Referat - Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden
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Referat - Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden
Das ABC der medikamentösen Rückfallprophylaxe bei Alkoholproblemen 20.9.2012 Appenzeller Suchtsymposium Dr. Herbert Leherr • Leitender Arzt Bereich Abhängigkeitserkrankungen / Forensik Psychiatrische Dienste Thurgau Klinik Münsterlingen • Vorstandsmitglied SSAM (Schweizerische Suchtmediziner) • Vorstandsmitglied Forum Suchtmedizin Ostschweiz (FOSUMOS) • Conflict of interest statement. No conflict of interest declared. •S•S•A•M• Swiss Society of Addiction Medicine Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin 21.09.2012 Folie 2 Pills – that‘s all? No! • Das diesjährige Suchtsymposium ... stellt die Frage nach medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten – immer auch im Wissen, dass die biologische Wirkung eines Medikaments nicht von der therapeutischen Beziehung getrennt betrachtet werden kann. Zitat: Axel Weiss, Chefarzt Herisau Einladung zum Suchtsymposium • Dependence is • Addiction is a psychological brain desease rather than (Leshner 1997) physical (Chen et al. 1999) , • Alkohol... Das Medikament, das es beim Denner, COOP oder ALDI gibt Von Patienten erwünschte Wirkung von „Antialkohol-Medikamenten“ im Vergleich zur gewünschten Alkoholwirkung Erwünschter Alkoholeffekt Erwünschter Medikamenten -effekt Koinzidenz Beruhigend 68% 74% 80% Antidepressiv wirkend 68% 61% 71% Angst reduzierend 63% 72% 80% Schlaffördernd 50% 62% 73% 21.09.2012 Was ist Craving ? • Substanzverlangen oder Craving als Begriff der Suchtmedizin meint ein kontinuierliches und schwer bezwingbares Verlangen eines suchtkranken Menschen, ein Suchtmittel (Alkohol, Heroin, Nikotin etc.) zu bekommen/ zu konsumieren. Dieses Muster kann sich auch auf den nichtstofflichen Bereich beziehen (Spielsucht; Interkonsum). • Craving ist ein zentrales Moment des Abhängigkeits- und Entzugssyndrom Medikamente-warum? • Reward craving: Belohnungstrinken. Dysregulation im Dopaminsystem. Positive Familienanamnese, früher Krankheitsbeginn • Relief Craving: Erleichterungstrinken, Reduktion innerer Anspannung. Patienten eher älter. Dysregulation im GABA/ Glutamatsystem • Obsessive Craving. Impulsive Trinkexzesse, Kontrollverlust. Dysregulation im serotonergen System 21.09.2012 Mit welchem Ziel behandeln wir ? • Individuelle Abstinenzziele der PatientInnen und Individualität der ärztlichen Verschreibungsmodalitäten • Die Mehrzahl der Menschen mit Abhängigkeitsproblemen hat nicht das Ziel einer dauerhaften, ununterbrochenen Abstinenz • Wolf, Leménager & Kiefer 2011 Medikamentöse Rückfallprophylaxe • Medikamentöser Versuch, das Alkoholverlangen („Craving“) zu reduzieren und somit • das Rückfallrisiko • die Rückfallschwere • die Häufigkeit • die Dauer von Trinkphasen zu verringern 21.09.2012 Medikamentöse Ansätze zur Behandlung des Suchtmittelkonsums • Substitution mit Agonisten (z.B. Methadon) • Blockade der Wirkung mit Antagonisten (z.B. Naltrexin bei Opiatkonsumenten) • Beeinflussung des Suchtdruckes durch sog. „Anti-Craving-Substanzen“ (z.B. Campral) • Dämpfung des Rauscherlebens (z.B. Naltrexin bei Alkoholkonsumenten) • Induktion einer aversiven Reaktion auf Alkohol (z.B. Antabus) Pharmakotherapie • Antabus® / Disulfiram („Vergällung“ „Aversionstherapie“) • Baclofen® / Lioresal • Campral® / Acamprosat • Naltrexin® / Naltrexon • Nalmefene 21.09.2012 Antabus –ein Klassiker • Seit 70 Jahren in der Anwendung, fast in Vergessenheit geraten, jetzt wieder trendy • Hemmt Aldehyddehydrogenase und führt zusammen mit Alkohol zu Akkumulation von Azetaldehyd • Azetaldehyd führt zu Herzfrequenzsteigerung, Übelkeit, Erbrechen, rotem Kopf, RR , Gefässerweiterung („Flush“), Schwindel, Hyperventilation, Pulsbeschleunigung, Erbrechen Kopfschmerzen, Angst, Schweissausbrüche, allgemeine Schwäche, Brustschmerzen 21.09.2012 Distribution of prevalence of inactive ALDH2 Li et al. Ann Hum Genet 73: 335-45, 2009 • Asiaten, die homozygot ein ineffizientes ALDH haben, vertragen keinen Alkohol. Sie haben Disulfiram genetisch „eingebaut“. • Machen wir durch die Verabreichung von Antabus unsere Suchtpatienten zu genetisch veränderten Japanern ? Nein. • Unsere Patienten können jederzeit entscheiden , aus diesem Programm auszusteigen. Wirkmechanismus nur Plazebo ? • Antabus: deutliche Effekte gegenüber Placebo und gegenüber Acamprosat. Fazit: Potential: missbräuchlichen Alkoholkonsum bei Suchtkranken deutlich zu verringern. • In Effektstärken ist Antabus Anticravingsubtanzen ebenbürtig bis überlegen. • Nur psychologischer Effekt ? Rolle der DBH wird aktuell erforscht, durch DBH-Hemmung kommt es zu Dopamin-anstieg und Verminderung von Noradrenalin • DBH bei Alkoholabhängigen verringert, aktuelle Forschung in UPK ZH bei Mutschler und Grosshans (2011) Was passiert beim Reintrinken ? Disulfiram-AlkoholReaktio(DAR): • • • • • • • • • • • Gefäßerweiterung („Flush“) Schwindel Hyperventilation Pulsbeschleunigung Niedriger Blutdruck Erbrechen Kopfschmerzen Angst Schweißausbrüche Allgemeine Schwäche Brustschmerzen Kontraindikationen für eine Antabus Behandlung: • • • • • • • • • • Kardiovaskuläre Behandlung Cerebrovaskuläre Erkrankung Schwere chronische Lungenerkrankung Chronisches Nierenversagen Instabile Psychosen und schwere Depressionen, klare Impulskontrollstörung Anfallsleiden ( nicht eingestellte Epilepsie) Schwangerschaft Leberwerte über 3-fachem der Norm Chronische Lebererkrankungen mit Pfortaderhochdruck Breite Reaktionsvarianz auf Probetrunk. Wird nicht mehr empfohlen, war CH-typisch. Warum ? Seltene schwere Komplikationen: Epileptische Anfälle Kreislaufversagen Atemdepression Bradycardie, Herzrhythmusstörungen, Herzstillstand, Infarkte • Bewusstseinsstörungen • Exitus bei schwerer Vorerkrankung oder massivem Alkoholkonsum • • • • Einwilligung einholen ? • PATIENTENINFORMATION ÜBER ANTABUS® EINSTELLUNG • Der/ die Unterzeichnende ..........................................................bestätigt von seiner Ärztin/ seinem Arzt .......................................... über mögliche Wechselwirkungen informiert worden zu sein, die bei gleichzeitiger Einnahme von Alkohol und Antabus® auftreten können. Dies sind : • starke Hautrötung am Kopf, Hals und Brustbereich, starke Kopfschmerzen, Erstickungsgefühl, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Herzrasen, Blutdruckabfall mit Schwindelgefühl, Brustschmerzen. • Folgende Nebenwirkungen (ohne Alkoholeinnahme) können gelegentlich auftreten: ·Vorübergehend Benommenheit, Antriebsmangel aber auch steigerung Allergische Hautreaktion, Kopfschmerzen, Durchfall, Verstopfung, Metallischer/ knoblauchähnlicher Geschmack im Mund • Bei Hautrötung, Gelbfärbung der Augen oder Haut, dunkelgefärbtem Urin bitte den Arzt verständigen Der/ die Unterzeichnende erklärt verbindlich, während der Zeit der Antabusbehandlung auf Alkoholkonsum zu verzichten................................................ ............................................ Unterschrift Patientin/Patient: Stempel / Unterschrift Praxis Wirkfaktoren der antabusgestützten Behandlung • Das therapeutische Ritual bei der Medikamentenausgabe ? • (Auto-)Suggestion ? • positive Verstärkung ? • Entwicklungspotential von neuen Copingstrategien während der Abstinenz ? • Wirkungsgrad des aversiven Reizes ? Kosten-Nutzen-Abwägung: Patienten sollen niemals genötigt werden, Antabus zu nehmen, wenn sie selbst Vorbehalte haben. Für viele Patienten, deren seelische, körperliche oder soziale Existenz durch Alkohol bedroht ist, kann die eine antabusgestützte Behandlung den Schritt in eine stabile Abstinenz bedeuten Studienlage und Kombinationen • Studienlage: gut bis umstritten (zuletzt Diskussion im Forum MedSuisse 2011 Zulino vs.Mutschler/ Grosshans • Wichtig: Emotionale Wellen gehen bei Abhängigkeitsdiskussionen höher • Würde Antabus heute noch zugelassen? Nein. • Kombinationen mit Campral oder Nemexin: möglich • Weiter im Versuchsstadium: Disulfiram bei Kokainabhängigkeit 21.09.2012 Wichtige Rahmenbedingungen für eine fachgerechte Behandlung mit Antabus: • • • • • • • • Sorgfältige Aufklärung und geeignete Patientenauswahl Diskussion von Vorteilen und Risiken Zu Beginn über drei Tage je 1-2 Dispergetten à 400 mg zur Aufsättigung. In der Regel drei Einnahmen pro Woche (montags, mittwochs je eine Dispergette; freitags 2 Dispergetten in Wasser aufgelöst. Bei gut laufenden Antabus-Programmen kann ggf. auf eine 2-malige Gabe pro Woche übergegangen werden). Die Höchstdosis von 0,5 g/Tag sollte nicht überschritten werden Sorgfältiges Monitoring, vorher EKG, Laborwerte: Empfohlen wird in den ersten drei Monaten 14 tgl., danach 2-4 x jährliche Kontrolle von ALAT und ASAT. Beendigungsversuch (!) nach vereinbartem Zeitfenster oder Zielgrösse: Befindlichkeit/Craving/ erreichte Stabiliserung Integration der Abgabe in einem Behandlunskonzept Antabusgestützte Therapie • • • • • Anwendungen abhängig vom psychosozialen Kontext In Zusammenarbeit Psychiater/ Hausarzt/ Suchtfachstelle Im Rahmen von Paarbehandlungen In Zusammenarbeit mit Arbeitgebern In betreuten Lebensformen Vorübergehend bei Krisen Mein Resümee zu Antabus: • Antabus ist ein eigenes Therapieprinzip, das manchen Patienten mit schwierigen Suchtproblemen in spezifischer Weise weiterhelfen kann. • Die Risken sind ernst zu nehmen, aber sehr überschaubar. • Fallstricke beachten (Urlaubszeit etc.) • Antabus ist in besonderer Weise geeignet, in unterstützenden sozialen Zusammenhängen eingesetzt zu werden. Er ist schuld... am Baclofen-Boom • Baclofen wird postuliert als Mittel gegen • Angst • Sucht • Depression • Bulimie 21.09.2012 BACLOFEN ZUR THERAPIE DER ALKOHOLABHÄNGIGKEIT? • Baclofen (Lioresal, Generika) ist als Muskelrelaxans bei zentral bedingter Spastik zugelassen. • Das grosse Medieninteresse an der Therapie der Alkoholabhängigkeit mit dem GABA*Abkömmling ist auf das Buch des französischen Kardiologen Olivier AMEISEN zurückzuführen sein, der seine Alkoholabhängigkeit mit Baclofen geheilt haben will. • www.baclofen-forum.com . Patienten «zwingen» ein Medikament auf den Markt 21.09.2012 Altes Mittel- neue Indiaktion • Baclofen ist Agonist am GABA-B- Rezeptor • In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als Epilepsiemedikament entwickelt • Zugelassene neurologische Indikation: Spastik mit täglicher Maximaldosis: 75 - 120mg • Off-Label-Use bei Alkoholproblemen heisst gut dokumentieren: anderes hat nichts gebracht, Pat. wurde gut aufgeklärt, zahlt (ggf.) selbst • Kosten (werden in der Regel nicht von der Krankenversicherung übernommen). Tagestherapiekosten von 2.90 CHF bei Dosis von 80 mg (Stand 03/12). Baclofen • Baclofen bei Alkoholproblemen in kleinen Studien mit 30 mg unwirksam, bei Dr. Ameisen persönlich 150 mg als Erhaltungsdosis, er hat von 30 mg auf 270 mg/Tag aufdosiert • In der Neurologie zwischen 30 und 120 mg/die • In aktuellen klinischen Studien 60 mg/die über 12 Wochen nach 7 Tagen Abstinenz • Persönliche Erfahrung: Erhaltungsdosierung zwischen 50 und 120-150 mg möglich. Start mit 30 mg, dann wöchentlich langsam steigern 21.09.2012 Baclofen Nebenwirkungen • Sehr häufig: Sedierung und Schläfrigkeit (10,2%) Übelkeit (10,9%) • Häufig: Benommenheit, Mattigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Ataxie, Tremor, Mundtrockenheit, MagenDarmstörungen, Brechreiz, Erbrechen, Verstopfung, Diarrhö • NW verschwinden meist in den ersten Wochen der Behandlung, langsames Eintrittieren ist sehr sinnvoll, reduziert UAW • Eine Herabsetzung der Krampfschwelle und Anfälle sind insbesondere bei Epilepsiepatienten ist möglich. • Während der Behandlung mit Baclofen kann die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Strassenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen erheblich beeinträchtigt sein. • Gelegentlich muss auch bei langsamer Aufdosierung mit Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall und Bradykardien gerechnet werden. 21.09.2012 Mein Resume zu Baclofen • • • • • • Es ist das erste Medikament im Suchtbereich, dass von den Patienten auf den Markt „gezwungen“ wird, und nicht von der Pharmaindustrie lanciert wird. Es setzt am GABA-Rezeptor an, aktuell der vielversprechendsten Pharmaforschungsschiene Nach meiner Auffassung rechtfertigt der aktuelle Stand der Evidenz die Gabe von Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit auf breiter Ebene (noch) nicht. Für einen Wirksamkeitsbeleg sind jedoch methodisch gut angelegte Studien mit höheren Fallzahlen und höheren Tagesdosierungen erforderlich, die wird es wahrscheinlich aber nicht geben. Jedoch ist wie in anderen Bereichen der Psychiatrie und anderer Fachgebiete ein „Off-LabelUse“ im Einzelfall immer überprüfenswert, wenn gängige Behandlungsmethoden nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Baclofen kann eingesetzt werden bei Patienten, mit einer problematischen Alkoholabhängigkeit, wenn andere Therapieansätze nicht erfolgreich waren, die Patienten gut über den Aspekt des „Off-Label-Use“ aufgeklärt wurden und das Medikament engmaschig kontrolliert individuell und vorsichtig eindosiert wird. Die sollte durch suchtmedizinisch erfahrene KollegInnen passieren oder in enger Zusammenarbeit mit diesen. Ich mach das. Nebenwirkungen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die Verschreibung ist zu stoppen, wenn sich kein Behandlungserfolg einstellt. Acamprosat / Campral® • Wirkmodus: NMDA Antagonist - reduziert die glutamaterge Hyperexzitabilität . • Klin. Effekt: Reduktion von Craving, Rückfallsprävention, insgesamt gute Verträglichkeit • Probleme: Compliance über 6-12 Monate, 6 Tabletten/Tag, verzögerter Wirkbeginn ? • Dosierung: 3x2 Tbl./tgl unter 60 kg gehen auch 2x2 Tbl. /tgl. 21.09.2012 Nebenwirkungen Campral • • • • Durchfall in etwa 10 - 20% Kopfschmerz Juckreiz Kontraindikationen: Schwangerschaft, Stillzeit; Serumkreatinin > 120 mmol/l; schwere Leberinsuffizienz • Achtung: limitiert auf 12 Monate. Kosten pro Tag etwa 3 Franken Acamprosat / Campral® • Bezogen auf die drei Behandlungsziele Rückfallvermeidung, Verminderung der Schwere eines Rückfalls und Verbleib in Therapie zeigte Acamprosat (Campral) moderate Therapieeffekte, die zwischen 7% und 13% über dem Placeboeffekt lagen. • Campral/ Acamprosat : NNT 7 • Naltrexon/ Nemexin : NNT 7,5 21.09.2012 Fazit :Acamprosat / Campral® • Eine kleinere Gruppe unserer Patienten konnte profitieren. Mit NNT von 7 oder schlechter muss man leben können • Compliance war häufig das Hauptproblem, das zum Absetzen führte und Unsicherheit beim Hausarzt, wenn der Pat. weitertrinkt. Weitergeben bei kurzem Absturz, Absetzen , wenn dauernd weitergetrunken wird. • Bevor man nichts macht, sollte man Campral vielleicht doch ausprobieren, vielleicht ist ihr Patient der eine von sieben. Naltrexone - Naltrexin® • Naltrexon ist ein μ (Mü)-Opiat-Antagonist, der dem sogenannten „Craving“ durch Blockade der Dopaminfreisetzung im Limbischen System entgegenwirkt • Zielgruppe : Erleichterungstrinken, Reduktion innerer Anspannung • Beim chronischen Alkoholkonsum wird das Beta-Endorphin stimuliert, welches direkt eine Dopaminfreisetzung im Nucleus Accumbens (Nc Acc) bewirkt und indirekt über die Hemmung der gamma-Amino-Buttersäure die Dopaminausschüttung im Nc Acc fördert. • Kontraindikationen: Opioidanalgetika, akuter Opiatentzug, Leberinsuffizienz, Hepatitis Nebenwirkungen • sehr häufig: Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Unruhe, Nervosität. • häufig: Ängstlichkeit, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Depressionen, Stimmungsschwankungen; schwerer und dosisabhängiger Schwindel, Durst, Müdigkeit, Benommenheit, Schüttelfrost, vermehrte Transpiration. • NW: nehmen entweder nach einigen Tagen ob, sonst in der Regel Therapieabbruch durch Pat. Naltrexone - Naltrexin® • Dosierung • 1 Tbl. à 50 mg pro Tag. Klinisch bewährt hat sich jedoch eine einschleichende Behandlung mit ½ Tabl. pro Tag für mindestens 1 Woche. So treten weniger Nebenwirkungen auf. • Wegen langer HWZ geht auch Montag 2/ Mittwoch2/ Freitag 3 Tabletten • Depot- und Retardformulierungen von Naltrexon sollen zudem die Compliance verbessern. So gibt es inzwischen eine intramuskuläre Depotformulierung von Naltrexon. Sie ist allerdings sehr teuer (etwa 600 Euro/ 720 CHF für vier Wochen), in Deutschland und der Schweiz nicht erhältlich, Internationale Apotheke) Naltrexone - Naltrexin® • Auf den Einfluss bei Opioidkonsum und Opiatanalgesie zur Schmerzbekämpfung muss der Patient hingewiesen werden und optimalerweise einen Behandlungsausweis mit sich führen. • Anmerkung aus klinischer Sicht: Einige mit Naltrexon behandelte Patienten berichteten über ausgeprägte Benommenheit und Schwindel, sodass in diesen Fällen die Fahrtüchtigkeit und die Fähigkeit, Maschinen zu bedienen erheblich eingeschränkt bzw. aufgehoben war. Ein entsprechender Warnhinweis fehlt in den Fachinformationen des aktuellen Arzneimittelkompendiums (Stand 08/2012). Fazit • Soll eher beim sog. „Belohnungstrinken“ wirksam sein. • Wurde eher wegen der NW abgesetzt, bevor Wirkung beurteilt werden konnte • Vereinzelt gute Langzeitergebnisse • Auf Nalmefene warten ? 21.09.2012 21.09.2012 FAZIT • Nebenwirkungen und Langzeiteffekte sind immer noch nicht zufriedenstellend erforscht • Leitlinien und klinische Studien sind gefordert, die klären, wann und bei wem die verfügbaren Substanzen eingesetzt werden können • Resignieren sie nicht, probieren sie weiter aus. Viele der ansonsten eingesetzten Medikamente wirken nicht besser. Aber setzen sie nicht „nur“ auf Medikamente zur Behandlung von Alkoholproblemen 21.09.2012 In der Pipeline: Nalmefene • Nalmefene ist ein Ligand an Opioid-Rezeptoren mit antagonistischer Wirkung am µ- und δ-Subtyp sowie partiell agonistischem Effekt am κSubtyp. • Lundbeck hatte drei Phase-III-Studien mit insgesamt 2000 Probanden durchgeführt. Untersucht wurde die Wirkung von Nalmefene anhand verschiedener primärer und sekundärer Endpunkte, darunter der Gesamtkonsum an Alkohol, die Häufigkeit exzessiven Trinkens, das Ansprechen auf Maßnahmen zur Reduktion sowie die Wirkung auf Abhängkeitssymptome und klinische Parameter. Auch wenn nach Konzernangaben nicht zu jeder Zeit alle Kriterien erfüllt wurden, • Nalmefene zeigte eine starke Wirkung bereits innerhalb des ersten Monats der Behandlung und führte nach sechs Monaten zu einer Reduktion des Alkoholkonsums um 50 Prozent. Bei Bedarf wurden 20 Milligramm gegeben; die Probanden mussten nicht komplett abstinent sein. In der Pipeline : Nalmefene • Hier sieht Lundbeck das größte Potenzial: Ein oral anzuwendendes Arzneimittel, das nur bei Bedarf zum Einsatz kommt und keine Abstinenz erfordert, werde von Experten als wertvolle Therapieoption eingeschätzt, so der Konzern. Innerhalb des Beobachtungszeitraum seien keine Probleme aufgetreten, zu den reversiblen Nebenwirkungen zählen Schwindel, Übelkeit und Schlaflosigkeit. • Auf dem 20. European Congress of Psychiatry in Prag im März 2012 wurden die Ergebnisse des Phase-III-Studienprogramms auf einem Satellitensymposium vorgestellt: Nach sechs Behandlungsmonaten konnten die Betroffenen ihren Alkoholkonsum angeblich insgesamt durchschnittlich um 65 Prozent senken. • Nalmefene angeblich mit höherem Wirkgrad, längerer HWZ Nr.: S-30 - Symposium EUFAS-Symposium: Reducing consumption, a harm reduction strategy in alcoholism for Europe? 5.Oktober 2012 Zeit: 15.30-17.00 Raum: Hörsaal 1, Forum 3 Results of three randomised, placebo-controlled RCTs using targeted nalmefene in alcoholism Karl Mann Autor Sitzungstitel: 003 • Einleitung Current treatments for alcohol dependence, aiming to keep patients abstinent, have shown limited treatment and success rates. Reduction of alcohol consumption is increasingly recognised as a valid and needed option that should be an integrated part of the management of alcohol-dependent patients. Methode Based on earlier work a large clinical trial programme was undertaken to test whether the opioid antagonist nalmefene in addition to motivational counselling can help to reduce alcohol consumption in alcohol dependent patients. Medication was only taken when patients felt the danger of imminent alcohol consumption (“as needed”). Diskussion/ErgebnisseA total of 604 patients (mean age 51.6±9.6 years, 67% men) were randomised (298 to placebo and 306 to nalmefene). There was a significantly superior effect of nalmefene compared to placebo in reducing the number of heavy drinking days (HDDs -2.3±0.8 [95% CI -3.8; -0.8]; p=0.002) and total alcohol consumption (TAC -11.0±3.0 [95% CI -16.8; -5.1]; p<0.001). Improvements in Clinical Global Impression - Global Improvement and Severity of Illness scores and reductions in liver enzymes gamma-glutamyltransferase and alanine aminotransferase from baseline were statistically significantly larger in the nalmefene group compared to placebo at week 24. Adverse events (generally transient; most were mild or moderate) and withdrawals were more common with nalmefene than placebo. Schlussfolgerung These results were replicated in two more studies. They could lay the grounds for a paradigm shift in alcoholism treatment with a reduction of drinking as an additional treatment goal apart from abstinence. Nr.: S-30 - Symposium EUFAS-Symposium: Reducing consumption, a harm reduction strategy in alcoholism for Europe? Zeit: 15.30-17.00 Raum: Hörsaal 1, Forum 3 Results of three randomised, placebo-controlled RCTs using targeted nalmefene in alcoholism Karl Mann Autor Sitzungstitel: 003 • • Einleitung Current treatments for alcohol dependence, aiming to keep patients abstinent, have shown limited treatment and success rates. Reduction of alcohol consumption is increasingly recognised as a valid and needed option that should be an integrated part of the management of alcohol-dependent patients. Methode Based on earlier work a large clinical trial programme was undertaken to test whether the opioid antagonist nalmefene in addition to motivational counselling can help to reduce alcohol consumption in alcohol dependent patients. Medication was only taken when patients felt the danger of imminent alcohol consumption (“as needed”). Diskussion/Ergebnisse A total of 604 patients (mean age 51.6±9.6 years, 67% men) were randomised (298 to placebo and 306 to nalmefene). There was a significantly superior effect of nalmefene compared to placebo in reducing the number of heavy drinking days (HDDs -2.3±0.8 [95% CI -3.8; -0.8]; p=0.002) and total alcohol consumption (TAC -11.0±3.0 [95% CI -16.8; -5.1]; p<0.001). Improvements in Clinical Global Impression - Global Improvement and Severity of Illness scores and reductions in liver enzymes gamma-glutamyltransferase and alanine aminotransferase from baseline were statistically significantly larger in the nalmefene group compared to placebo at week 24. Adverse events (generally transient; most were mild or moderate) and withdrawals were more common with nalmefene than placebo. Schlussfolgerung These results were replicated in two more studies. They could lay the grounds for a paradigm shift in alcoholism treatment with a reduction of drinking as an additional treatment goal apart from abstinence. Firmenbeziehungen The study was funded by Lundbeck. Evidenz Acamprosat Ia A Naltrexon Ib A Disulfiram Ib D(?) Selbsthilfegruppen III C Lioresal/ Baclofen ? ? Motivationale Intervention Ia A Fazit I • Was Sie können sollten ist: Reden, im Kontakt bleiben, Interesse und Neugier zeigen und motivierend Mut machen, das ist das A&O • Sie können sich Hilfe holen und zusammenarbeiten: mit Suchtfachstellen, (anderen) Ärzten (Qualitätszirkel), sie können sich an Experten in den Fach-Kliniken wenden und an die FOSUMOS-Helpline www.fosumos.ch Fazit II • Sie können als Ärzte fast immer einen/ mehrere Behandlungsversuche mit Campral und Naltrexone machen und abwägen wann eine Antabus-Therapie angebracht ist, evtl. Kombinationen • Sie sollten informiert sein über Alterativen wie Baclofen und neugierig bleiben was z.B. Nalmefene bringt Fazit III • Insbesondere Probleme im psychosozialen Bereich oder die Einsamkeit, den Lebensschmerz, Beziehungsprobleme oder Arbeitslosigkeit werden durch diese Medikamente nicht geheilt. • Wenn sie die Voraussetzung verbessern an diesen Problemen zu arbeiten, haben sie schon viel erreicht. Weitere Informationen zum Thema Alkohol und Therapieansätze www.fosumos.ch www.praxis-suchtmedizin.ch Ab 24.19.2012 Literatur I • AFSSPS (Agence française de de sécurité sanitaire des produits de santé) : Utilisation du baclofène dans le traitement de l’alcoolodépendance : actualisation. Avril 2012 • Addolorato G, Leggio L, Ferrulli A et al. Effectiveness and safety of baclofen for maintenance of alcohol abstinence in alcoholdependent patients with liver cirrhosis: randomised, doubleblind controlled study. Lancet 2007; 370: 1915-22. Addolorato G, Leggio L, Cardone S et al. Role of the GABA-B receptor system in alcoholism and stress: focus on clinical studies and treatment perspectives. Alcohol 2009; 43: 559-63. Addolorato G et Leggio L. Safety and efficacy of baclofen in the treatment of alcoholdependent patients. Curr Pharm Des 2010; 16: 2113-7 Ameisen O. Treatment of alcohol-use disorders. Lancet 2009; 373: 1519. Ameisen O, Beaurepaire R. Suppression de la dépendance à l’alcool et de la consommation d’alcool par le baclofène à haute dose : un essai en ouvert. Ann Med Psychol 2010; 168: 159-62. Chick J, Nutt DJ. Substitution therapy for alcoholism: time for a reappraisal ? J Psychopharmacol 2012; 26: 205-12 Duke A, Kaminski B, Weerts E. Baclofen effects on alcohol seeking, self-administration and extinction of seeking responses in a within-session design in baboons. Addiction Biology 2012. doi:10.1111/j.1369-1600.2012.00448.x Evans SM, Bisaga A. Acute interaction of baclofen in combination with alcohol in heavy social drinkers. Alcohol Clin Exp Res 2009; 33: 19-30. Gache P. Baclofène. Vérités et promesses d’un « nouveau » venu dans le traitement de l’alcoolo-dépendance. Alcoologie Addictologie 2010 ; 32: 119-124. Garbutt JC, Flannery B. Baclofen for alcoholism. Lancet 2007; 370: 1884-5. Garbutt JC, Kampov-Polevoy AB, Gallop R et al. Efficacy and safety of baclofen for alcohol dependence: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Alcohol Clin Exp Res 2010; 34: 1849-57. Jahnke K, Die Wirkung von Acamprosat auf die Hinweisreizreaktivität abstinenter Alkoholabhängiger. Dissertation 2008 Universität Freiburg (D) Johnson BA. Medication treatment of different types of alcoholism. Am J Psychiatry 2010;167: 630-9. • • • • • • • • • • • • Literatur II • • • • • • • • • • • • Haney M: Self-administration of cocaine, cannabis and heroin in the human laboratory: benefits and pitfalls. In: Addiction Biology. 14, Nr. 1, Januar 2009, S. 9–21 Hui Li et al Refindes Geographic Distribution of the Oriental ALDH2 Ann Hum Genet 73 (Pt3): 335-45 Leggio L, Garbutt JC et Addolorato G. Effectiveness and safety of baclofen in the treatment of alcohol dependent patients. CNS Neurol Disord Drug Targets 2010; 9: 33-44. Leung NY, Whyte IM, Isbiter GK. Baclofen overdose: defining the spectrum of toxicity. Emerg Med Australas 2006;18: 77-82. Leshner, A.I. 1997. Addiction is a brain disease, and it matters. Science. 278:45-47 Liu J, Wang L. Baclofen for alcohol withdrawal. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 1. Paille F, Malet L. Baclofène et alcool. Site de la Société Française d’Alcoologie, 1.2011. Pastor A, Lloyd Jones DM, Currie J. High-dose baclofen for treatment-resistant alcohol dependence. J Clin Psychopharmacol 2012; 32: 266-68. Rolland B, Deheul S, Danel T et al. Un dispositif de prescriptions hors-AMM : exemple du baclofène. Thérapie 2010; 65: 511–518. Rigal L, Alexandre-Dubroeucq C, de Beaurepaire R et al. Abstinence and “low-risk” consumption 1 year after the initiation of high-dose baclofen: A retrospective study among “high-risk” drinkers. Alcohol and Alcoholism 2012 Suh JJ, Pettinati HM, Kampman KM, O’Brien CP. The status of disul- firam: a half of a century later. J Clin Psychopharmacol. 2006;26(3): 290-302. Zullino D, Wullschleger A, Thorens G, Manghi R, Khan R, Khazaal Y. Nüchterne Überlegungen zur Behandlung mit Disulfiram. Schweiz Med Forum 2010;10(34):565–567