DGI goes west: Continuum-Kurs bei John Kois in Seattle
Transcrição
DGI goes west: Continuum-Kurs bei John Kois in Seattle
81-83.qxd 29.09.2006 10:17 Seite 81 Bericht aus der DGI-Fortbildung 81 J. Hamel, M. Wichmann DGI goes west: Continuum-Kurs bei John Kois in Seattle in der Continuum-Serie des Jahres 2006 ausgebucht. Unter den Kursteilnehmern befanden sich unter anderem der DGI-Fortbildungsreferent und Organisator der Exkursion, Dr. Gerhard Iglhaut, DGI Past-Präsident Dr. Dr. Roland Streckbein, Dr. Karl-Ludwig Ackermann und Dr. Josef Diemer, die ihre übliche Funktion als Referenten von DGI-Fortbildungsveranstaltungen gegen die Zuhörerrolle getauscht hatten. Eine genaue Diagnostik ist die Basis der Behandlungsplanung Seattles Wahrzeichen: die zur Weltausstellung 1962 errichtete Space Needle. (Foto: J. Hamel) Dr. Kois erklärt mitreißend seine Kriterien der ästhetischen Zahnheilkunde. (Foto: K.-L. Ackermann) Die erste DGI Fortbildungsreise im Rahmen eines Continuumkurses führte in die Vereinigten Staaten von Amerika. Sie bot 26 DGI-Mitgliedern die Gelegenheit, Dr. John Kois live in seinem Fortbildungszentrum in Seattle (US-Bundesstaat Washington) zu erleben. Dr. Kois hatte exklusiv für die DGI ein dreitägiges Kursprogramm zu den Themenschwerpunkten Behandlungsplanung, Okklusion und Parodontologie zusammengestellt. Trotz der langen Anreise war der Kurs als einer der ersten Die Behandlungsplanung war das Generalthema des ersten Tages. Eine detaillierte, systematische Diagnose stellt für Dr. Kois die unverzichtbare Grundlage jeder Behandlungsplanung dar. Alle relevanten Informationen bezüglich des parodontalen Status, biomechanischer Faktoren, funktioneller und dentofazialer Befunde werden von Dr. Kois im Rahmen der Erstuntersuchung mit einem selbst entwickelten Diagnosebogen erfasst. Die standardisiert erhobenen Fakten verhindern eine vorschnelle subjektive Bewertung von Einzelbefunden mit daraus resultierenden Fehlern in der Behandlungsplanung. Kois’ diagnostische Vorgehensweise basiert auf einer individuellen Risikoeinschätzung auf der Basis der objektiven Einzelbefunde. Die parodontalen, biomechanischen, funktionellen und dentofazialen Parameter werden mit unterschiedlichen Risikoeinstufungen der Kategorien „hoch“, „mäßig“ oder „niedrig“ bewertet. Die Visualisierung erfolgt mit einer den Patienten geläufigen und verständlichen Analogskala mit den Ampelfarben „grün“, „gelb“ und „rot“. Bereits in dieser Phase werden mit dem Patienten Chancen und Risiken einer eventuellen Behandlung diskutiert. Auf der Basis dieser individuellen Risikoeinstufung erfolgt die weitere Behandlungsplanung. Alle Befunde routinemäßig zur Bewertung heranziehen Eine dringende Empfehlung des Kursleiters lautet: Selbst bei offensichtlichsten Befunden und scheinbar einfachen Behandlungssituationen sollte man zur definitiven Bewertung des Patientenfalles routinemäßig alle erhobenen Befunde zu Hilfe nehmen – inklusive Situationsmodellen, Röntgenbildern, parodontalem Status und Fotodokumen© Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2006;22(Fortbildung) 81-83.qxd 29.09.2006 82 10:17 Seite 82 J. Hamel, M. Wichmann | DGI goes west tation des Ausgangsbefundes. Konsequenterweise stellt Dr. Kois seinen Patienten niemals bereits in der ersten Sitzung seinen Behandlungsplan vor. Außerdem verhindert er so eine Unterbewertung der zahnärztlichen Planung durch den Patienten. Der Prozess der Behandlungsplanung, der im Kopf des Zahnarztes innerhalb von Sekunden stattfindet, ist laut Dr. Kois eine über lange Jahre entwickelte Fähigkeit, in die klinische Erfahrung, theoretisches Wissen und vertiefende Fortbildungsveranstaltungen einfließen. Deren Wert gilt es, dem Patienten auch zu vermitteln. Risikominimierung sichert Langzeiterfolg Um den Langzeiterfolg seiner Behandlungsmaßnahmen zu gewährleisten, setzt Dr. Kois auf das Prinzip der Risikominimierung. Dies bedeutet für ihn in der klinischen Anwendung den Verzicht auf natürliche Zähne mit zweifelhafter Prognose. Er verzichtet auch auf Behandlungsversuche zu deren Erhalt mit prognostisch ungewissem Ausgang. Hier sieht Dr. Kois die Indikation für den Einsatz enossaler Implantate, um die dentale Prognose des Patienten erheblich zu verbessern. Auch ein individuelles Recallprogramm, bestehend aus professioneller Zahnreinigung und zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen sind für ihn wesentliche Voraussetzungen für einen Langzeiterfolg. Die Compliance des Patienten ist hier für den Kursleiter ein unverzichtbarer Faktor für einen erfolgreichen Behandlungsausgang. Das gemeinsame Abendessen in Chandler´s Crabhouse zum Ausklang des ersten Kurstages bot Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen, Fortsetzung der fachlichen Diskussion oder einfach zum geselligen Beisammensein mit wunderbarem Blick auf den Lake Union. Die okklusale Situation bewerten Am zweiten Kurstag stand die Funktion im Mittelpunkt. Am Anfang steht für Dr. Kois die Bewertung der okklusalen Situation. Von zentraler Bedeung ist für Dr. Kois die Einschätzung, ob die vorhandenen okklusalen Verhältnisse stabil oder im Zusammenbruch begriffen sind, da dies die Entscheidung für oder gegen eine Therapie der Okklusion bedingt. Zur Entscheidungsfindung dient die Einteilung der Patienten in die Kriterien „akzeptable Funktion“, „eingeschränkte Kaufähigkeit“, „okklusale Dysfunktionen“, „Parafunktionen“ und „neurologisch bedingte Funktionsstörungen“. Der zahnärztliche Therapiebereich befindet sich für Dr. Kois im Bereich der mittleren drei Kriterien, da eine akzeptable Funktion nicht therapiebedürftig ist und neurologisch bedingte Funktionsstörungen außerhalb der therapeutischen Möglichkeiten des Zahnarztes liegen. Zur weiterführenden Beurteilung der okklusalen Verhältnisse dienen Dr. Kois die Aussagen der Patienten bezüglich der Kaufähigkeit und die Ergebnisse aus der Anwendung einer von ihm verwendeten Deprogrammierungs-Schiene, die auf dem funktionellen Prinzip der bekannteren ShorePlatte oder Hawley-Platte aufbaut. Die Aufbissschiene wird durch substraktive und additive Modifikationen des planen, frontalen Plateaus über einen Zeitraum von bis zu vier Wochen eingesetzt. Ziel ist eine muskuläre Relaxierung und Repositionierung des Unterkiefers durch die Ausschaltung eventueller okklusaler Interferenzen. Die Anwendung demonstrierte Dr. Kois an Patientenfällen mit extremen Attritionen sowie anhand eines Kursteilnehmers, dessen Schiene Dr. Kois im Rahmen des Kurses adjustierte. Erst wenn der Patient seine okklusale Situation subjektiv als komfortabel einschätzt, ist der Zeitpunkt der restaurativen und prothetischen Umsetzung erreicht. Keine perfekte Funktion ohne perfekte Ästhetik Entgegen der üblichen Regel „Form Follows Function“ geht Dr. Kois davon aus, dass eine perfekte Funktion immer eine perfekte Ästhetik voraussetzt. Die Entscheidung für eine Methode der okklusalen Restauration (kieferorthopädische Maßnahmen, Veneers, Kronen, Onlays oder additive okklusale Kompositrestaurationen) richtet Gruppenbild der Teilnehmer des Continuumskurses bei Dr. Kois in Seattle. (Foto: J. Hamel) © Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2006;22(Fortbildung) 81-83.qxd 29.09.2006 10:17 Seite 83 J. Hamel, M. Wichmann | DGI goes west Dr. Kois’ Yacht „Excellence“ erwartet die Kursteilnehmer zur „Dinner Cruise“ auf dem Lake Union und Lake Washington. 83 Beim Sondieren des Knochenverlaufs ist darauf zu achten, dass die Weichgewebshöhe approximal höher ist als fazial. Hier stellen 4,5 mm approximale und 3 mm faziale Weichgewebshöhe einen „normal crest“-Biotyp dar, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 % am häufigsten vorkommt. Bezüglich der Prognose des Vorhandenseins oder der Rekonstruktion einer Interdentalpapille widerspricht Dr. Kois der bekannten Studie von Tarnow (Tarnow DP, Magner AW, Fletcher P. J Periodontol 1992;63:995-996) die von einer 100%igen Wahrscheinlichkeit einer Papille bei einem Abstand von 5 mm zwischen marginalem Knochen und approximalem Kontaktpunkt ausgeht. Dr. Kois kann aufgrund eigener Untersuchungen belegen, dass der Abstand zwischen Knochen und Kontaktpunkt in 90 % der von ihm untersuchten Individuen nur 4 mm betrug. (Foto: J. Hamel) Achten auf den Goldenen Schnitt sich letztlich nach den individuellen finanziellen Gegebenheiten der Patienten. Die nächtliche „dinner cruise“ mit Kois’ 30 Meter-Yacht „Excellence“ auf dem Lake Union zum Abschluss des zweiten Kurstages stellte unzweifelhaft den Höhepunkt des Rahmenprogramms dar. Die parodontale Situation richtig einschätzen Der dritte und letzte Kurstag war dem Themenschwerpunkt „Parodontologie“ gewidmet. Die zutreffende Einschätzung der parodontalen Ausgangssituation ist im Hinblick auf das Ziel restaurativer Perfektion ein entscheidendes Kriterium. Von der Diagnose parodontaler Erkrankungen oder der zutreffenden Beurteilung des Weichgewebes bei gesunden parodontalen Verhältnissen ist eine Risikoeinschätzungen der geplanten Behandlungsmaßnahmen abhängig. Nur durch die Beurteilung und das Wissen um den korrekten Knochenverlauf können nach Dr. Kois die für eine perfekte Ästhetik nötigen Behandlungsmaßnahmen festgelegt und durchgeführt werden. Ob es sich um die Behandlung mit Implantaten oder die Präparation von Kronen oder Veneers handelt ist hierbei wieder nur eine Frage der Ausführung entsprechend den finanziellen Ressourcen. Als Basis der Entscheidung über die parodontologische Situation steht für Dr. Kois die biologische Breite als Konstante fest. Bei der Präparation von Kronen ist unbedingt dem girlandenförmigen Verlauf der Schmelz-Zementgrenze zu folgen und eine dem gingivalen Verlauf entsprechende Präparationsgrenze zu wählen, da die marginale Gingiva einen ausgeprägteren girlandenförmigen Verlauf aufweist als der Knochen. Das Risiko der Verletzung der biologischen Breite ist bei diesem Vorgehen reduziert. Es muss allerdings beachtet werden, dass die Girlandenform zum Seitenzahnbereich hin geringer ausgeprägt ist. Der Biotyp (low, normal, high crest) legt hier die zu erwartende Weichgewebshöhe über dem Knochen fest (› 3 mm, = 3 mm, ‹ 3 mm). Für Rekonstruktionen im sichtbaren, ästhetisch sensiblen Bereich legt Dr. Kois bei der Positionierung der Frontzähne die Kriterien der Gesichtssymmetrie und der individuellen Lippenmobilität zugrunde. Zur ästhetischen Gestaltung der Frontzahndimension dienen ihm selbst entwickelte Schablonen die auf den Größenverhältnissen des „golden Schnittes“ basieren. Der Goldene Schnitt (lat.: sectio aurea) ist das Verhältnis zweier Zahlen von ungefähr 1:1,618. In der Kunst und Architektur wird der goldene Schnitt oft als ideale Proportion verschiedener Längen zueinander angesehen. Er gilt als Inbegriff von Ästhetik und Harmonie. Arbeiten auf dem sicheren Boden der Evidenz Insgesamt erlaubten die drei Kurstage einen intensiven Einblick in das systematische Behandlungskonzept von Dr. Kois. Diesem liegt die grundsätzliche Handlungsweise zugrunde, sich stets auf dem sicheren Boden der Evidenz zu bewegen und somit durch standardisiertes Vorgehen stets voraussagbare Behandlungsergebnisse zu erreichen. Seine beeindruckenden analytischen Fähigkeiten stellte Dr. Kois bei der Besprechung der von den Teilnehmern mitgebrachten Patientenfälle live unter Beweis. Die im Plenum diskutierten Behandlungsfälle konnten von den Teilnehmern schon nach kurzer Zeit in das Kois’sche Diagnoseschema übertragen werden. Den objektiven Befunden wird dann ein sicherer Weg der Behandlungsplanung folgen. Dr. Kois betonte hierbei jedoch, dass es sehr selten ein klares „falsch“ oder „richtig“ in der Zahnheilkunde gäbe. Vielmehr steht dem Zahnarzt ein breites Spektrum von Möglichkeiten zur Verfügung, das in seiner ganzen Breite genutzt und dem Patienten vermittelt werden sollte. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist hierbei ein zentraler Erfolgsgarant. J. Hamel, M. Wichmann, Erlangen © Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2006;22(Fortbildung)