Epochenjahr 1917 – Auftakt zur Niederlage der Mittelmächte

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Epochenjahr 1917 – Auftakt zur Niederlage der Mittelmächte
Fach:
Geschichte
Thema:
Erster Weltkrieg
Epochenjahr 1917 – Auftakt zur Niederlage der Mittelmächte
England hat bereits zu Anfang des Krieges Deutschland durch Seeblockaden am Import von kriegswichtigen Gütern wie Kautschuk und Salpeter gehindert. Die Engpässe konnten notdürftig durch eine rigoros
durchgeführte Zentralsteuerung der gesamten deutschen Volkswirtschaft überwunden werden. Der
obersten deutschen Heeresleitung (OHL) gelang es nicht,
mit der eigenen Flotte die englischen Seestreitkräfte zu
vernichten. Insofern war der enorme Aufbau der deutschen Flotte unter Willhelm II. eine komplette FehlinvestiExport der USA in Millionen Dollars
Abnehmer
1914
1915
1916
Mittelmächte
169
11
1
Entente
824
1991
3214
tion.
Um
die
Lieferungen aus
den USA an die
Ententemacht
England zu verhindern, setzten die OHL auf den uneinge- Der deutsche Kreuzer „Blücher“ durch britisches
Kriegsschiff
versenkt.
schränkten U-Bootkrieg. Nicht nur Kriegsschiffe, sondern auch
US-Handelsund gar Passagierschiffe ge-
rieten ins Visier der Torpedos, sofern nur der Verdacht bestand, dass kriegswichtige Güter geladen waren.
Die Abschüsse von Schiffen mitsamt amerikanischen Staatsbürgern war den USA bald einmal zu viel.
1917 erklärte die ehemalig neutrale USA den Mittelmächten den Krieg. Weitere Gründe für diesen Entscheid waren aber auch das wirtschaftlich immer enger werdende Verhältnis zwischen den Vereinigten
Staaten und den Ententemächten sowie die Abneigung gegenüber den alten feudalistischen Strukturen
des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns.
Vorerst war der Eintritt der USA für die Mittelmächte nicht weiter
schlimm, denn aufgrund der russischen Revolution im gleichen
Jahre 1917 und des anschliessenden Friedensvertrags von BrestLitowsk zwischen den Mittelmächten und der russischen Revolutionsregierung, brach die Ostfront in sich zusammen. Die gesamte
Ukraine geriet unter deutsche Herrschaft. Nun konnten einige
deutsche Divisionen in den Westen verlagert werden. Die prekäre
Versorgungslage in Deutschland entspannte sich ein wenig dank den enormen Konfiskationen in der Ukraine. In der Frühjahrsoffensive des Jahres 1918 versuchte die OHL die englisch-amerikanischfranzösischen Stellungen im Westen zu durchbrechen und endlich diesen zermürbenden Stellungskrieg zu
beenden. Der Angriff blieb stecken. Für weitere Offensiven waren die deutschen Streitkräfte zu erschöpft,
so dass fortan die Ententemächte zum Angriff bliesen und mit frisch importierten Tanks (Panzer) die deutschen Linien immer mehr eindrückten. Die Niederlage war nur noch eine Frage der Zeit.
Das Jahr 1917 wird gemeinhin als Epochenjahr tituliert, weil zum einen die USA zum ersten Mal aktiv und
gestaltend ins weltpolitische Geschehen eingriffen und zum anderen sich aus der russischen Revolution
die Sowjetunion bildete und somit der Grundstein für die spätere Bipolarität der Welt gelegt wurde.
© by Dr. Martin Fröhlich
Endgültige Niederlage
Die enorme Übermacht der Entente-Streitkräfte und der Einsatz von Panzern, welche erstmals die Überwindung von Schützengräben ermöglichten, drückten die
deutschen Linien zunehmend ein. Die Lage der Mittelmächte war katastrophal. Österreich-Ungarn stand vor dem Zusammenbruch. Dem Osmanischen Reich erging es nicht
besser. Der Chef der OHL im Deutschen Reich, General Ludendorff – ein Kriegstreiber schlechthin – sah am 29. NoBritische Panzer mit Grabenüberbrückungsgerät
vember 1918 keine Alternative mehr als die Bitte um Waffenstillstand. Die OHL und die zivile Führung beriefen sich
auf die so genannten „Vierzehn Punkte“ des US-Präsidenten Wilson, denn diese sahen einen Frieden ohne Gebietsabtretungen und Kriegskostenentschädigungen vor. Getrieben von Ideen der Aufklärung wie
Demokratie, Selbstbestimmungsrecht der Völker und allgemein die Förderung des Wohls aller Menschen
wollte der Demokrat Wilson mit seinen „Vierzehn Punkten“ eine Grundlage für einen dauerhaften Frieden in Europa schaffen. Einen kleinen Schönheitsfehler besass diese Strategie jedoch: Wilson forderte ein
Europa der Demokratien, in welches das Kaiserreich Deutschland einfach nicht hineinpasste (was natürlich
auch für die Donaumonarchie galt).
Am 28. Oktober erhielt die deutsche Hochseeflotte den Befehl zum Auslaufen. Sie sollte den Ententemächten nicht ausgeliefert werden, sondern ehrenvoll im Kampfe gegen die britische Flotte noch einmal
siegen oder sinken. Den demoralisierten Matrosen ging dies zu weit. Sie wollten nicht ehrenvoll „ins Gras
beissen“ und meuterten. Der Aufstand weitete sich auf die Hafenstädte aus. Der Krieg sollte laut den
Aufständischen endlich beendet werden. Der Aufstand nahm die Ausmasse einer Revolution an und rückte politisch gesehen immer weiter auf die linksradikale Seite ab. Das Deutsche Kaiserreich – gegründet
1871 – brach in diesen Tagen wie ein Kartenhaus zusammen. Kaiser Wilhelm II. entzog sich der Verantwortung und floh in die Niederlande. Aus den Trümmern des Kaiserreiches entstieg die Weimarer Republik.
Resultat des Krieges
Wenn überhaupt von einem Resultat des Krieges gesprochen werden kann, so lässt es sich für den Ersten
Weltkrieg folgendermassen darstellen:
Kriegsdauer:
Vier Jahre
Gewinn aus Krieg
Verlust aus Krieg
Deutschland: 0
ca. 2,7 Millionen Tote
Russland:
0
ca. 1,8 Millionen Tote
Frankreich:
0
ca. 1,9 Millionen Tote
Österreich-U: 0
ca. 1,8 Million Tote
GB:
0
ca. 1 Million Tote
USA:
Begründung der
ca. 150'000 Tote
eigenen Weltmacht
Trophäensammlung: Berge deutscher Waffen
türmen sich während der Siegesfeiern in Paris
Weltkrieg die zukünftige Weltmachtstellung der Vereinigten Staaten. Die alten Weltmächte Grossbritannien und Frankreich waren unter den Siegermächten die grossen Verlierer. Grossbritannien verlor auf-
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Die USA gingen als grösster Gläubigerstaat gestärkt aus dem Krieg hervor. Insofern begründete der Erste
grund riesiger Schulden bei den USA seinen Status als Finanzzentrum der Welt und das Kolonialreich begann in seinen Grundfesten zu wanken. Frankreichs Weltreich geriet ebenso ins Wanken.
Der Vertrag von Versailles
Schon einmal trafen sich die europäischen Staatsoberhäupter zu Friedensverhandlungen nach einem
grossen Krieg – 1815 in Wien. Damals ging es in den Verhandlungen um eine gute Neuordnung Europas
– ohne grosse Reparationszahlungen, Landwegnahme oder sonstige Vergeltungsmassnahmen. Am Verhandlungstisch war auch die unterlegene Partei Frankreich vertreten. 1919 sollte auf Drängen der europäischen Siegermächte die Neuordnung Europas in Paris stattfinden (Über Deutschlands Schicksal wurde in
Versailles verhandelt) und zwar ohne Beisein der deutschen Delegation. Bereits von Anfang an ging es
dem französischen Präsidenten Clémenceau und dem englischen Premierminister Lloyd George nur um
eine grösstmögliche Demütigung des
Feindes Deutschland, dessen zukünftige
Unfähigkeit zur Kriegsführung und die
Herauspressung von genügenden Reparationszahlungen, um die eigenen Kriegskosten decken zu können. Gerade um
Englands weltpolitische Geltung stand es
damals sehr schlecht. Aus dem einstigen
Finanzzentrum war ein Milliardenschuldner bei den USA geworden. Die einzelnen
Siegerstaaten feilschten um jedes Stück,
dass zwecks Demütigung und Reparation
aus dem Kuchen Deutschland herausgeschnitten werden sollte. Aufgrund der
antideutschen Stimmung in England und
weil Lloyd George um seine Wiederwahl
fürchtete, spielte er in Versailles den
knallharten „Deutschland-Fresser“. Clemenceau sah in der möglichst harten Behandlung Deutschlands die Garantie, dass
zum einen von diesem Land keine Gefahr
mehr für Frankreich ausging und zum
anderen die glorreiche „Grande Nation“ wieder die erste Geige im europäischen Konzert spielte. USPräsident Wilson war resolut gegen dieses Gefeilsche. Er hielt nichts von der kurzfristigen Bereicherung an
einem unterlegenen Feind, sondern wollte ein friedliches Europa und eine friedliche Welt als Ganzes
schaffen. Dazu setzte er die Gründung des Völkerbundes durch. Viel mehr erreichte er in Versailles nicht
und reiste darum frustriert ab, um die beiden Häuser des amerikanischen Kongresses zur Ratifizierung des
Völkerbundes zu bewegen, was ebenfalls nicht gelang. Die USA blieben somit ausserhalb des Völkerbundes, was dessen Prestige und Funktionsfähigkeit arg beeinträchtigte.
beiden europäischen Hauptsiegermächte England und Frankreich riesige Reparationszahlungen. Sie verlangten von Deutschland die enorme Summe von 269 Milliarden Goldmark. Ausserdem mussten sämtli-
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Mit der These des Versailler Vertrages von der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands rechtfertigten die
che Schiffe abgegeben, das stehende deutsche Heer auf 100'000 Mann verringert und Gebietsabtretungen durchgeführt werden. Bereits damals gab es in Europa kritische Stimmen. John Maynard Keynes,
Wirtschaftsprofessor an der University of Cambridge, fand den Versailler Vertrag eine Ausgeburt der
Dummheit. Er führte in seinem Buch „Die ökonomischen Folgen des Friedensvertrages“ aus, dass sich
Frankreich und England volkswirtschaftlich selber schaden, wenn sie Deutschlands Wirtschaft derart
schwächen. Der grösste Abnehmer englischer und französischer Exporte war vor dem Krieg Deutschland.
Als der Versailler Vertrag den Deutschen bekannt gemacht wurde, ging ein Sturm der Entrüstung und
Empörung durch Deutschland. Die Friedensbedingungen wurden als viel zu hart und ungerecht angesehen. Auch wenn sich die Reparationsbedingungen hernach milderten und schlussendlich ganz aufgehoben wurden, konnten faschistische Kreise mit dem „ungerechten Versailler Diktat“ erfolgreich politisieren. Mit scharfen Reden tat sich insbesondere ein einstiger Gefreiter im Krieg hervor – Adolf Hitler. Aber
auch unter den Siegern gab es Unzufriedene, wie zum Beispiel Italien. Die Italiener sprachen von einem
„verstümmelten Sieg“, weil sie sich bei der Neuverteilung der Gebiete übergangen fühlten. Es war ihnen
zum Beispiel nicht gelungen, die Adria zu einem italienischen Meer zu machen. Mit flammenden Reden
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gegen diesen schmachvollen Frieden gewann der Faschist Benito Mussolini grosse Popularität.