Die Terrakottareliefbildnisse der Tonwarenfabrik Scherf

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Die Terrakottareliefbildnisse der Tonwarenfabrik Scherf
Die Terrakottareliefbildnisse der Tonwarenfabrik Scherf
in den Pfarrer-Kraus-Anlagen
SUSANNE RUNKEL
Seit 2012 werden die Terrakottareliefbildnisse des Rosenkranzweges restauriert.
Die intensive Arbeit mit den Objekten regte Nachforschungen zu Herkunft und
Herstellungstechnik an. Bisher standen mittelalterliche Terrakottafiguren oder
Baukeramik im Interesse der Kunsthistoriker und Restauratoren.1 Terrakottawerke des 19. Jahrhunderts werden allzu oft als Massenware degradiert. Die Wallfahrtsanlage Arenberg mit ihrer Vielzahl an solchen Werken gilt als besonders
beispielhaft für „die visuell wahrnehmbare Konkretion geistesgeschichtlichreligiöser Präsenzen in der katholischen Rheinprovinz um die Mitte des 19. Jahrhunderts“2. Die Relation von „Glaubensrevolution“ und Industrialisierung, von
Künstler und Fabrikarbeiter ist bei der Erklärung der Entwicklung der Terrakottaindustrie von entscheidender Bedeutung. Seit einiger Zeit wird die Qualität der
Terrakotten dieser Zeit zunehmend anerkannt. 2012 widmete das Denkmalamt
Westfalen-Lippe den Kreuzwegreliefs der Tonwarenfabrik Scherf einen eigenen
Beitrag.3 In diesem Jahr erscheint eine umfangreiche Publikation speziell über
religiöse Terrakottabildnisse des 19. Jahrhunderts, in dem die Herstellungstechnik
erklärt und der künstlerische Wert hervorgehoben wird.4 Am Beispiel der Arenberger Reliefplatten wird im Folgenden die kultur- und kunstgeschichtliche Entwicklung der Terrakottaindustrie erläutert, sowie fachspezifische Einblicke in die
Herangehensweise der Restaurierungsarbeiten gegeben.
1
2
3
4
Günter DONATH (Hg.), Aus Ton gebrannt. Terrakottafiguren im Dom zu Meißen,
Meißen, 2007; Sven WALLASCH, Das Forschungsprojekt „Erhaltung historischer
Terrakotta“ - Schadenserfassung, Materialuntersuchung, Konservierung, in: Denkmalschutz und Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Heft 2, Schwerin
1995, 41-49.
Silvia Maria BUSCH, Graltempelidee und Industrialisierung St. Nikolaus zu Arenberg.
Eine Wallfahrtsanlage der katholischen Spätromantik im Rheinland (1845-1892),
Diss. Univ. Frankfurt 1984, 1.
Dirk STROHMANN, Plastische „Führich-Kreuzwege“ aus Terrakotta in Westfalen, in:
LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Denkmalpflege in
Westfalen-Lippe, Heft 1, Münster 2012, 25-33.
Arthur FONTAINE, Die religiösen Terrakotta-Bildnisse aus den „Kunstanstalten“ des
19. Jahrhunderts. Unveröffentlichtes Manuskript, Merzig 2015.
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1 Die Verwendung christlicher Terrakottabildwerke im
19. Jahrhundert
„Terrakotta“ (auch „Terracotta“; von ital.: terra = Erde und cotto = gebrannt) ist die
Bezeichnung für gebrannten, unglasierten Ton. Die Verwendung dieses Werkstoffs lässt sich in allen Kulturen der Welt anhand von Kult- oder Gebrauchsgegenständen belegen. Dies erklärt sich zum einen damit, dass es sich um einen
reichlich vorkommenden Rohstoff handelt; zum anderen ist der Herstellungsprozess recht unkompliziert. Der Ton lässt sich in feuchtem Zustand ideal formen.
Durch Trocknen und anschließenden Brand wird die Form witterungsbeständig.
Oft wurde diese kostengünstige Technik eingesetzt, um Andachtsbilder zu schaffen. Schon die Griechen nutzten Terrakotten zur technischen Reproduktion von
Kunstwerken.5 Im Mittelalter hatte sich durch die Nachfrage an hauseigenen Heiligenstatuen das Gewerk der „Bilderbäcker“ etabliert. In der Renaissance bevorzugte man Terrakotta als Bauschmuck. Die wahre Blütezeit der Terrakotta aber
war die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ab 1850 bezogen Kirchengemeinden
Heiligenfiguren vorrangig von den sogenannten Figurenfabriken aus dem Katalog.
Eine rheinische Kirche mit originaler Ausstattung dieser Zeit wird in der Regel
mit einer stattlichen Anzahl von Heiligenstatuen in Terrakotta aufwarten können.
In dieser Zeitspanne ist eine Vielzahl an Werken in Umlauf gebracht worden, die
an die Millionengrenze reichen dürfte.6 Was hat diese enorme Popularität ausgelöst? Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Industrialisierung. Geprägt von Revolutionen, der Zeit der Aufklärung, und Technisierung aller Lebensbereiche befanden
sich der Mensch und seine Umwelt im stetigen Wandel. Neue Techniken, neue
Denkansätze bereicherten das Leben in allen Bereichen. So auch in der Kunst.
Figurenfabriken, Andachtsbildverlage und Bildvereine schöpften die technischen
Grundbedingungen der industriellen Reproduzierbarkeit kräftig aus, um massenhaft Ware liefern zu können. Zunehmend verbreitet war die Lithographie, doch
auch der althergebrachte Kupferstich wurde zur Vervielfältigung und auch als
Vorlage für Gemälde und Wandmalereien genutzt. Ebenfalls zu dieser Zeit entstanden in Berlin durch den preußischen Architekt Karl Friedrich Schinkel (17811841) zahlreiche Backsteinbauten mit Bauschmuck in Terrakotta. Als bedeutendes
Beispiel wäre die Berliner Bauakademie (1832-36) zu nennen, der mit kunstvollen
Terrakottareliefplatten geschmückt war. Schinkel besann sich nach aufklärerischer
Manier auf die Ursprünge der Baukunst und übernahm die Bauzier der Renais-
5
6
Walter BENJAMIN, Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit,
Frankfurt 1963, 11.
BUSCH, Graltempelidee, 197, spricht von einer Millionenhöhe; FONTAINE, Terrakotta-Bildnisse, immerhin von einer höheren sechsstelligen Zahl.
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sance. Kapitelle, Friese, Reliefs und Figuren wurden aus Terrakotta gefertigt. Mit
Schinkel und seiner Schule begann die Terrakottaindustrie zu florieren.
Die steigende Verwendung in Architektur und Bauwesen brachte technische
Entwicklungen mit sich, die neue Möglichkeiten in der Gestaltung boten. Insbesondere nach 1860 wurden Zusätze wie Schamotte und Feldspat, die die Eigenschaften des keramischen Scherbens verbessern sollten, nachgewiesen.7 Des Weiteren machte man Fortschritte in der Aufbereitungs-, Formgebungs- und Brenntechnologie. Es entstanden ortsfeste Brennöfen (Casseler-Flammofen, Hoffmann'scher Ringofen).8 Es konnten meterhohe Säulen, große Figuren und Bauteile in höchster Qualität hergestellt werden.
Dieses Angebot kam den katholischen Kirchengemeinden zu Gunsten. In den
1830er Jahren hatte die Kirche eine Gegenbewegung zur Säkularisierung gebildet,
die dem durch den Umschwung verunsicherten Menschen wieder Halt in seinem
religiösen Leben geben sollte. Hierzu besann man sich verstärkt auf traditionelle
liturgische Praktiken. Unter anderem spielte die Heiligenverehrung wieder eine
bedeutende Rolle. Heilige galten als Vorbild christlicher Lebensführung. Durch
deren Visualisierung in Bildern oder Statuen wurde die Andachtswirkung gegenwärtiger. Das karge Gestaltungskonzept des Klassizismus wurde aufgegeben und
Kirchen erhielten wieder eine ikonographische, farbenfrohe Raumgestaltung.9 Die
Arbeit übernahmen meist Bildhauer, die sich hiermit ein Zubrot zu verdienen
hofften.
2 Die Tonwarenfabrik Scherf im Zeitalter der Nazarener
Einer der Träger dieses neu erblühenden Wirtschaftszweiges war der Bildhauer
Heinrich Josef Scherf. Er nahm seinen Betrieb 1850 auf der Hauptstraße 55 in
Köln-Kalk10 auf und lieferte bis circa 1890 Tonwaren in Rheinland und Westfalen.
Die 1853 errichtete Königlich Westfälische Eisenbahnlinie erleichterte zudem den
Transport.
Seinem Unternehmen schloss sich 1857 der renommierte Kölner Bildhauer Johann Joseph Imhoff der Jüngere (1796-1869) an. Fortan wurde es als „Scherf et
Imhoff Figurenfabrik“ geführt.11 Der Vater P. J. Imhoff (1768-44), ein berühmter
7
8
WALLASCH, Forschungsprojekt, 41.
Claudia-Christina HENNRICH, Zur Technikgeschichte der Terrakottaproduktion –
Die Kläterberger Kunstziegelei in Schwerin, in: Denkmalschutz und Denkmalpflege,
Heft 2, Schwerin, 1995, 37f.
9 BUSCH, Graltempelidee, 109-115.
10 STROHMANN, „Führich-Kreuzwege”, 31.
11 FONTAINE, Terrakotta-Bildnisse, 88.
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Kölner Bildhauer, unterhielt 1791 bereits eine frühe „Kunstfabrik für alle Gattungen von Ton-Bildwerken“ mit seinen drei Söhnen.12
Der Zusammenschluss mit einem Künstler aus einer angesehenen Bildhauerfamilie und die Ausstellung von Terrakottaobjekten zur Eröffnung des Kölner Erzbischöflichen Diözesanmuseums 1860 deuten an, dass das Unternehmen gut aufgestellt und erfolgreich war.13
Eines der am meisten vertriebenen Produkte Scherf & Imhoffs waren die 14
Kreuzwegstationen nach Führich. Dieser berühmte Kreuzweg des Nazareners
Professor Joseph von Führich wurde 1844-46 in Freskotechnik in der St.
Nepomuk Kirche in Wien an die Wand gebracht. Durch die Veröffentlichung der
Kupferstiche Alois Petraks 1849 wurde die Darstellung berühmt und verbreitete
sich rasch sowohl in der Malerei als auch in der Plastik.14 Es war die Ideologie der
Nazarener, Bilder hervorragender Qualität zu verbreiten. Die Stiche und die nach
ihnen gefertigten Schablonen waren (technisierende) Werkzeuge, die ihnen eine
ökonomische Arbeitsweise und somit eine größtmögliche Verbreitung ermöglichten.15
Für die technische Reproduktion dieser Kreuzwegdarstellung in einem Terrakottarelief bedurfte es zunächst eines Entwurfs und einer Urform. Der Bildhauer
Imhoff wird als der Modelleur der Urformen für die Kreuzwegstationen angenommen.16 Diese werden von Strohmann als „kongeniale Umsetzung der figurenreichen und dramatisch bewegten zweidimensionalen Vorlage Führichs in die
plastische Form“17 beschrieben. Strohmann führt in einem formalen Vergleich
aus, dass die Kupferstiche von Petrak (s. Abb. 1), nicht die Fresken und auch
nicht der vorbereitende Karton als Vorlage verwendet wurden.18
Es sind einige Beispiele dieser Kreuzwegzyklen von Scherf im Rheinland und in
Westfalen bekannt. Bei deren Betrachtung zeigt sich allerdings, dass es wie schon
von Strohmann angedeutet, zwei Varianten gibt.19 Sie unterscheiden sich in der
12 STROHMANN, „Führich-Kreuzwege”, 33.
13 Organ für christliche Kunst 10, 1860, Nr. 11, S123, zit. nach STROHMANN, „Führich-Kreuzwege”, Anm. 21.
14 Joseph VON FÜHRICH, Der heilige Kreuzweg in 14 Stationen. Gezeichnet von Joseph (Josef von) Führich. In Kupfer gestochen von Alois Petrak. Mit erkl. Texten
von Wilhelm Reischl, Regensburg 1856.
15 Ludwig GIERSE, Das kleine Andachtsbild und der Verein zur Verbreitung religiöser
Bilder in Düsseldorf, in: Kath. Köln 1980, Religiöse Graphik, 27: „In den ersten 25
Jahren hatte der Düsseldorfer Verein über 7 Millionen Andachtsbilder verkauft und
in den gut 50 Jahren ihres Wirkens zählte man 573 Einzelmotive“.
16 FONTAINE, Terrakotta-Bildnisse, 96 ff.
17 STROHMANN, „Führich-Kreuzwege”, 31.
18 Ebd., 31f.
19 Ebd., 32.
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Anzahl der dargestellten Personen. Während sich die aufwendige Variante sehr
genau an Führichs Vorlage hält, und einen Vorder-, Mittel- und Hintergrund aus
bewegten Figuren aufbaut, so ist diese mit reduziertem Personenrepertoire auf die
wesentlichen Personen beschränkt. Dies lässt sich anhand der Stationen von St.
Nikolaus, Arenberg und der benachbarten Kirche St. Pankratius, Niederberg veranschaulichen (s. Abb. 2 u 3).
Aufgrund dieser Erkenntnisse ist zu vermuten, dass Scherf sich auch bei der Gestaltung der Rosenkranzstationen an eine nazarenische Vorlage gehalten hat. Bei
dem stilistischen Vergleich der 1848 veröffentlichen Federzeichnungen Führichs
„Die geistige Rose“20 zeigt sich eine eindeutige Übereinstimmung in der Darstellung(s. Abb. 4 u 5). Im Vergleich zu den Kreuzwegstationen ist diese Umsetzung
eine solche mit reduziertem Personenrepertoire. Ob Rosenkranzstationen mit
personenreicheren Darstellungen existieren, ist leider nicht bekannt.
3 Terrakotta in den Pfarrer Kraus Anlagen
In der Landschaftsbilderbibel und der Kirche St. Nikolaus befinden sich über 80
Terrakottabildnisse. Ohne die Technisierung der Arbeitsprozesse in den Figurenfabriken wäre eine solche Fülle an Kunstobjekten nicht möglich, sprich unbezahlbar gewesen, waren doch die rein bildhauerisch geschaffenen Skulpturen sehr viel
kostspieliger.21 Die Terrakotten bezog Kraus größtenteils von der Figurenfabrik
Scherf und der in Trier ansässigen Firma Walter.22
Sämtliche noch erhaltenen Reliefbildnisse aus Terrakotta, insgesamt 32, stammen
von der Firma Scherf: in der Kirche zehn Stationen des Kreuzweges von 1877,23
im Mariengarten sieben Reliefs des Schmerzensweges Mariens von 186724 und
schließlich die 15 Stationen des Rosenkranzweges von 1884.25 Des Weiteren liefer20 Joseph VON FÜHRICH, Die geistige Rose. Enthaltend die fünfzehn Mysterien des
Rosenkranzes in ebenso vielen Federzeichnungen von Prof. Joseph Führich, lithographiert von Joseph Binder; begleitet mit einem erklärenden Texte von Joh. Em.
Veith, Wien, 1848.
21 Neben den Tonfiguren finden sich auch manche aus Naturstein, dies sind aber eher
seltene, und gehen aus Stiftungen der Kaiserin Augusta zurück, so zum Beispiel auch
die Skulptur Christus in der Todesangstgrotte des Koblenzer Bildhauers August Michels.
22 Clemens THEIS, Oben am Berg. Beiträge zur Ortsgeschichte des Kirchspiels Arenberg, Spay 1996, 121: Auch die Gebrüder Albert und August Michels, Bildhauer aus
Koblenz, lieferten 1848 Terrakottareliefs für den Kreuzweg. Diese sind durch die
heutigen Kalksteinreliefs ausgetauscht worden.
23 THEIS, Ortsgeschichte, 197.
24 Ebd., 177.
25 KRAUS, 13. Aufl., 64; THEIS, Ortsgeschichte, 209.
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te Firma Scherf zwischen 1862 und 1890 eine Vielzahl an vollplastischen, lebensgroßen Figuren. Durch Rechnungen im Pfarrarchiv, Provenienzangaben in den
Beschreibungen der hl. Orte durch Kraus26 und die durch Theis und Busch ausgewerteten Sendeprotokolle27 sind weiterhin belegt: 2 Engel polychromiert (1864);
hl. Franziskus, hl. Joseph, hl. Nikolaus (1867); Ständeprogramm im Hauptschiff,
12 Figuren (1872); Johannes tauft Jesus, Maria Magdalena, Salome und Maria, die
Mutter des Jakobus sowie zwei Krieger unter dem Kreuz (1883). Außerdem findet
sich eine Rechnung über 100 Engelsköpfe vom 31. März 1862. Eine weitere
Rechnung Scherfs nennt „2 Engel polychromiert“.28 Somit ist belegt, dass die Objekte von Scherf ab Werk gefasst geliefert werden konnten.
Beim Vergleich der Reliefplatten unterschiedlicher Zyklen fällt auf, dass die Urformen des Führich-Kreuzweges auch für andere Stationszyklen verwendet wurden. Bei inhaltlichen Überschneidungen der Szenen mit den sieben Schmerzen
Mariens bediente man sich der gleichen Vorlage. So entsprechen die Kreuzwegstationen 4, 12, 13 und 14 den letzten vier Stationen des Schmerzensweges
Mariens. Mit dem Rosenkranz überschneidet sich der Kreuzweg bei der Kreuzigung, Station 12, entsprechend Station 10 im Rosenkranz, die jedoch ausgerechnet
in dem Arenberger Beispiel nicht im Original vorhanden ist.
4 Die Rosenkranzgeheimnisse
Pfarrer Kraus etablierte 1842 in seiner Gemeinde die „Bruderschaft vom lebendigen Rosenkranz“29. 1880 wurde der Ortsverein mit über 500 Mitgliedern in den
Predigerorden der Erzbruderschaft des heiligen Rosenkranzes aufgenommen.30
Somit wurde die Pfarrkirche Arenberg offiziell zur Bruderschaftskirche, die nach
Satzungsvorschrift 1889 eine Rosenkranzgruppe erhielt.31 Das Rosenkranzgebet
war für Kraus „die vorzüglichste Andachtsübung, die Königin der Gebete“32 …
„weil, wie die Rose die Schönste der Blumen ist, sie die herrlichsten unter allen
Gebeten und in Reihenfolge miteinander, wie zu einem Kranze verbunden
sind“33. So erklärt es sich, dass um 1884 auch ein Rosenkranzweg mit 15 Stationen
im Mariengarten angelegt wurde.
26 Die Provenienzangaben bei Kraus variieren von Auflage zu Auflage. Der Autorin
lagen folgende Auflagen zur Recherche vor: 10. Aufl. 1877; 13. Aufl. 1885; 15. Aufl.
1889.
27 Die Sendeprotokolle befinden sich im Nachlass von Clemens Theis.
28 Rechnung vom 31. Juli 1964 von H. I. Scherf, Pfarrarchiv Arenberg.
29 KRAUS, Sendprotokolle Seite 84 und 87, zit. nach Theis, Ortsgeschichte, 199.
30 KRAUS, 15. Aufl., 251. Anm. b)
31 Rechnung Carl Walter vom 10. Oktober 1889.
32 KRAUS, 15. Aufl., 259.
33 Ebd., 253.
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Die 15 Rosenkranzgeheimnisse sind von Scherf als Hochreliefs gefertigt und stellen ausgewählte Szenen aus dem Leben Christi dar. Die Rosenkranzgeheimnisse
werden traditionell, entsprechend der fünf Gesätze der Gebetsschnur, in drei
Fünfergruppen unterteilt, die freudenreichen, die schmerzhaften und die glorreichen. Betet man den Rosenkranz, so wird eingebettet in zehn „Ave Maria“ jeweils
eines dieser Geheimnisse betrachtet. Das zu sprechende Gebet ist jeweils unterhalb der Darstellung auf einer Marmorplatte eingraviert.
Die Bilderstöcke sind ca. 2,5 Meter hohe mit Bruchstein verblendete Ziegelpfeiler
auf rechteckigem Grundriss und einem Pultdach mit Blechabdeckung (s. Abb. 6).
Sie sind auf einem etwas größeren Ziegelfundament gemauert. Die Bruchsteine
sind Kalksinterbruchstücke mit deutlich erkennbaren organischen Einlagerungen,
vornehmlich Ästen und Moosen. Sie sind ohne Sichtbarkeit des Fugenmörtels
vermauert. Diese Sintersteine wurden ebenfalls im Chor der Pfarrkirche St. Nikolaus verwendet. Es ist ein auffälliges und selten gesehenes Material und passt in
das Kraus‘sche Konzept der Grottenarchitektur. Die Reliefbildnisse sitzen auf
Augenhöhe etwa 40-45 cm nach hinten versetzt in einer Rundbogennische. Der
Aufbau zeigt, dass die Reliefplatten bereits gefasst vor der Bruchsteineinfassung in
den Ziegelkern eingemauert wurden.
„Die zwei großen Plätze zur nördlichen und südlichen Seite des h. Hauses
sind mit verschiedenartigen Zierpflanzen geschmückt. Darauf sind in angemessener Entfernung vom h. Hause fünfzehn Häuschen aus Tuffstein
erbaut, worin in gelungenen Reliefbildern die fünfzehn Geheimnisse des
Rosenkranzes dargestellt sind. Die Bilder umschließen Nischen, worunter
auf weißem Marmor die betreffenden Geheimnisse in Goldschrift verzeichnet sind. Die unteren vorderen Flächen zieren Krystallkreuze, wovon
die des freudenreichen Rosenkranzes weiß, die des schmerzhaften dunkelbraun, die des glorreichen gelb, sowie auch die Bepflanzungen an ersterem, dem freudenreichen Rosenkranze, in weißblätterigen, die des
schmerzhaften in rothblätterigen, die des glorreichen in goldgelbblätterigen Pflanzen verziert sind; darunter zeichnen sich aus weißblätterigem
Ahorn, dunkelrothe Trauerbuchen und Trauerbirken, dunkelrothe Eichen
und Berberis, sodann goldgelbblätterige Eichen, Hollunder und Koniferen. Die herrlichen Fuchsien, Rosen und Pellargonien, bedecken den Boden, man dünkt sich in Edens Garten versetzt. Die Westseite umschließt
ein eisernes Gitter bedeckt mit Schlingrosen, vor demselben ist eine Rosenrabatte.“34
34 KRAUS, 15. Aufl., 50f.
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Mit Anlegen des Rosenkranzweges und dem Pflanzen des Mammutbaums war der
Mariengarten vollständig. Kraus selbst kommentierte kurz nach der Fertigstellung:
„Die ganze Anlage erscheint fremdartig und versetzt den Geist nach Palästina.“35
Im Folgenden werden die einzelnen Stationen des gesamten Rosenkranzweges der
Pfarrer Kraus Anlagen mit Darstellung und Inschrift aufgeführt. Die „freudenreichen Geheimnisse“ betrachten die Inkarnation und das verborgene Leben Christi:
Station 1
Station 2
Station 3
Station 4
Station 5
Mariä Verkündigung
„Den Du, o Jungfrau, empfangen hast.“
Mariä Heimsuchung
„Den Du, o Jungfrau, zu Elisabeth getragen hast.“
Christi Geburt
„Den Du, o Jungfrau, geboren hast.“
Jesu Opferung im Tempel
„Den Du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast.“
Auffindung des zwölfjährigen Jesus im Tempel
„Den Du, o Jungfrau, im Tempel wieder gefunden hast.“
Die „schmerzhaften Geheimnisse“ betrachten die Passion Christi:
Station 6:
Station 7:
Station 8:
Station 9:
Station 10:
Jesus im Garten Getsemani
„Der für uns im Garten Blut geschwitzt hat.“
Geißelung Jesu
„Der für uns ist gegeißelt worden.“
Dornenkrönung Jesu
„Der für uns mit Dornen ist gekrönt worden.“
Kreuztragung Jesu
„Der für uns das schwere Kreuz getragen hat.“
Kreuzigung Jesu
„Der für uns ist gekreuzigt worden.“
Die „glorreichen Geheimnisse“ betrachten die Auferstehung Christi:
Station 11
Station 12
Station 13
Station 14
Station 15
Auferstehung Christi
„Der von den Todten auferstanden ist.“
Himmelfahrt Christi
„Der gegen Himmel aufgefahren ist.“
Pfingstereignis, Sendung des Heiligen Geistes
„Der uns den Heiligen Geist gesandt hat.“
Aufnahme Marias in den Himmel
„Der dich in den Himmel aufgenommen hat.“
Krönung Marias
„Der dich im Himmel gekrönt hat.“
35 KRAUS, 13. Aufl., 64.
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5 Bestandserfassung der Terrakottareliefplatten
Um ein optimales Maßnahmenkonzept entwickeln zu können, wurden zunächst
Bestand und Zustand untersucht. Nach erster Inaugenscheinnahme zeigte sich,
dass die Reliefs bereits mehrfach gefasst waren. Da die Reliefs in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden sollten war der Schwerpunkt der Untersuchung die Identifizierung der ursprünglichen Farbigkeit. Die Untersuchungen zur
Bestimmung der Stratigraphie, dem Aufbau von Grundierungs- und Farbschichten wurden anhand kleinster Materialproben durchgeführt, die mikroskopisch
untersucht wurden. Hierzu wurde die Fassungsprobe in Kunstharz eingebettet
und in einer zum Aufbau der Malschicht senkrecht stehenden Ebene angeschliffen. Unter dem Mikroskop sind demgemäß die Anzahl, die Farbigkeit und die
charakteristischen Unterschiede der Malschichten zu erkennen (Abb. 7). So konnten bis zu zwölf Malschichten identifiziert werden, die insgesamt acht Fassungen
zugeordnet werden können. Als erste Schicht auf der Terrakotta liegt in allen Bereichen eine weiße Fassung (weiße Matrix mit wenigen Gelbpigmenten). Auf den
schmalen Gewandsäumen liegt zusätzlich eine Goldschicht auf, die nach stratigraphischer Untersuchung am Objekt auch auf Nimbus und Dornenkrone und anderen Attributen belegt werden konnte. Als Erstfassung konnte also eindeutig eine
monochrom gebrochen weiße Farbfassung mit golden abgesetzten Gewandsäumen, Attributen und Nimben nachgewiesen werden.
Es findet sich eine Rechnung des Malers Born aus Niederberg, der 1890 unter
anderem folgende Position in Rechnung stellt: „April: die Stationen der 15 Rosenkranzgeheimnisse in 2 Tönen gestrichen“.36 Da die Stationen jedoch 1885
schon in den Beschreibungen aufgelistet sind, muss es sich hier um eine farbauffrischende Zweitfassung (in Anlehnung an die Erstfassung) handeln.
Es zeigte sich, dass sich sowohl die ursprünglich monochrome Farbfassung als
auch die drei nachfolgenden monochromen Anstriche heller Weißtöne bedienten
(helle, leicht gelblich-rote Matrix mit wenigen Schwarz-, Rot- und Gelbpigmenten). Nach diesen erkennbaren vier Weißfassungen ist eine dünne Schmutzschicht
zu erkennen, was darauf schließen lässt, dass der vierte Weißanstrich längere Zeit
stehenblieb. Die folgende fünfte Übermalung wurde etwas dunkler, immer noch
monochrom ausgeführt. Danach folgte in völliger Abkehr von der ursprünglichen
Anlage die dreimalige Wiederholung von unterschiedlich ausgeführten polychromen Fassungen. Bei einer dieser Fassungen wurden die Gewandsäume erneut mit
Gold angelegt.
36 Rechnung von Peter Born vom 21. Mai 1890, Pfarrarchiv Arenberg.
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6 Restaurierungsmaßnahmen
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wurde 2012 in Absprache mit dem Auftraggeber, dem Förderverein der Pfarrer-Kraus-Anlagen Arenberg-Immendorf
e.V. und der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz entschieden, die
ursprünglich erste Fassung, monochrom weiß mit Vergoldungen, als Neufassung
wiederherzustellen. Die Restaurierung sollte jenes Erscheinungsbild wieder herstellen, welches von Pfarrer Kraus erdacht und in Auftrag gegeben wurde.
Die vorhandenen Fassungen sollen als Bestandteil der Geschichte der Reliefs bei
den Stationen 7 bis 10 für die Nachwelt erhalten bleiben. Für dieses Konzept war
eine Konsolidierung der Malschicht mit geeigneten Festigungsmitteln erforderlich.
Plastische Fehlstellen im Relief sollten dem Original entsprechend ergänzt werden. Weniger ästhetisch angelegte Altergänzungen sollten ausgetauscht sowie
durch Kittung der Malschichtfehlstellen eine ebenmäßige Oberfläche geschaffen
werden. Die fein ausgearbeiteten Reliefs büßten mit acht aufliegenden Farbfassungen natürlich an ihrem filigranen Aussehen ein. Vor allem die feinen Haarsträhnen, die kleinen, exakt ausgearbeiteten Finger- und Fußnägel, die durch
punktförmige Vertiefungen angedeuteten Pupillen etc. waren in ihrer ursprünglichen Feinheit nicht mehr ablesbar. In solchen Bereichen wurden die Farbschichten etwas reduziert (Abb. 8-10). Nachdem ein tragfähiger Untergrund geschaffen
war, wurde die rekonstruierende Neufassung im Hinblick auf historische Techniken in Ölfarbe und Ölvergoldung angelegt (Stationen 7-10). Die restlichen Stationen des Rosenkranzes wurden aufgrund eines schlechteren Erhaltungszustands
der Malschichten und Schäden in der Terrakotta vollständig freigelegt. Für den
Anstrich wurde hier nach der Freilegung ein modernes wasserdampfdiffusionsoffenes System gewählt.
Schwieriger gestaltet sich eine Entscheidung im Umgang mit plastischen Ergänzungen von fehlenden Köpfen und Händen. Aus modernen restaurierungsethischen Gesichtspunkten muss sich eine Restaurierungsmaßnahme immer dem Original unterordnen. Das heißt, dass plastische Fehlstellen aus Respekt zum Original
nur dann rekonstruiert werden, wenn das ursprüngliche Aussehen überliefert ist.
Dies kann anhand älterer Photographien ablesbar sein oder im Falle der mehrfach
reproduzierten Reliefplatten an Vergleichsbeispielen oder der Vorlagenstiche.
Der fehlende Kopf eines Soldaten an Station 3, der Dornenkrönung, konnte aufgrund einer älteren Photographie rekonstruiert werden (Abb. 11,12). Zusätzlich
findet sich ein sehr ähnliches Gesicht bei den ebenfalls von Scherf geschaffenen
Terrakottareliefs des Kreuzwegs von St. Marien in Köln-Kalk. An anderen Stationen gab es auch inadäquat ausgeführte, nicht der filigranen Gestaltung des Originals entsprechende Ergänzungen, die nach einer qualitätvolleren Ausarbeitung
verlangten. Ein Beispiel wäre der Kopf der zweiten Person von rechts in Station
12, der Himmelfahrtsszene, die in einem unpassenden Material in einer fragwürdigen Art und Weise als Frauenkopf ergänzt war. Auch hier musste zunächst die
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originale Darstellung geklärt werden. Es fand sich nur eine kleine abgedruckte
Photographie von 1984, auf dem die Haltung des Kopfes erkennbar war, jedoch
keine Details.37 Also musste in diesem Fall auf die Vorlage zurückgegriffen werden. Ausgehend von den Beschreibungen Reischls heben sich in der Auferstehungsszene auf „der einen Seite die Jungfrau und Johannes, ihnen gegenüber Petrus und Matthäus hervor, der als erster Evangelist durch das Buch bezeichnet
ist“38. Petrus, gut erkennbar durch das Attribut des Schlüssels, ist ebenso in Station 6 und 13 dargestellt. Somit konnte dieses Gesicht dem Original angemessen
neu ergänzt werden.
Die Arbeiten an den Stationen der „freudenreichen Geheimnisse“ stehen noch
aus.
Kupferstich nach Federzeichnung Führich, Die geistige Rose, Station XII (Führich 1848)
37 BUSCH, Graltempelidee, 245.
38 VON FÜHRICH, Geistige Rose, 24.

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