Berliner Start-Ups als Büronutzer

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Berliner Start-Ups als Büronutzer
Berliner Start-Ups als Büronutzer
...auf dem Weg zum Establishment?
Berlin | 2000-2015
Erschienen im Oktober 2015
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung ..........................................................................................3
Was ist ein Start-Up? ........................................................................4
Die Berliner Start-Up-Szene im Vergleich .........................................7
Aktivitäten der Berliner Start-Ups auf dem Büromarkt ....................11
Neue Anforderungen an Büroflächen ..............................................17
Fazit und Ausblick ...........................................................................20
Literatur ...........................................................................................21
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Einleitung
Berlin gilt seit etwa einem Jahrzehnt als Paradies für Menschen, die
beruflich etwas wagen, ausprobieren und jenseits des wirtschaftlichen Establishments unternehmerisch tätig werden wollen. Kurz
gesagt: Die Berliner Start-Up Szene gilt seit einigen Jahren als die
dynamischste Szene Deutschlands und spielt auch international in
der höchsten Liga mit. Berlin wird in einem Atemzug mit den Gründerhubs Silicon Valley, New York, London oder Tel Aviv genannt.
Der langjährige regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gab in
der McKinsey Studie „Berlin gründet“ von 2013 das Motto aus, dass
„…Berlin als Gründungsstandort nicht nur nationale Nummer eins
sein, sondern international zu den Top 5 gehören“ soll. Seitdem hat
sich in Berlin viel getan und die Stadt befindet sich wirtschaftlich auf
einem guten Weg.
So ist die Wirtschaft laut Berliner Konjunkturbericht zur wirtschaftlichen Lage im Vergleich zur Jahrtausendwende wesentlich robuster.
Zugpferde dieser positiven Entwicklung sind die wieder gefestigte
Industrie, der boomende Tourismus und die traditionell starke Dienstleistungsbranche. Und ein weiterer immer wichtigerer Grundpfeiler
dieser positiven Entwicklung ist das Gründungsgeschehen in der
Stadt. So werden in Berlin über 40.000 Unternehmen pro Jahr gegründet, womit Berlin verglichen mit den anderen Bundesländern
noch vor Hamburg den Spitzenplatz einnimmt. Zwei Jahre nach
Wowereit kann der der neue Bürgermeister Michael Müller nun triumphieren: „Berlin hat sich zu einer der führenden Start-up-Metropolen
weltweit entwickelt. Beim Venture Capital haben wir im ersten Halbjahr bereits das große Vorbild London eingeholt.“
Damit wächst die Bedeutung von Gründern mit ihren Start-Ups auch
für den Berliner Büromarkt. Ziel der folgenden Analyse soll es sein,
einen Überblick über die Berliner Gründerszene aus Sicht des
Büromarktes zu bekommen. Es soll gezeigt werden, dass heutige
Start-Ups – anders als nach dem „dotcom-Hype“ der 2000er Jahre –
einen steigenden und stabilen Einfluss auf den Berliner Büromarkt
haben. Sie sind auf dem Weg sich zu etablieren und expandieren
sogar. Untersuchungsaspekte sind die Identifizierung von jungen
aber auch bereits „erwachsenen“ Start-Ups. Sie werden hinsichtlich
ihres Business Models klassifiziert, um die bisher einseitige Zuordnung zu den klassischen Branchen „Neue Medien“ oder „IT/EDV“
neu zu überdenken. Schwerpunkt der Untersuchung soll ihre Bedeutung als Büroflächennachfrager und die Anforderungen an Flächen
mit Bezug auf erzielbare Mietpreise, notwendige Ausstattungsqualitäten und präferierten Lagen für diese Unternehmen sein.
Es sollen schließlich Empfehlungen auf Basis von Expertenmeinungen an Investoren, Eigentümer und Entwickler zur attraktiveren Gestaltung von Büroobjekten für Start-Ups gegeben werden, damit diese
langfristig als wachsende Nutzerklasse gewonnen werden können.
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Was ist ein Start-Up?
start-up (adj) connected with starting a new business or
project • start-up (noun) a company that is just beginning to operate e.g.: start up a new bus company • start up (verb) to begin
working, happening, e.g.: start up in business
(http://www.oxforddictionaries.com/us/definition/learner/start-up#start-up_1)
Das englische Nomen start-up bezeichnet laut Oxford Dictionary
„a company that is just beginning to operate” also ein Unternehmen,
welches gerade gegründet wurde. Das deutsche Internetportal
gruenderszene.de definiert Start-Up ebenfalls als „eine kürzlich
gegründete Firma, die sich in der ersten Phase des Lebenszyklus
eines Unternehmens befindet.“
Im engeren Sinne sind Start-Ups also Unternehmen, die erst vor
kurzer Zeit gegründet wurden. Würde dieses Kriterium singulär gelten, müssten allein in Berlin jedes Jahr wie bereits genannt 40.000
neue Start-Ups untersucht werden. Dahingehend sollten weitere Kriterien für die Untersuchung herangezogen werden, da jeder Friseur,
jedes neue Bauunternehmen und jede neue Backstube zu diesen
Unternehmen zählen würde. Grundsätzlich ist es sinnvoll, das Entwicklungsstadium von Start-Ups in die Betrachtung mit einzubeziehen. Ein Start-Up, welches gerade gegründet wurde, handelt anders
als jenes, welches gerade wächst bzw. bereits am Markt etabliert ist.
Start-Ups zeichnen sich im weiteren Definitionssinne durch einen hohen Innovationsgrad aus. Sie erfinden, entwickeln, konstruieren neue
Produkte und versuchen diese im Markt zu etablieren. Dabei nutzen
die Gründer auch das Medium Internet, um die etablierten Vertriebskanäle zu ergänzen. Um diesen Vertriebskanal bestmöglich zu nutzen, müssen sie sich durch eine hohe Technikaffinität auszeichnen.
Nicht nur die die hohe Innovationsbereitschaft, sondern auch eine
hohe Risikobereitschaft ist ein Merkmal von Start-Ups. So liegt beispielsweise die Chance mit einem „normalen“ traditionellen Kleinun-
ternehmen erfolgreich zu sein bei etwa 75 %. Ein Start-Up hingegen
hat ein 75-prozentiges Risiko zu scheitern, sei es, weil die Idee nicht
ausgereift ist, das Know-How zur Unternehmensführung fehlt oder sie
sich im Budget verkalkulieren. Allerdings ist es für das traditionelle
Unternehmen sehr schwer, sehr groß zu werden. Wenn ein Start-Up
hingegen erst einmal erfolgreich ist, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass es sehr groß wird 1. Beispiele wie Amazon, Ebay, PayPal
in den USA oder Zalando und Rocket Internet in Deutschland untermauern diese These. Daher bedarf es, um ein Start-Up erfolgreich
werden zu lassen, neben einer Idee und den Fähigkeiten diese technisch umzusetzen auch eines strukturierten Business Models, in dem
nicht nur Chancen, sondern auch alle Risiken detailliert beschrieben
werden. Risikokapitalgeber investieren fast ausschließlich in Unternehmen, die innovative Geschäftsideen haben, und mit denen neue Märkte erschlossen werden können. Die Akzeptanz des neuen Produktes
beim Kunden soll aus Sicht der Risikokapitalgeber im Mittelpunkt stehen.
Neben der Anfangsfinanzierung i.S.v. Risikokapital bedarf es darüber
hinaus später auch einer Planung zur Beschaffung von geeignetem
Personal und Räumlichkeiten. Hierbei spielen die unterschiedlichen
Entwicklungsstadien von Neugründungen eine wesentliche Rolle. Ein
gerade gegründetes Unternehmen hat andere Anforderungen an
Flächen als ein Unternehmen in der Wachstumsphase bzw. eines,
welches sich bereits länger auf dem Markt befindet. Die Gründungsabsichten z.B. als for-profit oder non-profit Unternehmen, akademische oder nicht-akademische Wurzeln oder auch das Start-Up als
Spin-Off von großen Unternehmen haben ebenfalls Auswirkungen
auf das Anforderungsprofil für die Flächennachfrage.
In der Anfangsphase nach der Entwicklung einer Idee und dem Vorstellen dieser vor einem Investorengremium werden viele Start-Ups
Blank, Steve; Why the Lean Startup Changes Everything; Harvard
Business Review (https://hbr.org/2013/05/why-the-lean-start-upchanges-everything)
1
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Start-Ups: Junge, noch nicht etablierte Unternehmen innerhalb
der ersten Jahre der Geschäftsaufnahme, die zur Verwirklichung
einer innovativen Geschäftsidee mit geringem Startkapital gegründet werden und in der Regel sehr früh zur Ausweitung der
Geschäfte streben und ihre Kapitalbasis mit Hilfe von Investoren
stärken wollen.
(http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/start-up-unternehmen.html)
in so genannten Inkubatoren gefördert, um geschützt vor den
Unwägbarkeiten des Marktes in Ruhe das Business-Modell weiter
zu entwickeln und schließlich zur Marktreife zu bringen. Inkubatoren
bieten die Flexibilität, die Gründer in der Anfangsphase benötigen, z.B.
kürzere Mietvertragslaufzeiten oder technisches Equipment und versuchen somit die Ausfallquote von Start-Ups zu senken. Neben privaten Inkubatoren wie z.B. Axel Springer Plug and Play, CoLaborator,
hub:raum, ProSiebenSat.1 Acceleror oder auch Rocket Internet 2 för-
dert auch die öffentliche Hand, Universitäten und andere Forschungseinrichtungen Gründer. Ihre Inkubatoren werden als (Technologieund) Gründerzentren oder auch Science Parks bezeichnet.
Viele Menschen verbinden mit der Start-Up-Szene vor allem Internet
affine Unternehmen. Die Vielfalt der Branchen, in denen Start-Ups
tätig sind, ist jedoch wesentlich größer. McKinsey fokussiert sich auf
drei Start-Up-Cluster: Der Cluster Digital Tech beinhaltet Software-Entwickler, E-Commerce- und Online-Unternehmen. Der Cluster Biotech,
Medtech, Health, Pharma und Life Science umschreibt den Gesundheitsbereich. Der dritte Cluster UrbanTech beinhaltet schließlich Unternehmen aus der Entsorgungsbranche (Cleantech), Hardware-Entwickler
(Elektronik) und Unternehmen aus dem Bereich der Mobilitätsservices.
Berlin Business Location Center
(http://www.businesslocationcenter.de/de/wirtschaftsstandort/standortinformationen/start-up-metropole/venture-capital-inkubatoren)
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Start-Up Branchen und Anteile in Deutschland
Branche Anteil
Software as a Service 21 %
E-Commerce 12 %
Consumer Mobile/Web-Application 11 %
Medien- und Kreativwirtschaft 9%
Online Marktplatz 7%
Online-Service-Portal 7%
Beratungsunternehmen, Agentur 6%
Industrielle Technologie und Hardware Andere Quelle: KPMG DSM 2014
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6%
21 %
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Entwicklungsstadien von Neugründungen:
Seed, Start-up, Growth, Expansion, Established
(EY; Start-up-Barometer Deutschland April 2014)
KPMG untersucht 3 die Branchen von Start-Ups noch detaillierter und
identifiziert insgesamt 17 Branchen. Davon waren in Deutschland
knapp ein Fünftel im Bereich Software as a Service (SaaS), ein Achtel
im Segment E-Commerce und etwa ein Zehntel im Bereich der Programmierung von Mobilen und Web-Applikationen tätig. Aber auch
Branchen in den Kreativwirtschaft, Unternehmensberatung, industrielle Technologie, Medizintechnologie oder Finanztechnologie sind Tätigkeitsfelder von jungen Unternehmen.
Zusammenfassend lassen sich Start-Ups wie folgt abgrenzen:
• Jünger als 10 Jahre
• Innovative Produktpalette
• Starkes Mitarbeiterwachstum
• Ziel von Risikokapitalgebern
Nach Schätzungen des Bundesverbandes Deutscher Startups gibt es
aktuell in Berlin ca. 2.500 Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen.
Auf die Berliner Branchenschwerpunkte gemäß dieser KMPG-Klassifizierung wird in den folgenden Abschnitten noch näher eingegangen.
Generell sind die wichtigsten Akteure der Szene in der Hauptstadt in den
Branchen E-Commerce, Medien und Kreativwirtschaft, Beratung, Software as a Service und interessanterweise im Finanzbereich zu finden.
Infolge der hohen Innovationskraft entwickeln Start-Ups, sobald sie
die erste Bewährungsprobe bestanden haben, eine sehr hohe
Dynamik. Diese äußert sich durch stark wachsende Mitarbeiterzahlen und je nach Geschäftsmodell auch durch eine stark ansteigende
Zahl der Standorte. Damit verbunden ist ein ebenfalls stark steigender
Bedarf an Büroflächen.
Schließlich können Neugründungen in unterschiedliche Entwicklungsstadien unterteilt werden. Diese reichen vom Seed-/ Expansionsstadium, über das eigentliche Start-Up-Stadium bis hin zum etablierten Unternehmen. In jedem dieser Stadien unterscheiden sich die
Unternehmen bei den Anforderungen an Fläche oder Ausstattungsgrad. Unterschiedliche Standorte und Lagen müssen „ausprobiert“
werden und das alles mit möglichst geringem Kapitaleinsatz. Damit
variiert die Fähigkeit Büromieten zu bezahlen, in jedem dieser Stadien,
was im weiteren Verlauf der Studie noch genauer erläutert wird.
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KPMG Deutscher Startup Monitor 2014
(https://www.kpmg.com/DE/de/Documents/deutscher-startup-monitor-2014-compressed.pdf)
3
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Die Berliner Start-Up-Szene im Vergleich
Berlin haderte lange mit seiner wiedererlangten Rolle als Hauptstadt
Deutschlands und galt bis Mitte der 2000er Jahre zwar als „Partystadt“ Deutschlands, stand aber gleichzeitig für die höchste Arbeitslosenquote, das geringste Wirtschaftswachstum und die höchste
Pro-Kopf-Verschuldung Deutschlands. Das internationale Image der
Stadt hat sich seit ca. Mitte der 2000er Jahre jedoch gewandelt.
Maßgeblich dazu beigetragen hat das Gründergeschehen in der
Stadt mit dem Ergebnis, dass nationale wie internationale Rankings
Berlin als einen führenden globalen Standort für Unternehmensgründer und Innovatoren sehen.
So erstellt das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM Bonn)
regelmäßig eine Statistik zu den Gründungen in Deutschland mittels
des NUI-Indikators, der angibt, wie viele Gewerbebetriebe pro
10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter in einer Region im entsprechenden Jahr neu angemeldet wurden 4.
Hier nimmt Berlin vor Hamburg einen Spitzenplatz ein. An der
Spree wurden diesem Indikator zufolge 2013 pro 10.000 Einwohner
etwa 208 Gewerbe angemeldet. Auch bei der reinen Gründerquote als
Verhältnis der Gründer zur Anzahl der Erwerbstätigen liegt Berlin mit
2,6 % vor Hamburg und Frankfurt. Dieses Ergebnis ist umso stärker
zu werten, da in Hamburg, München und auch Frankfurt eine starke
forschungsintensive Industrie existiert, die selbst zahlreiche Unternehmensgründungen hervorruft. Berlin hat solche Motoren nicht, sondern
ist auf die zahlreichen kleinen Innovatoren angewiesen.
NUI-Indikator 2013*
ar
t
ut
tg
ln
St
Kö
rf
ldo
se
en
ch
Dü
s
rt
fu
M
ün
nk
rg
Fr
a
*Anteil der Gründer an den Erwerbstätigen 18-64 Jahre
Quelle: destatis 2015
IFM Bonn NUI-Regionenranking
(http://www.ifm-bonn.org/statistiken/gruendungen-und-unternehmen
sschliessungen/#accordion=0&tab=4)
4
*Gründungen pro 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter 2013
Quelle: IFM Bonn 2015
Ha
m
bu
rlin
208,3
200,6
182,7
164,0
158,5
151,1
142,7
141,9
139,0
138,8
128,9
119,6
115,6
115,4
112,3
103,0
87,4
Be
Berlin
Hamburg
Hessen
Bremen
Schleswig-Holstein
Bayern
Baden-Württemberg
Rheinland-Pfalz
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Niedersachsen
Sachsen
Mecklenburg-Vorpommern
Brandenburg
Saarland
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Gründerquote in den BIG 7 2014*
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Die Dominanz Berlins im Bereich der Gründungen wird noch
signifikanter, wenn die Datensätze verschiedener Start-Up-Portale 5
analysiert werden. Von geschätzten deutschlandweit 1.600 Start-Ups
der letzten 15 Jahre, die dort gelistet waren und aktuell noch aktiv
und eigenständig sind, kommen fast 900 Unternehmen aus Berlin.
Mit Abstand folgen München, Hamburg und Köln 6. Allerdings muss
man auch konstatieren, dass in Berlin die Gründungstätigkeit zwar
sehr hoch ist, große Technologiekonzerne, wie sie z.B. in Süddeutschland existieren, fehlen. Vielfach übernehmen solche Konzerne Start-Ups nach deren Etablierung und somit verlieren diese
ihre Selbständigkeit. Berliner Start-Ups haben jedoch nur begrenzt
die Option mit Konzernen zu fusionieren und bleiben somit auch
längerfristig unabhängig.
Unter den Start-Up-Unternehmern werden die Voraussetzungen
für Gründer im Vergleich zu anderen Bundesländern in Berlin als
am besten eingeschätzt. So erhält Berlin im EY (Ernst & Young) „Startup
Barometer 2015“ unter 181 befragten Unternehmen, die nicht älter
als zehn Jahre waren, bei 78 Befragten die beste Bewertung vor
Bayern und Hamburg 7.
• Aktive Start-Ups in Deutschland seit 2000 nach Städten*
*Basis: ca. 1.600 gelistete Start-Ups
Quelle: JLL 2015, u.a.
StadtAnzahl
Berlin
895
München
130
Hamburg
120
Köln
76
Düsseldorf
17
Stuttgart
17
Potsdam
13
Leipzig
13
Augsburg
13
Karlsruhe
13
Frankfurt/Main 11
Sonstige
264
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Auf internationaler Ebene wird Berlin ebenfalls sehr gut bewertet.
Zwar muss sich die Stadt im Global Startup Ecosystem Ranking
2015 mit Platz 9 begnügen, allerdings stehen vor Berlin u.a. die
IT-Schwergewichte Silicon Valley (1), New York City (2), Tel Aviv (5)
und London (6). Damit ist Berlin der zweitwichtigste europäische
Standort für Start-Ups. Verglichen mit dem Vorgänger-Ranking von
2012 ist Berlin sogar um sechs Plätze nach oben gewandert. Dem
Report zufolge ist Berlin damit auf dem Weg vom lokalen (deutschen)
Kraftzentrum der Start-Up-Szene zum globalen Player mit besten
Zukunftsaussichten. Im Ergebnis ist Berlin die dynamischste Stadt
unter allen 20 bewerteten Standorten.
Die Stärken der Stadt liegen dem Report zufolge in den Sektoren
E-Commerce, Spieleprogrammierung und der so genannten SaaSTechnologie (Software as a Service) – ein Cloud-basierter Ansatz,
bei dem Software und IT-Infrastruktur ausgelagert und vom Kunden
als Service genutzt werden. Die bedeutende Kreativ-Szene und die
nicht zu unterschätzenden geringen Lebenshaltungskosten haben in
den letzten Jahren zu einem permanenten Zuzug von Talenten aus
aller Welt gesorgt.
Innerhalb der letzten Jahre hat es Berlin auch geschafft, den so genannten Exit Wert 8 der Start-Ups im Zeitraum von 2013-2014 im
Vergleich zum Zeitraum von 2011-2012 zu verzwanzigfachen, wenn
auch maßgeblich durch den Börsengang von Zalando und Rocket
U.a. http://www.gruenderszene.de;
http://www.berlinstartupmap.com/; https://deutschestartups.org
6
Es muss angemerkt werden, dass nur ein Teil der existierenden
Start-Ups in diesen Portalen gelistet ist.
7
EY; Start-up-Barometer Deutschland August 2015
(http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-Start-up-Barometer
2015-August/$FILE/EY-Start-up-Barometer-2015.pdf)
8
Zu verstehen als Verkaufswert, der beim Börsengang bzw. bei
Übernahme durch andere Unternehmen erzielt worden ist. (COMPASS co; The Global Startup Ecosystem Ranking 2015)
5
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“The startup ecosystems which made the biggest leaps
(since 2012) are New York, Austin, Bangalore, Singapure,
Berlin and Chicago”.
(Compass co, The Global Startup Ecosystem Ranking 2015)
Internet verursacht. Mit ca. 6 % am weltweit von Start-Ups generierten Verkaufswert liegt Berlin noch vor Boston, New York und Chicago
auf dem 5. Rang.
Berliner Start-Ups binden viel Risikokapital. Laut Compass war es
2013 mit ca. 2 Mrd. € sogar mehr als in London, auch wenn mehr
als ein Viertel davon an das Unternehmen Delivery Hero/Lieferheld
ging. Es ist laut Wall Street Journal mit einer Bewertung von ca.
3,1 Mrd. $ das drittwertvollste Start-Up Europas gefolgt auf Platz 7
von Home24 mit 1,0 Mrd. $. Zwar gelten Zalando und Rocket Internet
mit ihren Börsengängen in dieser Studie nicht mehr als Start-Ups,
werden aber im Ranking vom August 2015 mit einer Bewertung von
zusammen etwa 11 Mrd. $ ebenfalls gelistet.
Im ersten Halbjahr 2015 wurden gemäß EY ca. 1,9 Mrd. € in
deutsche Start-Ups investiert. Zwei Drittel davon (1,4 Mrd. €) flossen nach Berlin. Damit konnte die deutsche Hauptstadt erstmals
auch London hinter sich lassen, dort wurden lediglich ca. 1,1 Mrd. €
in Start-Ups investiert.
Der massive Anstieg von Risikokapitalinvestitionen in Berlin ist
auch das Ergebnis eines zunehmenden Professionalisierungsprozesses. Das zeigt sich auch daran, dass neben dem Inkubator
Rocket Internet, der selbst als Start-Up gelten kann, inzwischen
etablierte Venture-Capital-Geber in Berlin agieren. Dazu zählen
Tochterunternehmen von Konzernen wie ProSiebenSat1. (Seven
Ventures), Holtzbrinck, Tengelmann, Telekom (T-Ventures) oder
auch Evonik, die entweder ihr bisheriges Geschäft um StartUp-Ideen bereichern, oder in ganz neue Business Modelle einsteigen wollen.
Langfristig besteht die Aufgabe, Berlins Attraktivität für Gründer zu
erhalten. Dazu gehört nicht nur, ein weiterhin positives Klima für
Kreative und Talente zu schaffen, sondern auch die Rahmenbedin-
Wertvollste Start-Up-Firmen in Europa mit mindestens einem Risikokapitalgeber als Investor
Rang
Name
Letzte Bewertung
Zentrale
1
Spotify
8,5 Mrd. $
Stockholm
2
Global Fashion Group
3,4 Mrd. $
Senningerberg (Luxemburg)
3
Lieferheld
3,1 Mrd. $
Berlin
4
Powa
2,7 Mrd. $
London
5
Adyen
1,5 Mrd. $
Amsterdam
6
Klarna
1,4 Mrd. $
Stockholm
7
Home24
1,0 Mrd. $
Berlin
8
Shazam
1,0 Mrd. $
London
9
Farfetch
1,0 Mrd. $
London
10
Funding Circle
1,0 Mrd. $
London
-
Rocket Internet
5,8 Mrd. $
Berlin
-
Zalando
4,9 Mrd. $
Berlin
Quelle: Wallstreet Journal 2015 (http://graphics.wsj.com/billion-dollar-club/)
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gungen für die Investoren zu verbessern und die Kapitalregulationen
zu reduzieren.
hohe Innovationsfähigkeit dieser Unternehmen berücksichtigt werden. Hier stellt sich daher die Frage, wie misst man Innovation?
Die wirtschaftliche Bedeutung der Berliner Start-Ups ist noch nicht in
Gänze analysiert worden. Ein Grund dafür liegt darin, dass diese
Unternehmen schwer abzugrenzen sind. Eine Neugründung allein
definiert noch kein Start-Up. Wie oben beschrieben soll auch die
Den Versuch einer Abgrenzung, hat die Investitionsbank Berlin (IBB)
unternommen. Sie hat errechnet, dass die Bruttowertschöpfung
der Berliner Digitalwirtschaft bereits im Jahr 2011 3,9 Mrd. € und
damit etwa 4,2 % der gesamten Berliner Wirtschaftsleistung
entsprach. Das Baugewerbe der Stadt erreichte eine Wertschöpfung
von gerade einmal 3,3 Mrd. €. Nicht in dieser Betrachtung berücksichtigt sind die Internethändler, die die Bruttowertschöpfung noch
einmal um einen beträchtlichen Teil erhöhen.
Zalando kann heute als das mit Abstand erfolgreichste Berliner
Start-Up bezeichnet werden und steuert aus Berlin europaweit
seine Aktivitäten im Bereich Modeversand/Internethandel. Gegründet wurde Zalando durch David Schneider und Robert
Gentz im Oktober 2008. Verschiedene Investorengruppen unterstützten das Start-Up mit Startkapital i.H.v. etwa 60 Mio. €.
Zwischen 2007 bis 2012 erhielt das Unternehmen Subventionen und Wirtschaftsförderhilfen von Bund und Ländern in Höhe
von über 25 Mio. €. Nach weiteren Investitionsrunden sind heute die wichtigsten Investoren der Start-Up-Inkubator Rocket Internet, die heute etwa 18 % der Anteile am Unternehmen halten, Investment AB Kinnevik (37 %), Anders Holch Povlsen
(10 %), Digital Sky Technologies Global (9 %), Holtzbrinck Ventures (8 %), Tengelmann Ventures (6 %) und Ontario Teachers
Pension Plan (2 %). Derzeit beschäftigt Zalando etwa 9.100
Mitarbeiter und ist europaweit in 15 Ländern unternehmerisch
aktiv. Innerhalb von sechs Jahren wuchs der Jahresumsatz der
Gesellschaft auf 2,2 Mrd. € an und das Unternehmen erwirtschaftete 2014 erstmals einen Gewinn von 82 Mio. €. Der
Marktanteil im Segment Schuhe betrug 2013 4 %, Tendenz
weiter steigend. Durch den Börsengang des Unternehmens im
Oktober 2014 wurden 605 Mio. € eingenommen. Die Erstnotierung lag bei 21,50 €. Der derzeitige Wert der Aktie Zalando
liegt bei 29,73 € (Stand 25.08.2015). Die Gesellschaft ist heute
etwa 6 Mrd. € wert und wird nach Schätzungen im Geschäftsjahr
2015 einen weiteren Wertzuwachs von etwa 2,5 % erfahren.
Insgesamt zählt die IBB mehr als 62.000 Erwerbstätige, die im digitalen Wirtschaftssektor beschäftigt sind 9. Auch wenn keine aktuelleren Studien zu den wirtschaftlichen Effekten von Start-Ups erhältlich
sind, ist davon auszugehen, dass die Bedeutung bis heute (2015)
weiter zugenommen hat.
Investitionsbank Berlin; Digitale Wirtschaft – Standortanalyse im
Städtevergleich; Berlin 2013
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Aktivitäten der Berliner Start-Ups auf dem Büromarkt
Die Auswirkungen des aktuellen Berliner Gründungsbooms sind
vielfältig. Der wichtigste Effekt ist sicherlich der internationale
Imagegewinn, den die Start-Ups in den letzten Jahren bewirkt haben.
Die Dynamik der Szene ist einmalig und nur mit der historischen
Gründerzeit zwischen 1870 und 1900 zu vergleichen, als Berlin
sich auf den Weg machte, eine Weltstadt zu werden.
Auch auf dem Berliner Immobilienmarkt und hier insbesondere dem
Bürovermietungsmarkt nehmen Start-Ups eine immer wichtigere
Rolle ein. JLL hat auf Basis seiner Berliner Bürovermietungsdatenbank, in der seit dem Jahr 2000 bis zum zweiten Quartal 2015 ca.
7.400 Vermietungen mit insgesamt etwa 7,5 Mio. m² vermietete
Fläche gelistet sind, sämtliche Vermietungen an Start-Ups auf dem
Bürovermietungsmarkt der Stadt untersucht.
Die Identifizierung von Start-Ups erfolgte über die beiden Kriterien
Innovation und Unternehmensalter. JLL erhebt keinen Anspruch auf
die Vollständigkeit der Erhebung von Start-Ups, auch aus dem bereits genannten Grund, dass Innovation nicht eindeutig messbar ist
sowie einige Start-Ups das Seed-Stadium nicht überstehen und
somit niemals in einem messbaren Bereich des Bürovermietungsmarktes auftreten. Über den Status reiferer Start-Ups kann ebenfalls diskutiert werden. Allerdings sind diese reiferen Unternehmen
entscheidend für die Zukunft der Berliner Unternehmenslandschaft
und damit auch für den Bürovermietungsmarkt.
zierter als jene im Rest Deutschlands. Die stärkste Branche sind
E-Commerce-Unternehmen. Sie haben zwischen 2000 und 2015
17 % aller Verträge abgeschlossen und sind auch hinsichtlich des
Flächenvolumens die größte Einzelbranche. Wenig überraschend
sind Start-Ups der Medien- und Kreativwirtschaft sowie Beratungsunternehmen/Agenturen mit zusammen mehr als 25 % der Abschlüsse ebenfalls sehr wichtige Nachfrager auf dem Büromarkt. In
der Aggregation erreichen die Branchen IT/Softwareentwicklung und
Software as a Service sowie Consumer-Mobile/Web Application fast
20 % der Abschlüsse, was den Status von Berlin als europäisches
Programmierzentrum bestätigt. Erstaunlicherweise haben Unternehmen aus der Finanzbranche einen Anteil von etwa 8 % der Abschlüsse.
Zu diesen gehören sowohl so genannte FinTecs, also Unternehmen,
die sich mit der Technologisierung der Finanzwirtschaft beschäftigen, als auch Beteiligungsunternehmen, die sich mit neuen Formen
der Geschäftsbeteiligung (z.B. Crowd-Funding, Seed-CapitalGeber) befassen.
Historisch können Aktivitäten von Start-Ups auf dem Berliner Bürovermietungsmarkt in mehrere Phasen eingeteilt werden. Die erste Phase
Start-Up Anmietungen in Berlin seit 2000 nach Branchen*
E-Commerce
14 %
Medien und Kreativwirtschaft
5%
Beratungsunternehmen,
Insgesamt wurden aus der Vermietungsdatenbank 418 Start-Up
Abschlüsse identifiziert, die zwischen 2000 und 2015 getätigt wurden.
Wird diese Liste um die Mehrfachvermietungen reduziert, bleiben
345 unterschiedliche Start-Ups, die in den letzten 15 Jahren in Berlin
Büroflächen angemietet haben. Von den Unternehmen, die mehrfach angemietet haben, sticht der Internethändler Zalando stark hervor. Er hat insgesamt 17 Mal Flächen angemietet, die sich auf fast
200.000 m² summieren.
Wie bereits erläutert ist die Berliner Branchenstruktur etwas differen-
Agenturen
IT/Softwareentwicklung
8%
Online-Service-Portal
Software as a Service
Finanzen/Finanztechnologie
Consumer-Mobile/Web-Application
Andere
*nach KPMG-Brancheneinteilung
Quelle: JLL 2015
17 %
14 %
9%
10 %
12 %
11 %
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bis Mitte der 2000er Jahre war von der Katerstimmung nach dem
Platzen der Internet-Blase in Verbindung mit der wirtschaftlichen Krise in Berlin gekennzeichnet. Nur vereinzelt wurden Start-Ups gegründet und noch weniger Büroflächen angemietet.
Büroflächenanmietungen von Start-Ups in Berlin*
70
Flächenumsatz in .000 m²
Anzahl der Verträge
Flächenumsatz in .000 m²
Anzahl der Verträge
60
50
40
30
20
10
0
Flächenumsatz in Start-Ups in m²
Anzahl der Verträge
*oben inkl. unten exkl. Abschlüsse > 5.000 m²
Quelle: JLL 2015
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
| 12
In der zweiten Phase bis 2010 nahmen nicht nur die Gründungen
zu, sondern sie erreichten auch ein Stadium, in dem die Start-Ups
vermehrt auf dem Büromarkt aktiv wurden, wenn auch in einem insgesamt sehr geringen Maße. Zwischen 2006 und 2010 wurden von
diesen Unternehmen insgesamt etwa 42.000 m² angemietet und zusammen weniger als 90 Verträge abgeschlossen.
Die Expansionsphase begann ab dem Jahr 2011. Allein in diesem
Jahr wurden mit etwa 50 Abschlüssen mehr Mietverträge abgeschlossen als in den vorangegangenen zwei Jahren zusammen. Ein
Vermietungsvolumen von mehr als 50.000 m² Flächen konnte verbucht werden. Davon mietete der damals stark expandierende Internethändler Zalando mit fünf Verträgen ein Volumen von ca. 15.000 m²
an und Groupon mit vier Verträgen mehr als 10.000 m², allerdings
gab es auch weitere 37 Unternehmen, die zusammen ebenfalls fast
30.000 m² anmieteten. Zalando expandierte weiter und mietete im
Folgejahr weitere rund 70.000 m² mit acht Verträgen. Allerdings gingen auf das Konto von mehr als 50 weiteren Start-Ups nochmal über
50.000 m². Damit hatten die Start-Ups einen Anteil am gesamten
Vermietungsvolumen von fast 30 %. Ohne die Abschlüsse von
Zalando waren es mehr als 10 %.
In den Folgejahren 2013 und 2014 kam es zwar zu einem gewissen
Einbruch des gesamten Start-Up-Vermietungsumsatzes, verursacht
dadurch, dass Großanmietungen über 5.000 m² ausblieben. Die Vermietungsleistung der kleineren Start-Ups steigerte sich hingegen sogar. Im ersten Halbjahr 2015 konnten diese Unternehmen absolut
mehr umsetzen als noch im Gesamtjahr 2014. Damit ist die dritte
Phase des Vermietungsgeschehens mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen, sondern wird vermutlich noch eine Weile andauern.
Auch aktuell wirkt sich die Expansion der Unternehmen von reiferen
Start-Ups auf den Büromarkt aus. So bezog Zalando Mitte 2014 ein
neu errichtetes Büroobjekt mit ca. 20.000 m² an der Mediaspree und
lässt ein weiteres mit ca. 15.000 m² in unmittelbarer Nachbarschaft
für sich errichten. Die Mutter, der Inkubator Rocket Internet, bezieht
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
demnächst den Büroturm des ehemaligen Hauptquartiers der Wohngesellschaft GSW. Die ebenfalls bereits erwähnten Lieferheld/Delivery Hero werden zum Ende des Jahres 2015 in das Forum Museumsinsel einziehen, welches derzeit saniert wird.
| 13
Durchschnittliche Vertragsmieten* von Start-Up-Unternehmen
nach Entwicklungsstadium und traditionelle Büromietern
Top-Büroanmietungen von Start-Ups seit 2000
Rang
Mieter
Anzahl Anmietungen
Anmietungsfläche
1
Zalando
17
116.000 m²
2
Rocket
5
37.000 m²
3
Lieferheld
2
12.000 m²
4
Groupon
4
10.000 m²
5
Wimdu
6
6.000 m²
Quelle: JLL 2015
Mittelfristig werden die reifen Start-Ups sich beginnen zu konsolidieren. In dieser vierten Phase werden einzelne Standorte hinsichtlich
ihrer Eignung als Unternehmenssitz geprüft und anschließend gegebenenfalls ausgebaut oder aufgegeben.
Mietpreisspannen von Start-Ups und
traditionellen Büromietern*
*ungewichtet, arithmetisches Mittel
Quelle: JLL 2015
Der durchschnittliche Anteil von Start-Up-Anmietungen in Berlin pendelt sich derzeit bei ca. 10 % des Gesamtflächenumsatzes ein,
wenn man die großflächigen Vermietungen über 5.000 m² herausrechnet. Inklusive der Großvermietungen stieg 2012 und im ersten
Halbjahr 2015 dieser Anteil auf bis zu 50 %. Die durchschnittliche
Flächengröße ist seit 2005 von 300 m² auf derzeit fast 900 m² gestiegen (ohne Großvermietungen).
*Die Mietpreisspannen werden als Boxplot angezeigt. Der unterste Wert im Chart zeigt das
10 % Perzentil an, d.h. 10 % der Mieten liegen unter dem angezeigten Wert und 90 %
darüber. Weitere Abstufungen sind das 25 % Quantil (Beginn des blauen Balkens),
der Median (roter Strich = 50 % Perzentil), das 75 % Quantil (Ende des blauen Balkens)
und das 90 % Perzentil (oberster Wert). / Quelle: JLL 2015
Berliner Start-Ups sind dabei, sich auf dem Büromarkt als stabile
Flächennachfrager zu etablieren. Sie wachsen nicht nur, sondern
sind auch in der Lage, marktadäquate Mieten zu bezahlen. Deutlich
wird dieser Prozess bei der Analyse der nominalen Mieten. Die
Median-Mieten von Start-Ups liegen aktuell (H1 2015) mit etwa
13,50 €/m²/Monat nur unwesentlich unterhalb der von traditionellen
Büromietern gezahlten Beträge (14,00 €/m²/Monat). Lediglich bei
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
den Mietpreisspannen werden leichte Unterschiede deutlich. So ist
die Spanne zwischen Spitzenmiete (als 90 % Perzentil) und niedrigster gezahlter Miete (als 10 % Perzentil) bei traditionellen Büromietern etwas größer als bei Start-Ups.
Etablierte Start-Ups wie Rocket Internet und Delivery Hero/Lieferheld haben Mietverträge mit Nominalmieten zwischen 18,50 €/m²
und 21,00 €/m² abgeschlossen. Sie sind bereit diese höheren Mieten aufgrund nunmehr höherer Ansprüche an Flächenqualität, Ausstattung und Lage zu bezahlen.
Bei der Betrachtung der Vertragsmieten von Start-Up-Unternehmen
nach den verschiedenen Entwicklungsstadien zeigt sich, dass diese
Unternehmen ab dem Expansionsstadium – d.h. einem Alter zwischen
5 und 8 Jahren – in der Lage sind, auch überdurchschnittliche Mieten
zu bezahlen. Bemerkenswert ist, dass die Mietdynamik in den Betrachtungszeiträumen 2005-2010 bzw. 2011-2015 bei Start-Up-Unternehmen wesentlich höher ist, als bei den traditionellen Unternehmen. Die Mietsteigerungen liegen in den beiden Zeiträumen
zwischen 9 % (Status: Established) und fast 30 % (Status: Growth),
während der traditionelle Büromarkt lediglich eine Steigerung von 6 %
Prozent erfahren hat.
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hat sich im Verlauf der Jahre wenig geändert. Offensichtlich ist auf
dem Berliner Büromarkt die Flächenverfügbarkeit mittlerweile so gering geworden, dass Vermieter nur wenig Anreize geben müssen, um
Nutzer für freie Flächen zu bekommen. Die Länge des Mietvertrages
spielt aber bei vielen (expandierenden) Start-Up-Unternehmen auch
nur eine untergeordnete Rolle. Denn der kurzfristige Flächenbedarf
steigt bei dem Wachstum, welches viele Unternehmen dieser Branche
an den Tag legen, sehr schnell an. Daher werden oft die Mietverträge
nicht in ganzer Länge erfüllt. Stattdessen hat es sich eingebürgert,
dass ein Nachmieter gefunden wird, um eventuellen Pönalen zu entgehen. Die Nachvermietung erfolgt dann meist auf einem höheren
Mietniveau. Auch so sind die stärker gestiegenen Mieten im Start-UpSegment verglichen mit dem traditionellen Bürovermietungsmarkt zu
erklären. Damit kann auch der Beginn einer Mietpreisspirale beschrieben werden, die mittelfristig dazu führen wird, dass die etablierten
Start-Up-Unternehmen sich professionell mit der Beschaffung von Büroflächen beschäftigen müssen, um hier wirtschaftlich mit den Vermietern auf Augenhöhe verhandeln zu können. Überdurchschnittliche Mieten sind teilweise aber auch durch subventionierende Konzerne zu
erklären, die hinter den Neugründungen stehen.
Es muss jedoch auch konstatiert werden, dass angesichts der sinkenden Leerstandsquote für Büroraum in Berlin (Rückgang von
10,4 % Anfang 2006 auf aktuell unter 7,0 %) den meisten Start-Ups
– wie auch anderen expandierenden Unternehmen – gar nichts anderes übrig bleibt, als zu höheren Preisen zu mieten: Denn die günstigen Flächen sind bereits vergeben. Die Vermieter gehen aber auch
ein erhöhtes Vermietungsrisiko ein: Sie wissen nicht, ob die Start-Ups
insbesondere die Wachstums- und Expansionsphase überstehen, in
denen die meisten Start-Ups noch keinen Gewinn abwerfen.
Zukünftig wird die Flächenknappheit besonders in den Innenstadtrandlagen entlang des S-Bahn-Ringes akut werden. In der
Betrachtung der beiden Anmietungszeiträume 2006-2010 bzw.
2011-2015 tritt die räumliche Präferenz dieser Lagen besonders
deutlich hervor. Während im ersten genannten Zeitraum sich Start-Ups
nur in einzelnen Lagen innerhalb von Mitte und Charlottenburg ansiedelten, weitete sich der Aktionsradius auf die gesamte Berliner
Innenstadt östlich der Toplagen Potsdamer Platz, Mitte 1A und Europacity/Hauptbahnhof aus. Die Hotspots sind in den Lagen Alexanderplatz, Leipziger Straße, nördliche Friedrichstraße, Kreuzberg, Mediaspree sowie der nördlichen Bereich der City West zu finden.
Bei den Mietvertragslaufzeiten geben die Vermieter kaum Konzessionen – sie sind mit durchschnittlich vier Jahren nur wenig kürzer als jene der traditionellen Unternehmen mit fast fünf Jahren. Das
Die Ursachen für diese Expansion sind vielfältig, haben aber maßgeblich mit der Verfügbarkeit von Büroflächen, geeignetem Personal
und der Anbindung an den ÖPNV zu tun. Als Keimzelle können alte
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
Gewerbehöfe (z.B. der ehemaligen GSG Berlin), die 2007 privatisiert
wurden, gelten. Sie waren, wie auch andere Büroflächen in Innenstadtrandlagen bis Mitte der 2000er Jahre wenig genutzt und verfügten über große freie Büroflächen mit einem geringeren Ausstattungsgrad. Der Druck diese Büroflächen profitabel zu bewirtschaften, stieg
mit dem Verkauf dieser Objekte an. Auf diesen Rentabilitätsdruck traf
das Erstarken einer kreativen Klasse mit zahlreichen Innovatoren, die
für ihre Gründungen preiswerten Büroraum suchten. Durch die Professionalisierung des Gründergeschehens durch institutionelle Inkubatoren, aber auch durch erfolgreiche sich etablierende Start-Ups bestand
ein enormer Bedarf an weiteren preiswerten Büroflächen. Nachdem
die Gewerbehöfe erfolgreich vermarktet wurden, und die Business
Modelle von Start-Ups ebenfalls von Erfolg gekrönt waren, stieg die
Nachfrage nach preiswertem Büroraum weiter an. Weitere leerstehende Flächen gab es z.B. im unmittelbaren Umfeld des Alexanderplatzes
aber auch in bis dato leerstehenden Gebäuden aus den 1990er Jahren
entlang der Alleen des Prenzlauer Berges, in vielen Gewerbelofts in
Kreuzberg und Friedrichhain oder auch nördlich des Kurfürstendammes.
Dass die kreative Klasse in der unmittelbaren Umgebung wohnte und
auch dort wohnen bleiben wollte, hat diesen Prozess noch beschleunigt. Grundsätzlich wollen Start-Ups und deren Inkubatoren diese Viertel nicht gern verlassen, aber noch wichtiger ist die Nähe zu den
ÖPNV-Knoten wie dem Alexanderplatz oder dem Bahnhof Zoologischer Garten. Kurze und schnelle Wege bei moderater Miete sind der
Schlüssel für die gesamte Start-Up-Branche. Alle urbanen Lageparameter wie soziale Infrastrukturen, (Ärzte, Kindergärten), Versorgungseinrichtungen (Restaurants, Bars, Friseur und Einkaufsmöglichkeiten)
sollten fußläufig oder zumindest mit dem Fahrrad innerhalb weniger
Minuten erreichbar sein.
Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen an die Lage ist es unwahrscheinlich, dass in Zukunft weit außerhalb des Berliner S-Bahnringes und den Wohngebieten des Wilhelminischen Ringes Ansiedlungen solcher Unternehmen stattfinden werden. Stattdessen ist
anzunehmen, dass, sobald die Verfügbarkeit von Büroflächen im un-
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mittelbaren Innenstadtareal erschöpft ist, eine weitere Expansion entlang des S-Bahn-Ringes erfolgen wird.
Ausnahmen können Areale wie z.B. Adlershof oder das EUREF in
Schöneberg bilden. Hier könnten durch den Charakter eines Campus die besonderen Agglomerationsvorteile und Spill-Over-Effekte
eines Forschungsclusters wirken. Voraussetzung ist hier allerdings,
dass ein holistischer Ansatz verfolgt wird, der quasi ein funktionierendes Stadtquartier mit all seinen Infrastrukturen simuliert, ergänzt
um sich selbst befruchtende hoch innovative Unternehmen und
Forschungseinrichtungen.
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
Berlin:
Büro-Vermietungen
an Start-Upsan
2006
bis 2010
Berlin:
Büro-Vermietungen
Start-Ups
Reinickendorf
2006 bis 2010
NeuHochenschönhausen
Heinersdorf
Pankow
Marzahn
Weißensee
Tegel
Außerhalb
Nord
Wedding
AltHohenschönhausen
Gesundbrunnen
Prenzlauer
Berg
CharlottenburgNord
Areal
HauptbahnhofEuropacity
Siemensstadt
Fennpfuhl
Mitte
Prenzlauer
BergFriedrichshain
Moabit
Marzahn
Lichtenberg
Mitte
CharlottenburgTiergarten
Westend
Hansaviertel
Mitte
1A
Charlottenburg
Außerhalb
West
Areal
PotsdamerLeipziger
Platz
Tiergarten
Friedrichshain
Außerhalb
Ost
BERL IN
Charlottenburg
1A
Grunewald
Grunewald
Mediaspree
Friedrichsfelde
Rummelsburg
Kreuzberg
Halensee
AltTreptow
Außerhalb
Süd
Wilmersdorf
WilmersdorfSchöneberg
KreuzbergTempelhof
Schöneberg
Karlshorst
Grunewald
Plänterwald
Neukölln
Schmargendorf
Oberschöneweide
Friedenau
Baumschulenweg
Tempelhof
Niederschöneweide
Dahlem
Steglitz
0
2
Britz
4 km
Lichterfelde
Lichterfelde
Zehlendorf
Abschlüsse pro Marktzelle
< 3 Abschlüsse
Adlershof
5 < 10 Abschlüsse
Berlin:
Büro-Vermietungen
an Start-Upsan
2011
bis 2015
Berlin:
Büro-Vermietungen
Start-Ups
Reinickendorf
10 < Abschlüsse
Central
Business
District
Bebauung
Teilmarkt
3 < 5 Abschlüsse
Johannisthal
Mariendorf
>= 15 Abschlüsse
Methodik: Die Anzahl der Vetragsabschlüsse
aller Vermietungen an Start-Up Unternehmen
aus den letzten 5 Jahren in der jeweiligen
500-Meter-Marktzelle
JLL Research 2015
2011 bis 2015
NeuHochenschönhausen
Heinersdorf
Pankow
Marzahn
Weißensee
Tegel
Außerhalb
Nord
Wedding
AltHohenschönhausen
Gesundbrunnen
Prenzlauer
Berg
CharlottenburgNord
Areal
HauptbahnhofEuropacity
Siemensstadt
Fennpfuhl
Mitte
Prenzlauer
BergFriedrichshain
Moabit
Marzahn
Lichtenberg
Mitte
CharlottenburgTiergarten
Westend
Hansaviertel
Mitte
1A
Charlottenburg
Außerhalb
West
Tiergarten
Areal
PotsdamerLeipziger
Platz
Friedrichshain
Außerhalb
Ost
BERL IN
Charlottenburg
1A
Grunewald
Grunewald
Mediaspree
Friedrichsfelde
Rummelsburg
Kreuzberg
Halensee
AltTreptow
Außerhalb
Süd
Wilmersdorf
WilmersdorfSchöneberg
KreuzbergTempelhof
Schöneberg
Karlshorst
Grunewald
Plänterwald
Neukölln
Schmargendorf
Oberschöneweide
Friedenau
Baumschulenweg
Tempelhof
Niederschöneweide
Dahlem
Steglitz
0
2
Zehlendorf
4 km
Lichterfelde
Lichterfelde
3 < 5 Abschlüsse
Johannisthal
Adlershof
Mariendorf
Abschlüsse pro Marktzelle
< 3 Abschlüsse
Britz
Teilmarkt
5 < 10 Abschlüsse
10 < 15 Abschlüsse
Bebauung
>= 15 Abschlüsse
Central
Business
District
Methodik: Die Anzahl der Vetragsabschlüsse
aller Vermietungen an Start-Up Unternehmen
aus den letzten 5 Jahren in der jeweiligen
500-Meter-Marktzelle
JLL Research 2015
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JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
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Neue Anforderungen an Büroflächen
Neben den beschriebenen und beobachteten räumlichen Präferenzen haben Start-Ups und andere technologieaffine Unternehmen differenzierte Anforderungen an die Büroflächen. Die Erfahrungen von
JLL mit seinen Business Lines Project and Development Services
sowie Workplace Solutions sollen in diesem Abschnitt zusammengefasst werden, um die aktuellen Trends und Entwicklungen bei der
Büroausstattung zu erläutern.
Generell gilt das Credo: Es gibt keine ideale Fläche für DAS Start-Up.
Die Vielfalt der Geschäftsmodelle und die unterschiedlichen Phasen
im Lebenszyklus dieser Unternehmen sorgen für unterschiedlichste
Anforderungen bei der Suche nach Büroraum.
Dennoch gibt es einige gemeinsame Aspekte der Büroraumausstattung. Prioritär ist die Flexibilität der Flächen und die Darstellung
des Images des Unternehmens nach außen. Dem ordnen sich die
Erfordernisse an das Gebäude, Flächendesign und die Ausstattung
des Büros, Technologieerfordernisse, Dienstleistungsangebote und
Vertragskonditionen unter.
Beispiel Großräumbüro ohne abgehängte Decken
Die Flexibilitätsanforderungen erklären sich unter anderem aufgrund
der Wachstumsperspektive des Unternehmens. Eigentlich wäre es
ideal, wenn die Flächen mit zunehmender Mitarbeiterzahl mitwachsen können. Leider gibt es solche Gebäude nicht. Daher eignen sich
insbesondere in den frühen Phasen des Unternehmens (und bereits
außerhalb des Inkubators), großflächige leicht veränderbare Gebäude. Diese Anforderungen erfüllen gründerzeitliche Gewerbehöfe, alte
Lagerhallen und Gebäude in Skelettbauweise. Gebäudedesigns in
unveränderbarer Zellen-/Schachtelbauweise eigenen sich nicht für
Start-Ups. Das ist insofern von Relevanz, da viele Eigentümer dieses
Gebäudetypus versuchen, ihre Flächen für Start-Ups zu vermarkten
und damit oft scheitern, auch wenn das Preisniveau wesentlich
unterhalb der Marktmiete liegt.
Die Flexibilität ist für viele Unternehmen wichtiger als der Preis.
Zwar achten viele auf angemessene Ausstattungskosten, aber bei
Coworking (auch Co-working, engl. „zusammen arbeiten“ bzw.
koarbeiten oder kollaborativ arbeiten) ist eine Entwicklung im
Bereich neue Arbeitsformen. Freiberufler, Kreative, kleinere
Start-ups oder digitale Nomaden arbeiten dabei zugleich in
meist größeren, offenen Räumen und können auf diese Weise
voneinander profitieren. Sie können unabhängig voneinander
agieren und in unterschiedlichen Firmen und Projekten aktiv
sein, oder auch gemeinsam Projekte verwirklichen und Hilfe
sowie neue Mitstreiter finden.
„Coworking Spaces“ stellen Arbeitsplätze und Infrastruktur
(Netzwerk, Drucker, Scanner, Fax, Telefon, Beamer, Besprechungsräume) zeitlich befristet zur Verfügung und ermöglichen
die Bildung einer Gemeinschaft („Community“), welche mittels
gemeinsamer Veranstaltungen, Workshops und weiterer Aktivitäten gestärkt werden kann. Dabei bleibt die Nutzung jedoch
stets unverbindlich und zeitlich flexibel.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Coworking)
Quelle: Tétris EMEA, Kunde Axel Springer / Ausbau betreut durch Tétris
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
| 18
bestimmten Ausstattungsaspekten gelten geringere Budgetrestriktionen als bei anderen. So sind Kommunikation und Kollaboration innerhalb des Büros sehr wichtig. Gemeinschaftsflächen wie Küchen,
Meetingräume oder Außenflächen werden oft hochwertig ausgestattet. Es gibt Beispiele, bei denen alle Wände der Büros mit Whiteboards ausgestattet sind, um den Mitarbeitern jederzeit eine Möglichkeit zu geben, ihre Ideen sofort niederzuschreiben. Die Arbeitsplätze
sind in den meisten Fällen dagegen sehr funktional ausgestattet, um
eine hohe Anzahl von Arbeitsplätzen unterzubringen. Zum Teil gibt
es so genannte Desk-Sharing/Hotelling-Ansätze, bei denen die Mitarbeiter keinen festen Arbeitsplatz mehr haben, sondern diesen täglich wechseln oder bei Teilzeitarbeit sogar teilen. Das ist jedoch nicht
immer möglich und hängt sehr der Unternehmenskultur und dem
Tätigkeitsprofil (z.B. der Notwendigkeit zur Vertraulichkeit) ab. Das
Einzelbüro als Statusmerkmal hat ausgedient. Als höchste Abgrenzungsstufe gibt es maximal einen so genannten „Glaskasten“
(Think-Tank), in denen Mitarbeiter der höchsten Hierarchiestufen ungestört arbeiten können. Dieser kann bei deren Abwesenheit als für
konzentriertes Arbeiten oder (Kreativ-)Meetings genutzt werden.
Beispiel flexible Wandelemente inkl. Sitznische
Grundsätzlich unterstützt ein modulares Raumdesign die Flexibilität der
Büroräume, insbesondere auch dann, wenn schnelle Mieterwechsel einen kostensparenden und zügigen Umbau erfordern. Der traditionelle
Trockenbau hat mit diesen Anforderungen ausgedient. Wenn überhaupt eine Abgrenzung im Büro notwendig sein sollte, werden Stellwände genutzt, mit denen Räume, je nach Nutzeranforderung und Unternehmenswachstum schnell vergrößert oder verkleinert werden
können. Auf dem Markt sind Trennwandsysteme erhältlich, in denen
Bildschirme, Whiteboards, Ablagen, Sitzecken oder auch Teeküchen integriert sind. Um den „Hasenstall“-Charakter früherer amerikanischer
Büros zu vermeiden und auch eine akustische Dämpfung zu erreichen,
bieten sich Glastrennwände an, mit denen die Bürofläche preiswert und
flexibel an verschiedene Bürfnisse angepasst werden kann.
Der Flexibilität folgt auch die Gebäudetechnik. Weniger werden vollklimatisierte Büros mit einer Einzelraumregelung für die Lüftung benötigt, auch um Ausbau- und Betriebskosten zu reduzieren. Leitungen können sichtbar verlegt werden, was wiederum bei Expansion
oder Mieterwechsel einen schnellen Umbau ermöglicht. Doppelböden im Neubau werden angenommen, allerdings nicht nachträglich
eingebaut. Stattdessen wird z.B. in Altbauten auf von der Decke abgehangene nur teilverkleidete Kabelkanäle und -trassen zurückgegriffen, was wiederum die Flexibilität fördert. Auf abgehängte Decken wird weitestgehend verzichtet.
Oft sind perfekte Oberflächenbehandlungen von Wänden und Decken
des Baukörpers nicht mehr gewünscht. Hier geht der Trend in Rich-
Quelle: bene.com
tung Rohbaudesign und bei Neubauten wird häufig mit Sichtbeton
gearbeitet. Beides schließt jedoch nicht aus, dass durch moderne
Designkonzepte repräsentative hochwertige Flächen für Beratungen
mit externen Kunden geschaffen werden.
In der Natur von Start-Ups als hoch innovative Unternehmen liegen
spezifische und moderne Technologieanforderungen an das Büro.
Die IT-Verkabelung nach dem neuesten Standard und ein schnelles
kabelloses Netzwerk sollten selbstverständlich sein. Anders als in
traditionellen Unternehmen sind jedoch lokale Serverräume nicht un-
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
bedingt notwendig. Viele Start-Ups haben Cloud-basierte Arbeitsweisen, die je nach Unternehmensstatus angemietet und auch wieder abbestellt werden können, was Wartungs- und Betriebskosten
spart. Wichtig ist bei diesen Lösungen, dass alle verfügbaren Betriebssysteme unterstützt werden, da viele Start-Ups nach dem Prinzip „Bring-Your-Own-Device“ arbeiten.
Das Ziel von Start-ups ist es schließlich, die Innovationsfähigkeit der
Mitarbeiter möglichst lange zu erhalten. Essenziell ist es daher für
viele, sie möglichst lange an das Büro zu binden und intensiv an
Projekten arbeiten zu lassen, um Ideen zu produzieren. Das bedeutet aber auch, dass Dienstleistungen angeboten werden müssen, die
alle Sorgen des Alltags reduzieren, angefangen mit der Kantinen
und Essenslieferdiensten, über Friseur und Fitnessangebote bis hin
zum Babysitting-Service. Ein für Start-Ups ideales Gebäude muss
daher nicht nur baulich auf die Anforderungen eingehen, sondern
sollte Platz für zusätzliche Dienstleistungen bieten. Auch Dienstleistungen, die es ermöglichen, im Objekt oder in der Nähe zu übernachten, wie z.B. eine Art Boarding House oder einfach nur möblierte
Apartments, wären sicherlich sinnvoll.
Beispiel Kommunikationszone mit Sichtbeton
Quelle: Tétris EMEA, Kunde TUI Frankreich / Ausbau betreut durch Tétris
| 19
Möglicherweise muss daher für pulsierende Unternehmen ein neues
holististisches Konzept der Bürovermietung entwickelt werden. In
der Regel sind bei der Bürovermietung Eigentümer und Vermieter
identisch. Einige Bürokonzepte wie z.B. „Plug-and-Work“, „Regus“,
„Satellite“ und „Mindspace“ setzen hingegen auf die Trennung von
Eigentum und Vermietung. Sie spezialisieren sich auf die Versorgung von Unternehmen mit Büroraum, angefangen vom optimalen
flexiblen Design über die perfekte technische Ausstattung bis hin zur
Versorgung mit Dienstleistungen für die Mitarbeiter. Diese Anbieter
fungieren als Generalmieter für die größte Fläche im Objekt und
können ihre Anmietungspolitik steuern, so dass ein kreatives Klima
im Objekt erzeugt werden kann, vorausgesetzt, das Image dieser
Plattformen wird von den Start-Ups angenommen. Darüber hinaus
sind sie auch in der Lage, über die unterschiedliche Dauer von Mietverträgen, Firmen zu ermöglichen zu wachsen und gegebenenfalls
auch zu schrumpfen. Ein zusätzliches Angebot wäre die Übernahme
der Buchhaltung der Unternehmen im Objekt.
So könnte das Büroobjekt zu einer Betreiberimmobilie werden, eine
Möglichkeit, die wiederum bei den Eigentümern Vermietungsrisiken
reduziert und für Bürokonzeptanbieter neue Mietermärkte erschließt.
Das alte Konzept der Technologie- und Gründerzentren aus den
1990er Jahren erfährt hier eine Renaissance. Jedoch geht es diesmal nicht um öffentliche oder universitäre Betreiber der Gebäude in
randstädtischen Gewerbegebieten, sondern um privatwirtschaftliche
Konzepte mitten im Stadtzentrum.
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
| 20
Fazit und Ausblick
Die Kurz-Studie hat gezeigt, dass die Bedeutung von Start-Up-Unternehmen für die Berliner Wirtschaft im Allgemeinen und für die Immobilienbranche im Besonderen stetig zunimmt. Die Branche ist in
Berlin thematisch sehr breit aufgestellt. Innovationen kommen aus
dem Handel, der Internetindustrie, von den Soft- und Hardwareentwicklern, aber auch aus der Finanz- und Beteiligungsbranche.
Maßgeblich zeigt der hohe Anstieg der Büroflächenumsätze des vergangenen Jahrzehnts auch ohne die Großanmietungen der großen
Internethändler, dass die Start-Up-Szene in Berlin ein wichtiger Treiber des Büromarktes ist.
Es muss mit dem Vorurteil aufgeräumt werden, dass Start-Ups nur
unterdurchschnittliche Flächen zu unterdurchschnittlichen Mieten
nutzen. Im Gegenteil, die Anforderungen dieser Unternehmen sind
sehr spezifisch und sie sind auch bereit dafür eine adäquate Miete
zu bezahlen. Teilweise stehen sogar subventionierende Konzerne
hinter den Neugründungen.
Bei den präferierten Lagen von Start-Ups besteht auch keine preiswertere Alternative. Innenstadtareale, auch wenn es keine Top-Lagen
sind, haben ihren Preis. Bevorzugt sind infrastrukturell sehr gut angebundene Lagen, am besten unweit des Kiezes der Angestellten.
In Berlin sind verfügbare Flächen am Alexanderplatz, in Kreuzberg
oder auch in Charlottenburger Nebenlagen mittlerweile rar gesät.
Die Praxis von Start-Ups Nachmieter zu suchen, sobald der Platz
nicht mehr ausreicht, treibt die Mieten in diesen Arealen noch weiter
nach oben.
Langfristig werden die Berliner Büromarktakteure nicht darum herum
kommen, neue Büroflächen für dieses wachsende Segment zu
schaffen. Dabei werden Entwickler und Eigentümer auf die spezifischen Anforderungen an das Raumdesign und noch wichtiger an die
Dienstleistungsansprüche der Start-Ups eingehen müssen. Generell
wird die Zunahme dieses Unternehmenstypus dazu führen, dass der
Bürovermietungsmarkt sich grundlegend ändern wird. Es wird neue
Konzepte geben, die die Dienstleistung in den Mittelpunkt stellen
und Vermietung und Eigentum voneinander trennen.
Letztendlich werden Start-Ups nachhaltig den Büromarkt beeinflussen. Auswirkungen zeigen sich bereits jetzt dadurch, dass traditionelle Konzerne neue Büroraumkonzepte aufgreifen, um eine kreative Atmosphäre zu schaffen, wie sie bei Start-Up-Unternehmen
ebenfalls herrscht. Berlin als Anziehungspunkt der Gründerszene
wird dabei eine führende Rolle übernehmen.
JLL • Berliner Start-Ups als Büronutzer • Oktober 2015
| 21
Literatur
Studien und Dokumente (Auswahl)
Weblinks (Auswahl)
• Blank, S.; Why the Lean Start-Up Changes Everything; in Harvard
Business Review; Mai 2013; Berkeley
• EY; Start-up-Barometer Deutschland; August 2015; Berlin
• Hahn, C.; Die Start-up-Szene in Deutschland; in Finanzierung und
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• Institut für Mittelstandsforschung (IFM Bonn); NUI Ranking;
2013; Bonn
• Investitionsbank Berlin; Digitale Wirtschaft – Standortanalyse im
Städtevergleich; in Berlin aktuell; Juli 2013; Berlin
• McKinsey&Company; Berlin gründet - Fünf Initiativen für die Startup-Metropole Europas; Oktober 2013; Berlin
• Ripsas, S.; Tröger, S.; KPMG-Deutscher Startup Monitor; 2014;
Berlin
• Startup Compass Inc. (compass.co); The Global Startup Ecosystem Ranking 2015; Juli 2015; San Francisco
• http://bene.com/de/produkte-raumkonzepte/bueromoebel/nooxs/
• http://www.berlinstartupmap.com/
• http://www.businesslocationcenter.de/de/wirtschaftsstandort/
standortinformationen/start-up-metropole
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• https://deutschestartups.org/
• http://www.eu-startups.com/
• http://www.fuer-gruender.de/
• http://graphics.wsj.com/billion-dollar-club
• http://www.gruenderszene.de/
• http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/start-up-metropolen-ranking-berlin-macht-london-konkurrenz-a-1011702.html
• http://www.oxforddictionaries.com/us/definition/learner/startup#start-up_1
• http://start-up-initiative.ey.com
• https://techberlin.com/
• http://de.tetris-db.com
• http://venturevillage.eu/leading-vc-firms-europe/
• https://de.wikipedia.org/wiki/Coworking
• http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/start-up-unternehmen.html
Kontakte
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Berlin
tel +49 30 203980 311
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