Medieninfo 4 popfest Programmpräsentation

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Medieninfo 4 popfest Programmpräsentation
MEDIEN–INFORMATION
Mediengespräch
am 26. Juni um 11h, Wien Museum
mit Mag. Christoph Möderndorfer, Patrick Pulsinger, Robert Rotifer und Gabriela Hegedüs
(Popfest Wien)
Das 4. Popfest Wien präsentiert sein Programm
"Wien gilt als Stadt der Musik. Am Popfest kann man das eindrucksvoll hören, nunmehr bereits
zum vierten Mal. Damit ist das Festival fester Bestandteil des Wiener Event-Kalenders - mit
rund 50.000 Gästen noch dazu ein überaus beliebter. Aber nicht nur das Publikum profitiert.
Auch für die KünstlerInnen bietet das Popfest eine aufmerksam beobachtete Bühne, die
weiteren Erfolgen durchaus Vorschub leistet - und damit wiederum dem Ruf der Musikstadt."
(Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny)
Popfest 2013: Gelungene Aufwertung der heimischen Musikszenen und frischer
Programm-Input von Kurator Patrick Pulsinger
Nach drei erfolgreichen Jahren freut sich Festivalleiter Christoph Möderndorfer insbesondere
über eine gelungene Aufwertung von qualtiätvoller, heimischer Popmusik durch das Popfest:
„Als wir 2010 das Popfest ins Leben riefen, wollten wir eine spannende Zusammenschau der
vielfältigen und innovativen Szenen in der heimischen Popmusik auf die Beine stellen. Vor
allem wollten wir dabei die großartigen heimischen KünstlerInnen über die Nischen hinaus
einem großen, neugierigen Publikum präsentieren. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen
lassen und hat bereits jetzt zu einer sichtbaren Aufwertung des österreichischen Qualitätspop
geführt. Heimische Artists sind gefragt wie nie zuvor, nicht nur hierzulande: das bedeutende
niederländische Eurosonic-Festival schickt heuer eine eigene Delegation zum Popfest, um
besonders vielversprechende Acts für ihr nächstes Schwerpunkt-Programm zu scouten. Da
wird es wohl einiges zu entdecken geben, unser neuer Kurator Patrick Pulsinger hat schließlich
ein besonders frisches Programm zusammengestellt.“
Dazu Popfest-Kurator Patrick Pulsinger, seines Zeichens international renommierter Produzent
und Soundpionier: „Mir ist es seit jeher ein Anliegen, dass in einer bedeutenden Kulturstadt wie
Wien speziell diese Facette heimischer Musik – Popmusik abseits des Mainstreams – breit
thematisiert und gefördert wird. Speziell für das Popfest-Programm war es mir besonders
wichtig, auch ganz junge, vielleicht noch unbekannte Bands ins Hauptprogramm zu holen. Mir
scheint, die Mischung ist wieder gut gelungen, wir bieten von Gitarrenromantik über
Beatmaker-Diskurs oder elektronische Folklore bis hin zu Shoegaze Grufti Rock’n’Roll eine
reichhaltige Palette des Musikschaffens.“
4. Popfest Wien mit 45 Live-Acts und Rahmenprogramm bei freiem Eintritt Eröffnung der „Seebühne“ mit Bauchklang, HVOB und Steaming Satellites
Die Seebühnen-Eröffnung am Donnerstag (25.7.) steht im Zeichen heimischer Pop-Qualität
aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen. Die Salzburger Outta-Space-Rockers Steaming
Sattelites spielen den Ball zum rundumerneuerten Electro-Acapella der unvergleichlichen LivePerformer von Bauchklang, bevor die geheimnisvollen HVOB („Her Voice Over Boys“) den
Karlsplatz in die erste Popfest-Nacht schicken werden.
Im Anschluss an die Seebühnen-Konzerte kann man dieses Jahr nämlich wieder unter drei
Popfest-Nachtprogrammen wählen: Das Wien Museum präsentiert zwei avancierte weibliche
Popformationen, Mimu Merz‘ & Meaghan Burkes In jedem Hafen ein Mädchen und Mira Lu
Kovacs Band Schmieds Puls, bevor Popstar Skero sein neues Wienerlied-Projekt, die
Müssig Gang vorstellen wird. Der Prechtlsaal der Technischen Universität mutiert hingegen
zum echten Soundlabor, in dem modernistische Soundbastler wie Chronic City, Fijuka und
Zanshin ihre Experimente dem Tanzboden zugänglich machen werden. Das brut im
Künstlerhaus schließlich setzt in der Eröffnungsnacht auf kunstvollen Gitarrenpop und die hohe
Schule des Songwritings (Francis International Airport, Bernhard Schnur & Band, Ernesty
International).
„Seebühne“ mit 11 Open-Air Konzerten und weitere Highlights
Das Popfest-Herzstück sind die mittlerweile schon traditionellen Open-Air Konzerte auf der
„Seebühne“ vor der barocken Karlskirche (25.7.: Steaming Satellites, Bauchklang, HVOB /
26.7.: Maja Osojnik Band, Giantree, Catastrophe&Cure, A.G. Trio / 27.7. Soia, Velojet, Gin
Ga, Atomique). Die drei elektronisch ausgerichteten Abschlussacts des jeweiligen Abends
werden dabei ihre speziellen Visuals auf der Karlskirche zum Einsatz bringen.
Ein besonderes Popfest-Highlight verspricht eine aufsehenerregende Party-Nacht samstags
im brut zu werden (27.7.), wo die britische „Bomb the Bass“-Legende Tim Simenon sein WienProjekt Ghost Capsules vorstellen wird, umrahmt vom kryptischen Punda Omar und den
gefährlichen Grooves von Koenigleopold und Gudrun von Laxenburg. Schon am Freitag,
die Nacht davor (26.7.), gastieren dort mit T-Shit, Wild Evel & the Trashbones, The
Scarabeus Dream und Sex Jams ausgeprochene Noise-Akrobaten ganz unterschiedlicher
Spielart.
Brandneues HipHop-Talent trifft internationales Format – MTS, Monobrother, Gerard und
Brenk Sinatra checken die Freitag-Nacht im TU-Prechtlsaal (26.7.). Der Samstag ebendort
gerät dann zur Rocknacht zwischen Zorn und Melancholie: die Postrocker Lehnen, die Grazer
Melancholiker Spring and the Land, der energetische Sado Maso Guitar Club sowie die
Progrocker Milk+ stellen das Line-Up (27.7.).
Der Sonntag im Wien Museum (28.7.) bietet mit Dawa und Ash my Love spannende,
neuartige Ideen im Bereich des analogen Sounds. Anschließend öffnen sich zum PopfestFinale erstmals die Türen der Karlskirche, wo Ritornell feat. Mimu und O ihre feinnervigen
Klanggebilde zelebrieren werden.
Diskurs-Schiene in der Kunsthalle Karlsplatz, DJn-Lounge im Resselpark
Mit speziellen Talk- und Diskurs-Veranstaltungen zu Themen wie der eben erschienenen
heimischen Popmusikgeschichte in Buchform „WienPop“, „Ö-Pop in Film & Fernsehen“,
„Crowdfunding“ oder Wien als Ausgangspunkt oder Zielort künstlerischer Karrieren („In&Out of
Vienna“) bieten die nachmittäglichen „Popfest-Sessions“ in der Kunsthalle Karlsplatz
(Samstag & Sonntag ab 12h) ein umfangreiches und prominent besetztes Rahmenprogramm.
Diese von Robert Rotifer und dem mica zusammengestellten, ironisch „Wortschwall“
genannten Talk-Veranstaltungen finden alternierend mit kleinen Live-Showcases statt, echten
musikalischen „Geheimtipps“.
Neu: Im Resselpark präsentieren die Wiener Linien erstmals eine tägliche DJ-Lounge, welche
vom Kunstmobil und dem DJn-Kollektiv Brunnhilde strictly female bespielt wird (17-23h).
Wieder dabei: Popfest-Sponsor Wiener Städtische Versicherung
Das Popfest dankt seinem Sponsor, der Wiener Städtischen Versicherung. Wiener StädtischeVorstandsdirektorin Dr. Judit Havasi: „Wir freuen uns, dass diese beliebte Veranstaltung nun
bereits zum vierten Mal stattfindet. Kunst und Kultur tragen wesentlich zur Lebensqualität und
auch zur Identität der Menschen bei. Daher ist es uns ein Anliegen, Initiativen zu fördern, um
so verstärkt Interesse bei der Bevölkerung zu wecken und dazu beizutragen, die Tür zu Kunst
und Kultur zu öffnen. Auch dieses Jahr wird der Karlsplatz zum Sommer-Highlight der aktuellen
und innovativen heimischen Pop-Szene, bei dem Musikbegeisterte kostenlos die einmalige
Atmosphäre genießen können“.
Anerkennung durch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst & Kultur
Große Anerkennung für das Popfest kommt auch von Bundesministerin Dr. Claudia Schmied:
„Die Vielfalt der verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen ist mir ein wichtiges Anliegen.
Es freut mich deshalb sehr, dass mit dem Popfest eine Bühne für künstlerisch anspruchsvolle
Popmusik aus Österreich existiert. Besonders jungen MusikerInnen und Bands bietet das
Popfest eine ideale Gelegenheit, sich interessierten Musikfreunden zu präsentieren, ihre
Bekanntheit zu steigern und damit ihre Karriere voranzutreiben.“
Radio FM4 unterstützt das Popfest Wien erneut als Leading Presenter. Erstmals findet neben
der Festivalberichterstattung bereits morgen, am 27. Juni ab 19h im ORF-Funkhaus eine dem
Popfest gewidmete und von Patrick Pulsinger zusammengestellte Studio 2 Soundpark-Session
mit Live-Acts Fijuka, Gerard und Steaming Satellites statt. MedienvertreterInnen sind dazu
herzlich eingeladen.
Weiters bedankt sich das Popfest für neue und bewährte Parnterschaften und Synergien bei
*der Kulturabteilung der Stadt Wien und der Vernetzungsinitiative „karlsplatz.org“
*den Kunst- & Kulturhäusern des Karslplatz, insbesondere Wien Museum, brut im
Künstlerhaus, Kunsthalle und der Technischen Universität
*der MA 42, der MA48, den Wiener Linien und der Bezirksvertretung Wieden
*departure–der Kreativagentur der Stadt Wien und mica-music austria für die Popfest-Sessions
*They Shoot Music – Don’t They für Videos & Web
*allen Labels, Medienpartnern, Supportern und besonders allen wunderbaren Artists!
Kontakt
Isi Schrammel, Popfest Wien
Tel.: +43 660 650 2691
E-Mail: [email protected]
www.popfest.at
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POPFEST 2013 – ANMERKUNGEN ZUM PROGRAMM
Patrick Pulsinger, Wien im Juni 2013
Nach drei erfolgreichen Jahren liegt die Qualitätslatte beim Popfest sehr hoch. Es macht
wirklich Spaß auf diesem Niveau ein Festival zu programmieren. So habe ich mich sehr
gefreut als mir der Kuratorenjob für 2013 angeboten wurde. Außerdem ist es mir seit jeher
ein Anliegen, dass in einer Kulturstadt wie Wien diese Facette von Musik - also "Popmusik
abseits des Mainstreams" - breit thematisiert und gefördert wird.
Auch wenn das hierzulande nicht allen bewusst ist, österreichische Popmusik feiert im
Ausland viele Erfolge. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass das renommierte Eurosonic
Festival heuer eine Delegation zum Popfest schickt, um gute Bühnenacts zu scouten.
Österreich wurde für das nächste Jahr als Schwerpunktland bei diesem wichtigsten ShowCase Festival Europas ausgewählt.
Das Spannende an der kuratorischen Arbeit ist für mich auch, die aktuelle Vielseitigkeit der
Popmusik in Österreich in Beziehung zu den Spielstätten am Karlsplatz und dem Popfest
Publikum zu setzen um sowohl das Entdecken von Neuem, als auch die gute Party möglich
zu machen.
2013 setzt sich das Programm größtenteils aus Bands zusammen, die vorher noch nie beim
Popfest aufgetreten sind. Mir ist es besonders wichtig, auch ganz junge, vielleicht noch
unbekannte Bands ins Hauptprogramm zu holen. Mir scheint, die Mischung ist wieder gut
gelungen, wir bieten von Gitarrenromantik über Beatmaker-Diskurs oder elektronische
Folklore bis hin zu Shoegaze Grufti Rock'n Roll eine reichhaltige Palette des Musikschaffens.
Wir spannen auch Bögen, die vielleicht etwas ungewohnt anmuten, aber es wird sich für das
Publikum lohnen die 4 Tage voll auszukosten.
Das Popfest bespielt neben der main attraction der Open Air-„Seebühne“ wieder zahlreiche
Indoor-Locations rund um den Kunstplatz Karlsplatz wie das Wien Museum, das brut im
Künstlerhaus, die Kunsthalle Karlsplatz und die Technische Universität. Als neue Location
öffnen wir am Sonntag die Karlskirche für zwei Konzerte. Wir freuen uns außerdem
besonders über unsere diversen Kooperation, etwa mit dem MICA, das auch heuer wieder
gemeinsam mit Robert Rotifer die begleitende Gesprächsreihe „Popfest Sessions“ gestaltet.
Oder mit dem Kunstmobil und dem DJn Kollektiv Brunnhilde, die unsere Resselpark-Lounge
bespielen werden. Der Radiosender FM4 wird heuer neben der bewährten
Festivalberichterstattung bereits im Vorfeld eine Studio 2 „Popfest Spezial“ Session mit
einigen Festivalbands ausrichten, und und und. Wird sicher ursuper!
Ich bedanke mich zuallererst bei allen Künstlerinnen und Künstlern, Labels und Agenturen
für ihren Einsatz und vor allem für ihre Begeisterung, die sie mit dem so wunderbar
neugierigen Popfest-Publikum teilen. Dank gebührt natürlich den Popfest-Initiatoren und
Veranstaltern Gabriela Hegedüs und Christoph Möderndorfer, die das Popfest groß gemacht
haben und meinem Vorgänger Robert Rotifer, der die Latte verdammt hoch gelegt hat.
Weiters danke ich allen Kooperations- und Medienpartnern und den Sponsoren des
Popfests, welche ihr Engagement gezeigt haben. Hans Holler und sein Technik-Team leisten
auch heuer wieder großartige Arbeit. Last but not least: Danke an David Krispel für sein
super-professionelles Booking und unerschöpfliches Wissen um die österreichische
Musikszene.
ACTS 2013 // 1
POPFEST-ACTS 2013
Texte: Robert Rotifer
Sonntag 19.30 Uhr, Wien Museum
ASH MY LOVE
Wer beim gemeinsamen Projekt von Ursula Winterauer (Agent Cooper) und Andreas
Dauböck (Morbidelli Brothers) an die White Stripes denkt, hat Recht und auch wieder
nicht. Ja, Mann und Frau machen hier gemeinsam bluesige Roots-Musik, aber sie
spielt in diesem Fall den Bass und singt, und er bedient während des Gitarrespielens
und Singens ein rudimentäres Schlagzeug aus Bassdrum und Tamburin. Was dann –
abgesehen von der rezessionssicheren Minimalbesetzung – doch wieder mit dem Modell
Jack & Meg übereinstimmt, ist der reichhaltige Einsatz von authentischem Fifties SlapbackEcho, die Kenntnis der Kraft des Primitiven, die Scheiß-mir-nix-Attitüde der Live-im-StudioÄsthetik samt Mut zum Wackligen, solange die Emphase passt, sowie zu guter letzt die
Farbgebung des Covers der „Ash My Love“ Debüt-EP „Heart“ in Schwarz, Weiß und Rot.
Allerdings sieht man in diesem Fall nur eine Frau (Winterauer?) beim bildlich herzhaften
Kotzen, will sagen: Sie erbricht einen ganzen Strom roter Herzchen. Man sieht, es geht nicht
immer alles gut aus im Liebesleben dieser Menschen: „Home is where we hung ourselves...“,
singen die beiden in selbstmörderischer Einheit samt überraschendem Nachsatz „...again“.
Wir würden ja davon abraten, Michael Hutchence hat für diese Praktik bitter bezahlt. Der
Promo-Text des Duos spricht weiters von „Blaupausen aus dem musikalischen Fundus,
zerschnipselt und zu einem Statement der Morbidität zusammensetzt. Klagelieder über die
Vergänglichkeit des Lebens und der Liebe entstehen, unerhört tragisch und komisch
zugleich.“ So ist dann das Wort „Ash“ also nicht nur als raucherselige Lässigkeit, sondern
auch als makabre Sterblichkeitsmetapher zu verstehen. In Anbetracht ihrer überaus
lebhaften Live-Show machen wir uns um Ash My Love aber vorerst noch keine Sorgen.
Samstag 21.30 Uhr, Seebühne
ATOMIQUE feat. P.TAH & CON
Während rundum sämtliche unterbewerteten HeldInnen der Wiener Popgeschichte
wiederentdeckt werden (eh legitim, und dafür war beim Popfest auch immer schon
Platz), bleiben ihre zeitgenössischen Gegenstücke heute genauso medial verschmäht
wie damals. Dabei hat derzeit keine Form der Popkultur mehr über die Gegenwart
dieser Stadt zu sagen als progressive MCs vom Schlag eines P.Tah oder Con. „Dein
Geist ist so klein wie die Skyline von Wien“, ist so eine der vielsagenden Zeilen, die ihre
rasend schnellen Zungen uns um die Ohren hauen. Voriges Jahr rappten die beiden auf der
EP „Aspekte“ zu den Sounds des Produzenten-Teams Atomique, seinerseits verantwortlich
für das Label Dub-iouz Records und das äußerst lebhafte Forum dubstep.at, verstärkt durch
die Cuts der beiden DJs Chrisfader und Testa. Die Dubstep Szene, hervorgegangen aus der
in Wien immer schon beharrlichen D'n'B-Community, repräsentiert eine andere, nämlich
interkulturell urbane Anglophilie, im Fall dieser Kollaboration kombiniert mit hochdeutscher,
hoch artikulierter Textkultur, die zwischen ihren Weckrufen an das schläfrige Wien und
poetischen Wortbildern („als wär mein Herz ein großer Bahnhof“) auch schon mal den
Neoliberalismus bashen darf. Wie sagt es der (im Vergleich zu den überschäumenden Lyrics
demonstrativ magere) Info-Text: „Lyrische Versiertheit und noch nie dagewesene Flows
treffen auf rollende, hypersynthetische, 140bpm-Bassmusic-Produktionen.“ Jedes Wort ist
wahr, und im Wien-Pop-Buch des Jahres 2033 wird alles darüber zu lesen sein. Man kann's
aber auch in Echtzeit erleben. „Wir sind noch lang nicht fertig, allen Ernstes, wo ist Wien?
Feiert mit uns weiter oder geht nach Haus Sudoku spielen.“
ACTS 2013 // 2
Donnerstag 20 Uhr, Seebühne
BAUCHKLANG
Keine Frage, dass sie als internationale Live-Aushängeschilder eines ebenso denkwie tanzfreudigen Pop aus Österreich immer schon auf der Wunschliste des Popfest
standen. Wenn nun im vierten Jahr des Fests mit Patrick Pulsinger der Produzent
ihres letzten Albums „Akusmatik“ als Kurator fungiert, ist das ein unwiderstehlicher
Anlass, uns diesen Wunsch zu erfüllen. In ihrer Arbeit mit dem Wiener Elektronik-Pionier
hat das vormals in Dub, Hip Hop und Drum & Bass sozialisierte Vokal-Ensemble sich seinen
Weg in Richtung eines zunehmend technoiden Club-Sounds fern aller althergebrachten
Beat-Box-Klischees gebahnt. Die Ironie der Idee, mit dem humansten aller möglichen
Instrumente, den vereinten Stimmbändern, allem Anschein nach „elektronische“ Musik zu
machen, liegt natürlich auf der Hand. Aber Bauchklang sind kein Novelty Act. Was ihr
puristisch vokaler Zugang verkörpert, ist vielmehr die leidenschaftliche Bejahung des
Unauthentischen mit authentischen Mitteln. Und das ist im ständig neu zu führenden
Ideologiekampf des Pop gegen den lähmenden Purismus auf der einen und den puren
Zynismus auf der anderen Seite eine essentielle Leistung. Apropos Idologiekampf: Dass sie
in Richtung Club zielen, heißt nicht, dass Bauchklang ihre Neigung zur großen Botschaft bei
der Garderobe abgegeben hätten. Man höre nur einen Track wie „Warning Bells“, der den
Lebensentwurf der „corrupt leaders“ zu Ende gehen sieht, und zwar zugunsten einer neuen
„kind of humanity“, die ihre Strahlen ausschickt. Ein wenig optimistisch vielleicht, aber aus
der Perspektive von fünf Menschen, die mit ihren bloßen Stimmen jedes Festival-Publikum
zum Tanzen bringen, muss wohl einiges möglich erscheinen.
Sonntag 17.30 Uhr, Kunsthalle
BEACH GIRLS AND THE MONSTER
Schwer zu sagen, ob Beach Girls And The Monster ein pures Nebenprojekt oder eine
Art Supergroup der Wiener DIY-Pop-Szene sind, aber ihre Liebe zur Surf Music ist
garantiert ironiefrei, selbst wenn sie bei wellenfreiem Wetter auch in Zuneigung für
C86-Indie-Ästhetik umschlagen kann. Im Februar, als es noch so aussah, als ob es heuer
einen Sommer geben könnte (Programmtext im Pullover geschrieben, vielleicht inzwischen
alles anders gelaufen), veröffentlichten sie ihre Seven Inch-EP „I Go Surfing“ beim KIM-Label
des Forum Stadtpark. In ihren Reihen vereinen Magdalena "Mad" Adamski, Theresa "The D"
Adamski, Johannes "Joe" Asen und Philipp "Phil" Forthuber Mitglieder der Bands DustCovered Carpet, Crystal Soda Cream, Upperclass Shoplifters und Eisgang. Aus dieser
Aufzählung allein könnte man schon ein ganzes Exposee über die wuchernde Vielfalt rund
um Labels wie Totally Wired Records oder Wilhelm Show Me The Major Label spinnen, die
von der Audio-Kassette bis zum Gratis-Download genau jene kompromisslose
Selbstermächtigung praktizieren, von der die meisten anderen Indie-Fritzen bloß theoretisch
schwafeln. Stattdessen lässt sich aber auch einfach das Bein schwingen zu Songs wie
„Donau Kanal Surf Gang“. Eine Warnung an alle, die sich davon inspirieren lassen: Auf gar
keinen Fall schlucken!
Samstag 15 Uhr, Kunsthalle
BIS EINE HEULT
Der Programmschreiber muss sich entschuldigen, er hat aufgehört, Programm zu
schreiben und stattdessen wieder und wieder diesen Song namens „Abwesen“
gehört. Ein mit knappen Klavierfiguren und einem gelassenen Rhythmus-Track
unterlegtes, mit überzeugender Abwesenheit gesungenes Lied von Verena Dürr und
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Ulla Rauter alias Bis eine heult. „Ein Sommer ohne mich, ich bin nicht da. Ich bin nicht ich“
ist vielleicht eine Geschichte aus der Perspektive einer Toten, vielleicht nur der Versuch, sich
selbst wegzudenken, um die Bedeutung der Welt neu abzuwägen, aber jedenfalls ein
fesselnd hypnotisches Beispiel dessen, was Bis eine heult auf ihrer Website als „irisierenden
Pop“ (also wie eine Seifenblase schillernden) bzw. „eine musikalische Liaison zwischen
Elektrochanson und Spoken Word“ bezeichnen. So ist es. Wer braucht da noch einen
Programmschreiber, noch dazu, wo der stattdessen sowieso lieber noch einmal „Abwesen“
hören will. Entgegen einem weit verbreiteten Mythos kann der beste Pop ja mindestens so
gut mit dem Kopf wie mit dem Bauch gemacht werden, und Bis eine heult genieren sich
zurecht nicht für diese Erkenntnis bzw. dafür, dass man Songs wie „Räubertochter“ oder
„Wolfsmutter“ in jedem anderen Kontext als diesem wohl Literatur nennen würde. Dabei wär
eigentlich schon ihr Bandname, jene eifersüchtige Killerphrase, hämisch ausgestoßen, wann
immer Kinder von Wiener Eltern und Großeltern sichtbar Spaß haben, für sich allein genug,
um Bis eine heult zu verehren.
Freitag 2 Uhr, TU Prechtlsaal
BRENK SINATRA
„Wir Beat-Menschen sind nicht umsonst Beat-Menschen. Weil ich bin gern im
Hintergrund. Ich hasse das Rampenlicht, das brauch ich überhaupt nicht, und Rapper
sind genau das Gegenteil“, sagte Brenk 2012 im Interview mit dem Hip Hop-Zine The
Message. Bloß geht das mit dem Verstecken im Hintergrund so schon lange nicht mehr,
schließlich verlassen auch Beat-Menschen endgültig die Anonymität, wenn sie etwa einmal
für DJ Premiers Label einen McEiht produzieren. Brenk hat im letzten Jahrdutzend durch
seine beharrliche Arbeit, von der Stiege 44-Posse bis zum endgültigen Durchbruch mit
seiner Instrumental-Scheibe „Gumbo“ (gefolgt von „Chop Shop“ mit Fid Mella und „Gumbo
2“) seiner Heimat Kaisermühlen auf die Weltkarte des Hip Hop verholfen. Auch wenn er
immer schon wusste, dass man über den Atlantik schauen muss, um in dieser Branche
wirklich was – wie zum Beispiel einen Lebensunterhalt – zu erreichen. „Ich hasse ja nicht
Wien an sich, ich liebe ja Wien. Ich bin ja Wiener durch und durch“, erklärte Brenk im selben,
oben zitierten Interview, „Nur hasse ich die Mentalität der Österreicher, der breiten Masse,
was Musik angeht.“ Was er meint, ist die geringe Wertschätzung für KünstlerInnen, die auf
Youtube hunderttausende Clicks sammeln, aber nichts von ihrer Musik verkaufen können,
potenzielle Genre-Klassiker, die verloren gehen, weil es keine geeigneten Vertriebswege
dafür gibt. Alles altbekannte Beschwerden, die mit Sicherheit ganz genauso bei unserem
Diskussions-Panel über das Wien.Pop-Buch zur Sprache kommen werden – wenngleich
rückblickend auf die Situation vor 50 bis 10 Jahren, jener ungefähren Zeitspanne
österreichischer Musik, aus der Brenk übrigens auch die Samples für sein kommendes
Album „Chop Shop 2“ beziehen will. Nicht aus Sentimentalität, sondern aus Liebe zu den
Mengen an verschütteter Qualität. Brenk samplet nicht bloß drauflos, er hat eine enge
Beziehung zu den alten Platten, aus denen er seine Beats bezieht – daher auch „Supa Soul
Sh*t“, das letztes Jahr erschienene Album von S3 (Brenk und der Soul-Veteran Miles Bonny
aus Kansas City). Den Schritt vom Liebhaber und Fan zu dem, der die Geschichte der
African American Music und auch der Austrian Music selbst mitschreibt, hat Brenk bereits
vollzogen. Und das alles, ohne aus Kaisermühlen wegzuziehen.
Donnerstag + Freitag 17-23 Uhr, Resselpark Lounge
BRUNNHILDE DJn KOLLEKTIV
Beats vom Brunnenmarkt am Karlsplatz: Die Brunnenpassage ist mit dem DJn Kollektiv
Brunnhilde, bestehend aus 12 jungen DJns unterschiedlicher Herkunft, auf einer mobilen
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Bühne („KunstMobil“) im öffentlichen Raum in ganz Wien unterwegs. Beim Popfest 2013
bespielt das DJn Kollektiv Brunnhilde die Resselpark Lounge mit einer stilistischen
Bandbreite von Electro-Pop/Jazz, Indie Dance über World Music, Oriental, Balkan bis zu Nu
Disco, Chillhouse, Minimal, Techno und House und bietet zusätzlich einen Einblick in die
Basistechniken des DJings mit Workshops für scratchen, beat-mixen, auflegen. (Promo-Text)
Freitag 20 Uhr, Seebühne
CATASTROPHE & CURE
Der FM4-Award beim Amadeus, forderte Susi Ondrusova im März in ihrem Plädoyer
für Catastrophe & Cure, solle heuer „den Hungrigen“ gehören, die „danach gieren und
greifen“. Und tatsächlich, so sollte es auch kommen mit dem per Voting errungenen
Sieg der Band aus Steyr. Der Schaffenshunger dieser hypertalentierten jungen Männer
wird sich mit einem schönen Staubfänger für den Kaminsims allerdings noch lange
nicht stillen lassen. Sie mögen zwar Publikumslieblinge sein, die ihre Fangemeinde auf
sozialen Netzwerken zu mobilisieren verstehen, aber der musikalische Ansatz von
Catastrophe & Cure ist alles andere als populistisch. Selbst ihr Hit „Shipwreck“ bezog seinen
Charme daraus, dass hier ganz geduldig Restriktion geübt und Spannung bewahrt wurde,
statt bedenkenlos auf die Tube zu drücken. Wo andere klotzen würden, ließen Catastrophe
& Cure schon 2010 auf ihrer Debüt EP „Somewhere In Between“ in Songs wie „It Isn't That
Easy“ zwischendurch genug Raum, um ein gezupftes Cello hören zu lassen. Und wo
plumpere Sänger sich längst in melodramatisches Vibrato stürzen würden, erreicht Johannes
Eder in einem Song wie „Quite Alright“ gerade in seiner hauchenden Zurückhaltung einen
weit überzeugenderen emotionalen Effekt. Sicher, der Hang zu in Hall und Echo getränkten
Telecaster-Achteln auf den oberen drei Saiten verrät die tief sitzende Sozialisation in der
Radiohead-Schule, aber diese Band ist hörbar bereit, den Hang des Genres zum
Generischen zu überwinden und den entscheidenden Dreh weiterzudenken. Hungrig eben,
da hat Ondrusova schon recht.
Donnerstag 23.30 Uhr, TU Prechtlsaal
CHRONIC CITY
Allzuviel geben die Herren Emanuel und Flo von Chronic City in ihrem Pressetext über
sich selbst nicht preis, und dieses Konzept soll hier auch nicht zerstört werden,
verstecken sich die beiden Wiener Songwriter doch lieber hinter den Stimmen und
Gesichtern ihrer wechselnden Mundstücke; sei dies nun der Franzose Henri Joel auf
ihrem sonnigen ersten Hit „Key Biscane“ oder ein alter Bekannter wie Florian
Horwath. Abseits vom Strand vor Miami ergibt eine kleine Surf-Tour durchs Internet über die
verwischten Promo-Fotos hinaus immerhin die Erkenntnis, dass einer der beiden in einem
anderen Leben ein Buch über die manipulative Vermarktung einer Teenie-Band als PopProdukt geschrieben hat. Chronic City (ihr Name ist eine Referenz an einen 2009
erschienenen New York-Roman von Jonathan Lethem) wissen also genau, wie es in diesem
Geschäft zugeht. Im Gegensatz zu Ex-Industrie-Insidern wie KLF, die unter Verwendung
dieses Wissens zur Pop-Guerilla mutierten, haben sie sich aber einer gänzlich unzynischen
Mission verschrieben, nämlich der aus der Mode gekommenen alten Brill Building-Schule
des Pop-Songwriting als Projektionsfläche für Performer von außen. Musikalisch manifestiert
sich diese Ambition in einem zu gleichen Teilen tanzbaren wie melodiösen, überaus
radiofreundlichen Sound. Den Terminus „dream pop“ fänden sie als generelle Beschreibung
„okay“, haben Chronic City neulich in einem Interview mit einem kanadischen Musikblog
erklärt. Wie überhaupt auffällt, dass dieses Duo für ein Wiener Heimstudio-Projekt, das zum
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Zeitpunkt des Verfassens dieses Texts gerade erst einen Gratis-Download-Track
veröffentlicht hat, schon ziemlich viel internationales Interesse zu erregen scheint. Könnte ja
auch daran liegen, dass „Key Biscane“ so ein absolut fantastischer, wolkenleicht produzierter
Ohrwurm ist (der noch einiges mehr erwarten lässt).
Sonntag 18.30 Uhr, Wien Museum
DAWA
„Was braucht man mehr als zwei großartige Stimmen, eine akustische Gitarre, ein
experimentelles Cello und verschiedene Arten von Percussion?“ fragt die
Bandbeschreibung auf Dawas Website. Geschätzten sieben Achteln der in diesem
Programmtext beschriebenen Bands würde dazu ja so einiges einfallen, aber das
Reduzieren von Optionen ist durchaus eine relevante Methode im Zeitalter der
unendlichen Multitrack-Möglichkeiten. Andersherum gesagt: Wenn Laura Pudelek,
Barbara Wiesinger, Norbert Kröll und John Michael Dawa ihr Album „This Should Work“
genannt haben, dann ist das eine wissende Form von Understatement. Schließlich fühlt sich
die Musik, die sie produzieren, nach soviel mehr an als ihre von Heerscharen an SingerSongwriterInnen gnadenlos ausgequetschte Straßenmusikbesetzung vermuten ließe. Was
Dawa tun, wirkt gerade deshalb so magisch, weil ihre nüchtern akustische Formel auf Dauer
der Theorie nach eben nicht reichen sollte. Tatsächlich entwickelt ihr Album, so wie ihre LiveShows, aber einen unwiderstehlich mesmerischen Sog. Der Grund dafür liegt nicht nur in
ihrem durch seine zielsicher ungekünstelte Selbstverständlichkeit bestechenden Songwriting,
sondern auch in dem großen Raum, der dem wunderbaren Zusammenklang der Stimmen
Dawas und Wiesingers dank der minimalen Instrumentierung zukommt. Was wiederum die
rhetorische Frage Dawas am Anfang dieses Absatzes beantwortet: In ihrem Fall braucht es
da gar nichts, allerdings nicht aus puristischen Gründen, sondern weil sie bereits haben, was
die meisten Bands vergeblich suchen: einen Sound.
Donnerstag 2 Uhr, brut
ERNESTY INTERNATIONAL
Soviel ist belegt: In genau dem Moment, wo man sagt, jemand sei ein exzellenter
Singer-Songwriter, denken zwei Drittel der zuhörenden Menschheit bereits an ihren
nächsten Zahnarzttermin. Das ist im Falle des Ernst Tiefenthaler alias Ernesty
International allerdings ihr großer Schaden. Denn der in methodischer Stimmigkeit via
Mehrspurtechnik meist mit sich selbst singende Ernst Tiefenthaler ist im Grunde kein
Narziss, sondern ein notorischer Untertreiber - möglicherweise eine Überlebensstrategie
seiner anonymen radfahrenden Favoritner Heimstudioexistenz, die sich der Begrenztheit
jenes jenseits des Wiedner Gürtel existierenden Bobo-Wien bewusst bleibt, wo bald einer
König sein kann. Darauf zumindest scheint Tiefenthaler auf selbstironische Weise
anzuspielen, wenn er auf dem Cover seines jüngsten Albums „Ernesty IV“ eine glitzernde
Krone trägt oder sich selbst den „Chairman“ und sein Label EMG (Ernesty Music Group)
nennt. Ernesty ist international, weil er auf englisch singt. Die als Auslöser kollektiver
Identifikationsgefühle in seine mehr oder weniger getarnten Liebeslieder eingestreuten
Sinnbilder haben aber durchaus lokalen Bezug: Seine für die menschenleeren Gehsteige der
Drinnenhockerstadt Wien geschaffene Anti-Atomisierungs-Hymne „The Decline of
Television“ zum Beispiel, die aus der Beschwerde übers Fernsehprogramm einen Aufruf zum
Abdrehen und Zusammenkommen macht, oder der allen WienerInnen wohl bekannte „Smell
of Dogshit in Early December“. Dass Tiefenthaler sich im gleichnamigen Song ganz
nebenher an der Programmierung von Drum- and Bass-Patterns probiert, ohne deshalb wie
so viele andere großspurig eine elektronische Neugeburt für sich zu reklamieren, darf
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genauso mit zum erwähnten Understatement gerechnet werden wie etwa das von seiner
Partnerin Eloui auf der Hauptallee gedrehte One-Shot-Video zum unterverkauften Nicht-Hit
„Not Alaska“ (bei Verfassen dieses Textes skandalöse 819 Views auf Youtube). Die Frage
bleibt, wie Ernesty International auf die Dauer damit umgehen wird, dass der Rest der Welt
ihn zunehmend wichtiger nimmt als er sich selbst.
Donnerstag 1 Uhr, TU Prechtlsaal
FIJUKA
Üblicherweise lässt man sich von einer Pop-Platte ja nicht gern sagen, wie man sich
zu benehmen hat. Aber Fijukas „Behave (From Now On)“ lässt selbst die Warnung,
von jetzt ab besser „always on time“ zu sein, wie eine unausschlagbare Einladung
klingen. Schließlich, so singt ankathie, unterstützt von Judith Filimonova (PopfestBesucherInnen unter anderem als Bassistin von Bo Candy And His Broken Hearts bekannt),
sollen wir dieses Leben nicht mehr hassen, sondern daran glauben. Fijuka bieten sich als
Erretterinnen an („I'll be your saviour, honey“), schließlich sei es keine Schande, weil nicht
unsere Schuld, dass wir „so boring“ seien. Recht so. Großer Pop ist immer auch große
Anmaßung, und Fijukas im April erschienene Debüt-Single ließ keinen Zweifel an der Größe
ihrer Ambitonen aufkommen. Und diese gehen künstlerisch gesehen noch weit über den von
„Behave“ eingefahrenen Airplay-Erfolg hinaus, wie die B-Seite „Meredith“ mit ihrem dicht
konstruierten Arrangement federleichter Stimmen-Loops klar unter Beweis stellte. Was da
oberflächlich immer noch wie ein graziler Popsong klingt, verrät eine sichere Hand für ganz
schön komplexe Harmonien und Strukturen. Auf der Kaffeetasse, die Meredith im Text des
ihr gewidmeten Songs gerade in der Hand hält (in der anderen hält sie ihren schwarzen
Regenmantel), als in einem filmartig inszenierten Spannungsmoment der Beat aussetzt,
steht: „'I'm up for it!', with a big exclamation mark“. Trifft sich gut. We're up for Fijuka.
Donnerstag 23.30 Uhr, brut
FRANCIS INTERNATIONAL AIRPORT
Es gibt Bands, die funktionieren wie verschworene Bollwerke gegen die musikalische
Außenwelt. Andere wie Francis International Airport verstehen sich ganz im Gegenteil
als gemeinsamer Kanal für all das, was man an Einflüssen in sich aufsaugt: seien es
die Synth-Sounds des Achtziger-Revivals, der insistierende Puls des alten Krautrock
oder die fortschreitende Auflösung des scheinbaren Widerspruchs zwischen
Songformat und elektronischem Track. Der erste Weg dorthin führt oft über die
Infragestellung althergebrachter Arbeitsweisen, und hier dürfen wir auf das Band-Info
verweisen bzw. die darin erwähnte „Computerisierung, die bei der Band bereits beim
Songwriting eine zentrale Rolle spielt. FIA ist keine Proberaumband. Über die heimischen
Rechner tauschen die Musiker Skizzen, Soundschnipsel und ganze Spuren aus - dabei kann
die klassische Instrumentenzuordnung schnell durcheinander geraten.“ All das ist aus dem
heurigen FIA-Album „Cache“ positiv herauszuhören, und doch haben FIA unter der
geschliffenen, mit dem Flair des Synthetischen spielenden Oberfläche ihres neuen Materials
nicht ihren instinktiven Hang zum epischen Indie-Rock versteckt. „Never look back“, singt
Markus Zahradnicek, dessen zusehends vom Rock-Vibrato befreite Stimme sich
chamäleonhaft an den kühlen, cleanen Klang der Keyboard-Sounds anzunähern scheint,
sehr programmatisch im Song „Diorama“. Nie zurückschauen, so wie der Cache-Folder einer
Festplatte, der Inhalte aufnimmt und wieder löscht, sobald Neues dazukommt, ohne um
Erlaubnis zu fragen. Wozu auch? FIA hätten ohnehin bedenkenlos auf „Yes“ geklickt.
ACTS 2013 // 7
Freitag 1 Uhr, TU Prechtlsaal
GERARD
„Nie wieder Karlsplatz“ rappt Gerard in seinem Hit „Lissabon“, lieber „schnell wieder
weg von Wien.“ So wie geplant wird sich das für diesen MC mit dem Hang zur
nachfühlbar geschilderten Beziehungskiste dann also leider nicht ausgehen. Aber wer,
so wie ein paar zig- bis hunderttausend andere das Video zu seinem Statement gesehen
hat, weiß, dass es auch in Lissabon dann ja erst recht nur Streit gab. In der TU dagegen ist
mit einer sehr gut besuchten Party zu rechnen. MC Gerard genießt spätestens seit seinem
zweiten Album „Blur“ (2009, das erste, „Rising Sun“ erschien 2007) nämlich enorm hohes
Ansehen in der Deutschrap-Szene diesseits und jenseits der Grenze, auch jener ganz im
Westen: Sein Kollabo-Album mit dem Schweizer MC Gimma verfehlte nur knapp die Top 30
der eidgenössischen Album-Charts. Letztes Jahr ließ Gerard den MC vor seinem
Künstlernamen wegfallen und veröffentlichte sein drittes Album „Blausicht“, das neben dem
erwähnten „Lissabon“ unter anderem auch die Liebesgeschichte „Manchmal“ enthält,
bemerkenswert nicht nur für die erste menschenbekannte Erwähnung der milchigen Optik,
die morgens entsteht, wenn man im Überschwang des Abends zuvor die Kontaktlinsen in
den Augen vergessen hat (Subtext: Es könnten auch andere Dummheiten passiert sein). Da
ist auch noch Platz für von allen handelsüblichen Posen befreite, fabelhaft poetische Pointen
wie „Seitdem bist du mein wunder... Punkt“. „Britische Breakbeats treffen auf urbane
Alltagsgeschichten, Generation Maybe trifft auf Neue Reimgeneration“, sagt der Pressetext.
Gerard ist eine sanfte Wortgewalt, sagen wir.
Freitag 18.30 Uhr, Seebühne
GIANTREE
Es war bei den Panel-Veranstaltungen des zweiten Popfests 2011, da tauchten
plötzlich diese kleinen Flugblättchen auf: „Giantree – Fixstarter beim Popfest 2012“
war darauf zu lesen. Wie sich herausstellte, steckte hinter dieser herrlich arroganten
Anmaßung der Ratschlag eines übermütig gewordenen, gewissen heimischen PopZampanos, der gerade seine uneingeschränkte Begeisterung für die elegischen
Reverb-Rock-Hymnen dieser Band rund um das Bruderpaar Roland und Hele Maurer
entdeckt hatte. Nun ist es zwar nicht 2012, sondern 2013 geworden, der Zampano hat aber
trotzdem recht behalten, wuchsen Giantree in der Zwischenzeit doch zu einer bei Festivals in
diesem und angrenzenden Ländern, sowie auf den Playlists von FM4 ständig präsenten
Größe heran, die spätestens heuer nach einem Popfest-Einstieg auf der Seebühne verlangt.
Wer nun damals der Zampano hinter der Flugblatt-Aktion war, können wir zwar nicht sagen,
aber Walter Gröbchen schrieb 2012 in seiner Info zum bei seinem Label Monkey
erschienenen Giantree-Album „We All Yell“ folgendes: „Wir scheuen nicht davor zurück, es
nochmals zu sagen. Außer, vielleicht: es wird die Welt niederreißen. Es wird groß werden.
Es wird der Anfang von allem gewesen sein. Das ist die Botschaft, die Dringlichkeit, die Kraft
von Pop. Das ist die Botschaft, die Dringlichkeit, die Mission von Giantree.“
Samstag 20 Uhr, Seebühne
GIN GA
Auch mit Patrick Pulsinger als Kurator sind Gin Ga (vormals Ginga) die Band, an der
das Popfest beharrlich nicht vorbeikommt. Das spricht eigentlich für sich. Seit der
Spaltung ihres Bandnamens haben Gin Ga eine Wandlung von der mit Pop-Schlüsselreizen
spielenden Gitarren- (und Geigen- und Keyboards-)Band zum ausgewachsenen PopMonster vollzogen, das jederzeit imstande ist, in die nächste Disco einzufallen, siehe ihren
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letzten Hit „Dancer“ mit seinem herrlich ungenierten One-Take-Video und seinem wissenden
Spiel mit der eigenen Offensichtlichkeit. Gleichzeitig – und das ist kein Widerspruch – zeigen
sich da aber auch Anzeichen von Reife: "I don't know how we got here, we got here so fast",
singen Gin Ga auf ihrer neuen Single "Golden Boy". Lange genug waren sie die Goldbuben,
jetzt stellen sie sich dieselben Fragen wie so viele in der zweiten Hälfte ihrer Zwanziger. Man
hat sich lange genug ausprobiert, Testballons gezündet, begonnene Baustellen halbfertig
liegen gelassen. Die Jahre sind verflogen. Der Umstand, dass Gin Ga nach zwei
verschiedenen Auflagen ihres Debüts „They Should Have Told Us“ (2008 und 2010) schon
so lange perfektionistisch am bevorstehenden Nachfolge-Album schnitzen, lässt neben dem
persönlichen Aspekt aber auch eine dringlichere Verbindung zwischen dem Song und der
Bandbiographie herstellen. Also, es wird Zeit, die Hoffnungen, die die anderen in einen bzw.
man selbst in sich gesetzt hat, endlich einzulösen: "I wanna be your golden boy this time!".
Samstag 1 Uhr, brut
GHOST CAPSULES
Man könnte nun coole Zurückhaltung üben und sie einfach als eine internationale
Electro-Formation aus Wien bezeichnen, die Hits wie „Inside“ oder „Game of Thrones“
hervorgebracht hat, aber was soll's: Hinter Ghost Capsules steckt der vor einiger Zeit
aus seinem ersten Exil Amsterdam in sein zweites nach Wien verzogene Brite Tim
Simenon, und ja, es ist was ziemlich besonderes, ihn im brut zu erleben. Zur
Erinnerung, das ist derjenige Mensch, der Ende der Achtziger unter dem Alter Ego Bomb
The Bass mit „Beat Dis“ im Zeichen des Smiley der Rave-Bewegung mit auf die Beine half,
bald darauf Neneh Cherrys „Manchild“ und „Buffalo Stance“ produzierte, in den Neunzigern
aus der Heroinkrise von Depeche Mode den Triumph ihres Albums „Ultra“ zauberte und
zwischendurch Leute wie David Bowie, Björk oder Massive Attack remixt hat. In Wien
hängengeblieben ist Simenon nicht etwa wegen der angeblich so ruhigen Kugel, die sich dort
schieben lässt, sondern weil er in Schlagzeuger Roman Lugmayr und dem Keyboarder
Georg Lichtenauer (von Valesta) den idealen Partnern für ein Projekt über den Weg lief, das
schließlich in der strahlend klaren Stimme von Laura Gomez seinen fesselnden Charakter
fand. In den Anfangstagen des Popfests hörte man oft den wohlmeinenden Vorschlag, das
Programm mit „internationalen Acts“ zu durchmischen. Das war freilich immer schon der Fall:
Ghost Capsules sind bloß ein leuchtendes von vielen Beispielen internationaler Popmusik,
die von Menschen welcher Nation auch immer zufälligerweise in Wien – und folglich auch
beim Wiener Popfest – gemacht wird. Wir haben Tim Simenon nicht gefragt, sind aber
überzeugt, dass er das ganz genauso sehen würde.
Samstag 2 Uhr, brut
GUDRUN VON LAXENBURG
Selbst FavoritnerInnen werden bestätigen, dass im Dreieck zwischen Gudrunstraße
und Laxenburgerstraße nicht gerade Wiens Hipstermeile liegt. Sehr wohl findet sich
dort aber das Ernst Kirchweger Haus, von anarchistischen HausbesetzerInnen einst
der KPÖ abgerungen, jetzt unter anderem Schauplatz der schweißtreibenden Proben
der führenden Elektro-Punk-Band der Stadt. Nun hat der Autor dieser Zeilen ja Christoph
Mateka, der bei Gudrun von Laxenburg beidarmig den Bass-Synth und den Lead-Synth
bedient, einmal als Sidekick von Eloui die schönste Violine spielen sehen. Wir wissen auch,
dass Daniel Helmer (hier an Synth, Vocoder und Sampler schraubend) sonst das
Filmemachen studiert. Im Verein mit Schlagzeuger July Skone, unter dem Schutz ihrer
Jalousienbrillen und LED-Outfits, verwandeln sich diese konstruktiven, begabten jungen
Leute dagegen in hemmungslose Party-Tiere. Nicht unironisch, dass sie in ihrem Info das
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konstante Erreichen des Tempos 170 bpm als eine ihrer wichtigsten Qualitäten nennen,
arbeiten Gudrun von Laxenburg in ihrer humanen Handarbeits-Variante des Elektro doch
aus Prinzip ohne Click Track oder Zuspielungen vom Laptop. Sie tun das, um – wie sie es im
Interview mit dem verblichenen Musikperiodikum TBA formulierten – besser „auf die Energie
des Publikums eingehen“ zu können. Klingt ja fast esoterisch, allerdings höchstens bis zum
Einsetzen des allerersten Beats.
Donnerstag 21.30 Uhr, Seebühne
HVOB
Es galt eine Zeitlang als schick zu behaupten, in der Wiener Elektronik-Szene sei nicht
mehr viel los. Das Gegenteil ist wahr: Elektronik ist bloß keine gesondert
wahrnehmbare Nische mehr, sondern omnipräsent als dominante Form des Pop.
HVOB (Her Voice Over Boys), deren vielgelobtes Debüt-Album im März in Deutschland
bei Oliver Koletzkis Elektronik-Label Stil vor Talent erschienen ist, sind ein
Paradebeispiel dafür. Man erkennt das paradoxerweise zum Beispiel daran, dass es
allgemein als eigenbrötlerische Sondereinlage angesehen wird, wenn das Duo sich auf der
Bühne einen „echten“ Schlagzeuger als Verstärkung leistet. Jener mimt nicht etwa bloß
geschäftig zu vorprogrammierten Beats, sondern reagiert spontan auf die von der LiveLaune des Moments abhängigen Handzeichen von Paul Wallner, der Knöpfchen-drehenden
Hälfte von HVOB. Anna Müller, die singt, Keyboards spielt und im Alleingang die Songideen
ausheckt, bekannte letztes Jahr in einem Interview mit The Gap, dass sie mit ihren Texten
nicht viel zu sagen hätte. Sie mag es nicht darauf angelegt haben, aber vor dem Hintergrund
der kristallin sauberen Oberfläche von HVOBs Deep House-Sounds, nehmen gerade die von
Müller mit phlegmatischem Tonfall vorgebrachten Allgemeinplätze einen eigenartig ominösen
Unterton an. „Let sleeping dogs lie“ klingt in diesem Kontext fast schon nach einer Drohung.
Und erst: „We're on the run“ - Himmel, auf der Flucht, vor wem denn? Partymusik für das
paranoide Zeitalter also, passend zum Ausklang der ersten Seebühnen-Nacht des Popfests
im ersten Jahr nach dem endgültigen Fall des digitalen Freiheitsmythos.
Donnerstag 22.30 Uhr, Wien Museum (Balkon)
IN JEDEM MÄDCHEN EIN HAFEN
Meaghan Burke und Mimu Merz sind Popfest-Veteraninnen in verschiedenen
Missionen. Letztes Jahr traten sie gemeinsam in Gesellschaft ihres SongwriterInnenKollektivs Loose Lips Sink Ships auf, diesmal haben sie zu zweit was ausgeheckt.
Jawohl, ein Konzept, endlich ein Popfest-spezifisches Konzept, das aus einem Austausch
von im Wochentakt eigens für dieses Popfest-Konzert geschriebener Songs zwischen der
beiden Nicht-Wiener Aufenthaltsorten New York (Meaghan) und Paris (Mimu) bestehen wird:
„Zwei Stimmen, das Cello und hie und da etwas Spielzeug - minimalistisch und darum noch
intensiver - so erkunden Mimu und Meaghan die Tiefen und Eigenheiten ihrer rauen
Mädchenstimmen. Durch Techniken der Alten Musik wie Kanon und Kontrapunkt
engelsgleich vorgetragenes, makabres, ja! fast perverses - Liedgut, kommt da in einer
fröhlichen Melange aus Deutsch, Englisch, hie und da vielleicht etwas Französisch daher.
Geschichten persönlicher aber auch historischer Natur, wie z.B. jene von der Heiligen
Starosta, einer Jungfrau aus der 14. Jahrhundert, die gekreuzigt wurde als ihr ein Bart wuchs
oder die von Sarah Palin, die immer noch von ihrem Haus aus Russland sehen kann“. Der
Balkon des Wien Museums wird in diesem Fall folglich Uraufführungsort. Was noch alles?
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Samstag 23 Uhr, brut
KÖNIG LEOPOLD
Das Lustigseinwollen ist traditionell ja eine allgegenwärtige Pest im österreichischen
Pop, genauso wie es – bis zu seiner Rehabilitierung, von Attwenger anwärts – lange
Zeit der Dialekt war. Umso erstaunlicher, wie locker Lukas König und Leo Riegler
diese beiden Falltüren in den Abgrund durch tatsächliches Lustigsein, noch dazu im
Dialekt (nicht zuletzt dank ihres - dem verbalen ebenbürtigen - musikalischen
Mutterwitzes) überspringen. Zum Beispiel wenn sie dem Fleischhauer Kohlhauser, der sie
bekanntlich auf weltfremde 10 Cent Rufschädigungsentgelt pro Click für den vermeintlich
nach ihm benannten Youtube-Click klagen wollte, beweisen, dass sie seine Wurst nicht zum
freien Assoziieren brauchen und beim Live-Vertrag des Songs stattdessen einfach über ein
alternatives Thema extemporieren (z.B. japanische Pornohefte). Genau genommen
brauchen sie dazu nicht einmal das Steirische, siehe „Heat The Water“ oder ihre sonstigen
charmant denglischen Wortströme bzw. die nicht minder fesselnden Instrumentalpassagen
mit König am Schlagzeug und Leo(pold), der am Synth oder am Laptop die Beats des
anderen manipulierent (soviel zur Erklärung ihres Namens, der mit dem belgischen
Völkermörder sicher nichts zu tun hat). So anarchisch das aussehen kann, steckt dahinter
doch ein in ihrer gemeinsamen, mit dem Jungwild-Preis gekrönten Theaterproduktion
„Prospekt“ (2006) geschliffener, dramaturgischer Blindverstand, sowie ein ungeheures
Improvisationsvermögen, erworben in der Jazzwerkstatt und auf sonstigen dem Jazz
gewidmeten Bühnen in unzähligen Sessions und Zusammenarbeiten mit Leuten wie Mathias
Koch, Herbert Pirker, Sixtus Preiss, Wolfgang Schiftner, Michel Doneda, Clemens Salesny,
Jure Pukl, Michael Tieke, Daniel Riegler, Mathias Muche, Phil Yaeger, Stefan Heckel,
Clemens Wenger, Matija Schellander, Christian Weber, Clayton Thomas, Bernd Satzinger,
Sven Hahne, Peter Rom, Martin Philadelphy, Clare Cooper, Maiken Beer, Gina Battistich,
Nika Zach, Angela Tröndle, Julia Purgina, Reggie Washington, Malcolm Braff, Jon Sass,
Paul Urbanek, Allegre Corea, Wolfgang Puschnig, Jamaaladeen Tacuma, Thomas Gansch,
Georg Breinschmied, Helge Hinteregger, Andy Manndorff, Die Strottern, Kadero, Lorenz
Raab, Otto Lechner, Patrice Heral, Guem, Uli Drechsler, Raphael Preuschl, Wolfgang
Schiftner, Tristan Schulze, Martin Eberle, Woody Shabata, Matthias Pichler, Yiri Slavik,
Clemens Salesny, Dave Clark, Guido Zorn, James Wylie, Anis Kasbaoui oder Irfan. Um nur
einige zu nennen. (und jetzt hoid die gouschn)
Samstag 23 Uhr, TU Prechtlsaal
LEHNEN
Sie sind eine Rockband, die sich für große Gesten nicht geniert. Vielleicht liegt das
auch daran, dass die zwei Gründungsmitglieder Joel Boyd und Matthew Prokop in
Wien lebende Amerikaner sind, denen die Tendenz dieser Stadt, sich selbst nur als
Gartenzwergversion der echten Welt zu sehen, noch nicht in Fleisch und Blut
übergegangen ist. Im Video-Tagebuch zu den Aufnahmen ihres neuen Albums „I See Your
Shadow“ schwenkt die Kamera von einem Ende der monumentalen Verstärker-Sphalanx
zum anderen, während die Stimmen von Boyd und Gitarrist Martin Konvicka uns erklären,
mit welchem der klingenden Burgtürme sie jeweils welche Sounds produziert haben. Dinge
also, die andere erst an jenem Punkt der Karriere tun, wo sie selbst keine Verstärker mehr
tragen müssen. Als er gemeinsam mit seinem Freund Joel vor sechs Jahren Lehnen
gründete, „wollten wir große, epische Rockmusik machen. Musik, die man in Wien nicht oft
finden kann“, schreibt Matthew Prokop im Blog der Band. Man träumte von „riesigen Touren,
Fans und Ruhm und der Möglichkeit, die Welt positiv zu verändern“ (Übersetzung). Nicht
dass Prokop an chronischer Selbstüberschätzung leiden würde, er sieht das Lehnen-Debüt
„This Could Be Our Dream Home“ durchaus kritisch, schätzt die elektronischen Experimente
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des Nachfolgers „Awake“, sieht darin aber immer noch Probleme mit der Identität der Band
und meint, dass Lehnen nach Tourneen durch die USA und der EP „We Were Made For
Destruction“ eingesehen haben, dass sie in Österreich vermutlich nie so richtig „in“ sein
würden (warum auch immer, der sphärisch-dynamische Sound von Songs wie „Home“
versprüht nämlich jede Menge Festivaltauglichkeit). Aus der Schlussfolgerung, dann eben
gleich zu tun, was man will, wurde in anderthalbjähriger Studioarbeit das Konzeptalbum „I
See Your Shadow“, und es wäre nicht das erste Mal, dass eine Band, die auf alles pfeift und
nur ihrem Stern folgt, gerade deshalb auf umso mehr Gegenliebe trifft. Wiederholte PopfestBesucherInnen werden in Bassist Stefan Sieder übrigens auch den Frontmann von Contrails,
einer der besten Bands des letztjährigen Line-Ups wiedererkennen.
Freitag 17 Uhr, Seebühne
MAJA OSOJNIK BAND
Wenn die alten Phrasen von der grenzüberschreitenden Mischung aller Genres
ausgepackt werden, ist das üblicherweise als Euphemismus für freche Anmaßung in
allen Gassen zu verstehen. Maja Osojnik dagegen mischt slowenische Volksmusik,
schwule Partisanenlieder, Jazz, zeitgenössische Musik, Elektronik, Improv und Prog
Rock aus der Perspektive einer gelernten (vielfach prämierten) Komponistin, die all
diese Formen von Grund auf versteht. Popfest-BesucherInnen haben sie vor zwei Jahren
schon mit ihrem Avant-Rock-Projekt Broken.Heart.Collector das Brut erzittern lassen sehen,
andere mögen sie mit ihrem elektronischen Improv-Duo Rdeča Raketa, mit dem Low
Frequency Orchestra, Binar, FruFru, Subshrubs, Edward and the Innocent Bystanders, dem
Ensemble Mikado, oder in einem gediegenen Konzertsaal mit der Flöte vor dem Mund erlebt
haben. So ist das, wenn man – wie Klaus Nüchtern es im Falter ausdrückte, konsequent
darauf pfeift, es sich „im Fach der vitalen Folklorenudel gemütlich“ zu machen. Wobei das
angesprochene Potenzial zur „Nudel“ auch im Ungemütlichen durchaus einen Platz hat: Was
Osojniks kompromisslose Kunst live so unwiderstehlich macht, ist schließlich nicht bloß ihre
dunkle Stimme oder ihr scharfer, politisch bewusster Intellekt sondern auch ihre
einnehmende (weil humorvolle) Performance. Auf der Seebühne wird sie heuer mit ihrer
Maja Osojnik Band sicher auch Stücke aus ihrem vielgepriesenen Album „Črne vode“
bringen, einer Platte, die laut dem Online-Magazin jazzdimensions „mit einer Intensität und
Direktheit nach vorn drängt, dass Töne zu Bildern gerinnen“. Ein Juror des Preises der
deutschen Schallplatten-kritik wollte in Majas Musik ebenfalls „erstaunliche Bilder,
Filmszenen, sogar Gerüche“ erkennen. Popfest-BesucherInnen sollten also vorsorglich
sämtlich Sinnesorgane freihalten.
Samstag 2.15 Uhr, TU Prechtlsaal
MILK+
Prog ist ja nun schon länger kein Schimpfwort mehr. Und wenn dem so wäre, würden
sich Milk+ davon wohl genauso wenig aufhalten lassen wie von den traditionellen
dynamischen oder harmonischen Grenzen eines rockenden Power Trios. Wenn David
Furrer (Gitarre, Stimme), Navid Djawadi (bass) und Alex Kerbl (drums) sich mit geölter
Nonchalance präzise durch ein Dickicht komplexer Synchron-Breaks hanteln, lockert sich bei
ihrem Publikum gern die Kinnlade, und sonst grundvernünftige Menschen beginnen wirres
Zeug der Sorte „beste Live-Band der Stadt, des Landes, des Kontinents...“ zu stammeln. Ihr
Anfang des Jahres erschienenes, von Ikey Owens von The Mars Volta produziertes Album
„Band on Wire“ bannte die Live-Macht von Milk+ erstmals überzeugend auf Tonträger. Es
mag Leute geben, die hier an Muse denken, andere fühlen sich vielleicht an die
melodischeren Momente von The Mars Voltas Vorgängern At The Drive-In oder an die
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tabuisierten Berührungen zwischen Jazz und Rock in den mittleren Siebzigern bis frühen
Achtzigern erinnert. Milk+ selbst vergleichen ihr virtuoses Jonglieren mit
Hochgeschwindigkeits-Riffs dagegen mit dem größten Coup des Drahtseil-Artisten Phillipe
Petit, der 1974 eine Stunde lang in über 400 Metern Höhe zwischen den Twin Towers des
World Trade Centres in New York die waghalsigsten Kunststücke vollbrachte. Ein fraglos
vermessenes Gleichnis - aber „Band On Wire“ klingt doch bildhaft und passend. „Wake up
the enemies, let's wake up our enemies“ singt David Furrer im Song „Venus Breakdown“.
Keine Sorge, die müssten schon taub sein, wenn sie da nicht aufwachen.
Freitag 24 Uhr, TU Prechtlsaal
MONOBROTHER
Der heimische Dialekt-Rap lebt großteils in seiner eigenen Blase. Aber wer sagt, dass
der Rest der Stadt das nicht auch tut? Monobrother, zugereister Mostviertler mit
scharfem Blick, ist ein präziser Glubscher durchs Gurkenglas dieser Stadt, „dem
Austragungsort
von
der
Fremdschäm-WM“,
wie
er
sie
im
Track
„Modernisierungsverwirrter“ aus seinem zweiten Album „Unguru“ nennt. Im selben
Text bezeichnet der MC sich selbst als „heite fost scho FM4-Schatzi-Singer-SongwriterSpatzi“, und der Sell-Out eines Popfest-Slots passt tatsächlich nur zu gut in dieses
unwürdige Bild des Klassenverräters. Ganz im Ernst verspürt aber der Programmtextschreiber an dieser Stelle schon große Lust, überhaupt nur mehr aus obigem MonobrotherSong zu zitieren, der das Leben im Gentrifizierungsbezirk (“Es san scho olle wegzogn, nur
mehr Laptop-DJs, Agenturchefs mit fancy Ideen“) und die Tristesse des heuchlerischen
Arbeitsmarkts („Sei immer flexibel und wettbewerbsfähig und sechssprachig unterwegs für x
Euro die Stund, Grüß Sie Gott, in welchem Oasch is no Platz...“) so treffend und hart
beschreibt, dass ihm, dem Programmtextschreiber, in der letzten Strophe glatt die Augen
feucht werden (und das bei einem Hip-Hop-Song!). „I bin's, Generation I waaß no imma ned“,
stellt Monobrother da fest, „Sturer Optimist, siehst du ned, dass nur die Sau, die vurn am
Trog steht, frisst“. Songs wie dieser relativieren hundertundeins schlaue Medienkommentare
darüber, dass Pop angeblich nichts Kritisches zum Leben in der längsten Krise seit dem
letzten Krieg mehr zu sagen hätte. Wer lebt da noch gleich in seiner eigenen Blase?
Freitag 23 Uhr, TU Prechtlsaal
MTS
Müssen wir wirklich gleich als erstes erwähnen, wie schändlich unterzählig Frauen im
heimischen Hip Hop vertreten sind? Allerdings, wir müssen, aber das ist keinesfalls
der Grund, warum die Multitasksisters beim Popfest gebucht sind. Der ist vielmehr in
Tracks wie „So heiß“, „Die Kraft“ oder dem herrlich die dumpfen Macho-Posen der Szene
verarschenden „Hart aber herzig“ zu finden. MTS sind kein angestrengtes Single-IssueProjekt, sie nehmen ihre Stellung selbstverständlich ein, rappen offen über
Zwischenmenschliches wie keiner ihrer männlichen Kollegen („Dich nicht zu sehen tut so
weh wie anderen Frauen Kinder kriegen“, Zitat aus „Nichts geht mehr“), lassen sich aber
nicht als Vehikel für deren Fantasien instrumentalisieren. Mit doppelter Ironie heißt es in
ihrem Pressetext: „In ihrem neuen Video 'Die Kraft' lassen sie tiefer blicken - in ihre
Persönlichkeiten“. Keine Frage, als Frauen in diesem Genre haben Nora MC, Mag-D, die
beim Popfest mit DJ Concept MTS repräsentieren werden, einen ausgeprägten Sinn für
Sarkasmus bitter nötig: „Ihr habt die falsche Einstellung, so wie mein Toaster“, rappen sie in
„Feuerfest“ auf ihrem letzten Album „Wha'N'Sinn“, einem Track, der auch vor dem
ultimativen Argument nicht zurückschreckt: „Gesteh's dir auch mal ein, um mein Feuer zu
löschen, ist dein Schlauch zu klein“. Au, das sitzt.
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Donnerstag 0.30 Uhr, Wien Museum
MÜSSIG GANG
Skero scheint aufs Popfest so gut wie abonniert, sei es solo beim zweiten, mit Texta
beim dritten, als spezieller Gast des Nino aus Wien beim ersten, oder jetzt als Teil der
Müßig Gang, seines gemeinsamen Projekts mit dem zu einer swingenderen,
groovigeren Perspektive der traditionellen Wienerlied-Weinseligkeit neigenden Trio
Wienerglühn. Für beide Seiten ist diese Zusammenarbeit kein wurzelloses Experiment.
Skero, wiewohl Hip Hop-mäßig mehr als zwei Jahrzehnte lang in Linz sozialisiert, wuchs in
Mödling als Kind einer Wiener Mutter auf (die ultimative Legitimation) und hatte – laut einem
Interview mit Gerhard Stöger letztes Jahr im Falter – immer schon eine Schwäche, sowohl
für das historische Wienerlied (Maly Nagl) als auch für neue Interpretationen von Roland
Neuwirth bis hin zum Kollegium Kalksburg. Wienerglühn bedienten sich ihrerseits in Songs
wie „Sperrstundendrama“ gesanglicher Synkopierungen, die dem Rap auch schon
wesentlich näher kamen als beim Heurigen streng genommen zugelassen. Wie sich die
Müßig Gang („gang“ gesprochen wie die Bande) ihr Popfest-Set zwischen gesungenen
Wienerlied-Originalen, neuen eigenen Stücken und gerapptem Skero-Solo-Material aufteilen
wird, weiß zumindest der Autor des Programmtexts noch nicht. Er will auch nicht nachfragen,
schließlich gehört die Herausforderung des Publikums mit zum Reiz dieser vor allem für
einen Popstar (ja doch) wie Skero gar nicht so ungewagten Genrewanderung.
Sonntag 22.30 Uhr, Karlskirche
O
Die Geschichte der O beginnt dort, wo Bunny Lake aufhörten. Teresa Rotschopf
verkündet mit ihrer Wandlung zur O das Ende des „Disney-Fasching“, und die von
betont trockenem, in sachte Eighties-Vibes getunkten Techno-Pop bis zur
überraschend vollkehligen Wiedergeburt als Orgel/Synth-Balladresse reichenden
Mitschnitte ihres Live-Gigs letzten April im New Yorker Santos Party House lassen
erahnen, was darunter zu verstehen ist. Nun wäre es eine reine Verschwendung, wenn
einer wie Patrick Pulsinger bei seiner Kuratur des Popfests nicht auch seine Arbeit als einer
der seit Jahrzehnten wichtigsten Produzenten dieses Landes ins Programm einbringen
würde. Pulsinger ist in der Tat, der „Co-Pilot“, wie es im schönen Promo-Text zu Os
kommendem Album heißt. Wer immer den geschrieben hat, er macht sehr neugierig: „Die
Aufnahmen der O-Songs gestalteten sich nicht immer als einfach. Als der Posaunist im
Studio war, fiel sein Instrument vom Stuhl und verstimmte sich – aufgenommen wurde es
trotzdem. Der Harfenspieler aus Bratislava kämpfte sich – von Taxis wegen seines
überdimensionalen Gepäcks ignoriert – durch einen halben Meter Neuschnee in Pulsingers
Studio vor. Bei den Aufnahmen mit Mitgliedern der Wiener Symphoniker im Konzerthaus war
Rotschopf dann selbst erst nicht ganz wohl. 'Ich war so verlegen, dass ich Kuchen
mitbrachte, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich mit studierten Musikern kommunizieren
sollte'“. Aha, genau zu dieser Frage der Zusammenarbeit zwischen Klassik- und Popsozialisierten MusikerInnen (Kuchen oder nicht, Notenlesen oder Vorsummen etc.) findet
übrigens am Popfest-Samstag um 14 Uhr ein Panel in der Kunsthalle statt – nur für den Fall,
dass O dort vorbeischauen will.
Sonntag 15 Uhr, Kunsthalle
PLAIDED
„You call me pretty, you call me cute“ singen Plaided im Song „Matzleinsdorfer Platz“
auf ihrem Debüt-Album „Playdate“. Die auf diesen Refrain folgende, schonungslose
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Bearbeitung aller sechs Gitarrensaiten macht klar, was Julia Mitterbauer, Veronika
Eberhart und Co. davon halten, als hübsch und niedlich bezeichnet zu werden (noch
dazu auf dem hässlichsten Platz der Stadt). Anhand der Wurzeln der beiden in ihrer
früheren Formation Ilsebill und ihrer gemeinsamen Geschichte als Organisatorinnen des
Wiener Ladyfests ließe sich diese Band zwar als feministisches Projekt charakterisieren, die
Musik von Plaided ist aber weit mehr als bloß ein Mittel zum politischen Zweck. Bei allem
rhetorisch
richtigen
Betonen
ihres
autodidaktischen
Zugangs
im
Band-Info
(Selbstermächtigung! DIY!) klang die voriges Jahr beim Label Fettkakao erschienene LP
dann doch wie das Werk einer Band, die schon sehr genau weiß, wie sie erreicht, was sie
will: Ausgeklügelte Stop-and-Start-Dynamik trifft da auf überraschende Songstrukturen, und
täuschend liebliche Popchöre mutieren zu bösen Dissonanzen, siehe etwa den Opener „We
Don't Bite“ oder das rastlos von einer großen Hook zur nächsten springende, mit
Tempowechseln, hymnischen Refrains („And - we – are – losing all control!“) und falschen
Fährten gespickte „So What“; ein mitreißender Schlachtruf wider die allen Beschwörungen
aufgeklärter Toleranz zum Trotz munter weiter gedeihende Spießerei. „Open windows
everywhere“? Plaided geben den lauschenden Nachbarn ordentlich was zu hören.
Samstag 24 Uhr, brut
PUNDA OMAR
Ungebrochener Wohlklang, zerstoben in die aus mit einander kollidierenden
Wiederholungen errichteten Parallelrealitäten von Echo und Hall, so als hätten Phil
Spector und Brian Eno die Schallwellen der ganzen Welt in ihre Gewalt gebracht, und
irgendwo darunter entspinnt sich langsam ein von einfachen Klavierakkorden,
überlebensgroßen Bass-Tönen und Unterwasser-Beats getragener Song. So in
ungefähr ließen sich die drei Tracks auf Punda Omars Bandcamp-EP „stetptc“ beschreiben.
Er selbst mailte uns stattdessen einen bemerkenswerten Pressetext, der großteils aus
Bindestrichen bestand, welche bei korrekter Formatierung des Textprogramms in
Gesamtansicht die Worte „punda omar“ ergeben. Von Bindestrichen befreit und mit
konventioneller Großschreibung versehen, liest der Promo-Schrieb sich dann doch ziemlich
straight, zumindest eine Weile lang: „Ginge es nach Punda Omar, wären die Worte dieses
Textes wohl genauso zur Unkenntlichkeit verfremdet wie die Vocals auf seiner Debüt-EP
'stetptc', welche im Februar auftauchte. Diese Vocals wären 'the star of the show' meinte
Neighborhoodtapes.com, und tatsächlich stellen sie neben den analog/digitalen Klangflächen
und auf das Minimum reduzierten Beats das Zentrum der Musik von Punda Omar dar.
Schnell war der Wiener auf den Playlists von TKIAP (Thiskidisaproblem.com), Amazing
Beats und Byte.fm, aber auch auf FM4 wAR ICH IMI ANFANG, MM OM MM,MMM dERMM8-MMD,MMI :BE-ZMM MM,MM MM :MM-MMM MMGe MM gNU NG OM AM MM EN
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IRGENDI-WOMMMMM DAMMMN MM MM MM MMMMMMM ZW SC SC.“
Sonntag 21 Uhr, Karlskirche
RITORNELL & MIMU
„Ritornell verschmelzen bei ihren Konzerten akustische und elektronische Klänge.
Durch subtile digitale Verfremdungen entwickeln Instrumente wie Klavier, Kontrabass,
Vibrafon, Kalimba und Akkordeon ein überraschendes Eigenleben, um sich Momente
später im Zischen und Fauchen elektronischer Gerätschaften aufzulösen. Unterdessen
werden sie umspielt vom Funkeln mehrschichtiger elektro-akustischer Drones. Einzelne
organische Geräusche und sublime Texturen komplettieren die detaillierten Arrangements.
Für ihr aktuelles Album »Aquarium Eyes« hat Ritornell erstmals Songs geschrieben: Die
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Künstlerin Mimu singt, flüstert und haucht rote Fäden durch manche der fragilen
Klangkonstrukte, die Richard Eigner und Roman Gerold mit Fingerspitzengefühl
zusammengesetzt haben. Die besondere Akustik der Karlskirche bietet ein einmaliges
klangliches Experimentierfeld. Die Musiker des Kollektivs Ritornell werden die spannende
räumliche Qualität des Areals mit ihrem mannigfaltigem Instrumentarium ausloten.
Ausgeklügelte Beschallungstechniken – wie ein Mehrkanalsystem – kommen ebenso zum
Einsatz wie zahlreiche experimentelle akustische Instrumente. Der Raum und dessen
eigentümliches Resonanzverhalten findet als zentrales Gestaltungselement Verwendung“.
(Unveränderter, perfekter Text, geliefert von Ritornell, der Programmtextschreiber verneigt
sich dankbar)
Samstag 1.15 Uhr, TU Prechtlsaal
THE SADO MASO GUITAR CLUB
Allerdings, eine Band, die im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert „Sympathy for the
Devil“ covert, muss sich die Schnelldiagnose „Retro!“ gefallen lassen. Die
eigenwillige Art, wie SMGC das tun, wie sie den Song verlangsamen und mit
reichhaltigem Einsatz von Lapsteel und Orgel das bloße Mitgefühl für den Teufel zu
schwer melancholischem Mitleid verdicken, bläst dann aber erst recht alle
Spinnenfäden des bloßen Revivalismus hinweg. Diese Leute sind nicht nur besessene
Analog-Fetischisten, die auf Bandmaschine und Feder-Hall statt Festplatte und Plug-In
bestehen, ihrer Musik haftet auch die nötige Portion Wahnwitz an (siehe das in einer
Psychiatrie-Abteilung spielende Video zum Hit „Set Me Free“), um jeden potenziellen Mief
der strebsamen Nachempfindung von Vornherein zu meiden. Gegründet wurde der Sado
Maso Guitar Club ursprünglich als Soloprojekt von Matthias Krejan, dem Gitarristen der
Incredible Staggers, vermutlich aus dem verständlichen Bedürfnis, einmal über den
Tellerrand von Surf Punk und Garage Trash hinaus zu extemporieren. Und selbst wenn der
Titel des 2010 erschienenen Debüt-Albums „We Love You Too“ erst recht wieder an die
Stones der „Her Majesties Satanic Request“-Ära denken lässt, reicht der erweiterte
Psychedelik-Begriff von SMGC doch in viel entlegenere Gefilde, wo man bereits die
Ausläufer der Galaxie des Neo-Prog kreuzt. In der Tat, das Band-Info nennt gar die
meditativen Nudelweltmeister Phish als prägenden Einfluss. Wir haben es hier also mit einer
Band zu tun, die das Live-Spielen berauschend wörtlich bzw. ihr Publikum mit auf den Trip
nimmt. Gelegentlich sogar inklusive Zeitreise.
Freitag 1 Uhr, brut
THE SCARABEUS DREAM
Hannes Moser am Schlagzeug, Bernd Supper am Klavier - und öfter am Mikrophon als
der andere - machen ihr Ding nun schon seit vielen Jahren mit einer derartigen
Intensität, dass man sich wundern muss, wieso sie nicht schon längst völlig
ausgebrannt sind. Augenzeugen ihrer Gigs berichten von Platzwunden und blutenden
Lippen, ein körperliches Ereignis sind die Auftritte von The Scarabeus Dream allemal.
Suppers Fähigkeit, mit der Rücksichtslosigkeit eines übergeschnappten Method Actors
zwischen Zärtlichkeit und selbstzerstörerischer Entäußerung hin und her zu schalten, trifft
auf Mosers ungehemmtes Vertrauen in die telepathische Kommunikation. Von beiden Seiten
gibt es da keinen Moment des Zweifels, und vor allem keine Schonung für das Publikum,
„alles eine Steigerung - die Töne und das Trommeln, das zu Soundflächen wird, die
Destruktion, die einer Anordnung weicht, die Gegensätze, die verschwimmen", wie es der
karge Pressetext von The Scarabeus Dream sehr zutreffend beschreibt. Und das obwohl wir
es im Grunde doch eigentlich nur mit einem sauberen Klavierklang, Schlagzeug und Stimme
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zu tun haben. Sechs Jahre sind vergangen seit ihrem Debüt-Album „Sample Your Heartbeat
to Stay Alive“. Laut The Scarabeus Dream hat auch diese Kargheit ihrer Veröffentlichungen
Methode, „überbrückt“ sie doch „Zeit und lässt vieles im Moment passieren, eine
Reproduktion der Entstehung vermittelt die Gegenwart. Es bleibt kein Stein auf dem
anderen, und doch ist etwas beständig: Musik, Lärm, Theater“.
Donnerstag 23.30 Uhr, Wien Museum
SCHMIEDS PULS
Wer vermeint, er/sie hätte den in seiner/ihrer Lebenserfahrung für SongwriterInnen mit
akustischen Gitarren vorgesehenen Platz eh schon gefüllt, macht einen furchtbaren
Fehler: Erst noch Mira Lu Kovacs alias Schmieds Puls gehört haben, dann
möglicherweise sterben. Was diese Frau aus ihren beiden Instrumenten, sowohl ihrer
virtuos wandelbaren Stimme als auch ihrer mit klassischer Fingertechnik gezupften
akustischen Gitarre herauszuholen versteht, ist auf die ruhigste vorstellbare Weise
spektakulär. Auf Youtube findet sich eine offenbar in ihrem Wohnzimmer aufgenommene
Version ihres Songs „Play Dead“. Kovacs begleitet sich da mit flotten Flageolett-Triolen,
während ihr Gesang schizophren souverän gegenrhythmisch darüber hinweg segelt. Gegen
Ende des Songs schwingt sie sich auf ein beinahe punkig souliges Riff ein, die herbe Note
passend zur finalen Frage des Texts: Stellst du dich nur tot? Sie erinnert dabei einmal an die
mit dem Jazz liebäugelnde Joni Mitchell der Mittsiebziger (vor allem in „You Will Always
Have A Piece Of My Heart“), dann lässt das technisch saubere, stets den Sweet Spot im
Saitenklang suchende Wandern ihrer Finger wieder an John Renbourn denken.
Donnerstag 1 Uhr, brut
BERNHARD SCHNUR & BAND
Mit seinem zweiten Solo-Album „Yol“ hat er vor zwei Jahren endlich all jenen die
Ausrede entzogen, die ihn für „vergessen“ erklärt hatten. Genau genommen ist es
angesichts seiner 2008 mit „Avril“ begonnenen Solo-Phase schon ein bisschen
daneben, Bernhard Schnur immer noch auf seine Vergangenheit als Frontmann der
Neunziger-Band Snakkerdu Densk zu reduzieren. Schließlich geht mit der derzeit
aktuellen Wiederentdeckung der obskuren Seiten der österreichischen Popgeschichte auch
eine mittlerweile schon etwas irritierende Tendenz zur Verklärung einher, die die Gegenwart
bisweilen zu überstrahlen droht. Trotzdem will gesagt sein: Die Neunzigerjahre sind nicht nur
lange her, im diesbezüglich trägen Wien fielen sie auch immer noch in die
aufnahmetechnisch traurig klingende Periode des frühdigitalen Dünnpfiffs. Einer der
heimlichen Gründe für den Elektronik-Boom jener Zeit war nämlich, dass sich GitarrenbandPlatten mit einem halbwegs brauchbaren Sound in den Studios dieser Stadt so gut wie gar
nicht aufnehmen ließen. Und deshalb kann auch der charmante Tonträger-Nachlass von
Snakkerdu Densk nur einen Bruchteil der mitreißenden Dynamik vermitteln, die diese Band
auf die Bühne brachte. Das müssen die Jüngeren den Älteren einfach glauben, wenn letztere
ersteren Bernhard Schnur bzw. Snakkerdu Denks mit feuchten Augen als Live-Legende
beschreiben. Aber wie gesagt, sein Ende letzten Jahrzehnts begonnener zweiter Frühling als
Solokünstler (seit der EP „Canzoni d'Aprile“, 2011, mit Band) hat diesen polyglotten, endlos
melodiebegabten Songschreiber mit der nasalen Charakterstimme, der aus seinem BeatlesFantum verlässlich völlig andere Einflüsse zu extrahieren vermag als sämtliche Millionen
anderer songschreibender Beatles-Fans sonst, wieder zur Gegenwartsfigur gemacht. Gut
möglich, dass beim Popfest mehr Leute nach „Steam Engine One“ als nach der Snakkers'
„Pepperlike Springtime“ rufen werden. Für eine Reunion (einen Testlauf gab es immerhin bei
der „Yol“-Plattenpräsentation) ist Schnur noch lange nicht müde genug.
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Freitag 2 Uhr, brut
SEX JAMS
Beim Popfest-Debüt der Sex Jams 2011 blieb dem großteils unvorbereiteten Publikum
der Mund offen: Was das Gitarrenduo Lukas Bauer und Wolfgang Möstl da in Sachen
koordinierter Dissonanzenverzahnung bester Ranaldo-Moore-Schule veranstaltete,
während Rudi Braitenthaller am Schlagzeug und Peter T am Bass Party machten, war
sowieso schon kaum zu glauben. Aber all das ereignete sich im Schatten einer
Naturerscheinung namens Katie Trenk. Die Sängerin der Sex Jams ließ sich in ihrem
Bewegungsradius nicht von so banalen Hindernissen wie dem Bühnenrand beschränken,
noch schien sie lungentechnisch ein Problem damit zu haben, im dauerhopsenden
Gummiball-Modus ihre höllisch laute Band zu übertönen. Seit damals ist mit dem zweiten
Sex Jams-Album „Trouble, Honey“ die vielleicht überzeugendste Slacker-Noise-Neo-GrungePunk-Pop-Platte dieses und fast aller anderen Länder erschienen. Siehe Songs wie „Deicer“,
„September“, „Just Kids“ oder „Shark vs Apple“, alles unverschämte Hits – das erste
Dokument der Gitarristen-Achse Bauer-Möstl übrigens, auf dem Erstling „Post Teenage
Shine“ (2010) war das vielbeschäftigte rehäugige Szenewunder Möstl (dessen Band Mile Me
Deaf de facto aus drei Fünfteln von Sex Jams besteht) nämlich noch nicht mit von der Partie.
Furchterregenderweise sind sie dank ihres fleißigen Tourens mittlerweile noch eine größere
Macht als sie es vor zwei Jahren waren. Wer Zweifel daran hegt, dass das Modell Rockband
heutzutage noch was zu sagen hat, kann die Sex Jams noch nicht live erlebt haben.
Sonntag 13 Uhr, Kunsthalle
SNOWW CRYSTAL
Was heißt da Revival? Wer in den frühen Neunzigern in Wien gelebt hat, weiß, dass es
da keine nenneswerte Shoegazing-Szene gab. Circa zwei Jahrzehnte, nachdem The
House of Love vor einem kleinen Kreis von Bekehrten im U4 spielten, ist es also an
einer jungen Band wie Snoww Crystal gelegen, die Kunsthalle mit einem dichten
Schneegestöber anglophiler Gitarrensounds zu füllen. Mehr als drei roh aufgenommene
Songs auf ihrer Soundcloud haben sie noch nicht veröffentlicht, aber dieser Umstand scheint
in einer Zeit, da gefühltermaßen bereits jedeR zweite alle zwei Jahre ein neues Album
herausbringt, das Interesse an der Band bloß zu steigern. Schließlich haben sich Snoww
Crystal live mit bloß ein paar verstreuten Konzerten bereits einen großen Ruf erspielt, nicht
zuletzt durch ihren Auftritt beim Fest Dommage, dem „Softival“ des Club D'Hommage in der
Fluc Wanne. Aufmerksamen Augen wird dabei trotz des Halbdunkels der psychedelischen
Projektionen, hinter denen Snoww Crystal sich zu verstecken pflegen, inmitten der
fünfköpfigen Formation rund um Sängerin Zuzy, eine von einem hellen Schopf bekrönte
lange Gestalt aufgefallen sein: Es ist kein anderer als John Norman, der beständig in
scheinbar unvereinbarer, aber immer sehr guter Gesellschaft auftaucht – von der Mod-RockBand Freud bis zum Experimental-Projekt Radian. Ziemlich genau auf mittlerem Weg
zwischen den den entlegenen Bezugswelten jener beiden Formationen findet sich der
Kosmos von Snoww Crystal.
Samstag 17 Uhr, Seebühne
SOIA
Über einen Teppich von entschleunigten Beats eine Vorliebe für Jazz bekunden kann
bald wer, ja in den 1990ern war das in Wien bekanntlich sogar Szenepflicht. Umso
auffälliger und umwerfender, wenn man dann eine wie Soia hört, die tatsächlich eine
hörbar innige Beziehung zur Blue Note und zu ihren Grooves vermitteln kann.
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Interessanterweise war der Jazz, mit dem sie aufwuchs, einerseits afrikanisch, andererseits
Fusion. In anderen Worten: Hier hat jemand zuerst Sathima Bea Benjamin und Billie Holiday,
dann erst Erykah Badu, zuerst Billy Cobham, dann erst die gesampelte Version von Massive
Attack gehört, und ist bei der Übersetzung dieser (und klassischer) Einflüsse ins Pop-Format
zu teils ähnlichen, aber doch ganz eigenen Schlussfolgerungen gelangt. Dabei ist die
Geschichte dieser erstaunlichen Sängerin noch lange nicht die ganze Erklärung für Soias
Sound, steckt dahinter doch ein Produzent namens Mez, seines Zeichens weit
fortgeschrittener Klavierstudent mit einem Faible für verstiegene Harmonien und kleine
Klangfundstücke, die als Miniatur-Hooks und Aufhorch-Impulse in den endlos detailreichen
Mix seiner Arrangements einfließen und dabei den überraschenden Wortfetzen aus Soias
Stream-of-Consciousness-Lyrik die Hand reichen: Kann es sein, dass sie in „Obtaining“
tatsächlich von „malicious joy for the melanome“ singt? Wenn Soia am Samstag mit
vierköpfiger Band den Seebühnenabend eröffnet, sollte die Sonne zwar noch einigermaßen
melanomfreundlich am Himmel stehen, aber die Freude auf dem Platz wird garantiert eine
gutmütige sein. Geht gar nicht anders bei diesen Songs, die Soia selbst sehr richtig als „feelgood tunes, always going beneath the surface“ beschreibt.
Samstag 0.15 Uhr, TU Prechtlsaal
SPRING AND THE LAND
Sie kommen aus Graz und machen Musik, der man ihre Liebe zum Werk von Neil
Young, Big Star, Yo La Tengo oder Mercury Rev anzuhören meint, nicht aber ihre
Herkunft. Denn die Americana von Spring and the Land atmen die unverfälschte
Cinemascope-Wahrheit der reinen Fiktion. Tatsächlich wirken die auf Youtube
herumgeisternden Videos dieser Band rund um die beiden Kernmitglieder Jacques Bush und
Marino Acapulco wie Dokumente einer jener Rock-Bands aus den mittleren bis späten
Achtzigern, die mit der unscharfen Retro-Brille des VHS-Zeitalters die späten Sechziger
wiederentdeckten. Siehe den EP-Titeltrack „The Outside“ (2009, erschienen vor dem Album
„Outside My Window“) mit seinen herrlichen Westcoast-Chören; oder jene drei Songs aus
einem auf Youtube zu findenden Proberaum-Mitschnitt vom letzten September, in dem auch
der für das Bandprojekt namensgebende Song vorkommt: „It was spring and the land was
pure and warm...“, ein offenbar programmatischer Satz der auch dem in seiner HippieSeeligkeit leicht skurrilen Clip zur letztjährigen Single „Flowers“ vorangestellt wird. Jene
Nummer wiederum scheint eine völlig andere Welt zu bewohnen als die Kehrseite der Seven
Inch „Superbitch“, was den möglichen Gedanken aufwirft, dass wir es hier mit einer von
Ween-Fans gegründeten geheimen Pop-Guerilla zu tun haben könnten. Beide Songs
stammen übrigens aus dem Nachlass von dogboy!, der elektronisch operierenden
Frühneunziger-Inkarnation derselben Band. Bei Leuten, die ihre Platten von Kramer
(shimmydisc, Bongwater) mastern lassen, können solche stilistischen Hakenschläge kein
Zufall sein. Unklar bleibt nur, wie es diese faszinierende Band geschafft hat, sich über so
lange Zeit so weitgehend von der Öffentlichkeit fernzuhalten.
Da muss wohl die
Öffentlichkeit selbst dran schuld gewesen sein.
Donnerstag 18.30 Uhr, Seebühne
STEAMING SATELLITES
So sehr das Format Rockband immer wieder nach Erneuerung verlangt, so
unvermeidlich wie ein bleierner Zeppelin (danke an das Band-Info für die schöne
Metapher!) sucht es schließlich wieder Bodenfühlung. Ungeachtet ihrer Ambitionen in
Sachen Space Rock und elektronischer Spielereien haben die Steaming Satellites auf
ihrem heurigen Zweitling „Slipstream“ vor allem (flüstern wir es) den Blues
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wiedergefunden. In einem Song wie „No Sleep For The Damned“ kommt der Robert Plant
in Sänger Max Borchardt samt vor dem geistigen Auge bloßgelegtem Oberkörper und
windgepeitschter Lockenmähne zum Vorschein. Ja, selbst wenn zwischendurch
kontemporäre Synth-Sounds, verzerrte Bässe, programmierte und live gespielte Breakbeats
und Disco-Anklänge mit lockerem Hüftschwung über die Grenzen des Retro-Kosmos hinaus
tänzeln: Im Grunde bleiben diese drei Salzburger doch der ewigen Wahrheit des Rock, dem
sich mit repetitiver Macht ins Hirn bohrenden, allmächtigen Riff, verpflichtet. Genau das
macht sie auch zu einer geborenen Festival-Band, wie heuer zum Beispiel das Publikum
beim Eurosonic feststellen durfte, ehe die Steaming Satellites auf ausgiebige Tour durch
Deutschland und Österreich gingen. In der Zwischenzeit rotierte mit „So I Fell Down“ eine
Ballade durchs Radioprogramm, die mit der romantischen Zeile „I thought about the ones I
hate most and you know you're on my list“ beginnt. Wer immer auch damit gemeint war, für
Max Borchardt hat sich diese Abrechnung auf jeden Fall ausgezahlt.
Freitag 21.30 Uhr, Seebühne
A.G.TRIO
Warum Girlanden ziehen, wenn's auch geradeaus und durch die Mitte geht? In den
rund sieben Jahren, seit Markus Reindl, Roland Bindreiter und Jürgen Oman
gemeinsam als A.G.Trio unterwegs sind, haben sie sich nie mit einer anderen Mission
aufgehalten, als möglichst viele Menschen möglichst flott zum Tanzen zu bringen.
„Action“ hieß dementsprechend auch das letztes Jahr erschienene, auf eine Serie von
Singles und EPs wie „Dancen“ oder „Replay“ folgende, erste Album der aus dem Mühlviertler
Backlab Collective hervorgegangenen Formation. Der bei Etage Noire (als Labelkollegen
von Parov Stelar)
erschienene erste Versuch an der Langform erwies sich als
kompromissloses Electrohouse-Feuerwerk, das einzig im sehnsüchtigen Klang der Stimme
von Francis International Airport-Sänger Markus Zahradnicek auf dem Hit „Countably Infinite“
an der fremden Welt der Melancholie anstreift. Wenn dazu nicht der Smetanas Moldau grob
versemmelnde „Moldance“ gereicht haben sollte, stellte aber spätestens das Hühnergackern
als Hookline auf ihrer heurigen Nachfolgesingle „Duckstep“ klar, dass das A.G. Trio die
Auseinandersetzung mit dem Existenzialismus trotzdem auch weiterhin den
Rolltragenpulloverträgern überlässt. Eine unverschämt party-freundliche Einstellung also, die
den dreien immerhin die Lizenz verschafft hat, von Südkorea über Mexico bis nach Berlin die
Massen zu beschallen. Und jetzt den Karlsplatz.
Freitag 23 Uhr, brut
T-SHIT
Die Selbstbeschreibung fasst das Grundsätzliche schon einmal schön zusammen: „TShit schafft die Verschmelzung von Ästhetiken elektronischer Tanzmusik (Groove)
und experimenteller Musik (Geräusche, Sound, Drones). Irgendwann hat die Band
einmal von Pop gesprochen.“ Umgekehrt betrachtet, wagt sich das Popfest auch gern
gemeinsam mit den Musikern in Gefilde jenseits des landläufigen Pop-Verständnis vor, und
T-Shit sind das beste Beispiel dafür. Alle drei „Band“-Mitglieder pflegen direkte Verbindungen
zu Pop-Acts vergangener Popfeste. Bernhard Hammers „elektronische Gitarren“ bekam
man schon als Teil der hochgradig party-tauglichen Human-Techno-Formation Elektro Guzzi
zu hören. Zu ihm gesellt sich hier Bernd Klug, der als Teilzeit-New Yorker viel mit Meaghan
Burke (Rash, Le Cowboy), aber auch mit Werner Kitzmüller und Mimu Merz und Violetta
Parisini gespielt hat - um jetzt einmal selektiv auf den Pop-affineren Teil seiner
musikalischen Sozialisation hinzuweisen. Sein Solowerk dagegen konzentriert sich, wie es
auf seiner Website so schön heißt, „auf die Welt innerhalb des Kontrabasses: Der Bogen,
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der Korpus und die Raumfrequenzen bilden die Grundlage für eine radikale Reduktion
sowohl der Rolle des Komponisten/Performers als auch des traditionellen musikalischen
Narrativs.“ (Übersetzung) Man kann aber auch „Feedback Kontrabass“ dazu sagen. Als
dritter stieß Sixtus Preiss, Schlagzeuger und Elektroniker, dazu, auf dessen Facebook-Seite
sich nebst Fotografien komplexer Verkabelungen seines Rigs und auf den Lötkolben
wartenden Platinen für selbstgebaute Verstärker diesen Februar auch ein vollgekritzelter
Notenzettel mit folgender spannender Erklärung dazu fand: „Ich habe ein paar Monate
(vielleicht ein Jahr) an diesem Groove gearbeitet, um Vierviertel- und Sechsachtel-Takt
gleichzeitig zum Funktionieren zu bringen. Es hat geklappt, und jetzt liegt es an dem/der
HörerIn zu entscheiden, zu welchem Takt er/sie tanzen will.“ (Übersetzung) Tanzmusik beim
Popfest also, gespielt von Schlagzeug, Gitarre und Bass, eh nichts Außergewöhnliches,
ehrlich.
Samstag 18.30 Uhr, Seebühne
VELOJET
Dieses gemischte Quartett aus dem nieder- und oberösterreichischen Grenzland
erschien Mitte des letzten Jahrzehnts als Musterbeispiel der perfekten Indie-Pop-Band
auf der Bildfläche – so perfekt, dass nach dem dritten Album auch schon alles gesagt
zu sein schien. Eben nicht: Im zehnten Jahr ihres Bestehens haben Velojet sich völlig
neu erfunden. Mit dem schwedischen Produzenten Magnus Henriksson haben sie auf einer
finnischen Insel tatsächlich sowas wie ihr Magnum Opus produziert. Wären wir noch in den
1960ern (und in Gesellschaft Velojets könnte man das manchmal glauben), dann würden wir
von einer psychedelischen Reinkarnation sprechen. Nicht zufällig hat René Mühlberger zur
Finanzierung der Produktion des vierten Albums „Panorama“ seine Vespa verkauft (und den
Panorama-VW-Bus behalten). Seine Stimme klingt jedenfalls befreiter, nicht erwachsener,
sondern im Gegenteil kindlicher und dadurch berührender denn je. Analoger Hall, Mellotron,
Orgel, Streicher, Pauken und Trompeten ziehen opulente Girlanden rund um die besten
Melodien, die diese Band je hervorgebracht hat (was im Falle Velojets was heißen will).
Dazu kommt noch, dass es sich bei Velojet eigentlich um einen gut als Pop-Band getarnten
Haufen musikalischer Tausendsassas mit Jazz-Diplomen in der Schublade handelt, die zu
so gut wie allem fähig sind. Rückblickend hatten „This Quiet Town“ (2007) und „Heavy Gold
and the Return of the Stereo Chorus“ (2010) bereits Anklänge auf einen Ausbruch aus der
niedlichen, altgewohnten Indie-Nische enthalten, aber „Panorama“ geht den Weg jetzt
konsequent zu Ende. Erscheinen wird die Platte, die alles verändert, zwar erst im Oktober,
beim Popfest werden Velojet ihren neuen Sound aber bereits in voller Breite präsentieren.
Freitag 24 Uhr, brut
WILD EVEL & THE TRASHBONES
Die primitive Welt des Garage Punk ist ein seltenes Beispiel für jahrzehntelang
gepflegtes, stures starres Dogma, das trotzdem, nein gerade deshalb Spaß macht. In
diesem vornehmlich in Schwarz-Weiß gehaltenen Mikrokosmos ist Wild Evel ein nicht
kaputt zu kriegender Koloss, egal wie viel Bier er aus seinen schweißgetränkten
Chelsea-Boots trinkt. Das heißt, wir sollten hier wohl nicht seine Rolle als Frontman der
Incredible Staggers mit der bei den Trashbones durcheinander bringen. Wedelt er bei
ersteren furios mit Mikrophon und Tamburin, so reitet er bei zweiteren die rote Farfisa,
gelegentlich bäuchlings auf allen Tasten. Musikalisch gesehen verwüsten die jeweils vier
Akkorde eines Trashbones-Songs dem der Staggers zwar benachbartes, aber doch
entschieden raueres Revier: Weniger Surf, dafür mehr Punk der Sorte, die 1966 in einem
Kaff im amerikanischen Mittelwesten entstanden und in den Achtzigern auf irgendeinem
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Pebbles-Sampler wiederentdeckt worden wäre. „Tales from the Cave“ eben, genau wie es
der Titel des letztes Jahr erschienenen Wild Evel & The Trashbones-Albums verspricht. Die
Gefahr solcher kompromissloser Retro-Ästhetik mit Liebe zum Detail ist ja eigentlich immer,
dass sie einen perfekt gestylten Weg in die pathologische Fixierung bahnen kann. Doch bei
Wild Evel braucht man sich darüber keine Sorgen zu machen. Er hat schon vor einigen
Jahren die Verwandlung in eine jener Cartoon-Figuren vollzogen, die er so perfekt für die
eigenen (und manch anderer Leute) Plattencover zeichnet. Von wegen „I Wanna Be Your
Caveman“, aber er ist es doch schon längst.
Donnerstag 2 Uhr, TU Prechtlsaal
ZANSHIN
Zanshins Wurzeln, sagt sein Label, liegen im asiatischen Kampfsport. Nachdem die
avancierte Wiener Elektronikschmiede Affine Records seit Anbeginn zu den besten
Freunden des Popfest gehört, wollen wir uns darüber einmal keine Sorgen machen.
Seine bis zum Geht-nicht-mehr verdichteten Verstrickungen von Synth-Sounds, Beats
und Gesangsfetzen klingen jedenfalls so, als würde ihre Programmierung und erst
recht ihre Live-Manipulation äußerst schnelle Reflexe erfordern. Wie heißt es gleich im
Affine-Info? „Die Erforschung von Zanshin wird dich zu den Trümmern einer Art
zerbrochenen Stiege leiten, die einmal zu klassischem Elektro geführt haben muss, der mit
abstraktem Jazz und der Avantgarde flirtet. Verstörende Feldaufnahmen mischen sich mit
Bass-Schwergewichtsmeistern, und eine erzählende Stimme könnte stets hinter der
nächsten Ecke lauern und eine Art von Schlaflied singen. Dies ist Musik, die sich problemlos
vom verschwitzten Tanzboden eines Clubs zur einsamen nächtlichen Bahnfahrt erstrecken
kann. Ein fragmentiertes Panorama emotionaler Komplexität. Eine Faszination mit allen
möglichen Arten von Strukturen in Sounds, überraschenden Wendungen und epischen
Momenten ist stets präsent und entspricht gewissermaßen einem Credo. Und wenn man
Zanshin selbst fragt, was das alles bedeuten soll, wird er einem eine eigenartige Geschichte
über einen Lehrling und eine Hexe erzählen“. So weit so mysteriös, aber der Versuch,
Zanshins Musik in Worte zu fassen, ist auch kein Picknick. Er ist zwar nicht zur
Veröffentlichung gedacht, aber sein Tech Rider sagt ungefähr dasselbe auf gänzlich
prosaische Art: „1x1 table (stable) Stereo line to PA 1x monitoring (stereo if possible)“ - die
reine Lehre der elektronischen Euphorie-Erzeugung also, geradewegs ins Pult. Was davor
passiert, bleibt Zanshins Geheimnis.
Bundesministerin Claudia Schmied zum Popfest 2013
„Die Vielfalt der verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen ist mir ein wichtiges
Anliegen. Es freut mich deshalb sehr, dass mit dem Popfest eine Bühne für künstlerisch
anspruchsvolle Popmusik aus Österreich existiert. Besonders jungen MusikerInnen und
Bands bietet das Popfest eine ideale Gelegenheit, sich interessierten Musikfreunden zu
präsentieren, ihre Bekanntheit zu steigern und damit ihre Karriere voranzutreiben.
Das BMUKK unterstützt das Popfest heuer mit 10.000 Euro. Parallel dazu fördert das
Ministerium qualitative heimische Popmusik über verschiedene Schienen. So erhalten das
österreichische Musikinformationszentrum mica, ein Partner des Popfests, und der
österreichische Musikfonds insgesamt 1.050.000 Euro. Aus den Mitteln des Musikfonds
gingen heuer bereits 146.720 Euro als Produktionsförderung und Toursupport an zehn
Bands, die auch auf dem Popfest in Wien auftreten werden.
Das Popfest findet heuer bereits zum vierten Mal statt. Das ist ein klares Zeichen für ein
stimmiges Konzept und eine hohe Akzeptanz beim Publikum. Ich gratuliere der
Festivalleitung zum bisher Erreichten und wünsche allen Beteiligten ein gelungenes
Popfest 2013.“
karlsplatz.org
www.popfest.at
25 -28 Juli
Karlsplatz
Eintritt frei!
Das Popfest Wien bedankt sich bei Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny & der Kulturabteilung der Stadt Wien ❤
karlsplatz.org & den Kunst- & Kulturhäusern des Karlsplatzes ❤ Radio FM4: Monika Eigensperger, Susi Ondrusova, Oliver Lingens,
Michael Fiedler, Clemens Fantur, Stefan Trischler ❤ Wien Museum: Wolfgang Kos, Christine Koblitz ❤ Technische Universität
Wien: Bettina Neunteufl, Herbert Kreuzeder, Martin Atzwanger ❤ Kunsthalle Wien: Martina Piber, Robert Gebauer ❤ brut: Olivia
Khalil, Thomas Frank ❤ Wiener Städtische: Sabine Weiss, Barbara Brejcha, Nina Kettl ❤ BMUKK ❤ Bezirksvorstehung Wieden:
Leo Plasch, Barbara Neuroth ❤ They Shoot Music Don’t They ❤ Tatjana Domany, Franz Hergovich ❤ Marc Damm ❤ Peter
Melichar ❤ den Wiener Stadtgärten: Joachim Chen, Gabriele Thon, Eva Hofer, Peter Berger, Thomas Hannes ❤ der MA48:
Manfred Meidlinger und seine Crew ❤ departure – Die Kreativagentur der Stadt Wien: Bettina Leidl, Heinz Wolf ❤ mica – music
austria ❤ Wiener Linien: Hannes Wutzel ❤ Waves Vienna ❤ Affine Records, Etage Noir Special, The Vinyl Heart Club, Dub:ioz,
Duzz Down San, Bauchklang Records, Kim Records, Melting Pot Music, Las Vegas Records, EMG, Sea You Records, Siluh Records,
Monkey Records, O*Solo Recordings, Stil vor Talent, Cloud Contact Records, Jazzwerkstatt Wien, Viennese Soulfood Records,
Honigdachs, Fettkakao, Karaoke Kalk, Wire Globe Recordings, Plag Dich Nicht, Beatpop Records, Isilistening, Early Morning
Melody, The Instrument Village, Wohnzimmer Records, Vienna Wildstyle, Medienmanufaktur, Miooow coop, Ear Candy,
Easylistening, Hoanzl, ink Music, Problembär Records, testcard, Tonträger Records, Cheap Records, Wilhelm show me the Major
Label, Vienna Songwriting Association, 98.3 Superfly, Okto, fm5.at, Radio Orange, Gerhard Stöger, Walter Gröbchen, Thomas
Miessgang, Florian Obkircher, Lukas Lauermann, Julia Pichler, Johann Kneihs, Petra Erdmann, Wolfgang Gumpelmaier, Matthias
Leihs, Dorit Chrysler, Peter Rehberg, Christof Kurzmann, Peter Hein, Maja Osojnik, Peter Nachtnebel, Andi Dvořak, Stefan
Niederwieser, Willi Resetarits, Tommy Vitera, Bernhard Kern, Ilias Dahimène, Charlie Bader, Stefan Redelsteiner, Rainer Krispel ❤
Falter, Standard, Standard.at, The Gap, ray Filmmagazin, FAQ Magazine, Radio Ö1, Austrian Music Export, Skug, eSel.at,
clubwien.at, Le Cool Wien, Stadtbekannt.at, The Message Magazine, Volume, wien.at ❤ den Wiener Musiklokalen und Plattenläden – keep cooking! und ganz besonders allen Popfest-Artists und übrigen Mitwirkenden.
Kunstplatz Karlsplatz – Ideal erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln U1, U2, U4, D, 1, 2, 62, 71, 2A, 4A, 59A, WLB

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