Neville Brody Typografie
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Neville Brody Typografie
Hslu Luzern Theoriemodul 1. BA Graphic Design, Illustration Fiction & Non Fiction Neville Brodys Bruch mit den Traditionen der Typographie Sein Umgang mit Schrift, Sprache und Bild im Wechsel vom analogen zum digitalen Zeitalter Dozent Dozentin Markus Britschgi Franka Grosse Katja Stähli [email protected] 3. Januar 2011 i INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis i Abbildungsverzeichnis ii 1 Einleitung 1.1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Biografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 2 2 Brodys Bruch mit traditionellen Regeln in der Typographie 5 2.1 Typografie ist nicht Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Eine Groteskschrift soll optisch Ausgeglichen sein . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.3 Möglichst wenig Schriftarten und Grade sollen für das Layout verwendet wenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.4 Nutzung der extremen Weissräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.5 Verzicht auf sämtliche Schmuckelemente und Reduktion auf organische Formen 7 2.6 Eine Schrift soll der Leserlichkeit dienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 Schlusswort 4 Quellen 4.1 Bücher . 4.2 Bilder . 4.3 Internet 4.4 Bilder . 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 11 12 13 ii ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 The Modern Jazz, The Face, No. 72, April 1986 . . . . . . . . . . . . . Poster für das Kaukasien-Festival, HdKdW, 1991 . . . . . . . . . . . . Pose für Inka Peru, HdKdW, Berlin 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . Poster fü A Rage in Harlem, Palace Pictures, London, 1991 . . . . . . Cabaret Voltaire, The Face, No. 40, 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . Logo für die Maxi-Single, Cabaret Voltaire, Parlophone Records, 1987 Opening page to the ’Avanti’ section, Winter 1986 . . . . . . . . . . . Poster für Caberet Voltaire, 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Poster für Fuse FontShop International, 1994 . . . . . . . . . . . . . . Image pur la lutte contre le sida, Artis, Paris, 1993 . . . . . . . . . . . Poster für Graphic Arts Message, .Too Corporation, Tokio 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13 14 14 15 15 15 16 16 17 17 1 EINLEITUNG 1 1 Einleitung 1.1 Vorwort Sich mit anderen Mitteln als dem gesprochenen Wort zu verständigen, verlangt eine bewusste Auseinandersetzung mit Zeichen und Symbolen. Die stetige Entwicklung bis hin zur heutigen multimedialen visuellen Kommunikation hat den Menschen und später im spezifischen den Grafiker und Illustrator immer dazu veranlasst, seinen Umgang mit Sprache, Bild und Schrift zu hinterfragen. Die Zeit in den achtziger Jahren, als Brody seine ersten Grafikaufträge ausführte, wird heute aus kunsthistorischer Sicht in die späte Moderne und die Postmoderne untertrennt. Der verwurzelte Glaube an den Funktionalismus und an das schmucklose Design im Dienste der Ökonomie und Globalisierung wurde zunehmend abgelöst durch eine postmoderne Subjektivität. Ein neuer alltagsbezogener Zugang zur Gestaltung mit einer visuellen Poesie entwickelte sich. In den USA waren es die Vertreter der New Wave wie Wolfang Weingard, Dan Friedman oder April Greiman, in England unter anderen Brody, der auf die Intuition und Kraftder Typografie vertraute. Aus einer ganz eigenständigen Kreativität heraus entwickelte er neue Schrifttypen und brach gezielt die traditionellen Regeln der Typografie bis zur Unleserlichkeit. Er war involviert in die digitale Entwicklung visueller Gestaltung und experimentierte mit dem Zusammenspiel von Bild und Schrift am Computer für die Printmedien. Diese theoretische Arbeit zeigt in einem ersten Schritt konkrete Beispiele aus Brodys visueller Sprache auf, welche den Bruch mit der traditionellen Regeln der Typografie darstellt. Ebenfalls wird erläutert, wie die Kritiker gegen diese zunehmende Interaktion von Typografie und Kunst argumentierten. In einem zweiten Schritt geht es um die persönliche Stellungsnahme zu Brodys Arbeiten und den Versuch, die heutige digitale Entwicklung im Bereich Design zu erläutern. 1 2 EINLEITUNG 1.2 Biografie Neville Brody wurde 1957 geboren und wuchs in Southgate einem Vorort von Nord London auf. Als Junge bereits beschäftigte er sich mit Malerei und Kunst. Brody selbst sagt, dass er sich nicht erinnern könne, jemals etwas anderes gemacht zu haben.Mit 18 Jahren begann er ein Studium der Malerei am Horney College of Art, in welcher er sich jedoch bald missverstanden fühlte von der aus seiner Sicht elitären und wirtschaftskonformen Einstellung der Lehrer. Die Schule war auf einen spezifischen Galeriehandel ausgerichtet, in welchem sich Brody nicht wiederfand. Darum entschied er sich für einen Studienwechsel ans London College of Printing, um eine malerische Annäherung im Druckverfahren anzugehen. Somit konnte er mehr Leute erreichen und sich seinem Ziel besser widmen: populärere Kunst zu schaffen, die persönlicher und weniger manipulativ sein sollte. Etwas durch Design aufzudecken anstatt zu verbergen, war sein Motto. Zu der gleichen Zeit wurde in London die Punkbewegung, ausgehend von New York, zu einer breiten subkulturellen Strömung, an welcher sich auch Brody orientierte. Bedingt durch die Wirtschaftskrise und das steife englische Klassensystem wendeten sich vermehrt Jugendliche gegen das Establishment und die Konsumgesellschaft. Die Arbeitsmotivation unter den kreativen Punks war ein Zusammenleben in Eigenproduktion, oder anders gesagt ein „Von der Szene für die Szene“. Diese Einstellung beeinflusste Brody und war zugleich Inspiration für seine ersten grafischen Arbeiten. Am London College of Printing war er jedoch erneut konfrontiert mit einer eher spätmodernen, konsumorientierten Haltung gegenüber Design, die ihm widerstrebte. Rückblickend sieht Brody die Atmosphäre am College als lähmend und repressiv. „Uns wurde gelehrt, dass jede Aktzeichnung oder jedes Druckexperiment an der Schule nicht als Idee für den eigenen Zweck sondern für Reklame entsteht“ 1 . Folglich kritisierten einige Lehrer an Brody seine unkommerzielle Einstellung. „Ich wusste für mich, dass wenn man gegen eine Sache arbeiten will, man die Sache in sich zuerst vollständig verstanden haben muss“ 2 . Brody hatte einen sehr illustrativen Zugang zu Typographie und beschäftigte sich zu der Zeit vor allem mit Bildern und Symbolik und versuchte die Schrift in ähnlicher Weise einzusetzen. Zugleich untersuchte er den Einfluss von Dadaismus und Pop Art auf den Menschen und die dadurch unter anderem von Pop Art hervorgerufene Manipulation durch die Medien. Für Brodys erste typografische Experimente war der Futurismus als Stil an sich, jedoch nicht als Philosophie von Bedeutung. Nach dem Studium entstanden zahlreiche Plattencovers für Punk Rock Bands wie Cabaret Voltaire, Clock DVA, 8 Eye Spy und 23 skidoo als Brody für die Plattenfirmen Rocking Russian, Stiff- und Fetish Records arbeitete. „Punk erreichte mich schnell und gab mir das Vertrauen, welches ich nötig hatte“ 3 , meint Brody. Bald darauf erhielt Brody eine Stelle als Art Director bei The Face, einem Musik, Kultur und Mode-Magazin. „Nicht in meinen wildesten Träumen dachte ich daran, für eine Zeitschrift zu arbeiten. Ich habe immer mit Bilder gearbeitet. Ich verabscheute die Typografie. Es war frustrierend, weil ich in die Falle lief, die Typen genau so zu behandeln wie alle anderen Designer. Ich dachte, Typografie sei langweilig, beladen mit Traditionen, die jeder Veränderung im Weg stehen“ 4 , meint Body im Nachhinein zu seiner Stelle. Trotz seiner Unerfahrenheit beeindruckte er bei The Face durch seine innovative Kombination von Schriftarten und Zeitschriftbildern. Brody revolutionierte das Design der Zeitschrift. Er entwarf eigene Schriften von Hand, unter anderen auch die geometrische Schrift Typeface 3, heute bekannt als Industria. Hier begann Brodys eigentlicher Einfluss auf die damalige Designkultur. Er entwickelte eine völlig neue grafische Sprache, die durch den 1 WOZENCROFT, WOZENCROFT, 3 WOZENCROFT, 4 WOZENCROFT, 2 Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert and Hudson, London 1988, S.5 and Hudson, London 1988, S.5 and Hudson, London 1988, S.5 Verlag, München 1994, S.9 1 EINLEITUNG 3 kommerziellen Erfolg der Zeitschrift The Face bekannt wurde. Seine Handschrift wurde in unzähligen Formen und Bereichen des Designs oft ziellos übernommen und wurde für den nach Konsum schreienden Markt eingesetzt. Als Brody dann später auch für weitere Magazine zu arbeiten begann wie z.B. Per Lei, Lui, City Limits und Arena, zog er Schlüsse aus seinen eigenen Experimenten bei The Face und versuchte Text und Bild noch dichter miteinander zu verweben. Seine Leitidee war es „die Art und Weise, in der Sprache unser Leben beeinflusst verständlich zu machen und aufzuzeigen, in welcher Form der technische Wandel auf die Sprache einwirkt“ 5 . 1987 setzte Brody die Idee um, ein eigenes Studio zu gründen und zeitgleich entstand auch sein erster Buchband „The Graphic Language of Neville Brody“zusammen mit Jon Wotzencroft, welches zum meist verkauften Grafik Buch des Jahres wurde. Das ganze Buch wurde noch analog gestaltet, da sich Brody anfangs weigerte den Computer einzusetzen. Mit der Erscheinung seines Buches war eine Ausstellung im Londoner Victoria and Albert Museum verbunden. Sie zeigte in einer aufwendigen Rauminstallation typografischer Elemente Brodys bisherige Arbeiten. Kritik an Brodys arbeiten in England blieb jedoch nicht aus. Er galt als überbewertet und zu erfolgreich aufgrund eigener Selbstinszenierung. Das Studio pflegte derweil bereits Kontakte mit ausländischen Unternehmen in Mailand, New York und Tokyo und war überaus beschäftigt mit grafischen Aufträgen nebenher. Trotzdem hatte es mit dem Geldproblemen zu kämpfen. Das hatte auch damit zu tun, dass um 1988 in London durch die Verbindung von Design mit Printmedien und die Aufhebung gewerkschaftlicher Beschränkungen zahlreiche Satzfirmen gegründet wurden. Ein Wettbewerb entstand, welcher immer mehr zur Verfügung gestellte Schriften zur Folge hatte. Brody verweigerte sich jedoch der Arbeit mit traditionellen Satztechniken. Schriften wurden in seinem Studio von Hand gezeichnet. Falls dies nicht ausreichte, wurden Buchstaben aus einem alten Bleisatzkatalog hochkopiert, auf einem Zeichenbrett zusammengeklebt, retuschiert und dann mit der Reprokamera auf die richtige Grösse gebracht. 3D-Buchstaben wurden von Hand angefertigt und dann fotografiert. Die Spannbreite der verlässlichen handwerklichen Techniken stand im Kontrast zu dem damals noch wenig bekanntem Umgang mit den ersten Computern. Brody wollte den Prozess vom Entwurf bis zum Druck einer Schrift so gut wie möglich kontrollieren. Dazu experimentierte er je länger je mehr auch innovativ mit dem Macintosh. „Wir haben die Maschine immer bis zum äussersten gefordert und versucht, sie Dinge tun zu lassen, für die sie eigentlich nicht gebaut waren“ 6 . Um 1990 isolierte sich Brody von der Kreativbranche und arbeitete längerfristig mit Firmen zusammen, welche daran interessiert waren, ihre Kommunikation und das interne Design zu verbessern. Während dieser Jahre erforschte Brody die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Schrift und Bildbearbeitung. Gleichzeitig begann die Zusammenarbeit mit Eric Spiekerman. Sie gründeten den Vertrieb Fontshop eine Datenbank für digitale Schrifttypen. Als der Fontshop sich international etablieren konnte, war auch Brodys Anerkennung als Grafiker gewachsen. Seine Ausstellung wanderte nach Berlin, Frankfurt und Hamburg. Ausgehend vom Fontshop International entstand das durch Brody initiierte Projekt Fuse: Ein experimentelles Typografiemagazin mit initiierten Konferenzen, aus denen später auch die Typo Berlin entstand. Das Magazin bot die Möglichkeit, mit bereits vorhandenen Schriftsätzen auf einer CD-Rom selbst neue Schrifttypen zu generieren. Durch das eigene Entwerfen und Verändern von Schriftsätzen, konnten neue Schriften und Bilder entstehen, welche die Typografie bis zur Unleserlichkeit auslotsten. Die Idee dahinter war eine Entwicklung, Reflexion und Diskussion über die alternativen Bildsprachen sowie für eine erweiterte Sprache mit elektronischen Mitteln hervorzurufen. 5 6 WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.6 WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2.Bangert Verlag, München 1994, S.30 1 EINLEITUNG 4 Zeitgleich arbeitete Brody für die Zeitschrift The guardian, welche sich kritisch mit der Werbeindustrie auseinandersetzte und für die französische Zeitschrift Actuel. Bei einmaligen Aufträge in Grossbritannien für die Werbung von Nike und in Holland für die Briefmarkengestaltung der Post arbeite Brody mit seinem neu erarbeiteten digitalen Techniken. Es entstanden Plakate für das Haus der Kulturen Berlin, für The Photographers Gallery, Greenpeace und die Coorporate Identity für das deutsche Schauspielhaus in Hamburg unter anderem. Brody spezialisierte sich ebenfalls auf Fernsehgrafik und konzipierte ein ganzheitliches Designkonzept für die Fernsehsender Premiere und ORF. Vor allem bei Premiere setzte Brody eine solide, verlässliche und universelle Grafik ein, was sonst untypisch für seine Arbeit ist. Mit der Eröffnung des Research Studio 1994 in London und der Herausgabe des zweiten Bandes „The graphic language of neville brody 2“wurde Brody zu einem „der einflussreichsten Designer dieser Epoche“ 7 . Inzwischen gibt es zusätzliche Research Studios in Berlin, Barcelona, Paris, Tokyo. Brody wurde dieses Jahr zum Head des Departement Kommunikation Kunst und Design am Royal College of Art London gewählt und gewann den Prince Philips Designer Preis 2010. Die Aufgaben seines Studios reichen von der kürzlich ausgearbeiteten visuellen Sprache des BBC Senders, über die Organisation eines Anti-Design Festivals, bis hin zur kooperativen Programmen für innovative digitale Grafik, wie zum Beispiel das mit „Touch Screen“zu bedienende „Double Dip“. 7 LEWANDOWSKY, Pina: Schnellkurs Grafik-Design. Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006, S.162 2 BRODYS BRUCH MIT TRADITIONELLEN REGELN IN DER TYPOGRAPHIE 5 2 Brodys Bruch mit traditionellen Regeln in der Typographie „Manche Kriege enden in Ermüdung, in Stellungskriegen. Man hat sich eingegraben. Das 20. Jahrhundert begann mit der Typografischen Kriegserklärung“ 8 . Damit meinte Aicher die unterschiedlichen Anwendungen von Typografie seit dem Jugendstil und die meist widersprüchlichen Einstellungen zum Umgang mit der Typografie. Auch Otl Aicher selbst wurde zum Widersacher von postmodernen Designern wie Neville Brody. Im folgenden werde ich vermehrt Zitate von Otl Aicher aufgreifen, da er ein Vertreter der traditionellen Typografie ist und in seinem Buch auch eine von Brodys Arbeit kritisch reflektiert. Im weiteren beziehe ich mich den Übertiteln 1-6 des Abstracts auf traditionelle Regeln von Jan Tschichold, Kurt Weidemann und Rob Carter. Ausgehend von der Architektur und Literatur ersetzte die Postmoderne die enge Sicht auf die Typographie während der späten Moderne. Der neue postmodernistische Gedanke wurde auch im Grafik-Design übernommen. „Ihre Befürworter wandten sich gegen die Verflachung, Austauschbarkeit und Sterilität der Moderne und des Internationalen Stils. Die Postmodernisten versuchten durch einen elektrischen ironischen Zugang mit historischen Stilelementen eine Gegenposition zur klassischen Moderne zu schaffen. Sie experimentierten mit hybrider Bildsprache, elektrischer Typographie und vielschichtigen Kompositionen. Sie sahen in ihrer Haltung keinen fatalen Rückschritt sondern eine logische Konsequenz und in einem Stilpluralismus vor allem einen Überzeugenden Ausdruck der komplexen unüberschaubaren Strukturen“. 9 Auch Brody schlägt einen eigenen postmodernistischen Weg ein. Er verfolgt mit der Gründung seines Studios einen kritischen Umgang mit visueller Sprache. Durch die Verknüpfung von Schrift ans digitale Bild löst er sich von den strengen handwerklichen Normen und Regeln der Typografie, welche durch Otl Aicher, Adrian Frutiger und andere Schriftgestalter gelegt wurden. Der Übergang von Schrift und Buchstaben zu Bild und Muster erhält in seinen Arbeiten eine neue expressive Form. Neville Brody meint in einem Interview folgendes zu seinem Studium am London College of Printing: „Ich ging dorthin um die Grundlagen zu lernen und um zu verstehen wie genau Typographie vermeintlich funktionieren soll bezüglich den Regeln“ 10 . Diese Regeln sah Brody jedoch mehr als Herausforderung, um darüber hinaus zu arbeiten, als sie strikt einzuhalten: „Wenn die Lehrer sagten, dass sie etwas an meiner Arbeit gut fanden, ging ich fort von ihnen und änderte es. Eine solche Anerkennung gab mir zu denken, dass irgendetwas an meiner Arbeit falsch sein musste. Ich glaube, dass war eine sehr positive und gesunde Haltung, die ich einnahm“ 11 . Brody war also ganz im Sinne des Erforschens und Experimentieren mit Schrift durch die Designschule gegangen. „Was man an einer Grafikschule lernt, ist Design als Problemlösung. In dem Sinne, dass Design mehr der Befriedigung als der Untersuchung dienen soll“ 12 . Auf die Frage, ob Brody etwas von typografischen Traditionen gelernt hat, meint er: „Mit den Traditionen der Typographie lässt sich nicht spassen, Kommunikation sollte unterhalten können“ 13 . 8 AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988. S.166 9 LEWANDOWSKY, Pina: Schnellkurs Grafik-Design. Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006, S. 138 10 http://vimeo.com/5800748, Neville Brody supercontemporary Interview 11 WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.10 12 WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.10 13 WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.18 2 BRODYS BRUCH MIT TRADITIONELLEN REGELN IN DER TYPOGRAPHIE 6 2.1 Typografie ist nicht Kunst Die traditionellen Vertreter sahen die Typografie als Kunst zwecklos und waren der Meinung, dass sie der streng sachlichen Darstellung und Leserlichkeit dienen soll. Typografie soll nicht als Kunst, sondern als Kommunikation dienen, war Aicher der Ansicht. Aicher meint dazu: „Dementsprechend sind auch die Grafik und die Typografie in einem Zustand uneingestandener Verwirrung. Der Formalismus blüht, der grosse Auftritt, den die Sprache abgelegt hat, existiert noch in der bildlichen Darstellung. Sie will anders als genau sein, sie will Blüten treiben. Sie will nicht wahr sein, sie liebt die grosse Geste. Sie will nicht klar sein, sie versteckt sich hinter der Aufmachung“ 14 . „Gewiss, es gibt heute eine breite Bewegung, auch der Grafik, der Typographie, der Photographie, die humane Deutlichkeit und Verständlichkeit zu geben, welche die Sprache auszeichnet. Es gibt eine hohe Zeichenkultur der Kommunikation und es gibt eine typografische Verständigung. Aber noch dominiert die Auffassung, das Bild diene nicht der Mitteilung sondern sei kreativer Selbstzweck. Müsse sogar verfremden, verschleiern, veredeln, vergeistigen, verdrängen, vertiefen, sich verselbstständigen. Es geht nicht mehr darum etwas zu zeigen, sonder darum die Mitteilung zum Anlass kreativer Spielereien, Auftritte und Selbstdarstellungen, Eruptionen, Showhöhepunkten und Publikumovationen zu machen. Es werden jeden tag neue Ästhetiken kreiert, neue Stile gefunden, neue Künste produziert neue Kreationen vorgeführt, die den Selbstgenuss zelebrieren“ 15 . Hierbei zeigt Aicher in seinem Buch Typographie auch ein von Brody gestaltetes Logo (siehe Abbildung 1) auf und meint dazu: „Es wird wohl immer so bleiben, dass Schriften als Material für ästhetische Strukturen herhalten müssen. Hier eine Arbeit von Neville Brody 1996, Solange man nicht erwartet, dass man solche Schriften auch lesen soll, mag das gehen. Von Typografie kann man dann allerdings nicht mehr sprechen“ 16 . Brody hat in vielen seiner frühen Werke die Typographie in Verbindung mit Kunst eingesetzt. 2.2 Eine Groteskschrift soll optisch Ausgeglichen sein Bei gleicher Strichstärke wirkt eine Waagrechte breiter als eine Senkrechte. In den klassischen Schriften wird die vertikale Strichstärke darum angepasst, also verkleinert. Dies ist allgemein in der Typographie als optischer Ausgleich bekannt. Die traditionellen Schriften wie die klassizistische Antiqua, die Renaissance Antiqua die Egyptienne und die Groteskschriften haben stets eine geringere horizontale Strichstärke. Brody entwarf 1991 die Typeface 6 & 7, welche eine gleichgrosse vertikale wie horizontale hat. Sie wurde von Brody für das Poster des Kaukasienfestivals 1991 (siehe Abbildung 2) angewendet. Brody äusserte seine Kritik auch an den Klassikern der grotesken Schrift. Zur Futura meinte er: Ist normalerweise unerwünscht wegen der kleinen und unpraktischen x-Höhe. Und Univers sei der kälteste je gestaltete Schriftsatz, der keine Gefühle kommunizieren könne. Weiter Schriften Brodys, bei denen die optische Ausgeglichenheit umgangen wurde, ist zum Beispiel auch die für das Plakat der Haus der Kulturen der Welt (siehe Abbildung 3) einsetze Schrift Blur oder die FFHarem (siehe Abbildung 4). 14 AICHER, Otl: typographie.ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988, S.14 15 AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988, S.14 16 AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988, S.126 2 BRODYS BRUCH MIT TRADITIONELLEN REGELN IN DER TYPOGRAPHIE 7 2.3 Möglichst wenig Schriftarten und Grade sollen für das Layout verwendet wenden Brody revolutionierte nicht nur Schrifttypen an sich sondern auch deren Einsatz in Logos und Layout. Die verschiedenen von Brody gestalteten Zeitschriften zeigen ein neues Zusammenspiel von Buchstaben unter sich, und von Text und Bild. Arbeiten aus dem Magazin The Face machen dies deutlich (siehe Abbildung 5). „Die Art und Weise wie man einen Artikel beginnt, kann eine beliebig erwünschte Form annehmen, solange man das Auge des Betrachters auf den Anfang zu lenken vermag. Man kann ein Symbol verwenden, ein eine Form oder eine andere Schriftart; vielleicht verwendet man sogar weissen Zwischenraum; Man kann alle Mittel verwenden. Sicherlich war das mit The face eine meiner grössten Besessenheit: Die Möglichkeiten der Ausschilderung von Typografie“ 17 . 2.4 Nutzung der extremen Weissräume Futura und Univers basieren auf dem Prinzip von der möglichst optimalen Nutzung von Punzen um grosse Zwischenräume zu schaffen. Für die von Brody entworfenen Schriften Acardia und Tyson kann man jedoch nicht von grosszügigen Zwischenräumen sprechen, trotzdem haben sich die Schriften in ihrer Leserlichkeit bestätigt. Tyson wurde für das Plattencover dont argue (siehe Abbildung 6) verwendet, Acardia für die opening page bei avanti (siehe Abbildung 7). Sogar füllte Brody später bei Plakaten für The Fuse die Weissräume der Buchstaben mit Farbe aus und provozierte dadurch eine unleserliche Abbildung (siehe auch Abbildung 10). 2.5 Verzicht auf sämtliche Schmuckelemente und Reduktion auf organische Formen Zur organischen Typografie meint Brody: „Typographie wird als etwas Aussenstehendes betreachted, das ist sie jedoch nicht. Schrift wird gebraucht, um ein inneres Gefühl oder eine Reaktion auszudrücken. Es ist kein natürliches Phänomen, es symbolisiert einen Denkprozess. Die Organische Form in der Typographie ist menschenkreiert. Wenn man jedoch an die Reinheit der Schriftformen glaubt, verlässt man sich auf eine Täuschung. Schrift ist ein variables Mittel des Ausdrucks, über welches der Mensch die Kontrolle haben sollte. Zu viele Menschen glauben an die unerschütterliche Reinheit und Wahrheit der Typographie. Wenn zum Beispiel Baskerville nicht durchgeht, sollte man ihre Buchstaben verändern. Traditionalisten würden behupten, dass dies ein Sakrileg ist. Die Regeln welche von einer anderen Generation gemacht wurden für eine andere soziale Ordnung müssen für die Gegenwart verändert werden.“ 18 . In einem Plakat für Cararet Voltaire (siehe Abbildung 8) setzt Brody verschiedene Schrifttypen ein, lotzt sogar die Weissräume einer Schrift aus, indem er das C und V in einem Logo zusammenbringt. 2.6 Eine Schrift soll der Leserlichkeit dienen Otl Aicher äussert sich einmal mehr kritisch gegenüber den neuen Umgang mit Schrift und Text. So sagt er zur Schrift: „Erst muss eine Schrift stimmen, dann wird sie in eine Facon gebracht, wird ihre Gestalt verfeinert aber niemals kann man davon ausgehen, dass Schriften zuerst ästhetische Gebilde sein können und das ästhetische Spiel mit Buchstaben zu mehr als Kunstblättern führen würde, die für die Zwecklosigkeit und das herausdestillieren 17 18 WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.12 WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.41 2 BRODYS BRUCH MIT TRADITIONELLEN REGELN IN DER TYPOGRAPHIE 8 von Sinn bezeichnend sind“ 19 . „Es ist schwieriger einen Text lesbar anzubieten als daraus eine schöne Struktur oder ein ästhetisches Feld, eine Buchstabenlandschaft ein Kunstwerk zu machen“ 20 . Brody jedoch hatte einen anderen Zugang zur Schrift und versuchte mit dem Projekt The Fuse eine neue Vernetzung von Bild und Schrift zu einem neuen Ausdrucksvermögen hervorzurufen. Im zweiten Band von Jon Wozencrofts Brody-Biograife heisst es: „Heute lesen wir anders, da wir aus Fernsehen und Werbung gelernt haben, Worte äusserst rasch zu erkennen. Gestalt und Umrisse der Schrift werden zunehmend wichtiger als die Serifen“ 21 . Die Schrift wurde in diesem Sinne durch The Fuse neu erforscht. Es heisst weiter „Die Herauslösung des geschriebenen Wortes aus seinen Traditionen, die globale Reichweite von Kommunikationsnetzwerken verlangt neue Formen des Umgangs mit der Sprache. “ 22 . Und: „Mehr den je werden Selbstverständlichkeiten der uns vertrauten Sprachen durch den kontinuierlichen Kontakt mit anderen Sprachfamilien in Frage gestellt. Die Bildersprache der Chinesen und die japanischen Kanji Zeichen, verstärkt durch die Dynamik des Pinselstrichs, umfassen die spirituelle Dimension menschlichen Ausdrucksvermögens. Wir haben jetzt die Chance, uns in Richtung einer Sprache zu bewegen, die intuitiver ist als der lineare Aufbau westlicher Sprachen“ 23 . Brodys Poster für The Fuse (siehe Abbildung 9) und für die Antiaids Kampange (siehe Abbildung 10) zeigen die zunehmende Zersetzung der Schrift in Bilder. Das Poster für die Graphic Arts Message (siehe Abbildung 11) zeigt einen Sprachfluss der digitalen Technik auf. Die in Schichten angeordneten ohne Tiefenschärfe, offensichtlich chaotischen Formen weisen auf die Veränderung von Bild und Schrift hin. 19 AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988, S.185 20 AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988, S.12 21 WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.30 22 WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.28 23 WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München d1994, S.13 3 SCHLUSSWORT 9 3 Schlusswort Brodys Bruch mit den traditionellen Regeln der Typographie traf den Zeitgeist in dem Sinne, dass sich der Mensch langsam vom naiven Fortschrittsglaube der Technik lösen musste, um eine eigene Stellungsnahme zu beziehen. Eine Sprache soll als Ausdruck der eigenen Meinung dienen anstatt die Verarmung durch die Digitalisierung und die Medienindustrie zu propagieren. Brodys Ziel war es stets, die Macht der Sprache und Schrift auszuloten und im Zusammenhang mit dem Kapitalismus zu hinterfragen. An Brodys grafischen Arbeiten beeindrucken mich seine Kreativität, sein Umgang mit seiner Intuition und seine Experimentierfreudigkeit. Er besitzt aus meiner Sicht ein extrem Breites Spektrum an visuellen Ausdruckmöglichkeiten, welche in sich immer funktionieren und überzeugend wirken. Brody ist bewegend, sozial, energiegeladen und vielseitig. Er hat die Fähigkeit länderübergreifend, kreative und engagierte Leute zu vereinen. So zum Beispiel bei seinem Projekt „We are talented“, wo sich Menschen teils ohne gestalterische Ausbildung auf den Beruf als Grafikdesigner einlassen können. Dies bringt das Potential mit sich, dass neue interdisziplinäre Ideen in den Bereich Design einfliessen können. Otl Aichers Gedanken zur Typografie und seine Kritik an Brody machen auf mich einen engstirnigen und sehr dogmatischen Eindruck. Manche seiner Behauptung sind aus meiner Sicht veraltet und nicht mehr zeitgemäss. „[...]ein Kriminalroman abends im Bett über dem Bildschirm zu lesen ist bestimmt kein Vergnügen“ 24 . Jedoch finde ich seine kritische Auseinandersetzung mit der damaligen digitalen Entwicklung zutreffend: „Nun ist der Mensch ein analoges Wesen. Nur dort wo er sich nicht auskennt, wo er keinen Überblick hat, wird er sich lieber einem Führer anvertrauen, und sei es dem Computer“ 25 . Auch die Hinterfragung des kontinuierlichen Übergangs von Typographie zur Kunst sehe ich als wichtig an. Seine Vermutung, dass Designer heute viel mehr zur Selbstinszenierung anstatt zur zweckbezogenen Handlung neigen, scheint mir berechtigt. Die Frage stellt sich: Ist Brody und sein Studio durch seinen heutigen Erfolg nicht wiederum selbst zu einem manipulativen „Imperium“geworden, welches sich der durch die Medien geschürten Konsumankurbelung hingibt und ihr Wissen ohne Beschränkung den ohnehin bereits einflussreichsten Firmen zur Verfügung stellt? Ich denke da an den Auftrag des Research Studios für die visuelle Sprache bei BBC oder Brodys Werbegrafik für Nike. Es ist nicht weg zu denken, dass es bei solchen Aufträgen auch um grössere Geldbeträge geht. Immerhin kam Brody aus der Punkbewegung heraus und glaubte an eine humanen anstatt wirtschaftlichen Umgang mit der visuellen Kommunikation. Heute ist Brodys Profil auf der Webseite von Apple zu finden, auf welchem er indirekt für den Macintosh wirbt. „Ich mag es, auf meinem Mac zu jazzen“ 26 . Klar ist, dass Macintosh und Brody eine Art Co-Evolution durchgemacht haben und ich verstehe seine daraus entstandene Begeisterung für den Mac. Jedoch ist für mich eine Zusammenarbeit mit kapitalistischen Firmen nicht zu vereinbaren mit Brodys Reden an internationalen Kongressen. An denen Spricht er von Besinnung auf Humanismus und vertritt eine deutlich zum Ausdruck gebrachte Kritik am heutigen Wirtschaftssystem. Ich denke es ist für Brody schwierig, seinen ursprünglichen Ideen, die er mit seiner Grafiksprache verfolgte, gerecht zu werden, während seiner immer grösser werdenden internationalen Anerkennung. In zweiten autobiografischen Band zitiert Jon Wozencroft denn auch einen britischen Minister, welcher während der 1992 herrschenden Währungskrise folgende 24 AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988, S.86 25 AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988, S.86 26 http://www.apple.com/pro/profile/brody/ 3 SCHLUSSWORT 10 Bemerkung von sich gab: „Der Realität der Wirtschaft kann man nicht entkommen“ 27 Brodys Studio reflektiert jedenfalls weiterhin an wichtigen Zeitfragen, wie dem Übergang von subkulturellen zu kommerziellen Design und der Widerspiegelung von Konsum und Dekadenz im Grafikdesign. Brodys offensichtliche Verknüpfung von Kunst und Typografie in seinen früheren und späteren Entwicklung und die Änderung des Ausdrucks durch das digitale Arbeiten lässt Vergleiche ziehen zur freien Kunst. Mit dem Projekt The Fuse initiierte Brody in der Typografie, was Tinguely in der freien Kunst mit seiner „Hommage to New York“, „The End of the world“initiiert hatte. Eine (Selbst-) Destruktion der Kunst respektive der Schrift, welche durch die Technik und durch die Konsumgesellschaft hervorgerufen wird. Diese Kunst ist immer noch zeitgenössisch und reicht nun über Tinguelys Arbieten hinaus. Wiederum kann die digitale Technik nicht nur destruktiv an Bild und Schrift herangehen sondern auch ein Prozess der stetigen Weiterentwicklung beinhalten: „Digitales Design ist wie Malerei, nur, dass die Farbe niemals trocknet. Es ist wie eine Tonskulptur, die in immer neue Form gebracht, aber niemals gebrannt wird“ 28 . Dies ist ein bekanntes Zitat von Brody, welches inzwischen wortwörtlich genommen wurde. Ein neuer Versuch von Microsoft ist es, Ölmalerei mit Pinsel digital zu ermöglichen wobei mit einem Pinsel direkt auf den Bildschirm gearbeitet und jedes einzelne Pinselhaar quantitativ umgerechnet wird. Die binäre Sprache des Computer nimmt uns also je länger je mehr die erfahrungsgemässe Realität vorweg und wie W. Benjamins in seine Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ 29 schreib: „Ist die Sicht der unmittelbaren Realität zu einer Orchidee in der Landschaft der Technologie geworden“ 30 . Wohin uns das digitale Zeitalter und die damit zunehmend virtuell generierten Welten führen und inwiefern wir davon vollends manipuliert werden, bleibt eine offene Frage. Auch Neville Brody, denke ich, kann darauf keine Antwort geben. Wichtig bleibt unser bewusster Umgang mit digitalen Medien und eine gesunde kritische Distanz dazu. Und auch ein stetiges miteinbeziehen der Humanität in die visuelle Kommunikation, wie Brody in Interviews erwähnt. Ich verstehe dies in ähnlichem Sinn wie Pina Lewandowsky: „Anstatt dem Absatz fragwürdiger Produkte Vorschub zu leisten oder ausschliesslich um sich selbst zu kreisen, könnten Grafik-Designer ihre einzigartig Position und ihre kommunikativen Fahrigkeiten, Menschen aufmerksam zu machen und zu überzeugen, auch einsetzen, um wichtige soziale und ökologische Probleme sowie Zukunftsfragen noch deutlicher ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen“. Sich mit der Realität und der direkten Kommunikation auseinander zusetzen anstatt vor den immer komplexer werdenden Problemen der heutigen Zeit in eine virtuellen Welt zu flüchten, scheint mir dabei ein zentraler Punkt für die Designer zu sein. 27 WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.172 28 WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, siehe Rückseite, Umschlag 29 WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994. S.13 30 LEWANDOWSKY, Pina: Schnellkurs Grafik-Design. Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006, S.178 4 QUELLEN 11 4 Quellen 4.1 Bücher • TAYLOR, Steve: 100 years of magazine covers. Black Dog Publishing Limited, London 2006 • AICHER, Otl: typographie. ernst & sohn, Verlag für architektur und technsche wissenschaafften, Berlin 1988 • WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988 • BLACKWELL, Lewis;BRODY Neville: G1 Trendbuch für Grafikdesign Bangert Verlag 1996/1997 • WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994 • LEWANDOWSKY, Pina: Schnellkurs Grafik-Design. Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006 4.2 Bilder • Abbildung 1: WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.31 • Abbildung 2: WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.133 • Abbildung 3: WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.122 • Abbildung 4: WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.126 • Abbildung 5: WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.42 • Abbildung 6: WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.83 • Abbildung 7: WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.51 • Abbildung 8: WOZENCROFT, Jon: The Graphic Language of Neville Brody. Thames and Hudson, London 1988, S.61 • Abbildung 9: WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.33 • Abbildung 10:WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.49 • Abbildung 11:WOZENCROFT, Jon: Die Grafik-Sprache des Neville Brody 2. Bangert Verlag, München 1994, S.15 4 QUELLEN 12 4.3 Internet • http://www.apple.com/pro/profiles/brody/ • http://www.fontfont.com/ • http://www.researchstudios.com/neville-brody/ • http://jan.ucc.nau.edu/jlm25/19Rules.htm • http://www.google.com/search?q=neville+brody&tbo=p&tbs=vid:1&source=vgc&aq=f • http://www.youtube.com/watch?v=1rGUGQL3qo • http://www.freddesign.co.uk/2009/12/archive/rules-for-good-typography/ • http://retinart.net/artist-profiles/jan-tschichold/ • http://typophile.com/files/typographyrules.pdf • http://www.pxleyes.com/blog/2009/12/worlds-top-10-most-succesful-logo-designers/ • http://logotalks.com/2010/01/27/best-60-articles-about-logo-design-and-typographyof-2009/ • http://vimeo.com/5800748, Neville Brody supercontemporary Interview • http://vimeo.com/7704058, étapes Neville Brody Interview 4 13 QUELLEN 4.4 Bilder Abbildung 1: The Modern Jazz, The Face, No. 72, April 1986 Abbildung 2: Poster für das Kaukasien-Festival, HdKdW, 1991 4 14 QUELLEN Abbildung 3: Pose für Inka Peru, HdKdW, Berlin 1992 Abbildung 4: Poster fü A Rage in Harlem, Palace Pictures, London, 1991 4 15 QUELLEN Abbildung 5: Cabaret Voltaire, The Face, No. 40, 1983 Abbildung 6: Logo für die Maxi-Single, Cabaret Voltaire, Parlophone Records, 1987 Abbildung 7: Opening page to the ’Avanti’ section, Winter 1986 4 16 QUELLEN Abbildung 8: Poster für Caberet Voltaire, 1980 Abbildung 9: Poster für Fuse FontShop International, 1994 4 17 QUELLEN Abbildung 10: Image pur la lutte contre le sida, Artis, Paris, 1993 Abbildung 11: Poster für Graphic Arts Message, .Too Corporation, Tokio 1992