3003 Bern

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3003 Bern
Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
Autorité indépendante d’examen des plaintes en matière de radio-télévision
Autorità indipendente di ricorso in materia radiotelevisiva
_______________________________________________________________
b. 568
Entscheid vom 19. Oktober 2007
betreffend
Schweizer Fernsehen, SF 1: Sendung „10 vor 10“ vom 20. Juni 2007, Beitrag
über Computersucht; Eingabe von K und mitunterzeichnenden Personen vom
23. August 2007
Es wirken mit:
Vorsitz:
Regula Bähler (Vizepräsidentin)
Mitglieder:
Paolo Caratti, Carine Egger Scholl, Barbara Janom Steiner,
Heiner Käppeli, Denis Masmejan,
Alice Reichmuth Pfammatter, Claudia Schoch Zeller
Juristisches
Sekretariat:
Pierre Rieder (Leiter), Marianne Rais Amrein
_________________
Den Akten wird entnommen:
A.
Das Schweizer Fernsehen strahlte im Rahmen des Nachrichtenmagazins „10
vor 10“ am 20. Juni 2007 auf SF 1 einen Beitrag über Computersucht aus.
Im Zentrum des rund fünfeinhalbminütigen Beitrags stand die Darstellung
der als eher neu geltenden Computer- oder Onlinesucht. Dabei wurde insbesondere auch Europas erste Therapiestation in Amsterdam vorgestellt.
B.
Mit Eingabe vom 23. August 2007 (Datum Postaufgabe) erhob K (im Folgenden: Beschwerdeführer) Beschwerde gegen die erwähnte Ausstrahlung
bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (im
Folgenden: UBI, Unabhängige Beschwerdeinstanz). Im Beitrag würden
-2-
mehrmals Ausschnitte aus einem Video mit einem angeblich schwer computerabhängigen Jungen gezeigt. Dieses seien aber entgegen den Aussagen in
„10 vor 10“ nicht authentisch, sondern gestellt. Für den verantwortlichen
Journalisten wäre dies aufgrund von Veröffentlichungen im Internet ohne
weiteres erkennbar gewesen. Der Beschwerdeführer fragt sich, ob das
Schweizer Fernsehen zur besten Sendezeit in einem Nachrichtenmagazin offensichtliche Unwahrheiten verbreiten dürfe. Er verlangt, dass die Verantwortlichen ihre Fehler eingestehen und die falschen Aussagen medienwirksam korrigieren. Der Eingabe lagen u.a. auch der Bericht der zuständigen
Ombudsstelle vom 6. August 2007 sowie die Unterschriften und notwendigen Angaben von 20 Personen bei, welche die Beschwerde unterstützen.
C.
In Anwendung von Art. 96 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Radio und
Fernsehen vom 24. März 2006 (RTVG; SR 784.40) wurde die SRG SSR idée
suisse, Zweigniederlassung Schweizer Fernsehen (im Folgenden: SRG oder
Beschwerdegegnerin), vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Mayr von Baldegg, zur Stellungnahme eingeladen. Sie beantragt, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen. Der dargestellte Junge sei sehr wohl computersüchtig.
Die Redaktion verfüge im Übrigen über zuverlässige Quellen, welche die
Echtheit des Videos bestätigten. Diese könnten aber aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes nicht offen gelegt werden. Im Übrigen sei
es für die Beurteilung des Beitrags unerheblich, ob die Bilder echt oder inszeniert seien.
D.
Die Stellungnahme der SRG wurde dem Beschwerdeführer am 27. September 2007 zugestellt. Gleichzeitig wurden die Verfahrensbeteiligten darüber
informiert, dass der Schriftenwechsel abgeschlossen sei und die Beratung
der Beschwerdesache öffentlich sein werde, es sei denn, schützenswerte Privatinteressen würden entgegenstehen (Art. 97 Abs. 1 RTVG).
-3-
Die Unabhängige Beschwerdeinstanz
zieht in Erwägung:
1.
Die Eingabe wurde zusammen mit dem Ombudsbericht fristgerecht eingereicht und ist hinreichend begründet (Art. 95 Abs. 1 und 3 RTVG).
1.1
Art. 94 RTVG umschreibt die Beschwerdebefugnis. Zur Beschwerde ist
u.a. legitimiert, wer im Beanstandungsverfahren vor der Ombudsstelle beteiligt war, mindestens 18 Jahre alt ist, über das Schweizerbürgerrecht oder
als Ausländer über eine Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung verfügt und eine Beschwerde einreicht, die von mindestens 20 weiteren Personen unterzeichnet ist, die ebenfalls zur Beschwerdeführung legitimiert
wären, wenn sie selber an die Ombudsstelle gelangt wären (Art. 94 Abs. 2
und 3 RTVG; sogenannte Popularbeschwerde). Die Eingabe des Beschwerdeführers erfüllt diese Anforderungen grundsätzlich.
1.2
Nicht eintreten kann die UBI auf den Antrag des Beschwerdeführers, wonach die Verantwortlichen ihre falschen Behauptungen medienwirksam zu
korrigieren hätten. Die UBI hat festzustellen, ob durch eine Sendung Programmbestimmungen verletzt worden sind (Art. 97 Abs. 2 Bst. a RTVG).
Ist dies der Fall, kann sie dem betroffenen Veranstalter eine Frist setzen,
damit dieser die geeigneten Vorkehren trifft, um die Rechtsverletzung zu
beheben und in Zukunft gleiche oder ähnliche Rechtsverletzungen zu
vermeiden (Art. 89 Abs. 1 Bst. a Ziffer 2 RTVG). Trifft der Veranstalter
keine genügenden Vorkehren, kann die UBI dem Departement beantragen, geeignete Massnahmen im Sinne von Art. 89 Abs. 1 Bst. b und 89
Abs. 2 RTVG zu verfügen. Von sich aus kann die UBI dagegen keine
Massnahmen wie die vom Beschwerdeführer beantragte anordnen. Das
RTVG gibt der UBI einzig die Kompetenz, bei wiederholten Verstössen
gegen die Pflichten nach Art. 4 Abs. 1 und 3 RTVG eine Verwaltungssanktion (Busse) auszusprechen (Art. 97 Abs. 4 RTVG i.V. mit Art. 90
Abs. 1 Bst. h RTVG), jedoch nicht bei Verstössen gegen Art. 4 Abs. 2
RTVG (Sachgerechtigkeitsgebot).
2.
Die Beanstandung definiert das Anfechtungsobjekt und begrenzt insofern
die Prüfungsbefugnis der UBI. Diese ist bei der Prüfung des anwendbaren
Rechts frei und nicht an die Vorbringen der Parteien gebunden (BGE 121
II 29 E. 2a S. 31 [„Mansour – Tod auf dem Schulhof“]).
2.1
In den Schlagzeilen der „10 vor 10“-Ausgabe wird bereits auf den beanstandeten Beitrag hingewiesen: „Süchtig nach Computerspielen: Eine Reportage aus Europas erster Therapiestation“. In der eigentlichen Anmoderation wird erwähnt, es gehe im Beitrag um eine Sucht. Computer- oder
-4-
Onlinesucht sei ein ernsthaftes Problem. In der Schweiz sollen 50'000
Menschen davon betroffen sein. Anschliessend leitet der Moderator zum
Filmbericht über, welcher nichts für schwache Nerven sei. Er beginne
nämlich mit Bildern, „die von einem Sohn zuhause mit der Videokamera
gemacht worden seien“.
2.2
Der Filmbericht beginnt mit einer Sequenz des angeblich computersüchtigen Jugendlichen aus Deutschland, der sich laut Off-Kommentar erfolglos
versuche, in ein Spiel einzuloggen. Er schreit den Bildschirm an, schlägt
und hämmert auf die Tastatur. Die Sequenz, welche unscharf und akustisch von schlechter Qualität ist, dauert 24 Sekunden. Das Gesicht des Jugendlichen ist dabei nicht erkennbar. Direkt an diese Sequenz erfolgt eine
Stellungnahme von B, dem Leiter der Smith & Jones Klinik in Amsterdam. Er weist darauf hin, dass computersüchtige Kinder gewalttätige Reaktionen zeigen, wenn ihnen der Computer weggenommen werde. Danach
erfolgt eine Vorstellung der Klinik, welche als erste eine stationäre Behandlung für Computersüchtige anbiete und von der Leiter. Anhand des
Beispiels des 20-jährigen C aus den USA zeigt der Bericht, wie sich Computersucht manifestiert und wie sie in der Klinik therapiert wird. B bemerkt, sie könnte sich weltweit zur grössten Sucht entwickeln.
2.3
Sequenzen mit dem angeblich computersüchtigen Jugendlichen werden
neben der bereits erwähnten noch zweimal gezeigt. Die eine dauert nur
rund acht Sekunden, die andere gegen Schluss des Filmberichts 25 Sekunden, welche in der Zertrümmerung der Tastatur endet. Zu diesen Bildern
wird im Off-Kommentar bemerkt, der computersüchtige Junge habe erfolglos versucht, seine Sucht zu therapieren. Unterdessen sei er gemäss
Zeitungsberichten in einer geschlossenen Klinik. Der „10 vor 10“Moderator beendet den Beitrag mit den Worten: „Hui, liebe Kids. Bleibt
nicht allzu lange vor dem Compi hängen, wenn’s geht.“
2.4
Der Beschwerdeführer beanstandet ausschliesslich die gezeigten Videosequenzen eines angeblich schwer computerabhängigen Jugendlichen. Diese
seien offensichtlich gestellt und würden Computersucht nicht in authentischer Weise widerspiegeln, wie dies der „10 vor 10“-Beitrag vorgebe. Der
Beschwerdeführer macht sinngemäss eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots von Art. 4 Abs. 2 RTVG geltend.
2.5
Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV; SR 101) und Art. 6 Abs. 2
RTVG gewährleisten die Programmautonomie des Veranstalters. Diese
beinhaltet namentlich auch die Freiheit der Wahl des Themas einer Sendung oder eines Beitrags und der Bearbeitung. Der Veranstalter hat dabei
jedoch die einschlägigen Bestimmungen über den Inhalt redaktioneller Bestimmungen einzuhalten.
-5-
2.6
Die Beurteilungskriterien beim Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 Abs. 2
RTVG sind trotz der gegenüber Art. 4 Abs. 1 1. Satz des alten Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 21. Juni 1991 (aRTVG; AS 1992
601) veränderten Formulierung, die an die bisherige Rechtsprechung anknüpft, die gleichen geblieben (BBl 2003 S. 1668f.). Die UBI prüft im Zusammenhang mit dem Sachgerechtigkeitsgebot, ob dem Publikum aufgrund der in der Sendung oder im Beitrag vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt oder ein
Thema vermittelt worden ist, so dass dieses sich darüber frei eine eigene
Meinung bilden kann (BGE 131 II 253 E. 2.1ff. S. 256ff. [„Rentenmissbrauch“]). Umstrittene Aussagen sollen als solche erkennbar sein. Fehler
in Nebenpunkten und redaktionelle Unvollkommenheiten, welche nicht
geeignet sind, den Gesamteindruck der Ausstrahlung wesentlich zu beeinflussen, sind programmrechtlich nicht relevant. Hat sich das Publikum
keine eigene Meinung über einen Sachverhalt oder ein Thema bilden können, prüft die UBI zusätzlich, ob die zentralen journalistischen Sorgfaltspflichten eingehalten wurden (vgl. Peter Studer/Rudolf Mayr von Baldegg,
Medienrecht für die Praxis, 3. Auflage, Zürich 2006, S. 198ff.). Ist dies
nicht der Fall, liegt eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots vor.
3.
Strittig ist primär, ob die im Beitrag ausgestrahlten Videosequenzen mit
dem angeblich computersüchtigen Jugendlichen aus Deutschland authentisch sind oder nicht. Der Beschwerdeführer bestreitet dies vehement. Es
handle sich bei den im „10 vor 10“-Beitrag gezeigten Sequenzen um Ausschnitte aus einem Video, welches schon seit längerer Zeit über „Youtube
– Broadcast yourself“ verfügbar sei, einem Internetportal, auf welchem Videos kostenlos hochgeladen, angesehen und kommentiert werden können.
Der in der einschlägigen Community unter dem Namen „Der echte
Gangster“ bzw. „Angry German Kid“ bekannte und bereits mehrfach kopierte deutsche Jugendliche sei offensichtlich nicht schwer computerabhängig, wie im „10 vor 10“-Beitrag behauptet, sondern habe geschauspielert. In einem seiner zahlreichen ebenfalls auf Youtube einsehbaren Videos
sage er dies ausdrücklich: „Eins will ich euch noch mit auf den Weg geben:
Nehmt diese Videos nicht ernst! Sie sind nur dargestellt, schaugespielt,
versteht ihr? Die sind nicht echt.“ Der betreffende Jugendliche habe dem
Beschwerdeführer ebenfalls bestätigt, es handle sich um ein gestelltes
„Fun-Video“.
3.1
Die Beschwerdegegnerin weist ihrerseits auf zwei Zeitungsartikel (erschienen in „Die Welt“ vom 20. März 2007 und in der „Berner Zeitung“ vom
30. April 2007) hin, welche belegen würden, dass der in den Videosequenzen gezeigte Jugendliche tatsächlich schwer computerabhängig sei. Dem
Autor des Beitrags sei zudem von einer „absolut zuverlässigen Quelle“,
welche aus „Gründen des Informantenschutzes“ nicht publik gemacht
werden könne, bestätigt worden, dass die gezeigten Szenen echt seien.
-6-
Überdies verweist die Beschwerdegegnerin darauf, dass der Jugendliche
mit seinen zahlreichen Videos ein „suchtdeterminiertes Verhalten“ belege.
3.2
Ob die beanstandeten Videosequenzen tatsächlich authentisch oder gestellt sind und ob der sich darstellende Jugendliche computersüchtig ist,
kann von der UBI nicht abschliessend beurteilt werden. Aufgrund der
zahlreichen auf Youtube einsehbaren Clips bestehen aber zumindest
ernsthafte Zweifel an der Authentizität der gezeigten Bilder. „10 vor 10“
hat es unterlassen, in transparenter Weise auf die öffentlich zugängliche
Quelle hinzuweisen (VPB 63/1999 Nr. 96 S. 909f. betreffend UBIEntscheid b. 378/379). Dagegen hat sich die Redaktion hinsichtlich der
Bemerkung am Schluss des Filmberichts, wonach der computerabhängige
Jugendliche ohne Erfolg seine Sucht zu therapieren versucht habe und
nun in einer geschlossenen Klinik weile, zumindest in transparenter Weise
auf Zeitungsberichte wie insbesondere den Artikel der „Berner Zeitung“
gestützt.
3.3
Im Lichte der Prüfung der Sendung auf die Vereinbarkeit mit dem Sachgerechtigkeitsgebot ist aber ohnehin nicht entscheidend, ob die beanstandeten Bilder authentisch oder gestellt sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob sich
das Publikum zu den beanstandeten Bildern und Aussagen sowie zum Beitrag als Ganzes eine eigene Meinung bilden konnte. Ein Verstoss gegen
journalistische Sorgfaltspflichten wie diejenige der Vermittlung von Transparenz über die Quellen von ausgestrahlten Bildern begründet nicht automatisch eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots. Dies ist erst dann
der Fall, wenn damit die Meinungsbildung des Publikums zum im Beitrag
behandelten Thema wesentlich beeinflusst wurde.
3.4
Aus den Schlagzeilen zu „10 vor 10“ vom betreffenden Tag und der Anmoderation geht das eigentliche Thema des Beitrags bereits hervor (siehe
dazu vorne Ziffer 2.1). Mit einem Porträt über die Smith & Jones-Klinik in
Amsterdam soll eine eher neue Form von Sucht, die Computer- und Onlinesucht, dargestellt werden. Im Vordergrund stehen dabei der Leiter der
Klinik, B, und C, einer der Computersüchtigen in Therapie. B äussert sich
in grundsätzlicher Weise zur Computersucht und den Therapieansätzen
der Klinik. C schildert den Ursprung und die Symptome seiner Sucht. Der
Filmbericht zeigt überdies, wie die Amsterdamer Klinik versucht, bei C die
Sucht, welche er lange Zeit abgestritten habe, im Rahmen eines Kickboxtrainings zu therapieren. Diese Teile des Beitrags mit dem Porträt der Klinik sowie den Darlegungen von B und C werden vom Beschwerdeführer
nicht beanstandet. Das Publikum konnte sich dazu aufgrund der darin
vermittelten Fakten und den Aussagen der beiden Protagonisten, welche
als eigene Ansichten erkennbar waren (Art. 4 Abs. 2 letzter Satz RTVG),
ohne Weiteres eine eigene Meinung bilden.
-7-
3.5
Die vom Beschwerdeführer monierten Videosequenzen dienten offensichtlich dazu, extreme Ausdrucksformen von Computer- und Onlinesucht zu illustrieren. Der Klinikleiter B bestätigt denn auch, dass gewalttätige Reaktionen von abhängigen Jugendlichen ein gängiges Verhalten sei,
wenn sie ihre Sucht nicht befriedigen können. Die beanstandeten Videosequenzen wurden überdies weitgehend anonymisiert. Der Jugendliche
wird im Gegensatz zu C, der als Patient aus einer Suchtklinik als individuelles Schicksal vorgestellt wird, nicht porträtiert. Im Vordergrund steht bei
diesen Videosequenzen nicht der gezeigte Jugendliche als Individuum,
sondern eine extreme Ausdrucksform des Phänomens Computersucht.
Auch wenn die beanstandeten Bilder gestellt sind, kommt ihnen daher
zumindest ein symbolischer Charakter zu (vgl. zur programmrechtlichen
Bedeutung von Symbolbildern, UBI-Entscheid b. 550 vom 31. August
2007 E. 5.2f. i.S. „Kulturplatz“-Beitrag]). Da die Bilder damit ein durchaus
mögliches Verhalten eines schwer Computerabhängigen zeigen, sind sie
denn auch nicht geeignet, die Meinungsbildung des Publikums zu den eigentlichen Themen des Beitrags in Frage zu stellen oder zu beeinträchtigen.
3.6
Ob es allerdings überhaupt erforderlich war, im Rahmen der Behandlung
einer ernsthaften und zurzeit vieldiskutierten Problematik wie der Computersucht (siehe etwa Wolfgang Bergmann/Gerald Hüther: Computersüchtig. Kinder im Sog der modernen Medien, Düsseldorf 2006; Sabine M.
Grüsser und Ralf Thalemann, Computerspielsüchtig? Rat und Hilfe für Eltern, Bern 2006) solch reisserische Bilder mit einer entsprechenden Anund Abmoderation zu zeigen, hat die UBI nicht zu beurteilen. Dieser Aspekt berührt nicht das Sachgerechtigkeitsgebot, sondern primär die Qualität der Ausstrahlung. Diese zu überprüfen fällt nicht in die Zuständigkeit
der UBI, welche sich auf eine Rechtskontrolle zu beschränken hat und
keine Fachaufsicht betreiben darf (BGE 132 II 290 E. 3.2 S. 294 [„Dipl.
Ing. Paul Ochsner“]).
3.7
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Publikum sich zwar zur Authentizität der beanstandeten Bilder, wie auch zur Frage, ob der darin gezeigte
deutsche Jugendliche tatsächlich computerabhängig ist, keine eigene Meinung bilden konnte. Diese Aspekte bildeten jedoch gar nicht das eigentliche Thema des Beitrags, sondern vielmehr einen Nebenpunkt. Die Bilder
verunmöglichten dem Publikum auf jeden Fall nicht, eine eigene Meinung
zu den eigentlichen Themen des Beitrags, der Vorstellung der Computerund Onlinesucht in genereller Weise und der ersten entsprechenden europäischen Therapiestation in Amsterdam zu bilden. Das Sachgerechtigkeitsgebot ist daher nicht verletzt worden. Die festgestellten Mängel, welche vorab die Quellentransparenz und die Frage der Computerabhängigkeit einer anonymisierten Person betreffen, stellen insoweit programmrechtlich noch nicht relevante redaktionelle Unvollkommenheiten dar,
-8-
welche durch die den Veranstaltern zustehende Programmautonomie gedeckt ist.
4.
Da der beanstandete Beitrag keine Bestimmungen über den Inhalt redaktioneller Sendungen verletzt, erweist sich die Beschwerde als unbegründet
und ist deshalb abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
-9-
Aus diesen Gründen wird
beschlossen:
1.
Die Beschwerde von K sowie mitunterzeichnenden Personen vom 23.
August 2007 wird, soweit darauf einzutreten ist, mit 7:1 Stimmen abgewiesen und es wird festgestellt, dass der am 20. Juni 2007 im Schweizer
Fernsehen auf SF 1 in der Sendung „10 vor 10“ ausgestrahlte Beitrag über
Computersucht keine Bestimmungen über den Inhalt redaktioneller Sendungen verletzt hat.
2.
Verfahrenskosten werden keine erhoben.
3.
Zu eröffnen:
- (…)
Im Namen der
Unabhängigen Beschwerdeinstanz
für Radio und Fernsehen
Rechtsmittelbelehrung
Entscheide der UBI können gemäss Art. 99 RTVG in Verbindung mit Art. 82
Abs. 1 Bst. a, 86 Abs. 1 Bst. c und 89 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht
(SR 173.110) innerhalb von 30 Tagen seit Eröffnung des Entscheides mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden.
Versand: 30. April 2008

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