für Gesundheitsförderung - Gesundheit Berlin
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für Gesundheitsförderung - Gesundheit Berlin
Info Dienst für Gesundheitsförderung Zeitschrift von Gesundheit Berlin-Brandenburg 10. Jahrgang • 4. Ausgabe 2010 4 10 In diesem Info-Dienst Personalien 2 Gesunde Bundespolitik 3 Bewegung in BerlinBrandenburg 11 Kinder und Jugendliche 14 Altern und Gesundheit 17 Soziale, gesunde Stadt 18 Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt 20 Suchtprävention 24 Patienteninteressen 25 Termine/Veranstaltungen 27 Publikationen 28 Impressum 28 Editorial Was braucht es, um allen Kindern Chancen auf ein gesundes Aufwachsen zu eröffnen? Was fördert Wohlbefinden und Aktivität im Alter? Wie kann gesundheitliche Versorgung bedarfsgerecht und finanzierbar gestaltet werden? Dies sind Fragen, die die gesundheitspolitischen Diskussionen im Bundestag bestimmen, die aber auch in Berlin und Brandenburg in zahlreichen Veranstaltungen dis- kutiert werden. In den Fachgesprächen und Gesundheitskonferenzen auf Landes- und Bezirks- bzw. kommunaler Ebene geht es um bessere Abstimmung, um Erreichbarkeit von Menschen, die gesundheitliche Angebote noch zu selten nutzen, und um Stadtentwicklung, die allen Bewohner/innen ein Mehr an Lebensqualität vermittelt. Fachliche Konzepte wie z.B. das Dormagener Modell einer Präventionskette oder das Leitbild einer familienund seniorengerechten Kommune werden vorgestellt. Gemeinsam möchten wir beraten, was davon für lokale Prozesse nutzbar gemacht werden kann. Die Rahmenbedingungen für die Umsetzung solcher gesundheitsförderlichen Prozesse auf kommunaler Ebene werden sich in absehbarer Zeit wohl nicht verbessern. Allein die Kürzungen, die der Bundestag für das Programm Soziale Stadt beschlossen hat, werden die Handlungsmöglichkeiten für eine gesundheitsförderliche Stadtentwicklung massiv einschränken. Entgegen der Stellungnahme der Bauministerkonferenz der Länder wurden aktivierende und beteiligende Ansätze in Quartieren mit besonderem Entwicklungsbedarf massiv gekürzt. Auch Investitionen in Bildung, die allen Kindern eine individuelle Förderung ihrer Fähigkeiten ermöglichen, bleiben in den meisten Bundesländern ein Posten auf dem Wunschzettel. Fehlende Ressourcen im Bildungs-, Sozialund Stadtentwicklungsbereich unterliegen nicht der Verantwortung der Gesundheitsministerien. Aber Entscheidungen, die hier getroffen werden, beeinflussen auch die Gesundheitschancen der Betroffenen. Wie eng der Zusammenhang von Zukunfts-, Bildungsund Gesundheitschancen ist, das haben der Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und die Kommission des 13. Kinder- und Jugendberichtes im vergangenen Jahr aufgezeigt. Und die Diskussionen um die Konsequenzen, die aus diesen Befunden zu ziehen sind, haben weiterhin hohe Aktualität. Auf dem 16. Kongress Armut und Gesundheit werden sie unter dem Motto ‚Verwirklichungschancen für Gesundheit’ stattfinden. Gesundheit, das werden viele Beiträge belegen, ist Voraussetzung, um Chancen in unserer Gesellschaft nutzen zu können. Es bedarf aber auch der Befähigung, so der 13. Kinder- und Jugendbericht, und des Zugangs z.B. zu Bildung, um Chancen in einer Gesellschaft nutzen zu können. Verwirklichungschancen stehen damit nicht nur für ein Konzept, das Teilhabe verbessert, sondern auch nachhaltig Gesundheit fördert. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich an diesen Diskussionen und am 16. Kongress Armut und Gesundheit beteiligen. Ihre Carola Gold Personalien Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 In diesem Info-Dienst Personalien Vorstand von Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V. bestätigt 2 Auf der Mitgliederversammlung am 26. Oktober wurde der Vorstand von Gesundheit BerlinBrandenburg e.V. für weitere drei Jahre in seinen Ämtern bestätigt. Die acht gewählten Mitglieder sind: Prof. Dr. Rolf Rosenbrock (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung), Franz Josef Lünne (AOK Berlin-Brandenburg), Monika Gordes (stv. Geschäftsführerin des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg), Prof. Dr. Ulrike Maschewsky-Schneider (Berlin School of Public Health), Hartmut Brocke (Stiftung SPI, Sozialpädagogisches Institut Berlin – Walter May), Kathrin Feldmann (Stadtkontor) Dipl.-Med. Hendrik Karpinski (Geschäftsführer der Klinikum Niederlausitz GmbH, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Leiter des Niederlausitzer Netzwerks Gesunde Kinder) und Ingrid Papies-Winkler (Plan- und Leitstelle Gesundheit, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg). Prof. Dr. Rolf Rosenbrock und Franz Josef Lünne fungieren erneut als Vorsitzende. Büro für medizinische Flüchtlingshilfe ausgezeichnet Seit Jahren ermöglicht das Büro für medizinische Flüchtlingshilfe eine anonyme und kostenlose oder kostengünstige Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis. Im Rahmen der 7. Landesgesundheitskonferenz am 28. Oktober würdigte Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher nun die Arbeit des Berliner Büros für medizinische Flüchtlingshilfe. Das Recht aller Menschen auf körperliche Unversehrtheit und bestmögliche medizinische Versorgung sei ein Menschenund nicht nur ein Bürgerrecht, so Lompscher in ihrer Laudatio. Das Büro für medizinische Flüchtlingshilfe setze sich für die Verwirklichung dieses Rechts in hohem Maße ein, so Lompscher weiter. Das Büro für medizinische Flüchtlingshilfe wurde mit einer Summe von 2.000 Euro ausgezeichnet. 1.500 Euro stellte der BKK Bundesverband zur Verfügung. Gesunde Bundespolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 Bundestag berät Kindergesundheit . . . . . . . .3 Kindeswohl durch Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . .3 Gesundheitschancen von sozial benachteiligten Kindern verbessern . . . . . . .5 Interview mit Volker Wanek . . . . . . . . . . . . . . .6 Netzwerke in der Gesundheitsförderung . . . .7 Interview mit Klaus D. Plümer . . . . . . . . . . . . .7 Rezension „Lehrbuch der Gesundheitsförderung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 Zielerreichungsskalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 Die Methode Projektlogik . . . . . . . . . . . . . . .10 Bewegung in Berlin-Brandenburg . . . . . . . . .11 Resümee 7. Landesgesundheitskonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Tag der Zahngesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . .12 Gesundheits- und Bewegungsförderung bei älteren Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 Kinder und Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . .14 Kinder sind nicht nur „Heranwachsende“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 Netzwerke Gesunde Kinder . . . . . . . . . . . . . .16 Integrationspreis für Verbesserung von Berufschancen Das Vivantes Institut für berufliche Bildung im Gesundheitswesen und das Bildungswerk in Kreuzberg bekamen am 26. Oktober im Roten Rathaus den „Integrationspreis 2010“ überreicht. Der Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen würdigte beide Unternehmen für deren Engagement in Ausbildung und Beschäftigung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund und den Einsatz für Projekte zur Förderung der kulturellen Vielfalt. Beide Unternehmen engagieren sich zudem in interkulturell angelegten sozialen Projekten mit Migrantenorganisationen und mit dem Land Berlin. Der mit 5.000 Euro dotierte Integrationspreis wird unter dem Motto „Diversity leben“ seit 2004 jährlich an Berliner Unternehmen vergeben, die sich in besonderer Weise interkulturell geöffnet haben. Altern und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 Gesund und aktiv älter werden . . . . . . . . . . .17 Soziale, gesunde Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 Soziale Stadt-Programm . . . . . . . . . . . . . . . .18 Psychotherapeutische Versorgung von Migrant/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt . .20 Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen . . .20 Gesundheitsrisiko Erwerbslosigkeit . . . . . . .21 Schichtarbeit und Gesundheit . . . . . . . . . . .22 Interview mit Ulrike von Haldenwang . . . . .23 Suchtprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Alkoholkonsum werdender Mütter . . . . . . . .24 Neuro-Enhancement: Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Patienteninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 Psychiatriebeschwerdestelle in Berlin eröffnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 Patientenfürsprecher/innen in Krankenhäusern stärken . . . . . . . . . . . . . . . .26 Termine/Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . .27 Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Gesunde Bundespolitik Gesunde Bundespolitik Bundesstagsausschuss berät Kindergesundheit / WZB-Herbsttagung / Gesundheitschancen von sozial benachteiligten Kindern / Leitfaden Prävention / Netzwerke / Buchrezension / Zielerreichungsskalen / Die Methode Projektlogik Bundestag berät Kindergesundheit Familienausschuss diskutiert Schlussfolgerungen aus dem 13. Kinder- und Jugendbericht Neun geladene Expert/innen stellten in der öffentlichen Anhörung im Familienausschuss am 25. Oktober ihre Schlussfolgerungen aus dem 13. Kinder- und Jugendbericht vor. Professor Heiner Keupp, der Vorsitzende der Berichtskommission, forderte eine neue ressortübergreifende Strategie, die nicht von den Defiziten der Kinder und Jugendlichen, sondern von ihren Potentialen ausgeht. Gleichzeitig bemängelte er „Strukturdefizite“ in der Prävention und Gesundheitsförderung. Die vier Sozialgesetzgebungen, die entsprechende Rege- lungen beinhalten, führen zu einer unübersichtlichen Komplexität und teilweise sogar zu „schwarzen Löchern“, so Keupp. Er sprach sich daher für ein einziges Gesetz zur Förderung der Kinder- und Jugendgesundheit aus. Auch Professor Raimund Geene von der Hochschule Magdeburg-Stendal verdeutlichte, dass ein Ausbau der Gesundheitsförderung auf Dauer nicht ohne ein „Gesundheitsförderungsgesetz“ möglich sei. Damit könne es gelingen, die vielfältigen „Schnittstellenprobleme“ zu bewältigen. Um die Teilhabe- und Verwirklichungs- Kindeswohl durch Gesetz? Herbsttagung im WZB diskutiert Verwirklichungschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Wer trägt Verantwortung für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen? So einer der zentralen Diskussionspunkte, die auf der gemeinsamen Fachtagung der Arbeitsgruppe Public Health des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), des AOK Bundesverbands und von Gesundheit Berlin-Brandenburg am 7. Oktober beraten wurden. Prof. Rolf Rosenbrock, Leiter der AG Public Health des Wissenschaftszentrums Berlin, ver- wies in seinem Beitrag noch einmal auf die seit Jahren bekannten Befunde: Rund 20 Prozent der Kinder eines Geburtsjahrgangs, das sind jeweils etwa 140.000 Jungen und Mädchen, wachsen in Deutschland mit erheblichen sozialen und gesundheitlichen Belastungen heran. Daraus resultiert ein bereits in jungen Jahren schlechter Gesundheitszustand, der in der Regel mit einer reduzierten Bildung gesundheitsrelevanter Ressourcen einhergeht. Die Ursachen dieser geminderten Entwick- chancen von Kindern und Jugendlichen zu sichern, fehle es an einem Gesamtkonzept, bemängelte Professorin Birgit Babitsch von der Charité Berlin. Hier sei eine stärkere Verzahnung von Familien-, Bildungs-, Kinder- und Jugend- sowie Gesundheitspolitik gefragt. Laut Babitsch können nur auf diesem Wege verbindliche Standards sowohl auf kommunaler als auch auf Länder- und Bundesebene geschaffen werden. Die Sachverständigen waren sich einig, dass in diesem Zusammenhang auch ein ressortübergreifendes Denken in der Politik nötig sei und bedauerten, dass die Anhörung ohne Beteiligung des Gesundheitsausschusses stattfand. Anlass der Anhörung war der 13. Kinder- und Jugendbericht. Dieser befasste sich unter dem Titel „Mehr Chancen für gesundes Aufwachsen“ erstmals mit Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe. Weitere geladene Experten waren Prof. Dr. Ute Thyen (Sozialpädiatrisches Zentrum, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), PD Dr. Fabienne Becker-Stoll (Staatsinstitut für Frühpädagogik), Norbert Müller-Fehling (Geschäftsführer Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.), Dr. Christian Lüders (Deutsches Jugendinstitut München), Prof. Dr. rer. soc. Elisabeth Wacker (Technische Universität Dortmund, Fakultät Rehabilitationswissenschaften/Rehabilitationssoziologie) und Prof. Dr. med. Jörg M. Fegert (Universität Ulm Klinik für Kinder- u. Jugendpsychiatrie/Psychotherapie). lungschancen begründen sich vor allem in der sozialen Lage der Eltern und Faktoren wie Arbeitslosigkeit, geringer Bildung, Migrationshintergrund und psychischer Erkrankung immer in Verbindung mit materieller Armut. Entsprechend lautete auch das Fazit von Dr. Herbert Reichelt, AOK-Bundesverband: „Wir haben kein Wissens-, sondern ein Handlungsdefizit“. Als Vorsitzender des größten deutschen Kassenverbands forderte er eindringlich eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für ein gutes Aufwachsen aller Kinder ein. Entsprechend solle ein Konzept realisiert werden, das für alle Kinder Chancen auf ein gesundes Aufwachsen eröffne. Nach dem Verständnis der AOK beinhalte dies auf Landesund kommunaler Ebene eine Umschichtung von Mitteln, beziehungsweise Bündelung der 3 Gesunde Bundespolitik 4 Ressourcen gesundheitlicher Prävention sowie eine steuerfinanzierte Verbesserung der Bildungsangebote, insbesondere für sozial benachteiligte Kinder. So könnten ein kostenfreier Kita-Besuch und kostenfreie Gemeinschaftsverpflegung sowie ausreichende Sport-, Bewegungs- und Freizeitangebote als zentrale Bausteine einer guten Entwicklung finanziert werden. Die Gesamtkosten, um die Gesundheitschancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, würden sich nach Berechnungen des AOK Bundesverbands auf 11,9 Milliarden Euro belaufen. Ein Teil des Geldes, 3,9 Milliarden Euro, sei bereits jetzt für entsprechende Investitionen vorgesehen. Insgesamt sei erforderlich, so Herbert Reichelt, dass die Finanzierung kurzfristiger Maßnahmen, die zudem noch den falschen Schichten zugute kommen, beendet werden müsse. Unterstützung so früh wie möglich Dass sich Prävention für eine Gesellschaft rechnet, war eine zentrale Aussage von Prof. Hans Bertram, Direktor des Instituts für Soziologie der Berliner Humboldt-Universität und Mitglied zahlreicher kinder- bzw. familienpolitischer Beiräte. Im Rückgriff auf amerikanische Studien verwies er darauf, dass Förderund Unterstützungsbedarfe im Verlauf der gesamten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden müssen. Investitionen in die Unterstützung der Familien sollten zwar so früh wie möglich ansetzen. Dies enthebe jedoch nicht von der Verantwortung für die Rahmenbedingungen, unter denen die weitere Entwicklung der Jungen und Mädchen erfolge. Bildungssysteme, die sich der individuellen Förderung von Kindern verschrieben Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 haben, wie das finnische Schulwesen, seien dabei dem deutschen Bildungswesen weit überlegen. Sie können der Unterschiedlichkeit Heranwachsender Rechnung tragen und sie entsprechend ihrer Fähigkeiten fördern, statt fehlende Teilhabe der Familien zu reproduzieren. Lässt sich Kindeswohl durch Gesetz verwirklichen? Das war die zentrale Frage der Abschlussdiskussion mit dem Kindheitswissenschaftler Prof. Raimund Geene, dem langjährigen Abteilungsleiter des Bundesfamilienministeriums Prof. Reinhard Wiesner, Bernhard Scholten, Abteilungsleiter des rheinland-pfälzischen Familienministeriums, und Ulrike Plogstieß, AOK Bundesverband. Einvernehmen bestand zwischen allen Podiumsteilnehmenden, dass die Tendenzen zu Überwachung und Kontrolle großen Schaden anrichten. Reinhard Wiesner rief in Erinnerung, dass mit den Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sozialgesetzbuch VIII vorrangig präventive Ansätze gestärkt werden sollten. Aus seiner Sicht erfordere Schutz des Kindeswohls vor allem ein Selbstverständnis, bei dem Jugendämter als Partner der Eltern wahrgenommen werden und diese in ihren Ressourcen stärken. Diskussionen, die sich vorrangig an Defiziten und Diagnosen orientieren, erhöhen demgegenüber Ängste in den Familien und machen die Zusammenarbeit unmöglich. Entsprechend wurde in der Diskussion eine Wertehierarchie eingefordert, die sich konsequent an Schaffung von Kindeswohl und entsprechender Stärkung der Ressourcen der Familien orientiert. Zuweisungen eines Defizits, so Raimund Geene, wiederholten demgegenüber Stigmatisierungen und verhinderten Beteiligung und Inklusion der betroffenen Familien. An dieser Zielorientierung muss auch staatliches Handeln ausgerichtet sein. Alle Familien, so ein Hinweis in der Diskussion, könnten in Situationen kommen, in denen sie Hilfe und Unterstützung benötigten. Die Rahmenbedingungen für ein solches, konsequent am Kindeswohl orientiertes Handeln, lassen sich durch Gesetz schaffen. Vor diesem Hintergrund stießen die familienpolitischen Maßnahmen in Rheinland-Pfalz, von denen Bernhard Scholten berichtete, auf großes Interesse. Das Kinderschutzgesetz Rheinland-Pfalz, so sein Statement, regelt keine Detailfragen, engt die Jugend- und Gesundheitsämter nicht ein, sondern fördert den Aufbau lokaler Netzwerke zum Schutz des Kindeswohls und der Kindergesundheit. Das Gesetz eröffnet Optionen und verhilft so den Jugend- und Gesundheitsämtern zu Handlungsalternativen, die sie für ihre Region, ihre Stadt, ihren Landkreis selbst gestalten können. Über eine Servicestelle beim Landesjugendamt erhalten insbesondere die Jugendämter eine fachliche Beratung und Unterstützung, die nicht kontrollierend und regulierend eingreift, sondern mithilft, Prozesse zu initiieren und zu gestalten. Mit einem finanziellen Zuschuss an die Jugend- (7 Euro pro Kind bis 6 Jahren pro Jahr) und Gesundheitsämter (3 Euro pro Kind bis 6 Jahren pro Jahr) sorgt das Land auch dafür, dass Jugend- und Gesundheitsämter zusätzliche Ressourcen erhalten, um die Prozesse langfristig zu begleiten. Solche Ansätze müssten, so Ulrike Plogstieß, ausgewertet werden und für die Umsetzung von Konzepten, die allen Kindern ein gutes Aufwachsen ermöglichen, genutzt werden. Ein erster Schritt, der ‚Gesundes Aufwachsen für alle Kinder’ konkret unterstütze, so Raimund Geene, wären Rahmenvereinbarungen zwischen Kommunen und gesetzlichen Krankenkassen, die den Aufbau kommunaler Netzwerke für gesundes Aufwachsen fördern und den Einstieg in die systematische Förderung von Kindeswohl leisten. Thomas Altgeld, Moderator dieser sehr spannenden Abschlussdiskussion, blieb das Fazit, dass mit der diesjährigen Herbsttagung ein sehr fruchtbarer Austausch zwischen Kinderund Familienhilfe einerseits und Gesundheitsförderung andererseits gelungen ist. Gewünscht wurde aber auch, dass die Stimme von Public Health insgesamt in den sozial- und familienpolitischen Auseinandersetzungen wieder deutlicher zu hören ist und gesundheitliche Konsequenzen, die sich mit Gesetzen und politischen Entscheidungen verbinden, aufgezeigt werden. Carola Gold Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Gesunde Bundespolitik Gesundheitschancen von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen verbessern! 8. Kooperationstreffen „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ In den mittlerweile sieben Jahren seines Bestehens hat der Kooperationsverbund Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten umfangreiches Handlungswissen zur Verbesserung der Kindergesundheit in schwieriger sozialer Lage gesichert. Welche Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus diesem Wissen zu ziehen sind, stand daher im Mittelpunkt des 8. Kooperationstreffens am 8. September 2010 im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Potenziale von Prävention und Gesundheitsförderung noch nicht ausgeschöpft Die Verbesserung der Gesundheit und Zukunftschancen von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen, so Rolf Rosenbrock, Leiter der AG Public Health am WZB, in seinem Eröffnungsbeitrag, sei nach wie vor eine der großen gesundheitspolitischen Herausforderung. Mit Verweis auf das Sondergutachten des Sachverständigenrats 2009 mahnte er die gesamtpolitische Verantwortung zur Reduzierung von Kinderarmut an. Auch wenn, gemessen an den Ursachen sozialer Benachteiligung, Prävention nur einen Beitrag zur Verbesserung der Kindergesundheit leisten kann, bleibt die Entwicklung in Deutschland dazu weit hinter dem Möglichen zurück. Dies gilt insbesondere angesichts der Vielzahl, meist verhaltensorientierter und wenig nachhaltiger Präventionsprogramme. Erschwerend kommt hinzu, dass die Programme nur von kurzer Laufzeit sind, es vielfach an Evaluation und Ergebnissicherung fehlt und eine systematische Weiterentwicklung der Prävention kaum gefördert wird. Angesichts dieser strukturellen Defizite betonte er die Bedeutung des Kooperationsverbunds, der wirksame Konzepte für Zielgruppen mit dem höchsten Präventionsbedarf ermittelt und dazu beiträgt, die Qualität in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung nachhaltig zu verbessern. die fehlende Bereitschaft kritisiert, erfolgreiche Ansätze, deren Wirkung wie bei den Familienhebammen (vgl. Informationen in der Praxisdatenbank www.gesundheitliche-chancen gleichheit.de) gut evaluiert ist, in Regelangebote zu überführen. Statt Projekterfahrungen systematisch zur Verbesserung der Angebotsqualität zu nutzen, würden Programme – häufig ungeachtet bereits bestehender Strukturen – „ausgeschüttet“. Eine Überprüfung der Ergebnisse und Erfahrungen ist selten vorgesehen. Dabei ist – auch dies bestätigten die Diskussionen in den Arbeitsgruppen – Gesundheitsförderung für ein gesundes Aufwachsen aller Kinder nur im Zusammenwirken unterschiedlicher Ressorts möglich. Vielerorts besteht jedoch die „Versäulung“ des Jugend- bzw. Gesundheitsbereichs fort, so dass Zusammenarbeit und abgestimmtes Handeln nur schwer gelingt. Eine wichtige Forderung lautete daher, kommunale Konzepte zu entwickeln, die gemeinsames ziel- und prozessbezogenes Handeln auch von Verwaltung unterstützt. Solche kommunalen Visionen, die unterschiedliche Partner zusammenbringen und Ressourcen bündeln können, sind ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Kindergesundheit. Bei dieser Zusammenarbeit, das zeigten auch die teils kontroversen Diskussionen, besteht noch erheblicher Entwicklungsbedarf. Das bezieht sich sowohl auf die Stärkung von Ansätzen der Gesundheitsförderung in verschiedenen Fachgebieten, zum Beispiel in der Bildungs- und Jugendarbeit, aber auch auf das Zusammenwirken der verschiedenen Partner. Empfohlen werden dafür regionale Prozesse bei denen die Partner, zum Beispiel die gesetzlichen Krankenkassen, von Beginn an in die Entwicklung und Zielformulierung einbezogen werden. dass eine professionelle Haltung erforderlich ist, die sich konsequent an den Ressourcen der Nutzer/innen orientiert und diese auf Augenhöhe anspricht. Das strukturelle Dilemma vieler Angebote, wonach zunächst eine Defizitbeschreibung erfolgen muss, erhält Stigmatisierungen aufrecht. Erforderlich ist daher auch in der Prävention mit Kindern und Eltern, dass konsequent partizipative und befähigende Ansätze verfolgt werden, wie sie die Qualitätskriterien der Gesundheitsförderung des Kooperationsverbunds fordern. Die Umsetzung dieser Qualitätserfordernisse ist ein beharrliches Ringen um Professionalität, zum Beispiel in Kindertagesstätten und Familieneinrichtungen. Die Ergebnisse und Diskussionen der Arbeitsgruppen des 8. Kooperationstreffens sind ausführlich auf der Website www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/ :kooptreffen8 dokumentiert. Harald Lehmann, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), kündigte zudem an, dass Handlungsempfehlungen und eine Fachpublikation zu diesen Themen folgen werden. Neben einer Neuauflage der Arbeitshilfen für Prävention und Gesundheitsförderung im Quartier wird derzeit auch eine Werkstatt entwickelt, die Praktiker/innen aus der Stadtteilarbeit und Kindertagesstätten in der Anwendung der Kriterien Guter Praxis der Gesundheitsförderung unterstützt. Carola Gold Zusammenarbeit unterschiedlicher Ressorts stärken Wie erfolgreiche Praxis verbreitet werden kann, stand daher auch im Mittelpunkt der Diskussionen. In sechs Arbeitsgruppen berieten die rund 80 Vertreter/innen der Mitgliedsorganisationen gemeinsam mit Wissenschaftler/innen erforderliche Strategien. Dabei wurde auch In den Kommunen ist vielfach Wissen vorhanden, welche Zielgruppen hohen gesundheitsrelevanten Belastungen ausgesetzt sind und wo diese Familien zu finden sind. Gleichwohl mangelt es in regionalen Netzwerken häufig an Nutzerorientierung und die Perspektive der Zielgruppen wird wenig eingebracht. Hier betonen die Kooperationspartner, 5 Gesunde Bundespolitik Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Die Beteiligung der Kommunen ist unverzichtbar Interview mit Dr. Volker Wanek, GKV-Spitzenverband, zum überarbeiteten Leitfaden „Prävention“ 6 Info_Dienst: Der GKV-Spitzenverband hat am 27. August eine überarbeitete Fassung des „Leitfaden Prävention“ zum § 20 SGB V herausgebracht. Was ist der Stellenwert, die Verbindlichkeit dieses Leitfadens? Wanek: Der GKV-Leitfaden Prävention konkretisiert die Gesetzesvorgaben der §§ 20 und 20a SGB V und stellt damit so etwas wie den Leistungskatalog der Krankenkassen in der Primärprävention und betrieblichen Gesundheitsförderung dar. Er definiert die inhaltlichen Handlungsfelder und qualitativen Kriterien, die für die Krankenkassen und mögliche Leistungserbringer vor Ort verbindlich gelten. Alle von den Krankenkassen geförderten Leistungen müssen den im Leitfaden enthaltenen Anforderungen entsprechen. Innerhalb dieses Rahmens können die Krankenkassen eigene Schwerpunkte setzen – und tun dies selbstverständlich auch. Wie verbindlich der GKVLeitfaden Prävention ist, zeigt sich daran, dass die Aufsichtsbehörden der Krankenkassen in Bund und Ländern ihn bei ihren Prüfungen als Maßstab zugrunde legen. Info_Dienst: Die Lebenswelten, die im Rahmen von § 20 Abs. 1 SGB V zu fördern sind, sind nach dem Leitfaden Kindertagesstätten, Schulen und Kommunen/Stadtteile? Weswegen haben Sie diese drei Settings ausgewählt? Wanek: In der Primärprävention setzt die GKV insbesondere für sozial benachteiligte Zielgruppen auf Settings bzw. Lebenswelten als geeignete Interventionsfelder und Zugangswege. Hierbei kommt es vor allem darauf an, die Menschen in denjenigen Lebenswelten anzusprechen, in denen sie einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Mit Setting-Ansätzen werden alle Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status erreicht – zusätzlich besteht die Chance, auch das Lebensumfeld gesundheitsförderlich umzugestalten. Wir haben im Leitfaden Vorgehensweisen für die Gesundheitsförderung nach dem Setting-Ansatz für KiTas, Schulen und Stadtteile beispielhaft konkretisiert. Neben den genannten Settings ist es möglich und erwünscht, dass Krankenkassen auch in anderen Settings, wie zum Beispiel Altenheimen, Projekte durchführen. Dies sieht der GKV-Leitfaden ausdrücklich vor und die Kassen engagieren sich hier in zunehmendem Maß. Info_Dienst: Können aus Ihrer Sicht mit der Neufassung des Leitfadens Fortschritte in Richtung gesundheitlicher Chancengleichheit erzielt werden? Wanek: Wir denken: Ja! Erstens haben wir die Erkenntnisse der GKV-Gesundheitsförderungsprojekte an Schulen insbesondere für sozial Benachteiligte aus den letzten zehn Jahren verarbeitet. Zum Beispiel zeigte sich, dass Schulen zu Projektbeginn eine relativ engmaschige externe Unterstützung brauchen. Zweitens haben wir auch die Erfahrungen anderer, z. B. des Bund-Länder-Modellprogramms „Soziale Stadt“ sowie des „gesunde-StädteNetzwerks“ in die Vorgehensbeschreibungen zur Gesundheitsförderung in Kommunen / Stadtteilen eingebracht. Gerade in diesem Feld ist es unverzichtbar, dass die Kommunen selbst eine Initiativ- und Koordinationsfunktion übernehmen und sich auch mit Eigen- bzw. anderweitig beschafften Drittmitteln in die Aktivitäten einbringen; dann können Krankenkassen Gesundheitsförderungsmaßnahmen in Kommunen nach § 20 SGB V fördern. Drittens haben wir Kriterien für eine erleichterte Inanspruchnahme von Präventionsleistungen durch sozial Benachteiligte, zum Beispiel Langzeitarbeitslose, definiert. Wir empfehlen den Kassen diese Versicherten so weit wie möglich von Vorleistungen bzw. Eigenanteilen freizustellen. nfo_Dienst: Man hört oft, dass gesetzliche In Krankenkassen Versicherte mit „hohen Risiken“ gar nicht so gerne für sich gewinnen möchten. Gleichzeitig haben „Risikogruppen“ wie beispielsweise Arbeitslose einen besonders hohen Bedarf an Gesundheitsförderung und Prävention und sollen nun stärker von der GKV berücksichtigt werden. Welche Angebote können diesen Gruppen gemacht werden? Wanek: Als solidarisches und nicht-gewinnorientiertes System gehört für die GKV eine Versorgung entsprechend dem Bedarf der Versicherten zu den unumstößlichen Grundsätzen. Dabei haben Risikoselektion und Ausgrenzung keinen Platz. Es liegt sogar im Interes- se der einzelnen Krankenkasse, sozial Benachteiligte, zum Beispiel Arbeitslose, in wirksame und wirtschaftliche Präventionsmaßnahmen einzubeziehen und ihnen spezifisch auf sie zugeschnittene Angebote zu unterbreiten. Die Krankheitskosten gerade dieser Menschen übertreffen die Beiträge, die von den Arbeitsagenturen an die Krankenkassen überwiesen werden, deutlich. In der Praxis haben sich gemeinsam von den Arbeitsagenturen und den Krankenkassen getragene Projekte – wie zum Beispiel das Job-Fit-Programm in NRW – als erfolgreich erwiesen, um die mit Arbeitslosigkeit einhergehenden Risiken zumindest teilweise zu kompensieren. Hierzu sind regionale bzw. landesweite Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und geeigneten Trägern (zum Beispiel Träger der Grundsicherung) notwendig. Info_Dienst: Welche Aufgaben hat der GKV Spitzenverband jenseits des Leitfadens noch in der Prävention bzw. Gesundheitsförderung? Wanek: Wir unterstützen die Krankenkassen bei der Qualitätssicherung ihrer Leistungen, indem wir sie zu einer einheitlichen Anwendung des Leitfadens beraten und ihnen Instrumente zur Angebotsprüfung und Evaluation zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt ist der GKV-Spitzenverband natürlich auch der zentrale Gesprächspartner der Politik und der Kooperationspartner zu allen Fragen rund um die Gesundheitsversorgung einschließlich Prävention und Gesundheitsförderung. Nationales Zentrum Frühe Hilfen: Finanzierung für vier weitere Jahre gesichert Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat dem Nationalen Zentrum für Frühe Hilfen (NZFH) die Finanzierung für vier weitere Jahre zugesichert. Dies teilte Schröder auf dem Bundeskongress des NZFH „Von Anfang an. Gemeinsam.“ am 13. und 14. November 2010 im Berliner Umweltforum mit. Zeitgleich kündigte die Ministerin an, noch in diesem Jahr ein neues Bundeskinderschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Neben einem umfassenden Resümee der vergangenen Jahre und Ausblicken in die zukünftige Arbeit lag ein Fokus der Veranstaltung auf Möglichkeiten, Frühe Hilfen zu verstetigen. Wie die Regelfinanzierung von Frühen Hilfen gesetzlich verankert werden kann, verdeutlichte Prof. Dr. Knut Hinrichs von der HAW Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg in seinem Beitrag „Mit Frühen Hilfen müssen Sie rechnen – Chancen der Verstetigung“. Weitere Informationen zu dem Kongress finden Sie unter: www.fruehehifen.de Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Gesunde Bundespolitik Netzwerke versus Networking – Was braucht eine gute Praxis der Gesundheitsförderung? Workshop am Freitag, 3. Dezember auf dem 16. Kongress Armut und Gesundheit Das Thema „Vernetzung“ ist ein Schlüsselbegriff für die Praxis der Gesundheitsförderung. Vom unverbindlichen Informationsaustausch bis zur verstetigten Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure trägt Vernetzung dazu bei, gesundheitsfördernde Interventionen problemgerecht auszurichten, in die jeweiligen Lebenswelten einzubetten und die verfügbaren Ressourcen zu bündeln. Doch ist das wirklich so einfach? Netzwerkarbeit ist für alle Beteiligten eine Investition, die Zeit und Personal erfordert – meist, ohne dass sofort ein unmittelbarer Nutzen erkennbar ist. Wann also ist der Aufbau kontinuierlich arbeitender Netzwerkstrukturen sinnvoll? Wie können diese Netzwerke trotzdem offen für neue Mitglieder und Themen bleiben? Wann sind dem gegenüber problemorientierte, nur vorübergehend arbeitende Netzwerke sinnvoller? Und wo beginnt die „Über-Vernetzung“? Der Workshop beschäftigt sich mit den Potenzialen von Netzwerkarbeit, fragt aber auch nach den Grenzen der Vernetzung. Drei Beiträge beleuchten das komplexe Thema aus unterschiedlichen Perspektiven: Prof. Egon Endres (Katholische Stiftungsfachhochschule München) stellt aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu Netzwerkarbeit vor. „Netzwerke sind keine Vereine!“ Interview mit Klaus D. Plümer, Akademie für öffentliches Gesundheitswesen, Düsseldorf Info_Dienst: Was macht gute Netzwerkarbeit aus? Plümer: Bei der Netzwerkarbeit geht es darum, gemeinsam Ziele zu erreichen. Die Frage ist: Wen brauche ich, um bestimmte Dinge zu erreichen? Dafür schafft das Netzwerk eine unterstützende und zielführende, projektbezogene Infrastruktur. Und wenn das Ziel erreicht ist, dann kann sich das Netzwerk in dieser Konfiguration auch wieder verabschieden und sich für andere Zwecke neu konfigurieren. Flexibilität und Offenheit, die Möglichkeit sich immer wieder neu aufzustellen, das ist entscheidend. Ein Netzwerk, dessen Arbeit sich darauf beschränkt, sich ein oder zweimal im Jahr zu treffen, um sich auszutauschen und seiner Existenz selbst zu vergewissern, wird vermutlich weder eine starke Lobbyfunktion erfüllen, noch wirklich Dinge ins Werk setzten können. Dies entspricht eher dem Wesen von Vereinen, die sich oft aus guten Gründen, um ihrer selbst willen gründen. Info_Dienst: Wieviel Struktur braucht diese Flexibilität? Plümer: Für mich ist das eigentlich ein Widerspruch: Strukturen haben die Tendenz zu erstarren, wenn sie erst einmal ins Werk gesetzt sind. Gute Netzwerke sind aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie offen, flexibel, den Erfordernissen gemäß anpassungsfähig sind. Das heißt nicht, dass sie instabil sind und über längere Zeiträume nicht existieren können. Im Gegenteil, ihre Veränderungsfähigkeit, je nachdem welche Ziele anstehen und welche Aufgaben erreicht werden sollen, macht die Stärke von Netzwerken aus. Andererseits, je manifester sich ein Netzwerk über eigene Strukturen definiert, desto mehr ist es mit sich selbst beschäftigt. Info_Dienst: Dann ist der Protest gegen das Projekt „Stuttgart 21“ ein Netzwerk in diesem Sinne? Er beleuchtet die Faktoren, die eine erfolgreiche Vernetzung begünstigen und zeigt auf, wo Grenzen von Vernetzung liegen. Der beratende Arbeitskreis des Kooperationsverbundes „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ hat Kriterien für gute Praxis in der Netzwerkarbeit entwickelt, auf deren Grundlage gute Beispiele für Netzwerkstrukturen der Gesundheitsförderung ausgewählt werden. Der Beitrag von Klaus D. Plümer (Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf und Mitglied des beratenden Arbeitskreises) stellt die Good Practice-Kriterien für Netzwerkstrukturen vor und erläutert den Auswahlprozess. Abschließend präsentierten Martina Hartmann und Friederike Goschenhofer REGSAM, die regionalen Netzwerke für soziale Arbeit in München (www.regsam.net). Das Netzwerk arbeitet seit 2003 flächendeckend in 16 Münchener Regionen und wurde als erstes Good Practice-Beispiel für Netzwerke ausgewählt. Holger Kilian Plümer: Netzwerke sind eigentlich dazu da, etablierte Strukturen und eingefahrene Prozesse aufzubrechen und neu zu konfigurieren. Aber nicht als Selbstzweck, sondern um gewisse Dinge zu erreichen, die anders nicht erreichbar sind. Die Protestbewegung gegen „Stuttgart 21“ ist ein hervorragendes Beispiel, wie Netzwerke entstehen, funktionieren und sich irgendwann auch wieder auflösen werden. Aus Netzwerken entstehen Bewegungen. Dafür braucht es Anlässe, die dann auch jenes Commitment bei allen Beteiligten erzeugen, wodurch Netzwerke erst tragfähig und belastbar werden. Netzwerke sind letztlich zu verstehen als Instrumente, um Veränderungen zu befördern und sozialen Bewegungen eine ansprechbare, verhandlungsfähige Instanz zu verleihen. „Vermitteln und vernetzen“ ist eine Handlungsprämisse der Ottawa Charta, d. h. ein Netzwerk kann dies nur leisten, wenn es eine lebendige, offene soziale Instanz ist. In dem Sinne, ist ein Netzwerk nicht durch eingetragene Mitgliedschaft zu realisieren. Dies zeichnet vielleicht einen Verein aus, aber kein Netzwerk. Im Übrigen wird nirgends in der Ottawa Charta dazu aufgerufen, Netzwerke zu gründen, sondern Veränderungen zu bewirken, um gesundheitliche Chancengleichheit herzustellen. „Gesundheit für alle“ war und ist das handlungsleitende Motto der Gesundheitsförderung. 7 Gesunde Bundespolitik Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Lehrbuch der Gesundheitsförderung Aktualisierte Auflage mit zahlreichen Informationen und Beispielen zur Situation in Deutschland die zentralen Begriffe „Gesundheit“ und „Krankheit“ und geht anschließend auf die Einflussfaktoren für Gesundheit ein. Hier und im weiteren Verlauf des Lehrbuches bleibt es nicht bei der reinen Wissensvermittlung: Das Buch regt zum Weiterdenken an und motiviert den Lesenden, über den Tellerrand der eigenen Fachdisziplin hinauszudenken. So berührt der Abschnitt zur Ethik der Gesundheitsförderung ein Thema, das in der Fachdiskussion bislang noch viel zu wenig reflektiert wurde. Der zweite Teil stellt in enger Anlehnung an die Ottawa-Charta Strategien und Methoden der Gesundheitsförderung vor und schlägt den Bogen von der Kompetenzentwicklung bis zur gesundheitsfördernden Gesamtpolitik. Zudem werden Möglichkeiten und Grenzen medial vermittelter Gesundheitsförderung auf begrenztem Raum sehr differenziert dargestellt. 8 Das „Lehrbuch der Gesundheitsförderung“ von Jennie Naidoo und Jane Wills erschien erstmals vor sieben Jahren. Es war das erste in deutscher Sprache verfügbare Arbeitsbuch zu Konzepten und Handlungsansätzen in der Gesundheitsförderung. Nun hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine aktualisierte und stark erweiterte zweite Auflage herausgegeben. Das fast 500 Seiten starke Buch gliedert sich in vier große Teile: Teil 1 beschäftigt sich mit den Grundlagen der Gesundheitsförderung. Es klärt Stimmen zum Kongress Thomas Altgeld, Geschäftsführer Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Welche Bedeutung hat der Kongress „Armut und Gesundheit“ für die Gesundheitsförderung von sozial Benachteiligten? „Armut und Gesundheit“ schafft alle Jahre wieder einen gelungenen Austausch zwi- Teil 3 widmet sich ganz dem Setting-Ansatz als zentralem Konzept der Gesundheitsförderung und stellt Handlungsansätze in fünf ausgewählten Settings (Schule, Betrieb, Wohnviertel, Krankenhaus, Gefängnis) vor. Der abschließende vierte Teil ist überschrieben mit „Durchführung der Gesundheitsförderung“ und behandelt Ansätze, den Bedarf zu erfassen und zu bewerten sowie gesundheitsfördernde Angebote zu planen und zu evaluieren. Die Inhalte des Lehrbuchs sind gut gegliedert und verständlich dargestellt. Es setzt keine schen Wissenschaft und Praxis. Allerdings ist dies keine Einbahnstraße wie meistens üblich in diesen Kontexten, dass die Praxis andächtig mehr oder weniger brauchbarer Wissenschaft lauscht, sondern der Diskurs ist gleichberechtigt. Die vielfältigen Ansätze der Gesundheitsförderung mit sozial Benachteiligten, die hier vorgestellt werden, regen Wissenschaft und Qualifizierungsangebote an und sind genauso sprachfähig, spannend und streitbar. Das ist in dieser Kombination und der Füllen von Themenbereichen und Teilnehmenden einzigartig. Fachkenntnisse voraus und ist sowohl für Studierende der Gesundheitsförderung als auch für interessierte Quereinsteiger/innen aus allen für die Gesundheitsförderung relevanten Professionen geeignet. Regelmäßig eingeschobene Textkästen mit weiterführenden Informationen, Beispielen und Arbeitsaufgaben lockern die Darstellung auf und motivieren zum Selber-Denken. Jedoch hätten ein Stichwortverzeichnis und eine kommentierte Zusammenstellung der zentralen Begriffe (Glossar) den Zugang zu den umfangreichen Informationen erleichtert und den Nutzwert als Arbeitsbuch weiter abgerundet. Die aktualisierte und erweiterte Auflage beinhaltet zudem auch zahlreiche Beispiele und Informationen zur Situation in Deutschland, die Originalausgabe beschränkte sich noch auf Beispiele aus Großbritannien. Das Gesamtfazit: Der „blaue Band der Gesundheitsförderung“ ist ein kompetenter und motivierender Einstieg in das Arbeitsfeld Gesundheitsförderung zu einem günstigen Preis. Naidoo, Jennie; Wills, Jane 2010: Lehrbuch der Gesundheitsförderung. Überarbeitete, aktualisierte und durch Beiträge zum Entwicklungsstand in Deutschland erweiterte Neuauflage, hrsg. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Gamburg: Verlag für Gesundheitsförderung. 24,90 Euro (zzgl. Versandkosten) Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Gesunde Bundespolitik Zielerreichungsskalen im Projekt BLIQ – Bewegtes Leben im Quartier Über ein partizipatives Instrument zur Formulierung und Über prüfung von Zielen in Prävention und Gesundheitsförderung und den Arbeitsprozess zeitlich zu strukturieren. Ein ausführlicher Leitfaden für die Anwendung von Zielerreichungsskalen in der Gesundheitsförderung ist abrufbar unter: www.evaluationstools.de/methodenkoffer/ uebergreifende-instrumente.html. Martina Block, Ina Schaefer Zielerreichungsskalen wurden ursprünglich für die Evaluation im Bereich der klinischen Psychologie entwickelt mit dem Ziel, Patienten/innen stärker in den Behandlungsprozess und seine Bewertung einzubinden. Die Anwendung von Zielerreichungsskalen erfordert es, ein oder mehrere konkrete und messbare Ziele festzulegen. Anschließend wird überlegt, wie überprüft werden kann, ob das Ziel erreicht wurde und welches Ergebnis zu einem bestimmten Zeitpunkt erwartet wird. Davon ausgehend werden zwei Stufen nach oben („mehr als erwartet“ und „viel mehr als erwartet“) und zwei Stufen nach unten („weniger als erwartet“ und „viel weniger als erwartet“) gebildet. Die Zielerreichung kann zunächst für ein nahes Zwischenziel beschrieben und anschließend fortgeschrieben werden. Auswahl der Ziele in den BLIQ-Gebieten Im IN FORM-Projekt BLiQ – Bewegtes Leben im Quartier werden in zwei lokalen Aktionsbündnissen, Marzahn NordWest und Potsdam, Zielerreichungsskalen als partizipativ anwendbares Planungs- und Evaluationsinstrument eingesetzt. Um Ziele festzulegen wurde im Sommer 2009 gemeinsam mit den Kooperationspartner/innen ein Auftaktworkshop durchgeführt. Bei beiden Bündnissen bestand der Bedarf, bereits zu Beginn der Projektlaufphase, übergreifende Ziele in den Bereichen Nachhaltigkeit, Fähigkeitsentwicklung und Veränderung der Verhältnisse festzulegen. Daraus sollten zunächst Ziele für die Anfangsphase des Projektes abgeleitet werden. Nach Erreichen dieser Ziele wurden die Skalen für die weiteren Projektphasen fortgeschrieben. Die Formulierung der Ziele ist eng an Interventionen angelehnt, die aus einem integrierten Handlungskonzept zur Bewegungsförderung von sozial benachteiligten Kindern entwickelt werden und orientiert sich an dem Zeitplan des Projektes. In insgesamt vier Aktivitätsbereichen werden Angebote im Sinne einer strukturellen Prävention zur Bewegungsförderung gemacht: „Bewegte Spielplätze“, „Bewegte Winterspielplätze“, „Bewegte Wege“ und „Bewegte Räume“. Diese wurden gemeinsam von Akteuren und auch Eltern erarbeitet. Um in der Lage zu sein, die Kinder und ihre Familien dauerhaft zu betreuen und anzuleiten, werden Multiplikator/innen und Eltern als BLiQ-Bewegungstrainer/innen ausgebildet. Nachhaltigkeit Die Zielerreichungsskalen aus Sicht der Praxis durch die Ausbildung von Multiplikator/innen zu sichern wurden in Potsdam und Marzahn NordWest für die Zielerreichungsskala ausgewählt. Eine weitere Skala wurde für das Ziel „Förderung der Bewegungsaktivität von Kindern“ mit Hilfe der Anlage „Bewegter Wege“ in Marzahn NordWest gebildet. Erste Erfahrungen mit den Zielerreichungsskalen Der erste Schritt, der für die Ausbildung der Multiplikator/innen von Sommer bis Herbst 2009 geplant und verwirklicht wurde, war es, Schulungskonzepten gemeinsam mit den beteiligten Einrichtungen zu entwickeln. Auch für die Gestaltung der „Bewegten Wege“ galt es, die späteren Nutzer/innen an der Konzeptentwicklung zu beteiligen. Kooperationspartner/innen bzw. Kitas zu beteiligen wurde demnach als erstes Ziel formuliert. Gegenstand der ersten Fortschreibungen war Teilnehmer/innen zu gewinnen und Schulungen durchzuführen sowie ein Gestaltungskonzept für die „Bewegten Wege“ zu entwickeln und umzusetzen. Aufgrund aktueller Einflüsse und zeitlicher Verschiebungen war es nötig, die Skalen anzupassen. In beiden Quartieren lag das erste Teilziel „Nachhaltigkeit“ über den erwarteten Ergebnissen. In Bezug auf die „Bewegten Wege“ wurden im Frühjahr 2010 in einem der beiden Quartiere gleich mehrere Skalen formuliert. Alle Ziele wurden erreicht, d. h. die Wege wurden gestaltet und eingeweiht und in beiden BLIQ Gebieten wurden Multiplikator/innen ausgebildet, die auch langfristig die Fortführung der Angebote sicherstellen. Die Arbeit mit den Skalen wurde von den Akteur/innen als Bereicherung erlebt. Sie halfen, die Zielsetzungen konkret zu formulieren, einen zeitlichen Rahmen zu setzen, die Strategie für das Erreichen der Ziele zu präzisieren Ein Interview mit Kerstin Moncorps, lokales Aktionsbündnis Marzahn NordWest Info_Dienst: Welche Erfahrungen haben Sie mit den Zielerreichungsskalen gemacht? Kerstin Moncorps: Mit den Zielerreichungsskalen habe ich ein Instrument zur Formulierung und Verfolgung von Zielen kennen gelernt, das der Ergebnissicherung dient. Info_Dienst: Was ist Ihnen positiv oder auch negativ beim Einsatz der Skalen aufgefallen? Kerstin Moncorps: Sehr hilfreich, um in die Arbeit mit den Skalen herein zu kommen, waren der Einführungsworkshop und die anfängliche externe Begleitung des Prozesses. Wenn man das System verstanden hat, eignen sich die Skalen sehr gut, um über Ziele und deren Erreichungsgrad zu diskutieren. Dieses unterstützt den Verständigungsprozess. Einen weiteren Vorteil sehe ich in der Verbindlichkeit für alle Beteiligten durch die schriftliche Fixierung, damit auch die Überprüfbarkeit. Info_Dienst: Haben Sie Tipps für Kolleg/innen für die Benutzung der Skalen, die Sie weitergeben möchten? Kerstin Moncorps: Es ist sinnvoll, die Ziele kleinteilig zu formulieren. Anwender/innen müssen sich darüber im Klaren sein, dass Zeitabläufe und unbeeinflussbare Faktoren (zum Beispiel wann eine Genehmigung erteilt wird) die konkrete Formulierung in Bezug auf den Zeitpunkt der Erfüllung hemmen. Für die Erfüllung und Fortschreibung der Skalen ist es hilfreich, wenn es eine Person gibt, die den Zieleprozess im Auge behält. Bleiben diese Dinge unberücksichtigt, so kann sich das negativ auf den Prozess auswirken. Das Interview führte Martina Block. 9 Gesunde Bundespolitik Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Planungsaktivitäten einer Intervention darstellen und beschreiben Über die „Methode der Projektlogik“ in der Prävention und Gesundheitsförderung Die Methode der Projektlogik (PL) basiert auf dem seit etwa 30 Jahren international verwendeten Ansatz des Logic Models. Als Planungsinstrument bietet es die Möglichkeit, Ressourcen, Planungsaktivitäten, Intervention und erwartete Ergebnisse mit einander in Beziehung zu setzen und visuell darzustellen. Dadurch wird die zugrunde liegende Logik aller Interventionsphasen erkennbar. Die Methode der Projektlogik bietet eine fundierte Grundlage, um Anträge zu formulieren. Außerdem dient sie einer effektiveren Kommunikation. Sie fördert die projektinterne Diskussion und kann damit auch die interne Qualitätssicherung unterstützen. Darüber hinaus kann sie aber auch gegenüber Außenstehenden für Transparenz sorgen und als Argumentationshilfe für Entscheidungsprozesse dienen. 10 Fünf Arbeitsschritte Die Methode der Projektlogik umfasst fünf Arbeitsschritte: Im ersten Schritt müssen die Mitarbeiter/innen eines Projektes dafür gewonnen werden, sich am Prozess zu beteiligen. Zudem wird eine Arbeitsgruppe gebildet. Im zweiten Schritt muss dafür gesorgt werden, dass alle Beteiligten ausreichend Zeit mitbrin- gen. um regelmäßige Treffen zu organisieren. Auch für die Anwendung der PL-Methode muss genügend Zeit eingeplant werden, um die Elemente der Methode zu ermitteln und schriftlich niederzulegen. Der dritte Schritt beschreibt die Planungsphase. Hierbei erfolgt zunächst eine Bestandsaufnahme der Ressourcen (zum Beispiel Anzahl der Mitarbeiter/innen, Finanzen, Räumlichkeiten, Voraussetzungen der Kommune/Gemeinde). Anschließend werden die Planungsaktivitäten beschrieben. Hierunter fallen alle Aktivitäten, die ein Projekt leisten muss, um eine Maßnahme zu entwickeln. Überlegungen, ob eine Weiterbildung von Mitarbeiter/innen notwendig ist, um sie für die Durchführung der Intervention zu qualifizieren, gehören beispielsweise dazu. Des Weiteren muss geklärt werden, wie die Konzeption der präventiven/ gesundheitsfördernden Maßnahme aussehen soll. Hier sind auch die Auswahl und die Bestandsaufnahme des Bedarfs der Zielgruppe von Bedeutung. Schließlich, in Schritt vier, erfolgt die Durchführung der Maßnahme/Intervention. An dieser Stelle werden alle Aktivitäten innerhalb des Angebotes beschrieben. Partizipation braucht Zeit und personelle Ressourcen Interview mit Uwe Nowotsch, Projektleiter bei „Fixpunkt“ „Fixpunkt“ leistet aufsuchende Arbeit mit in der Öffentlichkeit Alkohol konsumierenden Menschen im Bezirk Spandau und arbeitet mit den Methoden der partizipativen Qualitätsentwicklung. Info_Dienst: Welche Bedeutung hat Partizipation für Ihre Arbeit? Nowotsch: Partizipation spielt bei unserer Arbeit eine große Rolle. Partizipative Arbeitsansätze sind im Träger auf verschiedenen Ebenen verankert. So hat der Träger u.a. an dem Projekt „Paritzipative Qualitätsentwicklung“ der DAH teilgenommen. Beim momentanen Aufbau des Projekts in Spandau beziehen wir die Ziel- gruppen unserer Arbeit aktiv mit ein. Sie entscheiden zum Beispiel bei der Frage mit, ob es eine „nasse“ Einrichtung (Einrichtungen, in denen das „kontrollierte Trinken“ praktiziert wird. Anm. d. Red.) werden soll oder welche Tätigkeiten das Beschäftigungsangebot beinhalten wird. Info_Dienst: Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Vorteile partizipativer Methoden, was die Nachteile? Nowotsch: Der zentrale Vorteil partizipativer Methoden liegt m.E. darin, dass Einrichtungen ein Angebot bieten können, dass im besten Der fünfte Schritt beschreibt die Ergebnisse der Maßnahme, also die unmittelbare Wirkung und die Breitenwirkung. Die unmittelbaren Wirkungen kennzeichnen erhoffte Ergebnisse der Intervention. Die Breitenwirkung beschreibt die (möglichen) Wirkungen, die über die unmittelbaren (zielgruppenbezogenen) Wirkungen hinausgehen (Verhältnisprävention). Diese schließen nicht nur beabsichtigte, sondern auch unbeabsichtigte Wirkungen ein: Wenn sich beispielsweise im Rahmen eines Sprachkurses für Migrant/innen eine Selbsthilfegruppe bildet, die sich für die Belange ihres Quartiers engagiert. Es bietet sich an, die Methode der Projektlogik zu benutzen, um sich einen Überblick zu verschaffen und dann mit der Methode zur Entwicklung lokaler Ziele und Wirkungswege (ZiWi-Methode) die Projektlogik differenzierter darzustellen. Die Schlichtheit der Methode ist Stärke und Schwäche zugleich. Sie erlaubt nicht, in die Tiefe zu gehen. Wirkungswege einer Intervention werden außer Acht gelassen und Bezüge zum Kontext werden nicht hergestellt. Unter www.partizipative-qualitaetsentwicklung.de finden Sie im „Methodenkoffer“ weitere Informationen zur Methode der Projektlogik und zahlreiche weitere Instrumente und Praxisbeispiele (Martina Block, Hella von Unger, Michael T. Wright 2008). Marco Ziesemer Falle von Anfang an auf die Bedarfe der Zielgruppe abgestellt ist, da diese in Planung und Durchführung beteiligt waren. Partizipation braucht allerdings auch Zeit und personelle Ressourcen, was im Projektalltag nicht durchgängig zu gewährleisten ist. Info_Dienst: Wie und zu welchem Zweck haben Sie die Methode „Projektlogik“ eingesetzt? Nowotsch: Zu Beginn des Streetworkprojekts in Spandau haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts eine Exploration des Maßnahmegebiets durchgeführt, d.h. lokale Akteure, Anwohner, Angehörige der Zielgruppe befragt und teilnehmende Beobachtungen durchgeführt. Ich habe die Methode genutzt, um die Datenmengen auszuwerten, Schlussfolgerungen zu ziehen und für die Entscheider in der Bezirkspolitik aufzubereiten. Anhand der einfachen Systematik der Projektlogik ist das Vorgehen und die Beschreibung des Sachstands auch von Außenstehenden gut nachvollziehbar. Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Info_Dienst: Welche Erfahrungen haben Sie bei der Anwendung der Methode „Projektlogik“ im Rahmen Ihrer praktischen Tätigkeiten gesammelt? Nowotsch: Ich war überrascht, wie sehr die Methode mir geholfen hat, die Dinge zu strukturieren und einzuordnen. Nachdem ich das geschafft hatte, fiel es mir auch nicht mehr schwer, die aufbereitete Datenlage und meine Schlussfolgerungen analog der Projektlogik für den Zuwendungsgeber schlüssig zu Papier zu bringen. Gesunde Bundespolitik / Bewegung in Berlin-Brandenburg Bewegung in Berlin-Brandenburg Wozu dienen Gesundheitsziele? / Tag der Zahngesundheit / Gesundheits- und Bewegungsförderung bei älteren Menschen Stimmen zum Kongress Thomas Gebauer, Geschäftsführer medico international Welche Bedeutung hat der Kongress „Armut und Gesundheit“ im Hinblick auf die gerechte Verteilung von Gesundheitschancen? Wozu dienen Gesundheitsziele? 7. Landesgesundheitskonferenz am 28. Oktober in Berlin 11 Die Chance, Gesundheit für alle zu verwirklichen, war nie größer als heute. Der globale Reichtum und das Wissen über die Zusammenhänge des Lebens ließen es längst zu, allen den Zugang zu bestmöglicher Gesundheit zu ermöglichen. Die Realität aber ist eine andere. Die voranschreitende Kopplung von Gesundheit an die Kaufkraft der Einzelnen hat das Ziel in weite Ferne rücken lassen. Alljährlich werden über 100 Millionen Leute in die Armut getrieben, weil sie aus eigener Tasche für ihre Gesundheitskosten aufkommen müssen. Es ist höchste Zeit für Alternativen. Alternativen, die nicht alle neu erdacht werden müssen, sondern in den Kämpfen für die Durchsetzung und den Erhalt solidarischer Gesundheitssysteme bereits angelegt sind: im Süden wie im Norden. Es fehlt nicht an Ressourcen, sondern allein am Willen und der politischen Organisierung. Wo ließe sich letzteres besser entfalten, als an dem Ort, der in Deutschland wie kein anderer für „Public Health“ steht: dem Kongress Armut und Gesundheit! Informationen zu der Arbeit von medico international finden Sie unter: www.medico.de Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher auf der 7. Landesgesundheitskonferenz Verbessert sich die Gesundheit der älteren Bevölkerung durch die Formulierung von Gesundheitszielen? Oder, wie Dr. Matthias Wismar in seinem Eröffnungsbeitrag fragte: Wozu dienen Gesundheitsziele und wer hält sich dran? Die 7. Landesgesundheitskonferenz Berlin am 28. Oktober im Rathaus Schöneberg machte deutlich, dass allein während der Diskussion über mögliche Ziele und Maßnahmen schon viel Bewegung entsteht. Denn eines ist klar: Gesundheitsziele können nur eine Wirkung entfalten, wenn sich Viele in ihrem Handeln an den gemeinsamen Zielen orientieren und diese mittragen. In ihrem Eröffnungsbeitrag machte Senatorin Lompscher daher auch deutlich, dass die 7. Lan- desgesundheitskonferenz Teil eines Prozesses ist und die an diesem Tag erarbeiteten Ergebnisse in die Arbeit der LGK einfließen. Die Fachstelle für Prävention und Gesundheitsförderung, die als Geschäftsstelle fungiert und die LGK Berlin fachlich begleitet, unterstützt dieses Anliegen. Sie träge Sorge, dass die Arbeit in der Öffentlichkeit bekannt ist und sich Interessierte mit ihren Vorstellungen und Erfahrungen einbringen können. Die Fachforen in diesem Jahr griffen wieder Aspekte aus dem Gesundheitszielprozess „Selbständigkeit und Lebensqualität im Alter“ auf. Zum wichtigen Handlungsfeld der psychischen Gesundheit beleuchtete ein Fachforum, Bewegung in Berlin-Brandenburg welche Unterstützung ältere Menschen in Lebenskrisen benötigen. Stand im letzen Jahr das „demenzfreundliche Krankenhaus“ im Mittelpunkt, wurde in diesem Jahr das Konzept der „demenzfreundlichen Kommune“ anhand von Beispielen aus den Bezirken Lichtenberg und CharlottenburgWilmersdorf in einem Fachforum vorgestellt. Weiterführend soll beraten werden, wie solche Modelle, die auf die Integration von dementen Menschen in das tägliche Leben im Kiez abzielen, übertragen werden können. Zur Weiterentwicklung der geriatrischen Versorgung in der Stadt griff das Fachforum III die Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Forderungen von der 6. Landesgesundheitskonferenz 2009, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen für ältere Menschen zu verbessern, auf. Ausgehend vom Geriatriekonzept 2010 der Ärztekammer Berlin wurde über Maßnahmen diskutiert, die dienlich sind, Lücken in der geriatrischen Versorgungskette zu schließen. Dass Männer und Frauen anders altern, zeichnet sich nicht nur in den statistischen Zahlen der Gesundheitsberichterstattung ab, sondern auch in einem unterschiedlichen Gesundheitsverhalten. Im Fachforum IV ging es daher besonders um die Konsequenzen für die so stellte auch Daniel Rühmkorf abschließend fest. „Lachen ist gesund“ Jubiläumsveranstaltung zum 20. Tag der Zahngesundheit 2010 Rühmkorf und Oberbürgermeisterin Dr. Dietlind Tiemann prämiert. Die originellsten und kreativsten Entwürfe waren in einer Ausstellung im Foyer des Theaters zu sehen. Nach der Preisverleihung erlebten über 400 Schülerinnen und Schüler aus 12 Schulen eine mitreißende interaktive Bühnenshow zur Kariesprophylaxe des Künstlers „Mausini“. 12 Seit 1991 rückt der „Tag der Zahngesundheit“ im September bundesweit die Mundgesundheit ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der traditionelle Slogan „Gesund beginnt im Mund“ wird alljährlich durch ein aktuelles Motto ergänzt. „Lachen ist gesund“ lautete das Motto im Jubiläumsjahr 2010 und macht die Freude über die Erfolge der Prävention deutlich. Die Stadt Brandenburg an der Havel war am 9. September Gastgeber der Jubiläumsveranstaltung des Landes Brandenburg zum 20. Tag der Zahngesundheit. Den Auftakt bildete die Preisverleihung zum Schülerwettbewerb „Tolle Zähne – na logo!“. Um der Brandenburger Gruppenprophylaxe ein Erkennungszeichen zu geben, hatte die Gesundheitsministerin im März alle Fünftklässler des Landes aufgerufen, ein Logo zu entwerfen. Der Schülerwettbewerb wurde ein voller Erfolg. 1.091 Einsendungen aus 17 Landkreisen und kreisfreien Städten bewertete eine 7-köpfige Jury. 4 Preisträger wurden ausgewählt. Diese wurden im Brandenburger Theater von Staatssekretär Dr. Daniel Ausgestaltung präventiver und medizinischer Angebote. Deutlich wurde aber auch, dass anders altern auch heißen kann, dass homosexuelle Menschen in die Jahre kommen und vorurteilsfreie und akzeptierende Unterstützungsangebote brauchen. Abschließend betonte Gesundheitsstaatssekretär Prof. Hoff den Wunsch, dass sich weiterhin so viele Akteure an den regen Diskussionen der LGK Berlin beteiligen. Von der Veranstaltung wird es eine schriftliche Dokumentation geben, die über die Fachstelle bezogen werden kann. Stefan Pospiech „Kinderzähne heute viel gesünder“ Parallel dazu fand für die Gäste aus den Bereichen Gesundheit, Bildung, Politik und Verwaltung eine Fachtagung statt. Dr. Daniel Rühmkorf erläuterte Strukturen und Inhalte des Bündnisses Gesund Aufwachsen in Brandenburg und dem Gesundheitszieleprozess zur Kindergesundheit. Dr. Elke Friese, Referatsleiterin im Gesundheitsministerium, stellte das Handlungsfeld Mundgesundheit und die Ergebnisse der für 2010 vereinbarten Mundgesundheitsziele vor. So haben 63 Prozent der 5 Jahre alten Kita-Kinder kariesfreie Gebisse und 12 Jahre alte Schüler/innen haben inzwischen weniger als einen bleibenden Zahn mit Karieserfahrung (DMF-T 0,8). Bei den 15-jährigen Jugendlichen liegt dieser Wert bei 1,9. Die Zielstellungen zur Mundgesundheit wurden landesweit erreicht. Ein deutlicher Kariesrückgang und messbarer Gesundheitsgewinn ist in allen Altersgruppen zu verzeichnen, so Elke Friese. „Kinderzähne sind heute viel gesünder als vor 20 Jahren. Dazu hat vor allem das Engagement der Zahnärzt/innen, Eltern, Lehrer/innen, Krankenkassen und Teams der Zahnärztlichen Dienste beigetragen, das weit über den Tag der Zahngesundheit ausstrahlt“, Den wissenschaftlichen Schwerpunkt der Fachtagung bildete der Vortrag von Prof. Roswitha Heinrich-Weltzien, Universität Jena. Sie referierte über die Besonderheiten der Mundgesundheit im Kleinkindalter. Die Darstellungen der frühkindlichen Karies mit ihren multikausalen Ursachen und Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder waren für die Zuhörer/innen besonders beeindruckend. Ingo Ziswiler, Schulzahnklinik Basel, erläuterte aus Schweizer Sicht die Veränderungen im Prophylaxebereich und stellte seine Erfahrungen mit der interdisziplinäre Zusammenarbeit vor. Als gelungenes und erfolgreiches Praxisbeispiel informierte Dr. Petra Haak aus Frankfurt (Oder) über das Präventionsprojekt „Kita mit Biss“. Erfolge von Prävention fortsetzen Die Veranstaltung verdeutlichte, dass Mundgesundheit ein integraler Bestandteil der Kindergesundheit ist. Die Arbeit in Netzwerken weiter zu entwickeln ist von großer Bedeutung, um den Gesundheitsgewinn für die Kinder und Jugendlichen nachhaltig zu sichern und weiter auszubauen. Um die Mundgesundheit der Brandenburger Kinder und Jugendlichen weiter zu verbessern, soll auch die Erfolgsgeschichte der Prävention fortgesetzt werden. Neue Zielstellungen bis zum Jahr 2020 zeigen, in welche Richtung alle Beteiligten gehen werden. Nachzulesen sind sie unter: www.buendnis-gesund-aufwachsen.de. Bettina Bels Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Bewegung in Berlin-Brandenburg Gesundheits- und Bewegungsförderung bei älteren Menschen Chancen für alternde Kommunen in Brandenburg Stimmen zum Kongress Staatssekretär Dr. Daniel Rühmkorf, Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg Wie schätzen Sie die Bedeutung des Kongresses „Armut und Gesundheit“ ein? In Zusammenarbeit mit der Stadt Eberswalde fand am 16. September 2010 die Fachtagung „Alternde Kommunen als Chance!? Ressourcen einer sozialraumbezogenen Gesundheits- und Bewegungsförderung bei älteren Menschen“ statt. 160 Teilnehmer/innen unter anderen aus Brandenburger Städten und Kommunen, Seniorenvertretungen, Wohlfahrt, Wohnungsunternehmen und Soziale-Stadt Quartieren waren der Einladung des Zentrums für Bewegungsförderung Brandenburg gefolgt. Dabei standen die Themen Barrierefreiheit, ansässige Wohnungsunternehmen als Kooperationspartner und generationenverbindende Maßnahmen im Mittelpunkt der Diskussionen in den Fachbeiträgen und Workshops. Alternde Kommune als Chance! In seinem bewegenden Grußwort machte der Bürgermeister der Stadt Eberswalde Friedhelm Boginski deutlich, dass auch seine Stadt altert und er dennoch große Potenziale sieht. „Die über 65-Jährigen hatten 1990 einen Anteil von 5.500 Menschen in unserer Stadt. Mittlerweile sind wir bei 11.000 und ich darf ganz klar sagen, die Tendenz ist steigend. Und das deutet auch an, wo wir Probleme haben. Trotzdem setze ich hinter die Frage „Alternde Kommune als Chance?“ nicht ein Fragezeichen, sondern ganz klar ein Ausrufezeichen. Ich sehe da wohl eine Chance und finde den Slogan Alter hat Zukunft sehr passend. Nicht nur, weil ich selbst in eine Phase des persönlichen Alterns komme. Ich glaube wirklich, dass man sich dieser Entwicklung als Stadt stellen und versuchen sollte, positive Ansätze zu finden. (…) Politik, Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürger sind gefordert, gemeinsam Konzepte für eine alternde Kommune zu entwickeln, sodass wir hinter diese Chance auch wirklich ein Ausrufezeichen setzen können. Ich persönlich sehe sehr optimistisch in die Zukunft“, so Boginski. Partner und Netzwerke für verbesserte Lebensqualität In ländlichen Gemeinden braucht es Partner und Netzwerke, die sich gemeinsam dem Thema gesund Altern widmen. Die häufig von Rückbau und Abwanderung betroffenen Kommunen können entstehende Freiflächen zum Beispiel für Generationenparks sinnvoll nutzen. In Kooperation mit Wohlfahrtsverbänden, Sportvereinen und ortsansässigen Wohnungsunternehmen entstehen dann aktive Begegnungsstätten für Jung und Alt im Stadtteil. So kann die Lebens- und Wohnqualität von älteren Menschen verbessert werden und die Attraktivität des Viertels steigt. Wie solch gute Praxis gelingen kann, zeigte Jan Toron vom SV Medizin Eberswalde e.V. im Rahmen eines Workshops. In der Abschlussdiskussion machten Vertreter/innen der Interessenverbände von Senior/innen darauf aufmerksam, die Zielgruppe in die Entwicklung von Maßnahmen mit einzubeziehen. So könnte konkret nach den Bedürfnissen älterer Menschen gehandelt werden. In der Folge wären auch Akzeptanz und Inanspruchnahme höher. Gesundheit Berlin-Brandenburg wird den Prozess der Bewegungs- und Gesundheitsförderung bei älteren Menschen weiter begleiten. Ein Beitrag hierzu ist das Expertenforum im Dezember zum Thema ältere Männer im Sport. Marisa Elle Seit Jahren besuche und begleite ich den Kongress „Armut und Gesundheit“. Nicht etwa, weil es Anfang Dezember so üblich ist, sondern weil ich mich mit meiner Teilnahme klar an der Seite der Schwachen in unserer Gesellschaft aufstelle und gleichzeitig meine Bereitschaft zur Veränderung zum Ausdruck bringen möchte. Dieser Kongress hat es geschafft, die schambesetzte Situation vieler armer Menschen und ihre gesundheitliche (Unter-) Versorgung in den Mittelpunkt zu stellen. In einem der reichsten Länder der Welt wird Armut gerne ausgeblendet. Der jährliche Kongress ist deshalb ein steter Dorn im Fleische einer oftmals selbstzufriedenen Gesellschaft. Der jährliche Austausch von Akteuren, die der Gesundheit auch der Armen verpflichtet sind; die Benennung von Gesundheitszielen, aber auch die Vorstellung von Projekten: Ohne diesen Kongress würden einem besonderen Bereich der Gesundheitsversorgung wichtige Impulse verloren gehen. 13 Kinder und Jugendliche Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 – erstmal schön krank werden, sonst können wir Euch nicht helfen! Kinder und Jugendliche Kinder sind nicht nur „Heranwachsende“/ Netzwerke Gesunde Kinder Kinder sind nicht nur „Heranwachsende“ 14 Ressourcen- statt Defizitorientierung für Kindeswohl Diese Defekt- und Defizit-Orientierung spiegelt sich in allen fachlichen Blickwinkeln auf Kindheit: Die Pädagogik geht vom unwissenden Kind aus, die Sozialpädagogik vom hilfebedürftigen; die Psychologie kennt zunächst Bindungsstörungen und Entwicklungsverzögerungen, die Pädiatrie screent den kindlichen Körper auf Erkrankungen. Dabei wird in der konkreten Arbeit mit den Kindern in allen Bereichen deutlich, dass Lernprozesse hin zu mehr Wohlbefinden – der Wortstamm von ‚Kindeswohl’ – stets über positive Motivation angestoßen wird. Auch wenn dieser positiven Ressourcenorientierung durch rechtliche und medizinische Vorgaben oft Grenzen gesetzt werden, brechen sie sich doch Bahn in Praxis und Wissenschaft. Dabei zeigen sich in den verschiedenen fachlichen Disziplinen neben Gemeinsamkeiten auch Unterschiede in den Konzepten sowie der Terminologie. Sprechen wir in den Gesundheitswissenschaften von Salutogenese, passt das in der Psychologie dominierende Ressourcenmodell vor allem auf den ResilienzBegriff. In der Elementarpädagogik wird von „Respekt“ gesprochen und einer professionellen Haltung zum „Kind im Blick“, was sich für die Inklusionspädagogik und die DiversityStudies durchaus übersetzen lässt in Wertschätzung von Vielfalt. Während die Sozialpädagogik das Konzept der Lebensweltorientierung hochhält und sich dabei stark auf den gemeindepsychologischen Ansatz von Empowerment bezieht, meint die Übersetzung als Setting-Ansatz in der Primärprävention etwas durchaus anderes – ganz zu schweigen vom Begriff des therapeutischen Settings, wie er in Pädiatrie und Psychologie verwendet wird. „Kinderarmut – Lebensrealitäten und Praxisansätze“ Die wachsende Zahl von Kindern und Familien in Armut zeigt deutlich, dass soziale Benachteiligung und Chancenungleichheit nicht nur Randthemen der Gesellschaft sind, sondern Zukunftsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt existenziell bedrohen. Doch unser Versorgungssystem springt weiterhin immer dann an, wenn Defizite festzustellen sind, das Kind sprichwörtlich bereits in den Brunnen gefallen ist. Förderungen und Unterstützung im Sozial- und Gesundheitswesen erfolgen immer erst dann, wenn Diagnosen Erkrankungen feststellen: Schreibabys, jugendliche Essstörungen oder Baby-Blues müssen sich erst zu körperlichen Symptomatiken oder manifesten Depressionen ausweiten, bevor sie „behandelt“ werden. Unterhalb der Schwelle akuter Behinderung oder Behinderungsbedrohung besteht kein Rechtsanspruch auf Jugend- und Familienhilfe Statt sich aber in dieser babylonischen Sprachverwirrung zu verlaufen, zielt die Satellitenveranstaltung „Kinderarmut – Lebensrealitäten und Praxisansätze“ zum 16. Kongress Armut und Gesundheit am Donnerstag, 2.Dezember im Rathaus Schöneberg darauf ab, den verschiedenen Gedankengängen und fachlichen Logiken zu folgen, um Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und eine Sprache zu finden. Das Ziel: Gesunde Kinder und der Abbau sozialer Ungerechtigkeiten. Hier zeigt sich fächerübergreifend, dass ein früher präventiver lebensweltgestaltender Ansatz notwendig ist, eine Gesundheits- statt Krankheitsorientierung. Hier können die Kindheitswissenschaften einen wichtigen Beitrag leisten, bündeln sie doch Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 multidisziplinär verschiedene Sichtweisen auf das Kind. Dabei herauszustellen ist die kindheitswissenschaftliche Prämisse der ‚Subjektorientierung’, also die Lebensrealität der Kinder in den Vordergrund zu rücken. Kinder sind im Sinne eines emanzipatorischen Verständnisses nicht nur Zukünftige/ Werdende/ „Becomings“, sondern vor allem leben sie im hier und jetzt als „Beings“ (Seiende). Als Kinder haben sie ihre eigenen Interessen – die nicht nur über ihre Zukunft als Erwachsene bestimmt sind! Und diese sind völlig unterschiedlich: Jedes Kind hat andere Interessen, verschiedene Kinder und Jugendliche Fähigkeiten und Ausdrucksformen. Auch wenn wir sie zum Beispiel gesellschaftskritisch als Produkte ihrer (benachteiligten) Lebensverhältnisse sehen, so empfinden sie auch diese deprivierte Lebenssituation als ihre eigene. Besonders deutlich zeigt sich dies in den jüngsten Ergebnissen aus der Kinderarmutsforschung: Die Kinder selber wehren die Zuschreibung als arm oder benachteiligt strikt ab. Schon die Diskussion darüber empfinden sie als Angriff auf ihre Familien und verwehren sich strikt gegen solcherart Loyalitätskonflikte, die ihnen mit dieser Außen-Zuschreibung Interview mit Colin MacDougall Assoziierter Professor für Public Health an der Flinders Universität, Adelaide, South Australia Info_Dienst: Professor MacDougall, einer ihrer Forschungsbereiche ist der Aushandlungsprozess zwischen Eltern und Kindern über selbständige Mobilität. Warum halten sie Mobilität für ein wichtiges Thema? MacDougall: Selbständige Mobilität hat einen hohen Stellenwert nicht nur für körperliche Bewegung sondern auch für Bildung und die kindliche Entwicklung hin zu selbständigen Erwachsenen. Außerdem ist selbständige Mobilität ein Indikator dafür wie unsere Gesellschaft Sicherheit und die Entwicklung von Kindern bewertet. Info_Dienst: Welches sind die aktuellen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Der 16. Kongress „Armut und Gesundheit“ bietet auch in diesem Jahr zahlreiche Möglichkeiten, die gesundheitliche Lage von Kindern und Jugendlichen zu diskutieren. Die Workshops zu den Themen „Kinder und Jugendliche“ und „Frühe Hilfen“ bilden hierbei den Schwerpunkt. Das Themenspektrum ist breit: So stehen Themen wie Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen, Zugänge zu Kindern und Jugendlichen, Prävention von Kinderunfällen sowie Sexualaufklärung und Familienplanung auf der Tagesordnung. Zudem verdeutlichen zahlreiche Projekte, wie die Gesundheit von Kindern in den Settings „Kita“ und „Schule“ nachhaltig gestärkt werden kann. In diesem Zusammenhang werden auch Ansätze der schulischen Mobbing-Prävention und zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen thematisiert. verpasst wird. Sobald wir uns in die innere Logik armutsbetroffener Kinder hineindenken, sehen wir deutlich ihre berechtigte, rationale Abwehr gegen unseren Armutsbegriff, der sie eben auch schnell zu Objekten macht und ihnen den Subjekt- und Autonomiestatus streitig macht. Aber gerade darin liegt ihr hohes Selbstwirksamkeits- und folgend Gesundheitspotenzial, das beim Satelliten kindheitswissenschaftlich-multidisziplinär herausgearbeitet werden wird. Raimund Geene, Claudia Höppner Herausforderungen in der kindzentrierten Forschung? MacDougall: Es gibt viele Herausforderungen. An dieser Stelle möchte ich zwei von ihnen benennen: Wir müssen einer einseitigen, erwachsenenzentrierten Sicht auf Kinder entgegentreten. Und wir müssen „gender“ als ein machtvolles gesellschaftliches Konstrukt vermehrt in den Blick nehmen. Mehr darüber können sie bei meinem Vortrag auf dem Satellitenkongress am 2. Dezember. erfahren. Ich freue mich auf eine spannende Diskussion. Info_Dienst für Gesundheitsförderung Zeitschrift von Gesundheit Berlin-Brandenburg Sie möchten den Info_Dienst regelmäßig und kostenlos per Post beziehen? Dann senden uns das Formular per Post an Gesundheit Berlin-Brandenburg, Friedrichstr. 231, 10969 Berlin oder per Fax an 030 – 44 31 90 – 63. Bestellungen sind auch möglich per Mail an [email protected] oder telefonisch unter 030 – 44 31 90 60. Meine dienstliche Name, Vorname: Institution: Straße: PLZ, Ort: Telefon: Telefax: E-Mail: private Kontaktadresse lautet: 15 Kinder und Jugendliche Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Frühe Hilfen für Eltern und Kinder Ergebnisse zur Evaluation der Netzwerke Gesunde Kinder im Land Brandenburg Im Gefolge einer in den letzten Jahren zunehmenden Berichterstattung über Kindeswohlgefährdung haben viele Kommunen eine Neustrukturierung der Jugendhilfe vorgenommen. Auch Bundes- und Landesministerien haben mit Aktivitäten auf das Problem reagiert. So hat das Bundesfamilienministerium im Jahr 2006 das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) ins Leben gerufen. Die Landesregierung in Brandenburg hat in einem Maßnahmenpaket für Familien- und Kinderfreundlichkeit im Dezember 2005 unter anderem folgende Vorhaben vorgestellt: ■ Eltern-Kind Zentren ■ Netzwerke Gesunde Kinder (NGK) ■ Lokale Bündnisse für Familien 16 Eine vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) im Jahr 2006 durchgeführte Evaluation1 zeigte, dass die Projekte zur Familienhilfe mehrheitlich einen risikogruppenspezifischen Ansatz wählen. Die grundsätzlichen Charakteristiken der Brandenburger Netzwerke sind dagegen: 1. Vernetzung aller Akteure und Leistungen von Gesundheit (SGB V) und Jugendhilfe (SGB VIII) 2. Anbindung der Netzwerkorganisation an Institutionen auch jenseits der Gesundheitsoder Jugendämter 3. Familienbesuche durch ehrenamtliche Patinnen zu mindestens 10 Terminen 4. Bevölkerungsweiter, nicht risikogruppenspezifischer Ansatz Evaluation der „Netzwerke Gesunde Kinder“ Die NGK werden seit 2007 intern und extern vom Berliner Institut FB+E evaluiert. Zentrale Evaluationskriterien sind: ■ Netzwerkaufbau und –transfer (darunter der Aufbau der Netzwerke an den einzelnen Standorten und auch die Gewinnung von ehrenamtlichen Paten) ■ Gewinnung von Familien ■ Förderung der gesundheitlichen und sozialen Entwicklung der Kinder bis zum Alter von 3 Jahren Bisherige Ergebnisse Netzwerkaufbau Das erste Netzwerk wurde im Juni 2006 in Senftenberg und Lauchhammer gestartet. Noch im gleichen Jahr kamen die Stadt Ebers- walde und der gesamte Kreis Havelland dazu. Im Jahr 2007/2008 wurden 9 weitere Standorte etabliert, im Jahr 2009/2010 weitere 6, so dass derzeit 18 Standorte bestehen. Lediglich im Landkreis Prignitz und in Potsdam sowie Frankfurt/Oder gibt es bislang noch keine Netzwerke. Netzwerkstandorte Die Trägerstruktur ist heterogen und reicht von Kliniken über Gesundheits- und Jugendämter bis zu Vereinen und Trägern der freien Wohlfahrtshilfe. Alle Netzwerke verfügen über eine Netzwerkorganisation, in der neben der Pro- Senftenberg und Lauchhammer sowie im Havelland mit 50% bzw. 40% sehr hohe Reichweiten realisiert werden. Insgesamt können Orientierungsgrößen in Abhängigkeit von der Laufzeit genannt werden. Im ersten Jahr sollten ca. 10%, im zweiten Jahr ca. 20%, im dritten Jahr bis zu 35% und im vierten Jahr schließlich mindestens 50% der neugeborenen Kinder erreicht werden. Soziale Struktur der Familien Auch wenn es sich um einen bevölkerungsweiten Interventionsansatz handelt, zeigt die Analyse der Struktur der teilnehmenden Familien, dass alle sozialen Schichten erreicht werden, aber deutlich überproportional auch Familien mit niedrigem Sozialstatus. Gesundheitliche Situation der Kinder Auch wenn die Prüfung der gesundheitlichen Effekte erst durch eine vergleichende Analyse Gesundheitszustand der Kinder nach dem Schulabschluss der Mutter jektleitung und -koordination die Lenkungsgruppe die zentrale Vernetzungsinstitution darstellt, da sie sich in der Regel aus allen relevanten Akteuren der Region zusammensetzt. Im Rahmen einer Kofinanzierung durch das Landesfamilienministerium verpflichten sich die Netzwerke, die genannten Ziele und Methoden zu verfolgen und sich an der Evaluation zu beteiligen. Mit einer Ausnahme im Havelland, das im ersten Lebensjahr der Kinder mit Hebammen aufsuchende Arbeit leistet, arbeiten alle Netzwerke mit Ehrenamtlichen, so dass die Zahl und Qualifikation der Paten zu einer Grundbedingung einer erfolgreichen Netzwerkarbeit gehört. Die Eignung der Paten ist durch intensive Bewerbergespräche und ihre Qualifikation durch umfangreiche, standardisierte Schulungen gesichert. Zahl der Paten und Familien Insgesamt werden in den NGK derzeit ca. 3000 Familien von insgesamt etwa 1000 Paten betreut. Allerdings sind die Zahlen an den einzelnen Standorten sehr unterschiedlich und von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Die Qualität der Netzwerkarbeit kann allerdings nicht mit absoluten Zahlen bewertet werden, vielmehr müssen diese Zahlen auf die Geburtenzahlen im jeweiligen Standort bezogen werden und um die Laufzeit standardisiert werden. Zusammenfassend kann zu dieser Programmreichweite gesagt werden, dass in zwischen Netzwerkkindern und Nichtnetzwerkkindern auf der Grundlage der KITA-Untersuchungen vorgenommen werden kann, zeigt eine erste Analyse des Gesundheitszustandes der Kinder, dass die üblichen sozialepidemiologischen Befunde hierzu nicht bestätigt werden können. Der Gesundheitszustand der Netzwerkkinder unterscheidet sich nicht nach der sozialen Lage der Familie. Bei aller Vorsicht hinsichtlich der noch relativ geringen Fallzahlen halten wir diesen noch summativen Befund für einen ersten positiven Ergebnisindikator der Netzwerkarbeit. Zusammenfassend kann den Netzwerken insgesamt eine bisher sehr gute Arbeit attestiert werden, die allerdings auch in der weiteren Gewinnung von Paten und Familien verstetigt und auch noch optimiert werden muss. Hendrik Karpinski, Simone Weber (Klinikum Niederlausitz) und Wolf Kirschner (Forschung Beratung + Evaluation, Berlin) 1 DJI: „Kurzevaluation von Programmen zu frühen Hilfen für Eltern und Kinder und sozialen Frühwarnsystemen in den Bundesländern“, Abschlußbericht, 2006 Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Altern und Gesundheit Altern und Gesundheit Gesund und aktiv älter werden / „Gesund Altern“ auf dem 16. Kongress Gesund und aktiv älter werden Satellitenveranstaltung am Donnerstag, 2. Dezember 2010 zum 16. Kongress „Armut und Gesundheit“ Im Jahr 2050 wird jeder Dritte 60 Jahre oder älter sein, wie aus Berechnungen des statistischen Bundesamtes hervorgeht. Und auch die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Diese Entwicklungen zeigen wie wichtig es ist, das Leben auch im Alter selbstbestimmt, aktiv und gesund zu gestalten. Obwohl die Menschen immer länger leben, haben viele Ältere ihren Alltag mit chronischen Erkrankungen und körperlichen Einbußen zu gestalten. Prävention und Gesundheitsförderung für ältere Menschen bergen deshalb in unserer älter werdenden Gesellschaft ein hohes Potenzial. Obwohl schon zahlreiche Projekte das Ziel verfolgen, die Gesundheit älterer Menschen nachhaltig zu stärken, gibt es noch eine Menge zu tun. Die Veranstaltung „Gesund und aktiv älter werden“ will dazu einen Beitrag leisten und thematisiert Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft. Ziel ist es auch, die Verbreitung erfolgreicher gesundheitsfördernder Konzepte zu unterstützen. In themenbezogenen Workshops sind Teilnehmende aus Wissenschaft, Politik, Verbänden und Praxis eingeladen, sich aktiv in die Diskussion um ein gesundes Älter werden einzubringen. Die Veranstaltung geht dabei im Besonderen auf die Belange sozial benachteiligter und schwer erreichbarer Bevölke- So wird beispielsweise thematisiert, wie die Selbstständigkeit älterer Menschen erhalten werden kann. Gezielte Bewegungsförderung spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle und stellt Inhalt eines Workshops dar. Ein weiterer Themenblock behandelt, wie sozial Benachteiligte an der Entwicklung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung beteiligt werden. Beispielhaft werden erfolgreiche partizipative Ansätze der Gesundheitsförderung bei älteren Menschen vorgestellt und diskutiert. Der dritte inhaltliche Schwerpunkt erörtert Ansätze, die gesundheitliche Versorgung und Beratung auch im Alter sicherstellen. Hier steht im Mittelpunkt, wie sozial benachteiligte Migrat/innen durch Beratungsangebote erreicht werden können. Auch das Thema Demenz und dessen Bedeutung für die medizinische Versorgung und Beratung von älteren Menschen werden behandelt. Anmeldungen für die Veranstaltung, die Gesundheit Berlin-Brandenburg in Kooperation mit der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durchführt, sind ab sofort unter www.satellit. gesundheitberlin.de möglich. Das vollständige Programm steht Ihnen unter www.armut-undgesundheit.de zur Verfügung. Vorbildliche Praxis 2010: „Gesund im Alter: Selbstbestimmt wohnen und aktiv bleiben“ Eine älter werdende Gesellschaft wirft im Besonderen die Frage auf, wie ein gesundes und aktives Alter in den eigenen vier Wänden sichergestellt werden kann. Innovative und zukunftstaugliche Wohn- und Lebensformen sind hier gefragt. Denn schließlich ermöglicht ein seniorengerechtes Wohnumfeld, Menschen auch im Alter so selbstbestimmt und aktiv wie möglich das eigene Leben zu gestalten. rungsgruppen wie zum Beispiel allein stehende, körperlich oder gesundheitlich eingeschränkte Personen und Migrant/innen ein. Gerade sozial Benachteiligte haben im Alter ein höheres Risiko körperliche Einschränkungen und Pflegebedürftigkeit zu erfahren. Der Preis „Gesund im Alter: Selbstbestimmt wohnen und aktiv bleiben“ thematisiert Herausforderungen an ein aktives und selbstbestimmtes Wohnen im Alter. Bis zum 1. November 2010 konnten sich Ansätze und Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet bewerben. Drei Gewinner werden auf der Veranstaltung „Gesund und aktiv älter werden“ am 2. Dezember 2010 prämiert. Der Preis möchte erfolgreiche Ansätze bekannter machen und zur Nachahmung anregen. Die drei Preisträger erhalten jeweils ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro. Als Grundlage für die Auswahl der Preisträger dienten die GoodPractice Kriterien des Kooperationsverbundes „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“. 17 Altern und Gesundheit / Soziale, gesunde Stadt Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Stimmen zum Kongress Ulrika Zabel, KompetenzZentrum Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe in Berlin (AWO+Caritas) Welche Bedeutung hat der Kongress „Armut und Gesundheit“ für Sie? Der bundesweite Kongress „Armut und Gesundheit“ jährt sich zum 16. Mal. Der Kongress hat sich zu einer nicht mehr wegzudenkenden Institution etabliert, ein verlässlicher Partner in Bezug auf das Anmahnen von Chancengerechtigkeit im Bereich Gesundheit. Die „Fachmesse“ ist ein unverzichtbarer jährlicher Treffpunkt für ressortübergreifenden Austausch mit vielen Akteuren zu den unterschiedlichen Themenbereichen im Gesundheitsbereich. Hier bekommen Teilnehmer/innen, praktisch Tätige und Betroffene gleichermaßen, die Gelegenheit, mit den politisch Verantwortlichen und Vertreter/innen der Krankenkassen, der Wissenschaft und der Ärzteschaft ins Gespräch zu kommen. 18 Der Kongress ist eine Schnittstelle, der vorhandene formelle sowie informelle Initiativen befördert und bündelt. Besonders vor dem Hintergrund einer Zuwanderungsgesellschaft bietet die Organisation Rahmenbedingungen für praxisnahe Best-Practice-Modellen zum Abbau von Ungleichheit in Bezug der Inanspruchnahme von Angeboten zur gesundheitlichen Förderung. In Folge dessen wäre dann noch ein barrierefreier Zugang zum Kongress für Interessierte und Betroffene, die über weniger materielle Ressourcen verfügen wünschenswert. „Gesundheit im Alter“ auf dem Kongress „Armut und Gesundheit“ Auch in diesem Jahr beleuchtet der Kongress zahlreiche Aspekte rund um das Thema „Gesundheit im Alter“. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, wie ein gesundes und selbst bestimmtes Älterwerden gewährleistet werden kann. Dabei werden beispielsweise auch Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung im Quartier sowie Folgen und politische Antworten auf Altersarmut diskutiert. Weitere Themen sind: „Pflegerische Versorgung – Gleiche Qualitätschancen für Alle?“, „Umwelt, Gesundheit und Alter(n)“ und „Verwirklichungschancen am Lebensende?“. Bitte beachten Sie auch die Satellitenveranstaltung „Gesund und aktiv älter werden“ am Donnerstag, 2. Dezember 2010 (mehr dazu in dem Beitrag auf Seite 17). Soziale, gesunde Stadt Soziale Stadt-Programm / Psychotherapeutische Versorgung von Migrant/innen Zukunfts- und Gesundheitschancen sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher verbessern! Soziale Stadt-Programm fördert gesundes Aufwachsen in Berlin Marzahn-Hellersdorf Kinder und Jugendliche brauchen ein anregendes und verlässliches Umfeld, um sich erfolgreich entwickeln zu können. Jungen und Mädchen, deren Familien besonderen sozialen Belastungen ausgesetzt sind, müssen zusätzliche Hürden überwinden, um ihre Entwicklungsaufgaben zu meistern. Sie sind in besonderem Maß auf Förderung der individuellen Potentiale angewiesen. Beginnend in der Schwangerschaft der Mutter, später in jeder Lebensphase, brauchen sie ein anregendes und beteiligendes Umfeld. Stärkung von Ressourcen in allen Lebensphasen Gesundheit Berlin-Brandenburg hat im Rahmen des Berliner Soziale Stadt-Programms Aktionsraum plus dazu ein Modellvorhaben entwickelt. Unter dem Motto „Zukunfts- und Gleichheitschancen sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher verbessern!“ geht es nicht vorrangig um die Gestaltung neuer Angebote. Vielmehr sollen bei Akteur/innen gesundheitsförderliche Kompetenz auf- und ausgebaut sowie die Qualität von Angeboten und Maßnahmen weiterentwickelt werden. Ziel ist es, die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen in jeder Lebensphase so zu gestalten, dass Prävention und Stärkung gesundheitsrelevanter Ressourcen Teil des Alltags werden. Besonders zu beachten sind dabei Phasen des Übergangs wie der Beginn der Elternschaft, der Eintritt in die Kita, der Übergang in die Grundschule und das Jugendalter mit Orientierung im Bezug auf die Berufs- und Lebensperspektive. Hier liegen Chancen und Risiken eng beieinander. Chancen, dass ein Übergang erfolgreich gelingt und sich gute Perspektiven für den nächsten Entwicklungsschritt eröffnen. Risiken, dass diese Phase zu Überforderung und Belastung führt, denen die Familien nicht gewachsen sind. Das Vorhaben „Zukunfts- und Gleichheitschancen sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher verbessern!“ unterstützt die Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (mehr dazu lesen Sie in einem Interview in diesem Info_Dienst) sowie die Gesundheits-, Jugend-, Bildungs-, Sozial- und Stadtentwicklungsressorts des Bezirks. Gemeinsames Ziel ist es, gerade die Kinder, Jugendlichen und Familien zu stärken, die auf Grund ihrer sozialen Lage einen besonderen Unterstützungsbedarf haben. So werden die Bedarfe armer Familien, insbesondere Alleinerziehender und junger Eltern, besondere Berücksichtigung finden. Das Projekt wurde im Mitte September 2010 Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 gestartet und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Im Rahmen der Förderung sollen erfolgreiche Ansätze, wie zum Beispiel der Familienbildungsgutschein des Bezirks, verbreitet und jeweils orientiert am Bedarf der Zielgruppen weiterentwickelt werden. Dass alle relevanten Ressorts bereits ihre Unterstützung signalisiert und erfolgreich in die Konzeptentwicklung des Modellprojekts eingebunden wurden, hat einen guten Start ermöglicht. Soziale, gesunde Stadt An der Förderung beteiligen sich, neben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Bezirk, auch die Senatsgesundheitsverwaltung und die gesetzlichen Krankenkassen. Sie haben einvernehmlich die Mittel für den Regionalen Knoten um jährlich 42.000 Euro erhöht. Damit wird auch sichergestellt, dass die Kompetenz, die im Rahmen des Kooperationsverbunds Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten in Sachen Qualitäts- Gesundes Aufwachsen von der Schwangerschaft bis zum Schulabschluss begleiten Interview mit Dagmar Pohle, Bezirksbürgermeisterin MarzahnHellersdorf, über das Projekt „Aktionsraum plus“ Info_Dienst: Was sind aus Ihrer Sicht die Chancen des Projektes für den Bezirk? Pohle: In Marzahn-Hellersdorf haben wir insbesondere in den Stadtteilen, in denen Gebiete der „Sozialen Stadt“ sind, gut funktionierende Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen sowie Erfahrungen mit (Modell)Projekten. Mit dem Modellvorhaben bietet sich die Möglichkeit, den für den Aktionsraum plus formulierten Handlungsansatz im Bereich Bildung mit Fokus auf die gesundheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu verknüpfen. Info_Dienst: Was sind die besonderen Herausforderungen in Marzahn-Hellersdorf? Pohle: Als Herausforderung sehe ich die Verknüpfung der Ressourcen vor Ort mit dem Modellvorhaben zur Weiterentwicklung von Strukturen. Zielstellung ist die nachhaltige Verankerung entsprechender Angebote. Das heißt, insbesondere mit den Akteuren und Gut versorgt, gut verstanden oder doch allein gelassen? Salongespräch im Familienplanungszentrum Balance am 15. September Berlin verfügt bundesweit über die höchste Dichte an psychologischen Psychotherapeut/innen, doch haben diese kaum Fremdsprachenkenntnisse. Zwischen 2002 und 2006 erhielten in Berlin 375 Therapeut/innen eine Approbation. Darunter waren nur acht mit Migrationshintergrund. Das stellt die von zahlreichen Vereinen und Einrichtungen formulierte „Berliner Erklärung“ zur Verbesserung der psychologischen Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund fest und fordert daher eine interkulturelle Öffnung des Gesundheitssystems. Über das Thema der psychologischen Versorgung von Migrant/innen debattierten unter dem Motto „Gut versorgt, gut verstanden oder doch allein gelassen?“ am 15. September 2010 rund 50 Teilnehmende in einem Salongespräch im Familienplanungszentrum Balance in Lich- tenberg. Die Veranstaltung war eine Kooperation von Balance und dem Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin (bzfo). Wie steht es um psychotherapeutische Versorgung von Einwander/innen? Dr. Meryam Schouler-Ocak, leitende Oberärztin an der Psychiatrischen Uniklinik der Charité und Leiterin des Berliner Bündnisses gegen Depression, plädierte in ihrem Vortrag dafür, die Kultur der Patient/innen, aber auch des/der Arztes/Ärztin, in der Behandlung zu berücksichtigen. Das Potenzial sprachlicher und kultureller Missverständnisse sei groß. „Es kann sein, dass sie völlig aneinander vorbei reden“, so Schouler-Ocak. Gründe dafür seien nicht nur geringe Deutschkenntnisse der Patient/innen, sondern auch unterschiedliche Bildungs- und Wissenshintergründe, Erwar- entwicklung aufgebaut wurde, diesem Vorhaben zugute kommt. Um die Übertragbarkeit der Ergebnisse des Modellvorhabens zu erleichtern, wurde parallel ein kleineres Tandemprojekt im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gestartet. Hier geht es vor allem Stärkung der Elternkompetenz. Der besondere Schwerpunkt liegt hier bei Familien türkischer und arabischer Herkunft. Andrea Möllmann Partnern vor Ort, vorhandene Ansätze bedarfsgerecht weiterzuentwickeln und zu sichern. Besonderer Schwerpunkt soll dabei auf Regionen des Aktionsraumes liegen, die bisher noch nicht im Blick der sozialen Stadtentwicklung lagen. Info_Dienst: Inwiefern kann das Projekt aus Ihrer Sicht einen Beitrag zur Verbesserung der Zukunfts- und Gesundheitschancen sozial benachteiligter Kinder- und Jugendlicher in Ihrem Bezirk leisten? Pohle: Mit der im Projekt entwickelten „Präventionskette“ besteht die Chance das gesunde Aufwachsen der Kinder beginnend mit der Schwangerschaft bis zum Schulabschluss zu begleiten. Die Entwicklung gesundheitsförderlicher Lebensstile bei Kindern und Jugendlichen wird durch die partizipative Gestaltung gesunder Lebenswelten gefördert. tungen und Vorstellungen über Krankheiten sowie unterschiedliche sprachliche Interpretationen. Schouler-Ocak machte zum Beispiel für Neukölln – hier leben rund 35.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund – einen Sonderbedarf von drei Türkisch sprachigen Psychotherapeut/innen aus. Im Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin (bzfo) werden pro Jahr über 500 Patient/innen betreut. Derzeit kommen die meisten von ihnen aus der Türkei, Tschetschenien und dem Iran, viele leiden unter Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD). Wie Katrin Schock vom bzfo berichtete, werden für ihre Behandlung muttersprachliche Dolmetscher/innen eingesetzt. Praktische Einblicke in die Kriterien einer guten psychologischen Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund gab die Psychologin und Psychotherapeutin Anisa Saed-Yonan, die im Verein SOS-Kinderdorf in Moabit in der Erziehungs- und Familienberatung tätig ist. Saed-Yonan berät insbesondere Familien mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund. Sie hat festgestellt, dass die Familien zu ihr – unabhängig von ihren Deutschkenntnissen – zunächst ein größeres Vertrauen 19 Soziale, gesunde Stadt / Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt hätten als zu Therapeut/innen deutscher Herkunft. Der Andrang ist groß: Auf ein Erstgespräch warten die Betroffenen bis zu vier Wochen. Saed-Yonan sagte, dass sich über die Beratung bei den Eltern „ein neues Bewusstsein“ entwickelt habe. In Moabit habe sich herumgesprochen, dass der SOS-Kinderdorf e.V. ein multiethnisches Team hat, was auch Familien mit anderen Migrationshintergründen anspricht. Mittlerweile sei das Vertrauen der Eltern in die Beratung so groß, dass sie nun auch Beratungsgespräche mit den deutschen Mitarbeiter/innen in Anspruch nähmen. Aufgabe des Familienplanungszentrums Balance ist es, Männer und Frauen aller Nationalitäten zu Themen wie etwa Partnerschaft, Sexualität, Lebensgestaltung zu beraten und zu unterstützen. Je nach Bedarf können Dolmetscher/innen in der jeweiligen Sprache für die Beratung eingesetzt werden. Isabel Merchan Stimmen zum Kongress 20 Prof. Dr. Matthias David, Charité Berlin – Klinik für Frauenheilkunde Wie wichtig ist für Sie der Kongress „Armut und Gesundheit“ im Hinblick auf das Thema „Migration und Gesundheit“? In bewährter Weise findet nun schon zum fünften Mal das Migrationssymposium der Charité-Frauenklinik unter dem Dach des bundesweiten Kongresses „Armut und Gesundheit“ statt, wiederum in Kooperation mit der Alice Salomon Hochschule, in diesem Jahr zum Thema: „Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindheit – wie beeinflussen Migration und Akkulturation soziale und medizinische Parameter?“ Für uns bietet diese interdisziplinär ausgerichtete Veranstaltung das ideale Forum, um ein interessiertes Fachpublikum verschiedener Professionen zu erreichen. Unsere kleine Arbeitsgruppe bemüht seit 1996 um eine kontinuierliche Forschung zum Thema „Migration und Gesundheit/ Krankheit“. Dieser wissenschaftliche Schwerpunkt, die Migrationsstudien wie auch die Versorgungsforschung allgemein, sind in Deutschland in medizinischen Publikationen und auf medizinisch-wissenschaftlichen Kongressen immer noch ein Randthema. Deshalb danken wir dem Organisationsteam von „Armut und Gesundheit“ für die langjährige gute Zusammenarbeit. Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt Gesundheitsförderung bei Langzeitarbeitslosen / Gesundheitsrisiko Erwerbslosigkeit / Schichtarbeit und Gesundheit / Haftpflichtversicherung von Hebammen Gesundheitsförderung bei Langzeitarbeitslosen Fachgespräch am 13. Oktober in Berlin Die gesundheitlichen Belastungen durch Arbeitslosigkeit sind vielfach gut belegt. Das Problem ist zunehmend Thema sowohl bei den Akteuren aus Arbeitsförderung als auch der Gesundheitsförderung und Prävention. Die Programme, die bislang entwickelt wurden (zum Beispiel JobFit, AmigA, AktivA), können ihre positiven Wirkungen belegen. Eine systematische Einbindung gesundheitsfördernder Angebote in Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ist trotz des großen Bedarfs bislang jedoch erst in Ansätzen erfolgreich realisiert worden. So berichtete Katrin Kunert (AOK Berlin-Brandenburg) als Vertreterin der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) von ersten Erfahrungen mit dem AktivA-Konzept in Berlin und Susanne Aßmann-Horny vom JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf von einer JobFit-ähnlichen Maßnahme in ihrem Bezirk. Für das Land Berlin haben die Senatsverwaltungen für Gesundheit und Arbeit und die GKV nun die Initiative ergriffen und über den Regionalen Knoten des Kooperationsverbundes „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ einen Fachaustausch zu diesem Thema realisiert. Am 13. Oktober 2010 kamen dazu 40 Vertreter/innen der Berliner JobCenter, der GKV und der Berliner Bezirke mit der Staatssekretärin für Arbeit, Kerstin Liebich, und dem Staatssekretär für Gesundheit, Professor Ben- jamin-Immanuel Hoff, zu einem Fachgespräch zusammen. Ziel war es, dass sich die Beteiligten zunächst kennenlernen und eine „gemeinsame Sprache“ finden. Darüber hinaus sollten aber auch Handlungsbedarf identifiziert und Möglichkeiten gemeinsamer Schritte ausgelotet werden. Der dreistündige Austausch verdeutlichte auch die unterschiedlichen Perspektiven und Erwartungen sowie das Interesse an zielorientierten Kooperationen. Dr. Sabine Hermann von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz gab einen Überblick über die Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit anhand der Ergebnisse der Berliner Gesundheitsberichterstattung. Dabei wurden die Belastungen im psychosozialen Bereich besonders deutlich, aber auch, dass die Arbeitslosigkeit sich für unterschiedliche Personengruppen ganz unterschiedlich auswirkt. Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Handlungsdruck besteht sowohl in einer adäquaten Situationsanalyse – welches sind die Ressourcen, aber auch die Schwierigkeiten, wenn zum Beispiel häufige Krankschreibungen vorliegen? – als auch darin, die Betroffenen im Alltag und bei der Jobsuche zu unterstützen. Ein JobCenter-Vertreter formulierte, dass man eigentlich viele Betroffene vom Zustand der Mutlosigkeit bis zur Wiedereinmündung in Beschäftigung kontinuierlich begleiten müsse. Große Chancen wurden darin gesehen, kompetente Koordinator/innen einzubeziehen und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt zu vernetzen. Hier wurde beispielsweise das „Fallmanagement-Team“ des brandenburgischen Programms „AmigA“, mit einer Psychologin und einem Sozialmediziner, als Erfolg versprechend hervorgehoben, ebenso wie die „Job-Assistenz“, die in Friedrichshain-Kreuzberg und in Spandau an die JobCenter angegliedert wurde. Die Handlungsspielräume, der an diesem Gespräch beteiligten Partner (JobCenter, Krankenkassen, Bezirke und Senatsverwaltungen), Gesundheitsrisiko Erwerbslosigkeit Gelungenes Vernetzungstreffen in Hamburg Dem Gesundheitsrisiko Erwerbslosigkeit entgegenzuwirken, war das Ziel der gleichnamigen Fachtagung am 10. Oktober 2010 in Hamburg. Einander kennen zu lernen und die verschiedenen Akteure im Bezirk Hamburg-Mitte zu vernetzen, stand im Mittelpunkt der Veranstaltung. Die Veranstaltung wurde initiiert vom Regionalen Knoten der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAG). Kooperationspartner/innen waren: Agentur für Arbeit, team.arbeit.mitte, Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Bezirk Hamburg-Mitte. An der Veranstaltung nahmen Akteure aus dem Gesundheitssektor, der psychosozialen Beratung, dem Bezirksamt, JobCenter und ARGE sowie von Beschäftigungs- und Bildungsträgern teil. Besonders hervorzuheben ist, dass die Fachtagung auf Aktivität und Beteiligung ausgerichtet war. So waren die Namensschilder der Teilnehmenden durch farbige Klebepunkte gekennzeichnet, wobei jede Farbe eine Berufsgruppe symbolisierte. Um den lokalen Bezug herzustellen, war im Zentrum des Veranstaltungsraumes eine große Planungskarte des Bezirks Hamburg-Mitte aufgebaut, auf der die Teilnehmenden mit einem weiteren Klebepunkt den Standort ihrer Organisation kennzeichneten. Dies erleichterte das Gespräch und den gegenseitigen Austausch. Der Tag startete mit einem Gespräch zwischen den Kooperationspartner/innen (anstelle eines Grußworts), gefolgt von einer soziometrischen Aufstellung, die die Vielfalt der Teilnehmerschaft sichtbar machte. In seinem Eröffnungsvortrag verdeutlichte Dr. Alfons Hollederer (LIGA.NRW) die Zusammenhänge zwischen Erwerbslosigkeit und Gesundheit und ging auf die aktuelle Situation in Hamburg ein. Er machte in seinem Vortrag auch auf den wichtigen Aspekt aufmerksam, dass Angebote freiwillig sein sollten. Dies wurde in sind durch eine engere Abstimmung in der Planung von Maßnahmen ganz offenbar zu erweitern. Daher verständigte man sich darauf, bereits bestehende Ansätze aufzubereiten und diese Ergebnisse auf der nächsten Fachtagung auszuwerten. Weitere Akteure, beispielsweise aus der Wirtschaft oder anderen Verwaltungsbereichen, sollen an den weiteren Diskussionen beteiligt werden. Stefan Bräunling der Diskussion später aufgegriffen. Im Anschluss stellten sich gute Interventionsprojekte, wie JobFit, AmigA und AktivA in einem Marktplatz vor: Ein kurzes Statement der Projektakteure machte „Appetit“ auf mehr: In zwei Durchläufen à 30 Minuten hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit zwei Projektstationen im Saal zu besuchen und näher kennenzulernen. „Es ist wichtig, von einander zu wissen“ Nach der Mittagspause wurden in einem Methoden-Mix aus „World-Café“ und „Planning for real“ in kleinen Diskussionsgruppen (6 Vertreter/innen – alle Berufsgruppen „bunt“ gemischt) gebildet. Die folgenden drei Gesprächrunden verfolgten das Ziel 1. Austausch/ Bezug zum Thema in meinem Arbeitsalltag, 2. Darstellung des Handlungsbedarfes und 3. Sichtbarmachen der eigenen Ressourcen und 4. Entwicklung von Projektideen. Es kam zu einem regen Austausch zwischen den Teilnehmenden. Die Methode erleichterte es den Akteuren, zu Gesprächen zusammenzufinden: Problematiken und Vorbehalte konnten offen ausgesprochen werden, Annäherungen zwischen verschiedenen Perspektiven waren möglich und erste Kooperationen wurden gefördert. Es ist mit dieser Veranstaltung in Hamburg erstmalig gelungen, die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. Die Agentur für Arbeit nannte als besonderen Handlungsbedarf die Kommunikation. Die ARGE team.arbeit.hamburg benannte das Ziel, Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzubieten sowie als Netzwerkpartner zur Verfügung zu stehen. Einig waren sich alle Beteiligten über den positiven Effekt der Veranstaltung: Es ist sehr wichtig, voneinander zu wissen und miteinander zu reden. Zum Abschluss erhielten alle Anwesenden ein Stück roten Faden. Dieser soll an die guten Kooperationsabsichten sowie an das gemeinsame Ziel – die nachhaltige Verbesserung der Gesundheit von Arbeitslosen – erinnern. Pia Block 21 Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt Info_Dienst für Gesundheitsförderung4_10 Wie kann Schichtarbeit gesund gestaltet werden? Studie des Netzwerks HealthCapital „Schichtarbeit und Gesundheit“ untersucht Ansätze und Potenziale Zwischen 20 und 25 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung seien derzeit in einer Form von Schichtarbeit beschäftigt, wie das Netzwerk Health Capital zur Veröffentlichung der Studie „Schichtarbeit und Gesundheit“ meldet. Zudem steige diese Zahl stetig an. Dies wiederum führe dazu, dass die mit Schichtarbeit einhergehenden gesundheitlichen Risiken zunehmen. 22 Um zu erfahren, welche Einflüsse in diesem Zusammenhang die Gesundheit negativ oder auch positiv beeinflussen, haben die BGF GmbH und die SOMNICO GmbH im Auftrag des Netzwerks HealthCapital Berlin Brandenburg Befragungen in Betrieben durchgeführt. Hierfür wurden drei Branchen in die Analyse einbezogen: Verkehr, öffentliche Verwaltung und Krankenhäuser. Die Untersuchung beinhaltet einen Branchenvergleich sowie branchenspezifische Untersuchungen. Die Ergebnisse sind in der vorliegenden Studie zusammengefasst Die Studie zeigt, dass die Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen und einzelne Gesundheitsindikatoren wie Arbeitsfreude, Gereiztheit, Erschöpfung oder körperliche Beeinträchtigungen sich in den einzelnen Branchen deutlich unterscheiden. So nehmen Beschäftigte in Krankenhäusern hochsignifikant mehr Gereiztheit, Erschöpfung und körperliche Beeinträchtigungen wahr als Befragte aus der öffentlichen Verwaltung. Befragte aus der Verkehrsbranche erleben im Vergleich zu Befragten aus den anderen untersuchten Brachen signifikant weniger Arbeitsfreude. Identifikation, Information und Beteiligung, Entscheidungsspielraum, Entwicklungschancen und Anerkennung sind in der Studie als Gesundheitspotenziale definiert. Hier zeigt die Untersuchung deutliche Wahrnehmungsunterschiede zwischen den drei Branchen: So gaben die Befragten aus der öffentlichen Verwaltung deutlich mehr Identifikation, Information und Beteiligung sowie faire Beurteilung und fachlichen Austausch mit Kollegen an als die Kolleg/innen aus der Verkehrsbranche und Krankenhäusern. Befragte aus der Verkehrsbranche hingegen empfinden deutlich mehr Entwicklungschancen. Entscheidungsspielräu- me und Lernmöglichkeiten wurden wiederum eher in öffentlicher Verwaltung und Krankenhäusern angegeben. Gesundheitsgefährdungen waren ebenfalls Bestandteil der Untersuchung. Dazu gehören vor allem Zeitdruck, Unterbrechungen, Überforderung oder auch Verantwortungsdilemma, Arbeitsplatzunsicherheit und körperliche Belastungen. Hier schneiden in den meisten Bereichen die öffentlichen Verwaltungen am besten ab. Im Anschluss an den branchenübergreifenden Vergleich werden die Bedingungen der Schichtarbeit in den drei Bereichen genauer unter- sucht. Abschließend bietet die Studie eine Diskussion der Ergebnisse sowie Empfehlungen. Ziel der Studie ist es, organisatorische Einflussfaktoren zu identifizieren, die den negativen Einfluss von Schichtarbeit auf die Gesundheit lindern. Dabei habe sich vor allem gezeigt, dass ein positiver Umgang mit Klienten, Lernmöglichkeiten, hohe Identifikation, Entscheidungsspielräume und Anerkennung als Puffer wirken können. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, die organisatorischen Abläufe in Betrieben anpassen zu können, um Belastungen zu reduzieren. Die Studie steht unter www.healthcapital.de zum Download zur Verfügung. Stimmen zum Kongress Robert Rath, Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin Wie schätzen Sie die Bedeutung des Kongresses „Armut und Gesundheit“ im Hinblick auf Verwirklichungschancen in der Arbeitswelt ein? Die Arbeitswelt verändert sich genauso rapide, wie sich unser Leben entwickelt: Sich dynamisch verändernde Berufsanforderungen verlangen von Beschäftigten lebenslange Weiterbildung. Stetige Arbeitsverdichtung erwartet vom Arbeitnehmer/innen, rechtzeitig Strategien gegen Überbeanspruchung und gesundheitsschädliche Belastungen zu entwickeln, und veränderte Arbeitsformen wie Praktika, Leiharbeit oder befristete Arbeit nehmen den Beschäftigten Sicherheit und Planbarkeit ihrer Zukunft. Wie kann in diesem Umfeld menschengerechte Arbeit entwickelt werden? Wie kann der Arbeitgeber gesetzliche Pflichten mit unternehmerischen Entscheidungsspielräumen vereinbaren? Und wie ist es um die Selbstverwirklichungschancen von Berufsanfängern, jungen Beschäftigten, dem akademischen Prekariat und von Beschäftigten mit geringen Freiräumen zur eigenständigen Gestaltung der Arbeit bestellt? Beim 16. Kongress „Armut und Gesundheit“ möchte ich unbedingt erfahren, welche Verwirklichungsperspektiven in der Arbeit bestehen. Besonders auf den Input der Betroffenen in den Workshops bin ich neugierig. Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt Unsere Leistung ist gesundheitsfördernd! Interview mit Ulrike von Haldenwang, Vorsitzende des Hebammenverbandes in Berlin Die Vergütung von Hebammenleistungen und insbesondere die Erhöhung der Haftpflichtprämie für selbständige Hebammen ist nach wie vor ein aktuelles Thema. Seit dem 1. Juli 2010 müssen Hebammen, die in der außerklinischen Geburtshilfe tätig sind, jährlich 3.689 Euro statt bisher 2.370 Euro zahlen (Info_Dienst 3_2010 berichtete). Viele freiberufliche Hebammen sind dadurch gezwungen, ihre geburtshilfliche Tätigkeit aufzugeben. So haben von bundesweit 4000 freiberuflichen Hebammen mit Geburtshilfe derzeit bereits 400 ihren Dienst aufgegeben, wie der Hebammenverband bestätigt. Bis zum Jahresende sei von einem weiteren Rückgang auszugehen, so dass es in einigen Regionen schon zu Versorgungsengpässen komme. Die Petition „Heilhilfsberufe – Sofortmaßnahmen zur wohnortnahen Versorgung mit Hebammenhilfe“ im Bundestag fand breiten Zuspruch. Der Deutsche Hebammenverband fordert neben der flächendeckenden Versorgung durch Hebammen die Sicherung der freien Wahl des Geburtsortes für werdende Mütter und Familien. Ein großer gemeinsamer Abschluss der Protestaktionen fand am 21. Oktober 2010 in Berlin statt, an dem die Hebammen vor dem Bundesgesundheitsministerium protestierten. Der Info_Dienst sprach mit Ulrike von Haldenwang, Vorsitzende des Hebammenverbandes in Berlin, über die aktuellen Entwicklungen sowie Situation in Berlin: Info_Dienst: Seit dem 1. Juli 2010 sind die Berufshaftpflichtversicherungen für freiberufliche Hebammen deutlich gestiegen. Wie stellt sich die aktuelle Situation in Berlin dar? Ulrike von Haldenwang: Ich weiß von einigen Hebammen, dass sie aufhören oder erstmal eine Pause machen, andere arbeiten nur noch das ab, was sie schon angenommen hatten. Sie werden also bis Ende des Jahres noch tätig sein und dann neu entscheiden. Einige haben sich zu Teams zusammengeschlossen. Das Thema ist noch nicht abgeschlossen. Wenn sich keine Lösung findet, wird sich eine große Versorgungslücke ergeben. Das Problem ist, dass die Hebammen, die jetzt aufhören, sich neue Existenzen schaffen. Sie gehen nicht einfach wieder zurück, wenn das Problem gelöst ist. Damit geht ganz viel Engagement und Wissen verloren. Es sind auch die Vor- und Nachsorgehebammen, die sich anders orientieren. Viele hören auf zu arbeiten, weil es so viel Arbeit für zu wenig Geld ist. Info_Dienst: Wie wird es weitergehen – in Berlin und auf Bundesebene? Was passiert nach der Abschlussmahnwache am 21. Oktober 2010? Ulrike von Haldenwang: Es werden auf jeden Fall einige Bundesländer streiken, unter anderem auch Berlin. Wir werden, wenn bis dahin nichts passiert, zwei Tage lang unsere Tätigkeiten in der Freiberuflichkeit einstellen. Wir sind sehr wohl bereit, das fortzuführen, bis es zu einer Änderung gekommen ist, denn der Streik ist nicht symbolisch! Es fällt den Kolleginnen schwer, denn sie haben das Gefühl, ihre Frauen allein zu lassen. Wichtig zu betonen ist, es geht nicht nur um die Berufshaftpflicht! Es geht auch darum, dass wir mit der Steigerung unseres Einkommens, die uns von der Schiedsstelle und den Krankenkassen zugesprochen ist, nicht mal einen Inflationsausgleich erreichen. Und es geht darum, dass wir mit einem Einkommen existieren müssen, das generell unser Leben nicht sichern kann. Die Sicherung des Grundeinkommens ist das wichtigste Ziel! Es geht um den Beruf Hebamme, das ist ein ganz kompetenter und verantwortungsvoller Job! Info_Dienst: Welche Forderungen stellt der Deutsche Hebammenverband konkret an die Bundesregierung? Ulrike von Haldenwang: Erstens stellen wir die Forderung an die Krankenkassen, dass der Einkommenssockel der Hebammen um mindestens 40 Prozent erhöht wird! Wir brauchen einen großen quantitativen Einkommenssprung in Bezug auf alle Gebühren, die wir abrechnen können. Das Zweite, was wir fordern, ist eine Lösung für die Berufshaftpflicht! Hier möchten wir, dass Krankenkassen und Politik an einem Tisch sitzen! Die dritte Forderung ist die gesetzliche Übernahme aus der Reichsversicherungsordnung heraus in das SGB V und dass endlich anerkannt wird, dass unsere Leistung gesundheitsfördernd ist! Die Fragen stellte Danielle Dobberstein Betriebliche Gesundheits förderung auf dem Kongress „Armut und Gesundheit“ Auch in diesem Jahr beschäftigen sich zahlreiche Veranstaltungen auf dem Kongress „Armut und Gesundheit“ mit der Frage wie die Gesundheit von Beschäftigten nachhaltig gestärkt werden kann. Dabei wird in diesem Jahr im Besonderen auf Verwirklichungsperspektiven in den verschiedenen Phasen des Berufslebens eingegangen. Wie sich Handlungsspielräume auf die eigene Arbeit auswirken verdeutlichen die Positionen einzelner Akteure im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Die Frage wie ein gutes Wiedereingliederungsmanagement gestaltet werden kann steht außerdem zur Diskussion. 23 Suchtprävention Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Suchtprävention Alkoholkonsum werdender Mütter / Neuro-Enhancement: Chancen und Risiken Alkoholkonsum werdender Mütter Mehr Aufmerksamkeit notwendig 24 Viele Frauen verzichten während der Schwangerschaft auf Alkohol – zu viele Frauen trinken jedoch weiter. Dies meldet die Fachstelle für Suchtprävention im Oktober. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gelinge es nur zwei von zehn Frauen, in der Schwangerschaft komplett auf Alkohol zu verzichten. Jedes Jahr werden laut Fachstelle für Suchtprävention etwa 10.000 alkoholgeschädigte Kinder (FASD) in Deutschland geboren, davon 4.000 Kinder mit dem Vollbild des Fetalen Alko- holsyndroms (FAS), einer schweren körperlichen und geistigen Behinderung. Diese Behinderung trete doppelt so häufig auf wie das Down-Syndrom und sei bei völligem Verzicht auf Alkohol zu 100 Prozent vermeidbar, so heißt es weiter. Nicht nur intensiver Konsum von Alkohol während der Schwangerschaft führe zu Schädigungen bei Ungeborenen, sondern auch geringere Mengen Alkohol und gelegentliche Trinkexzesse. Anlässlich des „Tages des alkoholgeschädigten Kindes“ am 9. September 2010 hat die Fachstelle Neuro-Enhancement: Chancen und Risiken Ausblick auf einen Workshop auf dem Kongress „Armut und Gesundheit“ Die Berichte über die zunehmende Verbreitung so genannten Neuro-Enhancements (NE) reißen seit geraumer Zeit auch in Deutschland nicht ab. Im engeren Sinne kann unter NE die gezielte Steigerung der kognitiven Leistungs- und emotionalen Verarbeitungsfähigkeiten mit Hilfe von Medikamenten beschrieben werden, ohne dass eine medizinische Indikation vorliegt. Neben der Debatte darum, ob die stark ansteigenden Verschreibungen von Methylphenidat (Ritalin) empirisch und ethisch gerechtfertigt sind, betrifft dies auch den Arzneistoff Modafinil (Vigil), dessen konzentrationsfördernde Eigenschaften bislang vor allem in den USA zu einer bedenklichen Verbreitung als „Hirndoping“Substanz vor Prüfungen und am Arbeitsplatz geführt hat. In Deutschland stellte der DAKGesundheitsreport 2009 fest, dass fünf Prozent der Arbeitnehmer/innen bereits chemische Mittel zur Verbesserung der psychischen Leistungsfähigkeit eingenommen haben. Ein Workshop im Rahmen des Kongresses „Armut und Gesundheit“ widmet sich daher der Relevanz des Themas und wagt einen Ausblick in die Zukunft. Dabei sollen die ethischen Fragen des NE im Mittelpunkt stehen. Dr. Katrin Lohmann stellt für eine Forschungsgruppe der FU Berlin Ergebnisse einer Studie vor, die die Bereitschaft von FU-Studierenden untersucht, zu Mitteln des „Neuro-Dopings“ zu greifen. Schon 2009 hatten die Forscher festgestellt, dass ein beträchtlicher Teil der Studierenden für Suchtprävention im Land Berlin dazu im Rahmen der Berliner Gemeinschaftskampagne zur Alkoholprävention „Na klar…!“ ein bundesweit einzigartiges Benefizkonzert veranstaltet. Der Erlös dieses Konzertes wurde heute gemeinsam durch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, und die Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin, Kerstin Jüngling, an die Wohngemeinschaft für Menschen mit Fetalen Alkohol-Spektrum-Störungen (FASD) des evangelischen Vereins Sonnenhof e.V. übergeben. „Das Thema Schwangerschaft und Alkohol und die damit verbundenen Gefahren werden noch zu wenig von der Öffentlichkeit beachtet und das müssen wir ändern. Denn wir gehen davon aus, dass alle werdenden Mütter und ihre Partner gesunde Kinder heranwachsen sehen wollen“, so Kerstin Jüngling. Weitere Informationen unter: www.berlinsuchtpraevention.de Veranstaltungstipp auf dem Kongress „Armut und Gesundheit“ „Sündenbock oder Held – Ich bin mehr. Perspektiven eröffnen für Kinder aus suchtbelasteten Familien“ am Samstag, 4. Dezember 2010 um 9 Uhr und „Frauen und Rauchen – Wie erreichen wir sozial benachteiligte Frauen?“ am Samstag, 4. Dezember 2010 um 11 Uhr. Medikamente einnimmt, meist ohne ärztliche Verordnung und zudem in einer gesundheitlich kritisch zu nennenden Frequenz. Professorin Isabella Heuser (Charité) ist Teil einer Wissenschaftlergruppe zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen und Mitautorin des Memorandums „Das optimierte Gehirn“, das 2009 in der Zeitschrift Gehirn & Geist veröffentlicht wurde (Download unter www.gehirn-und-geist.de/ memorandum). Die Kernaussagen des Memorandums werden im Rahmen des Workshops skizziert. Die Expert/innen plädieren für eine möglichst unvoreingenommene, neutrale Bewertung von NE und verweisen darauf, dass in der modernen Leistungsgesellschaft in aller Regel besonderes Ansehen genieße, wer seine eigene Leistungsfähigkeit verbessere. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist das Recht eines jeden entscheidungsfähigen Menschen, über sein persönliches Wohlergehen, seinen Körper und seine Psyche selbst zu bestimmen. Diese grundsätzliche Positionierung verdeutlicht die große Tragweite des Phäno- Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 mens, wenn man von freien, selbstverantwortlichen Individuen in einer liberalen Gesellschaft ausgeht. Sie rührt jedoch auch an grundsätzlichen Fragen wie den (Patienten- und Selbstbestimmungs-)Rechten psychisch Beeinträchtigter und dem gesellschaftlichen Umgang mit dem Gebrauch gänzlich illegalisierter psychoaktiver Substanzen. Andererseits verweisen die Autoren selbst auf die heute kaum abschätzbaren Risiken eines entstehenden „Nötigungsdrucks“, sollte NE künftig soweit enttabuisiert und verbreitet sein, dass diejenigen um ihre gesellschaftlichen Beteiligungschancen fürchten müssen, die Leistungssteigerung durch Medikamente eigentlich ablehnen. Dr. Thomas Bär, Mitarbeiter der Bundespsychotherapeutenkammer, rundet den Workshop ab mit einer kritischen Sicht auf individuelle Risiken des dauerhaften Gebrauchs psychotroper Substanzen und der Veränderung gesellschaftlicher Normen und Erwartungen an individuelle Leistungsfähigkeit durch zunehmendes NE. Der Workshop findet am Freitag, 3. Dezember 2010 von 16.15 bis 17.45 Uhr statt. Rüdiger Schmolke Stimmen zum Kongress Kerstin Jüngling, Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention Berlin Welche Bedeutung hat der Kongress „Armut und Gesundheit“ für Sie? Es ist nicht neu, es lohnt sich dennoch es immer wieder zu betonen: Die Verbesserung von Lebens-, Bildungs- und Verwirklichungschancen wirkt präventiv und bereitet einen guten Boden für die Gesundheit jeder und jedes Einzelnen. Der Kongress Armut und Gesundheit beleuchtet hier erneut nicht nur die unterschiedlichen Settings und schafft es, politische Verantwortungsträger einzubinden. Das Menschenbild, das durch den Kongress darüber hinaus gestärkt wird, ist das demokratisch-emanzipatorische im Sinne der WHO-Ottawa-Charta. Paternalistischen Tendenzen entgegen zu wirken, Gesundheit aus der Public Health Perspektive zu betrachten und immer wieder die Rahmenbedingungen mitzudenken und zu diskutieren – das ist das Wertvolle am Kongress Armut und Gesundheit. Er leistet einen Beitrag für vorurteilsfreie, respektvolle und wertschätzende Kommunikation mit dem Wissen um Unterschiede der Geschlechterrollen, sozialen Lagen und Kulturen – und das stärkt auch das gesellschaftliche Miteinander. Suchtprävention / Patienteninteressen Patienteninteressen Beschwerde- und Informationsstelle Psychiatrie / Patientenfürsprecher/innen in Krankenhäusern stärken Psychiatrische Versorgung: Anlaufstelle für unabhängige Beratung und Beschwerden Gesundheit Berlin-Brandenburg eröffnet zentrale Berliner Beschwerde- und Informationsstelle Psychiatrie Berlin verfügt über ein breites und ausdifferenziertes Angebot in der stationären und ambulanten psychiatrischen Versorgung. Trotz des umfassenden Angebotes bestehen Lücken und Mängel in der psychiatrischen Behandlung und Betreuung. So kommt es neben individuellen Beschwerden hinsichtlich einer als unrechtmäßig oder fehlerhaft wahrgenommenen Behandlung auch immer wieder zu Beschwerden über die Angebotsstruktur. Das Beschwerdemanagement im Rahmen der psychiatrischen Hilfe ist den Patient/innen jedoch oft nicht bekannt oder wird als zu nah am Versorgungssystem empfunden. Der Berliner Landesbeauftragte für Psychiatrie, Heinrich Beuscher hat daher 2008 ein Konzept für ein Sozialpsychiatrisches Beratungs- und Beschwerdemanagement in die Diskussion gebracht. Das Konzept umfasst drei zentrale Säulen: So soll eine unabhängige Beschwerdeund Informationsstelle eingerichtet, die Patientenfürsprecher/innen in den Psychiatrien gestärkt sowie mit dem Einsatz unabhängiger Besuchskommissionen strukturelle Defizite in den Psychiatrien aufgespürt werden. Gesundheit Berlin-Brandenburg baut in diesem Rahmen nun die zentrale Berliner Beschwerdeund Informationsstelle Psychiatrie auf. Die Einrichtung soll für Patient/innen, ihre Angehörigen und Mitarbeiter/innen in psychia- trischen und angrenzenden Hilfesystemen eine Anlaufstelle sein für Beschwerden und Informationen im Bereich der psychiatrischen Versorgung in Berlin. Nutzer/innen psychiatrischer Einrichtungen und deren Angehörige sollen mit dieser neuen Anlaufstelle gestärkt werden. Zum Team der Beschwerdestelle gehört eine psychiatrie-erfahrene Mitarbeiterin, um die Perspektive der Betroffenen einzubeziehen. Von großer Bedeutung ist, dass die Stelle von allen Beteiligten als neutrale Einrichtung wahrgenommen wird, die nicht von Trägern der psychiatrischen Versorgung abhängig ist. Ebenso wichtig wird es sein, Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Arbeit der Beschwerdestelle herzustellen und den Zugang zur Beschwerdestelle möglichst barrierefrei zu gestalten. Dazu wurden und werden zahlreiche Gespräche mit Angehörigen- und Betroffenenverbänden, Trägern psychiatrischer Einrichtungen und weiteren Expert/innen geführt. Die zukünftigen Räume der Beschwerdestelle in der Grunewaldstraße 82 werden derzeit hergerichtet, um möglichst bald die ersten beschwerden annehmen und bearbeiten zu können. Sobald die Besuchskommissionen eingerichtet sind, werden auch sie von der Beschwerdestelle betreut. Stefan Weigand 25 Patienteninteressen Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Patientenfürsprecher/innen in Krankenhäusern stärken Arbeitskreis Patientenfürsprecher/innen diskutiert Leitfadenentwurf mit Bundespatientenbeauftragtem Berufungskriterien gelten. Die Krankenhäuser sollten den Fürsprecher/innen angemessene Arbeitsbedingungen zur Verfügung stellen. Perspektivisch sollen die Patientenrechte selbstverständlicher Teil der Arbeit der Krankenhäuser werden. Dabei verstehen sich die Patientenfürsprecher/innen als Mittler zwischen den Patient/innen und den Mitarbeiter/innen der Kliniken. Besonderer Wunsch der anwesenden Patientenfürsprecher/innen war es, mehr Öffentlichkeit für dieses Amt und seine Aufgaben zu schaffen. 26 Wie kommen wir zu einheitlichen Regelungen und Qualitätsstandards für die Arbeit der Patientenfürsprecher/innen in den Krankenhäusern des Landes Berlin? Diese Frage stellt sich umso dringender, als die Bedingungen nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern sogar zwischen den Kommunen und einzelnen Bezirken stark variieren. Bundespatientenbeauftragter MdB Wolfgang Zöller hat hierzu mit seinem im April herausgegebenen Entwurf eines Leitfadens für die Patientenfürsprecher/innen einen Vorstoß unternommen. Am 23. September 2010 hatte Zöller die Patientenfürsprecher/innen von Berlin und Brandenburg, die seinen Entwurf mit einem eigenen Papier kommentiert hatten (download als PDF unter: www.gesundheitberlin.de), zu einem Austausch ins Bundesgesundheitsministerium geladen. Schnell bestand Einigkeit über das gemeinsame Anliegen, möglichst einheitliche Rahmenbedingungen für Patientenfürsprecher/innen bundesweit zu schaffen und die Rolle der Fürsprecher/innen in den Krankenhäusern zu stärken. Besonders betont wurde in der Diskussion mit Wolfgang Zöller, dass die Patientenfürsprecher/innen sich als unabhängig und damit explizit nicht als Mitarbeiter/innen der Krankenhäuser verstehen sollten. Um diese Neutralität zu wahren und zu stärken, sollen die Fürsprecher/innen von einer politischen Stelle außerhalb des Krankenhauses gewählt und finanziert werden. Dazu sollen einheitliche Wolfgang Zöller zeigte sich sehr aufgeschlossen und versprach, den von ihm verantworteten Leitfadenentwurf deutlich zu überarbeiten. Der Leitfaden soll in den kommenden Monaten veröffentlicht und bundesweit den Fürsprecher/innen, Krankenhäusern und zuständigen politischen Stellen kommuniziert werden. Zudem soll der Bundesbeauftragte das Anliegen der Patientenfürsprecher/innen auf der Gesundheitskonferenz der Länder vortragen, damit es möglichst Berücksichtigung bei der Gestaltung der jeweiligen Landesgesundheitsgesetze findet. Stefan Weigand Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Termine Termine Weitere Termine auch unter www.gesundheitberlin.de und www.gesundheitliche-chancengleichheit.de Kontakt für Veranstaltungen (falls nicht anders angegeben): Gesundheit Berlin-Brandenburg, Friedrichstraße 231, 10969 Berlin, Tel.: (030) 44 31 90 60; [email protected] Arbeitskreise von Gesundheit BerlinBrandenburg Arbeitskreistreffen Migration Mittwoch, 26. Januar 2011, ab 17 Uhr Ort: Geschäftsstelle Gesundheit BerlinBrandenburg, Friedrichstraße 231, 10969 Berlin Arbeitskreistreffen Kind und Familie Mittwoch, 16. März 2011, 10 bis 12 Uhr Ort: Geschäftsstelle Gesundheit BerlinBrandenburg, Friedrichstraße 231, 10969 Berlin Tagungen organisiert oder mitorganisiert von Gesundheit Berlin-Brandenburg Fachtagung Kinder im Kontext häuslicher Gewalt – Hinsehen, verstehen und handeln – aber wie? Dienstag, 30. November 2010 Ort: Potsdamer Staatskanzlei, Heinrich-MannAllee 107, 14473 Potsdam, Veranstalter: Veranstalter: Gesundheit Berlin-Brandenburg, Regionaler Knoten Brandenburg in Kooperation mit dem Brandenburger Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie www.gesundheit-berlin.de Satellitenveranstaltung zum 16. Kongress Gesund und aktiv älter werden Donnerstag, 2. Dezember 2010 Ort: Rathaus Schöneberg Berlin Tel.: (030) 44 31 90 60 www.armut-und-gesundheit.de Satellitenveranstaltung zum 16. Kongress Kinderarmut – Lebensrealitäten und Praxisansätze Donnerstag, 2. Dezember 2010 Ort: Rathaus Schöneberg Berlin Veranstalter: Kinderstärken e.V. Tel.: (03931) 21 87 48 78 www.kinderstaerken-ev.de 16. Kongress Armut und Gesundheit Verwirklichungschancen für Gesundheit Freitag, 3. Dezember bis Samstag, 4. Dezember 2010 Ort: Rathaus Schöneberg Berlin Tel.: (030) 44 31 90 60 www.armut-und-gesundheit.de Fachtagung Männer wollen ihren Sport Dienstag, 7. Dezember 2010 Ort: Jugendbildungszentrum Blossin, Waldweg 10, 15754 Heidesee Veranstalter: Gesundheit Berlin-Brandenburg, Zentrum für Bewegungsförderung Brandenburg in Kooperation mit dem Brandenburgischen Präventions- und Rehabilitationssportverein e.V. www.gesundheit-berlin.de Fachtagung Präventionskette Dormagen – ein Modell für gesundes Aufwachsen für alle?! Mittwoch, 8. Dezember 2010, 10 bis 15 Uhr Ort: Ärztekammer Berlin, Veranstalter: Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., Regionaler Knoten Berlin, Friedrich-Ebert-Stiftung www.gesundheit-berlin.de Veranstaltungen in Berlin-Brandenburg Konferenz 3. Breitensportkonferenz „Aktiv gemeinsam Zukunft gestalten“ Samstag, 27. November 2010 Ort: Landessportverbund Berlin, Jesse-OwensAllee 2, 14053 Berlin Veranstalter: Landessportbund Berlin Tel.: (030) 30 00 21 27 www.breitensportkonferenz.lsb-aktiv.de Fachgespräch Patient/innen stärken – Plädoyer für mehr Patientenrechte Montag, 29. November 2010 Ort: Deutscher Bundestag, Paul-Löbe-Haus, Raum E 300 Veranstalter: Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Tel.: (030) 227 72 307 www.gruene-bundestag.de Gesundheitskonferenz Marzahn-Hellersdorf Bewegungsförderung von Anfang an Dienstag, 30.November 2010 Ort: Wilhelm-von-Siemens-Oberschule Berlin Veranstalter: Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf Tel.: (030) 902 93 42 64 Bitte teilen Sie uns mit, wenn sich Ihre Adresse geändert hat: Gesundheit Berlin-Brandenburg, Friedrichstraße 231, 10969 Berlin Tel.: 030/ 44 31 90 60, Fax: 030/ 44 31 90 63 Email: [email protected] Kongress Demographie in der Arbeitswelt – Den Wandel aktiv gestalten Ort: Moska, Karl-Marx-Allee 34, Berlin Dienstag, 7. Dezember 2010 Veranstalter: Bundesministerium für Arbeit und Soziales & Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) Tel.: (030) 515 48 40 00 www.inqa.de/demographiekongress Symposium 16. Symposion Frühförderung 2011 Donnerstag, 31. März bis Samstag, 2. April 2011 Ort: Humboldt-Universität zu Berlin Veranstalter: Vereinigung für Interdisziplinäre Frühförderung e.V. Tel.:(089) 54 58 98 27 http://symposion.frühförderung-viff.de Veranstaltungen im Bundesgebiet Fachtagung Gesundheit! – auch für Menschen ohne Arbeit Montag, 29. November 2010 Ort: Kronshagen Veranstalter: Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e.V. in SchleswigHolstein Tel.: (0431) 94 2 94 http://lvgfsh.de/gesundheitsfoerderung/ startseite.php Tagung Wettbewerbsvorteil Gesundheit, Gesunde Arbeit – die Arbeitswelt von morgen aktiv gestalten Dienstag, 30. November bis Mittwoch, 1. Dezember Ort: Köln , Veranstalter: BKK Bundesverband Tel.: (02 01) 5 65 96 11 www.bkk.de Kongress Mit Leib und Seele ankommen – psychische und psychosomatische Krankheiten in unserer Zuwanderungsgesellschaft Donnerstag, 9. Dezember bis Samstag, 11. Dezember 2010 Ort: Düsseldorf, Veranstalter: Dachverband der transkulturellen Psychatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im deutschsprachigen Raum e.V. Tel.: (02182) 91 08 www.transkulturellepsychiatrie.de Konferenz 2. Nationale Impfkonferenz: Impfen – Wirklichkeit und Visionen Dienstag, 8. Februar bis Mittwoch, 9. Februar 2011 Ort: Stuttgart Veranstalter: Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren BadenWürttemberg Tel.: (0711) 12 33 833 www.nationale-impfkonferenz.de 27 Publikationen Info_Dienst für Gesundheitsförderung 4_10 Wie werden aus Akteuren Partizipateure? Ein Buch macht Partizipation praxisnah sichtbar und anwendbar 28 „Es besteht ein hoher Grad an Beteiligungsmöglichkeiten für die Zielgruppe sozial Benachteiligter.“ Diese scheinbar so einfache Definition von Partizipation liest der interessierte User, auf der Webseite des Kooperationsverbundes Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten. Welcher Anspruch sich für die Gesundheitsförderung und Prävention dahinter verbirgt, ist vielen Akteuren ebenso wenig bewusst, wie der Nutzen einer tatsächlichen Partizipation der Zielgruppe für die Wissenschaft und die Praxis. Der Begriff Partizipation wird oftmals verwendet, um eine Beteiligung der Zielgruppe bei der Entwicklung und Umsetzung von Interventionen zu beschreiben, ohne dass in der Realität eine wirkliche Mitwirkung oder gar Entscheidungsmacht stattfindet. Diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit will der von Michael T. Wright herausgegebene Sammelband zur „Partizipativen Qualitätsentwicklung“ schließen. Es greift die Ergebnisse auf, die die Forschungsgruppe Public Health am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) im Rahmen von zwei umfangreichen Forschungsprojekten zur Partizipativen Qualitätsentwicklung sammeln konnte. Zu Beginn erläutern die Autor/innen die Bedeutung der Partizipativen Qualitätsentwicklung (PQ) für die Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit von vulnerablen Gruppen und nähern sich den Begriffen „Qualitätssicherung“ und „Partizipation“ an. Am Beispiel der European Foundation for Quality Management“ (EFQM) wird dargelegt, dass Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung im Non-Profit Bereich nicht im Widerspruch zur Qualitätssicherung in Wirtschaftsunternehmen steht. Allerdings sieht PQ die Mitwirkung aller Beteiligten, einschließlich der Nutzer, in den verschiedenen Phasen des „Public Health Action Cycles“ vor. Was zur Verbesserung der Konzept- Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität von Maßnahmen beiträgt. Damit verbunden ist, dass die Aktivitäten auf die „Schaffung eines gesundheitsförderlichen Settings“ ausgerichtet werden. „Partizipation“ bedeutet hier, dass alle Akteursgruppen im Setting ihre Bedarfslagen aktiv einbringen und die Strategien zur Setting-Entwicklung aktiv mitgestalten können. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Identifikation mit dem Setting, das soziale Klima und die Selbstbestimmung auswirkt. Durch den PQ-Ansatz erfährt die Stakeholder-Perspektive somit eine deutliche Stärkung. Nicht zu letzt entspricht dies einer Forderung im aktuellen Leitfaden „Prävention“ des GKV-Spitzenverbandes (vgl. Interview mit Volker Wanek auf Seite 6). Das Buch bietet in verschiedenen Kapiteln, für die einzelnen Phasen eines Projektes, verschiedene methodische Instrumente und Konzepte an, die auch eine niedrigschwellige Beteiligung aller Betroffenen ermöglicht. Deren wissenschaftlicher Hintergrund und praktische Nutzen wird jeweils dargelegt und durch Praxisbeispiele verdeutlicht. Somit können auch Einsteiger in dieses komplexe Themenfeld schnell Rückschlüsse für die eigene Arbeit ziehen. PQ gibt Antworten auf zwei Schlüsselfragen der soziallagenbezogenen Gesundheits-förderung. Zum einen: Wie erreiche ich die Zielgruppe? Zum anderen: Wie kann ich die Wirkung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen erhöhen und sie sichtbar machen?. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die ökonomische Perspektive in der Gesundheitsförderung und Prävention zunehmend in den Blickpunkt gerät, stellt die jahrelange Arbeit der Forschungsgruppe beim WZB einen wichtigen Beitrag in Richtung einer evidenzbasierten Gesundheitsförderung dar. Rolf Reul Impressum Herausgeber und Verleger: Gesundheit Berlin-Brandenburg, Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung Friedrichstr. 231, 10969 Berlin, Tel. 030-44 31 90-60, Fax 030-44 31 90-63 E-Mail: [email protected], www.gesundheitberlin.de Redaktion: Carola Gold (V.i.S.d.P), Rike Hertwig, Merle Wiegand Weitere Auto/innen: Thomas Altgeld, Bettina Bels, Martina Block, Pia Block, Stefan Bräunling, Mathias David, Danielle Dobberstein, Marisa Elle, Thomas Gebauer, Raimund Geene, Claudia Höppner, Kerstin Jüngling, Hendrik Karpinski, Holger Kilian, Wolf Kirschner, Colin MacDougall, Andrea Möllmann, Uwe Nowotsch, Klaus D. Plümer, Stefan Pospiech, Robert Rath, Rolf Reul, Daniel Rühmkorf, Ina Schaefer, Rüdiger Schmolke, Volker Wanek, Simone Weber, Stefan Weigand, Ulrika Zabel, Marco Ziesemer. Namentlich gekennzeichnete Beitrage geben die Meinung der Autor/innen wieder, nicht unbedingt die der Redaktion. 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