ein film von sylvain chomet

Transcrição

ein film von sylvain chomet
flux _visuals
dasgrosse
grosse
rennenvon
belleville
ein film von
sylvain chomet
Polyfilm Verleih präsentiert
einen Film von Sylvain Chomet
Das große
RENNEN
von
BELLEVILLE
Frankreich/Kanada/Belgien 2002
Farbe; Länge: 80 Min.; 1:1,66; Dolby Digital
KINOSTART:
9. April 2004
Polyfilm Verleih
Margaretenstraße 78
1050 Wien
Tel. +43/1/581 39 00 - 20
Fax +43/1/581 39 00 - 39
Email [email protected]
http://verleih.polyfilm.at/
Stab
Regie, Drehbuch, Storyboard, Graphik-Design
Art Director
Musik – Komposition und Arrangements
Color Backgrounds
Character Color Research
Regie Animation und Graphik-Design-Figuren
Animation Supervision
SYLVAIN CHOMET
EVGENI TOMOV
BENOIT CHAREST
THIERRY MILLION
CAROLE ROY
SYLVAIN CHOMET
JEAN-CHRISTOPHE LIE
BENOIT FÉROUMONT
Regie 3D-Animation, Spezialeffekte und
Compositing-Design
Compositing-Regie
Schnitt
Production Manager
Animation Studios
PIETER VAN HOUTE
BÉNÉDICTE GALUP
CHANTAL COLIBERT BRUNNER
FRANCOIS BERNARD
STUDIO LES TRIPLETTES, ARTDOG
WALKING THE DOG, RIJA FILMS, 2d3D
CINEBERTI
JEAN-CLAUDE DONDA, MICHEL ROBIN
MONICA VIEGAS
–M–
BÉATRICE BONIFASSI
CHARLES PREVOST LINTON
MATHIEU COX, ERIC DE VOS
LAURENT QUAGLIO
DIDIER BRUNNER (LES ARMATEURS)
PAUL CADIEUX (PRODUCTION CHAMPION)
PAUL CADIEUX (PRODUCTION CHAMPION)
VIVIANE VANFLETEREN (VIVI FILM)
RÉGIS GHEZELBASH (RGP FRANCE)
COLIN ROSE (BBC BRISTOL)
Sound-Mischung
Stimmen der Figuren
End Credit-Song
Andere Songs gesungen von
Sound Design
Produzenten
Co-Produzenten
Original Soundtrack: DELABEL
Produziert von LES ARMATEURS (Carrère Group)
PRODUCTION CHAMPION / VIVI FILM
FRANCE 3 CINÉMA / RGP FRANCE
Mit Unterstützung von Canal+, Gimages 3 und Cofimage 12,Telefilm Canada,
eine französisch-belgisch-kanadische Co-Produktion, mit SODEC, Société de développement des
enterprises culturelles – Quebec, unterstützt vom Centre National de la Cinématographie
und Fonds Film in Vlaanderen sowie Nationale Loterij
in Zusammenarbeit mit BBC Bristol und
Copyright
BBC Worldwide, Département de la Charente
2002 Les Armateurs / Production Champion
und Région Poitou-Charentes. Unterstützt
Vivi Film / France 3 Cinéma / RGP France
von Cartoon, dem Media Programme
Sylvain Chomet
of European Community und Procirep.
3
Kurzinhalt
In einem winzigen Häuschen neben dem Bahndamm lebt Champion bei seiner Großmutter,
Madame Souza, die ihn adoptiert hat. Er ist ein
einsamer kleiner Junge, und Madame Souza
würde alles tun, um ihn fröhlich zu sehen. Als
sie herausfindet, dass der Bub nirgends glücklicher ist als auf dem Fahrrad, startet sie mit
ihm ein intensives Trainingsprogramm. Die
Jahre vergehen, und Champion erweist sich
seines Namens immer würdger. Schließlich ist
Dort schließen sie Bekanntschaft mit den be-
es so weit: Er tritt beim berühmtesten Fahr-
rühmten Drillingsschwestern „Les Triplettes de
radrennen der Welt, der Tour de France, an.
Belleville“, drei exzentrischen Music-Hall Stars
Doch während der mühsamen Etappe durch die
der 30er-Jahre. Dank Brunos ausgeprägtem
Berge wird Champion von zwei mysteriösen
Geruchssinn und der beherzten Hilfe der
Männern in Schwarz entführt. Sie haben aller-
„Triplettes“ stößt Madame Souza bald auf
dings ihre Rechnung ohne die
Champions Spur. Doch um den Enkel zu
besorgte Oma gemacht,
befreien, muss sie sich mit einem mächti-
denn Madame Souza und ihr
gen Gegner anlegen: der französischen
treuer Hund Bruno heften sich
Mafia, die mit dem entführten Radprofi
auf ihre Fersen. Die Odyssee
teuflische Pläne verfolgt ...
führt sie auf einem Schlauchboot über den Ozean in die
amerikanische Megalopolis Belleville.
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Inhalt
Der kleine Champion lebt bei seiner Groß-
Verbissen kämpft er sich die Berge hinauf,
mutter, Madame Souza, in einem Häuschen in
Madame Souza, mit Trillerpfeife, und Bruno im
der Vorstadt von Paris. Die energiegeladene
Auto immer dabei. Doch dann geschieht das
alte Dame – klein von Statur und mit einem
Unglaubliche: Madame Souzas Gefährt wird
Klumpfuß ausgestattet – hat den pummeligen
durch eine provozierte Reifenpanne außer
wortkargen Jungen, der am liebsten die Tour
Gefecht gesetzt,
de France im Fernsehen anschaut, adoptiert.
und Champion
Zu ihrer Sorge kann nichts das Kind aufhei-
wird von zwei
tern, außer sein Hündchen und – ein Fahrrad.
mysteriösen Män-
Erfreut stürzt sich Madame Souza auf die
nern in Schwarz
neu entdeckte Vorliebe ihres Enkels: Nach
gekidnappt. Sie ver-
anfänglichem Kreisedrehen im Hof intensi-
frachten ihn in ein
viert sie, ausgestattet mit einer Trillerpfeife,
Schiff, und los
das Training, bis Champion seinem Namen alle
geht die Fahrt
Ehre macht. Während Hund Bruno, der mit
über den Atlantik.
Vorliebe die vorbeifahrenden Züge anbellt,
Doch die unermüdliche Madame Souza und
immer dicker wird, wird aus seinem runden
Bruno sind ihnen auf den Fersen und schip-
Herrchen mit der Zeit ein kraftstrotzendes
pern hinterher, in einem Tretboot über den
Muskelpaket.
Ozean! Als sie endlich in der geschäftigen
Es ist die Zeit des expandierenden Nachkriegs-
Metropole Belleville – einer Mischung aus
Paris: Die Stadt dehnt sich immer weiter aus,
New York, Montréal und Paris – ankommen,
und das kleine Häuschen muss mehr und mehr
hat sich Champions Spur allerdings längst ver-
einer Hochbahntraße weichen,
loren. Und so sitzen die Oma und der Hund
die quasi durchs Wohnzimmer
ohne einen Cent in einer fremden Stadt.
führt. Doch das stört außer
Verzagt ziehen sie sich unter eine Brücke
Bruno
keinen, denn
die
zurück, und Madame Souza beginnt, auf alten
übrigen Bewohner haben
Fahrradreifen zu musizieren. Bald gesellen sich
sich ganz dem Radsport ver-
drei exzentrische alte Ladies dazu: Die
schrieben. Bis sich eines
„Triplettes de Belleville“, in den 30ern be-
Tages Champions großer
rühmte Music Hall Stars, fallen begeistert ein
Traum erfüllt und er bei
und nehmen anschließend die Großmutter
der Tour de France
und Bruno mit nach Hause. Der Speiseplan
antritt.
ist zwar etwas eintönig, denn meist fangen
die Drillingsschwestern in den nahen Sümpfen durch kleine Sprengsätze die Frösche
gleich körbeweise und verarbeiten sie zu
immer neuen Delikatessen.
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PRODUKTIONSNOTIZEN
Doch Madame Souza hat ein Dach über dem
DAS GROSSE RENNEN VON BELLEVILLE
Kopf, und sie tritt zusammen mit den „Triplets“
ist Sylvain Chomets erster abendfüllender
in deren Küchen-
Zeichentrickfilm. Er lief – als einer der
geräte-Show in
wenigen Produkte seines Genres – im
einem Club auf.
Wettbewerb von Cannes 2003 außer
Dort wird Bruno
Konkurrenz. Wunderbar nostalgisch und
eines Abends aus
mit großer Liebe zum Detail ausgestat-
seinen immer wie-
tet, verbindet der für seinen Kurzfilm
derkehrenden Eisen-
„The Old Lady and the Pigeons“ viel-
bahn-Träumen
fach ausgezeichnete Franzose neueste
geschreckt: Er
3D-Technik mit hinreißenden tradi-
hat Witterung von
tionellen Zeichnungen seiner überzoge-
Champion aufgenommen, und sein guter
nen Charaktere.
Geruchssinn führt ihn direkt zum Nebentisch,
Unverwechselbar französisch, aber mit univer-
zu einem kleinen Mann mit roter Nase und
sellem Humor betrachtet
rotem Barett und einer großen Vorliebe für
Chomet mit warmem Sar-
Rotwein: den Chef der französischen Mafia in
kasmus seine Landsleute im
Belleville. Auf seinen Fersen gelangen sie, nach
alten Europa, aber auch die
einer wilden Verfolgungsjagd, in ein Casino,
konsumversessenen Vertre-
wo sich die Unterwelt beim Wetten vergnügt.
ter der Neuen Welt und
Zu ihrer Unterhaltung strampeln drei Fahr-
stellt dabei ein mitreißendes
radfahrer bis zum Umfallen, um mit ihrer Kraft
Erzähltalent zur Schau. Ein Comic-Strip für
eine Film-Vorführmaschine zum Laufen zu
jeden, der subtilen Humor liebt. Jacques Tati
bringen. Gewettet wird, wer zuerst zusammen-
lässt grüßen!
bricht – und eine dieser armen Kreaturen ist
Champion! In einer wagemutigen Aktion nehmen es Madame Souza, Bruno und die Drillinge mit den Verbrechern auf und befreien
Champion. Endlich wieder zu Hause, geht
nach dem großen Abenteuer das alte Leben
weiter, und Champion kann endlich wieder in Frieden im Fernsehen seine
geliebten Fahrradrennen anschauen.
6
SYLVAIN CHOMET
Sylvain Chomet wurde 1963 in Maisons-Lafitte
Im Jahr darauf schrieb er „Léon-la-Came“,
in Frankreich geboren. 1982 machte er seinen
gezeichnet von Nicolas de Crécy, als Serie in
Oberstufenabschluss auf dem Spezialgebiet
dem Magazin A Suivre erschienen. Die Buch-
Kunst und erwarb 1987 ein Diplom des re-
Fassung kam 1995 bei Casterman heraus und
nommierten Comic-Strip Studios in Angou-
gewann im Januar 1996 den René Goscinny
lême, Frankreich. 1986 veröffentlichte er sei-
Preis. Seit 1993 arbeitet
nen ersten Comic, „Secrets of the Dragonfly“
Chomet in Kanada.
(Futuropolis) und zeichnete eine Adaption
1995 und 1996 been-
einer Victor-Hugo Novelle, „Bug-Jargal“, in
dete er seinen Kurzfilm
Zusammenarbeit mit Nicolas de Crécy. Er
„The Old Lady and the
zog nach London, um als Zeichner beim
Pigeons“. Der Film ge-
Richard Purdum Studio zu arbeiten, und
wann den Cartoon
gründete 1988 dort ein Werbestudio. Zu sei-
d’Or, den Grand
nen Kunden zählten Swissair, Prinicipality,
Prize beim Festival
Swinton, Renault u. a. 1991 begann Chomet
in Annecy, einen BAFTA
mit der Arbeit an seinem ersten animierten
sowie den Publikums- und Jury-Preis beim
Filmprojekt, „The Old Lady and the Pigeons“,
Premiers Plans Festival in Angers. Darüber
mit Hintergrundzeichnungen von Nicolas
hinaus erhielt er Nominierungen für den fran-
de Crécy. 1992 schrieb er das Drehbuch für
zösischen César und den Oscar.
den Comic „The Bridge in Mud“ (erschienen
1997 veröffentlichte Sylvain Chomet „Ugly,
bei Glénat), eine historische Science-Fiction
poor and sick“, wiederum gemeinsam mit
Saga, die bereits in ihre vierte Folge geht.
Nicolas de Crécy. Die Buch-Version, erschienen bei Casterman, gewann den Alpha-Art
Best Comic Prize beim Angoulême Comic Strip
Festival 1997.
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INTERVIEW MIT AUTOR/REGISSEUR SYLVAIN CHOMET
Was hat Sie zunächst zum Comic, dann zum
drucksvoll animiert hat. Durch die Freund-
Animationsfilm gebracht?
schaft zu ihm lernte ich Didier Brunner kennen,
SC: Schon als Kind liebte ich Comics wie
den Produzenten von DAS GROSSE RENNEN
Tintin und Pif Gadget. Ich habe sehr früh mit
VON BELLEVILLE. Außerdem schrieb ich
Zeichnen angefangen. Meine Eltern erzählen,
Drehbücher für Nicolas de Crécys „Léon-la-
dass ich bereits mit zwei einen Bleistift
Came“. Nicolas wiederum schuf die Hinter-
haben wollte, weil ich unser Fernsehge-
grundzeichnungen für „The Old Lady and
rät zeichnen wollte, auf dem eine Juanita-
the Pigeons“. Nach meinem Abschluss in An-
Banana-Skulptur stand aus dem Henri Salvador-
goulême musste ich irgendwie Geld verdie-
Hit. Wenn ich gefragt wurde, was ich später
nen. Damals erschien mir die Animation zu
einmal machen will, habe ich immer gesagt:
technisch für mich. Also ging ich nach Eng-
Comics zeichnen. Nach meinem Schulabschluss
land, um Illustrator zu werden. Ich kannte dort
machte ich eine Ausbildung als Stylist an
niemanden, man riet mir, meine Arbeiten bei
der Hochschule für angewandte Kunst. Mir
einigen Animations-Studios vorzulegen. Die
wurde schnell klar, dass das der falsche
Menschen dort waren sehr viel netter zu mir
Weg war. Zu meinem Glück war Pichard,
als in Frankreich. Man sagte mir, ich solle mir
der Mann, der Paulette zeichnete, an der
keine Sorgen machen, keiner würde über
Schule. Er empfahl mir, mich im Comicstrip-
Nacht zum Zeichentrick-Spezialisten, Ani-
Studio in Angoulême zu bewerben, das gerade
mation lerne man in Etappen. Ich absolvierte
erst seinen Betrieb aufgenommen hatte. Ich
einen Test und wurde eingestellt. Ich hatte die
reichte einige Skizzen ein und wurde ange-
Gelegenheit, mit einigen Großen der Branche
nommen. Ich blieb dort drei Jahre und lernte
zu arbeiten, besuchte Festivals und entdeckte
Hubert Chevillard und Nicolas de Crécy
fantastische Filme. Beim Festival in Annecy sah
kennen. Für Hubert, der ein großer Zeichner
ich eines Tages Nick Parks Kurzfilm „Creature
ist, schrieb ich das Skript für seinen Comic-
Comforts“ mit Plastilin-Tieren, die erklären,
Band „The Bridge in Mud“, erschienen bei
wie das Leben im Zoo ist. Die Stimmen sind
Glénat. Er hat sich inzwischen auch der
echte Stimmen von Menschen, die über ihr
Animation zugewandt. Ich erinnere mich an
Zuhause reden. Der Film ist ein Meisterwerk.
einen Gorilla, den
Er brachte mich dazu, selbst einen machen zu
er wirklich ein
wollen. Ich traf mich mit Didier Brunner von
Les Armateurs, der qualitativ hochwertige
Animationsfilme produzieren wollte. Ich gab
ihm „The Old Lady and the Pigeons“. Von
dem Tag, an dem er die Synopsis erhielt, bis
zur Fertigstellung des Film
vergingen zehn Jahre.
Zehn Jahre!
8
SC: Es war ein langes und kompliziertes
Zunächst schlug Didier Brunner, der damals
Unterfangen. Zunächst wollte uns kein fran-
gerade mit „Kirikou and the Witch“ einen Hit
zösischer Fernsehsender unterstützen. Wir
gelandet hatte, vor, ich solle einen Spielfilm in
trieben beim Centre national de la cinémato-
drei Teilen machen, mit der alten Lady als
graphie einige Gelder auf, aber nicht genug, um
Hauptfigur. Ich war davon nicht so überzeugt,
den ganzen Film finanzieren zu können. Wir
denn am Ende des Films ist sie komplett über-
fingen trotzdem an zu arbeiten. Ich hatte einen
geschnappt, und mir gefiel die Idee nicht, einen
Assistenten, und Nicolas de Crécy zeichnete
Charakter zu recyceln.
die Hintergründe. Den ersten Teil drehten wir
Mir schwebten drei
im Folimage Studio in Valence, animierten
Schwestern vor: die
Szene für Szene in chronologischer Folge, bis
erste, die alte Lady mit
wir eine Vier-Minuten-Sequenz hatten. Diese
den Tauben, die zweite
Eröffnungsszenen zeigten wir überall herum,
würde in den Pariser
aber keiner wollte uns Geld geben. Einige Zeit
Suburbs leben und für
später zog ich um nach Kanada, völlig entmu-
ihr Leben gern Rad
tigt, um einen Neuanfang zu machen. Ich arbei-
fahren, die dritte
tete in der Werbung, bis es Didier Brunner
würde ein Motel in der
gelang, Colin Rose vom BBC für unsere Arbeit
Wildnis von St. Lawrence in Québec führen.
zu interessieren. Mit seiner Hilfe waren wir in
Der zweite Teil sollte „The Old Lady and the
der Lage, Geld von anderen Fernsehsendern
Bicycles“ heißen und der dritte „The Old Lady
zu akquirieren, und so wurde daraus eine
and the Ouaouarons“, das ist Québecer
franco-kanadische Coproduktion.
Dialekt für eine Froschart. Als ich mit der
Entwicklung des zweiten Teils begann, wurde
„The Old Lady and the Pigeons“ war ein großer
mir klar, dass ich genug Material für einen gan-
Erfolg und gewann viele Preise.Wie haben Sie das
zen Film habe. Didier akzeptierte das, auch
Geld für einen Spielfilm zusammengebracht?
wenn es bedeutete, mehr Geld aufzutreiben
SC: DAS GROSSE RENNEN VON BELLEVILLE
für einen dritten Teil, weil „The Old Lady and
war fünf Jahre lang in der Entwicklung – ein
the Pigeons“ herausfiel. Ich entwickelte also
Fortschritt gegenüber der „alten Lady“ ... Er
weiter meine Geschichte unter Einbeziehung
war in der Hälfte der Zeit fertiggestellt,
der Froschidee des ursprünglichen dritten
obwohl er dreimal so lang ist.
Teils. Der französische Titel „Les Triplettes de
Belleville“ blieb
und wurde
später zu DAS
GROSSE RENNEN
VON BELLEVILLE
9
für die englische Fassung. Ein Problem ergab
Jean-Christophe Lie. Als wir uns kennen lern-
sich, als sich herausstellte, dass der kanadische
ten, hatte er gerade seinen Abschluss an der
Coproduzent der „alten Lady“ eine astrono-
Gobelin-Schule gemacht. Er versuchte sich an
mische Summe für die Wiederverwendung
einer der Drillingsschwestern, Rose. Seine
Sequenz war so gut, dass ich ihm den
dieses Charakters forderte. Also musste
Charakter komplett übergab und
ich das Design der
die Oberaufsicht über die Drillinge
alten Dame ändern. n
anvertraute. Er ist einer der Zeich-
Und so wurde Madame
ner, die mich am meisten beein-
Souza geboren, eine Por-
druckt haben. Ich habe sogar extra
tugiesin mit einem Klump-
eine Szene entwickelt, um sei-
fuß. Sie war für uns viel
nen kleinen Entwurf in den
fertigen Film integrieren zu kön-
besser einzusetzen als
die alte Lady. Wir konnten
nen. Benoit Charest, den Komponisten, traf ich
den Titel beibehalten, als wir die drei Music-
in Montréal. Schon als ich das Demo hörte,
Hall Sängerinnen eingeführt haben.
liebte ich seine Musik. Er ist äußerst präzise
und gleichzeitig verrückt genug, um ein Solo
Erzählen Sie von Ihrem Team!
für einen Staubsauger zu schreiben. Seit der
SC: Der Gedanke, mit Evgeni Tomov am
Arbeit an dem Film hat er seinem Staubsauger
Design zu arbeiten, machte mich nervös.
einen Namen gegeben, Mouf-Mouf, und plant
Evgeni ist der Nureyev der Animation. Als sein
die Aufnahme von Luc Plamandon-Songs mit
Flugzeug auf dem Weg nach Kuba in Neu-
Mouf-Mouf. Pieter Van Houte, der das 3D-
fundland zwischenlandete, setzte er sich ab
Design schuf, stieß während der Produktion
und bat um politisches Asyl. Er ließ alles hinter
dazu. Wir hatten die digitalen Effekte, die wir
sich und blieb als politischer Flüchtling in
brauchten, grob unterschätzt. Nur zwei Leute
Kanada. Er ist unglaublich talentiert, und seine
arbeiteten an den Fahrrad- und den Auto-
Bescheidenheit angesichts dieses Talents kann
sequenzen.
einen rasend machen. Er ist der geborene
Tiefstapler! Ich stellte mein Animations-Team
zusammen, traf mich mit jungen
Zeichnern, die „The Old Lady and
the Pigeons“ mochten und gern mit
mir zusammenarbeiten wollten. Sie
mussten zwei Jahre warten, ehe wir
ihnen einen Job anbieten konnten, aber
einige von ihnen hingen sowieso die meiste
Zeit bei uns herum. Einer davon war
10
Mir gefällt auch Richard Williams'
Als uns klar wurde, n
Animation und Tex Avery. Im
wie viel Arbeit darin
Comic ist Goossens ein Meister
steckte, riefen wir n
des Timings.
„Walking the Dog“ an,
das belgische Studio, und
sie beauftragten Pieter mit
In „The Old Lady and the Pigeons“
der Überwachung der 3D-
n ebenso wie in DAS GROSSE
Effekte in Montréal. Wir
RENNEN VON BELLEVILLE ist
hatten gleich am Anfang
die Innenausstattung einfach, aber
einen Streit, weil er mir den
einladend, eine Reminiszenz an das Frankreich
Eindruck vermittelte, er wolle alles beaufsich-
der 50er- und 60er-Jahre. Die Außenansichten
tigen. Aber er ist ein klasse Kerl, von dem wir
rufen Erinnerungen an Paris wach. Was fasziniert
viel gelernt haben in Bezug auf Image-Pflege.
Sie an dieser Atmosphäre und den Charakteren,
Wir haben uns dann so gut verstanden, dass
die sie repräsentieren?
ich ihn bat, als Art Director bei meinem nächs-
SC: Wahrscheinlich, dass ich selbst einen
ten Film dabei zu sein. Für die Sturm-Sequenz
bescheidenen Hintergrund habe, keinen fei-
schuf er grafische Bilder, die ich wirklich liebe.
nen. Ich erinnere mich an den Besuch bei einer
Er weiß, wie er das Optimale aus seinen Ma-
alten Frau, die neben einer meiner Tanten
schinen herausholen kann.
lebte. Ihre Wohnung war winzig, und überall
der Geruch von Politur. Alles, und sei es noch
Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
so armselig, wurde von seiner besten Seite
SC: Er basiert auf Pantomime und Charak-
gezeigt. Ich könnte keine Geschichte aus der
terdarstellung. Ich bin mehr beeinflusst vom
Welt der Reichen erzählen. Meine Inspiration
Realfilm als von der Animation. Bei Jacques Tati
kommt aus meinen eigenen Erfahrungen.
ebenso wie bei den großen Stummfilmstars
wie Charlie Chaplin oder Buster Keaton ist
Was ist so faszinierend an Eisenbahnland-
Timing ebenfalls alles. Deshalb liebe ich Louis
schaften, Brücken und der Tour de France?
de Funès und die britischen Komödien wie
SC: Mich interessieren mehr die Menschen um
„Absolutely Fabulous“
die Tour de France herum als das Rennen
und
selbst. Ich erinnere mich, wie ich fasziniert
beobachtet habe, wie entlang der Route
„Black
massenhaft Kugelschreiber und Kappen in die
Adder“ mit
Menge geworfen wurden. Ich wuchs in der
Rowan Atkinson.
Vorstadt auf, und da gehörten Züge zu meinem Alltag.Vorstadtzüge erinnern dich ständig
daran, dass du morgens
aufstehen und zur
Arbeit fahren
musst.
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Als Student schaute ich oft alte Fotos an und
was vor ihre Kamera kommt, so als ob diese
versuchte, mir die Szenen dahinter vorzustel-
Charaktere wirklich existierten.
len. Ich kann mich an das Bild einer Brücke
erinnern mit einer Lokomotive, die drüber
In DAS GROSSE RENNEN VON BELLEVILLE
fuhr, und darunter eine kleine Stadt.
zollen Sie vielen Künstlern Tribut, Charles Trénet,
Django Reinhardt, Jacques Tati,
Wie kam Ihnen die Idee zum
Fred Astaire, Josephine
Charakter der Madame Souza,
Baker, Max Fleischer.
dieser hinreißenden Großmutter, die
Warum beziehen Sie
alles tun würde, um ihren Enkel zu
sich direkt auf sie?
beschützen?
Weil große amerikani-
SC: Sie ist nicht als direktes n
sche Stars oft in ameri-
Abbild meiner eigenen Omas
kanischen Cartoons vor-
entstanden, die starben,
kommen, während fran-
als ich noch sehr jung war.
zösische Stars dieser
Meine Großmutter mütterlicher-
Epoche nie in französi-
seits war so, wie sie meine Eltern beschrieben
schen Cartoons erscheinen, denn es gab keine
haben, mit ihrer Lebenslust eher ein Vorbild
Cartoon-Industrie in Frankreich. Mein Film
für die Drillings-Schwestern.
sollte ein Fake sein, ein Film, den man zu dieser Zeit hätte sehen sollen, aber nicht konnte.
Waren Sie ein trauriger kleiner Junge wie
Außerdem wollte ich Dubout meinen Respekt
Champion in Ihrem Film?
erweisen, dessen wundervolle Arbeit mich als
SC: Als ich klein war, habe ich viel Zeit allein
Kind begeistert hat. Sein Stil eignet sich per-
verbracht. Meine große Schwester war zehn
fekt für die Animation, ich wünschte, er hätte
Jahr älter als ich, und weil ich immer gezeich-
selber Cartoons machen können.
net habe, habe ich mich gern in meine innere
Welt zurückgezogen. Ich mag die Gesellschaft
Was war Ihre Inspiration für Belleville? Gibt es
anderer Menschen, aber ich muss auch allein
etwas, was sich in dem architektonischen Mix auf
sein, um Kraft zu tanken.Als Kind hatte ich ein
Montréal und New York bezieht?
Spielzeug, das hieß „Minicinex“, mit dem konn-
SC: Das erste Bild von Belleville in meinem Film
te ich winzige Super-8-Rollen projizieren. Als
zeigt das Château der Frontenac in Québec.
ich darauf Cartoons an-
Wir haben viele Details aus Québec und
schaute, habe ich nichts
Montréal herangezogen, um zu zeigen, wie sich
davon verstanden. Ich dachte, die
diese Städte in kleine New Yorks verwandelt
Leute filmen einfach,
haben könnten.
12
Als Québec so aussah, wie es sich entwickelt
SC: Ich wollte die gastronomischen Klischees
haben könnte, ging das Geld nach Toronto, der
ins Extreme steigern. Ich habe länger im Aus-
großen englischsprachigen Stadt Kanadas. Die
land gelebt als in Frankreich, so bin ich oft den
Brücke in meinem Film ist die Jacques Cartier
Vorurteilen der Menschen dort gegenüber dem
Bridge, umgeben von typischer Québecer Ar-
Genuss von Froschschenkeln oder Schnecken
chitektur. Es gibt eine flüchtige Referenz an die
begegnet. Einmal habe ich mir den Scherz
Freiheitsstatue, ein Sinnbild für den American
erlaubt, riesige Froschschenkel aus Plastilin zu
Way of Life und die unglaublich große Zahl von
basteln, mit Q-Tips als Knochen, Baumwollfä-
fetten Menschen, die man in amerikanischen
den als Adern, die ich mit einer grünlichen
Städten sieht. Das hat mich immer beein-
Sauce bedeckt auf den Tisch gebracht habe.
druckt.
Trotz ihrer enormen Höflichkeit wollte keiner
meiner britischen Freunde einen probieren.
Ihr Film ist nostalgisch – leben Sie nicht so gern
Aber als ich mich umdrehte, wollte ein älterer
in der Gegenwart?
Herr an einem nagen: Er war Schweizer! Zum
SC: Nein, denn ich profitiere ja von dieser
Glück konnte ich ihn abhalten, bevor er etwas
Gegenwart. Aber vom Designer-Standpunkt
herunterschluckte.
aus betrachtet, sind die 50er-Jahre einfach
inspirierender. Stadtplanung, Autos, Kleider
Das Äußere Ihrer Figuren ist übertrieben.
waren kreativ und interessant. Zeichnen und
Schwarze Vierecke für die Gehilfen der französi-
Design waren ein wichtiger Bestandteil des
schen Mafia, ein kleines Dreieck für die Silhouette
Lebens als Poster, in Schulbüchern. Es war
der Großmutter, fettleibige oder rappeldürre
auch eine Epoche der Entspannung nach den
Menschen ... Warum zeichnen Sie gern geomet-
Prozessen des Zweiten Weltkrieges. Man war
rische Formen?
weniger zynisch, mehr bedacht auf seine
SC: Weil ich die Freiheit ausnutzen will, die
Freiheit.
Animation mir gibt. Beim Realdreh kann man
diese Dinge nicht machen. Ich mag die extreme
Einige Szenen scheinen ihren Humor aus einem
Karikatur, denn es ist die Art, wie die Figuren
klischeehaften Frankreich-Bild zu beziehen, wie
sich bewegen, die sie charakteristisch macht.
man es manchmal in Amerika findet: die mangelnde Sauberkeit, die Vorliebe für Froschschenkel,
Die Drillings-Schwestern benutzen alltägliche
Schnecken und andere
Gegenstände als Musikinstrumente. Sind das
„Delikatessen“.
Töne, die Ihnen gefallen?
SC: Ja. „Stomp“, den ich einige Jahre zuvor
in Montréal gesehen habe, hat mich inspiriert.
Ich habe auch einmal einen Musiker gesehen,
der auf einem Kühlschrank-Brett auf einer
Soundbox spielte.
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Die Welt, die Sie abbilden, ist ein entfernter Schrei
Vorstellung von dem Ganzen zu bekommen, ca.
unserer technologischen Ära. Gleichzeitig nutzen
drei Minuten lang. Ungefähr zu der Zeit kaufte
Sie modernste Technik und digitale Effekte.
ich eine preisgekrönte Platte, Mozarts Messe
SC: 3D-Effekte geben dem Film mehr Konsis-
in C-Moll, dirigiert von Elliott Gardiner.Als ich
tenz.Wenn du die Tour de France zeigen willst,
die Ouvertüre hörte, wusste ich, das ist die
kannst du keine Zaubertricks verwenden, um
ideale Begleitmusik für diese
die Probleme in den Griff zu kriegen, die sich
Sequenz. Ich legte die Musik über
bei der Animation von Fahrrädern einstellen:
die Bilder, und alle Effekte schie-
Du brauchst viele Fahrräder. Die Zuschauer
nen perfekt synchron zu sein. Das
am Rande wurden mit traditioneller Technik
war ein echter Glücksfall.
animiert, aber ich musste die ganze Horde von
Menschen zeigen. Eigentlich hatten wir ge-
Welche Reaktionen wünschen Sie
plant, 3D-Animation nur für die Räder einzu-
sich von Ihren Zuschauern?
setzen, aber dann haben wir uns entschieden,
SC: Ich wünsche mir, dass sie den Film zu
auch die Radfahrer zu modellieren und einzu-
ihrem eigenen machen und mit ihren eigenen
binden. Sie sind winzig in dem Rahmen und
Erinnerungen in Verbindung bringen. Ein Mann
passen hervorragend in die restliche Anima-
erzählte mir, der Film habe ihn bewegt, weil
tion. Darauf sind wir sehr stolz. Man kann so
Madame Souza ihn an seine eigene griechische
etwas wie ein Fahrrad nicht emotionalisieren,
Großmutter erinnerte. Das gefällt mir.
und die Arbeit an den Speichen ist ein absoluter Albtraum. Ursprünglich war der Einsatz
Woran arbeiten Sie jetzt?
von 3D eine technische Notwendigkeit, keine
SC: Ich arbeite an einem Film, der in den
künstlerische Wahl. In „The Old Lady and the
Pariser Hallen angesiedelt ist. Ein Tanzfilm, kein
Pigeons“ brauchte ich keine Menschenmenge
Musical, aber ein Film, in dem Tanz eine große
oder viele Fahrzeuge. In DAS GROSSE RENNEN
Rolle spielt. Ich lese sehr viel darüber im Mo-
VON BELLEVILLE mussten wir die Straßen
ment und bin überzeugt, dass es viel irrsinnig
von Belleville voller Autos zeigen. Als ich die
Komisches in der Welt des Tanzes gibt. Ich will
3D-Technik besser kennen lernte, erkannte
mich noch mehr darauf konzentrieren, wie die
ich, dass ich damit Bilder und Animationen
Charaktere agieren.
schaffen konnte, die die Menschen bewegen, einen interessanten Himmel und
Werden die Drillinge als Charaktere wieder mit
eine ganze Menge von Dingen, die
dabei sein?
ich mir bis dahin nicht vorstellen
SC: Nein. Vielleicht wird Madame Souza ein
konnte.
Cameo haben, nur so als Gag, aber ich habe
nicht die Absicht, ein Sequel zu machen.
Die Szene, in der die Personen den Ozean
überqueren, ist auch sehr schön.
SC: Eine meiner Lieblingsszenen. Wir haben
das Storyboard gefilmt, um eine bewegte
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ANIMATION, SPEZIALEFFEKTE UND 3D-COMPOSITING:
PIETER VAN HOUTE
Wie haben Sie mit Sylvain Chomet an den digi-
Also arbeitete das kanadische Team unter
talen Effekten gearbeitet? War er nervös, zum
Alain Dumas und seinem Assistenten Bisser
ersten Mal diese Technik einzusetzen?
Maximov an den meisten der Effekte mit.
PVH: Ich wurde von „Walking the Dogs“ ange-
Alains Job bestand zuerst darin, Modelle für
sprochen, einem Brüsseler Studio. Sie wollten,
die 3D-Elemente wie den Mannschaftswagen,
dass ich zwei Monate lang in Montréal die
Brunos Traummaschine, die Züge und so wei-
Supervision der Einbindung der in Brüssel ent-
ter anzuliefern. Und er war allein verantwort-
wickelten 3D-Fahrzeug-Modelle in die ani-
lich für die eindrucksvolle Sturm-Sequenz.
mierten Sequenzen übernahm. Im Endeffekt
habe ich dann ein Jahr lang an dem Film gear-
3D-Effekte wurden in den grafischen Stil des Films
beitet, bin dafür zwischen Frankreich, Belgien
enorm effektiv einbezogen. Wie ist es gelungen,
und Kanada hin und hergereist und habe mich
das so unauffällig zu tun?
zwischen drei talentierten Crews aufgeteilt.
PVH: Wir haben den handgezeichneten
Mir wurde schnell klar, dass Sylvain ein cleve-
Sequenzen größte Beachtung geschenkt und
res Konzept der Einbindung der 3D-Animatio-
die bestmögliche Kopie davon gefertigt. 2D-
nen in den Film hatte, speziell um bestimmte
Effekte dienen in erster Linie der Farbfindung
Szenen zu untermalen. Anfangs war er etwas
und der richtigen Linie, unter Umgehung all
zurückhaltend. Er lernt gern, aber er ist auch
der flüssigen Effekte, die 3D verlangt.Wir ver-
unglaublich ungeduldig. Mein Job war, heraus-
brachten viel Zeit damit, den handgezeichne-
zufinden, was er auf der Leinwand sehen will,
ten Stil einer Linie nachzumachen, auch wenn
und dafür den bestmöglichen Weg zu finden.
es uns nie gelungen ist, eine perfekte Kopie
vom wackeligen Stil des Designers Evgeni
Wie haben Sie die Arbeit, die von den verschiede-
Tomov hinzukriegen. Wir haben eine Vorrich-
nen 3D-Teams gemacht werden musste, eingeteilt?
tung zum Einkopieren des 3-dimensionalen
PVH: Das belgische Team war für die Rad-
Computerbildes eingesetzt, wie sie auf gängi-
fahrer und Fahrzeuge der Tour de France zu-
ger 3D-Software üblich ist. Damit kann man
ständig, ebenso für die Fahrzeuge in Belleville.
jedem Objekt eine scharfe Kontur verleihen.
Die Franzosen hatten die Auto-Verfolgungs-
Perfektioniert haben wir das dann mit dem
jagd und die Kanadier alles andere zuzuliefern.
Einsatz von Digital Fusion. Damit kann man
Wir konnten es nicht anders lösen, denn die
sehr schnell hochkomplexe 2D-Effekte erzielen.
Arbeit musste sehr präzise sein und
Ich integriere also
erforderte detaillierte Entscheidun-
eine Linie von einer
gen, die Sylvain jederzeit absegnen
Papierzeichnung in die
musste.
Computerbearbeitung
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eines 3D-Objektes. Ich bearbeite die Kontur,
jedes Teil, das in Kontakt mit menschlichen
bis die 2D- und 3D-Versionen nicht mehr zu
Körpern kommt – Füße, Hände usw. – abge-
unterscheiden sind. Vielleicht ist Ihnen aufge-
deckt. Manchmal mussten wir die Masken Bild
fallen, dass die Figuren keinen Schatten haben.
für Bild hereinziehen, ein sehr aufwändiger
Carole Roy legte Dutzende unterschiedlicher
Prozess – viele Flüche waren dabei zu hören.
Farbnuancen für mehr als 1000 Einstellungen fest.
Sie hat ein enormes Arbeitspensum bewältigt.
Einige der Hintergrundfiguren des Radfahrer-
Den gleichen Prozess haben wir dann bei den
Teams sind komplett 3D animiert, sehen aber aus
3D-Effekten angewandt, und dabei immer
wie 2D.Wie ist das möglich?
Farben gewählt, die mit dem Hinter-
PVH: Auf die gleiche Art,
grund verschmelzen, um allzu kom-
die wir bei den Fahr-
plizierte Computerbearbeitung zu
zeugen angewandt
vermeiden.
haben: durch die Reproduktion handge-
Wie haben Sie 3D-Fahrräder mit her-
zeichneter Konturen
kömmlich animierten Fahrradfahrern
und den Einsatz von
verbunden?
Farbeffekten. Sylvain ge-
PVH: Zunächst haben wie eine
fiel das Resultat so
ganz einfache Radfahrer-Silhouette
gut, dass er 3D-Fahr-
auf einem 3D-Rad animiert, manchmal
radfahrer im Bildmittelgrund
auch nur das Fahrrad selbst. Dann haben wir
einsetzte. Ursprünglich waren sie nur für den
jedes dieser Bilder als Linienzeichnung ge-
Hintergrund vorgesehen.
druckt und an die Animationsabteilung übergeben, die dann den Fahrer auf dem Rad
Was sind die wichtigsten digitalen Effekte?
gezeichnet haben. Anschließend wurden diese
PVH: Es gibt sehr viele Wassereffekte, den
Zeichnungen eingescannt und koloriert, die
Ozean, den Sumpf ... Wir haben viel Zeit auf
Rad-Details wurden eingefügt, dabei wurde
das elektronische Einbauen von Zeitungsüberschriften und Comic Strips, die die Figuren
in der Hand halten, verwendet. Weil die Proportionen der Zeichnungen selten der geometrischen Realität entsprechen, ist das eine
schwierigere Aufgabe, als man annehmen
würde. Andere Effekte wie Explosionen, Feuerwerk oder ein Gewitter wurden mit einer
n für die Real-Kamera
n entwickelten Software
n erstellt. Diese mussten
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dann in die 2D-Welt übertragen werden.Viele
miert, dann haben wir weitere 150 Elemente,
animierte Einzelteilchen brauchten wir z. B.,
3D-Effekte,Volumen und Einzelteilchen, hinzu-
um Schnee herzustellen oder Nebel, Auto-
gefügt. Der Computer rechnete über zwei
abgase, Flammen und so weiter. Für das Feuer
Tage bis zum Endprodukt.
unter der Brücke haben
wir Schatten projiziert,
Wie würden Sie Ihre Erfahrungen an DAS GROSSE
die sich zum Rhythmus
RENNEN VON BELLEVILLE zusammenfassend
der Flammen bewegt
beschreiben?
haben. Die Figuren
PVH: Ich bin ausgebildet in traditioneller
wurden auf einer
Animationstechnik, habe aber ein Großteil
Effekte-Ebene isoliert,
meines Lebens mit der Arbeit an reinen 3D-
auf einer anderen
Effekten verbracht. Die Arbeit an diesem Film
der Hintergrund.
hat meine Liebe zur traditionellen Animation
Wenn sich das Feuer be-
wieder erweckt, und gleichzeitig habe ich neue
schleunigte, wurden auch die Schatten auto-
Wege für den Einsatz von 3D entdeckt. Für
matisch schneller.
DAS GROSSE RENNEN VON BELLEVILLE
habe ich versucht, das Beste aus beiden
Welche Sequenz war die anspruchvollste?
Welten zusammenzuführen. Es hat mir Spaß
PVH: Die Explosion im Sumpf. Das ist, denke
gemacht und erfüllt mich mit Stolz.
ich, ein gutes Beispiel dafür, wie 2D- und 3DEffekte kombiniert werden können. Nicolas
Ferrere hat den 2D-Explosions-Effekt ani-
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ANIMATIONS-SUPERVISION JEAN CHRISTOPH LIE
Wie kam es dazu, dass Sie den Charakter der
Hat Sylvain Chomet Ihnen Live-Kamera-Shots als
Rose komplett animiert und die Animation der
Referenzpunkte für bestimmte Szenen gezeigt?
Drillingsschwestern überwacht haben?
JCL: Nein, auch wenn wir eine Tanzszene ge-
JCL: Ich hatte in Paris eine erste Test-Anima-
filmt haben, den „Gumboot“, einen Step aus
tion erstellt, und das brachte mir den Job als
Louisiana mit Hände- und Oberschenkel-
Animations-Assistent ein. Ich wurde nach
Klatschen. Sandy Silver, eine Tänzerin aus
Montréal geschickt, um an diesem Projekt zu
Montréal, war unser Model. Diese Arbeit
arbeiten, und das gefiel mir, obwohl ich es eilig
diente uns als Referenz, wir hatten nicht
hatte, meine Ausbildung fortzusetzen. Als ich
vor, sie durch ein Rotoscope zu schicken
dann Sylvain traf, gab er mir die Chance, Rose
(eine Maschine, die Live-Action so aufbereitet,
zu animieren. Ich schuf eine Tanz-Sequenz, die
dass sie animiert werden kann). Durch den
ihm so gefiel, dass er mich mit der Animation
Dreh waren wir in der Lage, hochkomplexe
des Charakters und der Supervision der bei-
Händeklatsch-Inszenierungen zu studieren.
den anderen „Triplettes“ betraute. Zuvor
hatte ich bereits mit Hugh Martel, der damals
Wie sind Sie beim Supervising der Triplets-
mein Assistent war, den Fahrer animiert. Hugh
Animationen vorgegangen, und welche Probleme
hat dann unter meiner Aufsicht Blanche
stellten sich dabei?
geschaffen.
JCL: Ich habe mich in den Dienst von Sylvains
persönlicher Vision gestellt. Es war nicht
Wie würden Sie den Animations-Stil der
immer einfach, die langen, dünnen Körper der
„Triplettes“-Charaktere beschreiben?
Drillingsschwestern in das horizontale Recht-
JCL: Ich weiß nicht, ob Sylvain sich dessen
eck des Bildrahmens einzupassen. Sie sind mit
bewusst ist oder nicht, aber die langen, dün-
vielen Details ausgestattet, woraus sich bei
nen Körper der Drillinge ähneln seinem sehr.
längeren Animationssequenzen ein Problem
Ich hatte also ein reales Modell für meine
der Kontinuität ergibt mit Dingen wie Kleider-
Arbeit! Sylvain ist groß, hat lange Arme –
falten, Haarsträhnen usw.
genau wie die „Triplettes“. Er erklärt nicht
genau, was er will, er gibt dir nur eine gene-
Wie haben die drei Zeichner, die unter Ihrer Füh-
relle Vorstellung davon und lässt dich dann
rung die Schwestern animiert haben, zusammen-
selbst deinen Ausdruck finden. Es ist eine
gearbeitet?
Frage des Gefühls.
JCL: Wir haben immer zusammengearbeitet,
Szene für Szene. Wir haben ein Grundlayout
gezeichnet und es mit Sylvain abgestimmt.
Er hat seine Vorschläge eingebracht, dann hat
jeder Zeichner seinen Charakter entsprechend bearbeitet.
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Dann haben wir unsere Animationen mit einer
Wie lernt man „seinen“ Part?
Linien-Test Kamera gefilmt – das ist eine Video-
JCL: Durch Übung. Wenn du oft genug einen
kamera, mit der man Bild für Bild auf Papier
Charakter seinem ursprünglichen Design ent-
gezeichnete Animationen filmen kann – und
sprechend gezeichnet hast, kennst du ihn aus-
auf Fehler im Anschluss, in Relation zur
wendig und bist
Hintergrundperspektive und in Bezug auf die
in der Lage,
Interaktion der Charaktere untereinander
ihn dreidi-
geachtet. Für die Tanzszene neben der Brücke
mensional zu
habe ich zuerst komplett den Part von Rose
sehen. In die-
animiert, dann haben die beiden anderen
sem Stadium
(Hughes Martel und Zhigang Wang) den Rest
kann man sich
des Trios dazu passend eingefügt.
ruhig einmal
vom Origi-
Was für ein Gefühl ist das, wenn Figuren, die Sie
nal lösen. Denn wenn man eine Figur zu genau
gezeichnet haben, auf der Leinwand zu Leben
reproduziert, wie das im Fernsehen oft ge-
erwachen?
macht wird, wird das schnell langweilig. Sylvain
JCL: Das macht sehr viel Spaß. Es ist toll, wenn
hat uns immer ermutigt, nicht zu dicht am
sie sich bewegen, in Farbe, vor einem Hinter-
Modell zu kleben, sodass sich der Charakter
grund, mit Musik und Soundeffekten. Trick-
von einer Szene zur nächsten entwickeln
zeichner haben die Tendenz, nur ihre eigene
kann, ohne seine Essenz zu verlieren.
Arbeit in einer Szene zu sehen, ohne das
Ganze wahrzunehmen. Ich habe mir oft erste
Was mochten Sie an Rose am liebsten?
Kopien in einem Spiegel angeschaut in dem
JCL: Dass ich ihre Lust an der Verführung zei-
Versuch, meine Augen zu erfrischen, nachdem
gen konnte. In einer meiner ersten Anima-
ich eine Szene hundertmal und öfter gesehen
tionen zeige ich sie, wie sie ihr Haar bürstet,
habe. Wenn man eine Szene rückwärts an-
damit sie gut aussieht. Ich wollte sie sehr femi-
schaut, kann man manchmal Fehler entdecken,
nin als Kontrast zu ihrem altmodischen Zu-
die einem vorher entgangen sind. Aber es gibt
hause und ihrer großnasigen Hässlichkeit.
auch die Gewissheit, dass man nichts
übersehen hat.
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MUSIK: BENOIT CHAREST
Erzählen Sie von Ihrer Musik – was Sie bisher
Vor meiner Arbeit an DAS GROSSE RENNEN
gemacht haben, und woran Sie jetzt arbeiten.
VON BELLEVILLE komponierte ich ganz un-
BC: Meine Musik ist eine Ansammlung schlech-
terschiedliche Sachen: Dramen, Dokus und
ter Gewohnheiten, die sich während eines
Werbung.
ganzen Musikerleben eingeschlichen haben.
Durch unsere Fehler unterscheiden wir uns:
Wie war die Zusammenarbeit mit Sylvain?
Du musst einfach nur die meisten machen!
BC: Ich hatte Sylvain ein paar Mal in Clubs
Der Jazz hat mich beeinflusst, französische
getroffen, in denen ich spielte. Eines Nachts
Sänger der 50er- und 60er-Jahre, außerdem
sagte er: „Normalerweise hasse ich Gitarren-
Frank Zappa, neapolitanische Musik und vieles
musik, aber ich muss zugeben, du spielst wirk-
mehr. Die einzige Musik, die ich überhaupt
lich gut.“ Da wusste ich, wir sind Freunde fürs
nicht mag, ist die, die zu offensichtlich einfach
Leben. Dann sah er „Matroni and Me“, rief
nur kommerziell ist. In Québec habe ich einige
mich an und lud mich ins Filmstudio ein. Ich
Filmmusiken geschrieben. Die erste 1991 für
spielte ihm mein Demo-Tape vor. Ich hatte ein
einen Dokumentarfilm, basierend auf Archiv-
kleines Thema komponiert, das mir gefiel, für
material aus den 30er- und 40er-Jahren mit
eine Dokumentation. Es war als „zu lustig“
dem Titel „Montréal Retro“. Weil ich keine
abgelehnt worden. Als Sylvain es hörte, sagte
Ahnung hatte, wie man Filmmusik schreibt,
er: „Das ist die Titelmelodie meines Films!“.
habe ich etwas darüber gelesen, und es klapp-
Der Rest, der kreative Prozess, war ein echtes
te. 1998 folgte „Matroni and Me“, eine sati-
Vergnügen. Je mehr ich mich auf meine nied-
risch-philosophische Komödie, geschrieben
rigsten kreativen Impulse verließ, desto mehr
von Alexis Martin, und 2000 die romantische
gefiel es Sylvain.
Komödie „Life After Love“ mit Anklängen an
südländische
Was hat man Ihnen gezeigt, um Ihnen die Idee
Musik.
einer Szene zu vermitteln, bevor sie fertiggestellt
war?
BC: Storyboards, Videosequenzen
und Zeichnungen.
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Was war Ihre Inspiration für die Musik?
Sie haben mit Thomas Dutronc gearbeitet, einem
BC: Die Musik von Django Reinhardt. Dann
begnadeten Swing-Gitarristen. Gemeinsam haben
natürlich die Bilder selbst, die Charaktere,
Sie Django Reinhardt Tribut gezollt .
Sylvains Anweisungen und einige stilistische
BC: Er ist ein ruhiger Junge. Spielt wunder-
Bezüge aus der Zeit, in der der Film spielt.
schön Gitarre. Ich habe ihn nur einige Stunden
bei Mathieu Chedid getroffen und seine groß-
Erzählen Sie von Mouf-Mouf und den Geheim-
artige Selmer-Gitarre ausprobiert. In Wahrheit
nissen von häuslichem Jazz.
ist er der große Django-Experte, ich spiele nur
BC: Oh, Mouf-Mouf! Das ist ein zylindrischer
ein bisschen herum.
Staubsauger aus den 50er-Jahren, der trübsinnig neben meinem Bett herumlag. Eines
Wer gab den Triplettes ihre Stimmen?
Tages hat er mir zugewunken, er brauchte
BC: Betty Bonifassi, Marie-Lou Gauthier und
jemanden, der ihm zuhört, ihn liebt. Von da
Lina Boudreault. Sie hatten viel Spaß. Betty hat
an fing er an zu singen. Ich muss sagen, das ist
verstärkt an den Liedern im Piaf-Stil gearbeitet
sehr bewegend. Ich lege meine Hand über den
und an den zusammen mit M. komponierten
Schlauch und lasse die Luft durch meine Fin-
Chor-Passagen.
ger entweichen. Wenn ich den Griff lockere,
verändert sich die Intonation, und ich kann
Wie war die Zusammenarbeit mit Mathieu Chedid
präzise Noten erzeugen. Ich sollte noch er-
alias M.?
wähnen, dass die Töne aller Haushaltsgeräte
BC: Es war seine Show. Er hat mit dem, was ich
im Film aus der Verwendung von gebrauchten
komponiert hatte, gearbeitet. Ich hatte zu-
Originalgegenständen herrühren.
nächst Probleme damit, ihn sein eigenes Ding
durchziehen zu lassen, aber das Endresultat ist
fantastisch. Ich liebe, was er gemacht hat.
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PRODUKTIONS-DESIGN: EVGENI TOMOV
Welche Direktiven gab Ihnen Sylvain Chomet
(Paris und die Tour de France) einzubeziehen.
für die Arbeit an den Hintergründen? Hat er sie
Wir haben auch Beleuchtung eingesetzt, um
beschrieben oder hat er Ihnen Fotografien oder
die Illusion zu schaffen, dass sich die Handlung
Zeichnungen gezeigt?
vor einem Hintergrund mit realen Charakteren
ET: Ja, alles. Sylvain hatte bereits Zeichnungen
vollzieht.
des Hintergrundes angefertigt, bevor überhaupt
ein Storyboard existierte. Das gab Hinweise
Welche Materialien und Werkzeuge haben Sie
auf die Atmosphäre und die Effekte, die ihm
benutzt, um die großflächigen Hintergründe zu
vorschwebten. Mich hat beeindruckt, wie kre-
schaffen?
ativ er improvisieren kann. Sylvain fließt immer
ET: Die Hintergründe wurden ursprünglich in
über vor neuen Ideen, aber er ist auch offen
der Form von winzigen Gemälden angelegt,
für die der anderen. Er war die kreative Kraft,
die wir dann auf verschiedene Größen aufge-
die Maschine, die die Produktion antrieb. Ich
blasen haben. Die kleinsten waren ungefähr
hatte viel Freiheit beim Schaffen der städti-
25 cm im Quadrat und die größten, die wir für
schen Architektur von Belleville, eine barocke
die Kameraschwenks gebraucht haben, waren
Kombination aus Paris, Montréal und New
bis zu 1,50 m und 2 m hoch, wie bei der Pano-
York. Besonderen Spaß machten uns die
rama-Aufnahme von Belleville. Stellen Sie sich
Parodien auf nordamerikanische Konsum-
vor, welche Detail-Fülle für ein solches Format
Eskapaden. Eine Lust zu zeichnen. Ich habe
notwendig ist – eine gute Kopie davon zu ma-
immer überprüft , dass das, was ich entwarf,
chen ist ein enormer Aufwand. Ich habe dazu
mit Sylvains Vorstellungen übereinstimmte.
die Zeichnung auf ein Beleuchtungspult gestellt
und sie dann nachgezogen, ohne die beiden
Worauf haben Sie sich visuell bezogen?
Zeichnungen zu verbinden. Ich habe mir er-
ET: Ich habe Bücher mit Schwarzweiß-Fotos
laubt zu improvisieren und einzelne Details hin-
aus dem Nachkriegs-Paris für die Szenen aus
zuzufügen.
Champions Kindheit herangezogen. Archivmaterial aus der Provinz sowie tonnenweise
Fotos des Rennens habe ich für die Tour de
France benutzt. Sylvain und ich wollten die
Atmosphäre so stimmig wie möglich gestalten.
Es sollte Realitätscharakter haben, ohne eine
realitätsgetreue Abbildung der echten Welt zu
sein. Vorsichtig setzten wir auch Robert
Doisneau und Jean Mounicq’s Fotografien ein,
um authentische Details in den Hintergrund
der ersten drei Etappen
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Diese Linienzeichnung wurde dann gescannt
Erfahrung, die einem so etwas wie eine cine-
und vom Computer colorisiert. Die Absicht
matographische Vision gibt. Vergessen Sie
war, die Arbeit natürlich aussehen zu lassen,
nicht, dass einige Hintergründe nur sekunden-
als sei alles von Hand gezeichnet worden. Wir
lang auf der Leinwand zu sehen sind. Sie müs-
haben diese 2D-Hintergründe sogar noch mit
sen sofort wirken und dürfen die Kontinuität
einer Papierstruktur unterlegt, damit sie wie
des vorhergehenden Bildes nicht unterbre-
Wasserfarben aussehen. Ich muss sagen, dass
chen.
ich
Welche Hintergründe waren am aufwändigsten?
nicht all die vielen Hintergründe allein
geschaffen habe, sondern mit einem Team von
ET: Die Breitwand-Pa-
hoch talentierten Künstlern.
noramen von Belleville waren kompliziert,
Die Hintergründe sind ungewöhnlich: Sie verzer-
weil sie in verschiede-
ren die Perspektive, um einen Panoramaeffekt auf
nen Schichten gezeich-
einer flachen Oberfläche zu erhalten. Wie haben
net waren, um eine
Sie solche Effekt zustande gebracht?
Tiefenvorstellung
ET: Wie ein gut animierter Filmhintergrund
erzeugen. Jede
entsteht, kann man eigentlich nicht beschrei-
Schicht bewegte n
ben. Sie können den Vorgang logisch oder ana-
sich mit einer anderen
lytisch betrachten, aber Sie dürfen nie verges-
Geschwindigkeit während des Schwenks, um
sen, dass das, was Sie zeichnen, eine Szene in
die Illusion von Perspektive zu schaffen. Wir
einem Film wird. Ihr Set muss die Bewegung
haben einige Computertests durchgeführt, um
einer Einstellung ausdrücken, das Tempo
die Bewegung richtig hinzukriegen. Mit dem
einer Szene. Manchmal muss man einfach un-
Resultat bin ich trotz aller Schwierigkeiten
mögliche Perspektiven zeichnen wie die, die
sehr zufrieden .
Sie erwähnt haben. Das kann man nur mit
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zu
PRODUKTIONSFIRMA: LES ARMATEURS
Gegründet 1994 von Didier Brunner, hat
Der Film basiert auf dem berühmten illumier-
Les Armateurs dem Animationsfilm zwei
ten Manuskript „The Book of Kells“.
neue Autorenfilmer gebracht: Michel Ocelot
„The Devil’s Song“ erzählt das Leben von
und Sylvain Chomet.
Blues-Sänger Robert Johnson, gezeichnet vom
Die Firma hat sich zum Ziel gesetzt, neues
Comicstrip-Autor Jano, unter der Regie von
Talent zu entdecken und
Alexis Lavilat und Raoul.
eine Reihe originärer
„Why I Ate (or Didn’t Eat) my Father“, eine
und ambitionierter Filme
3D-Animation von Roy Lewis‘ Bestseller
zu produzieren, die ein
(erschienen bei Actes Sud), adaptiert von
Familienpublikum eben-
Frédéric Fougea und Jean-Luc Fromtental und
so wie junge Erwach-
gezeichnet von dem Engländer Jeff Newitt.
sene ansprechen. Der
„The Child and the River“ nach dem Buch von
erste Erfolg von
Henry Bosco, Buch und Regie Michel Fessler.
Les Armateurs war
Michel Ocelots abendfül-
Ein fünftes Projekt geht in Kürze in die Ent-
lender „Kirikou and the Witch“, der 1999 den
wicklung: „Attila Marcel“, der neue Film von
großen Preis beim Festival in Annecy gewann
Sylvain Chomet.
und über 1,5 Millionen Zuschauer hatte. Im Jahr
2000 produzierte das Studio Michel Ocelots
DAS GROSSE RENNEN VON BELLEVILLE
„Princes and Princesses“, eine Kollektion von
wurde beim Internationalen Animationsfestival
sechs halblangen Animationen. 2002 entstand, in
in Annecy aus der Taufe gehoben. Wir hatten
Co-Produktion mit Dänemark, Jannik Hastrups
gerade sieben Jahre unseres Lebens, all unsere
„The Child that would be a Bear“.
Energie und Leidenschaft aufgewandt, um
Die Zusammenarbeit mit Sylvain Chomet geht
„The Old Lady and the Pigeons“ zu finanzieren
auf „The Old Lady and the Pigeons“ zurück,
und zu realisieren, ein 26-minütiger Cartoon,
einen Gewinner in Annecy 1997.
dessen Kosten sich auf über 800 000 Euro
In Produktion befinden sich außerdem Jean-
beliefen.
Luc Francois‘ Spielfilm „T’choupi“ nach einem
berühmten Charakter für Knirpse sowie
Das Schreib- und Regie-
mehrere Kurzfilme.
talent, das Sylvain dabei an
In diesem Jahr sollen vier weitere Spielfilme in
den Tag legte, überzeugte
Produktion gehen: „Rebel“, unter der
mich, und ich wollte unbe-
Regie und nach dem Drehbuch von
dingt die Zusammenarbeit
zwei jungen Autorenfilmern aus
mit ihm fortsetzen –
Irland,Tomm Moore und Aidan Hare.
24
mit einem noch ambitionierteren Projekt, das
Wir hielten an unserem Kurs fest – das ist
noch größere finanzielle Risiken verlangte. Ich
eine der grundlegenden Qualitäten von Les
wollte seinen ersten abendfüllenden Spielfilm
Armateurs. Das Team hat ein bewunderns-
produzieren und ihm die Möglichkeit geben,
wertes Stehvermögen bewiesen, und heute
sein ganzes Talent zu entfalten.
sind wir stolz, unser Schiff aus Fantasie in
Es war Zeit, aus dem Boxoffice-Erfolg von
einen sicheren Hafen gelenkt zu haben.
„Kirikou and the Witch“, der Les Armateurs
zu einem anerkannten Partner im anspruchs-
Didier Brunner
vollen Animationsbereich machte, Kapital zu
schlagen und den Erfolg von „The Old Lady
and the Pigeons“ auszubauen.
Trotz der wunderbaren Zeichnungen von
DAS GROSSE RENNEN VON BELLEVILLE
sind weder die Story noch das Setting speziell
auf junge Zuschauer ausgerichtet. Ich weiß,
dass wir unsere Partner um Unterstützung bei
einem innovativen und riskanten Unternehmen baten, wenn man die Kosten der
Produktion bedenkt.
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