René/Uderzo, Albert: Asterix und Maestria. Stuttgart
1992.
Goscinny, René/Uderzo, Albert: Die Trabantenstadt. Stuttgart
1975.
Kalenbach, Dieter/Bedürftig, Friedeman: Hitler. Hamburg 1989.
Lupo. Grünwald, 1966. H. 6.
Noomin, Diane: Comic-Sisters. Bad Girl Art aus USA. Berlin 1992.
Robbins, Trina: U-Comix Sonderband 13. Linden 1977.
Schmidt, Manfred: Nick Knatterton. Gesamtausgabe. Oldenburg
1983.
Trudeau, Garry: Doonesbury. Reinbek 1983.
Sekundärliteratur
Affolter, Cuno: Gespräch mit Art Spiegelman. In: ComicArt 6
(1982). S. 6-16.
Affolter, Cuno: René Goscinny – Eine längst überfällige Würdigung
eines genialen Szenaristen. In: Comic-Jahrbuch 1987. Frankfurt/M. 1987.
Albig, Jörg-Uwe: Karikatur des Grauens. In: Magazin der Süddeutschen Zeitung 20 (1992). S. 24-29.
Baumgärtner, Alfred C.: Die Welt der Comics. Probleme einer
primitiven Literaturform. Bochum 1965.
Börsenblatt 2123 (1988).
Bulletin of Interracial Books for Children. Vol. 14. No. 6. 1983. Zit.
nach: Dolle-Weinkauf: Krieg und Frieden in Comics. In: Beiträge
zur Kinder- und Jugendliteratur 80 (1986). S. 37-49.
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Comic Info 1 (1993).
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13. Dezember 1969 bis 22. Februar 1970. Berlin 1969.
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Haarmann, Harald: Universalgeschichte der Schrift. Frankfurt/M.
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Riha, Karl: Zok roarr wumm. Zur Geschichte der Comics-Literatur.
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Schwarz, Kai-Steffen: Maus. Der Holocaust-Comic und die Reaktionen des amerikanischen Publikums. Gießen: Veröffentlichung der AG Populäre Kultur FB Gesellschaftswissenschaften
an der Justus-Liebig-Universität Gießen 1993.
Schwarz, Rainer: Auf dem Weg zu einer Comicforschung. In: Comics im Medienmarkt, in der Analyse. im Unterricht. Opladen
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Seeßlen, Georg: Mythos contra Geschichte. Über den Widerspruch
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Der Spiegel 39 (1989). S. 78-80.
Stoll. André: „Asterix“ – das Trivialepos Frankreichs. Köln 1974.
Stoll, André: Bedingungen einer kritischen Asterix-Lektüre. In: Comics im Medienmarkt, in der Analyse, im Unterricht. Opladen
1977. S. 34-39.
Tatum, Charles M.: Rius: der Comics-Autor als Sozialkritiker und
politischer Unruhestifter. In: Comics und Cartoons in Lateinamerika. München 1991. S. 55-70.
Vom Penny Dreadful zum Comic. Englische Jugendzeitschriften,
Heftchen und Comics von 1855 bis zur Gegenwart. Oldenburg
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Weidemann, Bernd: Foto oder Zeichnung? Zur Problematik des
Bildes im dokumentarischen Comic. In: Kagelmann (Hg.): Comics Anno. Jahrbuch der Forschung zu populär-visuellen Medien – Bd. 1. München 1991. S. 26-41.
Werckmeister, Otto K.: Zitadellenkultur. Die schöne Kunst des
Untergangs in der Kultur der achtziger Jahre. München 1989.
Wurm, Wolfgang: Micky Maus auf Abwegen. Bayernkurier,
27.9.1969. Zit. nach: Knigge, Andreas C.: Fortsetzung folgt.
Comic Kultur in Deutschland. Frankfturt/M. 1986.
Zimmermann, Hans Dieter (Hrsg.): Vom Geist der Superhelden.
Comic strips. Zur Theorie der Bildergeschichte. München 1973.
Annotierte Bibliographie
Sachcomic
Die 68er – Geschichtscomic über Lust & Frust der Linken
T & Z: Jari Pekka Cuypers
Hamburg: VSA-Verl., 1981.
Ausgangspunkt ist die düstere politische Situation der 60er
Jahre mit der großen Koalition und dem daraus sich ableitenden
Beginn der Studentenrevolte – von hier aus geht es dann weiter
über die Bildung der Apo, der RAF sowie verschiedener marxistisch-leninistischen Splittergruppen.
Ein Asyl-Sach-Comic
T & Z: Johannes Zakouril. Herausgegeben: Amnesty International, Ulm.
Biberach: Laubfrosch, 1981.
Informationen über das Asylverfahren in der BRD und den
damals geplanten Änderungen. Das Comic wirkt zwar in Zeichnung und im Lettering sehr handgemacht, inhaltlich ist es jedoch hochinteressant. Die Argumente um den Artikel 16 des
Grundgesetzes sind den heutigen vergleichbar und auch die
eingearbeiteten Zeitungsüberschriften kommen einem sehr bekannt vor. Das Phänomen der Massenflucht wird erklärt, Zahlen
und Aussagen von Politikern gegeneinander gestellt. An den
Schluß des Heftes sind noch zwei Flüchtlingsgeschichten und
verschiedene Zeitungsartikel angehängt.
Atomkraft für Anfänger
T & Z: Stephen Croall
Reinbek: Rowohlt, 1986.
Die Entwicklung der Kernenergie für Kriegszwecke und ihre
,friedliche Nutzung‘ werden kritisch dargestellt. Auch die politi-
185
schen Folgen, z.B. die Auswirkungen auf die Dritte Welt, werden
beschrieben.
Frieden für Anfänger
T & Z: lan Kellas
Reinbek: Rowohlt, 1984.
Ähnlich aufgebaut und ausgestattet wie die Comics von Rius.
Kellas gliedert das Thema in fünf Kapitel, deren Grundthesen er
immer gleich auf der ersten Seite darlegt, um sie dann auf den
folgenden Seiten im Comic-Stil zu erklären. Stilistisch eine Mischung aus Comics und Karikaturen – keine Collagetechnik.
Inhaltlich erklärt er den Friedensbegriff aus den verschiedensten gesellschaftlichen Ursprüngen von den Buddhisten bis zu
den Marxisten.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Z: Karl Friedrich Waechter
Berlin: Zweitausendeins, 1982.
Die wichtigsten Artikel des Grundgesetzes ergänzt durch einen
zeichnerischen Kommentar des Satirikers. Teilweise in Cartoons, teilweise in Comics bringt der Zeichner seine Auffassung
zum Grundgesetz zum Ausdruck.
Hallo Nicaragua
T & Z: Rius
Dortmund: Weltkreis-Verl., 1983.
Die Geschichte des Landes Nicaragua von der Besiedelung bis
heute. Rius schildert vor allem die Diktatur der Somozas, die
Aufstände der unterdrückten Bevölkerung sowie die Rolle der
Kirche. Besonders am Herzen liegt Rius die Alphabetisierungskampagne und die Gesundheitsaufklärung. Die Veränderungen
in der nicaraguanischen Gesellschaft werden mit viel Hoffnung
auf die Zukunft geschildert.
Hitler
T: Friedemann Bedürftig/Z: Dieter Kalenbach
Hamburg: Carlsen, 1989. (Neuauflage 1993)
Die erstmals, zu Hitlers hundertsten Geburtstag erschienene
Biographie, ist nicht unumstritten. Angestrebt wurde von den
Autoren jedoch eine kritische Auseinandersetzung. Fotorealistische Darstellung der Geschehnisse während des Nationalsozialismus.
Das Kapital für Anfänger und Anfängerinnen
T: K. Plöckinger, G. Wolfram, J.P. Cuypers/Z: Jari Pekka Cuypers
Hamburg: VSA-Verl., 1980
,Marx‘ versucht den ersten Band seines „Kapitals“ zwei Jugendlichen zu erklären, die das Original mit der Bemerkung „zu
schwer, zu dick und keine Bilder“ ins Eck knallen. Eine unterhaltsame Einführung für Jugendliche.
Kapital-Verbrechen – Die gruselige Geschichte des Kapitalismus
T & Z: Rius
Dortmund: Weltkreis-Verl., 1984.
Rius rollt die Geschichte vom 15. Jhd. an auf und zeigt, wie die
Bildung von Kapital in Europa die Klassengesellschaft nach sich
zieht und welche Auswirkungen dies auf die Dritte Welt hatte.
Vom Beginn des Sklavenhandels über die Französische Revolution zu den Weltkriegen, spannt er den Bogen zum Neokolonialismus der Weltkonzerne. Im zweiten Teil geht er der Frage
„Was ist Kapitalismus“ nach und erklärt dabei die Theorie des
Mehrwert.
Lenin für Anfänger
T: Richard Appignanesi/Z: Oscar Zarate
Reinbek: Rowohlt, 1979.
Der Band schildert Lenins Lebensweg und die Zeit, die er
prägte. Seine politische Theorie wird ebenso dargestellt, wie
das persönliche Umfeld, in dem er sich bewegte.
Mao für Anfänger
T & Z: Rius ,und Freunde‘
Reinbek: Rowohlt, 1980.
Rius’ Mao-Biographie in einer vom -Rowohlt-Verlag überarbeiteten Fassung. Mao und die chinesische Gesellschaft werden
mit viel Sympathie und Verständnis aber auch mit kritischem
Abstand gesehen. Rius ist auch ein Meister der Ironie – ohne
die Ernsthaftigkeit seines Themas zu bedrohen.
Die Menschenrechte
T & Z: Manara, Goetzinger, Breccia, Eisner, Gimez/Cava, Palacios
186
Hamburg: Comicplus, 1992.
Sechs Menschenrechtsartikel, zu denen bekannte ComicKünstler je eine Geschichte erzählen. Auf teilweise sehr drastische Weise wird hier der Mißbrauch dieser Rechte verdeutlicht.
Ein sehr überzeugender zeichnerischer Appell für mehr
Menschlichkeit. (ekz) Anstelle eines Vorworts ist dem Band der
komplette Wortlaut der UNO-Erklärung beigelegt.
Moneymaker – Vom Geld, Gold, Öl
T: Wimmern, Wolfgang/Z: Tschap
Reinbek: Rowohlt, 1984
Der dritte Band der „rotfuchs – Quer-Comics“ beschäftigt sich
mit der Funktion und der Geschichte des Geldes. Kritisch reflektiert der Band verschiedene Aspekte der Weltwirtschaft und
beispielhaft werden die Themen erst in einem Strip erklärt und
dann jeweils nochmals von ,Prof. Badman‘ in ihren wissenschaftlichen Zusammenhängen wiedergegeben.
Rüstung – Vom Anfang der Erde bis zum möglichen Ende
T: Wolfgang Wimmer/Z: Tschap
Reinbek: Rowohlt, 1984.
Der erste Band der in der Reihe „rotfuchs“ erscheinenden
„Quer-Comics“. Eine Mutter erklärt ihrem Sohn die Herkunft der
Kriege und deren Bedeutung in der Menschheitsgeschichte. Die
Erkenntnis über die Sinnlosigkeit der Kriege führt die beiden zu
einem Engagement in der Friedensbewegung.
Sklaven – oder Eine Geschichte vom Wirtschaftswunder
T: Wolfgang Wimmer/Z: Tschap
Reinbek: Rowohlt, 1983
Der zweite Band der „rotfuchs Quer-Comics“ beschreibt die
Geschichte der Sklaverei bis hin zu den Überbleibseln in der
Gegenwart. Auch der heutige Kampf der Nachkommen der
Sklaven um Anerkennung und politische Rechte, ob in den USA
oder Südamerika, wird beleuchtet. Sonderformen der Sklaverei,
z.B. die Problematik der Kriegsgefangenen oder verschleppten
Zwangsarbeitern, machen klar, daß das Problem des Menschenraubs bis heute nicht endgültig gelöst ist.
Trotzki für Anfänger
T: Tariq Ali/Z: Phil Evans
Reinbek: Rowohlt, 1980.
Trotzkis Biographie eingebettet in die russische Revolutionsgeschichte. Die Theorie der permanenten Revolution wird anschaulich erklärt und in Gegensatz zu Stalins Theorie vom
,Sozialismus im eigenen Land‘ gestellt. Der Autor schildert seinen Protagonisten mit viel Sympathie. Die bildhafte Umsetzung
ist zwar an Rius’ Collagestil angelehnt erreicht aber bei weitem
nicht dessen Brillanz. Die gezeichneten Figuren sehen zu modern aus, so das die Atmosphäre nicht durchs Bild entsteht.
Außerdem überwiegt der Text so sehr, daß die Grenze zum
illustrierten Sachbuch schon fast erreicht ist.
Umwelt für Anfänger
T: Stephen Croall/Z: William Rankin
Reinbek: Rowohlt, 1982.
Eine Erklärung der ökologischen Zusammenhänge auf der Erde
und der Darstellung der Fehler der Vergangenheit. Textlastige
Darstellung des Themas.
Themenkreise
„Abenteuerspielplatz“ Krieg
Auf Feindfahrt
T & Z: Dimitri
München: Splitter, 1991.
Eine an Buchheims „Boot“ angelehnte U-Boot Geschichte aus
dem Zweiten Weltkrieg. Es werden keine Bezüge zum Dritten
Reich geknüpft, die Helden sterben für ihr Vaterland, eine Alternative wird nicht aufgezeigt.
Erinnerungen aus dem All – Kurzgeschichten
T & Z: Enki Bilal
Stuttgart: Ehapa, 1992.
Grüne Wesen sollen den Krieg der Herrenrasse gegen deren
Feinde führen. Die friedlichen Wesen können nur durch eine
Manipulation zum Krieg gezwungen werden, und diese kann
sich schnell gegen die Manipulierer richten. Phantastische Ge-
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
schichten aus „Pilote“ 1974-1977, in denen auch Henry Kissinger und Giscard d’Estaing auftauchen.
Frank Cappa
1: Viet-Song
2: Opfer und Helden
T & Z: Manfred Sommer
Hamburg: Carlsen, 1992.
Der Kriegsberichterstatter ist immer in vorderster Front dabei.
Eine spannende Serie um einen moderne Heldenmythos.
Kalter Krieg
T & Z: Matthias Schultheiss
Dreieich: Melzer, 1985.
In der Titelgeschichte bringt ein junger Hacker die Weltgeschichte durcheinander; er steuert ein koreanische Flugzeug in
den Luftraum der Sowjetunion. Doch der CIA bemerkt die Angelegenheit rechtzeitig, doch verhindert er das Unglück nicht. Der
Hacker wird Opfer des CIAs. Der Band enthält drei weitere
Kurzgeschichten. (Indiziert)
Liberty – ein amerikanischer Traum
1: Der Dschungel
2: Die Wüste
3: Die Isolation
4: Die Entscheidung
T: Frank Miller/Z: Dave Gibbons
Hamburg: Carlsen, 1992.
Der Weg der Schwarzen Martha Washington, die versucht, sich
in einer fiktiven, doch nicht unrealistisch geschilderten amerikanischen Gesellschaft gegen Korruption und Machtgier durchzusetzen.(ekz) Die Protagonistin ist Kämpferin bei der PAX-Friedenstruppe und muß sich gegen ihren Vorgesetzten zur Wehr
setzen. Mischung aus SF, Kriegscomic und Phantasie.
Lysistrata
T & Z: Ralf König
Reinbek: Rowohlt, 1987.
Bearbeitung der bekannten Tragödie von Aristophanes. Doch
nimmt die Handlung durch das Eingreifen einer homosexuellen
Männergruppe diesmal einen etwas anderen Verlauf. Der Krieg
wird nicht durch den Entzug der Liebe beendet, sondern durch
die Entdeckung der ,Vorzüge‘ der gegnerischen Krieger. Ein
etwas anderer ,Kriegscomic‘.
The NAM
T: Doug Murray/Z: Michael Golden
München: Splitter, 1989.
Eine Vietnam-Geschichte, die versucht, ,Frontatmosphäre‘ zu
schaffen. Eine klassische Rollenverteilung bestimmt die Geschichte: ein Greenhorn, ein alter Fuchs, ein grober Sergeant
und ein korrupter Lagerleiter. Der Anspruch der Aufarbeitung
des Vietnam-Krieges wirkt mehr als Rechtfertigung für den
Kriegscomic.
Fliegercomic
Buck Danny
T: Jean Michel Charlier/Z: Bergèse
Stuttgart, Ehapa
Die Serie um den Colonel der US Air Force, Buck Danny,
schildert dessen Abenteuer im Kampf gegen die ,Bösen‘ dieser
Welt. Klassische Flieger-Serie.
Dan Cooper
T & Z: Albert Weinberg
Hamburg: Carlsen, 1992.
Die 1954 aus der Taufe gehobene Fliegerserie um den kanadischen Piloten scheint etwas weniger patriotisch zu sein, als
seine Kollegen. Doch kämpft auch er gegen Spionageorganisationen oder Geheimbündler.
Tanguy und Laverdure
T: Jean Michel Charlier/Z: Uderzo
Mannheim: Splitter, 1989.
Die klassische Fliegerfigur ist in der französischen Luftwaffe
beheimatet. Dort erlebt der Patriot Tanguy immer neue Abenteuer. Hier weiß man noch, wer Gut und Böse ist.
Terry und die Piraten
T & Z: Milton Caniff
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Hamburg: Carlsen, 1992.
Einer der Urväter des Abenteuercomics. Die Episoden enthalten
alles, was das Genre bis heute auszeichnet: tapfere Helden,
finstere Schurken, exotische Schauplätze, großen Abwechlungsreichtum und viel Spannung; die ausgefeilten, dynamischen Zeichnungen wirken ebenfalls prägend auf viele spätere
Comicmacher. (ekz)
Der rote Baron
T & Z: George Pratt
Hamburg: Carlsen, 1992.
Pratt schildert in feinen Aquarellen die Begegnung eines amerikanischen Vietnam-Fliegers mit der todkranken Legende aus
dem Ersten Weltkrieg. Das Gespräch kreist um Themen wie
Tapferkeit und Vernichtung. Ein ,anderer‘ Fliegercomic.
Krieg als Metapher
Das Ende der Hoffnung – Für Volk und Vaterland
T & Z: Jacques Tardi
Reinbek: Carlsen, 1984.
Eine surreale Geschichte aus dem ersten Weltkrieg, in der der
,Antiheld‘ Brindavoine Haferhalm versucht, sich von der Front
ins Hinterland durchzuschlagen. Doch als sein Kamerad von
einer Granate zerfetzt wird, ist Brindavoine nicht mehr zu halten,
er läuft durch die Fronten und ruft zum Waffenstillstand auf.
Feuer
T & Z: Lorenzo Mattotti
Thurn: Edition Kunst der Comics, 1990.
Die kunstvollen Ölkreide-Zeichnungen des Italieners erzählen
vom Kampf zwischen Vernunft und Instinkt, zwischen Wirklichkeit und Traum. Ein herausragendes Werk.
Die wahre Geschichte vom unbekannten Soldaten
T & Z: Jacques Tardi
Ludwigshafen: Boiselle-Löhmann, 1990.
Phantasien eines sterbenden Soldaten im Schützengraben
1918. Der Soldat ist Autor, und begegnet im Traum seinen
Figuren, die sich für ihr Schicksal an ihm rächen. Tardi läßt so
eine surreale Alptraumlandschaft entstehen.
Atomare Apokalypse
Barfuß durch Hiroshima – eine Bildergeschichte gegen den Krieg
T & Z: Keiji Nakazawa
Reinbeck: Rowohlt, 1982.
Eine japanische Familie erlebt den Atombombenabwurf auf
Hiroshima. Ergreifende Darstellung des Schreckens und der
Grausamkeit der unmenschlichen Waffe.
Jeremiah
T & Z: Hermann Huppen
Hamburg: Carlsen, 1978.
Die nach einem ,Dritten Weltkrieg‘ bzw. einem atomaren Holocaust angesiedelten Comics spielen in einer völlig veränderten
Welt. Die Handlung ist eine Mischung aus Phantasie und Western, Thema ist der Kampf ums Überleben, den Jeremiah mit
seinem Freund Kurdy aufnimmt. Die Ursachen des Krieges
werden nicht erörtert. Der Carlsen-Verlag bringt die Reihe nun
originalgetreu heraus.
Nach der Bombe
T & Z: Bonvi d.i. Franco Bonvicini
Berlin: Beta-Verl., 1985.
Zwanzig makabre Kurzgeschichten des Schöpfers der „Sturmtruppen“. Schildert das Leben nach einer Atombombenexplosion. Ausgehend von dem Versagen eines Mikrochips werden
sehr zynische Geschichten aus einer verwüsteten Welt geschildert.
Simon – Zeuge der Zukunft
T & Z: Claude Auclair
Reinbek: Carlsen, 1983-1986.
Die Serie beschreibt eine durch Krieg und Energiekrise zerstörte Welt; die Menschen flüchten vor allem aus den Städten auf
das Land. Bei Bauern und Nomaden suchen sie neue Lebensformen. Der Held, Simon, soll die Superwaffe zerstören, die sein
Vater zurückließ. Doch Simon ist kein gewöhnlicher Held, er
187
unterbricht seine Reise immer wieder um über sich selbst nachzusinnen.
Strahlende Zeiten, eine Anti-Atomtod-Bilder-Geschichte
T & Z: Raymond Briggs
Frankfurt/M.: S. Fischer, 1983.
In die Welt eines älteren britischen Ehepaars bricht die Weltgeschichte in Form einen bevorstehenden Atomkriegs ein. Alle
noch so sorgfältigen Schutzmaßnahmen können ihnen nicht
helfen.
Nationalsozialismus
Der Boche
1: Am Vorabend des Unglücks
2: Kriegswirren
Stalner/Bardet
Hamburg: Comicplus, 1991/92.
Das Schicksal eines Elsässers, in eigenen Land als Deutscher
verfemt, unmittelbar vor und während des 2. Weltkriegs. Realistischer Comic, gleichermaßen hart und einfühlsam, klarer Zeichenstil. (ekz)
Kann denn Liebe Sünde sein?
T: Thomas Kühn/Z: Holger Klein
Hamburg: Carlsen, 1992.
Der mäßig begabte Cellist Paul Winter, eine heruntergekommene Existenz, bekommt das Angebot, in einem berühmten Quartett mitzuspielen. Verwirrt nimmt er an, muß jedoch bald erkennen, daß dies alles nur ein Plan war, ihn mit seiner (Nazi)-Vergangenheit zu konfrontieren. (ekz)
MAUS – Die Geschichte eines Überlebens
1: MAUS – Die Geschichte eines Überlebens
2: MAUS – Und hier begann mein Unglück
T & Z: Art Spiegelman
Reinbek: Rowohlt, 1989, 1992.
Spiegelman beherrscht die Rhetorik des Comics und benutzt
sie bewußt, indem er realistische Zeichnungen umgeht. Mit
Katzen und Mäusen beschreibt er die Vernichtung der Juden
während des Nationalsozialismus. Mit Preisen überhäufter Comic, der zeigt wie dieses Medium genutzt werden kann.
Operation Odin
T: Mike Maurus/Z: Wolfgang Schneider
Hamburg: Carlsen, 1991.
Variante des alten Themas: „wer hat den verschollenen Schatz
der Nazis?“ mit antropomorph dargestellten Tieren. Die Geschichte verquickt geschickt Vergangenheit mit den jüngsten
Ereignissen in Deutschland.
Der Schrei nach Leben
1: Die Ameisen
2: Das Ghetto
T: Patrick Cothias/Z: Paul Gillon
Hamburg: Comicplus, 1988.
Comic, der die Lebensgeschichte von Martin Gray nachzeichnet
(Gray, Martin/Gallo, Max: Der Schrei nach Leben. München:
Goldmann). Ein junger polnischer Jude, der mit 14 Jahren den
Einmarsch der Nazis in Warschau 1939 erlebt und der von nun
an um sein Leben kämpft. Eine eindrucksvolle Schilderung der
täglichen Bedrohung, der Ängste, aber auch der Hoffnungen
der Juden im besetzten Warschau.
Der 27. Buchstabe
T: Stephen Desberg/Z: (Willy Maltaite) Will
Mannheim: Feest, 1992.
Der Junge Fred streunt durch Berlin und findet in einem Bordell
eine neue Heimat. Die Prostituierten lieben ihn wie einen Sohn,
doch seine Welt bleibt nicht lange heil. Bald dringt der aufkeimende Nationalsozialismus auch hier ein und er kann nicht
verhindern, daß seine Freundin, eine Zigeunerin, flüchten muß.
Werwölfe
T & Z: Matz Mainka
Hamburg: Carlsen, 1991.
Der Erstling des Hamburgers behandelt die Zeit nach dem Ende
des Zweiten Weltkriegs. Flüchtlinge reisen quer durch das Land
auf der Suche nach Verwandten. So auch der 14jährige Richard, der dabei auf den etwas älteren Axel trifft. Die beiden
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Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Hammer-Comic: Tiefschläge aus der Arbeitswelt
T: Liz Seitter/Z: Brigitte Fries
Zürich: Edition Moderne, 1992.
Die beiden Schweizerinnen schildern satirisch und in einer
ungewöhnlichen Collagetechnik die Abgründe des Arbeitslebens, nicht nur Schweizer Bauarbeiter.
Kollege Karl, was fehlt Ihnen denn?
T & Z: Erich Rauschenbach
Frankfurt: Eichborn, 1986.
,Kollege Karl‘ ist ein progressiver Arbeiter, der von seinem
Standpunkt aus die Welt kritisch betrachtet. Typischer textlastiger Gag-Strip in jeweils vier Panels.
Die Stadt, die es nicht gab
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal
Hamburg: Carlsen, 1987.
Die Träume der Arbeiter sollen Wirklichkeit werden, die neue
Besitzerin der Fabrik will ein gerechtes ,Utopia‘ errichten. Doch
ist das wirklich der ,Himmel auf Erden‘?
Feministische Asterix-Parodie in der ein reines Frauendorf seine Existenz gegen Römer und Germanen verteidigt. Die Szenerie ist u.a. der germanischen Sagenwelt entlehnt und bietet
endlos viele Anspielungen auf die Gegenwart.
Die Frustrierten 1-5
T & Z: Claire Bretêcher
Reinbek: Rowohlt, 1990.
Die zuerst als Zeitungsserie erschienenen Strips schildern das
Leben der ,Nach-Achtundsechziger‘ Generation. Vor dem bestechenden Blick der Autorin ist keine noch so kleine Schrulle
sicher.
Monika, das Wunschkind
Claire Bretêcher
Reinbek: Rowohlt, 1985.
Eine erfolgreiche Schauspielerin versucht Beruf und Kinderwunsch unter einen Hut zu bringen. Die auftretenden Schwierigkeiten können auch mit Hilfe der Gentechnik nicht gelöst
werden.
Die Teufelin
T: Fay Weldon/Z: Ute Hembold
Hamburg: Carlsen, 1992.
Als ihr Mann mit einer erfolgreichen Schriftstellerin fremdgeht,
startet Ruth einen langwierigen Rachefeldzug ohne Rücksicht
auf Verluste. Eine Adaption des sarkastischen Bestsellers.
U-Comix Sonderband 13
T & Z: Trina Robbins
Linden: Volksverlag, 1977.
Das laut Verlag ,Erste nur-Frauen-Comic-Book‘ ein Sammelband der bekanntesten Frau aus der U-Comix-Scene. Humorvoll werden ,Männerträume‘ karikiert.
Feminismus
Ökologie
geraten in Berlin an eine Gruppe der „Werwölfe“, die weiter ihrer
angestaubten Ideologie nachhängen. Die ,Übriggebliebenen‘
verüben sogar einen Anschlag auf die Besatzer.
Die zerbrochene Zeit
T: Eric Warnauts/Z: Raives
Hamburg: Carlsen, 1992.
Die junge Deutsche Nina Reuber flieht zu Ende des Zweiten
Weltkrieges aus einem Internat nach Berlin. Dort arbeitet sie bei
den Amerikanern als Dolmetscherin, verliebt und verliert sich.
Kritische Beleuchtung der Wirren des Jahres 1945.
Arbeitswelt
Agrippina
T & Z: Claire Bretêcher
Reinbek: Rowohlt, 1989.
Der harte Alltag des Teenagers Agrippina, die hin- und hergerissen ist zwischen Suche nach Geborgenheit und dem Willen,
unabhängig und erwachsen zu werden.
Die Ballade von der Typhoid-Mary
T: Jürgen Federspiel/Z: Ursula Fürst
Zürich: Edition Moderne, 1990.
Mary kommt 1868 mit einem typhusverseuchten Schiff in New
York an. Sie steckt von da an ihre Umgebung mit dem tödlichen
Fieber an, ohne selbst zu erkranken. Die ungewöhnliche Geschichte dieser Frau hat Ursula Fürst in sehr stimmungsvolle
Schwarzweißbilder umgesetzt.
Barcelonight
T & Z: Anni Goetzinger
Stuttgart, Ehapa, 1992.
Die junge Catherine arbeitet als Putzfrau in Barcelona, dabei
lebt sie jeden Tag in einem anderen Haushalt. Sie streunt durch
Barcelona wie eine Katze, doch ohne ihr Glück zu finden.
Comic Sisters
Hrsg.: Diane Noomin
Berlin: Elefanten Press, 1991.
Sammelband von 14 amerikanischen Zeichnerinnen, die darin
ihre Weltsicht vermitteln. Inhaltlich sehr unterschiedlich. Feminismus im U-Comix Stil.
Die Diva
T: Pierre Christin/Z: Anni Goetzinger
Hamburg: Carlsen, 1984.
Eine Opernsängerin dient ihre vermeintlich reine Kunst, während des Zweiten Weltkriegs auch den Nazis an. Nach dem
Krieg wird sie dafür zur Rechenschaft gezogen.
Euch geht’s zu gut
T & Z: Marie Marcks
München: Frauenbuch-Verl., 1978.
Familien-Nahkampf einer Feministin und Mutter mit ihren heranwachsenden konsumorientierten Kindern (ekz).
Feminax und Walkürax
T & Z:Franziska Becker
Köln: Emma-Verl., 1992.
Aufruhr in der Rouergue
T: Pierre Christin/Z: Jacques Tardi
Mannheim: Boiselle-Löhmann, 1989.
Ein multinationaler Konzern will ohne Rücksicht auf die Natur
eine Kupfermine ausbeuten. Doch die Bewohner des Waldes,
die Zwerge und Elfen wehren sich mit Hilfe eines politischen
Praktikers.
Die Geschichte von der Wyhlmaus und anderen Menschen
T: Wolfgang Hippe/Z: Jari P. Cuypers
Frankfurt/M.: Verl. Jugend u. Politik, 1978.
Ein Öko-Comic zur Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk
Wyhl. Die Funktion und die Gefahren eines KKWs werden
erklärt. Ein engagiertes Comic, mit einer eindeutigen Aussage.
Die Kreuzfahrt der Vergessenen
T: Pierre Christin Z: Enki Bilal
Reinbek: Carlsen, 1988.
Ein militärisches Geheimprojekt mit der Schwerkraft verhilft der
Bevölkerung eines kleinen Dorfes zu einer außerordentlichen
Protestaktion. Das ganze Dorf schwebt langsam davon.
Lais und Ben
1: Anamarama
2: Xapuri
T: Joachim Friedmann/Z: Henk Wyninger
Carlsen, 1992.
Die zwei aufgeweckten Studenten Lais und Ben widmen sich
während eines Studiencamps in Brasilien nicht nur ihren Forschungen. Kritische Auseinandersetzung für Jugendliche mit dem
Thema Ökologie und Dritter Welt in schönem Ligne-Claire-Stil.
Das steinerne Schiff
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal
Reinbek: Carlsen, 1987.
Ein Fischerdorf in der Bretagne soll einem Touristenzentrum
weichen. Als die Polizei den Widerstand der Bewohner mit
Gewalt brechen will, setzt ein alter versteckt lebender Mann alle
seine Kräfte ein.
Rassismus
Afrikaans Bazaar – Ein Abenteuer von Jacques Gallard
T & Z: Tripp
Zürich: Edition Moderne, 1992.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Der Franzose Jacques Gallard reist mit einer Frau nach Südafrika und gerät dort schnell zwischen die Fronten der Schwarzen
und Weißen. Unterlegt mit Texten von Breyten Breytenbach.
Der Konflikt zwischen Zulus und ANC wird angedeutet. Fortsetzung von „Zulu Blues“.
Jude und Araber
1: Jude – Araber’
2: Fanatiker
Z & T: Farid Boudjellal
Kiel: Semmel, 1991/92.
Der algerienstämmige Franzose versucht hier mit viel Witz den
arabisch jüdischen Konflikt zu entschärfen. Einfacher, holzschnittartiger Zeichenstil, eher Textorientiert.
Lou Cale
4: Summertime
Warn’s/Raives
Hamburg: Carlsen, 1992.
Fotoreporter Cale soll im tieften amerikanischen Süden eine
Reportage machen. Bei seinen Recherchen gerät er unversehens in tragische Verwicklungen um Rassismus, Liebe und
Begierde. Geglückte Comic-Variation eines alten Themas. (ekz)
Zoulou-Blues
T & Z: Tripp
Zürich: Edition Moderne, 1991.
In Toulouse geraten Jacques Gallard und seine Freundin in eine
Auseinandersetzung zwischen der Südafrikanischen Geheimpolizei und dem ANC.
Zum Herzen des Sturms
2 Bände
T & Z: Will Eisner
Mannheim: Feest, 1992.
Autobiographie des 75jährigen Comic-Künstlers. In seiner Lebensgeschichte charakterisiert Eisner eine Epoche und thematisiert sensibel den antijüdischen Rassismus in den USA.
Sozialismus
Leonid und Sputnika
1: Njet Future
2: Mama, Papa, Lenin und ich
3: Für eine Handvoll Rubel
T: Yann/Z: Bercovici
Hamburg: Carlsen, 1992, 1993.
Der kleine Leonid und sein Hund Sputnika erleben in ihrer
Großfamilie den Wandel in der Sowjetunion. Ein Funny über das
Leben im Perestroika-Zeitalter. Die Figuren sind allerdings sehr
klischeehaft.
Soviet ZicZac
T: Barcelo/Z: Tripp
Zürich: Edition Moderne, 1988.
Ein Abenteuer mit dem Helden Jacques Gallard, der in Moskau
mit einem weltberühmten Schachspieler verwechselt wird und
so in die Fänge des Geheimdienstes gerät.
Treibjagd
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal
Reinbek: Carlsen, 1985.
Eine Jagdpartie vereint die alten Parteifunktionäre aus dem
sozialistischen Lager irgendwo in Polen. Gejagt wird nicht nur
Wild. Ein düster gezeichneter Polit-Thriller. (Erweiterte Neuausgabe für April 1993 angekündigt)
Faschistische Gesellschaftsordnungen
Alexander Nikopol im 21. Jahrhundert
1: Die Geschäfte der Unsterblichen
T & Z: Enki Bilal
Hamburg: Carlsen, 1987
Im ersten Band der Trilogie wird ein faschistisches Paris beschrieben, dessen Bewohner in zwei Klassen geteilt;sind. Das
Zentrum mit den Privilegierten und der Rest, das Slum, das in
Müll und Elend zu ersticken droht. Auch Wahlen haben in
diesem System keinen Sinn mehr, die Probleme sind zu global:
Kriege, Energiekrise, Flüchtlingsströme und schreckliche Umweltkatastrophen bestimmen die Zeit.
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Schlachtfeld ,Dritte Welt‘
1: Die Hamburger Lady
2: Der Export-Krieg
3: Der große Ausverkauf
T: Pat Mills/Z: Carlos Sanchez Ezquerra
Bergisch Gladbach: Bastei, 1991.
Der Kampf der Dritten Welt gegen die Konzerne der Industriestaaten. Die Protagonistin ist Mitglied der Propaganda-Einheit
von ,Freeaid‘ einer Organisation der UN, die aber völlig unter
Kontrolle der fünf größten Konzerne der Welt steht. Sie soll den
Hunger in der Welt bekämpfen, doch geht es in Wirklichkeit nur
um neue Absatzmärkte. Die durchaus interessante Grundidee
leidet aber unter der Realisierung.
Tödliche Nacht
Behe/Toff
Stuttgart: Ehapa, 1990.
In einer totalitären Gesellschaft werden die Aids-Infizierten sofort von den ,Gesunden‘ getrennt und in Lagern von einer
faschistoiden Miliz bewacht. Eine Auseinandersetzung mit der
Bedrohung der Demokratie durch die tödliche Krankheit. Doch
Hoffnung ist in Sicht: ein Gegenvirus, der sich auf dem gleichen
Weg übertragen läßt, soll entwickelt werden. Doch haben Politiker daran überhaupt Interesse?
Der Schlaf der Vernunft
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal
Reinbek: Carlsen, 1986.
Eine Gruppe ehemaliger Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg, durch neofaschistische Tendenzen hochgeschreckt,
nimmt erneut den Kampf gegen ehemalige Widersacher auf,
erkennt aber die Problematik gewalttätigen Handels. (ekz)
V wie Vendetta
1. Feuer der Freiheit
2: Die Zwischenwelt
3: Das Traumvariete
4: Die Finsternis
5: Das Wunschland
6: Der Rosenzug
T: Allan Moore/Z: David Lloyd
Hamburg: Carlsen, 1990-1991.
Die Kleinserie schildert den Kampf eines modernen Guy Fawks
gegen einen faschistoiden Überwachungsstaat. Das Mädchen
Evey wird mit ungewöhnlichen Mitteln dazu gebracht,. seinen
Weg mitzugehen. Ausdruck Moore’s Pessimismus über die politische Entwicklung in Großbritannien. Die Zeichnungen sind
schattenüberlagert und sehr kontrastreich.
Das verbotene Glück
T: Griffo/Z: Jean van Hamme
Mannheim: Feest, 1992.
Die Einführung eines universalen Ausweisdokumentes und
Zahlungsmittels wird hart umkämpft. Demonstranten warnen,
doch der zuständige Minister setzt sein Projekt durch, und dann
verliert ausgerechnet er die ,Wunderkarte‘.
Die Anarchie des Lachens
Doonesbury
T & Z: Garry Trudeau
Reinbek: Carlsen, 1983-84.
Intellektuellen-Strips aus amerikanischen Tageszeitungen, um
den Studenten Mike Doonesbury und dessen Freunde. Ein
Spiegelbild der amerikanische Gesellschaft und Politik.
The Fabulous Furry Freak Brothers
T & Z: Gilbert Shelton
Berlin: Rotbuch, 1989.
Die legendären Brüder aus der U-Comix-Szene der USA haben
ihre eigenen Rezepte, die Probleme des täglichen Lebens zu
lösen. Opfer der Kultfiguren der Hippiebewegung sind meist
Polizisten.
Flucht aus Berlin
T & Z: Gerhard Seyfried
Berlin: Rotbuch, 1990.
Ein Comic-Autor gerät auf der Suche nach neuem Stoff nach
Sibirien. Immer wieder gerät er in politische Verwicklungen; als
190
sich dann noch die Mauer öffnet, bleibt nur noch die Kanalisation als ,Ausweg‘.
Invasion aus dem All-Tag
T & Z: Gerhard Seyfried
Berlin: Rotbuch, 1985.
Der Anarchismus, personifiziert in kleinen schwarzen Gnomen
aus dem Weltraum, hinterlassen eine Bombe neuer Art: alle
Menschen werden zu Anarchisten.
Der Kandidat
T & Z: Malo Lauarn
Ludwigshafen: Boiselle-Löhmann, 1988.
Ein EDV-Konzern will seinen neuen Großrechner testen und
stellt ihm die Frage nach dem ,idealen‘ Präsidentschaftskandidaten. Der so ausgewählte Kioskbesitzer führt einen außergewöhnlichen Wahlkampf.
Magnus, der Magier
T: Johnny Hart/Z: Brant Parker
Stuttgart: Ehapa, 1977.
Magnus ist Zauberer am königlichen Hofe und so für alle politischen und privaten Probleme zuständig. Der beißende Witz und
die gelungenen Pointen haben den ,Wizard of Id‘ weltberühmt
gemacht.
Rudi
1: Alle lieben Rudi
2: Rudi gibt nicht auf
3: Mein Freund Rudi
T & Z: Peter Puck
Stuttgart: Heinzelmännchen, 1992.
Rudi, der tragische Held steckt immer bis über die Haartolle im
Zeitgeist. In den immer etwas textlastigen Szene-Geschichten
schreckt der Stuttgarter Comic-Macher nicht vor politischen
Stellungnahmen zurück.
Der schwarze Baron
T: René Pétillon/Z: Yves Got
Berlin: Elefanten Press, 1990.
„Le Baron Noir“ ist die institutionierte Macht. Wenn der schwarze Vogel naht, gibt es für kein Schaf mehr ein Entkommen. In
der immer wiederkehrenden Situation ,Raubvogel schlägt
Schaf‘ werden unterschiedliche Bereiche der Politik aufgegriffen.
Schwarze Gedanken
T & Z: Franquin
Nürnberg: Alpha-Comic-Verl., 1989.
Wunderschön zynische Strips des bekannten belgischen Autors. Von Ökologie über Militär bis zur Todesstrafe weicht Franquin keinem Thema aus.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – Politik und Zeitgeschichte im Comic
Tödliche Lilli
T & Z:Gérard Lauzier
Hamburg: Carlsen, 1988.
Lilli, Agentin im Ruhestand, wird noch einmal zum Einsatz
gerufen. Eine afrikanische Befreiungsbewegung braucht ihre
Hilfe. Eine bissige Persiflage auf den linken Terrorismus.
Unsere schöne neue Welt
T & Z: Nihat Kesen
Hamburg: Carlsen, 1991.
In dem Satireband des in Deutschland aufgewachsene jungen
Türken sind die beißenden Schilderungen von Rassismus und
Ausländerfeindlichkeit in Deutschland am besten gelungen.
Zeitgeschichte
Durchbruch
Hrsg.: Pierre Christin und Andreas Knigge
Hamburg: Carlsen, 1990.
Ein Sammelband zum Fall der Berliner Mauer. Zeichner wie
Sienkiewicz äußern sich skeptisch, bei ihm werden nur die
sozialistischen Symbole mit kapitalistischen vertauscht; Schultheiß sucht den privaten Bezug; und Manara bemüht Chagall’s
Fiedler vom Dach auf die Mauer.
120, rue de la Gare
T: Léo Malet/Z: Jacques Tardi
Zürich: Edition Moderne, 1988/89.
In zwei Bänden schildert Tardi, nach einem Krimi von Léo Malet,
die Geschichte um as geheimnisvolle Haus in der Rue de la
Gare. Die Handlung beginnt in einem Kriegsgefangenenlager
und dort erfährt der Privatdetektiv erstmals von der Adresse.
Tardi schildert das besetzte Paris und die Stimmung der Kriegsjahre in Frankreich atmosphärisch dicht.
Zwischen Lenin, Jazz & Harry Lime
T & Z: Markus Herrenberger
Buxtehude: Verl. an der Este, 1992.
Eine Ratte wandert von Rußland durch europäische Länder,
trifft auf ihrem Weg viele bekannte Zeitgenossen aus Kunst und
Literatur Prächtiges Bilderbuch für Connaisseurs, hintersinnig,
anspielungsreich, zum Suchen und Entdecken. Ein intellektuelles Vergnügen! (ekz)
Anschrift der Autorin:
Marianne Fix
Türlenstr. 22/108
70191 Stuttgart

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