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Ausbruch aus der Umlaufbahn Die Spanish Virgin Islands vor Puerto Rico gehören zu den letzten Inseln der Karibik, die sich dem Tourismus öffnen. Wer sie mit einer Yacht ansteuert, kann sicher sein, dort zur Attraktion des Tages zu werden. Text: claus reissig Fotos: claus reissig und bettina bühler Stimmt die Theorie von Andy Warhol, ist jeder Mensch einmal in seinem Leben für 15 Minuten berühmt. Er jedoch meinte damit die Auswirkungen des aufziehenden Medienzeitalters in den 60er Jahren, das in Zukunft jeden einmal erreichen würde. Unsere «Berühmtheit» dagegen ist echt. Zumindest regional und verteilt auf die zwei Tage, die wir vor Esperanza im Süden von Vieques vor Anker liegen, um vielleicht eine der verschlafensten Inseln der Karibik zu be suchen. «Oh, ihr seid die Leute mit dem Katamaran – wir haben euch rein kommen sehen!» lautet die Standardbegrüssung, egal ob wir in einer der fünf Bars, dem winzigen Museum oder im einzigen Super markt auftauchen. Unsere Ankunft hat sich herum gesprochen, was wohl zum einen an dem auffälligen Boot an sich liegt, mit dem wir reisen: Strahlend weiss ankert die Yacht prominent direkt vor der Promenade hinter dem winzigen Inselchen Cayo Real, auf dem eine Stahlyacht wie ein Mahnmal des Hurrikans aus dem Jahr 1989 vor sich hin rostet. Zum anderen haben die meisten Bars natürlich freien Blick auf die karibische See und von dort wird jede noch so kleine Bewegung auf dem Wasser beobachtet. Einst Luftwaffenstützpunkt Politisch gehören die Spanish Virgin Islands (SVI) wie die US Virgin Islands zu den Vereinigten Staa ten. Jedoch sind sie kein eigener Bundesstaat, son dern Territorium der USA. Das heisst: Sie verfügen zwar über einen eigenen Abgeordneten im Unter haus, dürfen jedoch keine Senatoren stellen, obwohl sich vor allem Puerto Rico darum bemüht. Die grosse Hauptinsel der SVI ist spanische Enklave. Ihre Bewohner gelten innerhalb der USA nicht als beson ders integrationswillig, vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum sich am Status der Inseln nichts ändert. Erst 2003 wurden die Spanish Virgin Islands nach anhaltenden Protesten der Bevölkerung vom ameri kanischen Militär an Puerto Rico zurückgegeben. Bis dahin wurden sie als Stützpunkt im zweiten Welt krieg genutzt. Vieques war bis 1976 Übungsgebiet der US-Luftwaffe. Das Erbe sind ganze Landstriche auf der längs im Passat liegenden Insel, die mit Übungsmunition und Blindgängern übersäht sind. Zahlreiche Gebiete sind in den Karten noch als «restricted areas» gekennzeichnet: verbotenes Ge biet – zum Selbstschutz. Bis 2019, so schätzt man, werden die Aufräumarbeiten im Landesinneren dauern. Allein 2007 wurden 4000 Tonnen Munition eingesammelt und entweder gesprengt oder als Altmetall wieder verwertet. 88 seaside marina.ch april 09 An der Küste ist nichts, was sich aufdrängt. Präsent ist ungewohnte Leere – ausser vielleicht ab und zu ein Restaurant. Für Liebhaber einsamer Buchten die perfekte Gegend, wenn man es versteht, sich in der totalen Abgeschiedenheit mit sich selbst zu beschäf tigen. Das Meer vor den Stränden ist mit einer Vielzahl von Riffen gespickt, die sich bestens zum Schnorcheln und Baden eignen. Zumeist muss man dafür nicht ein mal den Anker bemühen, obwohl der mit Seegras über zogene Boden dafür perfekt wäre. Aber – Amerika wäre nicht Amerika und Puerto Rico ist schliesslich damit assoziiert – an den meisten Ankerplätzen liegen Moo ring-Bojen zum Festmachen für die seltenen Yachten und die Wochenendgäste aus dem nahen Puerto Rico bereit. Und im Gegensatz zu den US Virgin Islands sind sie kostenlos – wer sollte hier auch kassieren? Leere und Deep Blue Mit der Taucherbrille kontrollieren wir den festen Sitz des Ankergeschirrs am Boden, während uns aus vier Metern Tiefe grosse Meeresschildkröten beäugen und langsam mit ihren riesigen Vorderbeinen schlagend vorbei ziehen. Den kantigen Schädel weit vorgereckt und den dunklen Panzer wie einen mächtigen An hänger im Schlepp verschwinden sie in der Weite der Bucht, die sich nach rund 20 Metern in einem fast unverschämten Blau auflöst. Deep Blue nennen Tau cher dieses Phänomen im Wasser, bei dem die von oben einfallenden roten Lichtanteile absorbiert werden und das Blau allein reflektiert. Hinter uns patrouilliert ein mächtiger Barrakuda im Schatten des Schiffs wie ein langsamer, schwerelos schwebender Torpedo auf der Suche nach Beute. Die Spanish Virgins wurden nach 2003 weiträumig als Schutzgebiete ausgewiesen. Die Riffe sind zwar durch Hurrikan Hugo (der die Inseln 1989 frontal traf) und Umwelteinflüsse geschädigt, ha ben aber eine sehenswerte Vielfalt unter Wasser be wahrt. Die teilweise über 140 Kilogramm schweren Meeresschildkröten nutzen die leeren Strände, um ihre Eier abzulegen. Süsswasser und Hamburger Beim Besuch der Spanish Virgins im karibischen Nor den darf man sich daher ruhig auf ein bisschen Aben teuer vorbereiten. Versorgungsmöglichkeiten für Yachten und andere Besucher gibt es nur wenige – einmal abgesehen von der kleinen Fischerpier in Esperanza und dem neu gegründeten Yachtservice des Amerikaners David. Der Service besteht vor allem aus Süsswasser-Versorgung, die David in einem 1,5 Tonnen Wasser fassenden offenen Tank auf seinem uralten grünen Pickup anbietet. Auch Charly lebt ein wenig vom Tourismus. Er betreibt einen kleinen Strandimbiss in einem umgebauten Bauwagen direkt an dem still gelegten Militäranleger april 09 marina.ch Wohlfühloase: Die Moorings 474 Powercat bietet alles, was das Leben auf einem Törn angenehm macht. seaside 89 Tipps für den Törn Visa: Wer kein amerikanischer Staatsbürger ist, braucht für die Einreise über See in die US- und Spanish Virgin Islands ein US-Visum. Navigation: Anders als die kleinen Antillen liegen die Virgin Islands in Ost-West-Richtung. Auf der Rückreise in die British Virgin Islands geht es also gegen den vorherrschenden NordostPassat an. Die längere Kreuz sollte bei der Planung berücksichtigt werden. Karte «Nordamerika Grundkarte» Format: 6,5 cm x 6,5 cm hoch Karten: Alle Moorings-Yachten sind mit elektronischen C-Map-Karten ausgestattet. Empfeh- Kohli Kartografie lenswert sind eigene Karten für die US- und Spanish Virgin Islands. «Virgin Islands; St. Thomes to Sombrero», 79.80 Euro; www.nv-verlag.de Handbücher: Englischsprachiges Hafenhandbuch «Cruising Guide to the Virgin Islands» (cruisingguides.com), ist auf den Moorings-Yachten vorhanden, umfasst jedoch nicht die spanischen Inseln. Hilfreicher: «The Virgin Islands Cruising Guide» von Stephen Pavlidis, 18.99 Euro; www.amazon.de Formalitäten: Bei der Einreise in die US-Gewässer muss in den BVI aus- und in den USVI wieder einklariert werden. Nötig sind Schiffspapiere, Pass und Visum. Davon unabhängig muss sich jede Yacht noch einmal telefonisch bei den Behörden der SVI an- und abmelden. Die Telefonnummern finden sich in den Hafenhandbüchern. Versicherung: Nicht alle Charteryachten in den BVI sind für die SVI versichert. Einkaufen: Am besten in Tortola das Schiff für die Reisezeit voll verproviantieren. Die örtlichen Supermärkte bezahlen alle den Taxishuttle in die Marina. In den SVI ist das Einkaufen möglich, aber schwieriger. Anreise: Air France bis Point a Pitre, Guadeloupe, dann weiter mit American Airlines nach Beef Island/Tortola. Auch möglich: über Miami, San Juan (Puerto Rico) nach Beef Island, Tortola (American Airlines). Ein günstiger Taxi-Shuttle zur Marina kann direkt über Moorings gebucht werden. Mooring-Bojen: Wenn man nicht ankert, sollte man nach dem Festmachen an Bojen die Leinen mit Schnorchelausrüstungen überprüfen. In den US- und BVI sind die Mooring-Bojen kos tenpflichtig. Wo die Gebühren entrichtet werden müssen, entnimmt man den Handbüchern. Charter: Bei Moorings in den British Virgin Islands lassen sich für den Törn entweder Motoroder Segelyachten buchen. Für Segler kostet eine Moorings 39.3 (bis 8 Personen) pro Tag ab 295 Euro (inkl. Diesel, Endreinigung, Beiboot, etc), die neue Motoryacht Moorings 474 PC (max. 10 Personen) ab 915 Euro/Tag (zzgl. Diesel). www.yachting.fert.ch Tourismus noch in den Kinderschuhen. 90 seaside Esperanzas, über welchen die Versorgung der Insel zur Hochzeit des Militärs sichergestellt wurde. Heute verfällt die lange Pier und wird nur von den wenig redefreudigen, spanischsprachigen Einwohnern zum Angeln genutzt. Wie die meisten hier ist Charly USAmerikaner, und wie die meisten hat er vorher etwas ganz anderes gemacht. Als «Schauspieler» eines Strip perensembles verbrachte er ein Jahr in Berlin. Jetzt war tet er den grössten Teil des Tages auf Kundschaft für seine – wie er sagt – besten Burger im Ort. Eine bot schaft, welche die wenigen anderen konkurrierenden Bars gleichermassen für sich in Anspruch nehmen. Die Szenerie des staubigen Platzes unter den MangrovenBäumen schwankt zwischen verwunschen, gespen stisch und verwahrlost. Ein bisschen Ibiza vielleicht aus den 70er Jahren, ein bisschen Goa aus den 80ern und ein bisschen Amerika der Neuzeit machen das Gemisch dieses merkwürdigen Fleckchens Erde aus – dazu etwas spanische Gelassenheit. Die unvermeidlichen amerikanischen Geländewagen lassen zudem jeden Definitionsversuch für Esperanza auf Vieques unweigerlich ins Leere laufen. Die dunkelgrün gefärbten Inseln werden Spanish Virgin Islands genannt, gehören aber politisch Bio Bay – das achte Weltwunder Bei Dunkelheit rumpeln wir mit einem ausrangierten Schulbus über Achs mordende Feldwege zur Mosquito Bay. Die Knie in den Rücken der Vordermänner erinnern scherzhaft daran, dass diese Fahrzeuge nicht für Men schen unserer Grösse geschaffen wurden. Während dessen bereitet uns Jack auf das bevorstehende Schau spiel vor: Die Bio Bay, das achte Weltwunder, wenn es nach Jack geht, stellt eine der Haupteinnahmequellen der Insel dar. Das Wasser der Bucht leuchtet bei jeder Bewegung in gespenstischem Blau, als wäre es mit Unterwasserscheinwerfern beleuchtet. Eine auf der Erde nahezu einmalige Konzentration bio-lumineszierender Einzeller strahlt wie eine Unterwasserversammlung von Glühwürmchen, perlt an unseren Armen herab und erleuchtet die Bucht zu unseren Füssen. Ein fast unheimliches Spektakel vor einer sonst so leeren Insel. marina.ch april 09 zum Territorium der USA. A T L A N T I C O C E A N San Juan Tortola Isla de Culebra eC rak sD i c ran Sir F Saint Thomas Charlotte Amalie PUERTO RICO ne l Virgin Islands steckt der ha n Beschaulich: Auf den Spanish Saint John Virgin Gorda BRITISH VIRGIN ISLANDS VIRGIN ISLANDS (US) Isla de Vieques C A R I B E A N april 09 marina.ch S E A seaside 91 Moorings 474 Powercat Motoryachten im Charter sind noch relativ unüblich. Das könnte sich mit der Moorings 474 PC ändern, zumal sich deren Verbrauch in Grenzen hält. Mit fast 15 Meter Länge und 7,50 Meter Breite bietet die Moorings 474 PC ein Platzangebot, für das man normalerweise eine mindestens fünf Meter längere Einrumpfyacht an den Steg legen müsste, um einigermassen vergleichbaren Raum zu schaffen. 110 Quadratmeter Decksfläche sind fast komplett überbaut, dazu kommen eine Flybridge und natürlich die vier Kabinen (drei in der Eignerversion) mit jeweils eigenem Bad. Das schafft für acht bis zehn Personen auf Urlaubsreise die nötige Bewegungsfreiheit, die man sonst häufig schmerzlich vermisst. Überall gibt es genügend Schrankraum, um zumindest einen Teil des Gepäcks unterzubringen. Grosse Fenster in den Kabinen lassen sowohl reichlich Licht als auch genügend Luft in warmen Regionen herein. Auf die Klimaanlagen kann man trotz hoher Aussentemperaturen ruhig verzichten. Der nötige Generator stört die nächtliche Ruhe erheblich und die Wasserfälle der Kühlung, die zwischen den Rümpfen heraus plätschern, erinnern daran, wie viel Energie dieser Luxus verheizt. Für dieses grosse Schiff sind die zwei 150 PS Diesel fast unglaublich klein, zumal damit Spitzengeschwindigkeiten von 15 Knoten möglich sind. Das sollte man zwar nicht ausreizen, sonst wirds auch hier teuer, aber wer Haus hält und das Schiff zwischen neun und zwölf Knoten durch die Inseln fährt, kann an der Tankstelle am Ende einer 200-Seemeilen-Reise durchaus mit 500 Litern auskommen. Verteilt auf acht Mann an Bord ist das zu verkraften. Ein kleiner Trick dabei: Wie häufig bei zweimotorigen Yachten hilft es, auf langen Strecken in Teillast auf einen Motor zu verzichten. Der verbraucht unnötig Sprit und bringt kaum zusätzliche Geschwindigkeit. Mit den kleinen Ruderblättern reagiert das Schiff nur zögerlich auf Kurskorrekturen. Lange Strecken überlässt man am besten dem Autopiloten, alle Manöver fahren sich kinderleicht lediglich mit den Gashebeln. Kaufen zum Chartern. Für interessierte Kunden wird die Moorings 474 PC derzeit ausschliesslich im so genannten Eignerprogramm angeboten. Dabei arbeitet das Schiff fünf Jahre als Charterschiff; von dem Kaufpreis von 399 000 Euro (im Ausland ohne Mehrwertsteuer) soll es knapp 50 Prozent als Chartereinnahmen wieder einfahren, bevor es als eigene Yacht übernommen werden kann. Neun Wochen pro Jahr ist das Schiff in dieser Zeit für den zukünftigen Eigner kostenlos zu nutzen. Der Charterpreis für die 474 PC liegt zwischen 915 und 1255 Euro pro Tag, je nach Revier und Saison. www.mooringspower.com Am nächsten Tag dampfen wir mit unserem luxuri ösen Charterschiff (immerhin haben wir im Gegen satz zu Vieques täglich Strom und fliessend Wasser) langsam wieder Richtung Osten. Wahrscheinlich hat jeder in Esperanza unser Ablegen beobachtet. Jetzt sind sie also wieder weg, die Leute mit dem Katamaran. Auf dem Rückweg werden wir von Tortola und den darum liegenden British Virgin Islands so unweiger lich wieder angezogen wie ein Mond auf der Umlauf bahn um seinen Planeten. Wir schwenken in die Kreisbahn mit dem Mittelpunkt Road Town ein und besuchen noch einige Hotspots wie die unvermeid liche Soggy Dollar Bar in White Bay auf Jost van Dyke oder The Bath auf Virgin Gorda. Aber diese Namen muss man sich nicht merken, sie sind Teil des Briefings für die Rundtour. 92 seaside marina.ch april 09 marina.ch Ralligweg 10 3012 Bern Tel. 031 301 00 31 [email protected] www.marina-online.ch Tel. Abodienst: 031 300 62 56