Vielfältige Fachreise mit dem 3. Lehrjahr nach Italien (Teil 1)
Transcrição
Vielfältige Fachreise mit dem 3. Lehrjahr nach Italien (Teil 1)
Vielfältige Fachreise mit dem 3. Lehrjahr nach Italien (Teil 1) Vom 14.-19. März 2016 fand die jährlich stattfindende Fachreise der angehenden Obstfachleute der deutschen Schweiz ins Südtirol, nach Venetien und in die Lombardei statt. Über die vergangenen Jahre konnte ein umfangreiches Netzwerk ins Südtirol gebildet werden, welches eine fachlich hochkarätige Fachreise ermöglichte. Das Interesse der Strickhof-Lernenden war dementsprechend gross und die Möglichkeiten zum direkten Austausch wurden rege genutzt. Am Montag 14.März 2016 startete die Abschlussklasse der angehenden Obstfachmänner EFZ vom Strickhof mit dem Kleinbus in Richtung Südtirol. Das Wochenprogramm versprach eine ausserordentlich vielfältige und intensive Fachwoche. Bis zum Samstag standen Fachbesuche auf diversen Obstund Weinbaubetrieben, bei Maschinenherstellern, Verarbeitungsbetrieben und der grössten Baumschule in der Region Verona auf dem Programm. Kirschenanbau auf fast 1000 m.ü.M Vom Reschenpass herkommend legten wir einen ersten Halt auf Höhe der Abzweigung ins Münstertal ein. Im oberen Vintschgau - genauer in Glurns - baut die Rizzi Group auf 8ha Kirschen an. Durch die erhöhte Lage fällt die Haupternte auf Ende Juli bis Anfang August und damit deutlich nach der Ernte der Kirschen im südlicheren Italien. Vorherrschend sind die Sorten Kordia und Regina, ergänzt wird das Sortiment durch Sweetheart und Duroni. Wie uns der BetriebsleiDie Anlagen der Rizzi Group in Glurns. Im Hintergrund der Blick in Richtung Reschenpass. ter Lukas Rizzi erläuterte, werden alle Kirschen über den eigenen Handelsbetrieb verkauft was ein grosser Vorteil ist, da keine Zwischenhändler gebraucht werden. Angestrebt werden Erträge von durchschnittlich 15 Tonnen/ha. Ab diesem Jahr werden die nun komplett eingenetzten Anlagen biologisch bewirtschaftet. Falls dies gut funktioniert wird man die Anlagen in Zukunft für Bio anmelden. Maschinenhersteller im Südtirol Im Südtirol sind viele Hersteller von Maschinen für den Obstbau zu finden. Besonders Hersteller von Hebebühnen sind gut vertreten. Einen dieser Betriebe, die Firma BerMarTec/Knecht, besuchten wir am Dienstagvormittag. Das Unternehmen stellt seit 1998 Hebebühnen her und entwickelt diese laufend weiter. Günther Schweigel und die Mitarbeitenden ermöglichten faszinierende Einblicke in den kompletten Produktionsablauf von der Planung am Computer über die Herstellung der Platinen für die Steuerung der Hebebühnen bis hin zur Fertigungshalle. Faszinierend ist insbesondere die modula- re Bauweise der Geräte, welche es bis heute ermöglicht, die neusten Errungenschaften der Entwicklung auch in die ersten gebauten Maschinen der Firma einbauen zu können! Zusätzlich bietet der Betrieb den Mitarbeitenden vorbildliche Arbeitsbedingungen. Ein Beispiel dafür ist die eigens angestellte Köchin für das Mittagessen, was eine kurze Mittagspause ermöglicht und gleichzeitig trotzdem eine ausgewogene Verpflegung bietet. Dank dem frühen Arbeitsbeginn am Morgen und er kurzen Mittagszeit wird kurz vor 16:00 das Arbeitssoll erreicht. So bleibt genügend Zeit für die Familie oder die eigenen Hobbys. Günther Schweigel zeigt eine Platine für die Steuerung der Hebebühne. Bei der Firma Lochmann erhielten wir kurz vor Mittag einen guten Überblick zur Herstellung von Sprühgeräten, konnten verschiedene Bauweisen mit ihren Vor- und Nachteilen anschauen und hatten zum Schluss noch die Möglichkeit, den eigenen Prüfstand in Aktion zu sehen. Obstversteigerung und Obstverarbeitung Am Dienstagnachmittag empfing uns Joachim Schmuhl für die Besichtigung der Obstversteigerung in Vilpian. Neben den grossen Genossenschaften, die den Grossteil der Apfelproduktion von fast 1 Million Tonnen im Südtirol einlagern und vermarkten, werden „kleinere Mengen“ (40‘000 Tonnen) über die Obstversteigerung verkauft. Produzenten bringen ihre frisch geernteten Posten zur Versteigerung, Einkäufer haben die Möglichkeit die Ware zu begutachten und an- Einblicke in die Obstversteigerung mit Joachim Schmuhl schliessend die notwendigen Mengen für die Auf- (ganz rechts) traggeber zu ersteigern. Die Versteigerung läuft dabei nach dem in Holland bei Blumen bekannten System ab. Die Uhr für den Preis beginnt bei einem hohen Preis und zählt schnell runter. Die Kunst des Käufers besteht darin, nicht zu früh den Knopf unter dem Tisch zu drücken um nicht zu viel zu bezahlen, aber auch nicht so lange zuzuwarten bis jemand anders den Posten vor der Nase wegschnappt. Der letzte Besuch des zweiten Tages stand ganz im Zeichen der Obstverarbeitung. Die Firma FRUCTUS verfügt über einen grossen Verarbeitungsbetrieb für Dunstäpfel (gekochte Apfelschnitze in Dosen oder Beuteln) und für gefrorene Apfelschnitze. Diese werden unter anderem von Bäckereien für die Herstellung von Apfelstrudel oder Ähnlichem verwendet. Nachdem alle mit sauberen Mänteln und Hauben für den Kopf (und Bart) ausgerüstet waren, ihren Schmuck abgegeObstverarbeitung hautnah: Einen so direkten Einblick in die Produktion bekommt man nur ganz selten! ben und die Hände gewaschen und desinfiziert hatten, ging es los auf den Rundgang durch die ganze Produktion. Die ganzen und nach Grösse sortierten Äpfel werden zuerst geschält und anschliessend das Kernhaus ausgestanzt. Danach folgt die Teilung in Apfelschnitze, eine erneute Sortierung der Schnitze nach Qualität durch eine grosse Maschine und anschliessend von Hand. Dann wird ein Teil der Apfelschnitze in grossen Silos gekocht und dann in Dosen oder Beutel abgefüllt. Die anderen Apfelschnitze werden schockgefroren und in Schachteln abgepackt. Im Labor konnten die Produkte degustiert werden. Damit endete eine ausserordentlich spannende und dank unserem Guide auch sehr unterhaltsame Führung. Vielfältige Fachreise mit dem 3. Lehrjahr nach Italien (Teil 2) Vom 14.-19. März 2016 fand die jährlich stattfindende Fachreise der angehenden Obstfachleute der deutschen Schweiz ins Südtirol, nach Venetien und in die Lombardei statt. In dieser Ausgabe folgt die Fortsetzung des Berichts von letzter Woche zu den weiteren Fachbesuchen in Bi-Baum Anlagen und bei einer Obstgenossenschaft. David Szalatnay, Strickhof Fachstelle Obst Nach den Fachbesuchen zum Beginn der Fachwoche, standen in der zweiten Wochenhälfte Besuche von Obst- und Weinbaubetrieben in der Region um Bozen auf dem Programm. Im Etschtal führte Obstbauprofi Norbert Jageregger durch seine Anlagen mit Bi-Bäumen und beim Fruchthof Überetsch konnte die Lagerung, Sortierung und Vermarktung der Früchte angeschaut werden. Bei Führungen auf dem Betrieb von Bio-Weinbauer Thomas Niedermayr, im Kloster Muri-Gries mit Peter Mittelberger zeichnet auf einem Eichenstamm ein, Kellermeister Christian Werth und beim Obst- und wie die Dauben für die Fässer aus dem zuerst gespaltenen Stamm geschnitten werden. Weinbauer Josef Pichler erhielt die Gruppe vielfältige Einblicke in den Weinbau. Äusserst spannend war zusätzlich auch die Einführung in die Kunst der Fassbinderei durch Peter Mittelberger bei der gleichnamigen Fassbinderei in Frangart. Bi-Bäume und Schnitt auf Ziehpunkt Norbert Jageregger ist Obstbauer der gemäss seinen eigenen Aussagen das Glück hat, „den schönsten Beruf der Welt“ auszuüben. Neben der Bewirtschaftung von 2 Hektar Apfelanlagen ist er Fachlehrer an der Fachschule Laimburg. Auf 60% seiner eigenen Anlagen stehen Pink Lady ‚Rosy Glow‘, die momentan wirtschaftlich interessanteste Sorte im südtiroler Apfelanbau. Kein Wunder also, dass er gerne alle Flächen auf Pink Lady umstellen würde. Als Erziehungsform wählt JageNorbert Jageregger erklärt in seiner Anlage mit Bi-Bäumen den „Schnitt auf Ziehpunkt“ (Klik-Schnitt). regger Bi-Bäume, die als Fruchtwand erzogen werden. Die extrem engen Pflanzabstände von nur gerade 2,6m zwischen den Reihen und einem Meter in der Baumreihe ermöglichen in den kleinparzellierten Flächen die Pflanzung von gut 3‘500 Bäumen pro Hektar. Um die Bäume schmal zu halten, schneidet Jageregger „auf Ziehpunkt“. Bei frisch gepflanzten Bäumen werden alle vorzeitigen Triebe auf eine Scherenlänge eingekürzt, zu dicke Triebe komplett entfernt oder auf einen Zapfen (4-Fingerbreit) gekürzt. So erzielt man viele Schnitte, was dem Baum heftige Wachstumsreaktionen an jedem Punkt verunmöglicht, ähnlich wie dies beim mechanischen Schnitt der Fall ist. Gleichzeitig entstehen so Blütenknospen nahe am Stamm. Die Früchte dieser kurzen Triebe sind immer nah an den Leitbahnen des Stammes, werden optimal mit Wasser und Nährstoffen versorgt und werden gut belichtet. Zusätzlich gibt die Erziehung als Fruchtwand Vorteile bei der Pflege: Die Benetzung mit Pflanzenschutzmitteln ist überall gleich gut, der Schnitt ist einfach durchzuführen, die Greifwege sind kurz und die Ernteleistungen hoch. Fruchthof Überetsch Beim Fruchthof Überetsch liefern 578 Mitglieder mit einer Anbaufläche von 940ha ihre gesamte Ernte ab. So werden jährlich über 60‘000 Tonnen Äpfel angeliefert. An verschiedenen Standorten können bis zu 56‘000 Tonnen gelagert werden. Sortiert wird auf einer riesigen Sortiermaschine mit einer Stundenleistung von 40 Tonnen. Danach werden die sortierten Grosskisten im 6000 Grosskisten fassenden Hochregallager zwischengelagert. Bei Bestellungen von Kunden können dem Am Fruchthof Überetsch können täglich etwa 250 Tonnen abgepackt werden. Hochregallager so immer die gewünschten Qualitäten nach dem Prinzip „first in, first out“ entnommen werden. Verpackt wird von Hand an mehreren Packstrassen, wo von gelegter Ware bis zu Obstkisten à 10kg Alles verpackt werden kann. Ein faszinierender und moderner Betrieb, von welchem Früchte in die ganze Welt geliefert werden. Vielfältige Fachreise mit dem 3. Lehrjahr nach Italien (Teil 3) Vom 14.-19. März 2016 fand die jährlich stattfindende Fachreise der angehenden Obstfachleute der deutschen Schweiz ins Südtirol, nach Venetien und in die Lombardei statt. In dieser Ausgabe folgt der letzte Bericht der Fachreise mit dem 3. Lehrjahr Obstfachmann/-frau EFZ. David Szalatnay, Strickhof Fachstelle Obst Nach den Fachbesuchen im Südtirol ging es am Freitag weiter in die Region Verona. Dort folgten Besichtigungen der Baumschule Gruber-Genetti, dem Kirschenhof „La Ciliegina“ und einer riesigen Anlage mit Kulturheidelbeeren. Abschluss der intensiven Fachwoche bildete ein Aufenthalt in Mailand, der mit knapp 1.3 Millionen Einwohnern zweitgrössten Stadt Italiens. Baumschule Gruber-Genetti Mit 200ha Baumschulparzellen und einer Produktion von über 2 Millionen Bäumen pro Jahr ist die vor 30 Jahren gegründete Baumschule GruberGenetti ein Riese unter den Baumschulen in der Po-Ebene. Produziert werden zu 80% Knipbäume, der Rest sind einjährige Bäume oder 8-MonatsBäume. Zu den Hauptsorten gehören verschiedene Mutanten der Sorten Gala, Golden, Fuji oder Red Delicious. Die meisten Bäume werden aus Handveredelungen gezogen. Pro Tag können auf Andreas Gruber erklärt die Pflegemassahmen in einer der dem Betrieb bis zu 50‘000 Tischveredelungen zahlreichen Baumschulparzellen. gemacht werden. Für den Nachschub der heute noch zugekauften Unterlagen wird künftig ein eigener Betrieb in Holland sorgen. Das benötigte Land wird in der Po-Ebene von anderen Landwirten gepachtet. Dank der Bezahlung von guten Pachtzinsen ist dies kein Problem. Dabei muss die Baumschule auf riesige Flächen zugreifen können da Gruber-Genetti das Ziel verfolgt, ehemals als Baumschule genutzte Parzellen frühestens nach 10-12 Jahren wieder als Baumschule zu nutzen. Kulturheidelbeeren Vor dem Mittag besichtigten wir die Anfang 2015 neu erstellte Parzelle mit Kulturheidelbeeren. In einer Parzelle von 22 Hektar stehen hier die Hauptsorten „Duke“ und „Draper“. Dieses Jahr wird eine Nachparzelle angelegt, was die Gesamtfläche auf etwa 50 Hektar vergrössert. Das Ausgangsmaterial für die Pflanzen stammt aus Meristem-Vermehrung. Mitarbeiter von Gruber-Genetti ziehen die Pflanzen im Folientunnel Kulturheidelbeeren so weit das Auge reicht. Die „kleine an, bevor diese nach einem Jahr in die Parzellen Parzelle“ von 22 Hektar wurde 2015 erstellt, dieses Jahr folgt die Ergänzung auf total 50 Hektar Anbaufläche. gepflanzt werden. Wie Andreas Gruber sagt, ist die Nachfrage nach Kulturheidelbeeren sehr gross. Verschiedene grosse Abnehmer seien schon aktiv auf den Betrieb zugekommen und interessieren sich, künftig beliefert zu werden. Kirschenhof „La Ciliegina“ Der von Gruber-Genetti in Zusammenarbeit mit Beat Lehner aufgebaute Produktionsbetrieb „La Ciliegina“ in Bonavigo, südöstlich von Verona umfasst eine Anbaufläche von 48 Hektar. Dank idealen klimatischen Bedingungen sind die Kirschen am Standort früh reif. Zusätzlich wurde Bonavigo als Standort gewählt, weil weniger als ein Kilometer von den Anlagen entfernt die aus dem Südtirol kommende Etsch vorbeifliesst. So steht in den Anlagen immer ausreichend Wasser aus den Alpen für die Bewässerung zur Verfügung. Der aus dem Thurgau angereiste Baumschulist Beat Lehner erklärt das modifizierte Drapeau-System. Angebaut werden die Sorten Bellis, Vanda, Carmen, Grey Star, Folfer, Kordia und Sabrina. Als Anbausystem wurde ein modifiziertes Drapeau gewählt. Die Bäume werden im Winkel von 45 Grad gepflanzt. Dadurch kann der Baum eine Gesamtlänge von bis zu 8 Metern erreichen und die Fortsetzung muss nicht gekürzt werden. Die untersten Äste werden mit einem Joch stabilisiert welches verhindert, dass die untersten Äste nach unten hängen. Für die Bestäubung der komplett eingenetzten Anlagen sorgen Hummelvölker. Wegen der immensen Bestäubungskosten von jährlich über 10‘000 Euro wird der Aufbau von eigenen Wildbienenpopulationen geprüft. Für die Erhaltung und Verbesserung der Fruchtqualität werden die Früchte kurz nach der Ernte möglichst rasch mit Hydrocoolern gekühlt. Künftig sollen auf dem Betrieb 15-20 Tonnen Kirschen pro Hektar geerntet werden. Wichtige Absatzmärkte für die Kirschen werden europäische Länder sein, darunter auch die Schweiz. Dank Ohne vielen offenen Türen bei diversen Firmen und Weinkellern sowie freiem Zugang zu Obstanlagen und Rebbergen wäre die Durchführung einer solchen Fachreise nicht möglich. Wir haben die Gastfreundschaft im Südtirol und der Region Verona sehr geschätzt. Herzlichen Dank an alle Personen, die uns während der Fachreise in irgendeiner Form unterstützt haben.