Eine Annäherung an den Iran

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Eine Annäherung an den Iran
Eine Annäherung an den Iran:
Die erste Busfahrt von Freiburg in dessen jüngste Partnerstadt.
Von Margrit Heyn, Teilnehmerin an der ersten Isfahan-Reise.
Badische Zeitung vom Freitag, 17. Juni 2005
Zwei Wochen dauert die Anreise mit dem roten
Bus von Freiburg über Meer und Land. Insgesamt
rund 5655 Kilometern, quer durch Italien, die
Türkei, in den Iran.
Nur langsam nähern wir uns der fernen Stadt, die
seit fünf Jahren Freiburgs jüngste Partnerstadt ist
und schon lange ein Ziel europäischer Reisender:
Isfahan, laut einem persischen Sprichwort "die
Hälfte der Welt".
Wir kommen von Norden her, aus Teheran, durch
die Wüste, vorbei an schroffen, zackigen
Bergketten, abweisend, faszinierend. In den
Ebenen dazwischen wenige Häuser mit Gärten,
verfallende Gebäude aus Lehm, im Osten die
Salzwüste.
Die Oasenstadt Isfahan ist eindeutig die andere
Hälfte dieser Welt: Grüne Alleen, prächtige
Gärten, Wasser in den Brunnen der Stadt und im
Fluss Zayandehrud, der in dieser Jahreszeit kräftig
fließt und der Bewässerung dient. Nur als
Schattenriss ist die Imam-Moschee mit ihren vier
Minaretten am frühen Morgen zu sehen, die Sonne
ist noch nicht über dem Horizont. Im Garten der
ehemaligen Karawanserei, heute ein Hotel, werden
die Fontänen in den Wasserbecken erst in zwei
Stunden angestellt, wenn die Gärtner kommen, um
die verwelkten Blüten aus den Blumenrabatten zu
zupfen und den Rasen zu sprengen. In der
modernen persischen Sprache ist das Wort für
Garten und Paradies identisch. Das Wasser kommt
aus den Bergen, auf denen noch Anfang Juni
Schneereste liegen.
An der Nordseite des 500 Meter langen Meydan-e
Imam-Platzes, größtenteils autofrei, tauchen die
ersten Busse für die Berufstätigen auf, die hier einund umsteigen. Eine einsame Joggerin im
Manteau, wie die Mäntel hier genannt werden, mit
Kopftuch und in Halbschuhen. Außer Joggen und
Wandern ist Frauen öffentlich kein Sport erlaubt.
Viermal jeden Morgen umrunde sie den Platz,
erzählt die 44-Jährige, die wissen möchte, woher
wir kommen.
Die vielen Werkstätten und Läden unter den
Arkaden des Platzes, achtmal so groß wie der
Markusplatz in Venedig, sind noch geschlossen,
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kein Hämmern der Kupferschmiede oder Sägen der
Schreiner ist zu hören, die Miniaturmaler und
Teppichhändler sind noch nicht da. Wenig später
an der mehr als 350 Jahren alten und 150 Meter
langen Khadju-Brücke über den Fluss
Zayandehrud. Drei Männer nutzen eine steinerne
Löwenfigur als Turngerät, dehnen und strecken
sich gerade. Und sind damit einverstanden,
fotografiert zu werden, dafür steht einer sogar
Kopf auf dem Löwen. "Welcome to Iran", lachen
sie und erzählen, dass es in Isfahan auch eine
Freiburg-Straße gebe, allerdings irgendwo am
Stadtrand (wie in Freiburg die Isfahanallee).
Mittagszeit im Basar: Mit einem Glas Tee in der
Hand stehen die Männer um einen Teppich,
begutachten ihn, denken nach, wenden ihn,
schauen nach der Zahl der Knoten. Nach den
Touristen schauen sie nicht. Riesige Stöße von
Teppichen, sortiert nach Größe und nach
Herkunft, beherrschen die vielen verschiedenen
Höfe dieses Teils des Basars, der vor allem dem
Großhandel dient. Ein Mann legt letzte Hand an
einen Teppich, schneidet mit einer Schere noch
die letzten zu langen Fäden ab. In einem kleinen
Restaurant gibt es Fladenbrot, Suppe und ein
Mus aus Kartoffeln und Kichererbsen für
Händler und Angestellte, dazu Wasser – für
weniger als einen Euro.
Pause im Restaurant am Meydan-e Imam-Platz:
Viele junge Frauen und Männer treffen sich hier
im Obergeschoss, wo man auf Holzpodesten
sitzt, zu Mittag isst, aber auch nur Süßigkeiten
und Tee oder das typische Joghurtgetränk Dugh
bekommt. Mit bestem Blick auf die Kuppel der
Shaik- Lotfollah-Moschee, die an der Längsseite
des Platzes liegt.
Der Umgang zwischen den Geschlechtern in der
Öffentlichkeit ist offener als wir erwartet haben.
Junge Paare laufen Händchen haltend durch die
Stadt, gehen miteinander in den Saftladen oder
sitzen abends am Fluss oder im Park außerhalb
der Stadt, wo niemand sie stört.
Ein Student schätzt, dass 60 bis 70 Prozent der
Frauen sich von Kopftuch, Manteau und
Tschador verabschieden würden, wäre es erlaubt.
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Plakate mit den Köpfen der Kandidaten werben
in der Tschahar-Bagh-e Abbasi, einer breiten
Straße zum Fluss, unter der spätestens 2011 die
U-Bahn fahren soll, für die Wahl des
Staatspräsidenten am 17. Juni. Nicht das
Ergebnis der Wahl, sondern die Wahlbeteiligung
wird zeigen, wie viele mit dem Regime nicht
einverstanden sind.
Und viele führen, wie wir immer wieder hören, ein
öffentliches und ein privates Leben. Sie sehen per
Satellitenschüssel fern, auch wenn es verboten ist.
Eine große Mehrheit, schätzt ein 29-jähriger
Journalist, sehe ausländische Programme. Im Hotel
bekommen wir ZDF und Deutsche Welle rein.
Rechts und links des Mittelstreifens der TschaharBagh-e Abbasi wenig genutzte Radwege. Die
moderne Geschäftsstraße, als Prachtstraße bereits
im 17. Jahrhundert angelegt, wird von Platanen
und Ulmen gesäumt, die durch "dschubs" (offene
Kanäle) bewässert werden. Hauptverkehrsmittel ist
das oft alte Auto, dazwischen Taxis und Busse, die
sich mit einem fiependen Hupen – Luftdruck sorgt
für den Ton – den Weg freizumachen suchen.
Als Fußgänger bleibt nur, sich einfach irgendwann
auf den Weg zu machen, sobald sich im
dreispurigen Verkehr eine kleine Lücke auftut. Den
Rest schafft man dann auch.
Blaue Stunde. In der Imam-Moschee am Meydan-e
Imam-Platz bekommen die Kacheln ein neues
Blau, die von wenigen Lampen angeleuchteten
Sonnensegel im Innenhof bewegen sich im Wind.
Der Vorbeter ruft sein "Allah u akba" und die gut
100 Gläubigen beugen den Oberkörper, knien
nieder und senken die Stirn auf den Gebetsstein.
Am Wasserbecken waschen Spätgekommene Füße,
Arme und Gesicht, bevor sie die Schuhe am Rand
des teppichbedeckten Podests abstreifen und sich
ebenfalls zum Gebet gen Mekka neigen. Fahrräder
lehnen an den Stangen für die Sonnensegel, Kinder
spielen Fangen, Männer unterhalten sich am Rand
des Hofs. Abend an der Khadju-Brücke: Auf den
Wiesen am Fluss Großfamilien mit vielen Kindern,
die ihr Picknick auspacken, Kühlboxen und
Samowar dabei haben, ein Tuch ausbreiten, essen,
Wasserpfeife rauchen, palavern, mit den Kindern
Volleyball spielen. Mädchen laufen Inliner, Jungs
toben herum.
Lieder erklingen, beim Refrain singen alle mit. Nur
wenige Bögen weiter die Jüngeren, mit Gitarre und
Klängen, wie wir sie aus den 60er Jahren kennen.
Auch hier eine große Runde.
Flussaufwärts an der Si-o-se-Brücke: Im
Teegarten auf den Pfeilern der 33 Bögen breiten
Brücke – zwei Drittel sind Männerbereich, ein
Drittel Familien- und damit auch Frauenbereich –
servieren Jungs von vielleicht zwölf, dreizehn
Jahren Tee und Wasserpfeifen. Zwischen den
drei Plattformen des Teegartens rauscht das
Wasser des Zayandehrud vorbei, während sich in
den angestrahlten Bögen der zweiten Ebene der
Brücke ein junges iranisches Pärchen gegenseitig
mit dem Handy fotografiert.
Es ist eine junge Stadt, ein junges Land, mit
vielen Kindern. Rund 70 Prozent der
Bevölkerung sind 30 Jahre oder jünger.
Inzwischen wird in dem Land mit rund 80
Millionen Einwohnern die Zwei-Kind-Familie
propagiert. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die
Zahlen variieren zwischen 15 und bis zu 50
Prozent, die Drogenabhängigkeit steigt. Die
Arbeitslosigkeit trifft vor allem die Jugend. Wie
die Managementstudentin im CD-Laden hoffen
zwar viele auf eine berufliche Chance in ihrer
Heimat – wenn nicht, werde sie aber irgendwo im
Ausland nach einer Arbeitsstelle suchen müssen
und das Land verlassen, erzählt sie.
Abschied nach sechs Tagen von der anderen
"Hälfte der Welt": Zurück geht es in die Wüste,
nach Norden, nach Teheran zum Flughafen – und
einen Tag später sind wir wieder in Freiburg. Die
innere Heimkehr dauert länger.
Kontakt:
Avanti Busreisen
Klarastraße 56
D-79106 Freiburg
Telefon: 0761/38 65 88-0
Fax: 38 65 88-20
email: [email protected]
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Ein 23-jähriger Student fragt, woher wir kommen,
wie es uns gefällt, wie alt wir sind – jede Woche ist
er im Park, mit der eigenen Familie oder der seiner
Frau. Unter einem der tiefen Bögen der 14 Meter
breiten Khadju-Brücke treffen sich derweil ältere
Männer zum Sängerwettstreit, lassen 200 Jahre alte
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