380-12 - Kretische Hochzeit

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380-12 - Kretische Hochzeit
KRETAUmweltinfo
NATURWISSENSCHAFTLICHE
ARBEITSGEMEINSCHAFT
OBERTSHAUSEN MOSBACH e.V.
Info-Merkblatt-Nr. 380 12
LANDESGRUPPE UMWELT KRETA
(Umweltpreisträger 1984 des Kreises Offenbach a .M.;
beurkundet mit dem Europäischen Umweltpreis 1987)
ISSN-Nr. 1614-5178
Herausgeber: NAOM eV Öffentlichkeitsarbeit (Presse), H. EIKAMP / U. KLUGE
06104 - 490 614
Internet: www.kreta-umweltforum.de / www.nluk.de; E-mail: klugesei[at]gmx.de (in der eMail-Adresse bitte [at] durch @ ersetzen
Alexanderstraße 42
63179 Obertshausen
Informationen zur Umwelt und für Naturreisende auf Kreta:
Die traditionell kretische Hochzeit
Ein Beitrag unseres NLUK Mitglieds Nina Krips, Kounavi, Kreta
Eine Hochzeit ist überall ein Grund zum Feiern, doch auf Kreta, wo Tradition noch groß geschrieben wird, ist eine
Hochzeit wirklich ein ganz besonderes Erlebnis, sowohl für die Gäste, als auch für das Brautpaar.
Wer glaubt, dass die Vorbereitungen für eine Vermählung erst Wochen oder Monate vor dem großen Tag beginnen,
der täuscht sich: Bereits kurz nach der Geburt eines Mädchens beginnen Mutter und Großmütter mit der Herstellung der so genannten "Prika", also der Aussteuer der zukünftigen Braut! Hierbei handelt es sich um kunstvoll
gehäkelte oder bestickte Bettwäsche, Tischdecken, usw. Im Laufe der Jahre kommt so einiges zusammen!
Wenn ein Paar beschließt zu heiraten, muss der junge Mann natürlich um die Hand seiner Angebeteten anhalten.
Dies geschieht im Elternhaus der Braut. Sind ihre Eltern einverstanden, wird ein "Logos" gegeben, das bedeutet,
das Paar "verspricht" zu heiraten. Der "Logos" sollte nicht mit der Verlobung verwechselt werden. Die Verlobung
wird traditionell unmittelbar vor der Eheschließung vom Popen durchgeführt. Heutzutage entschließen sich jedoch
viele Paare dazu, schon Monate vor der Trauung eine Verlobungsfeier für Freunde und Verwandte zu geben. Obwohl
das von der Kirche nicht anerkannt wird, hat eine solche Verlobung doch einen stärkeren und binden deren Charakter als der Logos, und den meisten verlobten Paaren wird von Seiten ihrer Eltern erlaubt schon vor der Hochzeit
zusammenzuleben. Ein Zugeständnis an das moderne Zeitalter!
Einige Tage vor der Eheschließung findet eine Art "Tag der offenen Tür" in der Wohnung statt, in der das Paar
leben wird. Dies bringt einige Vorbereitungen mit sich: Es wird gebacken und gekocht, was das Zeug hält (die
Besucher wollen schließlich bewirtet werden!) und die Aussteuer der Braut wird ausgelegt, damit jeder sie bewundern kann. Der wichtigste Teil dieses Brauchs ist das Beziehen des Ehebetts. Das ist die Aufgabe der unverheirateten jungen Frauen aus Verwandtschaft und dem Freundeskreis. Besonders für den Bräutigam ist diese Tradition
ein Riesenspass! Findet er, dass das Bett nicht absolut perfekt aussieht, nimmt er die Laken wieder ab und die
Mädchen müssen von vorn anfangen. Nach zwei bis drei Wiederholungen ist jedoch meist auch der anspruchsvollste Mann zufrieden! Nun ist es Zeit für die Besucher das Bett zu begutachten und Geldgeschenke darauf abzulegen.
Einst zog der Bräutigam am Vorabend der Hochzeit mit seinen Kumpanen los, um seinen zukünftigen Schwiegereltern einen Besuch abzustatten. Seine Begleiter nahmen aus dem Elternhaus alles mit, was die Heiratswilligen
ihrer Meinung nach für ihr neues Zuhause benötigten! Diesen Brauch gibt es in manchen Gegenden Kretas heute
noch, allerdings mit dem Unterschied, dass die Beute wieder an die Brauteltern zurückgegeben wird.
Der große Tag ist endlich da! Das Paar hat die Nacht im jeweiligen Elternhaus verbracht. Nach und nach trudeln
nun die engsten Freunde ein, um ihnen beim Ankleiden zu helfen. Hier wird streng nach Geschlechtern getrennt:
Die Frauen sind der Braut behilflich, die Männer dem Bräutigam. Besonders in den Dörfern entschließen sich auch
heute noch viele Männer dazu, in traditioneller kretischer Tracht zu heiraten. Der Bräutigam wird von seinen
Freunden sorgfältig rasiert, die Braut kunstvoll frisiert und geschminkt. Am Ende der Prozedur schreiben die unverheirateten Mädchen ihren Namen auf die Sohle des Brautschuhs. Ist ein Name am Ende der Hochzeitsfeier verschwunden, wird die junge Dame selbst bald heiraten!
Für den Bräutigam ist es jetzt Zeit, zusammen mit dem "Koumparos", dem Trauzeugen, zur Kirche zu fahren.
Koumparos zu sein ist eine große Ehre, den er gilt als Beschützer der Ehe, so muss er zum Beispiel bei Streitigkeiten des Paares die Vermittlerrolle übernehmen und versuchen, den Frieden wieder herzustellen. Der Trauzeuge hat
aber auch finanzielle Pflichten: Er übernimmt die Kosten für die Kirche, Kerzen, die Stefana, also die “Hochzeitskränze” des Paares und oft auch für den Blumenschmuck von Kirche und Brautauto.
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Außerdem hilft er bei der Planung und Organisation der Hochzeit und macht dem Paar ein meist sehr kostspieliges
Geschenk, zum Beispiel Möbel oder Elektrogeräte für ihr neues Zuhause. Doch auch er wird von den Heiratswilligen reich beschenkt, so bekommt er beispielsweise eine wertvolle Uhr, einen neuen Fernseher oder ähnliches.
Auch die Gäste versammeln sich nun vor der Kirche, um gespannt auf das Eintreffen der Braut zu warten. Meist
ist das ein ziemliches Gedränge, denn auf Kreta ist eine Hochzeit kein Familien- sondern eine Art Dorffest, zu
dem jeder den man kennt eingeladen wird. Tausend oder mehr Gäste sind hier keine Seltenheit!
Endlich ist der Moment auf den alle warten gekommen. Die Braut trifft ein (s. Abb. unten li.) und jeder versucht einen Blick auf sie zu erhaschen. Ihr Vater übergibt sie an seinen zukünftigen Schwiegersohn. Oft werden
von den Männern Gewehrsalven als Zeichen der Freude abgefeuert. Brautpaar, Pope und Trauzeuge bahnen
sich ihren Weg zum Altar.
Die orthodoxe Trauung besteht aus zwei Teilen, der Verlobung und der Eheschließung. Als erstes werden die
Ringe gesegnet und dem Paar aufgesteckt. Sie sind nun verlobt und reichen sich die Hände als Zeichen dieser
Verbindung. Das wichtigste “Accessoire” für die Eheschließung sind die Stefana, Kopfkränze, die durch ein
Seidenband verbunden sind. Damit macht der Pope das Kreuzzeichen vor der Stirn von Braut und Bräutigam,
um sie dann an den Trauzeugen weiterzureichen. Sie werden dem Paar aufgesetzt und dreimal von Kopf zu
Kopf getauscht. Der Pope liest Auszüge aus dem Evangelium, in denen es um die Heiligkeit der Ehe, Liebe und
Respekt geht. Plötzlich scheinen alle Gäste wie gebannt auf die Füße des Brautpaares zu starren! Das hat einen
guten Grund: Der Pope liest einen Auszug der besagt “Die Frau soll ihren Mann fürchten/ehren” (frei übersetzt). Schafft es die Braut, ihrem Mann im rechten Augenblick leicht auf den Fuß zu treten, wird sie in der Ehe
die Hosen anhaben. Der Bräutigam will das natürlich mit allen Mitteln vermeiden und so kommt es zu allerlei
lustigen Verrenkungen.
Dieses Spiel ist jedoch nicht bei jeder Trauung zu beobachten da es mitunter als beleidigend für Bräutigam und
Kirche empfunden wird. Als nächstes wird ein Becher Rotwein gereicht, aus dem die Braut und Bräutigam je
einen Schluck nehmen. Außerdem werden sie vom Popen mit Walnüssen und Honig gefüttert (s. Abb. oben re.).
Jetzt ist es Zeit für die ersten Schritte als Ehepaar! Pope, Eheleute (noch immer durch die Stefana verbunden)
und Trauzeuge wandern dreimal im Kreis um den Altar während sie von den Anwesenden mit Reis beworfen
werden. Der Kreis symbolisiert die Unendlichkeit der Ehe, die Zahl 3 steht für die heilige Dreifaltigkeit. Der
Reis soll für Fruchtbarkeit sorgen und dafür, dass die Ehe starke Wurzeln schlägt.
Erst jetzt werden die Stefana wieder abgenommen und die Hände des Paares werden mithilfe der Bibel voneinander gelöst. Sie sind nun eins, nur noch Gott kann sie trennen!
Anschließend stellen sich die Frischvermählten mit ihren Familien vor der Kirche auf um Glückwünsche entgegenzunehmen. “Lang sollt ihr leben! Wir wünschen euch gute Nachkommen!” Der Braut wird von ihren
Schwiegereltern und anderen nahen Verwandten ihres Mannes Schmuck umgelegt. In der Nähe steht ein Familienmitglied mit einem Tablett, auf das die Gäste kleine Umschläge mit Geldgeschenken legen. Diese Geschenke werden von den Kretern oft als Investition oder Leihgabe betrachtet. Zeigt man sich bei einer Hochzeit
besonders spendabel, darf man bei der eigenen Hochzeit oder bei der seiner Kinder mit der gleichen Großzügigkeit rechnen.
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Jeder Gast bekommt ein Beutelchen mit Koufeta, gezuckerten
Mandeln (s. Abb.). Die harte Mandel symbolisiert die Festigkeit
der Ehe, der Zucker das süße gemeinsame Leben der Eheleute, die
Eiform der Koufeta steht für Fruchtbarkeit und ihre weiße Farbe
für die Reinheit der Liebe. Die Anzahl der Koufeta kann variieren,
es ist jedoch immer eine Primzahl. Das symbolisiert die “Unteilbarkeit” des vermählten Ehepaares.
Soviel Aufregung macht hungrig! Die Gäste versammeln sich in
der Taverne oder dem Festsaal, in dem die Feier stattfindet. Auf
den Tischen liegen bereits die traditionellen “Gamokouloura”,
süße Hochzeitsbrote für den ersten Hunger. Nach und nach werden
verschiedene Vorspeisen aufgetragen, zum Beispiel gefüllte Weinblätter, Spinat- oder Käsetaschen. Der zweite
Gang ist das “Gamopilafo” das bei keiner kretischen Hochzeit fehlen darf. Es handelt sich hierbei um ein Reisgericht, das im Sud von gekochtem Ziegenfleisch zubereitet wird. Es folgen weitere Gänge mit Lammfleisch,
Kartoffeln und Salat.
Während die Gäste nach Herzenslust schlemmen, hat das Brautpaar die Gelegenheit die Hochzeitsbilder machen zu lassen oder sich etwas auszuruhen. Ursprünglich nutzte die Braut diese Pause auch dazu, sich für die
Feier umzuziehen. Heutzutage erscheint sie jedoch meist auch zur Feier im Brautkleid.
Das Paar kommt als letztes im Festsaal an und die Braut hat das Privileg, unter tosendem Applaus den Tanz zu
eröffnen. Nach Braut, Bräutigam und ihren Familien, werden auch die übrigen Gäste auf die Tanzfläche gebeten. Zu den Klängen der Lyra wird getanzt, gesungen und gelacht bis zum Morgengrauen.
Sollten Sie eine Einladung zu einer kretischen Hochzeit erhalten, überlegen Sie nicht lange: nehmen Sie sie an!
Die Zeremonie ist wunderschön und beim Feiern kann den Kretern keiner etwas vormachen! In diesem Sinne:
Viel Spaß und an die Unverheirateten: “Kai sta dika sas!” Auf Eure Hochzeit!
Abschließend noch einige kommentierte Fotos von einer kretischen Hochzeit, zu der Vorstandsmitglieder der
NLUK eingeladen waren:
Abb. li: Nach der „Ankleidezeremonie“ stellen sich Freunde des Bräutigams, sein Trauzeuge (re. neben dem Bräutigam) zum gemeinsamen Foto; der Vater des Bräutigams steht außen rechts.
Abb. re.: 3 Geschwister; Bräutigam, seine Schwester Marinella und der trauende Pope, sein Stiefbruder.
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Abb. li: Die Großmutter des Bräutigams (Sophia) und der Onkel (Bruder von Sophia) Christof. Abb. re.: „Vollversammlung“ der Gäste vor der Kirche.
Abb. li: Die Eltern des Bräutigams mit dem Brautpaar. Abb. re.: Das Brautpaar, die Eltern des Bräutigams und der
Trauzeuge des Bräutigams zu Beginn der Trauung.
Abb. li: Das Brautpaar beim Hochzeitstanz. Abb. re.: Auch die kleinsten Hochzeitsgäste übten sich im Tanz.
NR: Land & Leute; impr. eik.amp 08/2012

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