Ballett Intern 2/2006 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik

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Ballett Intern 2/2006 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
BALLETT
INTERN
Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. – Heft 73/29. Jahrgang – Nr. 2/April 2006
Deutscher Tanzpreis 2006
Reid Anderson
Deutscher Tanzpreis »Zukunft« 2006
Alicia Amatriain – Jason Reilly – Christian Spuck
BALLETT
Heft 2/2006
Liebe Leser,
geringe geographische Verwirrung haben wir gestiftet, indem wir
in der Februar-Ausgabe von BALLETT INTERN schrieben, dass die
Essener Fotografin Ursula Kaufmann nach Paris wechselt: So hatte es eine Tageszeitung gemeldet, aber richtig ist vielmehr, dass
Frau Kaufmann sich zwar mehrfach in Paris aufhielt und als Produktionsfotografin an der Oper arbeitet, die Aufenthalte waren
und sind jedoch befristet. Und Anna Markard, die ältere Tochter
von Kurt Jooss, wohnt nach wie vor in Amsterdam. Soweit der
Blick zurück mit Korrekturen.
Rückschau hält die vorliegende Ausgabe aber natürlich vor allem
auf die diesjährige Tanzpreisverleihung in Essen, die in der Ihnen
bekannten Weise ausgiebig dokumentiert wird.
Neu jedoch ist die überarbeitete Webseite des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik inklusive BALLETT INTERN,
schauen und klicken Sie doch mal hin: www.dbft.de
Und schließlich möchte ich noch die Auflösung zu einer Art Rätsel bekannt geben, ausgelöst durch die Namensdoppelung »Angela Reinhardt«. Die eine ist Berliner Tänzerin, ehemalige Erste
Solistin der Komischen Oper, die als Autorin das Buch »Der passende Spitzenschuh« schrieb, das wir in BALLETT INTERN vorstellten. Die andere Angela Reinhardt ist die regelmäßig in BALLETT INTERN schreibende geschätzte Kollegin mit Wohnsitz in
der Nähe von Stuttgart, als Journalistin arbeitet sie auch für Tanzjournal und tanznetz.de.
Einen herrlichen Frühling wünscht
Dagmar Fischer
Bitte um Mitarbeit:
Für eine Film-Recherche zum Thema »bewegt Altern« sucht
eine Redakteurin des SWR im Raum Stuttgart Ballett-Tänzer
im hohen Alter und/oder eine Ballettschule, die eine Seniorengruppe unterrichtet. Interessenten melden sich bitte bei
­[email protected]
BALLETT INTERN
ist die Mitgliederzeitschrift des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik e. V. (DBfT) und
liegt der Zeitschrift »tanzjournal« fünf Mal als Supplement bei. Beide Zeitschriften gehen den
Mitgliedern des Verbandes kostenlos zu. Nichtmitglieder können BALLETT INTERN abonnieren:
Deutschland € 7,50, europäisches Ausland € 12,00 (jeweils inkl. Porto/Versand) je Ausgabe.
Redaktion dieser Ausgabe: Ulrich Roehm (verantwortl.),
Dagmar Fischer ([email protected]), Frank
Münschke
Autoren dieser Ausgabe: Reid Anderson (Stuttgart), Márcia
Haydée (Stuttgart), Horst Koegler (Stuttgart) Angela Reinhardt
(Waiblingen), Günter Pick (Bonn), Ulrich Roehm (Essen),
­Michaela Schlagenwerth (Berlin), Marlies Strech (Zürich)
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers
wieder. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist ohne
ausdrückliche Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und für Terminangaben wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion
behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. Manuskripte gehen in das Eigentum der Redaktion über.
Titelbild: Die Preisträger des Deutschen Tanzpreises
»Zukunft« 2006 Alicia Amatriain und Jason Reilly tanzen
bei der Ballettgala zur Verleihung der Deutschen Tanzpreise 2006 »Siebte Sinfonie« von Tanzpreisträger
1999 Uwe Scholz. (Foto: Ursula Kaufmann, Essen)
INTERN
Deutscher Tanzpreis 2006
Deutscher Tanzpreis »Zukunft« 2006
Jubel und Tränen
Gala zur Tanzpreisverleihung im Aalto Theater Essen
Angela Reinhardt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Begrüßung
Ulrich Roehm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Laudatio für den Tanzpreis »Zukunft«
Prof. Dr. Lothar Späth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Laudatio für Reid Anderson
Márcia Haydée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
»Ich bin sowieso ein cry-baby«
Dankesworte von Reid Anderson. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Impressionen von der Tanzpreis-Verleihung 2006
Fotos von Ursula Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Gold für Stuttgart
Medaillensegen im Weltmeisterschafts- und Olympia-Jahr
Horst Koegler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Mr. Tanz Berlin – Zum Tod von Gert Reinholm
Horst Koegler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
In Memoriam: Gert Reinholm
Tänzer, Ballettdirektor und Pädagoge
Günter Pick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Prix de Lausanne ohne deutsche Sieger
Der berühmte Wettbewerb 2006
Marlies Strech . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Angst essen Tanz auf
Die siebte deutsche Tanzplattform 2006 in Stuttgart
Angela Reinhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Tanz in Bozen – Bolzano Danza
Edith M. Wolf Perez zur künstlerischen Leiterin bestellt . . . . . . . . . . 23
Tanzforum
Frieden nach 100 Jahren
Michaela Schlagenwerth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Herausgeber:
Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V., (DBfT)
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Anzeigen und Beilagen: Gültige Preisliste: 1/05
Nächste Ausgabe:
Heft 3/2006 erscheint Anfang Juni 2006
Redaktionsschluss:   2. Mai 2006
Anzeigenschluss: 10. Mai 2006
Annahmeschluss Beilagen: 22. Mai 2006
Ballett Intern 2/2006
Jubel und Tränen
Gala zur Tanzpreisverleihung
im Aalto Theater Essen
Angela Reinhardt
Wieder einmal ging der Deutsche Tanzpreis nach Stuttgart, woher bereits in früheren Jahren die Tanzpreisträger Márcia Haydée,
Horst Koegler, Birgit Keil und Fritz Höver kamen. Der jetzige
Ballettintendant Reid Anderson ist der fünfte Geehrte aus der
baden-württembergischen Hauptstadt, will man die StuttgartZöglinge John Neumeier, William Forsythe und Uwe Scholz
nicht auch noch dazurechnen. Die Konstanz, mit der immer wieder wichtige Persönlichkeiten aus Stuttgart geehrt werden, bestätigt die bedeutende Rolle des Stuttgarter Balletts für den deutschen Tanz. »Inoffizielle Nationalkompanie« wurde es 1976,
drei Jahre nach John Crankos Tod, im Ballett-Jahrbuch des Friedrich-Verlags genannt, und noch in der aktuellen Ausgabe des
Oxford Dictionary of Dance aus dem Jahr 2000 ist von
»Germany‘s leading classical ballet company« die Rede. Seit
fast vierzig Jahren, seit dem legendären »Stuttgarter Ballettwunder« Ende der sechziger Jahre, bewahrt die Compagnie ihren
hohen Standard, mit kleinen Qualitätsunterschieden hier und da,
aber mit bewundernswerter Konsequenz. Die letzten zehn Jahre
davon verantwortet der Kanadier Reid Anderson, der Tanzpreisträger des Jahres 2006. Wohl hat er andere, neue Akzente gesetzt, aber bei allen programmatischen Veränderungen, bei all
den brillanten jungen Tänzern, die er engagiert hat, steht auch
er im Dienst einer Kontinuität, die seine Vorgängerin Márcia
Haydée zwanzig Jahre lang vertreten hatte: die Pflege des Cranko-Erbes, ein möglichst breites Repertoire und viele Uraufführungen verschiedener Choreographen. Schon John Cranko hatte
nie ein Alleinherrscher sein wollen, er lud stets andere Choreographen nach Stuttgart ein und schuf so die Grundlage des kreativen Klimas, das dort heute von Ballettschöpfern aus aller Welt
so geschätzt wird und das es dem Stuttgarter Ballettintendanten
ermöglicht, gleich zwei Haus-Choreographen zu beschäftigen
oben: José de Udaeta gibt Reid Anderson
ein Kastagnetten-Ständchen
links: Márcia Haydée und Reid Anderson
im Foyer des Aalto Theaters Essen.
Ballett Intern 2/2006
– beide aus Deutschland. Mit Christian
Spuck erhielt der erfahrenere von beiden
den Tanzpreis »Zukunft« für Choreographie;
sein Stil beruht stärker auf klassischer Basis
als der von Marco Goecke, und Spuck arbeitet ­außerdem mit der für die großen Ballettcompagnien so wichtigen Form des
abendfüllenden Handlungsballetts.
Neben einer Spielplangestaltung, die einerseits Wert auf die großen Klassiker legt
und andererseits mehr neue Werke in Auftrag gibt als jede andere große deutsche
Ballettcompagnie, liegt Reid Andersons
ganz persönliche Qualität in seinem einzigartigen Auge für Tänzer. Bis auf wenige Ausnahmen hat er sämtliche Stars von der Schule weg engagiert und behutsam zu Solisten
aufgebaut. Um den Stuttgarter Triumph in
diesem Jahr vollkommen zu machen, wurden
zwei seiner Entdeckungen, die ultrabiegsame Spanierin Alicia Amatriain und der
sprungstarke Kanadier Jason Reilly, mit dem
Tanzpreis »Zukunft« ausgezeichnet. Geehrt
wurden sie vom ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth
in einer Laudatio, die nicht mehr ganz so
spritzig und pointiert war wie seine Tanzpreis-Reden früherer Jahre.
rechts: Alicia Amatriain und Jason Reilly
in der Christian Spuck-Choreographie
»Le Grand Pas de deux« sowie (unten) in der
Uwe Scholz-Choreographie »Siebte Sinfonie«
Ballett Intern 2/2006
Die Laudatio auf Anderson hielt seine Vorgängerin Márcia
Haydée, aber vorher hatte José de Udaeta noch eine Überraschung für Anderson. Der 87-jährige Grandseigneur des spanischen Tanzes trug eine Lobrede per Kastagnetten vor: Er ließ
sie flüstern, flirten, streiten, tanzen, sich virtuos jagen und einander liebkosen, um schließlich dem Geehrten zuzujubeln. Dann
erzählte Márcia Haydée vom jungen Tänzer Reid Anderson
und seinen ersten Jahren in Stuttgart – nicht wie üblich am Rednerpult, sondern mit der Freiheit und der Wirkung einer großen
Bühnendarstellerin auf einem Stuhl sitzend, von dem sie manchmal aufstand, um auf Anderson zuzugehen.
Der Stuttgarter Ballettintendant ist für seine originellen Reden
und seine Selbstironie bekannt, er kann eine Absage abends
vor dem Vorhang noch so witzig formulieren, dass ihm das Publikum aus der Hand frisst. Bei seiner Dankesrede aber zeigte
er sich ungewohnt bewegt und kam vor lauter Rührung fast ins
Stocken. Wie Haydée sprach auch er zwanzig Minuten lang
frei, vollkommen ohne Manuskript, und seine sehr persönliche
und emotionale Ansprache wurde vom Publikum in Essen mit
langem Applaus und Bravo-Rufen bedacht. Dass sich Vorgängerin und Nachfolger auf einem Ballettdirektorenposten so herzlich und voll des gegenseitigen Lobs in den Armen liegen, dürfte
sonst eher selten vorkommen. Über all die persönlichen Zwistigkeiten, die 1986 zum Weggang Reid Andersons aus Stuttgart
führten, hat – und das macht die einzigartige Kontinuität der
Stuttgarter Tradition aus – schließlich der Geist John Crankos
gesiegt: der Wille, seine Compagnie in seinem Sinne fortzuführen. »Ich glaube, Cranko wäre sehr stolz auf dich«, sagte
Haydée zum Abschluss ihrer Laudatio. Anderson hatte es bei
der Überreichung des Cranko-Preises in Stuttgart so formuliert:
»Das ist immer noch seine Compagnie. Wir machen nur die
Verwaltung hier.«
Bei so vielen Uraufführungen war es fast selbstverständlich,
dass alle drei Choreographien, die die Stuttgarter nach Essen
mitgebracht hatten, für sie kreiert worden waren, von klassisch
bis modern. Begonnen hatte der Abend mit einer bebrillten Ballerina im Tutu, die mit ihrem Handtäschchen die Mitteltreppe
des Auditoriums herunterschwebte und verzückt nach allen Seiten grüßte. Christian Spucks Ballettparodie »Le Grand Pas de
deux«, nicht eben typisch für seinen sonstigen Stil, entstand einst
als Silvester-Scherz für Julia Krämer und Robert Tewsley und ist
seitdem ein Knüller auf allen Galas. In dem turbulenten Duo
zwischen einer kurzsichtigen, nicht ganz schwindelfreien Ballerina und ihrem entnervten Partner stellte vor allem Alicia Ama­
triain ihren Sinn für Komik unter Beweis, während sie und Jason
Reilly die virtuosen Sprünge und Pirouetten eines großen GalaPas-de-deux sozusagen mit links absolvierten. Schade dennoch,
dass die Stuttgarter nicht noch ein weiteres Werk von Spuck,
etwa eine Szene aus seiner großartigen »Lulu«, mitgebracht hatten.
Vollkommen anders zeigten sich die beiden tanzenden Preisträger im modernen Duo »Mono Lisa«, das Itzik Galili, Israeli mit
Wohnsitz in den Niederlanden, 2003 für sie kreiert hatte. Zur
rhythmischen Schreibmaschinenmusik von Thomas Höfs läuft unter tief hängenden Scheinwerfern, in verrauchter Atmosphäre
ein erotischer Zweikampf ab, in dem die beiden Solisten ihre
Virtuosität im modernen Stil zeigen: akrobatische Würfe, die
wie Messer kreisenden Beine Amatriains, die weiten Sprünge
und die raffinierte Körperspannung Reillys. Zum krönenden Abschluss der Gala tanzte das Stuttgarter Ballett die »Siebte Sinfonie« von Uwe Scholz aus dem Jahr 1991. Zu Beethovens »Apotheose des Tanzes« hat der vor zwei Jahren verstorbene
Tanzpreisträger ein abstraktes, strahlend helles Ballett choreographiert, ein Muster an Musiktreue und struktureller Klarheit. Jede
Note wird zur Bewegung, jede Wiederholung in der Musik entspricht einer Wiederholung im Tanz. Nicht nur für die Solisten,
wieder Alicia Ama­triain und Jason Reilly, sondern gerade
auch fürs Corps de ballet,
ist die Choreographie
oft so rasend schnell,
dass man sie kaum
sauber tanzen kann
– dass es doch geht,
demonstrierten die
Stuttgarter mit einer
fulminanten, beseelten
Aufführung voll schöner
Linien, aus der nicht nur
die Brillanz dieses Ensembles abzulesen war, sondern
zweifellos auch der Stolz auf
ihren Direktor. ■
Alicia Amatriain
und Jason Reilly in
»Siebte Sinfonie«.
Ballett Intern 2/2006
Begrüßung
durch Ulrich Roehm
Verehrtes Publikum, liebe Mitglieder des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik und des Vereins zur Förderung der
Tanzkunst in Deutschland, liebe Freunde unserer Festivität, der
Verleihung des Deutschen Tanzpreises, der heute zum 23. Male
seit 1983 einer verdienten Persönlichkeit auf dem Gebiet des
künstlerischen Tanzes verliehen wird: Reid Anderson.
Das Tanzen, die Tanzkunst, stellt seit Urzeiten eine Verzauberung dar: Poesie, Schauspiel, Erbauung, Ekstase – ästhetische
Bewegungsfolgen bis zu dramatischsten Ausdrucksformen der
heutigen Zeit, eine eigene, magische Welt, nicht nur im Theater,
auf den Brettern, die für viele die Welt bedeuten, ein fantastisches kulturelles Lebens-Element, das das Leben von Millionen
begeisterter Menschen weltweit aus dem Alltag erhebt! Ein letzter Rest der ursprünglichen Entrückung, Ekstase durch den Tanz.
Ein solches Zentrum der Tanzbegeisterung, der Erhebung, der
Erbauung des Menschen im Alltag ist – wenn auch nicht seit Urzeiten – Stuttgart, wo Jean Georges Noverre zwischen 1760
und 1766 für eine europaweit beachtete Blütezeit des Tanzes
verantwortlich war!
Im Herbst des vergangenen Jahres konnten wir im Rahmen
eines Film-Festivals in der historischen Essener Lichtburg Leo Arnstams Film-Monument von 1954, »Romeo und Julia«, mit Galina
Ulanowa als Julia erleben. Es war ein beindruckendes, sehenswertes Erlebnis, so fantastisch, so monumental – so wenig Choreographie! Nur acht Jahre später, 1962, schuf John Cranko
seine nach nun 44 Jahren immer noch weltweit gültige Choreographie von »Romeo und Julia« – man muss festhalten, dass zwischen diesen acht Jahren eine künstlerische Entwicklung liegt, die
Welten von dieser statischen russischen Version entfernt ist.
»Stuttgart« – das sei heute Abend das Synonym für die von
John Cranko 1961 geschaffene, nun 45 Jahre erfolgreich bestehende Institution Stuttgarter Ballett. Ja, wohin man in der Tanzszene schaut, nehmen wir heute nur Deutschland, wir begegnen der
Kaderschmiede »Stuttgart«, und damit John Crankos Erbe. Hier
nur einige Namen, die uns allen geläufig sind, und ich bitte die
eventuell nicht erwähnten um Vergebung: Ray Barra, Sylviane
Bayard, Richard Cragun, William Forsythe, Susanne Hanke, Ro-
semary Helliwell, Birgit Keil, VIadimir Klos, Egon Madsen, John
Neumeier, Uwe Scholz, Anne Woolliams, Christian Spuck,
Uschi Ziegler.
Wenn ich in meiner Einleitung der Festschrift zur heutigen Verleihung des Deutschen Tanzpreises erwähne, ich sähe es als eine
schicksalhafte Lebens-Entscheidung, dass Mutter Anderson ihren
vierjährigen Reid zum Ballett schickte, was letzten Endes zum
Stipendium an der Royal Ballet School in London führte, so sehe
ich es als eine weitere schicksalhafte Entscheidung John Crankos
an, dass er den 19-Jährigen in sein Ensemble nach Stuttgart holte
– und somit unbewusst (oder schicksalhaft intuitiv) einen Garanten
für die Fortsetzung seines Werkes, seines Erbes, das diesem nach
20-jähriger erfolgreicher Fortführung durch unsere große Márcia
Haydée unversehrt übergeben werden konnte. Vor etwa zwei
Wochen erreichte uns die Nachricht, dass Reid Anderson von
den Lesern der internationalen Zeitschrift »Dance Europe« zum
»Director of the Year« gekürt wurde und sein Ensemble, das Stuttgarter Ballett, nach dem San Francisco Ballet und noch vor dem
Nederlands Dans Theater, dem Königlich Dänischen Ballett, dem
American Ballet Theatre, zu den fünf besten Compagnien. Wir
gratulieren Reid Anderson und seiner Compagnie für diese herausragende Auszeichnung, und hier möchte ich auch erwähnen,
dass die Stuttgarter John-Cranko-Gesellschaft der Compagnie
den Cranko-Preis 2005 verliehen hat!
Wie in meinen einleitenden Worten zur Festschrift zum Tanzpreis »Zukunft« erwähnt, können zwischen der Entscheidung unserer Jury und der Realisierung der Verleihung planungsbedingt
leicht bis zu zwei Jahre vergehen. Und so fiel unsere Entscheidung für Reid Anderson vor der Auszeichnung von »Dance Europe«, nämlich bereits am 2. August 2004! Selbstverständlich
freuen wir uns sehr über die Bestätigung unserer Wahl durch die
John-Cranko-Gesellschaft und die internationale durch »Dance
Europe«!
Wir wissen alle von den aktuellen Problemen unserer Theater,
unserer Ballett-Compagnien. Obwohl es finanziell die allergeringsten Einsparungen bringt, wird beim Tanz immer zuerst gekürzt, nach Möglichkeit wird diese Sparte gleich ganz abgewickelt! Der Wechsel in der Ballettdirektion wird als Chance
gesehen, die neue Direktion unter Druck zu setzen, zumindest einige Planstellen zu streichen, so lächerlich gering die »Ersparnis«
bei den chronisch niedrigen Tänzer-Gehältern auch ist! So geschehen bereits vor Jahren in Essen beim Wechsel von Heidrun
Schwaarz zu Martin Puttke, aktuell geschehen in Leipzig, wo der
neue Ballettdirektor Paul Chalmer nun viele Choreographien von
Uwe Scholz (und auch von John Cranko) nicht oder kaum mehr
auf die Bühne bringen kann – aus Personalmangel! So jedoch
nicht geschehen 1996 beim Wechsel von Márcia Haydée zu
Reid Anderson in Stuttgart.
Nun, sicher gehört es ins Reich der Spekulation, sich zu fragen, was in Stuttgart durch die Wahl eines anderen Ballettdirektors als Reid Anderson geschehen wäre, was aus John Crankos
Erbe, was aus dem wunderbaren Ensemble, das Sie heute auf
dieser Bühne mit Brillanz »verzaubern« wird, was aus den faszinierenden jungen Künstlern, die Sie heute ins Reich der Begeisterung entführen werden – und auch aus denen, die heute anwesend sind, aber nicht tanzen – ja, und was aus unseren Preisträgern
»Zukunft« geworden wäre, künstlerischen Persönlichkeiten höchsten Ranges, denen wir die Zukunft unserer Tanzkunst anvertrauen,
in der Gewissheit, dass sie uns nicht enttäuschen werden:
Alicia Amatriain, die John Cranko-Schule entdeckte sie,
die Tanzstiftung Birgit Keil ermöglichte ihr dortiges Studium,
Reid Anderson förderte sie; Jason Reilly ging einen ähn-
Ballett Intern 2/2006
lichen Weg an der National Ballet School of Canada in Toron­
to, bis ihn Reid Anderson nach Stuttgart holte; Christian
Spucks Weg bringt uns ebenfalls zur John Cranko-Schule, von
dort führte ihn sein Weg nach ersten Wanderjahren zurück
nach Stuttgart.
Wenn wir heute eine Art Stuttgarter Ballett-Festival begehen
– ich denke, wenn sich der Vorhang in etwa zwei Stunden endgültig schließt, werden Sie der Entscheidung der siebenköpfigen,
unabhängigen Jury voll zustimmen können. Preisträger wird, wer
durch künstlerische Qualität, Professionalität, Souveränität überzeugt! Ob dies viermal Stuttgart ist, oder, wie im vergangenen
Jahr, Berlin, Hamburg, Karlsruhe; oder im nächsten Jahr z.B.
Dresden, Leipzig, Essen, oder wieder Stuttgart, das hängt einzig
und allein von diesen Kriterien ab!
Bei dieser Gelegenheit möchte ich unbedingt betonen, dass
die Zusammenarbeit mit der Tanzstiftung Birgit Keil sich einzig
auf die Großzügigkeit der Dotierung für die von uns auserwählten Künstlerpersönlichkeiten bezieht! Und wir sind äußerst dankbar für diesen meines Wissens deutschlandweit einzigartigen
Einsatz zur Förderung herausragender jugendlicher Talente des
Tanzes! Uns wäre die Möglichkeit einer Dotierung des Tanzpreises »Zukunft« nicht gegeben. Die Tanzstiftung Birgit Keil ist
nicht Mitglied der Jury und übt keinerlei Einfluss auf deren Entscheidungen aus!
Lassen wir uns heute von diesem Stuttgarter Ballett-Festival in
Essen bezaubern, das wir von John Cranko über Márcia Haydée
nun Reid Anderson verdanken, der vor knapp zehn Jahren den
Stab von Márcia Haydée übernahm.
So begrüße ich sehr herzlich den Intendanten des Stuttgarter
Balletts und diesjährigen Preisträger Reid Anderson. Und wir
finden es großartig, dass Márcia Haydée sich bereit erklärt hat
zur Laudatio. Begrüßt seien hinter diesem Vorhang Alicia Amatriain und Jason Reilly, die schon darauf warten, dass ich aufhöre
zu reden, um wieder für uns tanzen zu können. Dafür kann ich
Ihnen Christian Spuck vorstellen, dessen einmaliger humorvoller
Choreographie Sie zur Einleitung des heutigen Abends begeistert applaudierten. Das breite Spektrum seiner großen Begabung
konnte das Essener Publikum durch seine Stücke »Endless Waltz«
und »Die Kinder« für das aalto ballett theater essen bereits kennen lernen. Und wer es sich erlauben möchte, seine erste abendfüllende Kreation »Lulu« zu sehen, dem kann man die Reise nach
Stuttgart nur empfehlen.
Mit großem Bedauern war es Professor Lothar Späth im vergangenen Jahr nicht möglich, bei uns zu sein. Aber in diesem
Jahr – ich darf das sicher in unser aller Namen sagen – sind wir
überglücklich, dass wir ihn als Laudator für unsere drei auserwählten Preisträger »Zukunft« herzlich begrüßen dürfen.
So eine Begrüßung ist ja immer eine Art protokollarischer Seiltanz, ich hoffe, dass meine tänzerische Vergangenheit mir da
auf dem Seil eine Hilfe sein kann. Ich hätte eigentlich eine der
politisch bedeutsamsten Persönlichkeiten unserer Bundesrepublik
als allererstes begrüßen müssen, andererseits sind da die Preisträger, die Laudatoren, die ja wiederum auch keine Gäste sind,
sondern Haupt-Akteure ... Habe ich mich da gut herausgeredet?
Und ich denke, glaube, hoffe, dass es mir nicht übel genommen
wird, wenn ich nun, sozusagen nach der »Ouvertüre«, als allererstes unseren großen Freund des Tanzes und der Künste – und
einer menschlichen, sympathischen Politik – von ganzem Herzen
hier im Aalto Theater begrüße, den Präsidenten des Deutschen
Bundestages, Herrn Dr. Norbert Lammert. Verbunden mit meinem
Dank für die nun schon seit Jahrzehnten gute Zusammenarbeit mit
der Stadt Essen begrüße ich unseren Bürgermeister, Herrn Nor
bert Kleine-Möllhoff, sowie unsere Alt-Bürgermeisterin Annette
Jäger, gemeinsam mit unserem Kulturdezernenten Dr. Oliver
­Scheytt, diesen auch als Präsidenten, sowie seine Kollegin Frau
Dr. Iris Magdowski als Vize-Präsidentin der Kulturpolitischen Gesellschaft. Ich heiße Herrn Frank Werner als Vertreter der Kulturund Bildungsabteilung des Auswärtigen Amtes willkommen, desgleichen Herrn Dr. Wilfried Matanovic, unsere ehemalige
Ministerin Frau Anke Brunn sowie Frau Christine Merkel von der
Deutschen UNESCO-Kommission Berlin.
Hier möchte ich unterbrechen und in Bezug auf meine Erklärungen im vergangenen Jahr zum internationalen Thema der
­UNESCO zum »Erhalt der Kulturellen Vielfalt« positiv berichten,
dass sich im Herbst 2005 tatsächlich 190 Nationen gegen die
Stimmen der USA und Israels auf diesen Vertrag geeinigt haben.
Von Kanada wurde er bereits ratifiziert, und nun muss es im Interesse unserer Kultur mit der Ratifizierung durch mindestens 30
Nationen weitergehen, so dass der Vertrag Gültigkeit erhält. Ich
hoffe sehr, verehrte Frau Christine Merkel, dass Sie darüber in
gutem Kontakt zu unserer Angela Merkel stehen!
Hier gibt es noch eine weitere positive kulturpolitische Neuigkeit: Die Bundesregierung hat beschlossen, die Enquete-Kommission Kultur in Deutschland wiederum zu aktivieren. Herr Dr. Norbert Lammert wird übermorgen, am 13. Februar um 15 Uhr in
Berlin die konstituierende Sitzung leiten. Vielen Dank, Herr Dr.
Lammert, und wir wünschen unserer Freundin des Tanzes, Frau
Gitta Connemann, die mit großem Bedauern heute nicht hier
sein kann, viel Glück zur Wahl als Vorsitzende der Kommission.
Und mit diesen Stichworten »Erhalt der kulturellen Vielfalt«, »UNESCO«, »Kultur in Deutschland« der Enquete-Kommission, ebenfalls ein herzliches Willkommen unter dem Stichwort »Kulturstiftung des Bundes« und »tanzplan deutschland« Frau Hortensia
Völckers, Direktorin der Kulturstiftung des Bundes.
»Zum Staunen geboren – zum Sehen bestellt« – wie schön,
unter uns Klaus Geitel zu wissen, den Doyen unserer deutschen
Tanz- und Musikkritik, und mehrmaligem humorvoll-tiefschürfenden Laudator unseres Tanzpreises. Ganz speziell begrüße ich
unseren Ehrengast Jekaterina Chtchelkanova, Primaballerina des
Mariinski Balletts und des American Ballet Theatre, sowie Preisträgerin des American Screen Actors Guild für ihre Rolle als Hanyak in dem Oscar winning Film »Chicago«.
Um noch einmal mit »Faust« zu sprechen: »und weiter geht es,
Schlag auf Schlag«. Ich freue mich, so viele Freunde des Tanzes
und unserer Preisträger unter uns zu wissen, einmal recht prosaisch auf der Basis unseres Alphabets heiße ich willkommen: Sylviane Bayard (ehemalige Ballettdirektorin der Deutschen Oper
Berlin), Oleksi Bessmertni (Initiator des großen Festival TanzOlymp Berlin), Michael Birkmeyer (Intendant des Festspielhauses
St. Pölten), Dinna Björn (Direktorin des Finnischen Nationalballetts, Helsinki), John Bliekendaal (Dansakademie Amsterdam),
Dr. Hans-Georg Bögner (Kulturstiftung der Sparkasse Köln), Paul
Chalmer (Ballettdirektor Leipziger Ballett), Prof. Lutz Förster
(Folkwang Hochschule Essen), Gyala Harangozo (Direktor des
Wiener Staatsopernballetts), Irene Heinen (Direktorin des BallettFestivals Luxembourg), Minghui Kong (Repräsentantin des China
Shanghai International Arts Festival), Patsy Kuppe-Matt (ehemalige Direktorin des Balletts von Saragossa, Spanien), Daniela
Kurz (Tanztheater Nürnberg), Jeremy Leslie-Spinks (der im Alter
von 15 Jahren mit Reid Anderson »Erste Schritte« in kanadischen
Banff auf der Bühne zeigte), Paul Melis (Tanzabteilung der Musik
Hochschule Köln), Madelaine Onne (Direktion des Königlich
Schwedischen Balletts, Stockholm), Birgit Pfitzner (in Vertretung
von John Neumeier), Günter Pick (ehemaliger Leiter der BfA-BühBallett Intern 2/2006
nen- und Fernsehvermittlung), Raimondo Rebeck (aalto ballett
theater essen), Angela Reinhardt (ehemalige Solotänzerin des
Tanztheaters der Komischen Oper Berlin), Prof. Birgit Scherzer
(zukünftige Ballettdirektorin Innsbruck), Heidrun Schwaarz (Ballettdirektorin Krefeld/Mönchengladbach), Richard Wherlock
(Ballettdirektor Basel), Renato Zanella (Choreograph und ehemaliger Ballettdirektor Wien).
Und aus Kanada Mutter Anderson sowie Schwester Susan
und Bruder unseres Preisträgers, desgleichen die Eltern unseres
Preisträgers »Zukunft« Jason Reilly aus Toronto, die Eltern Alicia
Amatriains aus Spanien und Christian Spucks Eltern – raten Sie
mal – aus Deutschland!
Die Organisation und Finanzierung der Verleihung des Deutschen Tanzpreises war nie eine einfache Angelegenheit. Doch
für 2005 und 2006 wurde es nun – zeitgemäß – noch etwas
schwieriger. Dies nur andeutungsweise, denn wir wollen ja nicht
in den allgemeinen Chor des Klagens mit einstimmen! Umso
mehr danken Sie bitte mit mir gemeinsam unseren großzügigen
Sponsoren, die es wiederum möglich machten, dass wir diesen
wunderbaren Abend heute erleben können. Einen herzlichen
Dank Frau Anneliese Brost für ihre großartige Unterstützung; desgleichen Herrn Dr. Henning Osthues-Albrecht und Herrn Hans
Martz von der Sparkasse Essen; Herrn Gerd Wagner-Emden,
Bezirksdirektion Essen der Gothaer Versicherung; Herrn Wulf
Mämpel und dem Freundeskreis Theater & Philharmonie Essen;
Herrn Dieter Gräfe, Stuttgart; und insbesondere der Stadt Essen
und ihrem Kultur-Ausschuss. Und sollten Sie am Ende dieses
Abends der Ansicht sein, dass unser Deutscher Tanzpreis in Essen unterstützungswürdig sei: Mit der ausliegenden kleinen Informations-Broschüre laden wir Sie herzlich ein, Mitglied im gemeinnützigen Verein zur Förderung der Tanzkunst zu werden!
Ein weiterer Dank gilt der Marchesa Mina di Sospiro, Mailand, Prof. Birgit Keil, Prof. Lothar Späth, die mit persönlichen
Spenden an die Tanzstiftung Birgit Keil die Dotierung des Tanzpreises »Zukunft« ermöglichen. Vergessen möchte ich nicht den
Geschäftsführer dieses Hauses, Herrn Otmar Herren, die Bühnentechnik und Beleuchtung, kurz: alle guten Geister, die zum
Gelingen dieses Abends beitragen.
Sie werden aufatmen, ich auch, denn wir kommen zum traditionellen Abschluss meiner Begrüßung, der Vorstellung unserer
anwesenden Preisträger vergangener Jahre:
Zuerst unser Tanzpreisträger »Zukunft« 2005: Flavio Salamanka. Und als weitere Tanzpreisträger: Philippe Braunschweig,
Márcia Haydée, Hans Herdlein, Fritz Höver, Birgit Keil, Horst
Koegler, José de Udaeta. ■
Ballett Intern 2/2006
Laudatio für den
Tanzpreis »Zukunft«
Prof. Dr. Lothar Späth
Herr Bundestagspräsident, lieber Herr Lammert, Herr Erster Bürgermeister, lieber Herr Roehm, ich freue mich und fühle mich wirklich geehrt, zum dritten Mal als Laudator bei der Tanzpreisverleihung aufzutreten. Und noch das Glück zu haben, dass die
beiden, für die ich als Laudator hier vor einiger Zeit schon gewirkt
habe, nämlich Márcia Haydée und Birgit Keil, heute Abend hier
sind. Ich hatte wirklich geglaubt, jetzt hätte ich alle meine Aufgaben als schwäbischer Laudator beim Tanzpreis erfüllt.
Ich muss jetzt auch eingehen auf die Frage »... alles außer
Hochdeutsch«: Wir haben unsere Fremdenfreundlichkeit immer
dadurch bewiesen, dass wir beim Ballett auch die Leute aufgenommen haben, die nicht schwäbisch konnten – sonst hätten wir
vielleicht dieses Ergebnis nicht in Stuttgart. Man sollte manchmal
ohnehin in dieser umgekehrten Richtung denken – denn nur, wer
seine persönlichen Grenzen öffnet, wer die Grenzen für das Internationale aufmacht und wer Kunst, Kreativität und den Bildern
Raum gibt, die wir heute Abend sehen, der kann auf Zukunft
hoffen. Deshalb ist es wichtig, dass der Bund und die Länder
sich an das Thema Tanz machen, auch an das Förderthema
Tanz. Ich habe aus meinen politischen Erfahrungen eine gewisse
Skepsis mitgenommen, dass die Programme zwar fertig sind,
aber ihre Finanzierung noch nicht steht. Auch aus dem Anlass,
dass hier zum zweiten Mal der Tanzpreis »Zukunft« vergeben
wird, möchte ich die privaten Mäzene ansprechen. Denn wir
müssen uns abgewöhnen zu sagen, das sei nicht Aufgabe der
Wirtschaft (vor allem der Wirtschaft, der es gut geht, und die
haben wir ja zum Glück in Deutschland auch!). Es darf nicht der
Stolz der Wirtschaft sein, nur die Aktionäre und die Gesellschafter zu befriedigen, sondern es muss auch wieder der Stolz sein,
solche Compagnien und solche künstlerischen Einrichtungen in
Städten und Gemeinden zu erhalten! Wohl ist das eine öffentliche Aufgabe, die die Privatwirtschaft nicht allein erledigen
kann, aber es ist auch eine verdammte Pflicht, ein guter Bürger
zu sein, auch für Wirtschaftsunternehmen, und dazu beizutragen, dass auch dieser Teil unseres internationalen Erscheinungsbildes wichtig ist. Wenn ich als baden-württembergischer Ministerpräsident ins Ausland gereist bin und sichergehen wollte, dass
mir im Wirtschaftlichen nichts schief geht, dann habe ich das
Ballett mitgenommen. Deshalb denke ich, wir sollten da zu einer
anderen Form der Kooperation zurückkehren. Wir dürfen hier
nicht soziale Elemente gegen Kunst-Elemente ausspielen. Kunst
und Ballett sind ein sozialer Vorgang und sind im Tiefsten sozial.
Wenn wir heute darüber reden, dass unsere Bildungsschwächen
vor allem in Kreativ-Bereichen liegen, dann wird nur sichtbarer,
dass das, was eine Nation in der Zukunft im Wettbewerb
braucht, vor allem eine Industrienation wie Deutschland, Kreativität ist, das Potenzial in der jungen Generation. Deshalb kommt
es nicht nur darauf an, wie wir mit Wissen bestückt sind, sondern mit welchen Entfaltungsmöglichkeiten wir unseren Kindern
Chancen geben. Wer sieht, in welchem Alter die Chancen vergeben werden müssen, damit sie genutzt werden können, der
kann nur dafür sein, dass wir gerade auch in der Diskussion über
unsere Bildungs- und Zukunftspolitik diese Elemente viel stärker
berücksichtigen.
Ich möchte jetzt zu meiner eigentlichen Aufgabe zurückkehren
und natürlich Reid Anderson ganz herzlich beglückwünschen. Ich
will noch einmal zum Zukunfts-Preis kommen und die Überlegung
unterstreichen, die Herr Roehm schon angesprochen hat: Wenn
wir nur überall, wo ein Ballett mit Nachwuchsschulung ist, einen
Kreis aufbauen könnten, der zehn bis zwanzig Stipendien in
einem Jahr an junge Talente vergeben kann, dann wären wir ein
ganzes Stück weiter. Ich will ihnen die drei Beispiele vorstellen,
die beweisen, wie wichtig und sinnvoll dieser Zukunfts-Preis ist,
der auf Hoffnung und Vertrauen aufbaut, nämlich zunächst auf
das Vertrauen in ein großes künstlerisches Talent, und dann in das
Hoffen, dass dieses Talent zu einer außergewöhnlichen Zukunft
führt. Deshalb gilt der Preis denen, die schon aus eigener Leistung
in der aktiven Bühnenlaufbahn stehen, die durch überzeugende
tänzerische Technik, durch außergewöhnliches Talent Aufsehen
erregen. Der Preis soll den Zukunftsträgern des Tanzes helfen,
nationale und internationale Aufmerksamkeit zu gewinnen, in der
Hoffnung, diesen Karrieren einen weiteren Schub zu vermitteln.
Ich beginne mit Alicia Amatriain. Der
Deutsche Tanzpreis »Zukunft« wird ihr
verliehen »für eine Bilderbuchkarriere«, und etwas davon
haben wir heute schon
gesehen, »zur führenden Ballerina
des Stuttgarter
Balletts. Eine
mühelose
Technik
ermöglicht ihr
souverän ausdrucksstarke
Rollengestaltungen in den verschiedensten
Tanzstilen – das
Poten­zial einer gro­
ßen Ballerina«. Alicia
Amatriain wurde in
San Sebastián in Spa­
nien geboren. Ihren ersten Ballettunterricht erhielt
sie in ihrer Heimat, im Konservatorium von San Sebas-
Alicia Amatriain in Christian
Spucks »Le Grand Pas de deux«
tián. Dort entdeckte sie Sarah Abendroth, eine Lehrerin der John
Cranko-Schule, bei einem Sommerkurs, und holte Alicia mit 14
Jahren im Jahr 1994 nach Stutt­gart. Die Mutter dachte, Alicia
würde das Heimweh packen und hoffte auf eine schnelle Rückkehr. Doch Alicia besuchte als erste Stipendiatin der Tanzstiftung Birgit Keil die John Cranko-Schule in Stuttgart, wo sie
1998 ihren Abschluss machte. Aus einfachen Verhältnissen
stammend, hat ihr das Stipendium vieles erleichtert, sagt sie. In
atemberaubendem Tempo durcheilt sie seither die Ränge des
Stuttgarter Balletts und blieb dabei stets bescheiden. Zur Spielzeit 1998/99 wurde sie Elevin, ein Jahr später ins Corps de
ballet übernommen, ein Jahr später war sie Halbsolistin, und
noch ein Jahr später war sie Erste Solistin. Sie ist als Interpretin
moderner Choreographien genauso gefragt wie als Dramatikerin, die selbst in vertrauten Rollen, zum Beispiel als Tatjana in
»Onegin«, neue Seiten zeigt. Seit sie der Stuttgarter Ballettintendant Reid Anderson von der Cranko-Schule übernommen hat,
brilliert sie mit einer rasanten Entwicklung. Dabei kämpfte sie
zunächst mit einem noch unsicheren Spitzenstand. Heute bringt
sie durch ihre Ausdrucksstärke Kritiker zum Jubeln. Ihren internationalen Durchbruch feierte sie 2003 in ihrer Hauptrolle in
Christian Spucks erstem Handlungsballett »Lulu«. In zwei Kritikerumfragen wurde sie als »Best Female Dancer« und »Profilierte Tänzerin« für diese Rolle genannt. Choreographen wie Wayne McGregor, Dominique Dumais und Itzik Galili kreierten
eigens für sie Rollen und setzten ihre Kunst in Szene. Ihre größte
Kraftprobe aber hat sie nicht auf, sondern hinter der Bühne
bestehen müssen. Die Frage nach der größten Herausforderung in ihrem bisherigen Leben beantwortet sie mit »wieder zurückkommen«. Eine Thrombose in der Schulter hatte sie in der
vergangenen Spielzeit erst ins Krankenbett, dann zur Schonung
gezwungen. Das Schwierigste dabei war, den richtigen Zeitpunkt für die Rückkehr zum Tänzeralltag zu finden. Sie hat ihn
gefunden. Ihre Traumrolle? Die Doppelrolle Odette/Odile in
»Schwanensee« – zwei verschiedene Charaktere in einer Rolle:
»Wenn man das schafft«, meint sie, »dann gelingt einem alles!
Tänzerin zu sein ist anstrengend«, sagt sie, »aber schön. Wenn
man diesen Beruf liebt, dann gibt man alles – und bereut
nichts.« Herzlichen Glückwunsch!
Ballett Intern 2/2006
Jason Reilly – »Der deutsche Tanzpreis »Zukunft« 2006 wird
dem Tänzer Jason Reilly verliehen für seine außergewöhnliche
Begabung, fast ungestüm und doch diszipliniert die unterschiedlichsten Charaktere darzustellen, gepaart mit einer Technik, die
über jeden Zweifel erhaben ist.« Jason Reilly wurde in Toronto
geboren, er studierte an der National Ballet School. Bereits als
Schüler tanzte er in den Balletten bedeutender Choreographen,
1997 machte er seinen Abschluss und wurde mit nur 17 Jahren
Mitglied des Stuttgarter Balletts. Nach Stuttgart kam er, nachdem
der langjährige Leiter des National Ballet of Canada, Reid Anderson, selbst nach Stuttgart ging und ihm hier einen Vertrag
anbot. Auf die Frage, ob er denn nicht einsam war, so ganz alleine und weit weg von Zuhause, antwortet Reilly: »Ich hatte sowas von Spaß!«. Nachdem er in der Spielzeit 2001/2002
zum Halbsolisten aufgestiegen war, wurde auch er nur eine
Spielzeit später, mit 23 Jahren, zum Solisten befördert.
Der 26-Jährige gilt als einer der seltenen Alleskönner unter
den Tänzern. Gern wird er mit Richard Cragun verglichen, denn
Reilly tanzt nicht nur alle Rollen Craguns, sondern er ist wie dieser vollkommen – ein Tänzer, dem körperlich und technisch alles
zur Verfügung steht und der sich scheinbar mühelos alle Stile zu
eigen machen kann. Die modernen Choreographen lieben ihn
wegen seiner Schnelligkeit und Coolness. Besonders aber beherrscht er das, was in Stuttgart am wichtigsten ist: Cranko,
Schauspiel, Dramatik. Er gehört zu den immer seltener werdenden dramatischen Tänzern und beherrscht es, den Sinn der
Bewegungen aus der Musik heraus zu empfinden, sie sich vollkommen zu eigen zu machen und ihnen eigene Nuancen zu
geben. Diese Bühnenpersönlichkeit ist genau das, was einen
wirklich großen Tänzer ausmacht, es ist am Ende nicht die Technik und das Sprungvermögen. Eine Persönlichkeit ist er auch abseits des Rampenlichts. Mit seinen Tattoos und Piercings wird er
hin und wieder auf der Straße von der Stuttgarter Polizei um den
Ausweis gebeten. Wie ein typischer Ballettprinz sieht er nun
wirklich nicht aus. Aber es ist gerade seine Lockerheit, die ihn so
unglaublich sympathisch macht.
Zum Ballett kam Reilly durch seinen älteren Bruder, der Tanzunterricht nahm. Er bewunderte ihn vor allem beim MädchenHochheben. Die Mutter schickte schließlich auch den Jüngeren
in die Tanzschule. Im Mai dieses Jahres wird der inzwischen
weltweit gefragte Tänzer zum ersten Mal in Toronto gastieren,
bei der Compagnie, mit der er aufgewachsen ist. Er kommt als
ein Star zurück. Trotzdem bleibt es nur bei einem Aufenthalt auf
Zeit – sie sehen meine Erleichterung – denn Stuttgart ist jetzt sein
Zuhause, sagt er selbst.
Er spielt alle Rollen mit Hingabe. Er braucht Emotionen und
Drama. Obwohl er von weißen Strumpfhosen nicht so begeistert
ist, spielt er mit Intensität den Prinzen, er arbeitet sich aber auch
in die fiese Figur des Stanley Kowalski aus »Endstation Sehnsucht« ein. Er tanzt mit Romeo und Petrucchio bereits zwei große
Cranko-Rollen, derzeit studiert er die schwierigste, den Onegin.
Einen Lieblingsstil hat Reilly nicht, er mag einfach alles. Aufgrund
seiner herausragenden Interpretation klassischer Rollen sowie
Ausdrucksstärke und technischer Brillanz in modernen Balletten
wurde Reilly wiederholt in den jährlichen Umfragen der Zeitschrift Ballettanz zu den profiliertesten Tänzern gezählt. Auf die
Frage, ob er ehrgeizig ist, meint Reilly: »Nein. Ja. Aber nur, weil
ich das so liebe, was ich mache.« Herzlichen Glückwunsch!
Christian Spuck: »Der Deutsche Tanzpreis »Zukunft« 2006
wird dem Choreographen Christian Spuck verliehen. Seine Kreationen zeichnen sich durch Originalität und einen hohen intellektuellen Anspruch aus, ohne in Unverständlichkeit auszuufern
– wir sehen in ihm die Zukunft eines großen Choreographen.«
Christian Spuck ist einer der beiden Haus-Choreographen des
Stuttgarter Balletts. Er erhielt seine tänzerische Ausbildung an der
John Cranko-Schule in Stuttgart, obwohl der gebürtige Marburger erst relativ spät mit dem Tanzen begonnen hat. Als er während seines Zivildienstes in Frankfurt William Forsythes Arbeiten
gesehen hat, war das der Auslöser, den Tanz zu seinem Beruf zu
machen. 1995 wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts, seine
erste eigene Choreographie erarbeitete er ein Jahr später bei
den »Jungen Choreographen« der Stuttgarter Noverre-Gesellschaft. Dieses Stück war so erfolgreich, dass das Stuttgarter Ballett und die Deutsche Oper Berlin es in ihre Repertoires aufnahmen. 1998 erfolgte seine erste Uraufführung beim Stuttgarter
Ballett, »Passacaglia«. In der Zeitschrift Ballettanz wurde Spuck
1997/98 und 1999/2000 als bester Nachwuchs-Choreo-
Prof. Birgit Keil überreicht
für die Tanzstiftung Birgit Keil
die Dotierung an die Preisträger
des Deutschen Tanzpreises »Zukunft«
2006 Alicia Amatriain, Jason
Reilly und Christian Spuck
Ballett Intern 2/2006
Laudatio für Reid Anderson
graph genannt. Seither hat Christian Spuck acht weitere Ballette
für gemischte Ballettabende choreographiert. Sein erstes großes
Handlungsballett schuf er mit »Lulu« für das Stuttgarter Ballett;
damit setzt er die von Cranko begründete Tradition des Handlungsballettes erfolgreich fort. Auch das Ausland fragte nach –
seit 1999 arbeitet Christian Spuck für renommierte Ballettcompagnien in Europa und in den USA: im Jahr 2000 »Adagio für
Tänzer« für das New York City Ballett, was zu einem Werk für
Hubbard Street Dance 2 führte und zu einer kontinuierlichen Zusammenarbeit, die gerade mit dem Chicagoer Tanzensemble
diskutiert wird. Derzeit befasst er sich mit dem Konzept für das
Königliche Ballett von Flandern, in der übernächsten Saison wird
Christian Spuck für das Königlich Schwedische Ballett kreieren.
Aber fleißig wie er ist, werden wir auch in Kürze in Stuttgart etwas Neues von ihm haben. Für eine Uraufführung im April ist er
gerade dabei, ein neues Handlungsballett nach »Der Sandmann« von E.T.A. Hoffmann zu schaffen. Im vergangenen Jahr
debütierte er gar als Opernregisseur, mit »Berenice« im Theater
in Heidelberg. Wenn man so viel Erfolg hat, fragt man sich, ob
da noch Herausforderungen offen bleiben. Doch Christian Spuck
ist ein nachdenklicher Grübler, den der produktive Zweifel antreibt. Es ist nicht leicht, an einem Ort wie dem Stuttgarter Ballett,
wo John Cranko seine Meisterwerke schuf, die noch heute Maßstäbe setzen. Spuck gelingt es jedoch, selbstbewusst und unbefangen seinen eigenen Weg zu gehen. Das erzählende, abendfüllende Format ist seine Sache: »Mein Interesse ist es, mich
intensiv mit Stoffen und Figuren auseinanderzusetzen«, sagt er,
»Ich will versuchen, die Inhalte auf der Bühne noch mehr auf den
Punkt zu bringen.« Den Charakter einer Person zu ergründen und
im Tanz auszuleuchten, ist eine Passion, die Spuck in seinem
ersten Handlungsballett »Lulu« wunderbar verwirklicht hat. Dabei
tun seine hohe Musikalität (er wollte ursprünglich Klarinettist werden), ein souveräner Umgang mit dem Raum, seine stilsichere
Inszenierungskunst ihr Übriges. Er ist ein Ästhet mit dem Streben,
inhaltliche Widerhaken ins vermeintlich Schöne zu setzen, was
seine Kreationen schon klar als »Spuck« erkennen lässt. Fast
zehn Jahre sind seit seinem Debüt als Choreograph vergangen.
Die Aufträge sind stets größer geworden, doch eines ist gleich
geblieben. Ich zitiere ihn: »Es ist mein Lebensinhalt, mich damit
auseinanderzusetzen, wie ich innere Welten auf der Bühne sichtbar machen kann, um damit Menschen zu begeistern und zu
berühren.« Herzlichen Glückwunsch. ■
Márcia Haydée
Reid, für mich gibt es in der Tanzwelt vier verschiedene Gruppen
von Tänzern. Die Tänzer, die mit sehr viel Begabung geboren
sind; sie denken, dass Begabung alleine reicht und machen
überhaupt nichts. Die Tänzer, die weniger begabt sind, aber sie
arbeiten sehr hart, und sie machen eine Karriere. Dann gibt es
die, die sehr begabt sind und die 100-prozentig arbeiten, und
sie machen noch eine größere Karriere. Aber dann gibt es die
vierte Kategorie, das ist die Kategorie, aus der für mich all die
Großen stammen. Die sind geboren und es gibt für sie keine
Minute ohne Tanz. Tanz ist das Leben, sie leben um zu tanzen.
Sie haben eiserne Disziplin, sie haben Spaß an der Arbeit, sie
sind nie müde. Und wenn sie müde sind, dann sagen sie nicht,
dass sie müde sind. Und du gehörst zu dieser Kategorie.
Ich muss deine Mutter fragen, denn ich glaube, als du geboren bist, da hast du schon gearbeitet. Seit ich dich kenne, hast
du alles im Leben nur mit Arbeit erreicht. Als ich Direktorin war,
hast du mir als Tänzer nie ein Problem gegeben. Wenn ich gefragt habe: »Reid, kannst du?«, dann hast du gesagt »Kein Problem«. Jemand war krank, und ich habe gesagt »Reid, heute
Abend ist diese Vorstellung«, dann hast Du gesagt »kein Problem, ich kenne das Ballett nicht, aber ich lerne es. Ich brauche
keine Proben, ich mache es einfach heute Abend.« So warst du.
Du warst nie müde. Du hast eine eiserne Disziplin. Wenn ich als
Tänzerin mit dir getanzt habe, dann war das immer sehr leicht,
denn wenn ich einmal, zweimal, zehnmal probieren wollte, hast
du immer »okay« gesagt. Nicht ein einziges Mal in der ganzen
Zeit, in der wir zusammen getanzt haben, hast du zu mir gesagt:
»Márcia, ich bin müde – können wir das statt zehnmal nur achtmal machen?« Für die Ballettmeister war es auch einfach, mit dir
zu arbeiten, denn du warst problemlos, du hast immer alles ge-
Die Träger des Deutschen Tanzpreises »Zukunft« 2006 Alicia Ama­
triain, Jason Reilly (rechts) und Christian Spuck (links) mit ihrem Laudator Prof. Lothar Späth (3. v.l.) sowie dem Vorsitzenden des Vereins
zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland, Ulrich Roehm und dem
Essener Bürgermeister Norbert Kleine-Möllhoff.
10
Ballett Intern 2/2006
macht. Für die Choreographen ebenso. Ich erinnere mich, als
Kenneth MacMillan für uns den »Requiem«-Pas-de-deux kreierte,
da gab es einen Moment, als er gesagt hat: »Reid, glaubst du,
du kannst die Márcia mit dem rechten Arm heben, dann schmeißt
du sie in den linken Arm, dann wieder den rechten Arm, dann
unten und dann oben ...« Und du hast gesagt: »Okay, kein Problem.« Das ist wichtig. In diesem Leben als Tänzer ist die Arbeit
wichtig – Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit.
Aber wie ist Reid überhaupt zum Ballett gekommen? Der
Grund dafür sitzt da in der zweiten Reihe, das ist seine Schwester Susan. Als Susan klein war, ist sie zum Ballettunterricht gegangen, und ihr Vater hat gesagt: »Reid, geh mit, hilfst ihr ein bisschen.« Und beim zweiten, dritten Mal hat die Lehrerin schon
gesagt: »Reid, komm her, kannst du das Mädchen heben, kannst
du hier halten, kannst du...« Und so ist Reid zum Tänzer geworden – nicht Susan, aber Reid. Reid kam 1969 nach Stuttgart.
Genau in der Zeit, als Cranko »Der Widerspenstigen Zähmung«
kreiert hat. Und sofort war er drin und musste ganz schnell das
gesamte Repertoire lernen, denn ein paar Monate später kam
die Amerika-Tournee, die legendäre Amerika-Tournee, durch die
das Stuttgarter Ballett über Nacht eine der wichtigsten Compagnien der ganzen Welt wurde. Und Reid war mit uns dabei.
Im Repertoire des Stuttgarter Balletts hat Reid alles getanzt.
Von Cranko zu MacMillan, Tetley, Billy Forsythe. Für Reid war es
immer eine Freude, im Ballettsaal zu sein. Für Reid war es immer
eine Freude, im Theater zu sein. Er war immer ein Theatermensch
– nicht nur Tänzer, auch Theatermensch. Etwas ganz Besonderes
ist mit dir geschehen: Du warst damals 20 und hast die Rolle von
Ballett Intern 2/2006
Gremin in »Onegin« bekommen. Bei Puschkin ist Gremin 50 Jahre alt, und Reid war gerade 20. Wenn er auf die Bühne kommt
im Kostüm, dann sieht man ganz klar, dass er älter ist. Aber Reid
hatte die Fähigkeit, in der Probe, so wie er war, sofort zu verstehen, wer Gremin ist. Wie er gegangen ist, gestanden ist, wie er
geschaut hat, man hat ihm sofort geglaubt. Du hast nicht wie 50
ausgesehen, aber du hattest diese Begabung, diese Maturity,
diese Erfahrung – das ist nicht normal bei einem jungen Tänzer
mit 20 Jahren. Genauso war es bei Neumeier, als er für dich den
Vater in der »Kameliendame« kreiert hat. Du warst 29 – ich war
älter als Du, aber als ich diesen Pas de deux mit dir getanzt
habe, habe ich gespürt, dass es bei dir einen Schutz gibt, eine
Kraft, die nicht normal ist in deinem Alter. Für mich gibt es niemand, der diese Rollen so machen kann, wie du sie gemacht
hast. Ich habe die »Kameliendame« geliebt, aber der schönste
Teil für mich war immer der Pas de deux mit dir – bei jeder Vorstellung. Es hat mir so viel gegeben, mit dir zu tanzen.
Dann kam Reids Trennung von Stuttgart, der zweite Teil seines
Lebens. Er ging nach Vancouver als Direktor, ein paar Jahre später ist er Direktor des National Ballet in Toronto geworden. Und
ganz schnell ist er zum Weltklasse-Direktor geworden. Nicht von
alleine, wieder war da die eiserne Disziplin seiner Arbeit – in
Kanada und in den USA kann man ein sehr guter Direktor sein,
aber wenn man nicht die Begabung besitzt, Sponsoren zu bekommen und damit Geld für die Compagnie, dann ist man niemand. Und Reid ist König in dieser Disziplin! Vielleicht kommt
einmal ein Tag, an dem du am Tanz nicht mehr interessiert bist
(aber ich glaube, das passiert nicht), dann könntest du eine
Schule aufmachen und all den Direktoren beibringen, wie man
der König der Sponsoren-Eintreiber wird. Er ist beim Essen gesessen mit fünf oder sechs Leuten, und am Ende, die wussten nicht
wie, hatte ihm jeder 100.000 Dollar gegeben für seine Compagnie. In Kanada hast du wirklich gelernt, ein Direktor zu sein.
Dann kam er 1996 nach Stuttgart und hat das Stuttgarter Ballett
übernommen. Er hat wirklich diese Compagnie in eine ganz
neue Richtung geführt und auf ein höheres Level, als wir es vorher
hatten. Du bist mit deinen vier Stars gekommen – Robert Tewsley,
Vladimir Malakhov, Margaret Illman und Yseult Lendvai. Heute,
zehn Jahre später, hast du eine neue Generation von Stars, wie
wir gerade gesehen haben. In deiner Zeit als Intendant sind
50 neue Kreationen beim Stuttgarter Ballett entstanden – genau
wie wir es bei Cranko gelernt hatten, hast du weiter die jungen
Choreographen gefördert. Heute hast du schon zwei Haus-Choreographen – unseren lieben Christian Spuck und Marco Goecke. Weshalb ich dir auch sehr dankbar bin: Du hast so gut
aufgepasst auf das Cranko-Repertoire, und nicht nur auf Cranko,
sondern auf das ganze Repertoire, für das das Stuttgarter Ballett
steht. Ich kann das zum Beispiel von meinem »Dornröschen« sagen – die Sachen bleiben genau so, wie ich wollte. Du als Direktor kannst mit der Besetzung machen, was du willst – aber du
rufst mich an! Ich bin in Chile, und er ruft mich an und sagt:
»Márcia, ich will das und das und die Besetzung – bist du gleicher Meinung?« Das ist ein Respekt, den du für alle hast. Ein
Choreograph weiß: Wenn er etwas für deine Compagnie kreiert, dann wirst du sehr gut darauf aufpassen. Und das ist nicht in
jeder Compagnie so! Manchmal gibt es ein Ballett, und zwei
Monate später sieht alles anders aus. Nicht bei dir.
Ich könnte hier noch bis morgen früh über Reid sprechen.
Reid: Du verdienst diesen Tanzpreis. Du verdienst, »Director of
the Year« zu sein. Ich glaube, Cranko wäre sehr stolz auf dich,
und ich bin sehr stolz auf dich. Und ich kann nur sagen, mit
meinem ganzen Herzen: Ich gratuliere dir. ■
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»Ich bin sowieso
ein cry-baby«
Dankesworte von Reid Anderson
Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es wird
mir ein bisschen schwer fallen, heute Abend mit Ihnen zu sprechen. Erstens möchte ich mich bei allen bedanken, die diesen
Abend möglich gemacht haben. Ich könnte die Namen noch
einmal erwähnen, aber sie wissen wer sie sind, vor allem Ulrich
Roehm, der so viel gearbeitet hat. Seine beiden Vereine – die
Mitglieder haben so viel getan, dass wir diesen heutigen Abend
erleben können.
Das ist sehr emotional für mich. Wenn eine Márcia Haydée
über einen spricht, wie über mich gerade eben, dann kommen
die Tränen. Ich bin sowieso ein »cry-baby«. Als ich erfuhr, dass
ich diesen Preis bekommen sollte, war ich völlig überrascht. Ich
werde auch ein bisschen Englisch sprechen heute Abend, weil
meine Familie hier ist. When I first learned that I was gonna get
this prize, I was quite surprised. Dann dachte ich: Das ist etwas
Tolles, nicht nur für mich, sondern auch für meine Babys, für Alicia, für Jason und für Christian, das hat mir sehr gut gefallen, und
ich habe auch gedacht: nicht nur für uns, sondern auch für die
Stadt Stuttgart, für das Land Baden-Württemberg. Wir haben ein
wunderschönes, tolles, liebes Publikum in Stuttgart, ein einmaliges Publikum. Und die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg sind unsere Träger, und die sind immer bei uns geblieben, in Johns Zeiten, in Márcias Zeiten und jetzt mit mir. Das ist
natürlich, wie Sie wissen, heutzutage wahnsinnig wichtig.
Herr Prof. Dr. Späth hat heute Abend über meine Kinder gesprochen, und da kommen mir die Tränen auch, weil das junge
Leute sind, die zu mir gekommen sind und die wir aufzubauen
versucht haben. Er hat es auf so eine nette Weise gesagt und er
hat das genau auf den Punkt gebracht. Ich möchte mich bei Birgit Keil bedanken, dass sie und ihre Stiftung diese Preise ermöglicht haben – das ist nicht selbstverständlich! Es ist, wie Herr
Späth erwähnt hat, wahnsinnig wichtig. Ich möchte mich bei
meiner Compagnie bedanken und all den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Theater. I would like to thank my company and
all the people that work with me in the theatre. Herr Tränkle, unser Geschäftsführender Direktor – ohne Herrn Tränkle hätte ich
das nie so machen können, wie ich es mache. Klaus Zehelein
und zu seiner Zeit Friedel Schirmer – wir sind »Die vier Musketiere« genannt worden in Stuttgart. Ich bin kein Ballettdirektor, ich
bin ein Intendant, und wir haben das zu viert diese zehn Jahre
gemacht, das war eine sehr schöne Zeit. Ich weiß nicht, wie
man das übersetzt, wir haben im Englischen nur »ballet director«Ballettintendant, das kennen wir nicht.
Jetzt wird es noch schwieriger. Ich habe mir in den letzten
Monaten überlegt, was ich heute Abend sagen werden – it‘s going to be a bit harder now, because I thought over the last weeks
what would I say on an evening like this. Ich möchte es versuchen,
aber bitte haben Sie Verständnis, dass es für mich schwierig ist,
weil ich heute Abend sehr emotional bin. Just have patience with
me because I‘m very emotional this evening. Das ist das erste Mal,
dass so viele Mitglieder meiner Familie zusammen sind. Meine
Mutter war mal hier, meine Schwester, mein Bruder, aber sie waren nie zusammen hier in den fast drei Jahrzehnten, in denen ich in
Deutschland wohne. Es sind so viele liebe Freunde hier, wunderschöne, nette, fantastische Freunde heute Abend und so viele Bekannte und so viele tolle Menschen der Ballettwelt – sie sind alle
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gekommen heute Abend, um bei mir, bei Ihnen zu sein. My family
is here – my family has been here before, but my family has never
been here together before. And so many of the most wonderful
friends I have in the world are here tonight, and so many other
people that are famous in the ballet world. Und wenn man diese
drei Gruppen zusammen sieht, wird man sehr emotional. When
one puts these three groups together, then one is the most emotional. Ich werde das jetzt versuchen, ohne zu weinen. Es kommt
mir vor, als ob es die Academy Awards sind, und für mich sind sie
das auch – diese Ehrung ist für mich so toll, so wunderbar, ich
habe so ein gutes, tolles, warmes Gefühl dabei. This prize is something so fantastic for me, I have such a warm, cosy, wonderful
feeling when I think of this prize. Ich spreche immer für andere
Leute und was sie gemacht haben, oder für unsere Compagnie,
wenn sie etwas kreiert hat, aber fast zum ersten Mal spreche ich
eigentlich für mich, und das macht es so schwer. I‘m usually speaking for other people and what they‘ve done and what my company has done, but very seldom do I speak about me and what I
have done. So here it goes. Ich werd’s versuchen.
Reid Anderson mit seiner Mutter (oben) und seiner Laudatorin Márcia
Haydée (unten) bei der Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2006.
Ballett Intern 2/2006
Vier Damen meines Lebens: Meine Mutter ist hier heute
Abend. Sie ist 82, sie war das letzte Mal vor 25 Jahren hier. Sie
hat, als wir Kinder waren, unsere Kostüme genäht und uns betreut. Heute Abend ist meine ehemalige Lehrerin hier, Dolores
Kirkwood. Sie hat mir und meiner Schwester das Tanzen beigebracht, und sie hat mir den Geist des Tanzes gelehrt. Tonight my
mother is here, she‘s going to be 82 years old. When we were
young, she sowed our costumes. My first ballet teacher is here,
she taught me and my sister when we were four and three years
old, and she taught me about the spirit of dance. Meine Schwester ist hier, Susan. Wir sind fast wie Zwillinge aufgewachsen.
Meine Mutter hat unsere Kleidung genäht, weil wir so wenig
Geld hatten, und wir wurden wie Zwillinge gekleidet. My sister
is here, Susan. We grew up almost like twins. We didn‘t have
much money, so my mother made our clothes, and we had the
same clothes, I guess it was cheaper to buy the same material.
Meine Schwester Susan war meine erste Partnerin. Meine
Schwester ist ein Teil meines Körpers, sie ist ein Teil meines Lebens. My sister is a part of my body, and a part of my life. Und
Zur Preisverleihung an Reid Anderson waren viele Tanzpreisträger der vergangenen Jahre erschienen (v.l.): Hans Herdlein, Reid Anderson, Birgit
Keil, Ulrich Roehm, Márcia Haydée, José de Udaeta, Philippe Braunschweig und Fritz Höver.
dann: Márcia Haydée. Márcia Haydée ist für mich manchmal
meine Schwester, manchmal meine Liebhaberin, manchmal meine Großmutter, manchmal meine Mutter, manchmal meine Frau!
Márcia Haydée is sometimes my wife, sometimes my mother,
sometimes my grandmother, sometimes my lover, but we‘ve been
through a lot together. Es gibt noch andere Damen im Publikum
heute Abend, aber ich kann nicht alle erwähnen... Aber nicht
so! Nicht wie Sie denken!
Vier Herren. Mein Vater war ein Holzarbeiter. Wir haben nie
viel Geld gehabt. Und als meine Schwester mit drei Jahren bei
Dolores tanzen sollte, da wollte sie nicht aufstehen, um Shuffle
Knock-down zu machen. Mein Vater war dabei und hat gesagt:
Reid, steh du auf und halt ihre Hand, vielleicht wird sie es dann
machen. Ich bin aufgestanden und habe ihre Hand gehalten,
und wie schon erwähnt wurde: Ich bin Tänzer geworden, aber
meine Schwester nicht. My sister was to start dancing at three,
and she wouldn‘t get up without me, and my father said: stand
Ballett Intern 2/2006
up, and I held her hand, started shuffle knock-down, and the rest
is history. Mein Vater war ein sehr spezieller Mensch. Er hat
Grazie gehabt, und er konnte tanzen, Gesellschaftstanz. Er
konnte auch singen – in der Dusche. Aber er hatte etwas. Und
er war mein erster Ballettmeister: Er ist ins Training gekommen mit
Susan und mit mir und hat alles notiert, was Dolores gesagt hat,
und dann hat er jeden Abend mit uns gearbeitet unten im Keller,
wo er einen speziellen Boden eingezogen hatte. My father was
my first ballet master. He took my sister, he went to all the classes,
took notes of the classes, and in the evening he was downstairs
working with us on pirouettes. Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat, irgendwie instinktiv wahrscheinlich. Der zweite Mann:
mein älterer Bruder, my older brother Brent. Ich habe immer zu
meinem älteren Bruder aufgeschaut, I’ve always looked up to my
elder brother, aber wir waren so verschieden, we were so different, wir konnten nie zusammenkommen. Irgendwann sind wir
doch zusammengekommen, somehow we got together, und
mein älterer Bruder ist mein bester Freund geworden. Er ist auch
hier heute Abend mit seiner Frau Sandy. He‘s here tonight with
his wife Sandy. They are two of my best friends in the world.
When one has best friends, one can tell them everything. Wenn
man beste Freunde hat, kann man ihnen alles, aber auch alles
erzählen.
Natürlich John Cranko. Wir wären alle nicht hier heute Abend
ohne John Cranko. Márcia hat so freundlich gesagt, sie könnte
tagelang über mich sprechen – ich zweifle daran. Ich könnte
tagelang über John Cranko sprechen! Aber keine Angst, das
werde ich nicht tun. The third man in my life is John Cranko, and
I could speak days about him, but I won‘t do that. Die meisten
von ihnen wissen, was er uns allen gegeben hat. Und zum
Schluss: Der vierte Mann meines Lebens ist mein Lebensgefährte
Dieter Gräfe. Ich würde nicht hier stehen heute Abend ohne ihn.
Er gibt mir einen Halt, ein Zuhause, ein Rückgrat. I would also
not be here tonight without my partner Dieter Gräfe. He gives
me a home, he is behind me one hundred per cent. Ich wäre
nicht das, was ich jetzt bin ohne ihn. I could not stand here tonight without him. I would not be me without him. Wir sind jetzt
fast 37 Jahre zusammen, und ich bin nach Stuttgart gekommen
vor 37 Jahren... das ist alles sehr schnell passiert damals! We
are 37 years together, and I‘ve been in Stuttgart for 37 years, so
everything went rather quickly in those days...
Zum Schluss möchte ich Ihnen von ganzem Herzen, ganz
herzlich danken, dass Sie hier so zahlreich erschienen sind.
I would like to thank you all for being here, so many people. Für
Alicia, für Jason, für Christian und für mich. Da gab es einen
berühmten Film, there was a famous film, wo ein junger Mann
einen Satz sagt, a young man said a sentence, und ich möchte
Ihnen dadurch zum Ausdruck bringen, I would like to let you
know how I really feel about tonight: Dass Sie alle hier sind, Sie
haben mich zum ... and because you are all here ­tonight, für
diesen heutigen Abend, eine Minute, eine Sekunde – for to­
night, one minute, one second you have made me king of the
world!
■
Deutscher Tanzpreis 2007
Deutscher Tanzpreis »Zukunft« 2007
Mitgliederversammlung des DBfT
Die Mitgliederversammlung des DBfT mit der Verleihung
der Deutschen Tanzpreise 2007 finden am
3. Februar 2007 statt.
13
Münstersche
Zeitung,
13.2.2006
Die Verleihung der
Deutschen Tanzpreise
im Spiegel der Presse
WAZ, 13.2.2006
14
WAZ, 13.2.2006
Ballett Intern 2/2006
Gold für Stuttgart
Medaillensegen im Weltmeisterschafts- und Olympia-Jahr
Von Horst Koegler
Stuttgarter Zeitung,
13.2.2006
Ehre, wem Ehre gebührt! In diesem Fall also
Stuttgart, das im Fußball-Weltmeisterschafts- und
Olympia-Jahr abgeräumt hat, was an Goldmedaillen hierzulande im Tanz zu vergeben ist.
Zuerst also der John-Cranko-Preis fürs Stuttgarter Ballett – offenbar ein Novum, denn wo
hätte es das sonst schon einmal gegeben, dass
ein Preis kollektiv an eine Compagnie geht (allenfalls wohl in der Sowjetunion unseligen Angedenkens der Große Vaterländische Verdienstorden für das Bolschoi-Ballett).
Dann der Preis der Leser des englischen Ballettmagazins »Dance Europe« für Reid Anderson,
den Intendanten des Stuttgarter Balletts, als »Director of the Year« – noch vor Brigitte Lefèvre
(Paris), Vladimir Malakhov (Berlin), John Neumeier (Hamburg), Ivan Liska (München) und William
Forsythe (Frankfurt/Dresden). Und schließlich
auch noch der Deutsche Tanzpreis – abermals
an Reid Anderson, nebst dreimal Junior-Gold für
die Stuttgarter Zukunftshoffnungsträger Alicia
Amatriain, Jason Reilly und Christian Spuck.
Da kann man nur hoffen, dass dieser Goldregen für das Stuttgarter Ballett sich nicht als der
Fluch des Midas auswirken möge, dem sich alles, was er in Zukunft unternehmen wird, in
starres, lebloses Gold verwandelt.
Auf dem »Treppchen« der Bühne des Essener
Aalto Theaters also diesmal lauter Stuttgarter!
Inklusive der fiktiven Mitglieder des Gold-Klubs,
der Stuttgarter Freunde des Balletts.
Ohne hier noch einmal auf die Redner, die
Preisträger, Gäste und einzelnen Darbietungen
einzugehen, möchte ich nur zwei Dinge hervorheben. Da war einmal der Überraschungsauftritt von José de Udaeta, Doyen der Essener
Honoratioren-Versammlung. Er hatte sich sozusagen eine Kastagnetten-Laudatio auf die Preisträger einfallen lassen – so charmant, so eloquent und so virtuos: ein Magier, der in der
Lage ist, Holz zum Sprechen zu bringen (leider
gibt es derzeit noch keinen Kastagnetten-Dolmetscher, der uns anschließend übersetzt hätte,
was für Stories Don José seinen Enkeln da erzählt hat – spannend war’s auf jeden Fall).
Und da war zum zweiten als Schlussbeitrag
die von den Stuttgartern getanzte Beethoven
»Siebte Sinfonie« in der Version von Uwe Scholz
– an diesem Abend nicht nur eine Ehrung für
den jüngst verstorbenen ehemaligen Essener
Preisträger (auch er ja ein Ex-Stuttgarter), sondern eine schöne Bestätigung, fünfzehn Jahre
nach der Stuttgarter Premiere, für die Dauerhaftigkeit choreographischer Qualität in symbiotischer Partnerschaft mit großer Musik.
Und fast hätte ich’s vergessen, eine veritable
Sensation: Márcia Haydées Laudatio auf Reid
Anderson, frei gesprochen, rund fünfzehn Minuten, ohne Manuskript, so voller Anekdoten, so
persönlich, so charmant, so locker. Hätte sich’s
um ein Casting für den Moderator einer Fernseh-Show gehandelt, sie hätte ihre Sache nicht
besser machen können!
WAZ, 13.2.2006
Ballett Intern
2/2006
Esslinger Zeitung, 13.2.2006
Ruhr Nachrichten, 13.2.2
006
15
Impressionen von der
Tanzpreisverleihung
(Alle Fotos zur Tanzpreisverleihung stammen von Ursula Kaufmann)
Prof. Dr. Martin Puttke, 2. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Tanzkunst in
Deutschland, mit alten und neuen Tanzpreisträgern (v.l.): Christian Spuck, Márcia
Haydée, Reid Anderson, Fritz Höver und Laudator Prof. Lothar Späth
Der Präsident des Deutschen Bundestages und Schirmherr des Vereins
zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland Dr. Norbert Lammert mit
Prof. Dr. Lothar Späth
Reid Anderson und Ulrich Roehm im Gespräch mit Gerd Wagner-Emden von der
Gothaer Versicherung
Reid Anderson mit Prof. Lutz Förster, dem Beauftragten für den
­Studiengang Tanz an der Folkwang Hochschule Essen
Zwei »Urgesteine«
des Deutschen
Tanzpreises:
Fritz Höver und
José de Udaeta
16
Hans Martz von der Sparkasse Essen mit seiner Gattin Marion im Gespräch mit
dem Preisträger Reid Anderson
Ballett Intern 2/2006
Hortensia Völckers, Direktorin der Kulturstiftung des Bundes (KSB), und der
Essener Kulturdezernent Dr. Oliver Scheytt
Sylviane Bayard und Richard Wherlock beim Gala-Dinner anlässlich der Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2006 im Mövenpick Hotel Essen
Der Duisburger Altoberbürgermeister
und langjährige
Freund des Deutschen
Tanzpreises Josef
Krings und seine
Gattin Claire RotheKrings im Gespräch
mit Bundestagspräsident Dr. Norbert
Lammert.
Tanzpreisträger Fritz Höver (2000) im Gespräch mit »Zukunft«-Preisträger
Chris­tian Spuck (2006)
Tanzpreis »Zukunft«-Preisträger Jason Reilly im Gespräch mit Oleksi Bessmertni, Initiator des Festivals »Tanzolymp Berlin«
Birgit Pfitzner vom »Hamburg Ballett« im Gespräch mit Ingrid Bruy, der Geschäftsführerin des Stuttgarter Ballett
Robert Tewsley
(links) und
Horst Koegler
waren zwei
weitere Ehrengäste
der Ballettgala.
Ballett Intern 2/2006
José de Udaeta (rechts) im Gespräch mit Prof. Martin Puttke, dem Ballettdirektor
des aalto ballett theater essen
17
(Archiv der Deutschen Oper Berlin)
Mr. Tanz Berlin
Zum Tod von Gert Reinholm
Horst Koegler
Er hat sich durch die Jahrhunderte und die halbe Weltliteratur
getanzt, Gert Reinholm – als Apollo, Prometheus und Orpheus,
Daphnis und Tristan, Romeo, Hamlet und Othello, Don Juan und
Faust, Pelleas und Armand. Als 19-Jähriger kam er 1942 aus
Chemnitz an die Ballettschule, wurde Eleve des Berliner Staats­
opernballetts, mitten im Krieg. So wurde er zum Berliner. Und als
Berliner ist er gestorben, am 13. Dezember 2005, eine Woche
vor seinem 82. Geburtstag.
Er konnte vom Glück der späten Geburt sagen, denn wäre er
etwas eher geboren, hätten ihn die Nazis wohl zu ihrem idealen
Siegmund/Siegfried erkoren, einem Tänzer aus dem Geschlecht
der Riefenstahl, Breker und Thorak. So hielt er sich eher an die
Helden des europäischen Theaters. Die Prinzen lagen ihm – mit
Ausnahme Hamlets – weniger. Weswegen er auch nie ein Danseur noble im klassischen Sinn wurde – so nobel auch die Charaktere waren, die er gestaltete.
Wie viele Intendanten hat er überlebt, an der Staatsoper, an
der Städtischen Oper, an der Deutschen Oper Berlin: Heinz Tietjen, Ernst Legal, Carl Ebert, Rudolf Sellner, Egon Seefehlner und
Siegfried Palm bis zu Götz Friedrich? Wie vielen Ballerinen war
er der elegante Kavaliers-Partner, von Sybill Werden, Maria Fris
und Natascha Trofimowa über Suse Preisser und – vor allen anderen – Gisela Deege bis zu Irène Skorik und Yvette Chauviré?
Mit wie vielen Choreographen hat er zusammen gearbeitet – als
Tänzer, als ganz und gar nicht graue Eminenz an der Seite von
Tatjana Gsovsky, John Taras und Kenneth MacMillan bis zu seinem eigenen Direktorium als Förderer solcher damaligen Young­
sters wie Johann Kresnik und Gerhard Bohner, die sich dann von
ihm losgesagt und gegen ihn rebelliert haben – nicht nur gegen
ihn, sondern gegen das gesamte Establishment.
Letzten Endes freilich schmilzt die nahezu endlose Liste der
Namen jener Persönlichkeiten, mit denen er während seiner professionellen Laufbahn bis 1990 zu tun hatte, auf einen einzigen
zusammen: Tatjana Gsovsky. O-Ton Reinholm: »Ich bin durch sie
zum Tänzer geworden – und überhaupt das, was ich heute bin.
Ich bin ein merkwürdig treuer Mensch. Wem ich einmal mein
Leben verschrieben habe, den lasse ich so schnell nicht mehr los.
Tatjana gehört dazu – sie zu aller erst und für immer!«
Sie hat ihn geprägt und für ihn die Rollen geschaffen, mit
denen er sich die Aufnahme in die Walhalla des deutschen Bal-
Gert Reinholm als Prometheus (Foto: Rama, Dt. Tanzarchiv Köln)
18
letts ertanzt hat. Und nach der Beendigung seiner Tänzerkarriere
mit ihr zusammen als Leiter der Berliner Tanzakademie. Und über
ihren Tod hinaus als Statthalter ihres Vermächtnisses, als der er
noch das Erscheinen des voluminösen Bandes über ihr Leben
und Werk mitbekommen hat, wenn er auch bereits zu krank war,
um noch an dessen öffentlicher Präsentation teilnehmen zu können. Wie gesagt: Er war der Mr. Tanz Berlin, an den diversen
Opernhäusern der Stadt und als Galionsfigur des Berliner Balletts, als die er um die halbe Welt mit der ständig am Rande des
Zusammenbruchs existierenden Gsovsky-Truppe gereist ist.
Sein letzter Wunsch ist allerdings nicht in Erfüllung gegangen:
seine Vision von Berlin als Tanzkapitale des Kontinents mit Michail
Baryschnikow als Leitfigur, den er sogleich nach der Wiedervereinigung nach Berlin eingeladen und mit der Tanzszene der Stadt
vertraut gemacht hatte. Baryschnikow war interessiert, aber die
Berliner Politiker waren wieder einmal zu zögerlich, um die Chance zu ergreifen. Schade! Doch das mindert nicht Reinholms Ruhm
als Tänzer, Pädagoge und Ballettdirektor, der das Berliner Ballettgeschehen der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts geprägt
hat wie kein anderer neben
ihm.
Privat war Reinholm ein ungeheuer diskreter Mensch.
Nie hat er sich in den Vordergrund gedrängt. Selbst das
Angebot des Deutschen Tanzpreises hat er abgelehnt – wie
er zuletzt auf eine fast anonyme Bestattung gedrängt
hat. Sein Grab hat er nun zwischen Tatjana Gsovsky und
Günther Pfitzmann gefunden
– ein Berliner wie sie. ■
Gert Reinholm und Edel von Rothe
(Foto: S. Enkelmann,
VG Bild Kunst Bonn)
Ballett Intern 2/2006
In Memoriam: Gert Reinholm
Tänzer, Ballettdirektor und Pädagoge
Günter Pick
Gert Reinholm und ich kannten uns über 30 Jahre, uns verband
ein tiefes Vertrauensverhältnis. Es ist schmerzlich, dass er nicht
mehr unter uns weilt.
Kennengelernt haben wir uns, als ich 1973 mein erstes Engagement als Ballettchef in Ulm antrat, für meine Arbeit dort interessierte er sich; und später lud er mich und meine Tänzer nach
Berlin zu Aufführungen in die Akademie der Künste ein. Durch
ihn lernte ich Tatjana Gsovsky kennen, während eines Ferienaufenthalts in Bayern. Die Gespräche mit beiden werde ich nie
vergessen. Gert Reinholm verehrte die große Künstlerin Tatjana
Gsovsky. Auch bei späteren Treffen mit ihm erinnere ich mich an
kein Gespräch, in dem nicht früher oder später die Rede auf
Tatjana Gsovsky kam. So war es auch bei meinem letzten Besuch, als er schon sehr krank und schwach war. Er hatte seine
Mentorin Gsovsky, wie zuvor auch seine Mutter, bis zum Tod
begleitet, seine Fürsorge kannte keine Grenzen.
Er baute eine starke Bindung auf zu den Menschen, die ihn
in irgendeiner Weise brauchten. Das betraf seine Tänzer, aber
auch beispielsweise Tatjana Gsovskys Tochter, die er ebenfalls
bis zu ihrem Tod betreute.
Das Schicksal seiner Tänzer interessierte ihn auch über die
jeweilige Karriere hinaus, er machte sich Gedanken, ob die
Menschen zurecht kamen, nachdem sie ihre Tanzlaufbahn beenden mussten. Er hatte weiß Gott ein großes Herz, auch wenn er
natürlich als Berliner Ballettchef nicht immer nur nett und freundlich sein konnte. Zu dieser Position gehört eine große Verantwortung, die er zu tragen bereit war, doch mit seiner Haltung, das
Beste sei gerade gut genug für Berlin, machte er es sich auch
nicht unbedingt leicht. Seine Ballerina Eva Evdokimova beispielsweise hütete er wie einen Augapfel, ständig auf der Suche nach
Rollen für sie, die ins Repertoire passten. Besonders schmerzlich
für ihn war dann ihr Abgang, ein Eklat an der Deutschen Oper:
Sie ging, weil ihr Mann, ein Dirigent, vom Orchester nicht akzeptiert wurde, und sie sich von Gert Reinholm nicht genügend
unterstützt fühlte.
Anfang der siebziger Jahre kamen Probleme aus der Revolte
der jüngeren Generation, die
sich nicht ausreichend gewürdigt fühlte und auf Mitbestimmung drängte. In diesem Zusammenhang wurde Reinholm
auf ein Podium gezerrt, wo er
sich Günter Grass gegenüber
sah, der sich anmaßte ihm
vorzuschreiben, wie eine Ballettcompagnie
auszusehen
habe. Das waren wahrscheinlich seine schwersten Stunden; aber er vertrat die Ansicht, dass ein Ensemble
dieser Größenordnung, wie
es das Ballett an der DeutGert Reinholm und Wiet Palar
(Foto: S. Enkelmann,
VG Bild Kunst, Bonn)
Ballett Intern 2/2006
schen Oper war, vielfältiger gefordert sein müsse als ausschließlich mit einem Choreographen wie Gerhard Bohner – und ohne
Zweifel hatte er damit Recht.
Gert Reinholm stammte aus Chemnitz, wo ihn schon eine Jugendfreundschaft mit Rainer Köchermann verband, seinem späteren Kollegen im Gsovsky-Ensemble. Mitten in Kriegszeiten wurde er als Eleve an die Berliner Staatsoper engagiert, und mit
Gsovsky zusammen verließ er das renommierte Institut, als die
Arbeit in der ehemaligen DDR zunehmend stärker von staatlicher
Seite kontrolliert wurde. Er wechselte daraufhin an die Städtische
Oper, die später zur Deutschen Oper wurde. Hier konnte er sich
zu einem der führenden Tänzer Deutschlands entwickeln, der mit
den großen Ballerinen seiner Zeit tanzte.
Als Tatjana Gsovsky an das Teatro Colón in Buenos Aires berufen wurde, ging er natürlich mit – und kehrte mit ihr zurück nach
Berlin. Hier gründete er eine Ballettschule, die später mit jener
von Tatjana Gsovsky fusionierte; diese Schule leitete er noch über
das Ende seiner Arbeit als Ballettdirektor hinaus. Von ihm stammte
die Idee zum »Berlin Ballett«, einer Truppe, die sich aus den bedeutendsten Tänzern der damaligen Zeit zusammensetzte und mit
den Choreographien von Tatjana Gsovsky die Welt bereiste. Von
den Tourneen mit dieser Truppe erzählte er immer mit großer Begeisterung – auch wenn nicht immer alles nach Plan ging und die
Bühnen selten so waren, wie sie sein sollten. Gert Reinholm war
ein Meister der Improvisation, und das genau unterscheidet diese
Generation von der heutigen, denn sie hatte nach dem Krieg
gelernt, mit Nichts etwas Wunderbares auf die Bühne zu bringen. An der Deutschen Oper konnte er allerdings auch ganz
anders, dort setzte er manches Mal, auch gegen seinen Intendanten, höchst kostspielige Produktionen durch.
Führende Choreographen waren bei ihm zu Gast. Manchmal, wenn Kreationen entstanden, wie die von Roland Petit für
Natalia Makarova, kam es zum Teil zu Szenen, bei denen ich
nicht in seiner Haut hätte stecken mögen. Doch er war ein guter
Moderator, der ausgleichen konnte. So auch in der Zeit, als der
heute legendäre Kenneth MacMillan als Ballettdirektor an die
Deutsche Oper kam, und sich Reinholm mit der dienenden Rolle
des Administrators abfinden musste und dem nicht deutsch sprechenden Choreographen die Arbeit erleichterte. Im Alter von 65
Jahren ging Gert Reinholm in den Ruhestand, ohne dass es ihm
gelungen wäre, Michail Baryschnikov als Nachfolger zu etablieren. Der Berliner Senat war noch nicht reif für ein Staatsballett.
Immer, wenn wir uns trafen, war er interessiert zu erfahren,
welche Vorstellungen ich gesehen hatte und was ich darüber
dachte. Ich versuchte oft, ihn aus seinem Refugium in der Markgraph-Albrecht-Straße zu locken in irgendeine Premiere oder ein
Gastspiel – aber es gelang nicht! In den letzten Jahren war er
damit beschäftigt, seinen und vor allem Tatjana Gsovkys Nachlass zu ordnen; das Buch über sie, das die Akademie der Künste
Anfang November 2005 in Berlin vorstellte (s. BALLETT INTERN
5/2005) war für ihn äußerst wichtig. Diese Präsentation hat er
maßgeblich mitgestaltet, doch dann stürzte er in seiner Wohnung, musste ins Krankenhaus – und danach war er nicht mehr
derselbe. Diesen vitalen Mann in der Abhängigkeit zu sehen,
war sehr schmerzlich.
Sein Abgang von der Bühne des Lebens wurde ihm nicht
leicht gemacht. Nur wenige erfuhren von der Beerdigung, und
als das kleine Häuflein sich an seinem Grab versammelt hatte,
dachte ich: Unsere Ratlosigkeit hätte er passend gefunden. Er
hatte viele Freunde, die ihm sehr zugetan waren – aber vielleicht
traute er dieser Zuneigung nicht, weil niemand so bedingungslos
Freund sein konnte, wie er es für Tatjana war.
■
19
Kurt-Jooss-Preis
2007
Im Herbst 2007 wird der Kurt-Jooss-Preis
zum dritten Mal verliehen.
Der Kurt-Jooss-Preis ist ein Förderpreis,
der gemeinsam von der
Stiftung Anna und Hermann Markard und der
Stadt Essen ausgeschrieben wird.
Der Preis ist mit 6000 Euro dotiert.
Bewerben können sich Choreographen, die
professionell arbeiten, aber noch nicht arriviert
sind. Die Bewerber unterliegen weder einer
stilistischen Beschränkung noch einer
Altersbegrenzung.
Die Jury setzt sich zusammen aus
Anna Markard und den Choreographen
Nils Christe (NL) und Martin Schläpfer,
Ballettmainz (D), sowie Dr. Oliver Scheytt,
Kulturdezernent der Stadt Essen
und Dr. Patricia Stöckemann,
Dramaturgin des Bremer Tanztheaters.
Die Teilnahmebedingungen mit den
Bewerbungsunterlagen können
angefordert werden beim:
Kulturbüro Essen, Hollestraße 3, 45121 Essen,
e-mail: [email protected]
Bewerbungen ohne ausgefülltes Anmeldeformular
können nicht berücksichtigt werden.
Anmeldeschluss: 18. Oktober 2006
Prix de Lausanne
ohne deutsche Sieger
Der berühmte Wettbewerb 2006
Marlies Strech
Japan, Südkorea und China – also aus ganz verschiedenen politischen Systemen – waren dabei. Besonders die Mädchen sahen aus, als wären sie bereits als kleine Giselles oder Dornröschen auf die Welt gekommen. Zum passenden Aussehen bringen
sie hohe Disziplin, Kultiviertheit und die berühmt-berüchtigte
Nachahmungskunst der Asiaten mit.
Der Ansturm aus den ex-kommunistischen Oststaaten hielt sich
verglichen mit früher in Grenzen: Neben dem siegreichen Ukrai­
ner Polunin traten in Lausanne nur drei weitere Tänzer und ebenso viele Tänzerinnen aus Russland, Polen und Bulgarien auf. Und
Deutschland? War im Wettbewerb so wenig vertreten wie das
Gastgeberland Schweiz! Die Verantwortlichen, allen voran der
neue Schweizer Präsident Charles Gebhard, bedauern dies zutiefst. Man ringt
nach Begründungen. Fühlen sich die Jugendlichen überfordert? Entwickeln sie
zu wenig Ehrgeiz? Sind Ausbildungsstipendien hierzulande auf anderem Weg
einfacher zu holen? Ist der Prix de
Lausanne zu altmodisch und verkitscht?
Weniger Glamour und Firlefanz, mehr Professionalität und Strenge: Das kennzeichnete den diesjährigen Ballettnachwuchs-Wettbewerb Prix de Lausanne. Es war der erste unter dem neuen
Präsidenten Charles Gebhard.
Die sechs Hauptpreise des Prix de
Lausanne gingen alle mehr oder weniger
weit nach Osten. Ein Ukrainer, ein Chinese, eine Südkoreanerin, ein Russe, eine
Japanerin und eine Chinesin haben in
dieser Reihenfolge gewonnen. Am Wettbewerb können jeweils angehende klassische Tänzerinnen und Tänzer im Alter
von 15 bis 18 Jahren teilnehmen. WähKontakt mit Superprofis
rend einer Woche, diesmal vom 23. bis
Der Vorwurf »verstaubt« trifft die heu29. Januar 2006, wetteifern sie um Symtigen Verhältnisse jedenfalls kaum mehr.
pathie und gute Noten. Die Hauptpreise
Nicht nur die Auswahl der Stücke ist
bestehen aus einem Jahresstipendium an
transparenter geworden, auch die öfeiner international renommierten Ballettfentlichen Auftritte wirken nüchterner und
schule oder einem Aufenthalt für eine
professioneller arrangiert als früher. Im
Spielzeit in einem bekannten TraditionsFinale tragen die Mitwirkenden nur in
ensemble. Dazu kommen je 16.000
einer der drei Variationen noch BühnenSchweizer Franken, etwa 10.000 Euro.
kostüme samt Firlefanz; sonst begnügen
Der Hauptsieger aus der Ukraine, der
sie sich mit besserer Trainingskleidung.
16-jährige Sergiy Polunin, studiert beUnter den Mädchen und Jungen (auch
reits an der Royal Ballet School in Lonunter den Müttern und Lehrpersonen!)
don und darf schon jetzt damit rechnen,
dereinst groß herauszukommen. Zu sei- Der 16-jährige Student der Royal Ballet School in London hinter den Kulissen herrscht weniger
Sergiy Polunin (Ukraine) war der diesjährige Hauptsieger
Hysterie. Es fließen seltener Tränen. Bei
nem tänzerischen Potenzial gesellt sich
in Lausanne. (Foto: Jean-Bernard Siebe)
der Preisverleihung wird auf Dankesjener Charme, der das Publikum entzückknickse und Küsschen rundum verzichtet.
te: Es verlieh Polunin beim Finale noch
Und, nebenbei gesagt: Die angereisten internationalen Journaliszusätzlich den Prix du Public. Vielversprechend auch der Zweitten werden auch nicht mehr wie früher mit Aufenthalten im Luxusplatzierte, der knapp 17-jährige Chinese Chengwu Guo. Obhotel verwöhnt.
wohl man den Asiaten nachsagt, im modernen Tanz weniger fit
Mitmachen beim Prix de Lausanne lohnt sich für die 15- bis
zu sein als Westliche, gewann Guo noch den Sonderpreis der
18-Jährigen alleweil, auch wenn sie keinen Preis gewinnen.
Jury als bester Interpret für die zeitgenössische Variation. Diese
Sie kamen diesmal kostenlos zu einwöchigem Unterricht bei
kam beim Finale zu den zwei klassischen Durchgängen hinzu.
Koryphäen wie Monique Loudières, Paola Cantalupo, Megumi
Besonderheit dieses Jahres: Die Vorlagen für den modernen Teil
Nakamura, Sergiu Stefanschi oder – für zeitgenössischen Tanz
stammten ausnahmslos von Meisterchoreograph Jirí Kylián.
– beim Schweizer Samuel Würsten, Leiter der Rotterdamer
Strenge Vorauswahl
Tanzakademie. In der Jury unter John Meehan wirkten Maina
Gielgud, Marianne Kruuse oder Ted Brandsen mit. RollenstudiWährend in den letzten Jahren am Ballettwettbewerb in Lausanum mit Profis, eine Kontaktbörse mit Ballettfachleuten aus aller
ne jeweils weit über hundert Mädchen und Jungen teilnahmen,
Welt, mindestens Teildeckung der anfallenden Kosten: Das
waren es diesmal nur 66. Grund für die Reduktion: Aus 154
müsste eigentlich auch für Deutsche und Schweizerinnen attrakAnmeldungen hatte die vorbereitende Kommission bereits eine
tiv sein. ■
Auswahl getroffen, und zwar aufgrund von eingeschickten, persönlichen Videos, die sich ihrerseits auf DVD-Aufnahmen stützten.
Dort waren alle klassischen und zeitgenössischen Variationen aufDie Preise
gezeichnet, die für den Wettbewerb gewählt werden konnten,
Die sechs Hauptpreise (Stipendien und Barbetrag) gingen an:
vorgetanzt von Solistinnen wie Kusha Alexi oder Lisa-Maree Cul1) Sergiy Polunin, Ukraine; er gewann auch den Preis des
lum und von Principals wie Marcelo Gomes oder Ivan Putrov.
Publikums. 2) Chengwu Guo, China; er erhielt zusätzlich den
Unter den 50 Tänzerinnen und 16 Tänzern aus 25 NatioNebenpreis für die bestinterpretierte zeitgenössische Variatinen, die den Wettbewerb 2006 in Lausanne schließlich bestriton. 3) Hyang Gee Hong, Südkorea. 4) Vadim Muntagiro,
ten, hatten die Asiaten von Anfang an die Nase weit vorn, zahRussland. 5) Shino Mori, Japan. 6) Yijing Zhang, China.
len- und begabungsmäßig. 22 Mädchen und fünf Jungen aus
Ballett Intern 2/2006
21
Szene aus Thomas Lehmens »Lehmen lernt«
(© Theaterhaus Stuttgart)
Angst essen Tanz auf
Die siebte deutsche Tanzplattform
2006 in Stuttgart
Angela Reinhardt
Als »Forum zur Präsentation aktueller Tendenzen im zeitgenössischen Tanz« gastiert die deutsche Tanzplattform seit 1994 alle
zwei Jahre in einer anderen Stadt. Das Fachtreffen der zeitgenössischen Tanzszene ist gleichzeitig eine Art Markt, auf dem
die freien Gruppen und Choreographen aus Deutschland Kontakte mit internationalen Veranstaltern knüpfen können. Mit 480
akkreditierten Teilnehmern aus 38 Ländern und 8.000 Zuschauern schlug die siebte Tanzplattform vom 22. bis 26. Februar in
Stuttgart alle bisherigen Rekorde. Insgesamt 19 große und kleine
Produktionen oder Ausschnitte gastierten in den großen und kleinen Sälen des Stuttgarter Theaterhauses.
Ob die großen Namen aus Berlin diese Art von Promotion
noch brauchen, sei dahingestellt; die bühnentechnisch enorm auf-
16.– 30. JULI LUGLIO
2006
22. Internationales Kurs- und Tanzfestival
Jazz, Musical: Carole Alston (USA),
Dick O’Swanborn (NL)
Orientalischer Tanz: Amoura (USA)
Ballett: Gillian Anthony,
Elaine C. Holland (GB), Boris Nebyla (SK)
Flamenco: Brigitta Luisa Merki (CH),
Belén Cabanes (E)
Afro Contemporary: Bob Curtis (USA)
Jazz: Anne Marie Porras (F),
Gianluca Girolami (I)
Pilates, Gyrokinesis: Apollonia Holzer (A)
Hip Hop: Nina Kripas (A), Fabrizio Lolli (I)
Hip Hop, Funky: Andy Lemond (CAN)
Modern: Nancy Lushington (USA),
Natalia Viñas Roig (E)
Latin Jazz: Rosy Néri-Calheiros (BR)
Contemporary: Vicente Sáez (E)
Samba, Afro Brasil: Ivan Vasconcellos (BR)
Pädagogenseminar: Ulla Wenzel (D)
Mehr Infos unter: Tel. +39 0471 313 800
22
Eine gemeinsame Initiative
Südtiroler Kulturinstitut
Neues Stadttheater Bozen
TANGO SPECIAL (28.-30. Juli 2006):
Esteban Moreno y Claudia Codega
Fernando Galero y Vilma Vega
musicalizador: Patricio Lolli
Ballett: Gillian Anthony,
Elaine C. Holland (GB)
Jazz: Gianluca Girolami (I)
Hip Hop: Nina Kripas (A), Fabrizio Lolli (I)
Kreativer Kindertanz: Ulla Wenzel (D)
Programmänderungen vorbehalten
wendigen Produktionen von Sasha Waltz und Meg Stuart zogen
aber natürlich viel Publikum an. Waltz enttäuschte milde mit ihrer
Katastrophenvision »Gezeiten«, Stuart mit ihrem grell um sich
selbst rotierenden Monsterstück »Replacement« schon heftiger.
Originelles war bei den bescheidener dimensionierten Produk­
tionen zu entdecken, etwa bei den deutschen Tanz-Talkern wie
Thomas Lehmen und seiner Uraufführung »Lehmen lernt«, oder bei
Martin Nachbar und Jochen Roller mit »mnemonic nonstop«. Alle
drei arbeiten mit viel Text und bewahren im Gegensatz zu den
düsteren Zukunftsvisionen einen trockenen, ironischen Bezug zum
Alltag – Lehmen als philosophierender Kunst-Clown und Nachbar/Roller als Reisende durchs absurde Dickicht der Städte.
Eine echte Entdeckung war die Berliner Splintergroup mit ihrem Stück »Lawn«. Die drei Australier geben als eine von wenigen freien Gruppen die Magie des Theaters nicht auf, bei ihnen
bricht das Surreale witzig bis grässlich in den grauen Mietwohnungsalltag ein.
Ein weiteres Hauptthema neben der Angst waren die Geschlechterrollen. Die meisten zeitgenössischen Produktionen kommen nicht mehr ohne den Einsatz von Film, Projektionen, Sprache, Computertechnik oder Bildender Kunst aus, es gab auch
Stücke für dezidierte Nicht-Tänzer von Xavier Le Roy oder der
Gruppe She She Pop. Oft, zu oft erschöpft sich eine Performance
in einer einzigen visuellen, philosophischen oder gesellschaftskritischen Idee, die dann eine Stunde lang ausgebreitet wird. Auf
die zunehmend wichtigere Rolle der tänzerischen Arbeit mit
­Jugendlichen wiesen ein mehrtägiger Workshop mit dem »Rhythm
is it!«-Choreographen Royston Maldoom und das Gastspiel
»­adieu« von Ives Thuwis aus Düsseldorf hin.
Zum ersten Mal waren auch Staatstheater-Compagnien zur
Tanzplattform eingeladen, aus Mannheim, Nürnberg, Saarbrücken und Stuttgart. Sie zeigten an einem Abend mehr Tanz als in
den viereinhalb Tagen zuvor zu sehen war – allerdings auch genau den Tanz, gegen den die zeitgenössischen Choreographen
seit Jahren wütend antanzen, nämlich die hübsch arrangierte Beliebigkeit, in diesem Fall von Kevin O‘Day aus Mannheim.
Begleitet wurde die Tanzplattform von einem umfangreichen
Rahmenprogramm: Die Berliner Theaterwissenschaftlerin Gabriele Brandstetter leitete ein Dramaturgie-Labor, jeden Mittag fanden Diskussionsrunden statt, und eine Ausstellung bot ersten Einblick in das große Porträt-Projekt, das die Berliner Fotografin
Bettina Stöß im Auftrag des Deutschen Tanzarchivs Köln erarbeitet – großformatige Porträts all jener Menschen, die »den Tanz in
Deutschland bewegen«: Choreographen, Tänzer, Intendanten,
Kritiker, Dramaturgen, Fotographen, Wissenschaftler und Kulturpolitiker. Seit 30 Jahren in Nordrhein-Westfalen
Zwei Ballettschulen
mit je 100 qm Ballettsaal,
solidem Kundenstamm
und großem Kostümfundus aus
privaten Gründen zu verkaufen.
Interessenten wenden sich unter Chiffre 01-2-2006
an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik
Hollestr. 1 – 45127 Essen
www.bolzanodanza.it
Ballett Intern 2/2006
Ballettschule
Tanz in Bozen – Bolzano Danza
Edith M. Wolf Perez zur
künstlerischen Leiterin bestellt
21 Jahre lang lag die künstlerische Verantwortung für das Kurs­
programm des Festivals »Tanz in Bozen« – vormals »Ballettsommer Bozen« – in den Händen von Ulrich Roehm, der den Sommertanzkurs aufgebaut und zu einer international angesehenen
Veranstaltung gemacht hat. Bereits im Jahr 2005 war Edith M.
Wolf Perez aus Wien als künstlerische Beraterin im Organisa­
tionskomitee von »Tanz in Bozen« vertreten und wird nun für
2006 als künstlerische Leiterin das Kursprogramm weiterführen.
1985 fand der erste »Ballettsommer Bozen« statt, zu dessen
künstlerischem Leiter Ulrich Roehm berufen wurde, der sich dieser
Aufgabe mit großer Sachkenntnis und viel Begeisterung gewidmet hat. Großen Wert hat Ulrich Roehm stets darauf gelegt, dass
die Dozentinnen und Dozenten des »Ballettsommers Bozen« nicht
nur hervorragende Tänzer, sondern auch gute Pädagogen sind.
Das Angebot wurde im Lauf der Jahre kontinuierlich erweitert;
lag in den ersten Jahren das Hauptaugenmerk auf dem klassischen Tanz, so kamen im Lauf der Jahre immer wieder neue
Stile, Techniken und Tanzarten dazu. Der Dank für seinen Einsatz
und der Beweis dafür, dass sein Konzept den Bedürfnissen der
Teilnehmer entgegenkommt, sind konstant steigende Teilnehmerzahlen sowie Tanzbegeisterte, die über viele Jahre hinweg teilnehmen. Aus dem anfänglich bescheidenen Sommertanzkurs ist
längst eine renommierte Tanzveranstaltung geworden, die im Inund Ausland viel Beachtung findet.
Nach dem Jubiläumsjahr des 20-jährigen Bestehens im Jahre
2004 entschloss sich Ulrich Roehm im Einvernehmen mit dem Vorstand des SKI, die künstlerische Verantwortung fließend in jüngere,
doch ebenso versierte Hände zu übergeben. So wird für die 22. Ausgabe des Sommertanzkurses Edith M. Wolf Perez die künstlerische
Leitung übernehmen. Wolf Perez ist bereits seit ca. 15 Jahren dem
»Tanz in Bozen« durch diverse Zusammenarbeit verbunden.
Edith M. Wolf Perez absolvierte ihre Tanzausbildung am Laban Centre in London. Sie arbeitete als Tänzerin, Tanzpädagogin und -therapeutin in London, Berlin und Wien, bevor sie ihren
Schwerpunkt im Journalismus fand. Sie war Mitbegründerin und
leitende Redakteurin der Zeitschrift tanz Affiche, seit 2001 des
Onlinemagazins tanz.at. Sie war langjähriges Mitglied im Beirat für Bühnentanz im Kulturamt der Stadt Wien, seit zwei Jahren
im Kulturamt der Stadt Graz. Ihr Fachwissen setzt sie zur Zeit
auch als PR-Beraterin und Projektmanagerin für verschiedene Kulturinstitutionen ein.
Tanz in Bozen 2006 wird in der Zeit vom 16. bis zum 29.
Juli 2006 stattfinden, und alle Freunde und Teilnehmer des Festivals dürfen sich wieder auf ein abwechslungsreiches, qualitätvolles Kursprogramm freuen. »Ulrich Roehm hat ein großartiges
Festival ins Leben gerufen, mit dessen Namen ein hochkarätiges
professionelles Lehrerteam verbunden ist. Daher sehe ich meine
Aufgabe darin, die pädagogische Qualität und künstlerische
Vielfalt von ›Tanz in Bozen‹ zu erhalten und auszubauen«, sagt
Edith Wolf Perez.
Dr. Peter Silbernagl
Dr. Sigrid Hafner .
Südtiroler Kulturinstitut
Ballett Intern 2/2006
im Raum Hannover
aus privaten Gründen zu verkaufen,
seit über zehn Jahren bestehend,
mit ca. 150 Schülern und einem Kostümfundus,
Einarbeitung möglich.
Interessenten wenden sich unter Chiffre 02-2-2006
an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik
Hollestr. 1 – 45127 Essen
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aus familiären Gründen zu verkaufen.
Im Großraum Stuttgart (Süden),
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Ballett, Kindertanz,
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Einarbeitung möglich,
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Kaufpreis auf Anfrage.
Interessenten wenden sich unter Chiffre 03-2-2006
an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik
Hollestr. 1 – 45127 Essen
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Ballettschule
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➠ ca. 120 Schüler, ausbaufähig,
➠ besteht seit über 25 Jahren,
➠ Fächer: Ballett, Jazztanz, Pilates
➠ Einarbeitung möglich
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Hollestr. 1 – 45127 Essen
Tanzstudio
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Preis nach Vereinbarung.
Interessenten wenden sich unter Chiffre 05-2-2006
an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik
Hollestr. 1 – 45127 Essen
23
Frieden nach 100 Jahren
Michaela Schlagenwerth
Der Sonntag, 12. März 2006, war ein historischer Tag für den
Tanz. Nicht, dass man davon viel gemerkt hätte. Es ist, wie immer
bei größeren Konflikten: Die Schlachten sind längst geschlagen,
jetzt kommt man friedlich an einem Sonntagnachmittag zusammen. Ein paar Honoratioren reden, man stößt mit Sekt an, und in
diesem Fall gründet man offiziell ein gemeinsames Forum, dem
alle führenden Tanzorganisationen Deutschlands angehören.
Ab sofort will man in der Kulturpolitik mit »einer Stimme« sprechen. »Ständige Konferenz Tanz« nennt sich das Forum etwas
banal, tatsächlich aber ist es die offizielle Beilegung eines mehr
als hundert Jahre schwelenden Konflikts. Denn damals entstand
der moderne Tanz explizit als Gegenbewegung zum klassischen
Ballett, das man als »Unterjochung«, als »wider die menschliche
Natur« beschimpfte. Der moderne Tanz dagegen wollte nur das
Beste für den Menschen, was für die jungen Pioniere in eins fiel
mit »Natürlichkeit«. Man experimentierte mit Bewegungen, die
»mit dem Atem« und »mit der Schwerkraft« gehen sollten.
Beide Richtungen waren sich spinnefeind und gingen nicht
gerade zimperlich miteinander um. Ballettkollegen hielten die
Tänzerinnen aus der modernen Abteilung für »ungraziös« und
»plump«, und das waren noch die harmlosen Umschreibungen.
Die weltberühmte Pina Bausch wurde in den siebziger Jahren
von empörten Ballettomanen an den Haaren gezogen, und noch
in den achtzigern waren selbst die Kritiker entweder für das Ballett oder für den modernen Tanz. Ja, zuweilen waren dies sogar
zwei verschiedene Berufe!
Aber in all diesen Jahrzehnten hat auch eine Annäherung stattgefunden. Klassische Tänzer begannen moderne Techniken zu
erlernen, weil diese ihnen halfen, noch höher in die Lüfte zu springen. Und moderne Tänzer befassten sich mit klassischer Technik,
um nicht als Schlaffis auf der Bühne zu hängen. Auch ästhetisch
näherte man sich – wenn auch unter Schmerzen – einander an.
Und am Ende begriff man auch politisch, dass man sich gegenseitig das Wasser abgräbt, wenn man nicht geschlossen auftritt.
Tanz, als jüngste Kunst, rangiert sowieso oft weit hinten. Heute gilt es Gräben zuzuschütten zwischen freien und städtischen
Compagnien, es gilt Moderne und Klassik noch näher zueinander zu bringen. 70 Ballettcompagnien gibt es an den insgesamt
150 öffentlich getragenen Theatern Deutschlands. Mit Ausnahme der wenigen großen Ensembles sind alle noch den Theateroder Opernintendanten unterstellt. Aber schon seit einigen Jahren werden die Weichen neu gestellt. Die Gründung der
»Ständigen Konferenz Tanz« ist – zumindest vorläufig – der Abschluss eines langen Weges. ■
Der Gründungsvorstand
Claudia Feest (Gesellschaft für Tanzforschung), Michael Freundt (Geschäftsführung SK Tanz), Heide-Marie Härtel (Deutsches Tanzfilminstitut
Bremen), Walter Heun (Bay. Landesverband für Zeitgenöss. Tanz), Gabrie­
le Naumann-Maerten (pers. Mitglied SK Tanz), Anne Neumann-Schult­
heis (Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW e.V./NRW Landes­
büro Tanz), Ulrich Roehm (Vorsitzender des Deutschen Berufsverbandes
für Tanzpädagogik e.V. und des Vereins zur Förderung der Tanzkunst in
Deutschland e.V.) und Christiane Theobald (BBKT/Staatsballett Berlin)
FolkwangHochschule > Zeitgenössische Tanzausbildung | Choreographie | Tanzpädagogik
| Tanzschrift > praxisnah | kreativ | fordernd | aufregend | sinnlich > Projekte 05/06:
Pina Bausch | Malou Airaudo | Stefan Brinkmann | Susanne Linke | Junge Choreographen
> Gastdozenten: Germaine Acogny | Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola | Norbert Steinwarz
| Susanne Linke > Aufnahmeprüfungen 3. – 6. Juli 2006 | Anmeldeschluss 1. April 2006
FolkwangHochschule
Anmeldeformulare unter: www.folkwang-hochschule.de
Folkwang Hochschule | Klemensborn 39 | 45239 Essen
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Ballett Intern 2/2006
Auch im Frühjahr und
Sommer 2006 lädt der
DBfT zu seinen beliebten
Sommertanzwochen ein:
Ballett Intern 2/2006
25
BALLETT-BEDARFS-IMPORT / Groß- und Einzelhandel, Versand
Hollestraße 1 (Haus der Technik, am Hbf.) · 45127 Essen
Fon: (0201) 23 18 92 · Fax: (0201) 22 64 44
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