Verträglichkeit des Kraftwerksneubaus Datteln mit den
Transcrição
Verträglichkeit des Kraftwerksneubaus Datteln mit den
Gutachten Verträglichkeit des Kraftwerksneubaus Datteln mit den Klimaschutzzielen des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen Für die EON Kraftwerke GmbH Matthias Deutsch, PhD Marcus Koepp Berlin, April 2011 27078 Das Unternehmen im Überblick Geschäftsführer Christian Böllhoff Präsident des Verwaltungsrates Gunter Blickle Berlin HRB 87447 B Rechtsform Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht Gründungsjahr 1959 Tätigkeit Prognos berät europaweit Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik. Auf Basis neutraler Analysen und fundierter Prognosen werden praxisnahe Entscheidungsgrundlagen und Zukunftsstrategien für Unternehmen, öffentliche Auftraggeber und internationale Organisationen entwickelt. Arbeitssprachen Deutsch, Englisch, Französisch Hauptsitz Prognos AG Henric Petri-Str. 9 CH - 4010 Basel Telefon +41 61 32 73-200 Telefax +41 61 32 73-300 [email protected] Weitere Standorte Prognos AG Goethestr. 85 D - 10623 Berlin Telefon +49 30 520059-200 Telefax +49 30 520059-201 Prognos AG Wilhelm-Herbst-Straße 5 D - 28359 Bremen Telefon +49 421 2015-784 Telefax +49 421 2015-789 Prognos AG Schwanenmarkt 21 D - 40213 Düsseldorf Telefon +49 211 887-3131 Telefax +49 211 887-3141 Prognos AG Avenue des Arts 39 B - 1040 Brüssel Telefon +32 2 51322-27 Telefax +32 2 50277-03 Prognos AG Sonnenstraße 14 D - 80331 München Telefon +49 89 515146-170 Telefax +49 89 515146-171 Prognos AG Werastraße 21-23 D - 70182 Stuttgart Telefon +49 711 2194-245 Telefax +49 711 2194-219 Internet www.prognos.com Inhalt Zusammenfassung 1 1 Aufgabenstellung und Vorgehensweise 4 2 Verträglichkeit des Projektes mit den Klimaschutzzielen des Bundes und des Landes NRW 5 2.1 Internationale und nationale Verpflichtungen 3 6 2.1.1 Kyoto-Protokoll 6 2.1.2 Lastenteilung innerhalb der EU 7 2.1.3 EU-Emissionsrechtehandel 8 2.1.4 Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz in Deutschland 10 2.1.5 Nationaler Allokationsplan und Zuteilungsgesetz 10 2.1.6 Die Zukunft des EU-Emissionshandels 13 2.2 Ziele der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen 15 Quantitativer Beitrag des Kraftwerksneubaus Datteln zur Erreichung der klimapolitischen Ziele des Landes NRW 17 Literaturliste 23 Abbildungen Abbildung 1: Aufteilung des gesamten Emissionsbudgets für 2008 bis 2012 im nationalen Allokationsplan für Deutschland 11 Abbildung 2: Effizienzvorteile und spezifische CO2-Einsparungen des Kraftwerksneubaus Datteln 19 Tabellen Tabelle 1: Vorgaben im Kyoto-Protokoll und der EU-Lastenteilung 8 Tabelle 2: Vorgaben im Emissionshandelssystem der EU 10 Tabelle 3: Vorgaben im Zuteilungsgesetz 13 Tabelle 4: CO2-Einsparungen durch den Kraftwerksneubau Datteln 20 I Zusammenfassung Dieses Gutachten prüft, ob der Kraftwerksneubau Datteln den Klimaschutzzielen Deutschlands oder denen des Landes Nordrhein-Westfalen entgegen steht. Um eine Bewertung vornehmen zu können, werden quantitative Emissions-Ziele sowie deren Mechanismen zur Zielerreichung aufgezeigt. Folgende rechtliche Rahmenbedingungen sind maßgeblich für die Beantwortung der Fragestellung: Quantitative Ziele für Treibhausgasemissionen in Deutschland ergeben sich grundsätzlich aus dem KyotoProtokoll, daran anknüpfenden EU-Vorgaben und insbesondere dem deutschen Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz [Bund 2004] und dem Zuteilungsgesetz über die Emissionszertifikate [Bund 2007a]. Aus den beiden deutschen Gesetzen ergibt sich, dass Anlagen des Energiesektors mit mehr als 20 MW Feuerungswärmeleistung in Deutschland für den Zeitraum 2008 bis 2012 Emissionsrechte zum Ausstoß von insgesamt maximal 442,07 Mio. t KohlendioxidÄquivalenten pro Jahr zugeteilt werden. Diese Zuteilung stellt eine anfängliche Ausstattung mit Emissionsrechten dar, die sukzessive verringert wird. Der grundlegende Mechanismus zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele ist der EU-Emissionsrechtshandel (ETS). Mit dem ETS wird eine Emissionsverringerung zu geringstmöglichen Kosten für alle Beteiligten angestrebt. Die dahinter stehende Idee lautet, dass es irrelevant ist, an welchem Ort in der EU die Treibhausgasemissionen verringert werden, da diese nicht lokal, sondern global wirksam sind. Der Emissionshandel legt ein Gesamt-Emissionsbudget für alle ETSpflichtigen Anlagen aus den Sektoren Energie und Industrie fest, welches für die EU insgesamt eingehalten werden muss. Mit der für die Zukunft vorgegebenen Senkung dieses ETS-Gesamtbudgets können die einbezogenen Anlagen in Summe zunehmend weniger Treibhausgase ausstoßen. Benötigen also deutsche oder andere einbezogene Anlagenbetreiber für den tatsächlichen Einsatz ihrer Anlagen mehr Emissionsrechte, als ihnen ursprünglich zugeteilt wurden, so können sie im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems zusätzliche Emissionsrechte hinzukaufen. Voraussetzung hierzu ist, dass die gesetzlich vorgeschriebene Emissionsvermeidung in einer anderen Anlage im Geltungsbereich des europäischen Emissionshandels stattfindet, so dass das Gesamtziel für Treibhausgas-Emissionen von einbezogenen Anlagen in der EU gemeinsam erreicht wird. 1 Ab dem Jahr 2013 werden die Emissionsrechte für ETSpflichtige Stromerzeugungsanlagen grundsätzlich versteigert. Anders als zuvor erhalten die Anlagen keine kostenlose Anfangsausstattung mit Emissionsrechten mehr. Die Betreiber von Anlagen müssen also für jede zu emittierende Tonne CO2 die entsprechenden Emissionsrechte käuflich erwerben. Dieser marktwirtschaftliche Mechanismus definiert also ein Emissionsziel, ohne dabei die Mittel zur Zielerreichung hinsichtlich der zu verwendenden Technologien oder Energieträger einzuschränken. Er begrenzt an keiner Stelle die Nutzung des Energieträgers Steinkohle im Umwandlungssektor. Gleiches gilt für die Klimaschutzprogramme der Bundesregierung aus den Jahren 2000 und 2005 sowie für die Energie- und Klimaschutzstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen von 2008. Für die Verstromung von Steinkohle werden auf europäischer und deutscher Bundesund Länderebene keine eigenen Emissionsziele formuliert. Die neue Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, die CO2-Emissionen des Landes bis 2020 gegenüber 1990 um 25 % zu senken. Zu den hierfür notwendigen Maßnahmen zählt auch die Modernisierung des konventionellen Kraftwerksparks. Steinkohle- und Gaskraftwerke werden als notwendige Brückentechnologie angesehen, die den Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren sinnvoll ergänzen sollen. Die Kraftwerksmodernisierung ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Energie- und Klimaschutzstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2008, in der die besondere Bedeutung einer Effizienzerhöhung bei der Verstromung fossiler Energieträger herausgestellt wird. Von den CO2-Einsparungen, die in der Energie- und Klimaschutzstrategie durch neue Kraftwerke erwartet werden, sollen rund 30 % durch neue Steinkohlekraftwerke erbracht werden. Hierunter befindet sich auch der Kraftwerksneubau Datteln. Die vorgenommene Analyse des Kraftwerkneubaus Datteln kommt vor dem Hintergrund der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen zu folgenden Ergebnissen: Der Kraftwerksneubau Datteln ersetzt 6 ältere Steinkohleblöcke in vier Kraftwerken der E.ON Kraftwerke GmbH in NRW mit einer Leistung von insgesamt 1.125 MW und erhöht die Effizienz der Stromerzeugung in NordrheinWestfalen. Liegt der mittlere Nennwirkungsgrad der zu ersetzenden Altanlagen bisher nur bei 36,0 %, so erreicht der Neubau 45,5 %. 2 Durch eine bessere Ausnutzung der Kohle sinken die spezifischen CO2-Emissionen der Stromerzeugung. Diese betragen gegenwärtig im Mittel für die zu ersetzenden Anlagen rund 950 Gramm pro Kilowattstunde erzeugtem Strom, wohingegen der Kraftwerksneubau nur 750 Gramm emittiert. Der Kraftwerksneubau senkt durch seine hohe Effizienz die CO2-Emissionen gegenüber den von E.ON in NRW ersetzten Kraftwerksblöcken jährlich um rund 190.000 t, produziert dabei jedoch mit rund 1.250 GWh eine zusätzliche Strommenge, mit der 350.000 Haushalte versorgt werden könnten. Diese zusätzliche Strommenge muss nicht mehr in anderen Kraftwerken erzeugt werden. Wegen der bestehenden Marktmechanismen wird diese Stromerzeugung vor allem in alten Steinkohlekraftwerken, die auch, aber nicht nur in NRW stehen, verdrängt. Berücksichtigt man diesen Effekt, summiert sich die CO2-Einsparung durch den Kraftwerksneubau auf insgesamt knapp 1,3 Mio. t. Aufgrund der Effizienzgewinne kann im Kraftwerksneubau der Strom zu geringeren Kosten als in den älteren Kraftwerken erzeugt werden. Dies steigert die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Stromerzeugung in NRW. Der Kraftwerksneubau Datteln steht deshalb den im Rahmen dieses Gutachtens geprüften, von Deutschland eingegangenen internationalen Verpflichtungen und den klimapolitischen Zielsetzungen Deutschlands und Nordrhein-Westfalens nicht entgegen, sondern fügt sich als Teil der Kraftwerkserneuerung in diese ein. 3 1 Aufgabenstellung und Vorgehensweise Dieses Gutachten prüft, ob der Kraftwerksneubau Datteln den Klimaschutzzielen Deutschlands oder denen des Landes Nordrhein-Westfalen entgegen steht. Hinsichtlich der deutschen Ziele wird zwischen internationalen und nationalen Verpflichtungen unterschieden. Im Gutachten werden durchgängig öffentlich zugängliche Quellen herangezogen. Hierbei handelt es sich vor allem um Dokumente der Vereinten Nationen, der Europäischen Union sowie der Bundesregierung und der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung. Die technischen Angaben zum Kraftwerksneubau Datteln stellte E.ON Kraftwerke zur Verfügung. Für die Prüfung auf Vereinbarkeit von geplantem Kraftwerksbau und Klimaschutzzielen bzw. die Prüfung auf eine mögliche Widersprüchlichkeit zwischen beiden Anliegen werden zwei verschiedene gesetzliche Rahmenbedingungen betrachtet: Erstens werden die formulierten quantitativen Ziele bezüglich des Umfangs möglicher Beschränkungen von Treibhausgasemissionen dargelegt. Um die Wirkung unterschiedlicher Treibhausgase miteinander vergleichen zu können, werden solche Beschränkungen als Treibhausgaspotenzial angegeben, welches auf Kohlendioxid-Äquivalente normiert ist. Zweitens geht es um die Mechanismen zur Zielerreichung. Das Gutachten analysiert, ob die Ziele durch ordnungsrechtliche Geund Verbote – also eine direkte staatliche Regulierung – erreicht werden sollen oder durch marktwirtschaftliche Instrumente. Im vorliegenden Fall muss also geprüft werden, ob die definierten Klimaschutzziele im Bereich der Energieumwandlung mit konkreten Vorgaben für einzelne Energieträger oder Technologien verknüpft sind, oder ob die Wahl der Mittel zum Erreichen von Klimaschutzzielen den jeweiligen Marktakteuren überlassen wird. Darüber hinaus wird überprüft, ob der Neubau von Kohlekraftwerken dazu dient, die für Nordrhein-Westfalen formulierten Ziele hinsichtlich der Verbesserung der Klimaverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Stromerzeugung zu unterstützen. Hierfür werden die Auswirkungen des Kraftwerksneubaus auf die spezifischen CO2-Emissionen und die Wirtschaftlichkeit der Stromerzeugung in Nordrhein-Westfalen untersucht. 4 2 Verträglichkeit des Projektes mit den Klimaschutzzielen des Bundes und des Landes NRW Da sich die ausgestoßenen Treibhausgase in der gesamten Atmosphäre verteilen und Klimaänderungen rund um den Planeten bewirken können, reicht es nicht aus, Klimaschutz allein auf nationalstaatlicher, regionaler oder kommunaler Ebene zu betreiben 1 . Der Schutz des Klimas ist eine globale Angelegenheit. Daraus ergibt sich der Bedarf für ein globales Klimaschutzabkommen, das eine verpflichtende Wirkung auf der Ebene einzelner Staaten entfalten soll. Tatsächlich ist gegenwärtig noch kein weltweit verbindlich gültiges Klimaabkommen in Sicht, wie bei den letzten Klima-Konferenzen in Kopenhagen (Dezember 2009) und Cancún (Dezember 2010) deutlich wurde. Große Emittenten wie die USA, China oder Indien haben Vorbehalte, die eine Einigung erschweren. Trotzdem existiert eine Rahmenkonvention der Vereinten Nationen zum internationalen Klimaschutz. Diese wurde im Jahr 1997 durch das Kyoto-Protokoll mit ersten quantitativen Emissionsminderungs-Zielen präzisiert. Auf dieser Grundlage hat die Europäische Union ihre klimapolitischen Instrumente entwickelt, die auf den folgenden Seiten näher beschrieben werden. Grundsätzlich sind in der Klimaschutzpolitik – wie auch in anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik – unterschiedliche Steuerungsinstrumente und -mechanismen denkbar. Zum einen können Emissionsziele mit Hilfe von Ge- und Verboten bezüglich der zu verwendenden Mittel oder Technologien erreicht werden. Dieser direkt regulierende, ordnungsrechtliche Ansatz ist traditionell in weiten Teilen des Umweltrechtes verbreitet [Fritsch et al. 2007]. Alternativ können umweltpolitische Ziele auch ohne konkrete Festlegungen zur Wahl der Mittel formuliert werden. Stattdessen wird auf die Problemlösungs-Kompetenz und Innovationskraft der Marktteilnehmer gesetzt, das definierte Ziel zu erreichen. Bei Instrumenten dieses Typs ist oft von „marktnahen“, „marktbasierten“ oder „marktwirtschaftlichen“ Mechanismen die Rede. Dahinter steht der Gedanke, dass die Akteure im Markt selbst am besten wissen, welche Optionen zur Emissionsverringerung ihnen zur Verfügung stehen – und zu welchen Kosten. Und genau dieser Wissensvorsprung hilft bei der Suche 1 Außerdem gilt: Das im Kontext dieses Gutachtens wichtigste Treibhausgas CO ist kein klassischer Luftschadstoff, 2 sondern ein natürlicher Bestandteil der Luft, in der es in geringen Konzentrationen vorkommt. Menschen, Tiere oder Pflanzen werden durch lokale CO2-Emissionen aus Energie- und Industrieanlagen in die Atmosphäre nicht gefährdet. 5 nach Lösungen zur Emissionsverringerung, bei denen Kosten und Nutzen in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Marktwirtschaftliche Ansätze, die klare Anreize für die Suche nach den kostengünstigsten Lösungen zur Emissionsminderung bieten, sind gerade im Kontext der internationalen und nationalen Klimapolitik bedeutsam. In den nächsten Abschnitten dieses Gutachtens wird untersucht, ob die vorgegebenen Klimaschutzziele im Bereich der Energieumwandlung mit konkreten gesetzlichen Ge- oder Verboten für einzelne Energieträger oder Technologien verknüpft sind, oder ob stattdessen marktwirtschaftliche Ansätze zum Erreichen von Klimaschutzzielen verfolgt werden. 2.1 Internationale und nationale Verpflichtungen Auf internationaler Ebene ergeben sich klimapolitische Verpflichtungen Deutschlands primär aus dem völkerrechtlich verbindlichen Kyoto-Protokoll. Abgeleitet daraus entstehen Verpflichtungen für Deutschland als Mitglied der Europäischen Union (EU). Zusammen bilden sie die internationale Grundlage für die deutsche nationale Klimapolitik. 2.1.1 Kyoto-Protokoll Das Kyoto-Protokoll von 1997 ist ein Zusatzprotokoll der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Diese Rahmenkonvention ist bei der Zielformulierung noch unkonkret und strebt allgemein eine „Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau an, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird“ [UNFCCC 1992]. Das Kyoto-Protokoll geht über diese Formulierung präzisierend hinaus. Im Kyoto-Protokoll sind zum ersten Mal völkerrechtlich verbindliche, quantitative Ziele für die Emission von Treibhausgasen für Industrieländer festgelegt. Bei den Treibhausgasen handelt es sich um Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie Methan, Distickstoffoxid, Fluorkohlenwasserstoffe, perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid, deren Emissionen für eine aggregierte Betrachtung in CO2-Äquivalente umgerechnet werden 2 . 2 Eine Tonne Kohlendioxid-Äquivalent ist eine Tonne Kohlendioxid oder die Menge eines anderen Treibhausgases, die in ihrem Potenzial zur Erwärmung der Atmosphäre einer Tonne Kohlendioxid entspricht [Bund 2004]. 6 Die Ziele beziehen sich dabei auf die erste Verpflichtungsperiode von 2008 bis 2012. Innerhalb der Staatengruppe der verpflichteten Industrieländer existieren für diesen Zeitraum unterschiedlich hohe Reduktionsziele. Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist das quantitative Ziel, die Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 8 % zu verringern [UNFCCC 1997]. Zum Erreichen dieses Ziels hält das Kyoto-Protokoll verschiedene, „flexible Mechanismen“ bereit. Hierbei handelt es sich um ökonomische Instrumente, die die Kooperation von Staaten mit dem Ziel ermöglichen sollen, die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der gemeinsamen Emissionsminderung zu verringern. Eine solche Kooperation ist angemessen, da sich Treibhausgase in der gesamten Atmosphäre verteilen und es damit gleichgültig ist, an welchem Ort eine Emission vermieden wird. Besonders wichtig für die Europäische Union ist dabei die in Artikel 4 des KyotoProtokolls beschriebene Lastenteilung und der in Artikel 17 angelegte Handel mit Emissionsrechten („Emissions Trading“), auf die in den folgenden Abschnitten näher eingegangen wird. 3 Über diese flexiblen Mechanismen hinaus enthält das KyotoProtokoll keine Zielvorgaben für bestimmte Energieträger, Sektoren oder Technologien. Damit bleibt es den verpflichteten Staaten überlassen, auf welche Art sie ihre EmissionsReduktionsziele im Einzelnen erreichen. Insgesamt formuliert das Kyoto-Protokoll also eine Zielvorgabe hinsichtlich der Emissionen, ohne dabei den Weg zum Ziel konkret vorzuschreiben. 2.1.2 Lastenteilung innerhalb der EU Die im Kyoto-Protokoll enthaltene Option der Lastenteilung ermöglicht es einer Gruppe von Vertragsstaaten, ihre Emissionsverringerung gemeinsam zu erbringen („burden sharing“ 4 ). Von dieser Möglichkeit hat die EU Gebrauch gemacht, um die Lasten innerhalb der Union angemessener zu verteilen [Rat 2002]. Die Verteilung der Emissonsreduktionen richtet sich nach Kriterien wie dem erwarteten Wirtschaftswachstum, dem Energiemix und der Industriestruktur der jeweiligen Mitgliedstaaten. Während wirtschaftlich weniger entwickelte Länder ihre Emissionen noch erhöhen dürfen, so z. B. Portugal mit +25 %, ergeben sich die relativ größten Verringerungsziele für Luxemburg (-28 %), Dänemark (-21 %) und Deutschland (-21 %). 3 Andere Instrumente, die nicht zentral für dieses Gutachten sind, sind die gemeinsame Projektumsetzung („joint implementation“) sowie der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung („clean development mechanism“). 4 In Zukunft wird hier auf EU-Ebene stattdessen von „effort sharing“ die Rede sein [Schafhausen 2009]. 7 Wie im Kyoto-Protokoll finden sich auch in der Regelung zur EUinternen Lastenteilung ansonsten keine Vorgaben zu einzelnen Energieträgern, Sektoren oder Technologien (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Vorgaben im Kyoto-Protokoll und der EU-Lastenteilung Vorgaben für einzelne Energieträger im Umwandlungssektor Gesetz/Abkommen/ Entscheidung Quantifizierte Emissions-Vorgabe für Deutschland Kyoto-Protokoll (1997*) Verringerung der Emissionen um 8 % gegenüber 1990 im Zeitraum 2008-2012 – EU-Lastenteilung (2002/358/EG) Verringerung der Emissionen um 21 % gegenüber 1990 im Zeitraum 2008-2012 – * Das Kyoto-Protokoll wurde 2002 vom Bundestag ratifiziert. 2005 trat es in Kraft. Die nationalen Klimaschutzprogramme der Bundesregierung aus den Jahren 2000 und 2005 bekräftigen die Emissionsreduktionsziele der EU-Lastenteilung für Deutschland. Darüber hinaus schließen diese Klimaschutzprogramme den Einsatz von Kohle zur Stromerzeugung nicht aus [Bund 2000], [BMU 2005]. 2.1.3 EU-Emissionsrechtehandel Das Emissionshandelssystem der EU (ETS/„Emission Trading System“) geht über den Ansatz des Kyoto-Protokolls zum Emissionshandel zwischen Staaten hinaus, denn es bezieht Unternehmen mit ein. Den Rahmen hierfür liefert die EUEmissionshandels-Richtlinie von 2003, die in der Zwischenzeit mehrfach geändert wurde [EP 2009]. Grundlegend für das Emissionshandelssystem ist die ETS-Teilnahmepflicht für bestimmte Anlagen. Für eine ETSpflichtige Anlage muss ihr Betreiber hinreichend viele Emissionsrechte halten, die auch als „Zertifikate“ bezeichnet werden. Dies betrifft zur Zeit europaweit ca. 11.000 Energieerzeugungs- und Produktionsanlagen mit hohem Energieverbrauch [EC 2009]. Die genauen Kriterien zur Abgrenzung der teilnahmepflichtigen Unternehmen finden sich nach Branchen gegliedert in Anhang I der EU-Richtlinie. Demnach müssen im Bereich der Energieumwandlung all jene Anlagen teilnehmen, die eine Gesamtfeuerungswärmeleistung von über 20 MW aufweisen (mit Ausnahme von Anlagen für die Verbrennung von gefährlichen oder Siedlungsabfällen). 8 Leitender Gedanke des ETS ist die Emissionsvermeidung zu möglichst geringen Kosten. Hierzu wird ein knappes, EU-weites Gesamtbudget an Emissionsrechten handelbar gemacht („cap and trade“). 5 Im Laufe der Zeit wird dieses Budget immer weiter verkleinert, so dass insgesamt weniger Treibhausgase von den ETS-pflichtigen Anlagen emittiert werden können. Auf dem entstehenden Markt für Emissionsrechte – der im Folgenden auch kurz als „ETS-Markt“ bezeichnet wird – bildet sich durch Angebot und Nachfrage ein Preis, der allen Teilnehmern transparent anzeigt, wie viel das Recht zur Emission einer Tonne Treibhausgas kostet. Praktisch ergibt sich dabei für einen Handelsteilnehmer immer wieder die gleiche Frage: Soll er die nächste zu emittierende Tonne eines Treibhausgases in seiner eigenen Anlage vermeiden – oder ist es stattdessen günstiger für ihn, ein zusätzliches Emissionsrecht von einem anderen Teilnehmer zu kaufen (der dann bei sich die entsprechenden Emissionen vermeiden muss)? In Summe ergibt sich für alle ETSTeilnehmer eine Emissionsvermeidung zu besonders geringen Kosten. Damit lässt sich folgendes Zwischenfazit ziehen: Die EU-Richtlinie zum ETS definiert, welche Anlagen am ETS teilnehmen müssen. Daraus entsteht für den Anlagenbetreiber die Pflicht, so viele Zertifikate zu halten, wie er für seinen jeweiligen Produktionsprozess benötigt. Verfügt er nicht über genügend eigene Zertifikate, muss er sich mit weiteren am Markt für Emissionsrechte eindecken. Über diese Teilnahmepflicht hinaus macht die EU-Richtlinie zum ETS aber keine weiteren Vorgaben für einzelne Energieträger, Sektoren oder Technologien. Stattdessen betont sie bereits in Artikel 1, dass das ETS dazu konzipiert wurde, um auf „wirtschaftlich effiziente Weise“ eine Verringerung von Treibhausgasemissionen zu erreichen. Grundsätzlich fördert das ETS über seinen Handelsmechanismus effiziente Technologien und CO2-arme Brennstoffe, es macht den Marktakteuren aber keine Vorschriften zu den Details. Darüber hinaus untersagt die EU-Richtlinie zum ETS den Mitgliedstaaten ausdrücklich, den vom Emissionshandel erfassten Anlagen genehmigungsrechtlich verbindliche CO2-Emissionsgrenzwerte vorzuschreiben. Sie sichert hierdurch die auf ökonomischen Mechanismen beruhende Effektivität des für Deutschland verbindlichen EU-Klimaschutzregimes. 6 5 Das ETS-Gesamtbudget ist die Summe der Einzelbudgets, die von den jeweiligen Mitgliedsstaaten selbst in sogenannten „Nationalen Allokationsplänen“ aufgestellt werden. Der deutsche Nationale Allokationsplan wird weiter unten detaillierter beschrieben. 6 Grundsätzlich bleibt es den EU-Mitgliedstaaten in der EU-Richtlinie zum ETS zwar freigestellt, EnergieeffizienzAnforderungen in Bezug auf Verbrennungseinheiten festzulegen. Da der bundesdeutsche Gesetzgeber hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, ist diese Option allerdings im Kontext dieses Gutachtens nicht weiter relevant. 9 2.1.4 Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz in Deutschland Auf nationaler Ebene wurde die EU-Emissionshandelsrichtlinie in Deutschland durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz von 2004 umgesetzt [Bund 2004]. Dieses Gesetz ist die Basis für einen Handel mit Emissionsrechten und enthält Regelungen zur Genehmigung und Überwachung von Treibhausgasemissionen, zu Zuteilungsverfahren sowie zum Handel selbst. Analog zur EURichtlinie gilt auch hier, dass im Bereich der Energieumwandlung Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von über 20 MW zur Teilnahme am EU-weiten Emissionshandel verpflichtet sind. Demgegenüber macht das Gesetz keine Vorgaben zur Menge der zu emittierenden Treibhausgase (vgl. Tabelle 2). Für die praktische Zuteilung von Emissionsberechtigungen verweist es auf den Nationalen Zuteilungsplan und das dazugehörige Gesetz. Dieser Plan wird auch als Nationaler Allokationsplan (NAP) bezeichnet. Auf ihn wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen. Tabelle 2: Vorgaben im Emissionshandelssystem der EU Gesetz/Abkommen/ Entscheidung Quantifizierte EmissionsVorgabe für Deutschland EU-EmissionshandelsRichtlinie (2003) TreibhausgasEmissionshandelsgesetz TEHG (2004) 2.1.5 Vorgaben für einzelne Energieträger im Umwandlungssektor - Teilnahmepflicht für Energieumwandlungs-Anlagen mit Feuerungswärmeleistung > 20 MW - Teilnahmepflicht für Energieumwandlungs-Anlagen mit Feuerungswärmeleistung > 20 MW Nationaler Allokationsplan und Zuteilungsgesetz Im Nationalen Allokationsplan verteilt die Bundesregierung die Emissionsberechtigungen für Deutschland. Rechtlich verbindlich ausgestaltet wird der Plan dann durch das Zuteilungsgesetz (s. u.). Die gegenwärtig relevanten Regelungen beziehen sich dabei auf die zweite Phase des Handels mit Emissionsrechten von 2008 bis 2012 7 . Der Nationale Allokationsplan 2008-2012 konkretisiert die Vorgabe aus der EU-Lastenteilung für Deutschland so, dass die 7 Ab 2013 wird das ETS dahingehend modernisiert, dass die EU-Mitgliedstaaten hierfür keine Nationalen Allokationspläne mehr vorlegen. Es wird stattdessen eine einheitliche EU-weite Obergrenze für Emissionszertifikate gesetzt [EC 2009]. Hierauf wird in Abschnitt 2.1.6 genauer eingegangen. 10 vereinbarte Emissions-Reduktion von -21 % bezogen auf das Jahr 1990 erreicht werden kann [BMU 2006]. Dazu teilt der Nationale Allokationsplan erstens das nationale Emissionsbudget in Höhe von 972 Mio. t CO2-Äquivalenten zwischen verschiedenen Gruppen von Treibhausgasen auf, d. h. zwischen CO2 und sonstigen Treibhausgasen (vgl. Abbildung 1). Zweitens nimmt er eine Aufteilung nach Sektoren vor. Dabei grenzt er zunächst die Nicht-Emissionshandels-Sektoren Verkehr, Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen von den Sektoren Energie und Industrie ab. Zuletzt erfolgt die Aufteilung von Energie und Industrie in ETS-teilnahmepflichtige Anlagen und solche, die aufgrund ihrer geringen Feuerungswärmeleistung von 20 MW und weniger hiervon ausgenommen sind. Daraus ergibt sich das zugeteilte Budget für den ETS-Handelsbereich von 482 Mio. t CO2 pro Jahr. Abbildung 1: Emissionsbudget 2008-2012 Aufteilung CO2 ↔ Nicht-CO2 Aufteilung des gesamten Emissionsbudgets für 2008 bis 2012 im nationalen Allokationsplan für Deutschland alle Treibhausgase: 972 Mio. t. CO2-Äquivalente Nicht-CO2: 120,5 Mio. t CO2-Äq. Aufteilung Sektoren CO2: 851,5 Mio. t Verkehr/Haushalte/ GHD: 334 Mio. t Aufteilung Energie + Industrie (Cap) Energie und Industrie: 517,5 Mio. t Nicht-EH 35,5 Mio. t Emissionshandel: 482 Mio. t (Cap) Quelle: Prognos AG nach BMU 2006 Das Zuteilungsgesetz 2012 aus dem Jahr 2007 überführt die Vorgaben des Nationalen Allokationsplans in eine rechtlich verbindliche Form, unter Einbeziehung zusätzlicher Auflagen der Europäische Kommission, was sich insbesondere in einem verringerten ETS-Emissionsbudget ausdrückt (s. u.). Das Zuteilungsgesetz schreibt für den Zeitraum 2008 bis 2012 „nationale Emissionsziele“ für Deutschland fest: Die Gesamtmenge an Emissionen darf 973,6 Mio. Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente 8 pro Jahr nicht überschreiten. Darin sind 8 Das Zuteilungsgesetz nennt ein geringfügig höheres Gesamtbudget für Deutschland als der Nationale Allokationsplan. 11 sämtliche Sektoren enthalten, inklusive Verkehr, private Haushalte, Nicht-CO2-Emissionen usw. Genauer betrachtet werden dann die vom ETS erfassten Anlagen aus den Sektoren Energieumwandlung und Industrie. Diese Anlagen erhalten für den gleichen Zeitraum Emissionsrechte zugeteilt, die es ihnen erlauben, pro Jahr insgesamt 442,07 Mio. Tonnen KohlendioxidÄquivalente zu emittieren. Hinzu kommen bis zu 11 Millionen Tonnen an Emissionsberechtigungen pro Jahr für erstmals emissionshandelspflichtige Anlagen [Bund 2007a]. Die hier beschriebene Zuteilung bezieht sich auf die gesamte anfängliche Ausstattung der ETS-Anlagen mit Emissionsrechten. In diesem Sinne ist auch das Gesamtbudget für Deutschland in Höhe von 973,6 Mio. t Kohlendioxid-Äquivalenten (s. o.) zu verstehen: Es stellt eine quantitative Begrenzung dar, mit dessen Hilfe die Bundesrepublik Deutschland ihre internationale Emissionsminderungs-Verpflichtung einhalten möchte. Das Ziel ist aber insofern flexibel, als dass der ETS-Teil des Budgets nach unten oder oben angepasst werden kann, wie im Abschnitt 2.1.3 beschrieben. Tatsächlich können die Gesamtemissionen auf dem Territorium der Bundesrepublik also die genannten 973,6 Mio. t überschreiten – allerdings nur in dem Maße, in dem gleichzeitig in einem anderen EU-Mitgliedsstaat Emissionen bei ETS-pflichtigen Anlagen verringert werden. Emittieren die deutschen Anlagen mehr, so müssen gleichzeitig ETS-Anlagen an anderer Stelle in Europa weniger emittieren. Wer mehr emittieren möchte, muss die notwendigen Emissionsrechte bezahlen. Umgekehrt gilt: Wer weniger emittiert, als ihm laut ursprünglicher Zertifikats-Zuteilung gestattet wäre, kann seine überschüssigen Rechte am ETS-Markt verkaufen. In Summe wird das gesamteuropäische ETSEmissionsbudget eingehalten. Neben diesen mengenbezogenen Emissionsbeschränkungen legt das Zuteilungsgesetz bestimmte Regeln der Zuteilung fest. Grundsätzlich regelt das Zuteilungs-Gesetz lediglich die Zuteilung, das heißt die Ausstattung von Anlagen mit Emissionsrechten im Rahmen der verpflichtenden Teilnahme am ETS. Der grundsätzlich marktwirtschaftliche Ansatz des ETS – klare Definition von Emissionszielen bei freier Wahl der Mittel zu ihrer Erreichung – wird hier weiter konkretisiert. Es finden sich für den Umwandlungssektor keine einschränkenden Vorgaben für die Nutzung bestimmter Energieträger oder Technologien. Der Druck des Systems in Richtung geringerer Treibhausgasemissionen soll dadurch gewährleistet werden, dass jeder ETSpflichtige Anlagenbetreiber immer wieder prüfen wird, ob sich der Betrieb seiner Anlage unter Einbeziehung der benötigten Emissionsberechtigungen noch ausreichend rentiert oder Maßnahmen zu ergreifen sind. 12 Tabelle 3: Vorgaben im Zuteilungsgesetz Vorgaben für einzelne Energieträger im Umwandlungssektor Gesetz/Abkommen/ Entscheidung Quantifizierte Emissions-Vorgabe für Deutschland Zuteilungsgesetz 2012 ZuG 2012 (2007) 973,6 Mio. t Kohlendioxid-Äquivalente pro Jahr im Zeitraum 2008-2012 - Zuteilung an ETS-teilnahmepflichtige Anlagen: insgesamt 442,07 Mio. t KohlendioxidÄquivalente pro Jahr im Zeitraum 2008-2012* - * hinzu kommen bis zu 11 Mio. Emissionsberechtigungen für erstmals ETS-pflichtige Anlagen 2.1.6 Die Zukunft des EU-Emissionshandels Die gegenwärtige Phase II des EU-Emissionshandels endet 2012. In der darauf folgende Phase III ergeben sich zwei wichtige Neuerungen, die allerdings nichts am grundsätzlich marktwirtschaftlichen Ansatz des ETS-Systems ändern. Erstens wird es ab dem Jahr 2013 nur noch ein gesamteuropäisches ETSEmissionsbudget geben. War die Zuteilung der ETS-Zertifikate an Energiewirtschaft und Industrie bisher eine nationale Angelegenheit im Rahmen der Nationalen Allokationspläne (s. o.), so wird diese Zuteilung ab 2013 direkt auf europäischer Ebene vorgenommen. Dabei folgt die EU-weite Zuteilung der ETSZertifikate einem Muster, welches es ermöglichen soll, das selbstgesteckte ETS-Emissionsziel der EU für das Jahr 2020 (-21 % gegenüber 2005) zu erreichen. In der Konsequenz ist für den Zeitraum ab 2013 eine lineare Verringerung der Gesamtmenge um jährlich 1,74 % vorgesehen, bezogen auf den Mittelwert des jährlichen Zertifikatvolumens im Zeitraum 2008-2012 [EP 2009]. Zweitens erhalten ETS-pflichtige Stromerzeugungsanlagen ab 2013 keine kostenlose Anfangsausstattung mit Emissionsrechten mehr. Stattdessen kommt es grundsätzlich zu einer Versteigerung der Zertifikate. Hiermit soll der Anreiz zur Emissionsminderung verstärkt werden [EC 2009]. Denn wenn Unternehmen für jede auszustoßende Tonne CO2 genau abwägen müssen, ob eine Emissionsminderung in der eigenen Anlage günstiger ist als der Zukauf von Emissionsrechten am ETS-Markt, werden sie sich in höherem Maße darauf konzentrieren, eigene CO2-Minderungspotenziale zu identifizieren. Eine mögliche Technik zur CO2Minderung kann langfristig Carbon-Capture-and-Storage (CCS) sein. Hierbei wird CO2 im Kraftwerk technisch abgetrennt, um es in tiefen geologischen Strukturen einzulagern. Damit ließe sich der CO2-Gehalt im Abgas des Kraftwerks um 75 % bis über 90 % verringern. Die CCS-Technologie befindet sich gegenwärtig in der Versuchs- und Entwicklungsphase [Bund 2007b]. Praktisch werden die Versteigerungen der Emissionsrechte von den nationalen Regierungen der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten 13 durchgeführt. Die Käufer der zu versteigernden Zertifikate können hingegen aus allen Teilen der EU kommen. Wie die Auktionierung im Detail ausgestaltet wird, wird von der Europäischen Kommission bis zum 30. Juni 2010 in einer Verordnung festgeschrieben. Hierbei geht es um den zeitlichen und administrativen Ablauf sowie sonstige Aspekte der Versteigerung von Emissionsrechten. Zum Beispiel soll insbesondere für kleine und mittlere Anlagenbetreiber ein fairer und gleichberechtigter Zugang zur Versteigerung gewährleistet werden. Alle an der Versteigerung teilnehmenden Parteien sollen zum gleichen Zeitpunkt Zugang zu denselben Informationen erhalten. Außerdem sollen diese mit geringem Verwaltungsaufwand organisiert werden [EP 2009]. Insgesamt soll also ein möglichst faires und diskriminierungsfreies System der Zertifikate-Versteigerung etabliert werden, um die Idee einer kostengünstigen Verringerung von Treibhausgasen bestmöglich umzusetzen. Darüber hinaus enthält die EU-Richtlinie einen Artikel, der für die Zukunft eine weitere, zusätzliche Verschärfung des ETSEmissionsbudgets ermöglicht. Eine solche Verschärfung soll von Seiten der EU-Kommission geprüft werden, sobald ein internationales Abkommen über den Klimawandel – d.auf Ebene der Vereinten Nationen – Emissionsreduktionen von mehr als 20 % bis zum Jahr 2020 beschließt. Perspektivisch beinhaltet die EU-Direktive zum ETS bereits Vorgaben zur Zertifikats-Zuteilung, die bis ins Jahr 2027 reichen. Auch wenn die Details im Rahmen dieses Gutachtens nicht weiter relevant sind, wird hieraus eines deutlich: Der 2003 etablierte EU-Emissionshandel wird auch in Zukunft dauerhaft Bestand haben. Als marktnahes umweltpolitisches Instrument wurde er eingeführt, um die CO2-Emissionen der im ETS erfassten Anlagen volkswirtschaftlich möglichst kostengünstig zu senken. Angesichts einer steigenden internationalen Konkurrenz in vielen Wirtschaftsbereichen wird die EU weiterhin bestrebt sein, Emissionsverringerungen in ihren Mitgliedsstaaten zu möglichst geringen Kosten für alle Beteiligten zu erreichen. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass das ETS-Instrumentarium in absehbarer Zukunft grundlegend geändert wird. Der Staat gibt die zu erreichenden Emissionsziele für die Anlagen des ETS-Sektors vor, und diese Ziele werden immer anspruchsvoller. Dadurch sollen die Marktpreise für Emissionsrechte steigen. Die Betreiber von ETS-pflichtigen Anlagen müssen genügend Emissionsrechte halten und diese im Bereich der Energiewirtschaft ab 2013 grundsätzlich vollständig ersteigern; sie müssen also für jede zu emittierende Tonne CO2 bezahlen. Die Betreiber sind ansonsten aber frei in ihrer Entscheidung, wie sie ihre Anlagen konkret betreiben möchten. Bestimmte Technologien oder Brennstoffe werden aufgrund der für sie zu haltenden Emissionsrechte im Laufe der Zeit immer teurer werden. 14 2.2 Ziele der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen Die internationalen und europäischen Klimaschutzverpflichtungen sind in Nordrhein-Westfalen bereits Gegenstand der für Kraftwerksvorhaben relevanten Landesplanung 9 . Der Landesentwicklungsplan 1995 zielt auf eine Reduktion von Treibhausgasen und gibt hierfür eine stärkere Nutzung regenerativer Energien sowie eine herausgehobene Berücksichtigung der CO2Problematik bei der künftigen Energieversorgung vor. Kraftwerksplanungen können danach nur realisiert werden, wenn damit in der CO2-Bilanz ein Fortschritt erreicht wird. Im April 2008 hat die damalige Landesregierung eine Energieund Klimaschutzstrategie verabschiedet, die Grundlagen, Schwerpunkte und Maßnahmen im Bereich der Energie- und Klimapolitik beinhaltet [NRW 2008]. Die Strategie stellt das Ziel einer Erhöhung der Effizienz in der Verstromung fossiler Energieträger heraus. Die Erneuerung des Kohlekraftwerksparks stellt demzufolge den „wichtigsten landesspezifischen Beitrag zum Klimaschutz“ dar. Die neue Landesregierung betont ausweislich des Koalitionsvertrags von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die besondere Verantwortung von Nordrhein-Westfalen als Energieland für die Erfüllung der deutschen Klimaschutzziele. Die CO2-Emissionen in NRW sollen bis 2020 um mindestens 25 % gegenüber 1990 reduziert werden. Als zentrales Element der Klimaschutz- und Energiepolitik wird ein Klimaschutzgesetz angekündigt. Die Stromerzeugung soll auf einen stetig steigenden Anteil erneuerbarer Energien umgestellt und modernisiert werden. Die Planungen neuer Kraftwerke sollen danach im Einklang mit den Klimaschutzzielen stehen. Hinsichtlich neuer fossiler Kraftwerke wird im Koalitionsvertrag festgehalten, dass diese nicht in einen Widerspruch zum Ausbau der erneuerbaren Energien geraten und diesen sinnvoll ergänzen müssen; ihre Emissionen müssen kontinuierlich reduziert werden. Für Kraftwerksprojekte in laufenden Verfahren wird angekündigt, dass diese nicht durch das Landesrecht schlechter gestellt werden als zum Zeitpunkt der Antragstellung. In ihrer ersten Regierungserklärung betonte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das langfristige Ziel, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80 % bis 95 % zu senken. Sie stellte hierbei die Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung mit hohen Wirkungsgraden auf Basis von fossilen Energieträgern als Brückentechnologie heraus. 9 Die bereits bestehende Übereinstimmung des Landesplanungsrechts insbesondere mit dem Kyoto-Protokoll und den EUKlimazielen wird ausdrücklich von dem Oberverwaltungsgericht NRW in seinem Urteil zum Kraftwerk Datteln vom 3. September 2009 (Az. 10 D 121/07.NE) betont. 15 Am 2. November 2010 verabschiedete das Landeskabinett Eckpunkte für das im Koalitionsvertrag angekündigte Klimaschutzgesetz. Als zentrale Inhalte dieses Gesetzes sind unter anderem folgende Vorgaben vorgesehen: Die verbindliche Verminderung der Treibhausgasemissionen in NRW bis 2020 um mindestens 25 % und bis 2050 um 80 % bis 95 % gegenüber 1990, die Steigerung der Energieeffizienz, die Energieeinsparung und der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Begrenzung der negativen Auswirkungen des Klimawandels, die Einrichtung eines Klimaschutzrates, die Einführung von Klimaschutzzielen als Ziele der Raumordnung und eine CO2-neutrale Landesverwaltung bis 2030. Die Eckpunkte zum Klimaschutzgesetz treffen keine konkreten Aussagen zu Fragen der Kraftwerksplanung. Ein Neubau steinkohlebefeuerter Kraftwerke wird weder ausgeschlossen noch beschränkt. Die im Kontext dieses Gutachtens wichtige Erkenntnis ist, dass in Nordrhein-Westfalen die Nutzung von Steinkohle an keiner Stelle direkt eingeschränkt wird – weder durch quantitative Emissionsbeschränkungen, noch durch technische Vorgaben oder Verbote. Stattdessen wird der Steinkohle im Bereich der Stromerzeugung weiterhin eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer CO2-freien Energieversorgung zugebilligt, allerdings mit der Notwendigkeit einer Modernisierung des Kraftwerksparks. Insgesamt zeigt sich: Der Kraftwerksneubau Datteln steht den nordrhein-westfälischen Energie- und Klimaschutzzielen nicht entgegen, sondern fügt sich als Teil der Kraftwerkserneuerung in diese Ziele ein. Die eigentliche klimapolitische Restriktion für einen ordnungsgemäßen Betrieb von Datteln ergibt sich – wie weiter oben beschrieben – auf EU- und bundesrechtlicher Ebene, da der Kraftwerksbetreiber laut Gesetz über hinreichend viele Emissionszertifikate verfügen muss. Diese müssen von ihm ab 2013 in vollem Umfang auf dem ETS-Markt erstanden werden. Inwieweit er diesen Kostenfaktor im Rahmen seiner eigenen Wirtschaftlichkeits-Überlegungen akzeptieren kann, entscheidet er selbst. Das Emissionsziel steckt der Staat. Auf welchem Weg es am günstigsten zu erreichen ist, entscheidet der Markt. 16 3 Quantitativer Beitrag des Kraftwerksneubaus Datteln zur Erreichung der klimapolitischen Ziele des Landes NRW Mit dem technischen Fortschritt in der Kraftwerkstechnik wurde es in den letzten Jahrzehnten möglich, die eingesetzten Brennstoffe besser auszunutzen und damit die Verluste zu minimieren. Optimierte Verbrennungskonzepte, weiterentwickelte Feuerungen, Kessel und Dampfturbinen senkten den Brennstoffeinsatz in der Stromerzeugung und damit die klimarelevanten Emissionen. Die diesbezüglichen Nennwirkungsgrade (netto), die das Verhältnis zwischen Brennstoffeinsatz und Stromabgabe an das Netz der öffentlichen Versorgung einer Anlage im optimalen Betrieb beschreiben, stiegen für neu errichtete Steinkohlekraftwerke in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich von etwa 31,5 % Stromausbeute gegen Ende der fünfziger Jahre bis auf 45,5 % bei den heute modernsten Anlagen, wie dem Kraftwerksneubau Datteln. Konnten früher aus einer Tonne Steinkohle SKE 10 nur rund 2.570 kWh (Kilowattstunden) Strom gewonnen, so sind es in den modernsten Anlagen heute über 3.700 kWh. Gegenüber früher stieg die Ausbeute der Steinkohlenverstromung also um rund 44 %. Anders ausgedrückt sank der spezifische Steinkohleneinsatz, also die Menge Steinkohle, die für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom in den Kraftwerken benötigt wird, von etwa 390 Gramm SKE pro kWh auf heute 270 Gramm SKE im Kraftwerksneubau Datteln. Da bei der Verbrennung von Steinkohle in einem festen Verhältnis CO2 freigesetzt wird – im Mittel sind es 2,77 kg CO2 pro kg verbrannter Steinkohle SKE – beträgt die CO2Einsparung durch den Kraftwerksneubau Datteln gegenüber den ältesten Steinkohlekraftwerken demnach rund 330 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde Strom aus Kraftwerken mit einem Nennwirkungsgrad (netto) von 31,5 %. Die Effizienzverbesserung der Steinkohleverstromung durch den Betrieb neuer Kraftwerke, mit denen alte am Strommarkt verdrängt werden, hat demnach viele Vorteile. Bei gleicher Stromerzeugung muss weniger Steinkohle abgebaut, zu den Kraftwerken transportiert und verfeuert werden, entstehen weniger CO2-Emissionen und 10 SKE = Steinkohleeinheit, Energieeinheit, die sich auf einen definierten Heizwert der Steinkohle bezieht. 1 Tonne SKE = 8.141,1 Kilowattstunden 17 sind dementsprechend geringere Kosten der Stromerzeugung möglich, da auch weniger Brennstoffkosten und Kosten für CO2-Zertifikate, Betriebs- und Hilfsmittel anfallen als in älteren Anlagen. Durch diese Vorteile erhöht sich auch die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Steinkohleverstromung am Standort Nordrhein-Westfalen. Wie groß dieser Vorteil letztendlich ausfällt, hängt vor allem davon ab, welche alten Kraftwerke durch den Kraftwerksneubau Datteln aus dem Markt gedrängt werden. In Deutschland sind noch viele alte Steinkohlekraftwerke, die vor 1980 errichtet wurden, in Betrieb [UBA 2009]. Nicht wenige davon stehen in Nordrhein-Westfalen. Der durchschnittliche Nennwirkungsgrad der deutschen Steinkohlekraftwerke, also der kapazitätsgewichtete Mittelwert aller heute in Betrieb befindlichen neuen und alten Anlagen, liegt entsprechend einer Auswertung des Kraftwerksmodells der Prognos AG 11 heute bei 39,8 % (vgl. Abbildung 2). Nordrhein-Westfalens Steinkohlekraftwerke, zu denen überdurchschnittlich viele kleine, ältere Anlagen zählen, weisen heute mit 38,7 % einen noch niedrigeren durchschnittlichen Nennwirkungsgrad auf. Im Vergleich zur bisherigen Steinkohleverstromung in NordrheinWestfalen liegt der Nennwirkungsgrad im Kraftwerksneubau Datteln mit 45,5 % um 6,8 Prozentpunkte höher. Mit der modernen Technik erreicht der Kraftwerksneubau eine Effizienzverbesserung des spezifischen Steinkohleverbrauchs, bezogen auf eine Kilowattstunde erzeugten Stroms, von 17,6 %. Die E.ON Kraftwerke GmbH betreibt im Ruhrgebiet mehrere Steinkohlekraftwerke. Die Kraftwerke Datteln 1-3 in Datteln (insgesamt 303 MW) und Shamrock in Herne (132 MW) werden nach Aussage der E.ON Kraftwerke GmbH im Falle der Inbetriebnahme des geplanten Kraftwerksneubaus in Datteln durch diesen ersetzt. Außerdem werden nach derzeitigem Erkenntnisstand der Kraftwerksblock Scholven D in Gelsenkirchen (345 MW) und das Kraftwerk Gustav Knepper C in Dortmund/ Castrop-Rauxel (345 MW) mittelfristig ebenfalls durch den beabsichtigten Kraftwerksneubau in Datteln ersetzt [E.ON 2008]. Diese Anlagen, mit einer installierten Leistung von zusammen 1.125 MW weisen einen kapazitätsgewichteten durchschnittlichen Nennwirkungsgrad von 36,0 % auf. Im Vergleich hierzu beträgt die Effizienzverbesserung eines Kraftwerksneubaus in Datteln 26,4 %. 11Das Kraftwerksmodell der Prognos AG nutzt eine umfassende Datenbank, welche eine große Bandbreite an Kraftwerken enthält – von sehr großen Kraftwerken bis hin zu kleineren Anlagen, differenziert nach Energieträgern (für einen Überblick der großen deutschen Kraftwerke siehe zum Beispiel die Liste des Umweltbundesamtes [UBA 2009]). 18 Diese Effizienzverbesserung bewirkt, dass der Kraftwerksneubau im Vergleich zum Mittelwert der bestehenden Anlagen in der gleichen Größenordnung spezifisch weniger CO2 ausstößt, da weniger Kohle verbrannt wird. Die folgende Abbildung 2 zeigt die aus den Nennwirkungsgraden berechneten Effizienzvorteile gegenüber den Mittelwerten des deutschen und des nordrheinwestfälischen Kraftwerksparks und den sechs von E.ON geplanten Stilllegungen. Ebenfalls mit ausgewiesen werden die daraus folgenden spezifischen CO2-Einsparungen durch den Kraftwerksneubau Datteln. 12 Gegenüber dem Mittelwert aller heute in Nordrhein-Westfalen in Betrieb befindlichen Steinkohlekraftwerke können durch den Kraftwerksneubau Datteln pro erzeugte Kilowattstunde Strom 130 Gramm CO2 eingespart werden. Dies ist die Differenz zwischen den 880 Gramm pro Kilowattstunde erzeugten Stroms (NRW) und den 750 Gramm im Kraftwerksneubau. Bezogen auf die geplanten Stilllegungen der E.ON Kraftwerke GmbH beträgt die Einsparung 200 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom. Abbildung 2: Effizienzvorteile und spezifische CO2Einsparungen des Kraftwerksneubaus Datteln Mittlere spezifische CO2-Emissionen der Steinkohleverstromung [g/kWh] Mittlerer Nennwirkungsgrad der Steinkohleverstromung [Prozent] Effizienzverbesserung gegenüber... 45,5% +14,3% 39,8% +17,6% 950 +26,4% 850 38,7% 36,0% Neubau Datteln Spezifische CO2‐Einsparung gegenüber... Mittelwert Mittelwert Ersatz E.ON Deutschland NRW in NRW 750 Neubau Datteln 100 880 130 200 Mittelwert Mittelwert Ersatz E.ON Deutschland NRW in NRW Quelle: Prognos AG 2011 12 Den Emissionsberechnungen der Kraftwerke liegt der von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) veröffentlichte mittlere, auf den Heizwert bezogene Emissionsfaktor für importierte Vollwertkohle (Steinkohle) von 0,095 t CO2/GJ zu Grunde. Dies entspricht einer Emission von 342 g CO2/ Kilowattstunde. Die dargestellten spezifischen CO2-Emissionen wurden als Quotient aus diesem Emissionsfaktor und dem jeweiligen Nennwirkungsgrad der Kraftwerke berechnet. 19 Es stellt sich die Frage, inwieweit der Kraftwerksneubau Datteln gegenüber den zu ersetzenden Kapazitäten auch eine absolute Minderung der CO2-Emissionen auslöst. Hierfür werden die voraussichtlichen Emissionen des Kraftwerksneubaus mit den realen Emissionen der zu ersetzenden Kraftwerke verglichen. Dabei ist die Betrachtung eines Einzeljahres für die alten Kraftwerke nicht sinnvoll, da deren Stromerzeugung und dadurch auch die Emissionen zwischen den Einzeljahren zum Teil deutlichen Schwankungen unterliegen. Als Vergleichsmaßstab wird deshalb der Mittelwert der Jahre 2005 bis 2009 herangezogen. Kraftwerksneubauten für Steinkohle können wegen ihrer niedrigeren Stromerzeugungskosten deutlich höhere Einsatzzeiten erreichen als Altanlagen. Trotz der zunehmenden Einschränkungen durch die vorrangige Einspeisung der regenerativen Stromerzeugung sind bis zu 6.500 Volllaststunden pro Jahr immer noch als realistisch anzusehen. Für den Emissionsvergleich wurde deshalb eine jährliche Auslastung von 6.500 Volllaststunden angesetzt. Die folgende Tabelle 4 zeigt das Ergebnis dieses Vergleichs. Tabelle 4: CO2-Einsparungen durch den Kraftwerksneubau Datteln Kraftwerksneubau Datteln Installierte Nettoleistung Volllaststunden Stromerzeugung* [MW] [h/a] [GWh/a] [g/kWh]** [t/a]*** 1.050 6.500 6.825 750 5.118.750 ∅ 2005-2009 Altblöcke: Datteln 1 Datteln 2 Datteln 3 Gustav Knepper Block C Shamrock Scholven Block D Summe Altblöcke Mittelwert Altblöcke 95 95 113 345 132 345 1.125 4.969 Differenz CO2-Emissionen ∅ 2005-2009 ∅ 2005-2009 ∅ 2005-2009 563 563 530 1.484 736 1.714 5.590 950 5.310.500 1.235 -200 -191.750 * Die mittlere Stromerzeugung der Altblöcke in den Jahren 2005-2009 beruht auf Unternehmensangaben der E.ON Kraftwerke GmbH. ** Die CO2-Emission pro erzeugter Kilowattstunde Strom (in g/kWh) wurde als Quotient aus dem Emissionsfaktor für Steinkohle (342 g CO2/kWh) und dem Nennwirkungsgrad der Stromerzeugung berechnet. Als Nennwirkungsgrad wurde für den Kraftwerksneubau 45,5 % angesetzt, für die Altblöcke der kapazitätsgewichtete Mittelwert von 36,0 %. Die berechnete spez. CO2-Emission des Kraftwerksneubaus (750 g/kWh) deckt sich mit dem Steinkohle-Emissionsstandard aus dem Zuteilungsgesetz 2012 [Bund 2007a]. *** Die Gesamtemission ist das Produkt aus spez. CO2-Emission und Stromerzeugung. Quelle: Prognos AG 2011 Im Ergebnis zeigt sich eine jährliche Nettoeinsparung von über 190.000 Tonnen CO2 in NRW. Bei dieser Einsparung können aufgrund der deutlich höheren Stromerzeugung rund 350.000 Haushalte mit einem mittleren Stromverbrauch von 3.500 kWh/a zusätzlich mit Strom versorgt werden. 20 Diese Abschätzung der Emissionsminderung stellt aus folgenden Gründen die untere Grenze der möglichen Einsparungen dar: Die Effizienzvorteile des Kraftwerksneubaus Datteln schlagen sich auch in seiner Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit nieder. Am Strommarkt werden konventionelle Kraftwerke entsprechend ihrer sogenannten Grenzkosten, also den im Kraftwerk anfallenden Kosten für die Erzeugung der nächsten Kilowattstunde Strom, eingesetzt. Diese Kosten werden von den Kosten für Brennstoffe und für CO2-Zertifikate dominiert. Ein Kraftwerk mit niedrigeren Grenzkosten wird dementsprechend häufiger eingesetzt als eines mit höheren Grenzkosten. Mit seiner zusätzlichen Stromproduktion von 1.235 GWh ersetzt der Kraftwerksneubau Datteln deshalb die Stromproduktion in weiteren alten Steinkohlekraftwerken, die auch aber nicht nur in NRW stehen, und deren Stromerzeugung dann nicht mehr wirtschaftlich ist. Deren Emissionen werden zusätzlich eingespart. Legt man hierfür den Mittelwert der Steinkohlekraftwerke in NRW von 880 Gramm pro erzeugter Kilowattstunde zu Grunde, ergibt sich aus der verdrängten Stromproduktion eine zusätzliche Einsparung von 1,087 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr. Mit der Errichtung des Kraftwerksneubaus Datteln werden wichtige klimapolitische Ziele der neuen Landesregierung unterstützt. Zudem werden nach wie vor wesentliche Eckpunkte der Energie- und Klimaschutzstrategie Nordrhein-Westfalens aus dem Jahr 2008 erfüllt: Der Kraftwerksneubau in Datteln ist Teil des Kraftwerkserneuerungsprogramms, mit dem Nordrhein-Westfalen einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der bundespolitischen Klimaschutzziele leisten will. Der Ersatz alter Kraftwerke durch effiziente und flexiblere Neuanlagen unterstützt den versorgungssicheren Ausbau und die Integration der Erneuerbaren in das deutsche Stromversorgungssystem. Gleichzeitig wird durch diesen Kraftwerksneubau, aus dem auch bedeutende Mengen Fernwärme ausgekoppelt werden sollen, der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung in der Region ermöglicht. Ohne deutliche Effizienzsteigerungen in der konventionellen Stromerzeugung, die als Brückentechnologie noch Jahrzehnte parallel zu den erneuerbaren Energien eingesetzt werden müssen, ist das ambitionierte CO2-Reduktionsziel der neuen Landesregierung von 25 % bis zum Jahr 2020 in Nordrhein-Westfalen (Basis 1990) kaum zu erreichen. Zu der gleichen Erkenntnis kam auch die Energie- und Klimaschutzstrategie. 21 Der Kraftwerksneubau steigert durch den Einsatz modernster Kraftwerkstechnik die Effizienz der Stromerzeugung in Nordrhein-Westfalen. Er senkt durch seine hohe Effizienz die CO2-Emissionen gegenüber den von E.ON ersetzten Kraftwerksblöcken um rund 190.000 t. Durch die zusätzlich verdrängte Stromerzeugung in anderen Steinkohlekraftwerken vermindert der Kraftwerksneubau die Emissionen um knapp 1,3 Mio. t CO2 pro Jahr Diese Einsparung entspricht in etwa den in [NRW 2008] geäußerten Erwartungen. Der Kraftwerksneubau Datteln unterstützt das Ziel, die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Stromerzeugung in Nordrhein-Westfalen zur erhalten. 22 Literaturliste [BMU 2005] Nationales Klimaschutzprogramm 2005. Beschluss der Bundesregierung vom 13. Juli 2005; download unter http://www.bmu.de/files/klimaschutz/downloads/application/pdf/kli maschutzprogramm_2005_lang.pdf [BMU 2006] Nationaler Allokationsplan 2008 – 2012 für die Bundesrepublik Deutschland. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin 28. Juni 2006; download unter http://www.bmu.de/files/emissionshandel/downloads/application/pd f/nap_2008_2012.pdf [Bund 2000] Nationales Klimaschutzprogramm. Beschluss der Bundesregierung vom 18. Oktober 2000; download unter http://www.bmu.de/klimaschutz/nationale_klimapolitik/doc/6886.ph p [Bund 2004] Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG) vom 8. Juli 2004. [Bund 2007a] Zuteilungsgesetz 2012: Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Artikel 1: ZuG 2012 - Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 vom 11. August 2007); download unter http://www.dehst.de [Bund 2007b] Entwicklungsstand und Perspektiven von CCS-Technologien in Deutschland. Gemeinsamer Bericht des BMWi, BMU und BMBF für die Bundesregierung 19. September 2007, download unter http://www.bmu.de [DEHSt 2007] Grundlagen des Emissionshandels. Stand: 16. März 2007; download unter http://www.dehst.de/cln_162/nn_476210/DE/Emissionshandel/Gru ndlagen/Grundlagen__node.html?__nnn=true [EC 2009] Das Emissionshandelssystem der EU. Ausgabe 2009, Europäische Kommission; download unter http://dx.doi.org/10.2779/81696 [E.ON 2008] E.ON Kraftwerke GmbH, Pressemitteilung vom 23.06.2008, download unter http://www.eonkraftwerke.com/pages/ekw_de/Presse/Pressemitteilungen/Aktuelle _Pressemitteilungen/Pressemitteilung.htm?id=1029374 23 [EP 2009] Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgaszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, zuletzt geändert durch Richtlinie 2009/29/EG; download unter http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2003L00 87:20090625:DE:PDF [Fritsch et al. 2007] Marktversagen und Wirtschaftspolitik: mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns; M. Fritsch, T. Wein, H.-J. Ewers; München, Vahlen, 2007, 7. Auflage. [NRW 2008] Mit Energie in die Zukunft – Klimaschutz als Chance. Energie- und Klimaschutzstrategie Nordrhein-Westfalen, 29. April 2008; download unter http://www.wirtschaft.nrw.de/zAblage_PDFs/Energie_und_Klimaschutzstrategie_Nordrhein_Westfalen_290408.pdf [Rat 2002] Entscheidung des Rates vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen, Der Rat der Europäischen Union, 2002/358/EG. [Schafhausen 2009] Das Brüsseler Klimapaket – wichtige Wegmarke für die internationalen Verhandlungen, Franzjosef Schafhausen, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen (59) 2009; download unter http://www.et-energieonline.de/index.php?option=com_content&view=article&id=70:dasbruesseler-klimapaket-wichtige-wegmarke-fuer-die-internationalenverhandlungen&catid=24:klima&Itemid=27 [UBA 2009] Datenbank „Kraftwerke in Deutschland“ Liste der sich in Betrieb befindlichen Kraftwerke bzw. Kraftwerksblöcke ab einer elektrischen Bruttoleistung von 100 Megawatt Stand: 10.07.2009; Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2009; download unter http://www.umweltbundesamt.de [UNFCCC 1992] Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen; download unter http://unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf [UNFCCC 1998] Kyoto Protocol to the United Nations Framework Convention on Climate Change; download unter http://unfccc.int/resource/docs/convkp/kpeng.pdf 24