Konferenzbericht - Franziska Brantner

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Konferenzbericht - Franziska Brantner
Konferenzbericht
EINSATZORT: AUSLAND - Die
deutsche Polizei auf internationaler
Mission
Veranstaltet von
Dr. Franziska Brantner, MdEP, Kerstin Müller, MdB und Wolfgang Wieland,
MdB
24. Juni Hamburg
Weitere Informationen:
Dr Franziska Brantner, MdEP, [email protected] ,
www.franziska-brantner.eu
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Zusammenfassung
Der Bedarf an deutschen Polizistinnen und Polizisten für internationale
Polizeimissionen nimmt ständig zu. So steigt nicht nur die Zahl der Missionen von
EU und UN kontinuierlich an, auch das Anforderungsprofil an die eingesetzten
Beamten hat aufgrund der zunehmenden Komplexität der Mandate deutlich
zugenommen. Dem gegenüber stehen Stellenkürzungen in den Bundesländern,
Finanzierungsprobleme und häufig eine mangelnde Attraktivität des
Auslandseinsatzes.
Ziel der von Bündnis 90/Der Grünen im Europaparlament und im Deutschen
Bundestag organisierte Fachkonferenz „Einsatzort: Ausland - die deutsche Polizei auf
internationaler Mission“ war die Debatte und Problematisierung aktueller
Entwicklungen in internationalen Polizeimissionen sowie die Herausarbeitung
möglicher Lösungsansätze zum Ausbau der deutschen Beteiligung.
Im Plenum und in parallelen Workshops diskutierten namhafte Experten aus
Fachministerien und Polizeien in Bund und Ländern sowie der
Bundespolizeiakademie und der Wissenschaft mit Vertretern der Grünen aus den
Ländern, der Bundestagsfraktion und dem Europaparlament.
Zentrale Themen waren dabei einerseits die Finanzierung sowie die politische
Steuerung und parlamentarische Kontrolle der deutschen Beteiligung an
internationalen Polizeimissionen. Hier wurden verschiedene Modelle der Umsetzung
der geteilten Zuständigkeiten von Bund und Ländern thematisiert.
Andererseits wurden die Herausforderungen bei Rekrutierung und Personalstellung
sowie Ausbildung, Begleitung und Nachsorge ausführlich debattiert. Die Teilnehmer
aus Praxis, Wissenschaft und Politik waren sich einig, dass es einer koordinierten
„Attraktivitätsoffensive“ bedürfte, um die Auslandsverwendung für deutsche
Polizistinnen und Polizisten möglichst lohnenswert zu gestalten und einen der
außenpolitischen Bedeutung Deutschlands entsprechendem Beitrag zu internationalen
Polizeimissionen sicherzustellen.
Abschließend konnte festgehalten werden, dass sich der exzellente Ruf der deutschen
Polizei bei internationalen Partnern in Auslandseinsätzen noch nicht vollständig in
der deutschen Öffentlichkeit und polizeiintern niedergeschlagen hat. Neben einer
nachhaltigen Finanzierung, politischen Steuerung, demokratischen Kontrolle und
gesteigerten Attraktivität von Auslandseinsätzen kommt es daher auch auf eine
verbesserte Wahrnehmung in Politik und Gesellschaft an.
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Die Ergebnisse im Einzelnen
I Aktuelle Entwicklungen in internationalen Polizeimissionen
Im Rahmen der Konferenz zeichneten sich drei große Herausforderungen für die
Zukunft internationaler Polizeimissionen ab:
1) Stetig zunehmender Bedarf für "Policekeeping" erfordert mehr Personal und
langfristige Bereitstellung von Ressourcen
Im Jahr 2010 waren von 125.380 Mitarbeitern in UN-Missionen 14.037 Polizistinnen
und Polizisten. Dabei werden über 80% des Personals von Militär- und
Polizeimissionen der Vereinten Nationen von Mitgliedstaaten aus Afrika oder Asien
gestellt. Der Hauptanteil der Finanzierung wird jedoch von Mitgliedstaaten aus
Europa und Nordamerika getragen. Dieses Ungleichgewicht zwischen
Personalstellung und Finanzierung führt einerseits zu Spannungen bei der politischen
Steuerung der Missionen. Andererseits fehlen durch den relativ geringen Beitrag von
westlichen UN-Mitgliedstaaten gut ausgebildete Polizeifachkräfte in den Missionen.
Dabei kommt erschwerend hinzu, dass der Trend zu Polizeimissionen regionaler
Organisationen wie der Europäischen oder Afrikanischen Union weitere
Polizeifachkräfte aus UN-Missionen abzieht.
Die Anzahl der EU-Missionen mit Polizeikomponente hat in den letzten Jahren
kontinuierlich zugenommen. Startpunkt war die Übernahme der UN International
Police Task Force in Bosnien im Jahr 2003. Seitdem wurde eine EU-Polizeimission
in Mazedonien erfolgreich abgeschlossen. Momentan sind fünf Polizeimissionen der
EU im Einsatz, in Kongo, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Afghanistan und den
palästinensischen Gebieten. Auch in der EU Monitoring Mission in Georgia werden
Polizisten eingesetzt.
Um diesen gestiegenen Bedarf für Missionen der UN und EU auszugleichen ist
dringend mehr gut qualifiziertes Personal erforderlich. Dazu braucht es vor allem
ein steigendes Interesse bei den Mitgliedsstaaten, ihre Polizei für den Einsatz in UNoder EU-Missionen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus würde bei UNMissionen eine Anpassung des Status des eingesetzten Polizeipersonals (von
"nationalem Status" zu "UN-Status") aufgrund unterschiedlicher dienstrechtlicher
Vorschriften eine längere Verweildauer in den Missionen ermöglichen.
Insgesamt stehen die in UN- und EU Mandaten definierten Aufgaben in einem
Missverhältnis zu den verfügbaren Ressourcen. So nimmt die Komplexität der
Polizeiaufgaben in UN- und EU-Missionen stetig zu und reicht mittlerweile von
klassischen Beobachtungs- und Ausbildungsaufgaben bis hin zu komplexen
Restrukturierungsmaßnahmen der Sicherheitskräfte im Gastland (siehe unten). Bei
der Bereitstellung von Ressourcen ist darüber hinaus die Nachhaltigkeit von PolizeiMissionen zu beachten. Polizeientwicklung ist eine Langzeit-Aufgabe. Die für
Reform und Wiederaufbau erforderlichen finanziellen Mittel müssen langfristig, im
Idealfall über ein bis zwei Generationen, bereitgestellt werden um nachhaltige
Ergebnisse zu bewirken.
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2) Wachsende Komplexität der Mandate erfordert besser qualifiziertes Personal
Die Mandate von UN-Polizeimissionen lassen sich in drei Kategorien einteilen. Die
erste Kategorie umfasst die volle Verantwortlichkeit für alle Polizeiaufgaben, die
Mission verfügt vorübergehend über direkte Exekutivgewalt und Weisungsbefugnis
gegenüber der Polizei des Gastlandes (Beispiel: ehemalige UN-Missionen in OstTimor, Kosovo). Die zweite Mandatsstufe überträgt der UN-Polizei eine
Unterstützungsfunktion gegenüber der Polizei der Gastnation bei deren
Wahrnehmung von Polizeiaufgaben. Die UN-Mission ist hier im Rahmen der
"Sicherheitsunterstützung" auch für den Schutz von UN-Personal und Einrichtungen
verantwortlich (Beispiele: Haiti, Sudan, DR Kongo). In der dritten Mandatsstufe ist
die UN-Mission ausschließlich für den Aufbau und die Qualifizierung der Polizei der
Gastnation verantwortlich. Eine solche Polizeikomponente war und ist in vielen
Peacekeeping Operationen integriert. Die Mandate von EU-Missionen mit
Polizeikomponente sehen ebenfalls immer komplexere Anforderungen vor und
reichen von der Wahrnehmung exekutiver Aufgaben, beispielsweise im Kosovo,
über das Training der Polizei im Gastland und der Vermittlung von
Menschenrechtsinhalten bis zur Zusammenarbeit mit Justiz und Strafvollzug bei der
Reform des gesamten Sicherheitssektors.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Anforderungen an die in
internationalen Polizeimissionen eingesetzten Beamten kontinuierlich steigen.
Während anfangs vor allem noch Überwachung, Katastrophenhilfe und
vorübergehende polizeiliche Exekutivaufgaben im Vordergrund standen, so haben
sich die Aufgabenprofile immer mehr in Richtung Ausbildung, Monitoring und
Beratung bis hin zu Restrukturierung, Reform und Kapazitätsaufbau der Polizei des
Gastlandes gewandelt. Diese anspruchsvollen Beratungsaufgaben erfordern immer
besser ausgebildete Polizeifachkräfte. Dies stellt eine große Herausforderung für die
Entsendeländer im Bereich Rekrutierung und Training der Polizeifachkräfte dar. Hier
sind eine bessere Vorbereitung von (Polizei-)Personal für den Einsatz in UN- und
EU-Missionen und die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten für die Entsendung von
qualifiziertem Personal entscheidend für den Erfolg. So wird vor allem das
Führungspersonal in internationalen Polizeimissionen bisher meist nur sehr kurz auf
den Einsatz vorbereitet.
3) Integrierter Ansatz erfordert bessere Koordination zwischen allen Beteiligten
Das gewachsene Anforderungsprofil von internationalen Polizeimissionen kann nur
durch einen integrierten, ganzheitlichen Ansatz unter Einbeziehung von
Strafverfolgung, Strafvollzug, Sicherheitssektor-Reform aber auch Militär nachhaltig
umgesetzt werden.
Der Aufbau der UN-Struktur erschwert jedoch teilweise die notwendige
Zusammenarbeit im Rahmen eines integrierten Ansatzes. So ist im Department für
Peacekeeping Einsätze (DPKO) die für die Polizeikomponente in UN-Missionen
zuständige Abteilung der Hauptabteilung für Rechtstaatlichkeit und
Sicherheitsinstitutionen zugeordnet. Die militärische Komponente ist jedoch in einer
eigenen Hauptabteilung organisiert. Diese unterschiedlichen Hierarchieebenen führen
teilweise zu Spannungen zwischen militärischer und polizeilicher Dimension. Hier
bräuchte es mehr Koordination und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei allen
Akteuren.
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Auch bei Polizeimissionen der Europäischen Union ist die Kooperation mit anderen
EU-Missionen sowie von der Kommission und dem Europäischen Auswärtigen
Dienst durchgeführten Projekten noch ausbaufähig. Dies traf beispielsweise
zumindest zeitweise auf die EU Missionen im Kongo (EUPOL und EUSEC) zu.
II Finanzierung der deutschen Beteiligung an internationalen
Polizeimissionen
Die Verantwortung Deutschlands für internationale Polizeimissionen steigt weiter.
Dabei stellt die Beteiligung Deutschlands an internationalen Friedensmissionen eine
gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern dar, der sie mit ihren unterschiedlichen
Kompetenzen und Verantwortlichkeiten gerecht werden müssen. In diesem
Zusammenhang stellen sich insbesondere Fragen nach der Finanzierung der
Beteiligung an Auslandsmissionen.
Nach dem aktuellen System wird die Inlandsbesoldung weiterhin von den
entsendenden Dienststellen finanziert, die Mehraufwendungen für den
Auslandseinsatz aus dem Bundeshaushalt. Dies hat zur Folge, dass in den
entsendenden Dienststellen keine finanziellen Mittel für den Ersatz der Beamtinnen
und Beamten im Auslandseinsatz zur Verfügung stehen, was die Bereitschaft zur
Entsendung stark verringert. Zu dieser Problematik wurden zwei Lösungsansätze
diskutiert. Zum einen könnte der Bund auch für die Inlandsbesoldung der im
Ausland eingesetzten Landesbeamten aufkommen. Dazu könnten die bisher
bestehenden Haushaltstitel beim Bundesministerium des Inneren (BMI) und
Bundesministerium der Finanzen (BMF) aufgestockt und die Besoldung der
Landesbeamten im Auslandseinsatz durch das BMI übernommen werden. Dieses
Modell stieß jedoch in der Vergangenheit auf Widerstand aus einigen Ländern, da
diese ihren mit der Finanzierung verbundenen inhaltlichen Gestaltungsspielraum bei
Auslandsmissionen nicht aufgeben wollen. In diesem Zusammenhang wurde der
Einfluss der Bundesländer auf die deutsche Außenpolitik im Allgemeinen und die
Entsendepolitik der Bundesregierung für internationale Missionen im Besonderen
kontrovers diskutiert. Zum anderen könnten die gesamten Kosten der
Auslandsverwendung in EU-Polizeimissionen durch den Haushalt der
Europäischen Union (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik-GSVP)
getragen werden. Diese Regelung wäre verbunden mit der Verpflichtung
Deutschlands, sich kontinuierlich mit einer festen Personalquote an EUPolizeimissionen zu beteiligen. Da der Bund sich ebenfalls mit einer festen Quote an
den Kosten von GSVP-Missionen beteiligt, wäre über den "Umweg" der EU ebenfalls
eine vollständige Finanzierung durch den Bund gegeben. Durch diese Konstruktion
würde zusätzlich eine personelle Beteiligung Deutschlands an allen EUPolizeimissionen festgeschrieben.
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III Politische Steuerung und parlamentarische Kontrolle der
deutschen Beteiligung an Auslandsmissionen
Zentrale Aufgabe der Politik ist die grundsätzliche Entscheidung über die Beteiligung
deutscher Polizeibeamter an internationalen Polizeimissionen sowie die
Ausgestaltung des jeweiligen Mandats. In diesem Zusammenhang wurde von einigen
Teilnehmern das Engagement der Bundespolizei bei der Ausbildung von
Grenzschützern in Saudi-Arabien kritisch erwähnt. Zur nachhaltigen Zielerreichung
von internationalen Polizeimissionen sind in der Regel langfristiges Engagement,
abgestimmte Strategien und Kommunikationskonzepte erforderlich. Der Politik muss
dabei noch stärker ihre Steuerungs- und Kontrollfunktion wahrnehmen. Konsens in
der Debatte war dabei, dass für alle Missionen ein qualifiziertes Projekt-Management
Standard sein muss. Dazu gehört neben zu definierenden Zielen und „Meilensteinen“
auch ein definiertes Missionsende (Ausstiegsszenario). In diesem Zusammenhang
wurde die Forderung nach einer abgestuften Form parlamentarischer Beteiligung
positiv diskutiert.
In der Diskussion wurde betont, wie wichtig die Unterstützung der Politik für
internationale Polizeimissionen sei. Die Teilnehmer waren sich einig, dass von der
Politik bereits viel Wertschätzung gegenüber den Teilnehmern an Auslandsmissionen
zum Ausdruck gebracht werde. Allerdings sei diese Wertschätzung innerhalb der
Polizei und in der Öffentlichkeit noch nicht in gleichem Maße ausgeprägt. Die Politik
könne hier eine wichtige Kommunikationsfunktion übernehmen. Aber auch der
positiven Begleitung durch Berufs- und Personalvertretungen komme große
Bedeutung zu.
IV Herausforderungen der Rekrutierung und Personalstellung
Die Personalstellung im Rahmen der politischen Vorgaben ist im Einzelfall
schwierig. Personalreduzierungen in einigen Bundesländern, die demografische
Entwicklung des Personals und neue oder gestiegene Herausforderungen an die
Sicherheitsbehörden erschweren die Personalgewinnung für Auslandsmissionen. So
wurden bzw. werden in allen 16 Bundesländern in Deutschland insgesamt ca. 10.000
Personalstellen abgebaut und es ist mit einer deutliche Erhöhung des
Altersdurchschnitts der Polizeien zu rechnen.
Um untern diesen Voraussetzungen genügend Polizeibeamtinnen und Beamte für
Auslandsverwendungen zu gewinnen, wurde der Aufbau eines bundesweit zentralen
Personalpools, ähnlich dem Personalpool des Zentrums für Internationale
Friedenseinsätze, diskutiert. In diesem Pool würden am Auslandseinsatz interessierte
und entsprechend ausgebildete Landes- und Bundesbeamten geführt und im
Bedarfsfall angefragt werden. In der Diskussion dieses Vorschlags wurden zwei
Hauptschwierigkeiten mit der dadurch einhergehenden Generierung von
"Auslandsspezialisten" genannt. Einerseits würde bei häufigerer oder längerer
Auslandsverwendung das Rückkehrrecht in die alte Dienststelle nur schwerlich
aufrechtzuerhalten sein. Andererseits würde eine längere Auslandsverwendung die
Reintegration in den Polizeidienst in Deutschland deutlich erschweren. Stattdessen
würde ein Pool von "Exoten" geschaffen, die in Deutschland kaum mehr verwendbar
seien.
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Eine mögliche Lösung dieser Probleme wurde mit der Schaffung einer
Sonderlaufbahn für Auslandsverwendung genannt. Die so ausgebildeten,
spezialisierten Beamten würden von Anfang an als "Auslandskontingent" zusätzlich
zu den normalen Dienststellen geführt. Alternativ könnte, analog zum Mehrbedarf
durch Mutterschutz und Elternzeit, eine "Auslandsreserve" von Anfang an im
Stellenplan eingeplant werden. Die Zahl der Dienststellen würde somit stets leicht
über der geplanten Sollstärke im Inland liegen, was eine Abordnung zur
Auslandsverwendung erheblich erleichtern dürfte.
Um Personalengpässen zu begegnen wurden weitere Alternativen diskutiert. So
wurde betont, dass das Freiwilligkeitsprinzip zur Entsendung in Missionen,
insbesondere außerhalb der EU, unverzichtbar sei. Unterschiedliche Auffassungen
gab es jedoch zur Erhöhung der Flexibilität bei der Verweildauer im Auslandseinsatz
(momentan maximal 12 Monate). Die Mehrzahl der Teilnehmer sprach sich für eine
größere Flexibilität auf freiwilliger Basis aus, es gab aber auch kritische Stimmen, die
auf die Fürsorgepflicht gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten verwiesen und
eine verbindlich vorgeschriebene maximale Verweildauer befürworteten.
Eine besondere Herausforderung stelle der Mangel an geeigneten deutschen
Kandidaten für Führungspositionen in internationalen Polizeimissionen dar. Dies
habe vor allem mit dem Fehlen deutscher Polizeibeamten des höheren Dienstes zu
tun, die eine entsprechende Auslandskarriere vorweisen können. Das Studium und die
Fortbildung an der Deutschen Hochschule der Polizei müssten dem Rechnung tragen.
Derzeitige Angebote seien angesichts der gestiegenen Bedeutung und der
Herausforderungen in Auslandsverwendungen nicht ausreichend. So wäre
beispielsweise denkbar, einen besonderen Studiengang zur Auslandsverwendung
einzurichten. Ergänzend dazu könnten auch pensionierte Polizeifachkräfte für
Auslandsverwendungen angefragt werden.
V Eine Attraktivitätsoffensive für Auslandsmission deutscher
Polizeifachkräfte
Die Mehrzahl der Teilnehmer war sich einig, dass der deutsche Beitrag im Rahmen
internationaler Polizeimissionen im Allgemeinen qualitativ hochwertig und im
Ausland in hohem Maße anerkannt sei. Im Inland sei zwar eine Wertschätzung der
Politik festzustellen, jedoch genieße der Auslandseinsatz polizeiintern einen eher
schlechten Ruf. Grund hierfür seien ein verzerrtes Bild vom Auslandseinsatz als
"bezahltem Urlaub" und die Nichtwiederbesetzung von offenen Stellen, was zu einer
Mehrarbeit für die Kollegen in der Heimatdienststelle führe. Hier seien dringend eine
bessere Vermittlung der Bedeutung von Auslandseinsätzen und eine Kompensation
für abgeordnetes Personal nötig.
Über den schlechten Ruf bei der Polizei hinaus wurden zahlreiche weitere Gründe für
die mangelnde Attraktivität des Auslandseinsatzes genannt.
So seien die Karrierechancen nach der Rückkehr eher schlechter als ohne
Auslandseinsatz,
da
dieser
nicht
immer
gleichwertig
auf
die
Beförderungsmöglichkeiten angerechnet werde. Um dem nachhaltig zu begegnen,
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wäre eine Änderung des Beamtendienstrechts nötig. Dies sei allerdings ein
langwieriger und konfliktreicher Weg. Hier seien die einzelnen Bundesländer
unterschiedlich weit fortgeschritten.
Weiterhin würde die finanzielle Vergütung (e.g. Höhe der Zulagen) nicht überall den
Leistungen und Beanspruchungen entsprechen. Aber auch immaterielle Anreize
könnten verbessert werden. So wurde die in manchen Bundesländern durchgeführten
Feierstunden und Anerkennungsurkunden für Teilnehmer von Auslandsmissionen
positiv erwähnt. Die Idee von Zeitgutschriften auf einem Lebensarbeitszeitkonto,
daher die Möglichkeit einer früheren Pensionierung bei Auslandseinsätzen, stieß auf
viel
Zustimmung
bei
den
Teilnehmern.
Die
Frage
verbesserter
Beförderungsmöglichkeiten nach einem Auslandseinsatz wurde kontrovers
diskutiert. Dies wurde als zentrales Kriterium der Attraktivitätssteigerung angesehen.
Gleichzeitig wurden Schwierigkeiten bei der beamtenrechtlichen Umsetzung und
polizeiinternen Vermittlung gegenüber Beamten ohne Auslandsverwendung ins Feld
geführt.
Die Ausbildung- und Vorbereitung der deutschen Auslandsmissionsteilnehmer
wurde im Allgemeinen als eher positiv beschrieben. Allerdings könnte die
Begleitung und Nachsorge noch deutlich verbessert werden. Als positives Beispiel
wurde hier Niedersachsen genannt, das eine intensive Familienunterstützung während
des Einsatzes und eine fundierte Begleitung nach der Rückkehr anbietet.
Um das Interesse für Auslandsmissionen und damit die Personalgestellung nachhaltig
zu verbessern, wurde daher übereinstimmend eine Attraktivitätsoffensive für die
Teilnahme an Auslandsmissionen gefordert, die die oben genannten Punkte aufgreift.
VI Ausbildung, Begleitung und Nachsorge
Von Seiten verantwortlicher Ausbilder wurde der Ablauf des Auslandseinsatzes eines
deutschen Polizeibeamten vom Interesse für den Einsatz bis zur Rückkehr von einer
konkreten Mission beispielhaft dargestellt. Als wichtige Etappen wurden dabei die
Beurteilung durch den Vorgesetzten, das Bestehen des Testcenters, ein
Grundlagentraining, die konkrete Entscheidung für eine Mission, die Durchführung
der Mission und die Nachbereitung genannt.
Im Einzelnen gab es eine Diskussion zu folgenden Punkten:
Bessere Ausbildung für Auslandseinsätze:
• Die Ausbildung für Auslandseinsätze sollte fester Bestandteil der
Grundausbildung an der Polizeifachhochschule werden
• An der Deutschen Hochschule der Polizei sollte ein entsprechender
Studiengang eingerichtet werden
• Bedarf für mehr wissenschaftliche Forschungsarbeit zur Auswirkung von
Auslandseinsätzen auf Polizistinnen und Polizisten
Konkrete Vorschläge für Verbesserung Ausbildung:
• Schwierigkeit, neue Inhalte in Ausbildung für Auslandseinsätze
aufzunehmen: Ausbildung generell schon sehr lang (z.B. 4 Wochen für
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•
•
Afghanistan, mit Grundlagenausbildung insgesamt 2 Monate Vorbereitung
für teilweise nur 4 Monate Einsatz)
Sonderproblem Führerschein B: Im Gegensatz zur alten Führerscheinklasse
3 ist dieser nicht für gepanzerte Fahrzeuge in Afghanistan zugelassen, dies
führt zu teurer und langwieriger Sonderausbildung, hier bräuchte es
Ausnahmeregelung
Polizeiausbildung im Gastland setzt Kenntnisse Mentoring, Training,
Beratung voraus: Hier müsste eigentlich in der Ausbildung mehr Didaktik
und Methodik vermittelt werden, ist aber aufgrund begrenzter Dauer der
Ausbildung kaum möglich, wird im Vorfeld vorausgesetzt, aber nicht immer
der Fall
Begleitung
• Kriseninterventionsteam während Mission (1 Polizeibeamter, 1 Seelsorger, 1
Psychologe, 1 Arzt) existiert und mache erfolgreiche Arbeit
• Familienbetreuung könnte verbessert werden (positives Beispiel
Niedersachsen)
• Wichtig sei auch, Kontakt zu alter Dienststelle (auch wegen Beförderung nach
Rückkehr) durch besondere Ansprechpartner weiterhin zu ermöglichen
Defizite bei der Nachbereitung
• Nachbereitung könne in vielen Bundesländern noch verbessert werden
(momentan meist zwischen 2,5 Tage bis 1 Woche, durch missionserfahrenen
Trainer und Psychologen), insbesondere Betreuung erkannter
Problembereiche
VII Weitere Punkte
Abgrenzung Polizei - Militär
Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Aufgaben der Polizei in
Auslandsmissionen klar von denen der Streitkräfte, auch der Militärpolizei,
abgegrenzt seien. Es müsse daher die Devise gelten: Die Polizei nimmt in
Auslandsmissionen nur polizeiliche Aufgaben wahr und polizeiliche Aufgaben
werden nur von der Polizei wahrgenommen.
In diesem Zusammenhang werden auch die im Rahmen der UN aufgestellten
"Formed Police Units" kritisch gesehen. Bisher habe sich Deutschland nicht daran
beteiligt und dies sei auch nicht vorgesehen. Die deutschen Polizeien verfügten nicht
über paramilitärische Strukturen und Fähigkeiten und strebten diese auch nicht an, ein
Einsatz unter militärischem Kommando sei nicht vorstellbar.
Der Einsatz in besonders gefährdeten Gebieten setze jedoch oft eine enge
Zusammenarbeit von Polizei und Streitkräften voraus. So seien beispielsweise die
deutschen Polizeiausbilder in Afghanistan auf den Schutz der Bundeswehr
angewiesen. Daher wird auch die Zukunft des deutschen bilateralen Polizeiprojekts
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als auch von EUPOL Afghanistan nach dem geplanten Abzug der internationalen
Streitkräfte nach 2014 kritisch gesehen.
Teilweise werde in Afghanistan auch bei der Ausbildung der afghanischen Polizisten
für einzelne Ausbildungsanteile mit den Feldjägern der Bundeswehr kooperiert, dabei
werde jedoch stets die zivil-polizeiliche Leitung der Ausbildung sichergestellt.
Menschenreche in internationalen Polizeimissionen
Die Einhaltung der Menschenrechte habe beim deutschen Engagement in
internationalen Polizeimissionen oberste Priorität. Die einschlägigen Bestimmungen
des internationalen Rechts kämen hier zur Anwendung. Allerdings könne man in
vielen Einsatzländern nicht von der gleichen Durchsetzbarkeit von
Menschenrechtsnormen wie in Deutschland ausgehen. Hier sei jedoch immer das
bestmögliche Ergebnis anzustreben.
Evaluierung der Erfahrungen der Missionsteilnehmer
Die Teilnehmer waren sich weitgehend einig, dass das Ziel sein müsse, die
polizeiinterne Wahrnehmung von Auslandseinsätzen so zu ändern, dass es nicht
heiße: "Wer geht, der fehlt", sondern: "Wer wiederkommt, der bereichert".
Dabei werde jedoch momentan die Verwendung der im Ausland gewonnen
Kenntnisse stark unterschiedlich gehandhabt. Die Auswertung der von deutschen
Missionsteilnehmern gewonnenen Kenntnisse nach der Rückkehr nach Deutschland
sei eher sporadisch und nicht zentral organisiert. Zwar finde ein Debriefing im
Bereich organisierte Kriminalität (Bsp. Kosovo) teilweise statt, ansonsten sei der
Informationsfluss aber stark von den einzelnen Dienststellen abhängig.
Die Evaluierung der Missionen sei stark vom Mandatgeber abhängig. So wurden im
GPPT in Afghanistan (bilaterales deutsches Projekt) Anregungen relativ schnell,
teilweise innerhalb einer Woche, aufgegriffen. In UN-Missionen sei zwar die Zahl
der zu verfassenden Berichte relativ hoch, die Umsetzung von Feedback dauere
jedoch oft relativ lange und sei oft vom Engagement Einzelner abhängig. Eine
stärkere Systematisierung des Monitoring- und Evaluierungsverfahren könne hier
Abhilfe schaffen.
Redaktion:
Martin Albani
Büroleiter Dr. Franziska Brantner, MdEP
Europäisches Parlament
B-1047 Brüssel
[email protected]
0032 228 31575
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