vielfältiges Altern - Schweizerischer Städteverband
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vielfältiges Altern - Schweizerischer Städteverband
Wenn die Migrationsbevölkerung altert: Potenziale und Herausforderungen für die kommunale Alterspolitik Tagung Schweizerischer Städteverband, Biel, 6. 11. 2015 Hildegard Hungerbühler, Sozialanthropologin (Leiterin Grundlagen und Entwicklung Geschäftsstelle SRK sowie Vizepräsidentin Nationales Forum Alter & Migration) Themenübersicht 1. Die ältere Migrationsbevölkerung: Zahlen und Fakten 2. Vielfältige Migrationsbiografien – Vielfältiges Altern – Vielfältige Ressourcen und Bedürfnisse 3. Zugangangsförderung zur Regelversorgung oder gesonderte migrationsspezifische Dienstleistungen? 4. Umgang mit Vielfalt benötigt Kompetenzerweiterung bei den Dienstleistern im Altersbereich 5. Das Potenzial von MigrantInnen im 3. Lebensalter nutzen 6. Ziele, Rahmenbedingungen und Instrumente einer diversitätsgerechten Alterspolitik mit Migrantinnen und Migranten 7. Beispiele einer guten Praxis im kommunalen Kontext 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 2 Ältere Migrantinnen und Migranten - Ein neues Thema? Nur das „Altern“ im Migrationskontext ist neu Interesse am Thema erst in Anfängen Gründe dafür: • Fehlannahme: mehrheitliche Rückkehr in Herkunftsländer (kein Altern in der Schweiz) • Zielgruppe ist statistisch noch nicht relevant • Andere Prioritäten in der Altersarbeit u. –politik sowie der Integrationsarbeit und –politik (Integration der zweiten Generation; Asylsuchende. Erste Generation aus dem Blick geraten) • Unklare Zuständigkeit: Alters- oder/und Integrationspolitik/-arbeit? 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 3 Zahlen und Entwicklung • 2008: über 250'000 Menschen über 65 Jahren mit Migrationshintergrund (inkl. Eingebürgerte) in der Schweiz • 2020: etwa 400'000 Personen (inkl. Eingebürgerte) • Ausländische Staatsangehörige (65+) Ende 2010: - aus rund 160 Ländern - ein Zehntel der Wohnbevölkerung in diesem Alter - etwa gleich viele eingebürgerte Migrantinnen und Migranten • Ausländische Staatsangehörige (80+) Ende 2010: - Die Mehrzahl ist weiblich 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 4 Ständige ausländische Wohnbevölkerung nach Altersgruppe und Nationalität Quelle: Bundesamt für Statistik (Stand 31.12.14) Grafik: SRK / Gesundheit und Integration 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 5 Verbleib in der Schweiz oder Pendeln: Gründe • Ehemalige Heimat hat sich verändert (Risiko von Desintegration bei Rückkehr) • Einstige Fremde (Schweiz) ist neues Zuhause • Familiäre Banden (Kinder u. Grosskinder) • Gesundheitsversorgung und soziale Sicherung im Alter • Zunehmend: Nutzung der Personenfreizügigkeit durch EU-BürgerInnen im Rahmen der bilateralen Verträge durch saisonales Pendeln • Rückkehrentscheid: emotionale und materielle Herausforderung 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 6 Materielle Situation als Folge der Arbeits- und Lebensbiografie • Beschäftigung als unqualifizierte ArbeiterInnen zu tiefen Löhnen; hoher Anteil an Working Poor • Häufig Frühpensionierung wegen Invalidität • Tiefe Altersrenten Ergänzungsleistungen - Schweizer RentnerInnen: 11% - Ausländische RentnerInnen: 24% Höheres Armutsrisiko im Alter! Quellen: BSV, 2010 und Pro Senectute Schweiz, 2009 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 7 Ehemalige Arbeitssituation heute älterer MigrantInnen Foto: Fremdarbeiter, Steckborn 1962 Hans Baumgartner, Fotostiftung Schweiz, Pro Litteris 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 8 Ehemalige Arbeitssituation heute älterer MigrantInnen © Foto Hans Baumgartner aus: «Il lungo addio – Der lange Abschied» Zürich: Limmatverlag 2003 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 9 Ehemalige Wohnsituation heute älterer MigrantInnen Foto: Ohne Titel, Bernhard Moosbrugger, Fotostiftung Schweiz 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 10 Saisonnier / Saisonnierstatut: Prägende Erfahrung gesellschaftlichen Ausschlusses mit Folgen bis ins Alter Foto. Italienischer Fremdarbeiter bei der Heimreise, 1961, Rob Gnant, Fotostiftung Schweiz 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 11 Im Durchschnitt schlechtere Gesundheit im Alter • Schlechtere Gesundheit (Subjektive Einschätzung gemäss GMM II, 2011) • Folge der Arbeitsbiografie: Beschäftigung in gesundheitsschädigenden und invalidisierenden Sektoren des Arbeitsmarktes • Psychische Belastungen: Trennung von Familie, Diskriminierungserfahrung durch Überfremdungsinitiativen, Lebensbedingungen als ehemalige Saisonniers, Traumatisierung als Flüchtlinge durch Krieg, Verfolgung und Folter • Kumulative Wirkung ungünstiger sozialer Gesundheitsdeterminanten (Mehrfache Risiken!) • Gesundheitliche Mehrfachbelastung (Multimorbidität) 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 12 Anteil der Personen mit sehr gutem oder gutem Gesundheitszustand nach nationaler Herkunft unter und über 50 Jahren (GMM II, 2011) 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 13 Wenn Betreuung und Pflege nötig werden • Innerfamiliäre Pflege als «idealtypisches Modell»: immer schwerer realisierbar, da Vereinbarkeitsproblematik von Erwerbsarbeit und Angehörigenpflege/work & care bei 2. Generation; Überlastung und Isolation bei pflegenden Angehörigen) • Stationäre Betreuung/Pflege in einem APH als sozial zunehmend tolerierte Option • Trotz früherer Alterung und schlechterer Gesundheit erst ca. 1 Zehntel in Alters- und Pflegeeinrichtungen (BfS) • Künftig vermutlich Zunahme 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 14 Modelle der Begleitung und Pflege im Alter Individuell unterschiedliche Vorstellungen und Bedürfnisse benötigenW &.vielfältige nebeneinander bestehende Modelle • transkulturelle Öffnung der Regelversorgung = gezielte Massnahmen zur Senkung der Zugangshürden • ethnozentrierte Sonderdienste („mediterrane Abteilungen“) als Angebote neben anderen für die 1. Einwanderungsgeneration sinnvoll • Betreuung Zuhause durch Spitex 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 15 Statements zu Wohnen und Pflege im Alter Vielfältige Bedürfnisse an Wohnen, Betreuung und Pflege im höheren Alter: «Eine mediterrane Wohnabteilung in einem Altersheim reizt mich nicht so. Ich glaube, ich würde mich an einem andern Ort gut anpassen. Klar wäre es schön, wenn dort noch eine spanisch sprechende Person wäre. Normalerwiese gibt es ja auch immer mindestens eine.» Carmen G., Arbeitsmigrantin aus Spanien, 72 Jahre «Ich lebe seit 2007 in einem Alters- und Pflegeheim. Ich habe für meinen Sohn eine Stelle hier gefunden. Nun sehe ich ihn jeden Tag. Ich fühle mich wohl hier und bin dankbar, dass ich hier leben kann. In Sri Lanka müssen auch alte Menschen noch arbeiten. Hier hat es eine sehr gute Versorgung und Pflege. Ich geniesse die Sauberkeit, das Essen schmeckt mir und das Personal ist nett zu mir. Meine Kinder hätten keine Zeit, sich jeden Tag um mich zu kümmern.» Varathan, S., Flüchtling aus Sri Lanka, 85 Jahre 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 16 Statements zu Wohnen und Pflege im Alter Vielfältige Bedürfnisse an Wohnen, Betreuung und Pflege im höheren Alter: «Ich möchte - solange ich noch gehen kann - gemeinsam mit meiner Frau zu Hause wohnen bleiben. Nur wenn wir beide krank sind oder ich alleine übrig bleibe, ist das Altersheim eine Option für mich. Ich habe keine Angst wegen der Verständigung dort. Ich kann mir nicht vorstellen, dort einmal nur mit anderen Kosovaren zusammen zu leben. Mein ganzes Leben habe ich mit Menschen verschiedener Herkunft zusammen gearbeitet, mit Italienern, Spaniern, Schweizern. Ich bin eine offene Person und interessiere mich für andere.» Arben S,. Ehemaliger Saisonnier aus dem Kosovo, 63 Jahre Empfehlung: Vielfältige ältere Menschen haben vielfältige Bedürfnisse. Es benötigt verschiedene nebeneinander bestehende Modelle des Wohnens, der Betreuung und Pflege. Kompetenz im Umgang mit Vielfalt! 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 17 Soziale Situation im Alter • Verwitwete und Alleinstehende = erhöhtes Risiko der Vereinsamung und Vulnerabilität • Familie als soziales Stützsystem mit positiver Auswirkung auf Wohlbefinden; Rolle als Grosseltern • Vergemeinschaftung in eigenen sozialen Netzwerken/Organisationsstrukturen: ethnische Migrationsvereine, kirchliche Missionen, Gewerkschaften, Altersgruppen, etc. • Im 3. Lebensalter: Hohes Selbstorganisations- und Handlungspotenzial, vgl. z.B. Selbsthilfeinitiativen auf www.alter-migration.ch • Im 4. Lebensalter: zunehmend unterstützungsbedürftig 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 18 Download unter www.ekm.admin.ch 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 19 Bilder über ältere Migrationsbevölkerung Wahrnehmung und Beschreibung als homogene defizitäre Gruppe mit folgenden Merkmalen: • • • • • • • • • • Bildungsfern Herkunfsorientiert Traditionell und konservativ Rückkehrorientiert Keine oder wenig Kenntnisse der deutschen Sprache Nicht oder schlecht integriert Eigene Netzwerke als Zeichen der Nicht-Integration Isoliert Krank Frauen = zurückgezogen und schwer erreichbar 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 20 Vielfältige Biografien – Vielfältiges Altern Ergebnisse aus der Studie des SRK im Auftrag EKM und Nat. Forum Alter & Migration, 2012 “Die” ältere Migrationsbevölkerung gibt es nicht! Hohe Vielfalt nach: • • • • • • • • Migrationsgrund- und geschichte Aufenthaltsrechtlicher Status u. entsprechende Erfahrungen Nationale Herkunft Bildungs- und Arbeitsbiografie Zivilstand Politische Überzeugung Religionszugehörigkeit Integration / Partizipation in der Schweiz / Selbstorganisation (eigene Netzwerke) 7 Porträts (Arben, Carmen, Lan, Varathan, Saime, Ada, Alexandra (zw. 63 und 85 Jahre) 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 21 „Altern“ - ein Spiegelbild der Migrationsbiografie? Vielfältige Migrationsgründe und –biographien vielfältiges Altern vielfältige Ressourcen und Bedürfnisse • Arbeitsmigration (aus Italien, Spanien, Portugal, Ländern des früheren Jugoslawien) • Fluchtmigration: Asyl oder humanitäre Aufnahme (Kontingentsflüchtlinge: z.B. aus Vietnam, Iran, Bosnien, Kosova) in verschiedenen politischen Zusammenhängen • Familienzusammenführung (Kriegsflüchtlinge) • Prekäres Altern als Sans-Papiers 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 22 Auszug aus einer Arbeitsmigrationsbiografie Arben S., ehemaliger Saisonnier aus dem Kosovo, 63 Jahre „An einem Tag mussten wir einen Kanal graben, 10 Meter lang, 1 Meter breit und 1 Meter tief. Alle anderen sagten Nein, ich sagte Ja. Mit einer grossen Familie musste man. Das war schwierig. Wir mussten alles geben, gut arbeiten, damit wir im nächsten Jahr wieder eine Garantie erhielten. Die Familie lebte im Kosovo und konnte erst kommen, wenn wir eine B-Bewilligung hatten.“ (W) Die Jahre, in denen wir alleine hier gelebt haben, sahen so aus: Den Tag durch arbeiten, dann waren wir müde und der Kühlschrank war leer. (W) Als dann die Familie nach Jahren endlich in die Schweiz kommen durfte, war das die schönste und glücklichste Zeit für mich.“ 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 23 Die besondere Situation älterer Flüchtlinge • Unfreiwillige bzw. Zwangs-Migration • Veränderung der Lebenswelt erst im Alter = starker biografischer Bruch und geringeres Veränderungspotenzial • Strukturelle Integration (z.B. in Arbeitsmarkt) selten noch möglich / Integration v.a. in eigene Familie oder in ethnische Netzwerke • Kompetenz zum Erwerb einer neuen Sprache gering • Erschwerte Integration aufgrund von psychischer Belastung/Traumatisierung (PTSD) und/oder körperlicher Beeinträchtigung 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 24 Auszug aus einer Flüchtlingsbiografie Lan N., Flüchtling aus Vietnam, 78 Jahre Lan N. kam erst mit 55 Jahren in die Schweiz. Auf der Flucht wurde ihre Familie auseinandergerissen. Nicht alle ihrer Kinder überlebten. In der Schweiz pflegt sie ihren von der Flucht psychisch schwer angeschlagenen Mann, der dann bald stirbt. Sie führt ein aktives Leben im Alter. Gefragt, wie es ihr gehe, meint sie: „Ich bin gesund, eine starke Frau und schön, habe viele Kinder, die erfolgreich sind, nichts ist schief gelaufen. Alles, was ich mir gewünscht habe, ist in Erfüllung gegangen. Das macht mich stolz auf mich und mein Leben.“ 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 25 Erwartungen/Bedürfnisse älterer MigrantInnen • Gesellschaftliche Würdigung ihrer Leistungen für die Schweiz • Interesse für ihre Biografie und Lebenssituation im Alter • Interesse für ihre Aktivitäten • Finanzielle und infrastrukturelle Unterstützung ihrer eigenen Aktivitäten (in Vereinen, etc.) • Niederschwelliger Zugang zu Mitsprache, Mitwirkung und Mitentscheidung bei Themen und in Lebensräumen, die sie betreffen • Teilweise auch demokratische Rechte (Stimm- und Wahlrecht) sowie automatische oder erleichterte Einbürgerung 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 26 Erwartungen/Bedürfnisse älterer MigrantInnen • Muttersprachliche Information zur rechtlichen Situation nach der Pensionierung (AHV, EL, Aufenthaltsrechtliches etc.) • Muttersprachliche Information zu Fragen von Gesundheit und Krankheit im Alter • Muttersprachliche Information zu den Dienstleistungen im Altersbereich • Ihren Bedürfnissen entsprechende vielfältige Wohn-, Betreuungs- und Pflegemodelle 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 27 Ratgeber in 8 - 19 Migrationssprachen 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 28 Ressourcen älterer MigrantInnen • Migrationsbiografie – im Falle einer geglückten Integration = Ressource für die Lebensgestaltung im Alter • Widerstandsfähigkeit (Resilienz) aufgrund der Entwicklung von erfolgreichen Strategien im Umgang mit Krisensituationen • Kompetenter Umgang mit Verlustprozessen im Alter • Vergemeinschaftung in eigenen sozialen Netzwerken = Potenzial der Selbstorganisation und Identitätsstiftung im Alter; Mobilisierung von Ethnizität als Ressource für kollektive Interessensvertretung 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 29 Netzwerke der Selbstorganisation als Ressource im Alter Ältere MigrantInnen = PionierInnen ihrer Herkunftsgruppe, auch beim Altern • Aufbau eigener Strukturen (Vereine nach regionaler Herkunft, Missionen, gewerkschaftl. Gruppierungen), deren Mitglieder gemeinsam altern = soziale Heimat • Gruppen für ältere MigrantInnen im 3. Lebensalter (z.B. auch muttersprachliche Seniorenuniversitäten) • Für Zusammenarbeit mit Schweizer Netzwerken der Altersarbeit offen 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 30 Gemeinsamkeiten und Besonderheiten Gemeinsamkeiten mit CH-Altersbevölkerung: • Fragen im Alter: «Wer pflegt mich einmal?»; «Welche Modelle gibt es und kann ich mir leisten?» «Werde ich als alter Mensch wert geschätzt?» «Kann ich meine Würde bewahren»; «Wie werde ich als alter Mensch noch gehört in der Gesellschaft? Und wie kann ich mich einbringen?» Besonderheiten der älteren Migrationsbevölkerung : • Ökonomisch und gesundheitlich durchschnittlich stärker belastet • Erfahrung gesellschaftlichen Ausschlusses • In Reaktion Selbstorganisation in eigenen Netzwerken und Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft • Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten bei Teilen der 1. Generation; höheres Informationsdefizit zu Rechtslage und Dienstleistungen im Alter; höhere Hürden gegenüber institutioneller Hilfe • Ambivalentes Verhältnis zu Partizipation in Strukturen der Mehrheitsgesellschaft (da keine demokratischen Mitwirkungsrechte, ausser eingebürgert) • Dilemma zwischen Rückkehr ins Herkunftsland und Verbleib in der Schweiz 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 31 Alterspolitik auf kommunaler Ebene: Partizipation älterer Migrantinnen und Migranten Studie Hungerbühler u. Bisegger, 2012: «Und so sind wir gebliebenW» Ältere Migrantinnen und Migranten in der Schweiz, Hrsg: EKM und Nationales Forum Alter & Migration > Kapitel 8 «Diversitätsgerechte Alterspolitik und arbeit» (S. 69 - 73); (S. 79 – 82) 2007: Altersstrategie des Bundes > Alterspolitische Bedeutung der zunehmenden Diversität der Altersbevölkerung (S. 3, 4, 49) Strategischer Handlungsbedarf für verbesserten Einbezug der älteren Migrationsbevökerung in alterspolitische Massnahmen UNO-Alterskonferenzen: 2002, Madrid und 2007, Leon > Absichtserklärung Schweiz: Verbesserung Alterssituation der Migrationsbevölkerung 2008: Integrationsmassnahmen BR > BSV > Leistungsverträge nach Art. 101bis AHVG > Massnahmen Migrationsbevölkerung 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 32 Alterspolitik auf kommunaler Ebene: Partizipation älterer Migrantinnen und Migranten Bisher keine Zielgruppe für Parteipolitik Altern in der Migration. Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen und des Nationalen Forums Alter und Migration, 2012: • Vertretung älterer MigrantInnen in Altersforen, Seniorenräten, Integrationskommissionen (bisher keine explizite Zielgruppe der KIP) • Schaffung nötiger Instrumente für die Mitwirkung an Entscheidprozessen: Altersleitbilder, Massnahmenpläne, Angebots- und Mitwirkungsstrukturen • Konsequente Umsetzung der Altersstrategie 2007 auch in Bezug auf die Migrationsbevölkerung und auf kommunaler Ebene 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 33 MIGRALTO – Ein partizipatives Modell für die aktive Bürgerschaft der älteren Migrationsbevölkerung in Schweizer Gemeinden (inklusive konkreter Handlungsempfehlungen) Masterarbeit Gerontologie BFH, 2011 Hildegard Hungerbühler & Viviana Abati 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 34 Fragestellung Welches Erfahrungswissen, welche Ressourcen und welches Potenzial zur Selbstorganisation haben ältere MigrantInnen, die sich für die Altersarbeit und -politik in der Schweiz nutzen lassen? Wie sehen die Frage- und Problemstellungen aus der Perspektive der Altersarbeit und -politik aus, die den Auftrag hat, bedarfsgerechte Dienstleistungen zu erbringen sowie Vertretungen aller Gruppierungen zu beteiligen? Welche Rahmenbedingungen benötigt es, damit ältere MigrantInnen als AkteurInnen an der Entwicklung und Umsetzung einer Altersarbeit und politik partizipieren können und wollen? Was für ein Modell ermöglicht Partizipation auf der kommunalpolitischen Seite sowie das Einbringen des eigenen Potenzials und der aktiven Beteiligung auf Seite der MigrantInnen? 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 35 Untersuchungsplan und Durchführung Akteure Instrumente Forschungsteilnehmende (Stichprobe) Altersbeauftragte Schriftlicher Fragebogen Netzwerk der Altersbeauftragten (64 Mitglieder) Integrationsdelegierte Schriftlicher Fragebogen Netzwerk der Integrationsbeauftragten (65 Mitglieder) VertreterInnen staatlicher u. nichtstaatlicher Institutionen Stadt u. Kanton Bern Fokusgruppe Aus 9 Organisationen aus dem Altersund Integrationsbereich (z.B.: Spitex, Curaviva, Pro Senectute, SRK, AVA, Kompetenzzentrum Integration, SR, Caritas) MigrantInnen Interviews mit halbstrukturierten FB (qualitativ + quantitativ) 22 Einzelinterviews mit MigrantInnen italienischer Herkunft MigrantInnenOrganisationen Fokusgruppe 8 Personen aus folgenden Bereichen: Kirche – Bildung – Vereine – Gewerksch. Staatliche Akteure Akteure auf Seite MigrantInnen 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 36 Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung der Alters- und Integrationsbeauftragten 1. Ältere MigrantInnen = mehrheitlich (noch) keine explizite Zielgruppe > Marginalisierungsrisiko, da Zuständigkeit (Alters- oder Integrationspolitik) vielfach unklar 2. Tendenziell wenig oder fehlende Kenntnisse über ältere MigrantInnen 3. Mehrheitlich erkannt, dass angepasste zielgruppengerechte Information/Kommunikation nötig ist 4. Spannungsfeld: fehlende/geringe, aber erwünschte Partizipation 5. Erwünschte Partizipation: Politik im Lebensumfeld, Gesundheit, Freiwilligenarbeit 6. Mehrheitlich noch keine diversitätsgerechte Alterspolitik/ -arbeit, jedoch Sensibilität wachsend und gute Beispiele vorhanden 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 37 Explizite Ziele für die Integration der älteren Migrationsbevölkerung im Sinne von Partizipation? 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 38 Einschätzung zum Gelingen der Partizipation der älteren Migrationsbevölkerung? 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 39 Ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung am Beispiel der italienischen ArbeitsmigrantInnen (65+) Historisch bedingtes ambivalentes Verhältnis zu Partizipation in Strukturen der Mehrheitsgesellschaft Organisation in eigenen sozialen Netzwerken; Selbstorganisation auch im Alter Wenig oder fehlendes Wissen über Partizipationsmöglichkeiten in Wohngemeinden Fehlende oder nur wenig Kenntnisse zur Organisation der Alterspolitik, arbeit und -versorgung in der Schweiz Interesse für Partizipation auf Ebene Wohngemeinde und vor allem Quartier zu den Themen Gesundheit, Betreuung und Wohnen im Alter, z.T. Freiwilligenarbeit Erwartung, dass «SchweizerInnen» auf sie zukommen Erwartung, dass «SchweizerInnen» sich aktiv für ihre Biografien, Erfahrungen, Ressourcen und Organisationsformen interessieren Senkung von Partizipationshürden (materiell, Sprache, etc.) 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 40 Schlussfolgerungen 1. Auf Ebene der Politik Sensibilität für die Ausschluss- und Diskriminierungserfahrung der ersten Einwanderungsgeneration > Folge Nichtpartizipation im Alter Politisches Bewusstsein für die existierende Chancenungleichheit Bewusste Lancierung und Umsetzung diversitätsgerechte Alterspolitik Ziel: chancengleiche Partizipation (Strategische Mittel; Werte- und Haltungsänderung) Umsetzung Betroffenen- und Territorialdemokratie und Einbezug älterer MigrantInnen als AkteurInnen (Abbau Partizipationshürden) 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 41 Schlussfolgerungen 2. Umsetzung Partizipation und Rolle der diversen AkteurInnen Initiative von Gemeinden (aktiv Anreize schaffen; Ansprechperson definieren; Budget zur Verfügung stellen; Empowerment der Mig.) Kenntniserwerb und Analyse zur älteren Migrationspopulation auf dem Gemeindeterritorium Bewusster und sensibler Umgang mit Machtgefälle (CH Akteure versus MigrantInnen) Sensibilität für Partizipationshürden Ressourcenorientierte Perspektive auf Zielgruppe Niederschwellige Zugänge schaffen Aufsuchender Ansatz in sozialen Milieus; Zusammenarbeit mit anerkannten Schlüsselpersonen/MultiplikatorInnen der Migrationscommunities 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 42 Diversitätsgerechte Alterspolitik und -arbeit, die auch Migrantinnen und Migranten aktiv einbezieht Ziele • Erreichung der Zielgruppe ältere MigrantInnen als Akteure und Zielgruppe der kommunalen Alterspolitik = Ermöglichung ihrer aktiven Partizipation • Nutzung des Potenzials/der Ressourcen von (älteren) MigrantInnen • Deckung der verschiedenen Bedürfnisse einer - auch nach nationaler Herkunft - zunehmend vielfältigen Altersbevölkerung 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 43 Diversitätsgerechte Alterspolitik und -arbeit , die auch Migrantinnen und Migranten aktiv einbezieht Voraussetzungen für Zielerreichung • Sensibilisierung der Gemeinden und politischen EntscheidungsträgerInnen für MigrantInnen als Teil der Altersbevölkerung Perspektivenwechsel • MigrantInnen = nicht nur eine Herausforderung, sondern auch ein Potenzial/eine Ressource für die Alterspolitik- u. arbeit • Vielfalt nach nationaler Herkunft als Chance = Potenzial für neue Konzepte des Alter(n)s bzw. des gesellschaftlichen Umgangs mit älteren Menschen (Alter = kulturelle Konstruktion) • Commitment für spezielle alterspolitische Beachtung älterer MigrantInnen (Kompensation der fehlenden staatlichen Integrationspolitik in den früheren Lebensjahren durch eine bedarfsgerechte Alterspolitik) 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 44 Diversitätsgerechte Alterspolitik und -arbeit , die auch Migrantinnen und Migranten aktiv einbezieht Mittel / Instrumente • Strategische Verankerung = MigrantInnen als explizite Zielgruppe in Altersstrategien und –leitbildern • Anerkennung der Altersarbeit von Migrantenorganisationen und finanzielle sowie infrastrukturelle Unterstützung derselben • Beteiligung an politischen Meinungsbildungs- und Mitbestimmungsprozessen unabhängig von Bürgerrechten = Citoyennté nach Prinzip der «Betroffenen»- und «Territorialdemokratie» > MigrantInnen als AkteurInnen sprechen mit, wirken mit und entscheiden mit i in ihrem Lebensumfeld (Wohngemeinde/Quartier) und bei Themen, die sie betreffen. • Bedürfnisgerechte Partizipationsformen schaffen 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 45 Beispiele einer “guten Praxis” in der Altersarbeit SRK Bern: Integrative Angebote, u.a. Kurse für MigrantInnen 55+ (u.a. Ausbildung zu MultiplikatorInnen) https://www.srk-bern.ch/de/bildung/integrative-angebote/ Caritas Bern: Altern gestalten, soziale Netze stärken > Projekt Runder Tisch zu “Alter und Migration” im Kanton Bern http://www.caritas-bern.ch/p84001807.html AltuM: Projekt HEKS und Pro Senectute Zürich: https://www.heks.ch/schweiz/zuerichschaffhausen/heks-altum-alter-undmigration/ Vicino – Ältere Migrantinnen und Migranten am Wohnort erreichen. Leitfaden für Verantwortliche im Alters- und Migrationsbereich von zhaw und Pro Senectute Aargau und Zürich: http://www.zhaw.ch/vicino 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 46 Beispiele einer “guten Praxis” in der Altersarbeit Stadt Zürich, Beratungsstelle Wohnen im Alter www.stadt-zuerich.ch/wohnenimalter femmesTische Wohnen im Alter – ein Angebot für ältere Migrantinnen und Migranten • Für Frauen über 55 Jahre und/oder ihre Angehörigen • Auf Italienisch, Serbisch/Kroatisch und Spanisch • gratis 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 47 Gute Praxis kommunaler Alterspolitik und -arbeit mit älteren Migrantinnen und Migranten Das Beispiel Stadt Bern http://www.bern.ch/stadtverwaltung/bss/av/alter/altermigration • Alterskonzept 2020: MigrantInnen = explizite strategische Zielgruppe der städtischen Alterspolitik • Deckung der Bedürfnisse älterer MigrantInnen = strategische Stossrichtung/Handlungsfeld mit Massnahmenplan und Budget • Arbeitsgruppe Alter & Migration mit Vertretung der verschiedenen Migrationscommunities (Partizipation als Akteure) = Beratungsfunktion für städtische Alterspolitik (Exekutive) • Auftrag der Stadt: periodische Bedarfserhebung bei der älteren Migrationsbevölkerung > Rechtzeitige Planung allfälliger Anpassungen (Bsp. Aufbau einer mediterranen Abteilung im Altersheim; Ausbildung MultiplikatorInnen, etc.) 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 48 Gute Praxis kommunaler Alterspolitik und -arbeit mit älteren Migrantinnen und Migranten Das Beispiel Kanton Zug https://www.zg.ch/behoerden/direktion-des-innern/kantonalessozialamt/aktuell/studie-alter-und-migration-zur-situation-der-aelterenmigrationsbevoelkerung-im-kanton-zug Politisches Erkenntnisinteresse als Grundlage für Definition des Handlungsbedarfs 1. wichtiger Schritt: Mandatserteilung für Situationsanalyse und Bedarfserhebung im Kanton / Identifizierung der versch. Akteure (partizipatives Vorgehen) Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen Alters- und Integrationsbereich innerhalb der Kantonsbehörden als wichtige Voraussetzung Präsentation der Erhebung und Diskussion der Ergebnisse mit den relevanten Akteuren am Runden Tisch Gemeinsame Erarbeitung von Massnahmen zur gezielten Partizipation der älteren Migrationsbevölkerung 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 49 Vernetzung www.alter-migration.ch 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 50 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! http://www.srf.ch/sendungen/dok/der-wille-zum-mitgestalten Partizipation von Migrantinnen und Migranten in der Schweizer Politik fördern! 6.11.2015 MigrantInnen in kommunaler Alterspolitik - Schweiz. Städteverband Seite 51