DAS REICH GOTTES IST MITTEN UNTER UNS (Lk
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DAS REICH GOTTES IST MITTEN UNTER UNS (Lk
Themenpredigt: „Das Reich Gottes ist mitten unter uns“ 19. Okt 2014 Christian Hagen DAS REICH GOTTES IST MITTEN UNTER UNS (Lk 17,20-22) 1 Themenpredigt: „Das Reich Gottes ist mitten unter uns“ 19. Okt 2014 Christian Hagen „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“, meine lieben Schwestern und Brüder. So steht es in Lk 17,21: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Manche von Euch benutzen einer Luther Übersetzung. Und diese Übersetzung ist auch gut im Allgemeinen. Aber bei seiner Übersetzung von Lk 17,21 hat Luther gewaltig daneben gegriffen. Er hat fälschlicherweise so übersetzt: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Damit hat er ganze Generationen von Gläubigen dazu gebracht, Gott nur in ihrem eigenen Herzen zu suchen. Die ganze Bewegung der Pietisten stützte sich teilweise auf diesen Vers aus der Luther Übersetzung. Gott ist nur innerlich zu finden, dachten sie. In uns, in unseren Herzen, in unserer Seele. Viele Christen zogen sich deshalb aus der Welt zurück, denn was sollten sie in der Welt da draussen schon suchen, wo doch Gott nur hier drinnen im Herzen wohnt und wirkt. Sie wendeten sich ganz nach innen und vergassen dabei die Aussenwelt. Ich will nicht sagen, dass in diesen Gedanken nicht auch ein Körnchen Wahrheit steckt. Natürlich ist Gott auch im Herzen der Menschen tätig durch den Heiligen Geist und als Heiliger Geist, aber mit Reich Gottes meinte Jesus etwas anderes. Nämlich etwas soziales, ja geradezu politisches. Tatsächlich steht nämlich im Urtext: „Das Reich Gottes ist (schon jetzt) mitten unter euch.“ Es ist da: zwischen den Menschen, unter den Menschen – eben unter uns! Es hat immer etwas mit Beziehung zu tun, mit Gemeinschaft, mit gegenseitiger Achtung und Liebe. Das Reich Gottes ist eine zutiefst soziale Grösse, die zwischen den Menschen wirkt. Aber man mag sich fragen: „Hä, wo ist denn das Reich Gottes? Ich sehe es nicht. Wenn es schon da ist, dann zeig es mir doch bitte!“ Es stimmt. Das Reich Gottes ist nicht leicht zu sehen und schon gar nicht zu fassen. Vielmehr entzieht es sich unserem Blick geradezu, denn wir sehen nur das, was wir vor Augen haben. Und vor unseren Augen sehen wir – zumindest in den Medien - Bilder von Krieg, von Gewalt, von Ebola, von Elend, von Hunger und Tod. Diese Bilder brennen sich tief in unser Bewusstsein und bestimmen unsere Sicht mit. Aber das Reich Gottes, die basileia tou theou, erkennen wir nicht so leicht. Augen haben wir, aber wir sehen nicht gut. Ohren haben wir, aber wir hören nicht gut. Für Jesus ist das Reich Gottes das zentrale Thema Seiner Verkündigung. Von nichts anderem sprach Er häufiger. Für Ihn war das nicht nur eine Idee, ein philosophisches Konstrukt. Für Ihn war es die sehr konkrete, weltumstürzende Wirklichkeit, als deren Anfang Er sich selbst verstand. Das Gottesreich ist mit Jesus angebrochen. In Seinem Handeln wurde es greifbar und spürbar, sichtbar und hörbar. Als eigene Kraft „ist das Reich Gottes nahe herbeigekommen“ (Mk 1,15), „ist es mitten unter euch“ (Lk 17,21). „Es ist schon da“ (Lk 11,20) und „es kommt noch“ (Lk 11,2). Aber wie können wir das verstehen? Das Gottesreich ist schon da, aber es kommt noch? Ist das kein Widerspruch? Entweder etwas ist da oder es kommt erst noch. Aber beides gleichzeitig? 2 Themenpredigt: „Das Reich Gottes ist mitten unter uns“ 19. Okt 2014 Christian Hagen Wir sind gewohnt, unsere Zeit in kausalen Ketten zu denken. Das Gestern hat Auswirkung auf das Heute. Das Heute bestimmt das Morgen. So verläuft die Zeit von Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Aber Jesus – und mit ihm die ersten Christen- hat ein grundlegend anderes Zeitverständnis. Für Ihn gibt es einen tiefen, unüberbrückbaren Einschnitt zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Vergangenheit ist vergangen. Sie zählt nicht mehr. Sie ist passé. Deshalb dreht sich ein Nachfolger Jesu auch nicht um, wenn er den Acker pflügt (Lk 9,62). Was hinter ihm liegt, ist nicht mehr von Interesse. Sein Blick ist nach vorne gewandt. Was vergangen ist, lässt er los. Er lässt es zurück. Die Gegenwart nämlich ist offen auf die andere Seite; auf die Seite der Zukunft hin. Und die Zukunft wirkt in die Gegenwart hinein. Nicht primär die Vergangenheit bestimmt unser Heute – auch wenn sie uns natürlich mitprägt. Nein, die Zukunft Gottes, Sein ewiges Reich, bestimmt unser Heute. So ist das Reich Gottes schon da, obwohl es noch auf die Vollendung wartet. Man könnte sagen: sie ist gegenwärtige Zukunft! Und somit ist sie erfüllte Gegenwart. Die Ankunft des Reiches Gottes bedeutet die Gegenwart der Liebe Gottes. Sein verborgener Anfang, geschieht in Gestalt überwältigender, schrankenloser Liebe Gottes zu den Menschen. Es will in Gestalt ebensolcher Liebe unter den Menschen wirksam werden. Das Reich Gottes ist nicht etwas, das wir machen könnten, das wir beeinflussen könnten. Denn es ist schon da, durch Gottes Wirken allein. Das Gleichnis von der selbst wachsenden Saat (Mk 4,26-29) verweist auf das sichere und vom Handeln des Menschen unabhängige Kommen des Gottesreiches. Es kommt von selbst (Mk 4,28 automatä). Dem unscheinbaren Anfang wohnt der Zauber der Vollendung inne. Jesus stellt seine Nachfolger, also uns, hinein in ein unvergleichliches Abenteuer. Er ermöglicht uns Teilhabe an Seiner grenzenlosen Hoffnung auf die Zukunft Gottes und Seiner unendlichen Gewissheit, dass diese Zukunft unser heute bestimmt. In einer hoffnungsarmen Gegenwart eröffnet Er uns die Perspektive einer total anderen Zukunft. Diese Perspektive ermöglicht es uns, die Vergangenheit loszulassen und neu zu beginnen, jeden Tag wieder. Das Gestern zählt nicht mehr. Das, was noch kommen wird, ist das, wonach wir uns ausstrecken. Gott ruft und lockt uns in die Zukunft hinein und wir dürfen eintreten in einen neuen Erfahrungsbereich, in eine erfüllte Gegenwart, in eine gegenwärtige Zukunft. Wo Gottes Herrschaft Raum gewinnt, da ist allein Gott der Schenkende und der Mensch der Empfangende. Uns ist eine blühende Zukunft geschenkt! Und wie sollte diese Hoffnung und Gewissheit nicht das Heute prägen!? Die Wachstumsgleichnisse Jesu von der „selbst wachsenden Saat“ (Mk 4,26-29) oder vom Sauerteig (Mt 13,33) zeigen, wie aus ganz kleinen Anfängen etwas Grosses entstehen kann. „Das Reich Gottes ist einem Sauerteig gleich, den eine Frau nahm und unter drei Schüsseln Mehl mengte, so dass der ganze Teig durch und durch sauer wurde.“ Mt 13,33 Mit unseren Augen sehen wir die kleinen Anfänge vielleicht noch nicht. Mit unseren Ohren hören wir sie vielleicht noch nicht. Aber mit unseren Herzen können wir sie wahrnehmen. Denn das Reich Gottes ist nichts, was man festhalten kann wie einen Gegenstand. Es ist Ereignis. Wo ist also das Reich Gottes? 3 Themenpredigt: „Das Reich Gottes ist mitten unter uns“ 19. Okt 2014 Christian Hagen Es ist da, wo Liebe spürbar wird, weil sie ausgelebt wird. Es ist da, wo Vergebung passiert. Es ist da, wo Menschen das Wort Gottes empfangen und sich als Beschenkte und Angenommene erkennen. Es ist da, wo das Böse durch das Gute überwunden wird. Es ist da, wo wir erkennen, dass unsere grenzenlose Schuld gesühnt ist. Es ist da, wo Heilung passiert, wo Armut überwunden wird, wo Gerechtigkeit hergestellt wird. Es ist da, wo Egoismus besiegt und Nächstenliebe möglich wird. Es ist auch da, wo Grenzen niedergerissen werden, wo keine Menschen ausgegrenzt werden, wo Sünder und Zöllner, Ausländer und Huren, Arme und Ausgestossene, gemeinsam an einen Tisch sitzen können. Für Jesus war das gemeinsame Essen, die Mahlgemeinschaft, der grösste Ausdruck und die Vorwegnahme des Reiches Gottes. Das Mahl ist ein Bild für Gottes Barmherzigkeit und Liebe! Im gemeinsamen Essen, im Teilen der guten Gaben Gottes, findet Reich Gottes statt. „Das Reich Gottes ist einem Sauerteig gleich, den eine Frau nahm und unter drei Schüsseln Mehl mengte, so dass der ganze Teig durch und durch sauer wurde.“ Mt 13,33 An diesem Gleichnis ist nicht wichtig, dass in dem Teig langsam etwas entsteht und sich verändert. An diesem Gleichnis ist nur der gigantische Unterschied wichtig. Was wir sehen, ist wenig. Was wir aber erhoffen, das ist alles. Wie es zugeht, ist unwichtig. Wichtig ist, was wir für die Zukunft ins Auge fassen. Wir erwarten von Gott, dass Er Sein Reich vollendet, dass Er Sein Werk zu einem guten Ende bringt. Das Kommen des Reiches Gottes ist keine Illusion christlicher Träumer. Es bedeutet das Kommen einer real neuen Welt; es ist heute schon in Ansätzen spürbar, aber es wartet noch auf die volle Entfaltung. Zugleich eröffnet es eine ungeahnte Energie, die uns zu neuem Handeln befähigt. Das Reich Gottes steht für Gottes Herrschaft in Gegenwart und Zukunft, für Gottes Nähe, für Gottes Liebe, für Gottes Parteinahme, für Gottes Gerechtigkeit, für Gottes Willen, für Gottes Güte und für Seinen Sieg über das Böse. Und so bestimmt es auch alle Bereiche der Verkündigung und des Handelns Jesu – und damit bestimmt es hoffentlich auch unsere Verkündigung und unser Handeln. Das Reich Gottes ist schon da, mitten unter uns. Es ist gegenwärtige Zukunft, erfüllte Gegenwart. Ich möchte uns alle ermutigen, mehr mit unseren Herzen zu sehen. Sehen wir uns bewusst nach dem Reich Gottes in unserer Umgebung um – in Herisau, in Schwellbrunn, in Waldstatt, in Urnäsch, in Hundwil und sonstwo – und lassen wir uns hineinnehmen in dieses Liebeswerk Gottes, das Er ohne uns begonnen hat, das Er aber nicht ohne uns vollenden will. Wir dürfen an Gottes grossem Erlösungswerk mitarbeiten. Wir dürfen versuchen, mit Gottes Hilfe ein bisschen mehr Gerechtigkeit in die Welt zu bringen. Denn Jesus sagt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit; und alles, was ihr braucht, wird Gott euch geben. So seid nun nicht besorgt um den morgigen Tag. Denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen.“ (Mt 6,33) AMEN 4