Bereinigungsprozess bei den Vermögensverwaltern

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Bereinigungsprozess bei den Vermögensverwaltern
Private Banking | 35
Peter Frommenwiler
handelszeitung | Nr. 16 | 21. April 2016
Verstehen: Was bedeuten die Wünsche und Ansprüche der Kunden für die Asset Allocation, die Verteilung auf die Anlageklassen wie Edelmetalle, Aktien und Fonds?
Bereinigungsprozess bei
den Vermögensverwaltern
Finanzgewerbe Schärfere Regulierung und neue Technologien setzen den unabhängigen Vermögensverwaltern in
der Schweiz zu. Mit den richtigen Strategien und der richtigen Grösse können sie die Herausforderungen meistern.
D
Fredy Hämmerli
ie unabhängige Vermö­
gensverwaltung ist tot. Ver­
mögensverwalter – ein aus­
sterbender Beruf. So oder
ähnlich lauteten in den
letzten Monaten die Schlagzeilen in der
Fachpresse der Finanzindustrie, wenn es
um die Folgen der aktuellen Regulierungs­
bestrebungen für Banken und unabhän­
gige Finanzdienstleister ging. Ganz so
heiss gegessen wird die Suppe wohl aber
auch diesmal nicht (siehe auch Artikel auf
Seite 36). Gerade die unabhängigen Ver­
mögensverwalter haben in der Vergan­
genheit immer wieder ihre Flexibilität
­unter Beweis gestellt. Und die neuen an­
stehenden Gesetze dürften im abschlies­
senden Bereinigungsprozess noch den
­einen oder anderen Zahn verlieren.
Das Ende der Selbstregulierung
Tatsache ist aber, dass das neue Finanz­
dienstleistungsgesetz (Fidleg) sowie das
Finanzinstitutsgesetz (Finig) ganz beson­
ders einschneidende Auswirkungen auf
die unabhängigen Vermögensverwalter
(UVV) haben. Denn sie sollen ab 2018
weitgehend denselben Gesetzesverschär­
fungen unterworfen werden wie die
Grossbanken und die grossen Privatban­
ken, deren Kerngeschäft ebenfalls die
­Vermögensverwaltung ist. Und dies bei
viel geringeren «Assets under Manage­
ment», verwalteten Vermögen.
Entsprechend gross ist die Empörung
seitens der UVV und ihrer Branchenorga­
nisation, des Verbands Schweizer Vermö­
gensverwalter (VSV). Im Zentrum ihrer
Kritik stehen Fidleg und Finig, die für mehr
Konsumentenschutz beziehungsweise ver­
stärkte Aufsicht sorgen sollen (siehe Kas­
ten). Als «überdimensioniert» und «eine
unnötige Überregulierung» ­kritisiert der
VSV die entsprechenden ­Gesetzentwürfe,
die derzeit im Parlament beraten werden.
Zusammen mit dem Schweizerischen Ge­
werbeverband und dem Forum Schweizer
Selbstregulierungsorganisationen (Forum
SRO) verlangen sie darum, dass das F
­ idleg/
Finig-­Paket in seiner heutigen Form ge­
kippt wird. Besonders unter Beschuss ist
der Plan, die unabhängigen Vermögens­
verwalter analog zu den Banken einer
staatlichen Aufsicht zu unterstellen. Das
bisherige Prinzip der Selbstregulierung,
die sich weitgehend auf die Einhaltung des
Geldwäschereigesetzes beschränkte, soll
damit über den Haufen geworfen werden.
Der Branchenverband schätzt die Initial­
kosten auf 70 000 bis 128 000 Franken, die
jährlichen Folgekosten auf 19 000 bis 56 000
Die Zusatzkosten als Folge
der staatlichen Aufsicht
dürften einigen
an die Existenz gehen.
Franken, je nach Grösse des Betriebs. Sie
fallen vor allem für zusätzlich erforder­
liches Personal und Informatik an. Insge­
samt schätzt die Branche die neu anfallen­
den Kosten auf 300 Millionen Franken.
Angesichts der schrumpfenden Mar­
gen dürften diese Zusatzkosten einigen an
die Existenz gehen. Mit rund 2300 Firmen
ist die Branche stark fragmentiert. Betrof­
fen sind insbesondere Kleinstbetriebe mit
lediglich einem oder zwei Angestellten.
Sie machen über die Hälfte aller UVV-­
Betriebe aus und verwalten im Durch­
schnitt lediglich 50 Millionen Franken.
­Total liegen 560 Mil­liarden Franken bei
den unabhängigen Vermögensverwaltern,
etwa 10 Prozent des Gesamtbestandes in
der Schweiz. Rund 6000 Beschäftigte zählt
die Branche derzeit noch. Branchenschät­
zungen gehen davon aus, dass es in ein
paar Jahren nur noch halb so viele sein
werden. Nur ein geringerer Teil von ihnen
wird sich aber einen neuen Beruf suchen
müssen. Die meisten werden ihre Tätig­
keit schlicht aufgeben und altershalber in
Pension gehen. Denn die Branche leidet
nicht nur unter der anstehenden Regu­
lierung, sondern auch an einer Über­
alterung.
Als das Bankgeheimnis noch intakt war
und ausländisches Kapital in die Schweiz
floss, das sich wenig um die hohen Ge­
bühren kümmerte, solange es diskret und
sicher verwahrt war, hatte sich manch ein
angegrauter Banker selbstständig ge­
macht, um es in den letzten Berufsjahren
etwas ruhiger angehen zu lassen. Nicht
selten mit seinen paar wichtigsten Kun­
den. Die Banken nahmen es gelassen,
­solange das Kundendepot bei ihnen blieb
und sie weiterhin von den Transaktions­
gebühren profitierten.
Doch dieses Geschäftsmodell hat seine
Existenzgrundlage weitgehend verloren.
Für eine Vermögensverwaltung mit Weiss­
geldstrategie sind die Kunden nicht bereit,
überhöhte Gebühren und Kommissionen
zu entrichten. Entsprechend eng sind die
Margen inzwischen. Und sie sinken wei­
ter: Retrozessionen, also Provisionen für
die Vermittlung von Finanzprodukten,
müssen nach einschlägigen Gerichtsent­
scheiden im Normalfall den Kunden er­
stattet werden (wobei sehr viele Banken
diese Notwendigkeit mit entsprechenden
Zwangsklauseln wegbedingen). Die Be­
reitschaft, im Gegenzug für die reine Bera­
tung zu bezahlen, hält sich bei den Kun­
den in engen Grenzen.
Die sinkende Attraktivität des schwei­
zerischen Vermögensverwaltungsgeschäfts
zeigt sich auch in den Übernahmepreisen.
International werden übernommene Kun­
denstämme durchschnittlich mit 2,1 Pro­
zent der verwalteten Vermögen entschä­
digt; für Schweizer Vermögensverwalter
sind es aktuell bloss noch 1,5 Prozent.
Kleinfirmen mit weniger als 50 Millionen
Franken dürfen kaum mit mehr als 1 Pro­
zent rechnen – falls sie überhaupt einen
Vermögensverwalter finden, der ­
ihren
Kundenstamm übernehmen will. Vor al­
lem die Grossbanken zieren sich, wenn es
darum geht, die Kunden von kleinen UVV
zu übernehmen. Allzu gross ist die Angst,
sich damit ein schwarzes Schaf einzu­
handeln.
Wenn möglich auslagern
Kommt hinzu, dass «disruptive Ent­
wicklungen» das UVV-Geschäft beein­
trächtigen: Standardisierte Vermögens­
verwaltungsprodukte, die weitgehend
­automatisiert ablaufen, nur noch wenig
menschliches Zutun benötigen und ent­
Fidleg und Finig
Etwas strengere Richtlinien
Märkte Mit dem Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) sowie dem
­Finanzinstitutsgesetz (Finig) sollen
die Schweizer Finanzdienstleister
­einer schärferen Kontrolle unterworfen werden. Im Gegenzug erhoffen
sich das federführende Finanzdepartement sowie die Branche den Zugang zum europäischen Markt. Denn
EU-Bürger dürfen von Schweizer
­Vermögensverwaltern in ihrer Heimat
nicht aktiv beraten werden. Ob die
Rechnung aufgeht, erscheint derzeit
zumindest fraglich.
Fidleg dient in erster Linie dem Ausbau des Anlegerschutzes. Sämtliche
Finanzdienstleister werden verpflichtet, den Anlageprozess schriftlich zu
dokumentieren. Das Gesetz regelt die
Informationspflichten beim Verkauf
von Finanzprodukten. Dies soll es den
Kunden im Streitfall erleichtern, ihre
Rechte durchzusetzen.
Finig regelt die Minimalanforderungen an die Ausbildung von Vermögensverwaltern und Anlageberatern.
Sie bleibt aber Sache der Branchen­
organisationen. Hingegen sollen sie
künftig einer unabhängigen Aufsichtsbehörde unterstellt werden. Bislang
mussten sich die Finanzdienstleister
lediglich einer Selbstregulierungs­
organisation (SRO) anschliessen, die
namentlich darüber wachte, dass das
Geldwäschereigesetz eingehalten
wird.
sprechend günstig sind. Dazu gehören
UBS Advice, CS Invest oder die regel­
basierte Vermögensverwaltung des VZ
Vermögenszentrums. Noch weiter gehen
True Wealth, der «Investomat» der Glar­
ner Kantonalbank, Moneypark mit seinem
ETF-Sparplan Advisor und Swissquote mit
ePrivate Banking. Sie bieten den Voll­
service inklusive Transaktionsgebühren
bereits für 1 bis 1,5 Prozent pro Jahr – so
viel, wie Vermögensverwalter traditionel­
lerweise alleine schon für ihre Dienst­
leistung verlangen. True Wealth und Mo­
neypark liegen mit 0,5 respektive 0,8 Pro­
zent ­sogar noch deutlich darunter.
Dennoch: Allzu düster sind die Aus­
sichten für die Branche nicht. Zumindest
die mittelgrossen Unternehmen mit ver­
walteten Vermögen ab 100 Millionen
Franken dürfen durchaus mit einer er­
folgreichen Zukunft rechnen – sofern sie
sich den veränderten Gegebenheiten an­
passen. Und dies heisst zunächst einmal,
sich auf das eigentliche Beratungs- und
Verwaltungsgeschäft zu konzentrieren
und die immer anforderungsreichere
­Administration und IT den Spezialisten
zu überlassen. Von denen gibt es mittler­
weile eine ganze Reihe – namentlich
alle grösseren Vermögensverwaltungs­
banken, die ihre Dienste auch unab­
hängigen Vermögensverwaltern anbie­
ten. Dazu gehören auch IT-Lösungen für
die Compliance- und Dokumentations­
prozesse ebenso wie ein automatisiertes
Performance-Reporting online, offline
oder ­mobile.
Anschluss an die digitale Welt
Bei Toolbox-Anbietern wie beispiels­
weise Aquila, FinOps oder Confortis fin­
den auch all jene Anschluss an die digitale
Welt, die ihre Unabhängigkeit unter allen
Umständen wahren möchten. So steht
den UVV-Kunden nicht mehr bloss der
persönliche Berater zur Verfügung, son­
dern auch der jederzeitige und ortsunab­
hängige Zugriff auf alle Informationen
und Daten zum eigenen Konto. Ein Ser­
vice, den viele Vermögensverwaltungs­
kunden heutzutage erwarten und als
Selbstverständlichkeit betrachten.

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