Es ist Krieg! Menschenmassen schieben sich über die
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Es ist Krieg! Menschenmassen schieben sich über die
„Eisern ist die Zeit und gewaltig ist das Schicksal“ (OB Holle, 2.9.1914) Es ist Krieg! Menschenmassen schieben sich über die Kettwiger Straße, Euphorie und Aufregung sind bei der Verkündung der Mobilmachung durch Oberbürgermeister Holle am Nachmittag des 1. August 1914 deutlich zu spüren. In Essen bereitet man sich auf den Krieg vor. Bereits am 3. August werden 9000 Männer zu den Waffen gerufen – die gesamte Oberprima der Humboldt-Oberrealschule meldet sich freiwillig zum Wehrdienst. Die übrige Stadtbevölkerung unterstützt von zuhause aus. Schon am 7. August wird der sogenannte „Kriegsliebesdienst“ organisiert: Frauen leisten Krankenpflege, in den Näh- und Flickstunden der Schulen werden Arbeitsstellen eingerichtet. Trotz der optimistischen Einstellung werden Vorkehrungen getroffen, sowohl von der Stadtverwaltung, welche große Mengen an Lebensmitteln einkauft und für etwaige Zeiten der Not aufbewahrt, als auch von den Bürgern selbst, was sich im großen Ansturm auf Banken, Geschäfte und Wochenmärkte zeigt. Doch ist der „Kriegszustand“ auch unmittelbar mit Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten verbunden: So sind große Versammlungen und Ferngespräche verboten, Briefe und Telegramme ins Ausland werden kontrolliert, Gaststätten müssen früher in der Nacht schließen. Allgegenwärtig ist die Angst vor einer möglichen Inflation, sodass Münzen gehortet werden, weil man dem Papiergeld nicht mehr vertraut. Des Weiteren rüstet sich die Stadt für den Krieg und stellt Flugabwehrgeschütze an strategischen Punkten auf, unter anderem auf dem KruppHauptverwaltungsgebäude. Als „Waffenschmiede des Reiches“ verhilft Krupp der Stadt Essen nicht nur zu wirtschaftlichen Vorteilen, sondern lässt ihr vor allem eine besondere strategische Bedeutung zukommen. Soldatenaufmarsch auf der Kettwiger Straße zu Beginn des Ersten Weltkrieges Verfasser: Moritz Ahorner, Simon Schaefer, Leon Thiebes Die Stadt Essen zu Beginn des Ersten Weltkriegs Patriotische Kriegsbegeisterung „Die Erregung in der Stadt war ungeheuer. Gewaltige Menschenmassen fluteten während des ganzen Nachmittages durch die Straßen; besonders staute sich die Menge in der Gegend des Hauptbahnhofes. Ihre größte Stärke erreichten die Ansammlungen wie an den Vorabenden am Hause des R.W.Anzeigers [RheinischWestfälischer]. 20 000 Menschen warteten in fieberhafter Spannung auf die offizielle Nachricht von der Mobilmachung, die noch immer nicht eintreffen wollte.“ (Quelle: Chronik der evang. Schule Borbeck I, HdEG/Stadtarchiv) „2. August. Welch ein Tag! Wo ist die Sorge und Angst der letzten Zeit?! Wie aus Erz gegossen, trotzig und kühn, bereit Gut und Blut für die Freiheit und Größe des Vaterlandes hinzugeben, so stand das deutsche Volk stahlhart am 1. Tage nach der Mobilmachung da. Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen, wie waren sie gewachsen in Ernst und Frömmigkeit in festem Willen zum Schützen und Schirmen, zum Kämpfen und Siegen, zum Helfen, Lindern und Heilen der Wunden.“ (Quelle: Chronik der evang. Schule Borbeck I, HdEG/ Stadtarchiv) Verfasser: Moritz Ahorner, Simon Schaefer, Leon Thiebes Lebensmittelversorgung Bereits zu Beginn des Krieges hatte sich die Versorgungslage in Deutschland erheblich verschlechtert. Übliche Nahrungsmittel waren nur beschränkt vorhanden. Weiter verschärft wurde die Ernährungskrise durch die im Krieg entstandene Seeblockade, in deren Rahmen das feindliche Ausland die Zufuhr der Futtermittel für die Tiere gesperrt hatte. Auf Grund dessen wurden 1914 Höchstpreise festgelegt, die die Bevölkerung vor Überteuerung schützen sollten. 1915 kam es dazu, dass weitere Lebensmittel, wie zum Beispiel Kartoffeln und Brot, immer spärlicher wurden und es statt Kaffee und Tee minderwertige Ersatzprodukte gab. Um eine geregelte Lebensmittelversorgung zu gewährleisten, wurden Nahrungsmittel staatlich rationiert, indem ab 1915 verschiedene Bedarfskarten eingeführt wurden. Im Winter 1916/17 kam es aufgrund von Missernten zum Höhepunkt der Hungerkrise. Die durch fehlende Arbeitskräfte und den Ausfall von Kunstdünger geschwächte Landwirtschaft reagierte pragmatisch: Statt Kartoffeln und Getreide pflanzten die Landwirte Steckrüben an, da die Anzucht weniger Arbeit erforderte und sie dadurch einen höheren Gewinn erzielen konnten: Angesichts der Tatsache, dass die Steckrübe in diesem Winter zum Hauptnahrungsmittel wurde, wird dieser Winter auch als „Steckrübenwinter“ bezeichnet. Quellen / Literatur: HdEG / Stadtarchiv Essen Lemo-online (dhm.de/lemo/html/wk1: Stand: 04.01.2014) Verfasserinnen: Esma Aydin, Alina Dathaeva, Nadia Helaoui Tagebuch Otto Franzmann (Auszüge) Aus der evangelischen Volksschulchronik Borbeck I „… Leider stellte sich im 2. Kriegsjahre im ganzen Lande eine vollständige Kartoffelmißernte ein, so daß der Winter 1916/17 - was Ernährung anbetrifft - der Steckrübenwinter genannt werden kann. Wie weit der Kartoffelmangel - von der Mißernte abgesehen - dem unverzeihlichen Eigennutz der Landwirte zu Last fällt, soll hier nicht untersucht werden. Tatsache ist, daß die Bauern eine Unmenge Steckrüben angepflanzt hatten, weil die Anzucht weniger Arbeit erfordert, u. sie an ihnen mehr als am Kartoffelbau verdienten. Eine Milderung der Ernährungskalamität war unmöglich. … … Lehrerinnen mußten [die] Zubereitung der Steckrüben in einem Kursus in Essen lernen, dann in der Schule Kinder und Mütter mit dem Gelernten bekannt machen. Trotz alledem stieg die Ernährungsnot im Winter 16/17 in den Städten bedenklich; wer nur von dem leben mußte, was ihm die Stadt lieferte, war zu bedauern.“ Quellen: HdEG / Stadtarchiv Essen Verfasserinnen: Esma Aydin, Alina Dathaeva, Nadia Helaoui Jugendwehr Mit Beginn des Ersten Weltkrieges erlangten die „Jugendwehren“ größere Bedeutung und wurden entsprechend staatlich gefördert: Jugendliche, die zum Beitritt bereit waren, wurden entlastet, etwa durch den Dispens von Hausaufgaben an Übungstagen. Es wurden Jugendkompanien gebildet, die von ehemaligen Offizieren oder Lehrern geleitet wurden. Hauptziel war es, die Jugendlichen kriegstauglich zu machen. Die Ausbildung an der Waffe war strengstens untersagt. Auch in der Stadt Essen war anfänglich die Begeisterung unter den Jugendlichen groß. Im September 1914 besuchten 2000 Jugendliche eine Info-Veranstaltung zu den „Jugendkompanien“. Tatsächlich bildeten sich jedoch Anfang 1915 nur acht städtische Jugendkompanien à 150 Mann. Als Gründe der Nichtteilnahme wurden Konflikte mit der Geistlichkeit bezüglich der Teilnahme an Gottesdiensten, Schichtdienst der katholischen Bergarbeiter und ein allgemein geringes Interesse der Schüler höherer Schulen genannt. Essen, d. 13/3.15 Herrn Beigeordneter Selbach; hier, Sehr geehrter Herr Beigeordneter. Sammelbilder zum Thema „Jugendwehr“ der Schokoladenfirma Stollwerck (1915). Bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Sammelbilder als Werbeund Propagandamittel eingesetzt und beim Kauf alltäglichen Produkten beigegeben. Brief des Direktors des Gymnasiums Rüttenscheid, Friedrich Meese vom 13.3.1915. Er verdeutlicht anschaulich die unterschiedlichen Interessenslagen von Schule und Militär sowie die daraus erfolgenden Konflikte. Quellen/Literatur: HdEG / Stadtarchiv „Jugendwehr“ (wikipedia, Stand: 02.01.2014) Mein Religionslehrer, mit dessen entgegenkommender Zustimmung ich alle katholischen Teilnehmer an der Jugendwehr vom Schulgottestdienst befreit hatte mit einziger Ausnahme des alle 6 Wochen stattfindenden gemeinschaftlichen Kommunionstages, teilt mir mit, ein Oberleutnant habe den Jungen gesagt, wenn jemand an diesem Tage in der Jugendwehr fehle, werde er davon ausgeschlossen. Es sei genug, wenn sie überhaupt alle 4 Wochen zur Kirche gingen. Der Herr weiß offenbar nicht, daß die Katholiken jeden Sonntag zum Kirchenbesuch kirchlich verpflichtet sind. …Ein anderer Offizier bestellt seine Jungen durch die Zeitung um 7 3/4 an das Landgericht, statt wie mit der Geistlichkeit abgemacht, um 8 1/2 Uhr anzurücken. Solche Vorkommnisse würden die Schwierigkeiten … nur vermehren und denen, welchen die Jugendwehr nicht sympathisch ist, ihren Widerstand nur erleichtern, was ich im Interesse der Sache sehr bedauern würde. Vielleicht finden Sie einen geeigneten Weg zur Abhülfe. Mit freundlichem Gruße Ihr ergebener Meese Verfasser: Illja Bludov Gefallene des Burggymnasiums Kurz vor Beendigung des Projektes wurden im Keller des Burggymnasiums vier Fotoalben gefunden, die neben Klassenfotos aus der Kaiserzeit auch die hier dokumentierten Fotos gefallener Schüler aus dem Ersten Weltkrieg enthalten. Werner Löhr Abitur 1914 – gefallen am 22.12.1917 im Luftkampf Otto Holtzhausen Abitur 1915 – gefallen am 30.7.1915 bei Regovice August Padberg Abitur 1914 – gefallen am 11.9.1915 bei Stopari Heinrich Knipprath Abitur 1918 – gefallen am 7.6.1918 bei Péronne Theo Rohlfing Abitur 1914 – gefallen am 3.4.1916 bei Verdun Josef Grüning Abitur 1915 – gefallen 1917 bei Dünaburg Heinz Ribbeck Abitur 1914 – gefallen am 19.11.1914 bei Ypern Heinrich Leggewie (Lehrer) wiss. Hilfslehrer am Burggymnasium (1910), später Studienrat am Gymnasium in Altenessen gefallen am 25.5.1917 in Frankreich Hans Volk Abitur 1914 – gefallen im September 1916 an der Somme Willy Spans Abitur ? – gefallen am 27.4.1915 bei Ypern Wilhelm Weigle Abitur ? – vermisst seit Mai 1915 in der Nähe von Arras Immanuel Weigle Abitur 1914 – gefallen im Oktober 1915 bei Arras Heinrich Ellerkmann Abitur 1914 – gefallen am 25.9.1915 bei Le Mesnil Verfasser: Paula Goczick, Robert Tavornik Das königliche Gymnasium am Burgplatz Im Jahr 1824 als „königlich-preußisches Gymnasium“ gegründet, wurde die humanistisch ausgerichtete Jungenschule abwechselnd von einem protestantischen und einem katholischen Direktor geleitet. Obwohl die Essener Schullandschaft um die Jahrhundertwende einige Alternativen bot, blieb das älteste Gymnasium der Stadt vor allem in katholischen Kreisen sehr beliebt. Die Schülerzahl stieg im Jahr 1913 auf über 600. Bereits am 2. August 1914 wurde das Schulgebäude für eine Woche von Wachmannschaften bezogen, weshalb das Schuljahr vorzeitig beendet werden musste. Am 3. August wurden die Schüler des Abschlussjahrgangs „Notreifeprüfungen“ unterzogen. Alle bestanden und traten unmittelbar danach mit elterlicher Zustimmung ins Heer ein. Die jüngeren Schüler beteiligten sich am „Kriegsliebesdienst“: Sie halfen den Truppen an den Bahnhöfen und beteiligten sich an der Herstellung von Weihnachtspaketen. In Erste-Hilfe-Kursen lernten die Jugendlichen, Verwundete zu versorgen. In den letzten beiden Monaten des Jahres 1914 wurde zudem durch viele erfolgreiche Einzelaktionen Geld gesammelt. So wurde am landesweiten „Liebesgabentag“ (21. November) in der Aula ein musikalischliterarischer Abend gestaltet. Es konnten über 500 Mark eingenommen werden. Das Gymnasium verfügte über mehrere „Schülervereine“, wie die Ruderriege, die noch heute Bestandteil des Schulprogrammes ist. Diese beteiligten sich ebenfalls an den Hilfsaktionen. So fanden im literarischen Verein regelmäßig Leseabende statt. Vorgetragen wurde oft aus klassischen Werken. Das hier eingenommene Geld kam großenteils karitativen Zwecken zugute. Dreizehn Lehrer und neun Seminarkandidaten fielen durch ihren Heeresdienst in den folgenden Jahren aus. Von ihnen starben vier. Starke Kürzungen des Unterrichtsbetriebes waren während der Kriegsjahre an der Tagesordnung. Das Direktorat übernahm nach einjähriger Vakanz im Herbst 1917 der Lehrer Dr. Brandt, der nach einer schweren Verletzung nicht mehr kriegstauglich war. 250 Schüler verließen zwischen 1914 und 1918 die Schule, um ins Heer einzutreten. Insgesamt forderte der Krieg das Leben von 109 Schülern, die sich entweder freiwillig gemeldet hatten oder einberufen worden waren. Über die Haltung der Schülerschaft in der Kriegszeit schreibt Lehrer Dr. Ribbeck , dessen Sohn Heinz am 19. November 1914 als erster Schüler des Gymnasiums gefallen war, im Rückblick: „An unsern Schülern haben wir in dieser Zeit herzliche Freude gehabt; von einer Verwilderung haben wir auch bei denjenigen, deren Väter lange im Felde standen, kaum etwas gemerkt; die schwere Hungerzeit haben auch die Kleinen ohne Murren, wenn auch nicht ohne ernsten Schaden an ihrer Gesundheit ertragen.“ (Festschrift 1924, S. 115) Quellen/Literatur: HdEG / Stadtarchiv Essen Festschrift zur Jahrhundertfeier des Gymnasiums am Burgplatz in Essen. Essen 1924. Verfasser: Paula Goczick, Robert Tavornik Luisenschule Die spätere Luisenschule wurde 1866 als erste evangelisch geprägte höhere Mädchenschule Essens mit 100 Schülerinnen und 18 Lehrkräften gegründet. Zunächst war auch hier die Stundentafel sehr eingeschränkt, so fehlten Mathematik, Biologie und Turnen ganz und Englisch war kein Pflichtfach. Die übrigen Naturwissenschaften waren nur spärlich ausgestattet. Damit konnte den Anforderungen des aufblühenden Industriestandortes auf die Dauer kaum Rechnung getragen werden. Erst die staatlichen Reformen erlaubten es, die Ausbildungsgänge auszubauen: 1901 wurden für die Absolventinnen der Schule „realgymnasiale Fortbildungskurse“ eingerichtet, 1903 wurde Latein in den Fächerkanon aufgenommen. Die Schule erfreute sich nun wachsender Beliebtheit - zu Beginn des neuen Schuljahres besuchten 829 Schülerinnen die Schule - , sodass ein Neubau geplant werden musste. Zur Vorgeschichte der Mädchenbildung Bis ins 20. Jahrhundert hinein blieb die Ausbildung der Mädchen und jungen Frauen beschränkt und war vorrangig auf deren spätere Aufgabe als „Ehefrau und Mutter“ ausgerichtet. Erst 1894 reagierte der Deutsche Staat auf Forderungen der Frauenbewegung mit Reformen, die jedoch noch immer auf eine vorwiegend „sprachlich-ästhetische“ Bildung der Mädchen abzielten. 1908 folgte eine zweite, umfassendere „Mädchenschulreform“, welche die Ausbildung von Lehrerinnen am „Oberlyzeum“ ebenso regelte wie die Zulassung der Schülerinnen zu Abitur und Studium. Das neu errichtete Gebäude am Bismarckplatz bezog man im Jahr 1906. Doch eine höhere Mädchenschule war für die bevölkerungsreiche Stadt Essen längst nicht mehr ausreichend. So wurde der Direktor mit dem Aufbau der Viktoriaschule betraut, die 1912 gegründet wurde. In diesem Zuge benannte man die „Mutterschule“ am Bismarckplatz im Jahr 1912 nach der Königin Luise von Preußen. Sie umfasste als „Lyzeum“ neben der höheren Mädchenschule auch ein Seminar zur Lehrerinnenausbildung sowie eine „Frauenschule“, in der technische Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen ausgebildet wurden. Quelle: Festschrift 1926, HdEG/Stadtarchiv Verfasserin: Laura Basiak Die Luisenschule im Ersten Weltkrieg Patriotisches Engagement bewies das Kollegium von Anfang des Krieges an. So sammelte man aus den eigenen Reihen 1914 für das Rote Kreuz 1500 Mark. Doch es war vor allem der persönliche Einsatz der Lehrerin Marie Werth für den „Kriegsliebesdienst“, der die folgenden Jahre prägen sollte. Die Schülerinnen verpflegten in dieser Zeit die durchziehenden Soldaten im Rahmen des „Bahnhofsdienstes“ mit Proviant, veranstalteten Konzerte wie dramatische Aufführungen, verfassten Briefe, gestalteten kleine Journale und sammelten Liebesgaben. „Die Schule sandte große Frachtstücke nach Ostpreußen in die besonders gefährdeten und verwüsteten Provinzen, hauptsächlich Kleidungsstücke, Spielsachen, Ausrüstungssachen für die Erstlinge (von den Frauenschülerinnen verfertigt), Hausgerät, Wäsche, Stoffe, Bettzeug, Bücher für die sog. Fliegenden Büchereien im Felde, Wein und dergleichen.“ (Festschrift, S. 8) Viele Dankesbezeugungen sind überliefert. Außerdem halfen die Mädchen auch in den Essener Krankenhäusern und in armen Familien aus. Sie legten einen Schulgarten an, der der Versorgung der Bevölkerung diente. Daneben erwarben sie im Verlauf des Krieges staatliche Kriegsanleihen im Wert von 500 000 Mark, die von Privatgeldern finanziert wurden. Einem Brief aus dem Jahr 1916 kann man entnehmen, dass auch Beträge, die eigentlich für Lehrmaterial genutzt werden sollten, in die Finanzierung flossen. Sie sollten nach Gewinn des Krieges zurückerstattet werden. Quellen / Literatur: HdEG / Stadtarchiv Essen „Heilig ist die Jugendzeit“. Festschrift zum 60-jährigen Bestehen der Luisenschule Essen. Oberlyzeum und Frauenschule. 1866 – 1926. Essen 1926. Mitteilungsblatt Nr. 8 des Altschülerinnenbundes der Luisenschule Essen. „125 Jahre Luisenschule 1866-1991“. Festschrift, Essen 1991. Verfasserin: Laura Basiak „Kriegsliebesdienst“ Da es den Soldaten während des Ersten Weltkrieges in den Lazaretten und auf den Feldern an staatlichen Ressourcen mangelte, rief der Staat die Bürger zu ihrer Unterstützung auf. Menschen, die nicht am Krieg teilnahmen, hatten so die Möglichkeit, ihre Truppen mittels Spenden zu unterstützen. Weite Kreise der Bevölkerung beteiligten sich an dieser Aufgabe, die sie als ihre patriotische Pflicht empfanden. Eine besondere Rolle kam dabei den Schulen zu. Die Spenden wurden in eigens eingerichteten Sammelstellen zusammengetragen und sowohl an die Front, als auch in die Lazarette verschickt. Diese Pakete bestanden aus den verschiedensten Arten von Sachspenden und trugen den Namen „Liebesgaben“. Dabei handelte es sich aber nicht nur um Geldspenden, Nahrungsmittel, warme Kleidung, Bücher und weitere nützlichen Dinge für die Soldaten, sondern auch um eigens angefertigte handliche Gaben zur seelischen Aufmunterung der Soldaten. Hierbei konnte es sich zum Beispiel um persönliche Briefe oder von Schülern selbstgestaltete Bilderbücher handeln. In der Stadt Essen wurde bereits am 7. August 1914 der „Kriegsliebesdienst“ initiiert. Oberbürgermeister Holle rief auf der Versammlung dazu auf: Deckblatt eines Liebesgabenbuches „Wir Zurückbleibenden wollen uns mit ganzer Kraft für die Erhaltung unseres deutschen Volkes brüderlich verbinden mit den Tapferen draussen, wollen durch Kriegsliebesdienst ihren Kampf erleichtern, ihre Wunden und Schmerzen heilen, für ihre Familien sorgen.“ Koordiniert wurde der Kriegsliebesdienst vom Büro des Roten Kreuzes in der Burgstraße aus. Die Bürger der Stadt Essen, insbesondere auch Vereine und Schulen, beteiligten sich rege an den Sammlungen. Die Volksschulen der Stadt dienten als Sammelstellen für die Liebesgaben. Eine besondere Rolle kam den Mädchenschulen zu. Erhalten sind zahlreiche Zeugnisse des Engagements der Schülerinnen der Luisenschule: Sie schickten Bücher, Collagen und Briefe. Außerdem richteten sie einen „Kriegsgemüsegarten“ in der Geibelstraße ein. Quelle: HdEG/Stadtarchiv Verfasser: Jan Bednarzik, Sergi Cardo-Broich Marie Werth Die Bereitstellung von „Liebesgaben“ Marie Werth, Lehrerin an der Luisenschule zur Zeit des Ersten Weltkrieges, war maßgeblich an der Anfertigung von Liebesgaben beteiligt. Sie unterstützte damit die ostpreußische Stadt Tapiau und Soldaten in der ehemals russischen Stadt Grodno. Aufgrund ihres Engagements mit Schülerinnen der Luisenschule ist eine genauere Betrachtung ihrer Person und Tätigkeit lohnenswert. Lebenslauf *25.03.1878 in Valbert, Kreis Altena (bei Olpe) †16.01.1937 in Essen Konfession: evangelisch Familienverhältnis: ledig Schulbildung: Von 1884 bis 1888 besuchte Marie Werth die Volksschule. Anschließend setzte sie ihre Schulbildung bis 1894 auf der höheren Töchterschule fort. Beruflicher Werdegang: Von 1903 bis 1904 nahm sie an einem Seminar für angehende Lehrer in Wolfenbüttel teil und schloss dieses am 28.04.1904 mit der Prüfung als Turn- und Handarbeitslehrerin ab. Zunächst arbeitete sie von 1905 bis 1906 an der städtischen höheren Mädchenschule in Duisburg und wechselte danach für sieben Monate an die städtische höhere Mädchenschule in Essen. Nach ihrer Vereidigung am 08.01.1907 in Essen, war sie bis zum Jahre 1935 als Lehrerin und später Oberlehrerin an der Luisenschule in Essen tätig. Marie Werth: Mitglied des Lehrerkollegiums der Luisenschule, 1926 Quelle: HdEG/Stadtarchiv Verfasserinnen: Anna-Li Hanneforth, Kierdana Nanthakumar, Meike Zepp Tapiau Die heute russische Stadt Gwardeisk gehörte zur Zeit des Ersten Weltkrieges zur Provinz Ostpreußen. Ein russisches Artilleriefeuer zerstörte zu dieser Zeit große Teile der Stadt, sodass diese auf Hilfe angewiesen waren. Deshalb ging Essen eine Städtepartnerschaft mit Tapiau ein. Marie Werth setzte sich in diesem Zusammenhang für Spenden an ein Tapiauer Säuglingsheim ein. In den nachfolgenden Briefen bedankt sich die Frau des Tapiauer Bürgermeisters Wagner für die Hilfe von Marie Werth. Transkription: Brief von Frau Wagner an Marie Werth vom 5.2.1916 Tapiau, 5 Februar 1916 Sehr geehrtes Fräulein Werth, leider bin ich durch soviel schriftliche // Arbeiten und persönliche Angelegen- // heiten in Anspruch genommen // gewesen, daß ich zuerst heute // auch Ihnen herzlichen Dank für // die Zusendung der reizenden // Kinderausstattungen für unseren // Verein ausspreche. Ich habe an die Direktorin // Fräulein Anna Schulze eine Tapiauer Zeitung geschickt, in // welcher wir öffentlich unseren // Dank ausgesprochen haben. // Der kleine Artikel wird Ihnen // Zeigen, wie sehr Sie unsere // Lieben Kleinen erfreut haben. // Ich habe nur den einen Wunsch, // unsere heranwachsenden Mädchen // könnten hier ebenso zu solch // nützlicher Arbeit herangebildet // werden. Mit freundlichem Gruß Frau Bürgermeister A. Wagner Brief von Frau Wagner an Marie Werth vom 5.2.1916 Zeitungsfoto Tapiauer Kinder, die Liebesgaben von Fräulein Werth erhielten Quelle/Literatur: HdEG/Stadtarchiv, wikipedia (wikipedia.de/wiki/gwardeisk, Stand: 23.01.14) Verfasserinnen: Anna-Li Hanneforth, Kierdana Nanthakumar, Meike Zepp Grodno Die heute weißrussische Stadt Hrodna liegt an der Memel im Grenzgebiet von Polen und Litauen. Zur Zeit des Ersten Weltkrieges gehörte die zunächst russische Festung zum östlichen Kriegsschauplatz und war von 1915 bis 1919 von deutschen Truppen besetzt. Marie Werth versorgte die deutschen Soldaten in Grodno mit verschiedensten Liebesgaben, die von ihr und ihren Schülerinnen erstellt wurden. Als Dank für ihre Spende bekam Marie Werth Post von der katholischen Ordensschwester Augusta, die deutsche Soldaten in Grodno beherbergte und versorgte. Transkription: Brief von Schwester Augusta an Marie Werth vom 23.11.1915 Grodno, 23.11.15 Sehr geehrtes Fräulein! Meinen herzlichen // Dank für die große Spende. // Es ist alles ziemlich gut // angekommen. Augenblick- // lich habe ich Soldaten, die // das alles gut brauchen // können. Morgen müssen // einige wieder zur Front, da // freue ich mich, dass // ich jedem ein Päckchen // zurecht machen darf. // Einige Sachen habe ich // schon verteilt, die Freude // müssten Sie sehen. // Sonntag werde ich nach // dem Mittagsbrot, den // Wein verteilen, dass // wird eine Freude // geben. Leider kann// ich nicht allen Spenderinnen // meinen Dank schreiben, da man viele Adr. // nicht mehr lesen kann. // Wollen Sie bitte so freund- // lich sein und allen meinen // Dank aussprechen, auch // von allen Soldaten. // Gebe Gott, dass der Krieg // bald ein Ende nehme. // Wer hätte von uns ge- // dacht, dass wir die zweiten // Weihnachten im Felde // zubringen müssten. // Leider haben wir schon einige Schwestern ver- // loren, darunter auch un- // sere Schwester Oberin.// Hoffentlich sind die // vielen Opfer, die der Krieg // gekostet hat, nicht ver- // gebens und das Deut-// sche Volk nach dem // Krieg wieder mehr an // Gott glaubt, dass es // auch Frieden unter // den Menschen ist. Nochmals herzlichen // Dank für alles Mit bestem Gruß, auch allen Spenderinnen Brief von Schwester Augusta an Marie Werth vom 23.11.1915 Schwester Augusta Blum Postkarte: „Blick auf die Memel“ Quelle/Literatur: HdEG/Stadtarchiv, Hubert Ochsler; Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg 1914-18, (deutschland14-18.de, Stand: 28.11.2013, 15:30) Wikipedia (wikipedia.de/wiki/hrodna, Stand: 23.01.14) Verfasserinnen: Anna-Li Hanneforth, Kierdana Nanthakumar, Meike Zepp Hans Gummert Hans Gummert (21.09.1896-30.10.1914) stammte aus einer wohlhabenden Essener Familie. Sein Vater, Ludwig Gummert, war Gründer der Städt. Frauenklinik und Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Sohn Hans besuchte das Helmholtz-Realgymnasium. Der sportliche Junge entwickelte, laut Aussage seiner Eltern, früh den Wunsch, Berufssoldat zu werden. So meldete er sich unmittelbar nachdem er am 2. August 1914 sein Notabitur abgelegt hatte, freiwillig zum Kriegsdienst. Nach seiner Grundausbildung in Frankfurt an der Oder wurde Gummert am 9. September 1914 in Düsseldorf stationiert und zog von dort als Fahnenjunker an die Westfront. Bereits am 30. Oktober fiel er in einer Schlacht im nordfranzösischen Bailly an der Aisne. Zu seinen Eltern hatte er während der gesamten Zeit Briefkontakt gehalten. Sie ließen nach seinem Tod ein Erinnerungsbuch für den Freundeskreis veröffentlichen, in dem auch zahlreiche dieser Schreiben abgedruckt sind, die für die Situation der jungen Soldaten als exemplarisch gelten können. Die Familie Gummert richtete zudem im Jahr 1916 eine Stiftung unter seinem Namen ein, die bis in die 1990er Jahre selbständig existierte. Da Hans Gummert ein leidenschaftlicher Ruderer gewesen war, wurde die Stiftung der Unterstützung überzeugter und qualifizierter Ruderer gewidmet. Todesanzeige vom 3. November 1914 im Essener Generalanzeiger Erinnerungsblätter an den Fahnenjunker Hans Gummert, Essen-Ruhr 1914 Quellen: HdEG / Stadtarchiv Essen Verfasser: Abraham Dushaj, Bedirhan Edizer Persönliche Aufzeichnungen im Ersten Weltkrieg Tagebücher aus der Zeit des Ersten Weltkriegs bieten einen Einblick in den Alltag der Menschen – ob nun den der Soldaten an der Front oder den der Zivilbevölkerung. Auch Fotografien und Postkarten aus dieser Zeit vermitteln Eindrücke von der Grausamkeit des Krieges. Die Sorgen und Nöte, aber auch der lange ungebrochene Patriotismus der Verfasser lassen sich aus ihnen entnehmen. Die Aufzeichnungen halfen, die Umstände und die Atmosphäre der damaligen Zeit festzuhalten und auch Kriegserlebnisse zu verarbeiten. Im Stadtarchiv befinden sich einige Exemplare, so auch das Tagebuch von Otto Franzmann. Otto Franzmann - Tagebuch aus der Sicht eines Kindes (Original: siehe Vitrine) Das Tagebuch des Otto Franzmann gehört nicht zu den „typischen“ Kriegstagebüchern. Es ist nicht von einem Soldaten oder Offizier, sondern von einem zu Beginn erst 13-jährigen Jungen verfasst worden. Daher basiert es auf rein persönlichen Erlebnissen in seiner Heimatstadt. Es umfasst Einträge aus dem Januar 1916, dem Januar - Mai 1917 und schließt mit dem Jahr 1921 ab. Otto Franzmann war ein ganz gewöhnlicher Schüler einer Essener Schule. Er lebte mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder Heinrich in Essen in der Barthel-Bruynstr. 46. Sein Vater war Rektor der evangelischen Volksschule XV (Cranachschule). In seiner Freizeit besuchte Otto den Chor des Essener Musikvereins, welcher heute auch als „Philharmonischer Chor Essen“ bekannt ist, und spielte gerne mit seinen Zinnsoldaten. Sein Bruder war Soldat im Ersten Weltkrieg, wodurch Otto unmittelbar mit dem Thema Krieg konfrontiert wurde. Anhand seiner Aufzeichnungen lassen sich die Kriegssituation der damaligen Zeit und somit auch die Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Personen aus der Sicht eines Kindes nachverfolgen. Das lässt den Krieg oft harmlos wirken, fast spielerisch; eben aus der naiven Perspektive eines Kindes gesehen. Siegessicherheit und Patriotismus der Deutschen werden durch diese Aufzeichnungen ebenso deutlich wie die Nahrungsmittelknappheit im Steckrübenwinter 1916/17. Verfasserinnen: Marlene Boehm, Clara Stein Quellen: HdEG / Stadtarchiv Paul Maik Paul Maik in Uniform Paul Maik wurde am 24. September 1891 in Golzau geboren und starb am 29. August 1978 in Essen. Maik arbeitete bis 1908 als Landhelfer bei Bauern in Golzau. Dann zog er nach Essen und arbeitete bei Krupp. Von 1911 bis 1913 leistete er in Lothringen seinen Wehrdienst ab. Im Zuge der Mobilmachung wurde Maik von der Werkbank weg eingezogen und kam zunächst an die Westfront. Im Krieg wurde er mehrmals verwundet. Jahrzehnte später diktierte er seinem Sohn seine „Kriegserinnerungen“. Diese erlauben es, seinen militärischen Werdegang zu rekonstruieren. Zudem hinterließ Maik ein umfangreiches Konvolut von Fotografien und Feldpostkarten aus der Zeit. Nach dem Krieg arbeitete er wieder bei Krupp. Am 17. Mai 1919 heiratete er die Essener Näherin Franziska Galewski. Am 2. Juni 1920 wurde ihr Sohn Franz geboren. Paul Maik arbeitete bis 1957 bei der Firma Krupp. Wege eines Soldaten Wie so viele andere Soldaten reiste auch Paul Maik in seinen Dienstjahren als Soldat viel umher. Seine Stationen sind auf der Karte gekennzeichnet. Seine erste Fahrt führte ihn 1915 von seiner Heimatstadt Essen zum Priesterwald (1), welcher zum französischen Waldgebiet Pont-à-Mousson gehört. Dieser Wald war in den ersten Julitagen Schauplatz schwerer Kämpfe. Heute befindet sich dort der Deutsche Heldenfriedhof. Im Februar des Jahres 1915 reiste er nach Chaulnes (2), einer französischen Gemeinde. Im Juni wurde er zurück nach Deutschland nach Baden-Baden (3) beordert. Im April 1916 fuhr Paul Maik zurück nach Frankreich, diesmal jedoch zu der französischen Gemeinde Beuvillers (4). Im Sommer des Jahres 1917 war er in Russland (5) stationiert. Dieses verließ er jedoch wieder im Winter 1917 und sein Weg führte ihn erneut nach Frankreich zum Reservelager St. Mihiel (6). Da er sich im Sommer 1918 jedoch bereits im Reserve-Lazarett befand, ist davon auszugehen, dass er nicht an der Schlacht von St. Mihiel (12. September- 15. September 1918) teilgenommen hat. Diese Reserve-LazarettOrganisation war eine sanitätsdienstliche Einrichtung des Deutschen Heeres. Seine letzte Station liegt in Polen: Schreiberhau im Riesengebirge (7). Die genaue Aufenthaltszeit ist hier jedoch nicht bekannt. Quelle: HdEG/Stadtarchiv (Quelle: http://www.dhm.de/lemo/objekte/ karten/1916/karte1916%2B.gif, Stand: 29.12.2013) Verfasserinnen: Marlene Boehm, Clara Stein