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www.detecon-dmr.com Detecon Management Report leading digital! DMR blue Ausgabe 1 / 2014 Wir begleiten Unternehmen in die digitale Zukunft. www.leading-digital.com We make ICT strategies work• Detecon Management Report blue 1 / 2013 www.detecon.com Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Alive! Zwischen Sicherheit und Fortschritt : Digitalisiert ist besser „Strategy is a Mentality“ : Innovation im Zentrum der digitalen Transformation Pro-Bono-Projekt mit DESERTEC-Foundation : Wenn die Crowd den Klimaschutz in die Hand nimmt Alive ! Liebe Leserinnen und Leser, noch immer beherrschen die NSA-Spähaffäre und die Frage nach der Informa tionssicherheit die Medien. Neben die Empörung treten aber auch konkrete Sicherheitskonzepte – und das ist gut. Denn Sicherheit ist die Voraussetzung für die kontinuierliche Weiterentwicklung der digitalen Welt. Ein Zurück gibt es nicht mehr: Wir befinden uns bereits inmitten der digitalen Transformation. Statt Bedrohungsszenarien brauchen wir deshalb einen gesellschaftlichen Lernprozess, um zukünftig verantwortungsvoll mit den Möglichkeiten der Digitalisierung umzugehen. Und diese sind vielfältig: Vernetzung macht das Leben einfach! Zahlreiche Themen dieser Ausgabe zeigen sehr konkret, wie digitale Technologien Nutzen stiften können. Die Lücke zwischen Consumer-IT und Corporate-IT ist allerdings noch lange nicht geschlossen. Neben innovativen Produkten und Services sind Unternehmen auf gefordert, auch intern zum heute möglichen Standard aufzuschließen. Und noch ein Punkt liegt uns am Herzen: Die digitale Transformation basiert auf einer entsprechenden Infrastruktur. Politisch werden derzeit die richtigen Signale gesetzt, Anbieter müssen den Ball aufnehmen und ihrerseits in den Ausbau der Netze investieren. Wir wünschen Ihnen zahlreiche Anregungen und eine gute Unterhaltung! Ihr Francis Deprez CEO, Detecon International GmbH 1 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Inhalt Zwischen Sicherheit und Fortschritt Digitalisiert ist besser 4 Cyber Security Der Irrtum der „gefühlten“ Sicherheit 8 Anti-Spionage-Netzwerk Clean Pipe Security Services der T-Systems machen den deutschen Mittelstand sicher 12 „Strategy is a mentality“ Innovation im Zentrum der digitalen Transformation 14 Interview mit Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG Welche Rolle spielt die Deutsche Telekom im Feld von Industrie 4.0? 18 Enterprise Architecture Management als Top-down-Ansatz für Umsetzungsstrategien Industrie 4.0 erfolgreich gestalten 20 Innovationsmanagement 1 Der steinige Weg von der Idee zu ihrer Implementierung 24 Innovationsmanagement 2 Unternehmenseigene Innovationszentren und Inkubatoren auf dem Prüfstand 28 Future Telco Überlebenskampf im Telko-Markt: Nur integrierte Carrier überleben 30 Interview mit simpleshow-Gründer und Geschäftsführer Jens Schmelzle Legetrick-Videos gegen Komplexität 32 Customer Self-Services Empirische Studie belegt hohes Potenzial aus Unternehmens- und Kundensicht 36 Customer Self-Service in der Versicherungsbranche “Do it digital!” Impressum: Herausgeber: Detecon International GmbH Sternengasse 14-16 50676 Köln www.detecon.com [email protected] 2 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Aufsichtsrat: Thilo Kusch (Vorsitz) Geschäftsführung: Francis Deprez (Vorsitz) Dr. Jens Nebendahl Handelsregister: Amtsgericht Köln HRB 76144 Sitz der Gesellschaft: Köln 38 Druck: Kristandt GmbH&Co.KG Frankfurt/Main Fotos: Fotolia iStockphoto Leading Digital! VMS, Fabasoft und Next Kraftwerke gewinnen Detecon ICT Award 40 Interview mit Bernd Gebert, Gründer und Leiter der Initiative „Das macht Schule“ IT- und Medienbildung an deutschen Schulen ist Basis für digitalen Wandel 46 M2M-Geschäftsmodelle Sprungbrett zu mehr Wachstum auf der Basis von Partnering 48 Next Generation Digital Health Services Diabetes Präventionsportal gibt die Richtung vor 52 Ambient Assisted Living Hohes Marktpotenzial, aber der Anstoß fehlt 54 eGovernment-Gesetz Drei Thesen zur Zukunft der digitalen Behörde 56 Wenn einer eine Reise tut … Ein Bericht über die eGovernment-Städtelandschaft Deutschlands58 Interview mit Sven Hense, Leiter eGovernment und Open Government Data „Behördliche Onlinedienstleistungen müssen zu erledigen sein wie eine Bestellung im Onlineshop“ 62 Pro-Bono-Projekt mit Desertec Foundation Wenn die Crowd den Klimaschutz in die Hand nimmt 64 Digitale Sinnlichkeit Tulpenschönheiten aus dem Scanner 68 Wir bedanken uns bei den Co-Autoren: Svenja Arens Nadine Kaesler Tanja Misiak Jochen Straub 3 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Zwischen Sicherheit und Fortschritt Digitalisiert ist besser Die Digitalisierung bahnt sich ihren Weg: Informationen, Gegenstände und Prozesse werden rigoros miteinander vernetzt. Maschinen, Produkte und Dienste werden immer intelligenter. Der Mensch rückt vermeintlich in den Hintergrund. Dabei dient der digitale Wandel in erster Linie seinem Wohl und verbessert sein Leben nachhaltig. Um die Möglichkeiten der Digitalisierung auszuschöpfen, sind mehr Sicherheit und Innovationskraft gefordert. 4 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 L eben war noch nie so leicht wie heute. Die Digitalisierung schenkt dem Menschen die Möglichkeit, organisatorische und logistische Aufgaben mit geringem Aufwand geradezu nebenbei zu erledigen. Das gibt ihm mehr Zeit für die wesentlichen Dinge. Theoretisch zumindest. Eine Fülle von Software-Tools und Cloud-Diensten steht zur Verfügung, um jederzeit und überall die nächste Reise zu planen, Produkte und Dienst leistungen zu erwerben und nebenbei die Steuererklärung zu erledigen. Der Konsument ist so souverän wie nie zuvor. Er recherchiert Informationen über nahezu jedes Produkt im Internet, vergleicht Angebote aus der ganzen Welt mit wenigen Mausklicks oder Wischbewegungen und organisiert sowohl seine Geschäfte als auch seine Freizeit mit PC und mobilen Endgeräten. K inokarten samt Platzreservierung gibt es über das Smartphone, der Tisch für das Abendessen wird aus dem Zug gebucht und Freunde verabreden sich dank Nachrichten-App auch zeitversetzt auf dem Weg zwischen zwei Terminen. Noch nie war es so einfach, den Kontakt mit anderen Menschen zu halten, kurzfristig Informationen auszutauschen und zu gewinnen. Der Preis für den Komfort ist häufig die Freigabe eigener D aten. Passgenaue Suchergebnisse und auf Konsumentenverhalten und Konsumentenwünsche abgestimmte Angebote gibt es nur, wenn der Anbieter etwas über Angewohnheiten und Vorlieben des Kunden erfährt. Und genau dieser Umstand sorgt bei vielen Menschen für Unbehagen. Wer unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Mitteln Informationen über eine Person gewinnt und was mit diesen geschieht, ist oft unklar. In Deutschland gewährt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, welche persönlichen Daten er anderen gegenüber preisgibt und wie diese Daten verarbeitet werden dürfen. Auch in der Europäischen Union zählt der Schutz personenbezogener D aten zu den Grundrechten. In den USA hingegen gibt es kaum vergleichbare Gesetze oder Vorschriften. Durch die NSA-Späh affäre hat die Datenschutzdebatte ab Sommer 2013 an Brisanz gewonnen. Das Vertrauen des Bürgers in die digitale Welt ist erschüttert. Nun ist es einerseits Aufgabe der Staatengemeinschaft, Richtlinien festzulegen, die den neuen Rahmenbedingungen des d igitalen Zeitalters gerecht werden und die Rechte des Bürgers schützen. Andererseits ist es eine Herausforderung für die U nternehmen, sichere Angebote zu entwickeln, um das Vertrauen des Konsumenten zu gewinnen. Gelingt es ihnen, werden sie die Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen, die immer noch in den Kinderschuhen steckt. Die Wirtschaft blickt gespannt auf die für das Jahr 2014 erwartete europäische Datenschutzreform, die mehr Klarheit darüber schaffen wird, welche Schutzmaßnahmen künftig erforderlich sind. Die digitale Welt braucht Sicherheit Nicht nur der Schutz personenbezogener Daten spielt eine gewichtige Rolle, wenn es darum geht, die Möglichkeiten der Digitalisierung umzusetzen. Die Sicherheit in der digitalen Welt muss grundsätzlich verbessert werden. Mit jeder neuen Schnittstelle und jedem neuen vernetzten Gerät steigt die Verwundbarkeit der Systeme. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass täglich etwa 30.000 Cyberangriffe auf Unternehmen in Deutschland stattfinden. Vielen von ihnen ist das bewusst. 87 Prozent der Unternehmen, die im Sommer 2013 vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Telekom befragt wurden, gaben an, aus dem Internet angegriffen zu werden. Rund ein Fünftel der Befragten wird sogar täglich oder mehrfach pro Woche attackiert. Nur 13 Prozent sind der Meinung, bislang von Cyberattacken verschont geblieben zu sein. Die tatsächliche Zahl von Angriffen und betroffenen Unternehmen mag höher sein. Wie unbemerkt Aktionen im Cyberbereich bleiben können, veranschaulicht die Zahl der an die Öffentlichkeit gelangten Angriffe, die die NSA im Jahr 2011 ausgeführt hat: Von 231 Attacken wurde vor der Spähaffäre kaum eine bekannt. Zu viele Unternehmen wähnen sich in Sicherheit, während Cyberkriminelle und Wirtschaftsspione immer neue Angriffsmethoden entwickeln, um Kundendaten und Know-how 5 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 zu stehlen und ganze Infrastrukturen zu bedrohen. Dabei existieren ausgereifte Sicherheitskonzepte und Lösungen, mit denen sich Unternehmen schützen können. Auch Detecon legt einen Schwerpunkt auf das Thema Sicherheit. Zusammen mit T-Systems arbeiten die Sicherheitsspezialisten beispielsweise an der „Clean Pipe“, einer Lösung, die Unternehmen einen sicheren Zugang zum Internet und zu Cloud-Angeboten bietet. CIOs sind bei der Aufgabe, ihr Unternehmen gegen Angriffe aus dem Netz zu sichern, nicht auf sich alleine gestellt. Sicherheit bietet Chance für Innovationen Der Bedarf an mehr Sicherheit in der digitalen Welt darf nicht als Hemmnis für technologischen Fortschritt und die Entwicklung neuer Angebote verstanden werden. Gelingt es der Wirtschaft, durch ein hohes und transparentes Schutz- und Sicherheitsniveau mehr Vertrauen auf Verbraucherseite zu schaffen, öffnet sich ein neues Spielfeld für Innovationen. Viele heutige Geschäftsmodelle und Angebote wurden erst durch die Digitalisierung möglich. Innovative Apps und Services funktionieren nur auf Basis vernetzter Informationen, Produkte und Dienste. Welche neuen Lösungen und Angebote durch den digitalen Wandel in Zukunft möglich werden, liegt bei der Kreativität und Innovationskraft der Unternehmen. Im Gesundheitswesen etwa, insbesondere im Bereich der medizinischen Versorgung, können vernetzte Lösungen dazu beitragen, die Lebensqualität der Menschen nachhaltig zu verbessern. Gleichzeitig liegt hier großes Potenzial für neue Geschäftsmodelle. Ein Beispiel dafür ist das Präventionsportal Diabetes, das Detecon, die Telekom und die Central Versicherung gemeinsam entwickelt haben. Patienten überwachen ihre Vitaldaten auf Basis einer sicheren Online-Plattform selbst. Angeschlossene Spezialisten empfehlen ihnen individuelle Maßnahmen zu Sporttherapie und Ernährung. Die Heilungschancen des Diabtes Typ 2 steigen dadurch und ermöglichen vielen Erkrankten ein besseres Leben. Die Digitalisierung birgt enormes Wachstums- und Wohlstandspotenzial. Unternehmer wissen, dass Chancen immer auch mit 6 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Risiken verbunden sind. Mit dem Fortschritt wachsen nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die Komplexität und die Erwartungen des Kunden. Der digitale, anspruchsvolle und gut informierte Verbraucher erwartet heute mehr von Anbietern als noch vor wenigen Jahren. Dieser Trend lässt sich nicht umkehren. Jede neue Generation, die mit digitalen Helfern aufwächst und bereits im Kindesalter lernt, mit Computer, Smartphones, Apps und Cloud-Diensten umzugehen, stellt neue Anforderungen an Produkte und Services. Um auch morgen noch attraktiv für ihre Kunden zu sein, müssen Unternehmen bestehende Geschäftsmodelle an den digitalen Wandel anpassen. Zugleich gewinnen sie die Möglichkeit, völlig neue Angebote und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Erfüllen Unternehmen die geänderten Konsumentenwünsche, gewinnen sie lukrative Wachstumschancen. Innovationsfähigkeit wird an der Schnittstelle zur digitalen Dekade zum immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor. Für Unternehmen ist es deshalb von äußerster Relevanz, Organisationsstrukturen und Prozesse schaffen, die die Entwicklung innovativer Produkte und Dienste fördern. Dies ist noch längst nicht überall der Fall, weshalb Innovationen in vielen Organisationen heute noch zum Scheitern verurteilt sind. Digitalisierung steht noch am Anfang Die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft findet jetzt statt. Vernetzte Geräte und Dienste sind binnen kürzester Zeit zu einem Bestandteil des Lebens geworden. Mit ihrer Hilfe sind Menschen dazu in der Lage, souveräner zu entscheiden, sich besser zu informieren und mehr Zeit für schöne Dinge zu gewinnen. Diese Entwicklung hat sich mit rasanter Geschwindigkeit vollzogen. Die Computerisierung des privaten Bereichs begann in den 1980er Jahren. 1993 schaltete CERN das World Wide Web für die öffentliche Nutzung frei und im Jahr 2004 wurde UMTS in Deutschland kommerziell verfügbar. Erst 2007 erschloss Apple den flächendeckenden Gebrauch des mobilen Internets mit der Einführung des Smartphones. In wenigen Jahren hat die Digitalisierung soziale Interaktions muster und das Kommunikationsverhalten des Menschen auerhaft verändert. Die arabische Welt hat eine Facebookd Revolution erlebt, nun halten vernetzte und mit Sensoren ausgestattete Datenbrillen, Uhren und Kleidungsstücke Einzug. Neue Sicherheitsrisiken und Bedrohungen sind ebenso schnell gewachsen wie die zahlreichen Lösungen, die das Leben h eute angenehmer machen. Das heißt jedoch nicht, dass sich der Mensch nun zwischen Sicherheit und Fortschritt entscheiden müsste: Das digitale Zeitalter steht noch am Anfang. Um ver- antwortungsvoll mit den Möglichkeiten der Digitalisierung umzugehen, ist ein gesellschaftlicher Lernprozess erforderlich, den sowohl der Einzelne als auch Wirtschaft und Politik durchlaufen. Unternehmen, denen es gelingt, sichere Angebote zu entwickeln, die Spaß machen und die Lebensqualität des Menschen verbessern, werden mit neuen Wachstumsmöglichkeiten belohnt. Für die Wirtschaft ist das gut und für den Menschen noch besser. Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen Sicherheit ist wichtiger als Freiheit 87 Prozent der deutschen Unternehmen werden von Cyberkriminellen angegriffen – jedes fünfte sogar täglich oder mehrmals pro Woche. Das ist eines der Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter Politikern und Führungskräften mittlerer und großer Unternehmen, die das Institut für D emoskopie Allensbach (IfD) im Auftrag der Deutschen Telekom im Sommer 2013 durchgeführt hat. Nie: 13 Prozent Täglich: 12 Prozent 79 Prozent der Deutschen entscheiden sich im Zweifelsfall für mehr Sicherheit anstatt Freiheit im Internet. Der Schutz ihrer Daten vor A ngriffen beziehungsweise Missbrauch durch Dritte ist ihnen wichtiger, als die Möglichkeiten der digitalen Welt ohne Kontrollmechanismen a usschöpfen zu können. keine Angabe: 1 Prozent Freiheit: 20 Prozent Mehrmals in der Woche: 8 Prozent Etwa einmal pro Woche: 5 Prozent 2- bis 3-mal im Monat: 10 Prozent Seltener: 43 Prozent Quelle: Cyber Security Report 2013 Etwa einmal im Monat: 5 Prozent Freiheit: 20 Prozent Quelle: LIFE-Kurzumfrage von 1500 Internetnutzern von TNS Infratest im Auftrag der Deutschen Telekom und der Münchner Sicherheitskonferenz im Vorfeld des zweiten Cyber Security Summit, 2013 7 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Cyber Security Der Irrtum der „gefühlten“ Sicherheit Krieg und Kriminalität in der virtuellen Welt beschäftigen derzeit Staaten wie Unternehmen gleichermaßen. Ob Online-Spionage, Datenklau oder Lahmlegen von Webseiten – jede Cyber-Attacke hat ein tückisches Merkmal: Wenn der Betroffene die Attacke bemerkt, ist es meistens schon viel zu spät. iskussionen über Cyber Crime und Cyber War beherrD schen derzeit die Medien. Diese Aufmerksamkeit war nicht im- mer gegeben. Bis Ende 2012 wurde das Thema Cyber Crime weitestgehend als Fortführung und Verbesserung der aktuellen Angriffsmöglichkeiten von kriminellen Organisationen gegen industrielle Vereinigungen oder Organisationen betrachtet. Und Cyber War wurde von der Allgemeinheit als virtueller 8 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Krieg zwischen einzelnen Staaten wahrgenommen, der von staatlichen Organisationen ausgeht und in einer realen Aus einandersetzung münden kann. Die portionsweisen Veröffentlichungen von Edward S nowden führen nun dazu, dass diese Trennung zumindest teilweise revidiert werden muss. Es besteht der begründete Verdacht, dass in Einzelfällen durchaus staatliche Organisationen zu Cyber-Crime-Attacken eingesetzt werden, um wirtschaftliche Vorteile für die Unternehmen ihres Landes zu gewinnen oder wirtschaftliche Nachteile bei Unternehmen anderer Länder zu verursachen. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Der Gegner bleibt meistens unerkannt! Doch auch wenn man seinen Angreifer erkennt, bleibt die Frage offen: Wie sieht eine angemessene Reaktion aus? Welche rechtlichen Regelungen sind ohne handfeste Beweise anwendbar? Reale Cyber-Attacken wie im Agentenfilm Jeder Angriff, ob er von einem Scriptkiddyie oder von einer kriminellen Vereinigung durchgeführt wird, benötigt eine definierte Anzahl an finanziellen, personellen, organisatorischen, physischen oder technologischen Ressourcen. In Abhängigkeit von der Menge der benötigten Ressourcen können die Angriffsvarianten in drei Klassen eingeteilt werden: Eine der bekanntesten Cyber-Attacken, die öffentlich im Internet diskutiert wurden, war der Vorfall zwischen Russland und Estland im April 2007. Die estnische Regierung ließ ein russisches Kriegsdenkmal versetzen. Der russische Anteil der Bevölkerung von Tallin demonstrierte gegen die Versetzung des Denkmals an einen aus ihrer Sicht unbedeutenden Ort. Kurz darauf wurde eine Vielzahl öffentlicher Einrichtungen wie Banken, Ministerien und Krankenhäuser über das Internet durch massenhafte Serveranfragen, die die Kapazität der estnischen Server bei weitem überstiegen, angegriffen. Diese Attacke wurde über derart viele Angriffspunkte geführt, dass die öffentlichen Einrichtungen mehrere Tage lahm gelegt waren. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Attacke vermutlich nicht von der russischen Regierung initiiert wurde, sondern von einer russischen Jugendorganisation – eindeutig nachweisen lässt sich dies allerdings nicht. Cyber War existiert in Wahrheit aber schon sehr viel länger. Einer der ersten Fälle von Cyber War tobte von der Öffentlichkeit relativ unbemerkt im Jahre 1980 zwischen der USA und der Sowjetunion. Die Sowjetunion baute eine transsibirische Gaspipeline, um die Bodenschätze aus Sibirien in den Westen der Sowjetunion und nach Europa zu exportieren. Da der Sowjetunion Know-how fehlte, hat der sowjetische Geheimdienst KGB beschlossen, entsprechende Software aus den USA zu stehlen. Die CIA nutzte die Gelegenheit, um der gestohlenen Software für die Kontrollsysteme der Gaspipeline mittels eines Doppelagenten unbemerkt Schadsoftware beizufügen und die Kontrollsysteme auf diese Weise zu sabotieren. Nach Fertigstellung der Pipeline war es im April 1982 soweit: Die Schadsoftware verursachte fehlerhafte Anzeigen im Kontrollsystem, große Teile der Pipeline wurden durch Explosionen zerstört. Durch diesen Cyber-Angriff verlor die Sowjetunion die Kontrolle über den Energiemarkt in Europa und erlitt einen enormen finan ziellen Verlust. Beide Seiten haben sich über die Hintergründe des Vorfalls niemals in der Öffentlichkeit gegenseitig beschuldigt. Drei Ziele, drei Angriffsvarianten Schon dieser erste Vorfall aus den frühen 80’er Jahren zeigt das Hauptmerkmal einer Cyber Attacke: Wenn der Betroffene die Cyber-Attacke bemerkt, ist meistens schon viel zu spät! Kategorie 1 – Internet-Hacking: Willkürliche Angriffe dieser Kategorie verfolgen einen Angriff auf weitestgehend unspezifische Ziele. Der Akteur versucht, mit sehr begrenzten Mitteln einen maximalen Erfolg zu erzielen. Dabei sind vor allem Online-Banking-Daten und Kreditkartendaten das Ziel des Angreifers. Bei finanzierten Aktionen werden die Opfer in ihrer Arbeit mit Spam-Angriffen behindert. Bei diesen Angriffen werden meistens die klassischen, über das sogenannte „Darknet“, der „dunklen Seite“ des Internets, relativ einfach erhältlichen Scripts durchgeführt. Die zum Angriff genutzten Tools sind weitverbreit und haben nur eine geringe Komplexität. Sie sind einfach zu bedienen und werden normalerweise über die in den meisten Firmen eingesetzten Sicherheitstechnologien erkannt und abgewehrt. Voraussetzung dafür ist lediglich die regelmäßige Aktualisierung der Sicherheitstechnologien wie zum Beispiel Firewalls und Virenscanner. Kategorie 2 – Cyber Crime: Im Bereich des Cyber Crime führen meist Akteure von kriminellen Unternehmen A ktionen g egen Industrieunternehmen durch. Das Ziel können Sabotageak tionen sein oder, und das ist der häufigste Fall, der Diebstahl von Informationen. Bevorzugt entwendet werden die Kronjuwelen der angegriffenen Firmen, streng vertrauliche unternehmens kritische Informationen wie Patent-Entwicklungen und Produktionsverfahren von weltmarktführenden Unternehmen. Für diese Kategorie von Angriffen stehen umfangreiche R essourcen zur Verfügung. Die Angreifer bilden oft Auftragshacker-Gruppierungen, um eine größere Schlagkraft zu erzielen und koordinierte Angriffe starten zu können. Kategorie 3 – Cyber War: Im Cyber War stehen staatliche Interessen im Vordergrund. Die Akteure können quasi unbegrenzt auf Ressourcen zurück greifen, um Angriffe erfolgreich zu gestalten. Kostenaspekte spielen nur eine äußerst untergeordnete Rolle. Während bei Cyber-Crime-Attacken die Beschaffung geheimer Informationen im Vordergrund steht, werden bei Cyber-War-Attacken bevorzugt Sabatageaktionen ausgeführt, die möglichst eine maximale Zerstörungswirkung 9 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 zur Folge h aben. Deutsche Industrieunternehmen sind kein primäres Ziel dieser Kategorie, könnten allerdings in Einzelfällen in den F okus einer Cyber-War-Attacke rücken. Sollte sich ein feindlicher Staat das Ziel setzen, Unruhen in Deutschland herbei zu führen, ist beispielsweise eine Sabotageaktion gegen einzelne Industrieunternehmen, vorrangig Energieversorger, Wasserwerke und ähnliches, denkbar. Die Vielzahl deutscher Unternehmen, die als Weltmarktführer ihrer Branche oder Produktkategorie agieren, stehen definitiv im Fokus krimineller Vereinigungen, die im Bereich der Kategorie 2 „Cyber Crime“ aktiv sind. Ein Bespiel für eine solche kriminelle Vereinigung ist die „Hidden Lynx“-Gruppe, die sich aus 50 bis 100 Personen zusammensetzt. Der Zusammenschluss soll seit 2009 aus China heraus operieren und gegen Bezahlung Angriffe auf bestimmte Ziele durchführen. Hidden Lynx ist in der Lage, hochqualifizierte Cyber-Angriffe weltweit durchzuführen. Diese professionellen Hacker-Gruppierungen sind auf dem neuesten Stand der Technik und verwenden Eigenentwicklungen von Schadsoftware. Sie entwickeln Angriffsprogramme, die sie gezielt für einen bezahlten Angriff auf ein Unternehmen einsetzen. Die endgültige Kompilierung des Exploits führen die Hacker erst wenige Stunden vor dem eigentlichen Angriff durch, um absolut sicher zu gehen, dass dem Ziel der Exploit beim Angriff nicht bekannt ist. Einem geplanten Angriff, der zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuführen ist, geht oft eine Vorbereitung über mehrere Monate voraus. Kriminelle Vereinigungen wie Hidden Lynx arbeiten wie Wirtschaftsunternehmen. Liegen keine spezifischen Aufträge vor, führen sie Aktionen gegen aus ihrer Sicht interessante Unternehmen durch. Ziel der Aktionen können Kreditkartendaten, Kundendaten, personenbezogene Daten oder unternehmens kritische Informationen von weltmarktführenden Unter nehmen sein. Die gewonnenen beziehungsweise gestohlenen Informationen werden anschließend zum Kauf angeboten. Dies erfolgt über das Internet, wo Interessierte über einfache Suchanfragen diese Art von Informationen finden und anschließend erwerben können, oder durch direktes Anbieten der Informa tionen an einen Pool von potenziellen Käufern. Die Ressourcen für den Diebstahl von Informationen sind bei diesen kriminellen Organisationen in ausreichendem Maße vorhanden. Die Gewinnmarge ist außerordentlich hoch, da der Kostenfaktor im Vergleich zum Erlös vernachlässigbar ist. 10 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Sicherheitsstandard von Unternehmen ist nicht ausreichend In Deutschland haben alle kleinen und mittleren Unternehmen sowie in besonderem Umfang die großen Konzerne technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um gegen Angriffe über IP-Technologie und die Internet-Infrastruktur gewappnet zu sein. Selbst Kleinunternehmen haben ihren Internetzugang mindestens mit einer Firewall geschützt. Der E-Mail-Verkehr wird durch Virenscanner überwacht, auf mobilen Geräten wie Laptops oder Smartphones sind lokale Firewalls installiert. Viele Unternehmen sichern ihre Daten über diverse Backup-Mechanismen. Diese technischen Maßnahmen sind mittlerweile Standard und bewähren sich seit vielen Jahren. Vor allem die größeren Unternehmen haben in den letzten Jahren viel Aufwand in die Optimierung der Sicherheitsprozesse gesteckt, die hinter diesen technischen Maßnahmen stehen. Beispielsweise wurden die internen Abläufe verbessert, um Sicherheits-Updates schneller auf die betreffenden Systems zu übertragen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) steht die Optimierung der vorhandenen Maßnahmen noch nicht im Vordergrund, da die reine Existenz der Maßnahmen als ausreichend empfunden wird. Bis zu den Enthüllungen von Edward Snowden herrschte dadurch weitestgehend Zufriedenheit hinsichtlich der Sicherheitssituation der Unternehmen in Deutschland. Unbeachtet blieb, dass alle diese Maßnahmen nur gegen Angreifer der Kategorie 1 „Internet-Hacking“ wirksam sind. Firewalls und Virenscanner sowie alle ähnlichen Sicherheitslösungen prüfen den Bitstrom auf ihnen bekannte Muster und melden Alarm, wenn sie ein bekanntes Angriffsmuster erkennen. Unbekannte Muster werden erst als Gefahr erkannt, wenn diese gehäuft auftreten, da es sich auch um einen Übertragungsfehler handeln könnte. Kriminelle Organisationen nutzen neben vielen anderen Möglichkeiten auch diesen Aspekt aus, um unerkannt in Unternehmen eindringen zu können. Sie fahren „langsame Attacken“, um die Firmenschutzsysteme zu überwinden. Auch wenn Edward Snowden vordergründig die Spionageaktionen von staatlichen Organisationen anprangerte, wurde die Aufmerksamkeit aller Unternehmen verstärkt auf Cyber-Attacken gelenkt. Alle Unternehmen haben begriffen, dass die „gefühlte Sicherheit“ auf der Basis vorhandener, jahrelang bewährter technischer Maßnahmen, ein Irrtum war. Die Tatsache, dass staatliche Organisationen mit überschaubarem Aufwand in der Lage sind, eine Unmenge an geheimsten Informationen zu erlangen und quasi in Echtzeit auszuwerten, demonstriert die Möglichkeit, dass auch kriminelle Organisa tionen mit überschaubarem Aufwand zu ähnlichen Ergebnissen kommen können. Die in den meisten Unternehmen eingesetzten Sicherheitstechnologien existieren seit über zehn Jahren. Sie wurden in den letzten Jahren allerdings immer nur optimiert. Sowohl staatliche Angreifer, also Cyber-War-Soldaten, als auch kriminelle Organisationen kennen diese Technologien ebenso lange und haben Möglichkeiten entwickelt, um die bekannten Technologien zu überwinden. Während die Ziele der Angreifer aus Kategorie 1 darin bestanden, Aufmerksamkeit zu erhalten oder die Schwächen von Firmeninstallationen aufzuzeigen, haben kriminelle Organisationen, die typischen Angreifer aus Kategorie 2, ganz andere Ziele. In den meisten Fällen möchten diese Angreifer Informationen beschaffen, ohne dass der Angegriffene merkt, dass diese Informationen überhaupt entwendet wurden. Ein anderes mögliches Ziel ist eine Sabotageaktion, die zu einem definierten Zeitpunkt eine schadenserzeugende Aktion auslöst. In beiden Fällen geschieht der eigentliche Angriff lange bevor der Angegriffene trotz der vorhandenen klassischen Sicherheitslösungen wie Firewall und Virenscanner etwas davon bemerkt. Häufig verschwindet der professionelle Angreifer, ohne Spuren zu hinterlassen. Schutzmaßnahmen müssen Angriffe bereits im Vorfeld verhindern Durch die intensive öffentliche Diskussion der Spionage aktionen der USA fragen sich viele Unternehmen: Welche Möglichkeiten haben potenzielle Angreifer tatsächlich, um uns anzugreifen? Gibt es Angriffsszenarien und Möglichkeiten, die wir noch nicht kennen? Wie gut sind wir mit unseren eingesetzten Maßnahmen geschützt, um gegen hochgradig professionelle Angreifer zu bestehen? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, müssen Unternehmen potenzielle Angreifer analysieren („Kenne deinen Feind!“) und die schützenswerten Güter wie Standorte, Materialien und Informationen aufnehmen. Danach müssen sie Angriffsszenarien ermitteln und analysieren. Der Schwerpunkt wird zu Beginn auf die unternehmenskritischen Prozesse und Systeme oder Informationen gelegt. Nach der Analyse der vorhandenen Maßnahmen und der Ermittlung einer möglichen Lücke (GAP-Analyse) können Unternehmen in die Maßnahmenplanung einsteigen. Zu beachten ist, dass die Einfallstore für Angriffe äußerst vielfältig sind. Neben den Außenpunkten des Unternehmens wie Webportale oder Internetzugang ist jedes einzelne System angreifbar. Dazu gehören alle PC-Systeme des Unternehmens. Jeder Laptop, der im Außendienst eingesetzt ist, kann über diverse Schnittstellen, zum Beispiel über WLAN im Internetcafe, kompromittiert werden. Häufig wird Schadsoftware über firmeneigene oder private USB-Sticks sowie über Smartphones unbemerkt in die Firmen hinein getragen. Neben diesen außerordentlich vielfältigen technischen Angriffspunkten ist auch der Mitarbeiter selbst ein für den professionellen Angreifer äußerst attraktiver Angriffspunkt. Diese Angriffsform wird „Social Engineering“ genannt. Der Angreifer gelangt durch konkreten Kontakt zum Opfer an die gewünschten Informationen. Dabei nutzt der Angreifer psychologische Effekte und gibt sich als Autoritäts- oder Vertrauensperson aus, verwendet den unternehmensinternen Wortschatz oder spiegelt Situationen vor, die das Opfer zusätzlich in eine Stresssituation bringen. Der Angreifer könnte sich zum Beispiel als M itarbeiter ausgeben, der dringend die Zugangsdaten benötigt, da alle Server ausgefallen sind und die Geschäftsprozesse stillstehen. In einer solchen Stresssituation reagieren viele Angestellte unüberlegt, folgen den Anweisungen des Angreifers und geben schützenswerte Informationen preis. Doch wie sollte nun ein Unternehmen auf eine Cyber-Attacke reagieren? Leider muss man offen sagen, dass es keine angemessene Reaktion gibt. Der Schaden ist passiert – der Verursacher ist nicht greifbar! Während man auf Hacking-Angriffe der Kategorie 1 während des Angriffs reagieren kann, müssen Cyber-Attacken im Vorfeld verhindert werden. Unternehmen, die sich den aktuellen Bedrohungen stellen, analysieren ihre Situation genauestens und erarbeiten neue technische Maßnahmen zum Schutz ihrer kritischen Assets. Dabei werden neue Technologien, die auch auf die neuen Angriffsmethoden reagieren, evaluiert und bedarfsgerecht eingesetzt. Für den optimierten Einsatz der neuen Technologien müssen die Reaktionszeiten und Prozesse diesen Technologien angepasst werden. Neben den technischen und organisatorischen Maßnahmen ist die Sensibilisierung und Schulung aller Mitarbeiter mindestens ebenso wichtig, um professionell auf Social-Engineering-Attacken reagieren zu können. Diese Aktionen unterstützen Unternehmen darin, den Vorsprung von kriminellen Organisationen zu minimieren – oder sogar auszugleichen. Torsten Stimmel berät als Managing Consultant seit 15 Jahren Kunden unterschiedlicher Branchen zu den Themen IT Security und Informationssicherheit. 11 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Anti-Spionage-Netzwerk Clean Pipe Security Services der T-Systems machen den deutschen Mittelstand sicher Endlich existiert auf dem Markt eine Lösung, die Unternehmen einen sicheren Zugang zu Internet und Cloud-Angeboten bietet. er heute in Deutschland den Wasserhahn aufdreht, braucht W sich keine Sorgen zu machen: Es kommt sauberes und gefah- renlos trinkbares Wasser aus der Leitung. Die Qualität kontrolliert jemand anderes. Clean Pipe funktioniert nach demselben Prinzip, nur auf die Sicherheit des Datenverkehrs im Internet bezogen: Über die Clean Pipe Security Services erhalten Unternehmen eine “saubere Datenleitung“ für den Datenverkehr in und aus dem Internet und müssen sich nicht mehr selbst um dieses Thema kümmern. Den Schutz übernimmt T-Systems als Serviceangebot. Schon vor der NSA-Affäre hat T-Systems erkannt, dass es keine Sicherheitslösung für Mittelstandskunden gibt, die dem Sicherheitsniveau wie eine dedizierte Lösung, jedoch hochstandardisiert und schnell bereitstellbar, entspricht. Aus dieser Erkenntnis entstand das Projekt „Clean Pipe“ mit dem Auftrag, genau diese 12 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Lücke zu schließen und den deutschen Mittelstandskunden eine Lösung mit Datenhaltung in Deutschland anzubieten. Wichtige Rahmenbedingung ist eine hohe Standardisierung und eine für den Mittelstandskunden einfache Lösung, da nicht jeder Mittelständler über eine spezialisierte IT-Abteilung verfügt. Mittelstandskunden sind vor allem Kunden der Telekom Deutschland, so dass in dem Projekt ein kombiniertes Team aus Mitgliedern der Telekom Deutschland und der T-Systems gemeinsam an der Lösung und Umsetzung gearbeitet haben. Detecon hat die Projektleitung übernommen. Anfang November 2013 wurde das Release 1 des Produktes Clean Pipe Security Services in einem sogenannten Softlaunch, also nur für einzelne reale Testkunden, auf den Markt gebracht. Das Produkt ist in vier Services aufgeteilt (siehe Abbildung). Abbildung: Clean Pipe Services zum Softlaunch Basic Firewall & IPS Basic-Firewall-Service inklusive Intrusion-Prevention-Service (IPS) Web & Mail Security Sicherer Mail- und Web-Verkehr, inklusive Antivirus, SPAM-Schutz, URL-Blocking Secure Site Access Secure Mobile Access Verschlüsselter und authentisierter Datenverkehr zwischen Unternehmensstandorten und Clean-Pipe-Plattform über das Smart Security Device Sicherer Zugriff auf CleanPipe-Plattform für mobile Mitarbeiter Quelle: T-Systems, Release 1 (2013) Der Kunde erhält nur noch ein sogenanntes Smart Security Device, einen Router ohne Sicherheitsfunktionalitäten, der einen gesichteten Zugang in Form einer verschlüsselten Verbindung zur T-Systems Cloud ermöglicht. Das Smart Security Device wird hinter dem eigentlichen Internetzugang, der nicht Bestandteil des Clean-Pipe-Produktes ist, in Betrieb genommen. Für dieses Endgerät fiel die Wahl auf einen Router der deutschen Firma Lancom. Die Wifi-freie Version dieses Routers besitzt die BSI Zertifizierung gemäß Common Criteria EAL 4+. Einfach sollte auch die Lösung für die Nutzung mit Blick auf die Vertragsgestaltung sein. Man entschied sich statt einer Abrechnung pro Nutzer (userbasiertes Abrechnungsmodell) für ein einfaches, bandbreitenbasierendes Modell, da dies der eigentliche Kostentreiber des Angebotes ist. Ergebnis ist ein einfaches, dreistufiges Preismodell, das auf 2, 10 oder 34 Mbit/s Zugangsbandbreite basiert. Der Einstieg in die Clean Pipe Services ist ohne Nutzerbeschränkung ab 99,95 Euro pro Monat möglich. Zusätzlich kann der Kunde seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend weitere Services wie beispielsweise Websecurity dazu buchen, um dem Bedrohungsszenario „Surfen im Internet“ zu begegnen und das Risiko zu minimieren, sich über „infizierte“ Web-Seiten Viren und ähnliches auf den eigenen Computer zu ziehen. Für Unternehmen ist es darüber hinaus wichtig, den Zugriff der Mitarbeiter auf nicht gewünschte Internetseiten verhindern zu können. Die Administration der Services übernimmt der Kunde selbst über den „Customer Self Administraion“-Zugang. Im ServiceBeispiel Websecurity kann er eines von drei Security-Profilen „high“, „medium“ und „low“ auswählen. T-Systems pflegt diese Profile und passt sie laufend an – um Details muss sich der Kunde nicht kümmern. Im Gegensatz zu einer nicht standardisierten, aber auch viel teureren kundenindividuellen Lösung benötigt er keinerlei technisches Verständnis. Allerdings kann er auch keine individuellen Änderungen einbringen, sondern muss eines der drei angebotenen Profile annehmen und nutzen. Zur Zeit werden mit den ersten beiden Softlaunch-Kunden wertvolle Erfahrungen gesammelt, die in das geplante Release 2 eingehen. Release 2 wird zum Mai 2014 live gehen. Dieses Release ist der eigentlich Marktstart für den deutschen Mittelstand in der Masse. Wesentliche Änderungen bestehen in der Erhöhung der internen Automation, dem Launch eines Bestellportals für den Kunden und zusätzlichen Funktionen wie einer Inbound Mitigation (Datenverkehr) oder der DDos Mitigation. Auch der 155 Mbit/s Anschluss wird ab dem Release 2 mit Clean Pipe Services schützbar. Alternativen zu diesem Produkt fehlen bislang auf dem Markt, was die Erfolgsquote zusätzlich erhöht. So, wie heute jeder sauberes Wasser aus dem Hahn erwartet, kann diese Erwartung nun auch für den Datenverkehr in und aus dem Internet mittels Clean Pipe Security Services erfüllt werden. Hans Gaiser ist als Managing Consultant seit vielen Jahren in Unternehmen als Projektleiter tätig. Zu seinen Schwerpunkt themen gehört das weite Feld der Prozesse und das Thema Workforce Management im Field Service. 13 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 „Strategy is a mentality“ Innovation im Zentrum der digitalen Transformation Die Zukunft der großen Telekommunikationsunternehmen liegt in der digitalen Transformation. Die Umwandlung „analoger“ in „digitale“, ICT-basierte Geschäftsmodelle ist noch längst nicht am Ende. Das Beispiel Deutsche Telekom zeigt, wie sich ein Unternehmen als Orchestrator digitaler Wertschöpfungsnetze formiert. Eine offene Innovationskultur ist Voraussetzung für die erfolgreiche Positionierung. 14 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 nternehmen aller Branchen stehen heute vor der HerausforU derung, ihre linearen Wertschöpfungsketten in agile Wertschöp- fungsnetzwerke zu verwandeln. Statt am Ende einer Kette zu stehen, müssen sie zu Knotenpunkten innerhalb von IT-unterstützten Netzwerken werden. In diesen Smart Business Networks können sie ad hoc und flexibel mit Partnern, Zulieferern und Wettbewerbern zusammenarbeiten und sich mit ihren Kunden vernetzen. Zwei Grundprinzipien zeichnen diese Netzwerke aus: Fung die Malls umgeht und sich direkt bei Kunden anbietet. Für Frauenkonfektion in Indien ist dies bereits der Fall! Es ist interessant, die Muster der Transformation der „alten“ mit dem Entstehen der „neuen“ Marktplätze zu vergleichen. Für einen erfolgreichen Mall-Anbieter gelten noch heute drei Erfolgsrezepte: • Die Akteure wählen digitalisierte Geschäftsprozesse rasch aus, können diese schnell andocken und ausführen: „Pick, Plug and Play“. 1. 2. 3. • Sie können sich genauso schnell wieder voneinander trennen: „Quick Connect and Disconnect“. Die Erfolgsfaktoren der digitalen Marktplätze lassen sich übertragen: Auf dieser Basis entwickeln die Teilnehmer des Netzwerks ad hoc gemeinsam Produkte, stimmen logistische Prozesse ab oder organisieren ihren Vertrieb. Die Basis für diese Zusammenarbeit bieten digitalisierte, standardisierte Prozesse und modularisierte IT-Systeme mit offenen Schnittstellen sowie einheitlichen Datenformaten. Aus diesem Status leiten wir Erfolgsfaktoren für eine Positionierung im Zentrum der digitalen Transformation ab. 1. eine gute Positionierung in den richtigen Wertschöpfungs netzen mit einer wettbewerbsfähigen Infrastruktur, 2. kaum eigene Endprodukte, ein hoher Anteil von innovativen Partnerprodukten, die allerdings sehr schnell skaliert werden können, 3. offene und günstige Vernetzung der digitalen Geschäfts prozesse der Kunden mit eigenen Mehrwertdiensten. Aufbau effizienter Wertschöpfungsnetze folgt bekannten Mustern Das wohl bekannteste Beispiel eines „Orchestrators von digitalen Wertschöpfungsnetzen“ stellt zweifelsohne Amazon dar. Die Vielfalt und Lieferqualität dieses ursprünglich für Bücher konzipierten Marktplatzes ist bekannt. Wer heute Buchhändler werden möchte, findet hier eine vollständige Handelsplattform vor mit Infrastrukturleistungen in Form von Cloud Computing Services für Geschäftsanwendungen, die sich nahezu beliebig skalieren lassen, sowie eine Suite von Geschäftsprozessen und Service leistungen – „Business as a Service“. Die Prozesse reichen von der Produktsuche über Auswahl, Bestellung, Lieferung und Zahlung bis zur Verwaltung. Und die Kundenbasis liefert amazon.com im Prinzip gleich mit. Die Vernetzung lässt sich gut an einer klassischen, amerikanischen Einkaufsmeile („Mall“) verdeutlichen. Die Besucher – und potenziellen Kunden – kommen bereits mit Navigationshilfen an und sind mit vernetzter Einkaufshilfe und Preisvergleich-Software ausgestattet. Der Mall Provider kann sein Parkleitsystem mit Navigationsdaten speisen und dem Shop-Betreiber schon relativ präzise voraussagen, wann in den nächsten Stunden ein Besucheransturm zu erwarten ist und mehr Verkaufspersonal benötigt wird. Auch der Blick hinter die Schaufenster der US-Einkaufsmeilen zeigt ein ausgeprägtes Bild der Transforma tion: 40 Prozent der Bekleidung dort werden von Li & Fung aus Hongkong ‚orchestriert‘. Das 1906 gegründete Handelshaus hat im Laufe der Zeit etwa 15.000 Fabriken zu einem virtuellen Produktionsverbund zusammengesetzt und koordiniert alle Prozesse von Design und Stückliste über die Produktion bis zur Distribution. Gerade weil die Firma niemals eigene Fabriken besessen hat, kann sie sich gut als Vermittler zwischen den amerikanischen Brands und den „low-cost“-Produktionsstandorten dieser Welt positionieren. Sicherlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis Li & die beste Lokation und Infrastruktur, die populärsten Marken in der Mall, den Shop-Betreibern und Markenartiklern zusätzlich Waren und Dienste anbieten zu können. Der Erfolg dieser Firma basiert zu einem großen Teil auf der Rastlosigkeit des Firmengründers Jeff Bezos, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Das Produktsortiment wird ständig erweitert, die Randnutzung von Computerleistung und Webhosting verwandelte sich in ein eigenes, florierendes Geschäft, über das seit zwei Jahren auch SAP-Software vertrieben wird. Einer der jüngsten Schritte auf neuem Terrain geht in Richtung „Food“: Mit „AmazonFresh“ wird derzeit die Online-Bestellung und Freihauslieferung von Lebensmitteln in Seattle und Los Angeles 15 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 pilotiert. Durch die digitale Transformation des Lebensmittelhandels in Verbindung mit Trends wie „convenience food“ entsteht ein weiteres neues Geschäftspotenzial, für das sich Amazon positioniert. Führend bei Geschäftskunden: Branchenübergreifende Digitalisierung Die Deutsche Telekom hat dies bereits erkannt und positioniert sich in Bereichen wie Mobilität, Energie, Versicherungen oder Smart Home. Die branchenübergreifende Digitalisierung bietet dem Unternehmen Wachstumschancen auf Basis seiner eigentlichen Kernkompetenz, der Konnektivität – allerdings im übertragenen Sinne, das heißt auf Basis der Verbindung von Marktteilnehmern, von Unternehmen mit Unternehmen und von Unternehmen mit Kunden. Die Deutsche Telekom formiert sich als Orchestrator, der Prozesse unterschiedlicher Wertschöpfungspartner miteinander vernetzt und Unternehmen eine Plattform bietet, auf der sie erfolgreich Geschäfte abwickeln und mit einander konkurrieren. Dabei ist das Potenzial des „Internet der Dinge“ für M2M- und Big-Data-Dienstleistungen, insbesondere für und aus dem industriellen Deutschland, sehr vielversprechend. Die deutsche Industrie setzt mit Konzepten wie „Industrie 4.0“ Standards. Zwei wesentliche Aufgaben kommen auf die Deutsche Telekom zu: Zum einen kann sie den Unternehmen eine große Hilfe bei der eigenen Transformation in das digitale Zeitalter sein. Dazu hat sie mit T-Systems einen nicht zu vernachlässigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren heutigen Hauptkonkurrenten. Zum anderen kann sie Plattformen schaffen, auf denen sie d iese Industriekunden mit ihren derzeitigen Kunden – zum Beispiel 144 Millionen Mobilfunkkunden! – sowie neuen Kunden verbindet: Das Unternehmen stellt sein Kommunikationsnetz quasi als Distributionsnetz für digitale Güter zur Verfügung. Die Voraussetzungen dazu sind allerdings herausfordernd. Um beim „Mall-Beispiel“ zu bleiben: Die coolsten Brands und Produkte können nicht aus eigener Kraft entwickelt werden und sie kommen oft nicht von etablierten Unternehmen, sondern von innovationsstarken Startups. Es muss ihnen so einfach wie möglich gemacht werden, die Plattformen und Marktplätze zu nutzen und gegebenenfalls ihre Dienste noch mit Telekom-Diensten zu veredeln. Dazu müssen die Programmierungsstellen für Anwendungen und Geschäftsprozesse geöffnet und die Diensteelemente so modular angeboten werden, dass sie den beiden neuen Paradigmen „Pick, Plug and Play“ sowie „Quick Connect and Disconnect“ gerecht werden. 16 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Eine weitere Herausforderung besteht darin, diese offenen Plattformen über den gesamten Footprint des Konzerns sicher zu stellen, damit die Distribution schnell skalieren kann. Sobald es möglich ist, allen 144 Millionen Kunden beispielsweise innerhalb von fünf Tagen eine Security-Software anzubieten, nutzbar zu machen und abzurechnen, ist die Deutsche Telekom der „Mall-Partner“ der ersten Wahl. Dabei gilt es, die im Laufe der Zeit entstandenen Insellösungen einzelner Ländergesellschaften zu einer gemeinsamen, skalierbaren Plattform zu entwickeln. Mit dieser Herausforderung steht die Deutsche Telekom nicht alleine da. Insbesondere Systemkunden tun sich schwer. Ein Vorstandsmitglied einer global agierenden Versicherung sagte mir vor kurzem: „Derzeit werden 80 Prozent unserer Geschäftsvorfälle in nationalen Systemen und 20 Prozent global betrieben. Wenn es uns gelingt, diesen Anteil umzudrehen und generische Prozesse wie die Schadensregulierung global zu prozessieren, dann hätten wir einen immensen Wettbewerbsvorteil.“ Es ist selbstredend, dass diese Kunden der T-Systems in der Transformation der IT und Geschäftsprozesse der Deutschen Telekom selbst einen Benchmark sehen müssen, um sich auf eine gemeinsame Reise einzulassen. Dazu sind innovative BusinessProcess-Management-Systeme sowie neue Governance-Ansätze weg weisend. Wie wichtig dabei die Vernetzung über Industriegrenzen hinweg ist, wird unter anderem durch die rasanten Innovationen in der Komplexitätsbewältigung von Big Data deutlich. So ging einer der Detecon ICT Awards aus 2012 an den Dresdner Enterprise-Semantic-Search-Anbieter „Trans insight“. Mit dem unbeirrbaren unternehmerischen Weitblick der Gründer, dass sich Erkenntnisse der biologischen Bildanalyse und Wissensnetzwerke im Life-Science-Bereich auch in anderen Industrien nutzen lassen, liefern Bioinformatik und Geophysik neue Bausteine für die digitale Transformation. Mit Partnern gewinnen Die konsequente Öffnung geht mit einem neuen Partnerverständnis einher. Der Grundsatz „Innovation durch Kooperation“ wurde durch René Obermann geprägt und gewinnt jeden Tag an Bedeutung. Obermann hat die Deutsche Telekom darauf ausgerichtet, die Innovationskraft des Silicon Valley zu nutzen. Diese Innovationskultur eröffnet neue Horizonte, wenn es um Fragen des partnerschaftlichen Entwickelns geht: Das Valley stellt s elbst ein ausgeprägtes „Smart Innovation Network“ dar. Startups, Inkubatoren, Acceleratoren, Venture Capitalisten, Großunternehmen und Universitäten sind hochgradig vernetzt und teilen ihr Wissen miteinander. Die Ergebnisse sind unübertroffen erfolgreich. Diese Kultur der Offenheit und Leistungsbereitschaft in das eigene Unternehmen zu absorbieren, ist nicht trivial. Ein Lösungsszenario wurde im Mai diesen Jahres von Masayoshi Son, charismatischer CEO des japanischen ICT-Unternehmens Softbank, angekündigt: Er wird im Zuge der Übernahme von Sprint in den USA ein Innovationszentrum mit 1100 Mitarbeitern in der Bay gründen. Es könnte eine zweifelhafte Investition werden, da es fragwürdig ist, ob so viele der außerordentlichen Talente im Valley von einer „traditionellen Telco“ rekrutiert werden wollen. Um sich erfolgreich im Zentrum der digitalen Transformation zu positionieren, sollten vier Kernkompetenzen im Fokus stehen: Swisscom hat einen anderen Weg eingeschlagen. Christina Taylor, Leiterin der Abteilung Best Experience, war lange Jahre deren Outpost im Silicon Valley. Sie stellte fest, dass sich dort die Unternehmenskultur stark glich: Geprägt durch Offenheit teilt man Erfahrungen innerhalb und außerhalb der Unternehmensgrenzen, stellt den Kunden in den Mittelpunkt jeder Entscheidung, fördert Talente und vor allem: Man lässt Fehler zu. Taylor bezeichnet diese Art des Arbeitens und Denkens als „Human Centered Design“ (HCD). Um diesen kulturellen Wandel in die eidgenössische Zentrale zu importieren, hat sie in einer ehemaligen Postschalterhalle in Bern ein „Treibhaus der Inspiration“, das „BrainGym“, aufgebaut. Wie prägend HCD für Swisscom ist, wurde jüngst wieder in Form des erfolgreichen Relaunch der Shops deutlich. 3. Industriellen Mittelstands- und Systemkunden dabei helfen, die digitale Transformation und Positionierung in Smart Business Networks zu meistern. Sicherlich sieht das jeweils optimale Gesamtszenario für jede Unternehmung anders aus. Es sollte derweil unterstrichen werden, dass der „kalifornische Spirit“ auch von deutschen Firmen mitgestaltet wird. So betreibt die Hasso-Plattner-Förderstiftung ein Forschungsprogramm an der Stanford University, bei dem „Design Thinking“ im Vordergrund steht. Der Transfer ins SAPnahe Institut nach Potsdam scheint gut zu funktionieren. Gleichzeitig wurde das „Globale SAP M2M-Kompetenzzentrum“ nach Palo Alto verlegt, um näher an den globalen Entwicklungen zu sein. Ein gelungenes Beispiel transatlantischer Innovation! 1. Markttrends und passende Partner frühzeitig erkennen, nahtlose Kundenerlebnisse anbieten, Kunden begeistern! 2. „Easy to partner“ aus Sicht der Anbieterkunden auf Basis eines offenen und sehr kostengünstigen Prozess- und API-Layers: One-click-zero-touch! 4.B2B2C-Geschäftsmodelle durch integrierte IP-Netze als Qualitäts- und Kostenführer schnell zu skalieren, auch über den eigenen Footprint hinaus. Die Chancen der digitalen Transformation für die Deutsche Telekom sind immens. Dabei hilft ein guter Draht zur Innova tion im Valley. Nun geht es um die Umsetzung. Timotheus Höttges‘ Erkenntnisse seiner Stanford-Studienreise aus dem vergangenen Sommer werden sicherlich ein Ansporn sein. Während seines Besuchs in unserem Büro in San Francisco sagte er: „Strategy is a mentality – Strategie ist die Einstellung der ganzen Organisation, zu wissen, wie man gewinnt.“ Erfolgreiche Positionierung im Zentrum der digitalen Transformation Auch für die Deutsche Telekom sind die Transformation der Unternehmenskultur sowie neue Formen der Zusammenar beit ein essenzieller Treiber für den Unternehmenserfolg. Das Unternehmen will die Service- und Innovationsorientierung der Beschäftigten systematisch steigern und mehr Wettbewerbs fähigkeit, Agilität und Unternehmertum erzielen. Es gibt bereits eine Reihe von sehr guten Initiativen, unter anderem in der Internationalisierung des Managements. Darüber hinaus verfügt die Deutsche Telekom über eine starke Scouting-, Beratungs- und Partnering-Präsenz in der Bay Area. Lars Theobaldt verantwortet als Managing Partner den Bereich Innovations- und Geschäftsentwicklungsstrategie und berät die Deutsche Telekom in Deutschland und den USA. Er ist durch seine Beiträge über die Zukunft des ICT-Marktes bekannt. 17 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Interview Timotheus Höttges Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG Von 2009 bis zu seiner Berufung zum Vorstandsvorsitzenden verantwortete er als Mitglied des Konzernvorstands das Ressort Finanzen und Controlling. Von Dezember 2006 bis 2009 leitete Höttges im Konzernvorstand den Bereich T-Home. In dieser Funktion war er für das Festnetz- und Breitbandgeschäft sowie den integrierten Vertrieb und Service in Deutschland zuständig. Unter seiner Leitung gewann T-Home die DSL-Marktführerschaft im Neukundengeschäft und entwickelte das InternetFernsehen Entertain zum Massenmarktprodukt bei gleichzeitiger Stabilisierung der Ertragskraft. Höttges verantwortet das konzernweite Effizienzprogramm "Save for Service", nachdem er solche Programme bei T-Home und in den europäischen Mobilfunktöchtern erfolgreich durchgeführt hatte. Von 2005 bis zu seiner Berufung in den Konzernvorstand war Höttges im Vorstand der T-Mobile International für das Europageschäft zuständig. Von 2000 bis Ende 2004 war er Geschäftsführer Finanzen und Controlling und später Vorsitzender der Geschäftsführung T-Mobile Deutschland. Höttges arbeitete nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln drei Jahre in einer Unternehmensberatung, zuletzt als Projektleiter. Ende 1992 wechselte er zum VIAG Konzern in München, wo er seit 1997 als Bereichsleiter, später als Generalbevollmächtigter für Controlling, Unternehmensplanung sowie Merger und Acquisitions verantwortlich war. Als Projektleiter war er maßgeblich an der Fusion von VIAG AG und VEBA AG zur E.on AG beteiligt, die am 27. September 2000 wirksam wurde. 18 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Die Deutsche Industrie ist das Rückgrat der Wirtschaft und ein wichtiger Taktgeber Europas. Industrie 4.0 ist eines der Top-Themen des nächsten IT-Gipfels in Hamburg. DMR BLUE fragte Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG: „ Welche Rolle spielt die Deutsche Telekom im Feld von Industrie 4.0? Unternehmen der klassischen Produktionsindustrie digitalisieren und vernetzen ihre Geschäftsprozesse zunehmend in Echtzeit, um künftig besser, günstiger und auch flexibler zu produzieren. Wir als Deutsche Telekom wollen der Industrie als verlässlicher Partner den Weg in diese vierte industrielle Revolution, die so genannte „Industrie 4.0“, ebnen. Die Produkte und Dienste aus dem Kerngeschäft des Konzerns wie sicheres Cloud Computing, Breitband- und Mobilfunknetze, komplexe IT-Sicherheitslösungen und das IKT-Know-how aller Kolleginnen und Kollegen im Telekom-Konzern bilden dabei die Basis. Ziel sind optimierte Kernprozesse der Industrie – und das weltweit. Allerdings die Messlatte liegt hoch: Zum einen erwartet die Industrie von unserer Branche, dass wir solide Lösungen zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten und uns auch kulturell annähern – denken Sie zum Beispiel an Entwicklungszyklen von Apps im Vergleich zu einem industriellen Weltpatent. Zum anderen hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightech-Strategie den Startschuss für die Industrie 4.0 gegeben und erwartet beim Umgang mit sensiblen Produktions- und Kundendaten bestmögliche Sorgfalt. Datensicherheit und Datenschutz haben für die Deutsche Telekom auch bei Industrie 4.0 allergrößte Bedeutung. Und auch intern müssen wir langfristig angelegte, gut durchdachte Partnerschaftslösungen mit Industriekunden angehen. Denn unser Anspruch ist und muss sein, dass sich die Industrie zu 100 Prozent auf unser Unternehmen verlassen kann. Einen ersten Erfolg bei der realen Umsetzung von Industrie 4.0 konnten wir schon erzielen. Wir haben mit CLAAS, dem weltweit führenden Landmaschinenhersteller, eine Partnerschaft geschlossen. Und hierauf bin ich stolz! Denn in der Weizen- und Rapsernte 2013 haben wir im Rahmen eines Pilotprojekts gemeinsam mit CLAAS unter Beweis gestellt: Der Einsatz von IKTTechnologien wie LTE, M2M und Cloud Services hat die Produktionseffizienz in der Landwirtschaft messbar gesteigert und auch Arbeiternehmer von unnötigem Stress entlastet. Zusätzlichen Schub erwarte ich mir aus den aktuellen Koalitionsverhandlungen. Danach soll Industrie 4.0 ein zentrales Zukunftsprojekt der nächsten Bundesregierung werden. Das sind gute Signale für Deutschland – denn wir Deutschen werden als der Ausrüster der Welt, als die “Herzkammer“ der klassischen Industrie im Maschinen- und Anlagenbau, in der Chemie und im Automobilbau wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass Deutschland hier seine gute Position auf dem Weltmarkt noch weiter ausbaut – lassen Sie uns gemeinsam die Chance wahrnehmen, die klassische Industrie erfolgreich mit der IKT zu verschmelzen. Hieraus werden sich gute Impulse für unser Land entwickeln. Wir jedenfalls werden unseren Beitrag dazu leisten.“ 19 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Enterprise Architecture Management als Top-down-Ansatz für Umsetzungsstrategien Industrie 4.0 erfolgreich gestalten 20 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Direkt aus den Fabrikhallen gewachsene Bottom-up-Ansätze zur Realisierung durchgängiger Engineering-Prozesse schaffen oftmals nur mehr Systeme, Schnittstellen und Aufwand. Vielversprechend erscheinen dagegen Vorgehensweisen, bei denen ein Unternehmen vorab festlegt, welche Fähigkeiten künftig besonders wertvoll sein sollen. 4.0“ ist ein schillernder Begriff, der aktuell sowohl in „ Industrie der Praxis als auch in der Wissenschaft intensiv diskutiert wird. Aufgrund vieler Erfahrungen mit der geringen Tragfähigkeit neuer Buzzwords stehen viele Fachleute neuen „Mega-Begriffen“ deutlich abgeklärter und eher skeptisch gegenüber. Und in der Tat kann es so manchem Manager schwindelig von der sich immer schneller drehenden Spirale der industriellen Revolutionen werden, mit denen er mutmaßlich Schritt halten muss, um erfolgreich zu sein. Wir wollen das begriffliche Schwungrad für einen Moment anhalten, um zu betrachten, was sich wirklich hinter „Industrie 4.0“-Ansätzen verbirgt, und erste H inweise geben, wie diese neuen Produktionsansätze erfolgreich implementiert werden könnten. Teile steuern ihre Fertigung selbst Vielfach assoziiert Industrie 4.0 die Vorstellung, dass nach der modellierten „Digitalen Fabrik“ und der selbststeuernden „Smart Factory“ nun durch massiven Einsatz von Sensorik und Aktuatorik sogenannte cyber-physische Systeme (CPS) entstehen, durch die Digitale Modelle und „Smarte Objekte“ ihr Potenzial voll entfalten können und zu autonomen Einheiten heranwachsen. Dieser Entwicklung, die vor allem Bottom-up in den Fabrikhallen voranschreitet, wird das Potenzial einer neuen industriellen Revolution zugeschrieben – wie schon zuvor der Mechanisierung (1. industrielle Revolution), der intensiven Nutzung elektrischer Energie (2. industrielle Revolution) und der umfassende Digitalisierung (3. industrielle Revolution). Hier zur Illustration ein Beispiel der Abgrenzung traditioneller und „Industrie 4.0“-orientierter Produktion: Wir befinden uns in einer Fabrikhalle, in der in einem mehrstufigen Prozess aus gegossenen Aluminiumblöcken mittels unterschiedlicher spanender Verfahren (Bohren, Fräsen, Gewinde schneiden) Motorblöcke gefertigt werden. In klassischen Fertigungslinien erfolgt die Bearbeitung sequentiell anhand des in einem Arbeitsplan vorgegebenen Prozesses. Hierbei durchläuft der Aluminiumblock eine Arbeitsstation (Fertigungseinheit) nach der anderen, bis am Ende der Produktionslinie alle Bearbeitungsvorgänge ausgeführt sind. Im Industrie 4.0-Kontext werden Produkte während ihrer Konstruktion zu cyber-physischen Systemen, indem sie mittels Sensortechnik Daten zu ihren technischen Merkmalen erhalten. So könnte im vorliegenden Fall ein Aluminiumrohteil beispielsweise auf einem RFID-Chip die Information zur Verfügung stellen, welche technischen Merkmale zu realisieren sind, um aus dem Rohteil einen Motorblock zu fertigen, beispielsweise Anzahl und Ausprägungen von Bohrungen. Die Motorblockfertigung besteht in diesen Fällen dann aus mehreren Fertigungszellen, die mittels eines vollautomatisierten flexiblen Logistiksystems verbunden sind. Somit startet im Rahmen der Fertigungskette ein interaktiver Prozess, bei dem sich zunächst das Rohteil „anmeldet“ und mitteilt, welche Bearbeitungsschritte es benötigt. Hierbei kommunizieren die Maschinen mit dem Bauteil und legen anhand des aktuellen Maschinen- und Werkzeugzustandes situativ den nächsten Fertigungsprozess fest. Ist dieser abgeschlossen, so beginnt erneut die Kommunikation zur Festlegung des nächsten Schritts. Sind alle technischen Merkmale realisiert, meldet das Produkt den Status ‚fertig‘ und schleust sich aus der Logistik aus. Ohne Frage tragen innovative Technologien und neue Konzepte für Fertigungsprozesse damit als Treiber für grundlegende Veränderungen im Produktionskontext das Potenzial eines Paradigmenwechsels in sich. So bewirken autonome Navigation und Fertigungssteuerung des Werkstücks, dass Arbeitspläne und vorgegebene Prozessstrukturen durch situativ bedingte und durch das Produkt initiierte Ad-hoc-Prozesse ersetzt werden. Die konsequente Umsetzung von Industrie 4.0 wird auf diese Weise bewirken, dass zentrale Funktionen und Organisationsstrukturen der Produktions- und Prozessplanung sowie der Produktionssteuerung deutlich umgestaltet werden. 21 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Bottom-up versus Top-down Allerdings bleiben Fragen: Wie sind so grundsätzliche Strukturveränderungen in industriellen Unternehmen erfolgreich zu implementieren? Kann der Anstoß zur erfolgreichen Implementierung von Industrie 4.0 überhaupt aus den Fabrikhallen erfolgen oder sind nicht eher „revolutionäre“ Unternehmensvisionen und -strategien hinsichtlich des möglichen Paradigmenwechsels auf denjenigen Managementebenen zu erarbeiten, aus denen neue Geschäftsmodelle und -prozesse abgeleitet werden können? Wie neuere Untersuchungen verdeutlichen, ist in der Praxis bislang meist das Bottom-up-Verfahren für die Implementierung durchgängiger Engineering-Prozesse vorzufinden. So betreiben Unternehmen unter dem Schlagwort der „integrierten Fabrik“ häufig einen hohen Aufwand, um heterogene IT-Systemlandschaften mittels Schnittstellen zu verbinden und fehlende Funktionalitäten auf der Basis neuer Systeme zu ergänzen. Hierbei werden nicht selten zusätzlich innovative Techniken eingeführt, um den Grad der Automatisierung zu erhöhen. Dieser Ansatz, der zunächst unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten vielversprechend zu sein scheint, führt nach unseren Erkenntnissen jedoch häufig zu unbefriedigenden Lösungen. Die Gründe hierfür sind sicherlich vielschichtig. Ein wesentlicher Faktor ist, dass technologisch getriebene Veränderungen vielfach Geschäftsfähigkeiten bedingen, die bei einem Bottom-up-Ansatz in der benötigten Ausprägung noch gar nicht vorhanden sind. Industrie 4.0: EAM identifiziert zentrale Fähigkeiten Außerhalb des „Industrie 4.0“-Kontexts haben in den vergangenen Jahren zunehmend Top-down-Ansätze unter dem Begriff des Enterprise Architecture Management (EAM) Aufmerksamkeit erfahren. Unternehmen versprechen sich hierdurch, neue Geschäftsmodelle und -prozesse identifizieren zu können sowie ein besseres Alignment der IT mit den Geschäftszielen zu erreichen. Erste Erfahrungen legen nahe, dass eine Portierung von EAM-Ansätzen wie beispielsweise TOGAF in den industriellen Kontext sehr vielversprechend ist. Daher wird im Folgenden der Einsatz von EAM im Kontext von Industrie 4.0 verdeutlicht. Abbildung: Industrie 4.0 Geschäftsstrategie Prozesse Evolution Revolution INDUSTRIE 4.0 Fähigkeiten/Capabilities Organisation Informationstechnologie Digitale Fabrik Anwendungen Smart Facrory Daten Sensoren Embedded Systems Aktuatoren ... IT-Architektur Schnittstellen Quelle: Universität Stuttgart 22 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Modelle Ein wichtiger Bestandteil von EAM ist es, sogenannte Geschäftsfähigkeiten (Business Capabilities) zu identifizieren. Im Kontext von Industrie 4.0 würde ein Unternehmen beispielsweise festlegen, welchen „Fähigkeiten“ zur erfolgreichen Umsetzung der Geschäftsstrategie eine besondere Bedeutung zukommt. Eine solche Geschäftsfähigkeit kann beispielsweise die unter Berücksichtigung des Produktlebenszyklus betrachtete, wirtschaftliche Erstellung einer neuen Produktvariante sein. In einem nächsten Schritt können dann Anforderungen an Prozesse, MitarbeiterSkills und die IT-Unterstützung formuliert werden. Im Beispiel wäre eine Anforderung an die IT-Unterstützung, dass sämtliche an der Konstruktion und Arbeitsvorbereitung beteiligten Mitarbeiter Informationen über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf den gesamten Produktlebenszyklus erhalten. In einem weiteren Schritt werden die identifizierten Anforderungen in eine Anwendungs- und schließlich eine Datenarchitektur überführt. Dort kann spezifiziert werden, welche Daten in welcher Form zur Unterstützung der autonomen Fertigungsprozesse zur Verfügung zu stellen sind. Diese Ziel-Architekturen lassen sich anschließend mit den Ist-Architekturen abgleichen. Aus den Unterschieden zwischen Soll und Ist ergeben sich dann Ansätze für IT-Projekte. Prof. Dr. Hans-Georg Kemper ist Inhaber des Lehrstuhls ABWL und Wirtschaftsinformatik I an der Universität Stuttgart. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Entwicklung und Implementierung von Informations- und Kommunikationssystemen für Führungskräfte. In den letzten Jahren wurden von ihm neben empirischen Arbeiten verschiedene Projekte zu technischen sowie organisatorischen Gestaltungsbereichen der integrierten Managementunterstützung. Dr. Heiner Lasi ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für ABWL und Wirtschaftsinformatik I an der Universität Stuttgart. Er leitet dort den Forschungsbereich Industrial Intelligence, der unter anderem Forschungsaktivitäten zum Einsatz von Enterprise Architecture Management in Industriebetrieben adressiert. Der beschriebene Top-down-Ansatz führt dazu, dass im Unterschied zu Bottom-up-Vorgehensweisen die Gesamtkonzepte ausgehend von der Unternehmensstrategie erstellt werden. Davon lassen sich Maßnahmen ableiten, die schrittweise umgesetzt werden können. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Einsatz neuer Technologien zielgerichtet und wirtschaftlich erfolgt. Beispielsweise lässt sich ausgehend von den Geschäfts fähigkeiten prüfen, inwieweit Cyber Physical Systems im Kontext der industriellen Produktion einen Wertbeitrag liefern können und wie diese in die Anwendungs- und Datenarchitektur implementiert werden sollten. Aktuelle Studie zum Thema: Die Teilnahme an einer aktuellen Studie zum Thema Industrie 4.0 ist unter www.uni-stuttgart.de/industrie40 möglich. Teilnehmer der Studie erhalten eine kostenlose Auswertung! Resümee Die „4. industrielle Revolution“ wird nicht allein Bottom-up in den Fabrikhallen umsetzbar sein. Unternehmen, die einen Paradigmenwechsel erfolgreich herbeiführen möchten, benötigen Managementkonzepte, die ausgehend von der Geschäftsstrategie Geschäftsfähigkeiten identifizieren und diese mittels einer gezielten IT-Unterstützung aufbauen. 23 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Innovationsmanagement 1 Der steinige Weg von der Idee zu ihrer Implementierung Wenn es um Innovationen geht, messen Unternehmen der Ideenfindungsphase sehr viel Bedeutung bei. Die echten Herausforderungen tauchen jedoch während der Umsetzung auf. N ach wie vor glauben viele Unternehmen, dass der Weg zu Wachstum und Prosperität im Entdecken „der einzigartigen Idee“ liegt – und vernachlässigen die Umsetzung der Innovation. Die Erfolgsquote der Produkteinführungen sinkt häufig dann, wenn Unternehmen verstärkt auf Innovationen setzen, um ihre Wachstumsziele zu erreichen.1 Auf den ersten Blick scheint dies ein innerer Widerspruch zu sein. Untersuchungen belegen 1 The Perfect Product Launch“ (2006), IBM 24 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 jedoch, dass 46 Prozent der Budgets für innovative Produkte als Misserfolg enden. Grund dafür ist, dass viele Unternehmen die Umsetzung der Innovation als „sekundär“ und nicht unbedingt als notwendiges Schlüsselelement des gesamten Inno vationsprozesses betrachten. Tatsächlich verbrauchen Unternehmen 84 Prozent der Ressourcen, die Innovationsprojekten zugeteilt werden, bereits vor der Kommerzialisierung eines Produktes.2 2 3,000 Raw Ideas = 1 Commercial Success!“; Stevens, G.A. und Burley, J.,(2005) Invent Vermont Herausforderungen bei der Umsetzung von Innovationen Die Fähigkeit, immer wieder neue Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen, gehört zweifelsohne zu den Wichtigsten überhaupt. Eine schnelle und effiziente Go-to-Market-Strategie ist unerlässlich. Die Phase der Innovationsumsetzung beginnt, wenn alle Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten abgeschlossen sind, der Produkt- oder Service-Prototyp getestet und die Zustimmung zur Kommerzialisierung der Innovation erteilt wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist das Handeln von F&E-Team, Innovationsteam und den operativen G eschäftsbereichen für die Innovationsinitiative entscheidend. Gemeinsam mit der WHU Otto Beisheim School of B usiness haben wir die gravierendsten Hindernisse, die die Produkteinführung beeinträchtigen können, in vier Dimensionen gegliedert: menschliche Faktoren, prozessuale und organisa torische Herausforderungen, inhaltsrelevante und technische Herausforderungen sowie externe Herausforderungen.3 Menschliche Faktoren spielen aufgrund der hohen Dichte der Interaktionen während der Umsetzung einer Innovation bei der Definition der Erfolgs- oder Misserfolgsquote eine zentrale R olle. Eine wenig treibende Innovationskultur oder der Motivationsmangel, das Thema Innovation in den täglichen Geschäftsablauf zu integrieren, sowie Risikofeindlichkeit sind die typischen Gründe, die die Umsetzung von Innovationen gefährden. 3 Erfolgsfaktoren von Innovationen während der Launch-Phase“, Detecon (2012) Traditionell versuchen Organisationen, Innovationsinitiativen in die bestehende Organisation einzupassen. Doch wenn es um die Organisationsstruktur geht, erfordert die Umsetzung von Innovationen schlanke Strukturen und flexible Prozesse, Meilensteine und Budgets müssen individuell auf die Innovation zugeschnitten sein. Während der finalen Pre-Launch-Phasen eines neuen Produktes ist ein effektiver Kommunikationsaustausch zwischen den Abteilungen erfolgskritisch. Eine derart innovationsunterstützende Organisationsstruktur mit angepasster Governance und schlanken Prozessen für rasche Entscheidungsfindungen ist jedoch selten vorhanden. Versuchen Unternehmen, die Umsetzung der Innovation lediglich als einen weiteren üblichen Prozess oder eine Standardtätigkeit in ihre bestehende Organisation einzupassen, ist das Scheitern vorprogrammiert. Mangelnde Kenntnisse der operativen Bereiche über Innovationen sind die Hauptquelle des Scheiterns in der Dimension der inhaltsrelevanten und technischen Herausforderungen. Traditionell sind es die F&E-Teams, die sehr viel Zeit für die Entwicklung innovativer Produkte aufwenden und sich im Hinblick auf diese speziellen Produkte oder Services zu wahren Experten entwickelt haben. Das gilt nicht notwendigerweise für die Geschäftsbereiche, die die Markteinführung verantworten. Um es ganz deutlich zu formulieren: Hier wird etwas von einem Experten an einen Anfänger übertragen. Das führt natürlich zu Problemen, wenn es um die Optimierung des Rollouts, der Use Cases und des Werbematerials geht. Das fehlende Wissen und die ungleiche Verteilung der Innovationsfähigkeiten innerhalb der Organisation führen in der Endphase – nämlich beim Markteintritt – zu einer erheblichen Senkung der Erfolgsquote. Abbildung 1: Durchfallquote neuer Produkte 3000 Ideen 100 Projekte 2 Launches 1 Erfolg 45 % aller Ressourcen, die US-Unternehmen neuen Produkten zuweisen, werden für erfolglose Produkte aufgewendet 84 % der vergeudeten Ressourcen sind bereits vor der Kommerzialisierung verbraucht Quelle: 3,000 Raw Ideas = 1 Commercial Success!“; Stevens, G.A. und Burley, J.,(2005) Invent Vermont 25 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Die Liste der externen Faktoren ist äußerst umfangreich. Allerdings liegen diese meistens außerhalb des Ermessensbereichs und sollen hier vernächlässigt werden. Wie Innovationen zum Erfolg führen können Ausgangspunkt für die Bewältigung der Innovationshindernisse ist das Bewusstsein über die grundlegende Inkompatibilität von Innovationsinitiativen und dem operativen Geschäft des Unternehmens: Unternehmen sind bestrebt, den bestehenden Betrieb gewinnbringend zu managen, um so die Investitionen der Stakeholder zu maximieren. Dazu muss der Schwerpunkt darauf liegen, alle Aufgaben, Prozesse und Aktivitäten so effizient, berechenbar und reproduzierbar wie möglich zu gestalten. Das Ziel innovationsorientierter Projekte hingegen besteht zunächst darin, etwas völlig Neues zu entwickeln, das es im Unternehmen bislang nicht gibt. Damit einher gehen Risiko, Ungewissheit und Außerplanmäßigkeit. Dieser grundlegende Unterschied verursacht Reibungspunkte zwischen Innovation und Betrieb, aus denen sich die zuvor beschriebenen Herausforderungen ergeben. Visionen, Abläufe, Rekrutierungs- und Entwicklungsprogramme operativ gesteuerter Unternehmen befassen sich schwerpunktmäßig mit Aufgaben, die die aktuelle Nachfrage abdecken, aber nicht die zukünftige. Unternehmen verfangen sich in operativen Zyklen, die Innovation bleibt auf der Strecke. Vijay Govindarajan, einer der weltweit führenden Experten und Pioniere zum Thema Strategie und Innovation, hat erkannt, dass der Schlüssel zur Steigerung der Erfolgsquote bei Produkteinführungen darin liegt, sich genau mit dieser Inkompatibilität auseinanderzusetzen.4 Zwei grundlegende Elemente sind für jedes Innovationsprojekt erforderlich: eine maßgeschneiderte Organisationsstruktur und ein Plan für Innovationen, der auf „diszipliniertem Experimentieren“ basiert. Die Entwicklung einer maßgeschneiderten Organisationsstruktur tigen Innovationsinitiativen zumindest ausreichend flexibel und unabhängig vom Standardprozess des Unternehmens ist. Bei der Gestaltung der Struktur empfehlen wir eine Grundform aus zwei Gruppen: ein Teilzeit- und ein Vollzeitteam. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Mitarbeiter aus dem bestehenden Unternehmen, die für die Umsetzung der Projekte herangezogen werden. Sie übernehmen Aufgaben, für die sie die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen, und die Führung bei solchen Aufgaben, die innerhalb der Organisation leicht abzubilden sind. Die Aufgabe des zweiten Teams besteht darin, die Fertigkeiten, die innerhalb der Organisation nicht bereit gestellt werden können, zu ergänzen – möglicherweise auch durch Externe, und solche Aufgaben zu übernehmen, die außerplanmäßig und ungewiss sind und über den Umfang der bestehenden Struktur hinausgehen. Dennoch obliegt beiden Teams gemeinsam die Verantwortung über die Zusammenarbeit bei der Markteinführung des innovativen Produkts. Um die Aktivitäten angemessen zu steuern, sollten die Teams gemeinsam einen Einzelprojektplan nutzen und anhand derselben KPIs gemessen werden. Herkömmliche Methoden der Leistungsmessung sind in diesem Umfeld allerdings ungeeignet. Unterstützen kann dagegen ein künstlicher Rahmen zur Messung der Innovationsleistung, wie er in Zusammenarbeit mit der Universität Berlin entwickelt wurde: ein ganzheitliches sechsdimensionales Modell zur Messung des Innovations managements, das über den traditionellen Fokus auf leicht messbare Ergebnisse hinausgeht und stattdessen auf Schlüsselaktivitäten und Erfolgsfaktoren der Innovationsaufgabe ausgerichtet ist. Die sechs Dimensionen setzen sich zusammen aus Inputs, Ideen- und Wissensmanagement, Innovationsstrategie, Organisationskultur und -struktur, dem Innovationsprozess einschließlich Projekt, Portfolio und Management sowie Outputs und Ergebnisse.5 Das Messen der Leistung der Teamstruktur unter Verwendung innovationsangepasster Frameworks ist absolut notwendig, um den Prozess verfolgen und das Team während des gesamten Umsetzungsprozesses der Innovation lenken zu können. Im Grunde genommen erfordert jede Innovationsidee ihre eigene maßgeschneiderte Organisationsstruktur. Vergleichbar ist dies mit dem Eingehen einer neuen Partnerschaft: Da jeder Partner individuell ist und seinerseits Beziehungen mit Dritten mitbringt, ist dessen Struktur normalerweise nicht perfekt an die bestehende eigene Organisation angepasst. Umsetzbar ist beispielsweise eine Struktur, die zur Anpassung an die vielfäl- Ein Innovationsplan, der auf „diszipliniertem Experimentieren“ basiert 4 The other side of innovation, Vijay Govindarajan & Chris Trimble (2010) 5 Innovation Performance Measurement: Assessing and driving the Innovation Performance of Companies”, Steven Schepurek & Eric Dulkeith (2013) 26 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Innovationen durchführen bedeutet für ein Unternehmen, sich in hohem Maße der Ungewissheit auszusetzen. Darum erfordern Pläne zur Umsetzung von Innovationen einen anderen Ansatz als solche, die für den täglichen Betrieb anzuwenden sind. Alle Innovationsinitiativen sind – unabhängig von Größenordnung, Dauer oder Zweck – Projekte mit ungewissem Ausgang. Deshalb sollte der Plan dem Projektteam zu jedem Zeitpunkt notwendige Änderungen erlauben. Noch wichtiger ist, dass der Plan es dem Team ermöglicht, Ungewissheit in Wissen umzuwandeln. Aus diesem Grund sollte ein innovationsorientiertes Projekt so geplant und umgesetzt werden, als ob es sich um eine aus mehreren Teilen bestehende Reihe von Experimenten handeln würde. Auch wenn man viele Überlegungen darüber anstellen kann, wie die Experimente durchzuführen und Hypothesen aufzustellen sind, gibt es einen formalen Prozess, der als wissenschaftliche Methode bezeichnet wird. Er hat sich in solchen Situationen als erfolgreich erwiesen, in denen während der Erforschung von Themen mit hoher Ungewissheit fortlaufend Wissen erlangt wird (Abbildung). Vor Durchführung des Experiments ent wickelt das Team einen Anfangsplan. Dann prognostiziert es die Hypothesen und dokumentiert die sich darauf stützenden Annahmen. Schwerpunkt bei der Umsetzung einer Innovation liegt darin, die Hypothese so schnell wie möglich zu prüfen und zu verbessern, so dass dieser Ansatz letztendlich zu konkreteren und zuverlässigeren Ergebnissen führt. Aus unternehmerischer Sicht besteht die Hauptstrategie darin, den Aufwand und die Ressourcen bei jeder Iteration zu verringern, um so ständig mehr Erkenntnisse zu erhalten. Das Management sollte stets daran denken, dass das Ziel darin besteht, einen Lernprozess zu etablieren, der dem Team hilft, Ungewissheit in Wissen umzuwandeln. Dies führt zu mehr verlässlichen Vorhersagen und letztendlich zu einer erfolgreichen Umsetzung. Jede Innovation ein eigener Prozess Die Jagd nach einer innovativen Idee ist herausfordernd, aber lediglich der Anfang einer innovationsorientierten ProjektOdyssee. Viele Unternehmen konzentrieren sich stark darauf, Ideen zu generieren, zu kultivieren und auszuwählen, betrachten aber die eigentliche Umsetzung als sekundär. Die Idee in einen echten Erfolg umzuwandeln, erweist sich jedoch meist als wesentlich schwieriger. Abbildung 2: Die wissenschaftliche Methode Das Experiment planen (oder den Plan überarbeiten) Prognosen und Ergebnisse vergleichen, „Lessons Learned“ bewerten Ergebnisse prognostizieren und die sich darauf stützenden Annahmen dokumentieren Experiment durchführen, Messungen aufzeichnen, Beobachtungen dokumentieren Quelle: Detecon Anschließend beginnt das Team mit der Durchführung des Experiments. Das Ergebnis des Experiments ist eine gründliche Analyse, die die Kausalität bestimmt. Sobald die Möglichkeit besteht, die Ergebnisse zu validieren, können der Plan überarbeitet und die Hypothesen und Annahmen aktualisiert werden. Worin liegt der Unterschied zu Standardplänen? Das Ziel eines Standardplans besteht in der Umsetzung. Bei einer Innova tionsinitiative ist der Plan jedoch eine Hypothese. Der primäre Von externen Schwierigkeiten, die häufig außerhalb des Ermessensbereichs liegen, einmal abgesehen können die Probleme gelöst werden, wenn das Management sich der Inkompatibilität zwischen dem laufenden Geschäftsbetrieb und den innovationsorientierten Projekten bewusst ist. Diese Inkompatibilität besteht aufgrund der Tatsache, dass der tägliche Betrieb darauf abgestellt ist, Situationen mit einem hohen Grad an Gewissheit und Routine zu bewältigen, innovationsorientierte Projekte aber exakt auf das Gegenteil ausgerichtet sind. Bei Innovationen geht es nicht nur um die Ideen. Die richtigen Ideen zu haben, ist nur der erste Schritt, denn ohne einen geeigneten Motor zur Umsetzung bleibt Innovation mehr oder weniger eine Totgeburt. Johann Wolfgang von Goethe hat einmal gesagt: „Das echte, wahrhaft große Talent aber findet sein höchstes Glück in der Ausführung“. Für jede Initiative ein spezielles Team aufzubauen und einen Plan zu entwickeln, ist keine leichte Aufgabe. Es ist jedoch eine unerlässliche Notwendigkeit, wenn Innovation gelingen soll. Dr. Eric Dulkeith ist Mitglied der Strategy Group, Detecon Inc., in Kalifornien, USA. Er berät Unternehmen zu Innovations management und Geschäftsentwicklung konvergenter Technologien, Produkte, Services und Märkte. Ricardo Grinberg ist Mitglied der Strategy Group, Detecon Inc., in Kalifornien, USA. Er berät Unternehmen bei der Identifizierung und Entwicklung von Wachstumspotenzialen. 27 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Innovationsmanagement 2 Unternehmenseigene Innovationszentren und Inkubatoren auf dem Prüfstand Die Idee, unternehmenseigene Innovationszentren oder Inkubatoren zu nutzen, ist hervorragend. Konzeption und Umsetzung sind leider oft mangelhaft. Fünf Ansatzpunkte entscheiden über den Erfolg. as Thema Innovation steht auf der Agenda der UnternehD men ganz weit vorne. Unternehmen sind bestrebt, Prozesse und Strukturen so zu entwickeln, dass sie von den Wettbewerbsvorteilen einer Innovation profitieren können. Die Realität zeigt jedoch, dass die existierenden Ansätze, eigene Innovationszentren oder Inkubatoren zu nutzen, hinsichtlich der Entwicklung innovativer Produkte und Services mehr Hindernis als Beschleuniger sind. Fünf Ansatzpunkte können die Situation verbessern. Eine klar definierte Strategie durch die Muttergesellschaft Die Muttergesellschaft kann unterschiedliche Strategien für das Innovationszentrum oder den Inkubator implementieren: Es kann als Corporate-Research-Hub agieren, denn ein Vermächtnis vieler alteingesessener Unternehmen ist, dass sie über bedeutende F&E-Labs verfügen, die hervorragende Primärforschung betreiben. Es kann die Innovationskultur fördern und den Grundstein für einen internen kulturellen Wandel legen: Der „Kontrollstil“ soll durch einen Arbeitsstil ersetzen werden, der von einem kollaborativen Ideenaustausch geprägt ist. Schließlich kann es auch die Strategie erfüllen, neue P rodukte und S ervices zu lancieren: Das Interagieren mit der Start-up Community erlaubt eine Vorausschau auf potenziell neue Trends, bevor diese die kritische Masse im Markt erreichen. 28 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Leider besteht bei Unternehmen die Tendenz, Ansätze zu kombinieren, was zwangsläufig zu Ineffizienz und einem Mangel an strategischer und operativer Effektivität führt. Eine klar definierte Strategie ist aber unverzichtbar, um sicherzustellen, dass die operativen Prozesse auf einer starken und stabilen Grundlage basieren. Denn weder erforderliche Prozesse noch persönliche Eigenschaften sind austauschbar: Ein wissenschaftlich orientiertes Innovationszentrum, in dessen Mittelpunkt die Primärforschung steht, erfordert gänzliche andere Prozesse und Mitarbeitereigenschaften im Vergleich zu einem Inkubator, der sich mit der Entwicklung neuer marktfähiger Produkte und Services befasst. Der „Mix-and-Match-Ansatz“ hat sich wiederholt als nicht praktikabel und Verschwendung von Ressourcen erwiesen. Ohne klare strategische Ausrichtung entwickeln sich I nnovationszentrum oder Inkubator lediglich zu einer weiteren K ostenstelle anstatt zu einem Zentrum für Innovationsexzellenz. Klare Definition von kurz-, mittel- und langfristigen Zielen Das unternehmerische Denken von Start-ups ist auf das aktuell Notwendige ausgerichtet, man reißt sich um jeden Erfolg, der kurzfristig zu erlangen ist. Innovationszentren und Inkubatoren sollen ihnen Kontinuität vermitteln. Damit sie Start-ups unter dieser Prämisse die geforderte Unterstützung zukommen lassen können, müssen ihre eigenen Ziele intern angepasst sein. Oft genug können sie ihre Ziele nicht mit punktgenauer Präzision definieren und verlieren deshalb an Effektivität. Dieser Umstand ist auf diverse Entscheidungsträger und organisatorisches Chaos zurückzuführen: Wenn es einer großen Personenzahl gelingen muss, einen Konsens zu erlangen, sind Interessenskonflikte und langsame Entscheidungsprozesse vorprogrammiert. Insbesondere während der kritischen Frühphasen eines Start-ups ist ein Innovationszentrum oder Inkubator dann nicht mehr in der Lage, dieses mit geeignetem Fachwissen und Richtungsvorgaben zu versorgen. Unklare Zielvorgaben führen im Unternehmen zu Verwirrung, bewirken organisatorisches Chaos, verschwenden kostbare Ressourcen und bringen wichtige Zeitpläne durcheinander. Erfolgsfaktoren sind deshalb die Übereinstimmung von Zielen und Strategie und die Gewähr leistung der Durchgängigkeit aus zeitlicher Sicht. C-Level-Support und konstante Richtungsvorgaben Ständige Änderungen der Richtungsvorgaben und im Support machen es für Innovationszentren oder Inkubatoren nahezu unmöglich, in spezifischen Bereichen Fachwissen zu entwickeln, von dem die Muttergesellschaft potenziell profitieren kann. C-Level-Support und konstante Richtungsvorgaben müssen deshalb gewährleisten, dass Programme und Projekte effektiv laufen und Ziele erreicht werden können. Ein äußerst wichtiger Bestandteil für erfolgreiche Innovationszentren oder Inkubatoren sind starke persönliche Beziehungen und Bindungen, die zwischen ihnen und den Führungskräften auf der C-Ebene bestehen. Erfolgreiche Start-ups werden von Unternehmern geleitet, die mit ihrer Arbeit leidenschaftlich verbunden sind. Innovationszentren und Inkubatoren benötigen deshalb Führungskräfte, die ihre Vorhaben mit demselben Enthusiasmus verfolgen – obwohl der Weg zum Erfolg im Vergleich zu herkömmlichen Unternehmensprojekten noch unkalkulierbarer ist. Manager mit den richtigen Eigenschaften Ob es einem gefällt oder nicht: Innovationen unterliegen keinem Prozess. Sie basieren auf individuellem Talent und dem gesamten Start-up-Ökosystem. Das macht es schwierig, geeignete Personen zu finden, die den Innovationstrieb in Gang setzen und aufrecht erhalten, der für den Aufbau eines innovativen Start-ups erforderlich ist. Die Eigenschaften, die das Aufsteigen in der Unternehmenshierarchie ermöglichen, unterscheiden sich dramatisch von denen, die für den erfolgreichen Aufbau eines Start-ups erforderlich sind. Um in einem klassischen Un- ternehmensumfeld Hochleistungen zu erbringen, müssen sich Mitarbeiter durch diverse Prozessstufen navigieren und zeitaufwendig „hochdienen“. Verhandlung heißt, Kompromisse zu erzielen. Start-ups brauchen aber Fähigkeiten wie unkonven tionelles Denken, schnelles Umdenken, Arbeiten und Entscheiden in Ad-hoc-Abläufen. Fehlende Bürokratie und das Erfordernis, dass jeder Mitarbeiter jederzeit mit anpacken müssen, schaffen Transparenz: Start-up-Mitarbeiter wissen, dass sich ihr Handeln unmittelbar auf das Unternehmensergebnis auswirkt. Diese Eigenschaften müssen sich im Management der Innovationszentren und Inkubatoren spiegeln. Passende Infrastruktur Viele Innovationszentren oder Inkubatoren verfügen nicht über die richtige Infrastruktur. Wichtiger Bestandteil von Inkubatoren oder Innovationszentren sind Mentoren, die über weit reichende Erfahrungen beim Aufbau und Voranbringen von Start-ups verfügen. Greifen Innovationszentren oder Inkubatoren nur auf Mentoren aus ihren eigenen Unternehmensreihen zurück, liefern sie Start-ups nicht die Infrastruktur, die diese zur Entwicklung benötigen. Ein unabhängiges Beratergremium, dessen Mitglieder Beratungsleistungen erbringen, die nicht von unternehmenspolitischen Interessen geleitet sind, ist ebenfalls unabdingbar. Ohne dieses Gremium fehlt sowohl aus strategischer als auch aus operativer Sicht die gegenseitige Kontrolle, die gewährleistet, dass Innovationsbereiche ihre strategische Vision so effektiv wie möglich verfolgen. Letzter Punkt ist die Branchenerfahrung: Start-ups benötigen branchen spezifische Beratung. Denn was in der einen Branche funktioniert, muss das nicht notwendiger Weise in einer anderen tun – was insbesondere dann zutrifft, wenn ein Start-up auf einen ganz speziellen Markt ausgerichtet ist. Traurige Realität bei vielen Innovationszentren und Inkubatoren: Sie weisen oft mehr als eine der genannten Schwachstellen auf. Konkret lässt sich das an den anhaltend flauen Ergebnissen nachweisen, die existierende Innovationszentren und Inkubatoren aktuell erzielen. Beheben Unternehmen nicht schnell die grundlegenden Probleme in ihren Innovationszentren oder Inkubatoren, verschenden sie nicht nur wertvolle Ressourcen. Auch die Begeisterung für Innovation generell wird schwinden. Das wäre dramatisch, denn Innovationsfähigkeit wird in der digitalen Welt zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor. Eric Quon-Lee berät als Managing Consultant Unternehmen zu Innovationsthemen. Er ist Mitglied der Strategy Group, Detecon Inc., in Kalifornien, USA. 29 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Future Telco Überlebenskampf im Telko-Markt: Nur integrierte Carrier überleben Der Datenverkehr steigt, die Umsätze pro Kunde sinken. Carrier müssen ihre Netzinfrastrukturen modernisieren und neue Kapazitäten schaffen. Möglich ist das nur, wenn die Politik einen geeigneten regulatorischen Rahmen schafft und Telekommunikationsunternehmen neue Erlösquellen erschließen. Im Wettbewerb um den Endkunden behaupten sich ausschließlich integrierte Carrier, die ihren Kunden attraktive eigene und partnerschaftlich organisierte Angebote bieten. nsbesondere drei Faktoren setzen die Telekommunikations Iindustrie unter Druck und sorgen dafür, dass sich die Land- schaft der Netzbetreiber in den nächsten fünf Jahren maßgeblich verändert: Der stetig wachsende Datenverkehr in den Netzen, der Erfolg von Over-The-Top-Playern (OTT) und der intensive Preiswettbewerb unter den Carriern. Carrier konkurrieren auf der Diensteebene immer stärker mit OTT-Playern. Dazu zählen einerseits Anbieter wie Google und Apple, die komplette Ökosysteme aus Endgerät, Betriebssystem, Diensten und Apps bieten, und anderseits eine unüberschaubare Masse spezialisierter Diensteanbieter wie Dropbox, Spotify, WhatsApp und v ielen mehr. Im Unterschied zu klassischen Telekom munikationsunternehmen bieten OTT-Player weltweit skalierende Dienste an, die sowohl Skalen- als auch Verbundeffekte (Economies of Scale and Scope) realisieren. Dies gilt für den longtail- genauso wie für den shorttail-Bereich an Diensten. Ihre Innovationsgeschwindigkeit ist für Carrier unerreichbar. Die Erfahrung zeigt, dass deren mit OTT-Angeboten konkurrierende Produkte in der Regel zu spät kommen und nur eingeschränkt erfolgreich sind. Das Verhältnis von Telekommunikationsunternehmen zu OTT-Anbietern ist ambivalent: Attraktive Endgeräte und Dienste haben das Kerngeschäft der Carrier befördert, indem sie die Nachfrage nach breitbandiger Konnektivität maßgeblich erhöht haben. Gleichzeitig tragen die OTT-Player dazu bei, dass die 30 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Netze schneller an ihre K apazitätsgrenzen gelangen. Das macht Investitionen in den Netzausbau erforderlich, die ausschließlich von den Carriern zu schultern sind. Ihre Investitionen für den Ausbau der Kapazitäten können sie jedoch nicht durch höhere Anschlusspreise finanzieren, da der Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern zu intensiv ist und im Wesentlichen über den Preis geführt wird. Hinzu kommt, dass die OTT-Player mit Sprach-, Messaging- und Video-Diensten zunehmend in originäre Telekomunikationsdomänen dringen und dort weitere Umsatzrückgänge verursachen. Die Lage scheint ausweglos: Carrier stehen vor der Aufgabe, immense finanzielle Mittel für leistungsfähigere Netzinfrastrukturen aufzuwenden, während ihre Umsätze sinken oder bestenfalls stagnieren. Regulatorische Rahmenbedingungen müssen her Die Politik muss einen regulatorischen Rahmen schaffen, der Carriern Investitionssicherheit oder zumindest genügend Anreize für Investitionsentscheidungen unter Risiko bietet. In den letzten Jahren hat die europäische Politik Forderungen an Telekommunikationsunternehmen gestellt, um den Ausbau einer breitbandigen Infrastruktur sicherzustellen. Finanzielle Unterstützung oder regulatorische Rahmenbedingungen zur Förderung der Telekommunikationsunternehmen blieben hingegen aus oder waren zu zaghaft konzipiert. Das muss sich ändern. Ein Sinneswandel scheint langsam einzusetzen, da die Politik erkennt, wie wichtig eine leistungsfähige Telekommunikationsinfrastruktur als Wettbewerbsfaktor für die Industrie ist. Im Wettbewerb der Weltregionen ist Europa beim Breitbandausbau sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk bereits zurückgefallen. Um diesen Trend umzukehren, sind entschiedene Maßnahmen erforderlich. C arrier müssen dazu in der Lage sein, Investitionen in ihre Netze zu monetarisieren. Nur integrierte Carrier sind überlebensfähig Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln, stehen Telekommunikationsunternehmen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Grundsätzlich bestimmen drei Faktoren, welches Geschäftsmodell einem Carrier Erfolg verspricht: Entscheidend sind die infrastrukturelle Basis im Fest- und Mobilfunknetz, die Wettbewerbsposition im Endkundenmarkt sowie die Fähigkeit, Partnerschaften erfolgreich zu managen. Carrier, die sowohl über ein flächendeckendes und granulares Festnetz als auch über eine Mobilfunkinfrastruktur verfügen (Heavy Asset), sind reinen Mobilfunkanbietern (Mobile Network Operator, MNO) gegenüber im Vorteil. Langfristig werden nur solche integrierten Carrier im Markt überleben. Um das Verkehrswachstum zu bewältigen und nahtlose Konnektivität (Seamless Connectivity) über alle Infrastrukturen und die unterschiedlichsten Zugangstechnologien sicherzustellen, müssen Netzbetreiber ihre Infrastruktur integriert und immer feinmaschiger aufbauen. Mobilfunker werden in absehbarer Zeit dazu gezwungen sein, ihre Funkzellen immer kleiner zu machen. Entsprechend steigt die Zahl der Zellen, die sie ausbauen, warten, an das Kernnetz anschließen müssen (Backhaul) und in ihr Netzmanagement integrieren müssen. Hinzu kommen Indoor-Zellen (WiFi-Offloading, Femtozellen), die beim Endkunden Anwendung finden und ebenfalls an das Kernnetz angeschlossen werden müssen. Den damit verbundenen Investitions- und Kostenaufwand wird nicht jeder MNO bewältigen können. erwerben, um zu einem integrierten Anbieter zu werden. In reifen Märkten ist das jedoch kaum möglich. Wenn beide Optionen nicht oder nur schwer zu realisieren sind, verbleibt lediglich die Exit-Option: Vodafone bietet ein prominentes Beispiel für eine solche Strategie. Das Unternehmen hat sich in den USA von seiner Mobilfunkbeteiligung getrennt und übernimmt in Deutschland den Kabelfernsehbetreiber KDG. Unternehmen mit einem Light-Asset-Ansatz verfolgen ein Opex-dominiertes Geschäftsmodell. Dabei steht weniger die Refinanzierung der Netze im Vordergrund als ein möglichst großer Spread zwischen den Kosten für die Vorleistungen des Netzwerkkapazitäten zur Verfügung stellenden Wholesale Carriers und den am Markt zu realisierenden Retail-Preisen in Kombination mit OTT-Partnerschaften. Carrier mit einem Heavy-Asset-Ansatz betreiben hingegen ein Capex-dominiertes Geschäftsmodell, das entsprechend langfristige Geschäfts logiken erfordert. Die Netze sind dabei Dreh- und Angelpunkt der unternehmerischen Entscheidungen. Integrierte Carrier müssen alle mit den Netzen verbundenen Investitionen durch entsprechende Erlöse rechtfertigen und schnell refinanzieren. Die Effizienzsteigerung bei der Allokation von Capex und Opex für die Netze sowie die Auslastung der Netze und die Steigerung der Erlöse stehen im Vordergrund. Lust auf mehr? Lesen Sie „Future Telco“! Im März 2014 veröffentlicht Detecon International das Fachbuch „Future Telco“. Telekommunikationsexperten der Detecon identifizieren sieben Hebel für mehr Profitabilität von Telekommunikationsunternehmen und leuchten diese mit Branchenspezialisten aus Industrie und Wissenschaft aus: moderne Netzkonzepte, integrierter Ausbau der Netzkapazitäten, Agilität in Prozessen und IT, Innovation, Partnering, Wholesale und eine differenzierte Marktbearbeitung. Es bleiben nur drei Optionen Reine Mobilfunkunternehmen befinden sich in einer Sackgasse. Ihnen stehen in Abhängigkeit von den oben genannten Faktoren drei Optionen zur Verfügung: Sie sollten sich von einem eigenen Mobilfunknetz trennen und es als Managed Service von einem Dritten in Anspruch nehmen, um als Reseller, Service Provider oder virtueller Netzbetreiber (MVNO) am Markt zu agieren (Light Asset). Alternativ sollten sie die gegensätzliche Richtung einschlagen und ein eigenes Festnetz aufbauen oder Registrieren Sie sich jetzt für Ihre exklusive kostenlose Buchbestellung! Dr. Peter Krüssel ist Managing Partner und berät seit vielen Jahren Telekommunikationsunternehmen zu strategischen Fragestellungen im Retail- und Wholesale-Bereich. Zuvor war er als Principal bei der EDS Business Solutions und als Partner der Eutelis Consult tätig. 31 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Interview mit simpleshow-Gründer und Geschäftsführer Jens Schmelzle Legetrick-Videos gegen Komplexität 32 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Wie erklärt man schwierige Sachverhalte so, dass sie jeder versteht? Jens Schmelzle und seine Mitarbeiter von simpleshow wissen das. Mit DMR BLUE sprach der Experte für Storytelling über den Umgang mit komplexen Themen im digitalen Zeitalter. DMR: Herr Schmelzle, Ihr Alleinstellungsmerkmal ist die Reduk tion von Komplexität. Wie erklären Sie überhaupt Komplexität? J. Schmelzle: Unser beschleunigter Berufsalltag in Verbindung mit einer immer besseren technischen Vernetzung führt heute zu einer hohen Arbeits- und Kommunikationsverdichtung. Die Themen, die wir vereinfachen, sind oftmals so dicht, dass es eine Weile dauern kann, bis man sie durch Fachliteratur verstanden hat. Unsere Erklärexperten nehmen sich den komplizierten Prozess oder Sachverhalt vor und entfernen alles, was für den Gesamtzusammenhang unwichtig ist. Und diese Zeitersparnis ist für uns reduzierte Komplexität. In nur drei Minuten können wir Verständnis für ein Thema schaffen, bevor es um die Details geht. DMR: Sie können alles in drei Minuten erklären. Warum tun sich aber viele andere Menschen schwer damit, einen Sachverhalt einfach und prägnant auf den Punkt zu bringen? J. Schmelzle: Das hat unterschiedliche Gründe. Die meisten Menschen, die tief in einem Thema stecken, tun sich schwer damit, eine neutrale Außenperspektive einzunehmen. Es ist gar nicht so einfach, dieselbe objektive Sichtweise auf das eigene Produkt zu haben, wie beispielsweise der Kunde. Manch anderen fehlen vielleicht auch nur die treffenden Worte, um einen leicht verständlichen Überblick über ein Thema zu geben. Unser Erklärexperten-Team hat einen unvoreingenommenen Blick auf die Materie. Das verschafft uns einen entscheidenden Vorteil. Aber auch das Handwerkszeug ist enorm wichtig: Eine Erklärung folgt grundsätzlich immer derselben Methodik. Unser Konzeptionsteam muss täglich Themen analysieren, Muster erkennen und Dinge mit der Hilfe von Storytelling und einfacher Visualisierung erklären. Unsere Mitarbeiter werden dafür in der simpleshow academy ausgebildet und zertifiziert. DMR: Manager müssen sich heute weniger durch Fachwissen auszeichnen als vielmehr durch die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu moderieren und zu einem Ergebnis zusammenzuführen. Können Sie hier unterstützen? J. Schmelzle: Diese Beobachtung ist richtig und wird in v ielen Unternehmen unterschätzt. Die meisten Menschen nehmen gar nicht wahr, wie oft sie täglich erklären und wie sie durch mehr Erklärkompetenz ihre Kommunikation verbessern würden. Für Führungskräfte bieten wir deswegen Workshops zum Thema „Besseres Erklären“ an. Hier geben wir Basics an die Hand, die im Alltag helfen. Das Feedback unserer Teilnehmer ist sehr positiv. DMR: Was raten Sie der Unternehmenskommunikation, die vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Kanälen und Tools, die heute zur Verfügung stehen, effektiv bleiben will? J. Schmelzle: Um die interne Kommunikation zu verbessern, muss man zunächst die Vernetzung innerhalb des Unternehmens erhöhen. Dies ist Vor- und Nachteil zugleich, da sich dadurch logischerweise auch die Komplexität erhöht. Es ist aber unerlässlich, um einer hohen externen Informationsverdichtung entgegenzutreten. Mit einfachen Worten: Kommunikation einzuschränken erscheint zwar einfacher, wird aber nicht funktionieren. Man sollte damit anfangen, sich neuen Kommunikationskanälen zu öffnen. Firmeninterne soziale Netzwerke sind zum Beispiel viel besser für eine kollaborative Umgebung geeignet als das lineare Medium E-Mail. Außerdem sollte man Regeln definieren, wie in den verschiedenen Kanälen kommuniziert wird und welcher Kanal wann der Richtige ist. Vielleicht ist es manchmal besser, kurz zum Telefonhörer zu greifen, bevor das E-Mail-Pingpong mit zwei Kollegen losgeht – im schlimmsten Fall noch mit vier anderen in Kopie. 33 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Nach außen ist das Wichtigste wohl eine konsistente Kommunikation. Die Botschaft kann allerdings nur erfolgreich wahrgenommen werden, wenn die Zielgruppe versteht, wovon man spricht. Unternehmensgrundsätze müssen von allen Mitarbeitern, die in der Außenkommunikation tätig sind, gleicher maßen getragen werden. Für uns bedeutet das beispielsweise eine einfach verständliche und einwandfreie Kommunikation mit unseren Kunden. DMR: Die digitale Welt ist voller Daten. Sorgt dies für mehr Komplexität oder vereinfacht das unser Leben? Und stellt dies neue Anforderungen an Manager und Mitarbeiter? J. Schmelzle: Die Herausforderung der jüngsten Vergangenheit lag vor allem darin, Daten zu erheben, zu sammeln und verfügbar zu machen. In Zukunft wird es darum gehen, d iese Masse an Daten sinnvoll zu filtern und zu kuratieren. Zeit und Aufmerksamkeit sind heute knappe Güter. Wir sagen: „30 Minuten hat niemand, drei Minuten hingegen jeder.“ Daher hat natürlich jeder einzelne heute die Aufgabe, sich präzise und verständlich auszudrücken. Erfolgreich kommunizieren wird derjenige, der in der Lage ist, seiner Zielgruppe in kurzer Zeit etwas einfach zu erklären. Das klingt einfach, ist aber nicht leicht. DMR: Analysten von Gardner haben eine Diskussion um den CIO als digitalen Storyteller angeregt. Wer ist für Sie der wichtigste Storyteller in einem Unternehmen? J. Schmelzle: Storyteller im Unternehmen sind für uns alle, die etwas Wichtiges zu sagen haben. Das kann jemand aus dem Marketing, dem Vertrieb, der IT, der Geschäftsführung oder der internen Weiterbildung sein. Die Funktion der vereinfachten Kommunikation bündelt sich nicht in einer Person, sondern wird vom gesamten Unternehmen gelebt. Was nützt es mir, wenn ich den Geschäftsführer oder Vertriebsleiter zum Sprachrohr ernenne, während meine Projektmanager im täglichen Kundenkontakt die besten Fallstudien erleben und diese niemand mitbekommt? 34 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 DMR: Erlauben Sie einen Blick hinter die Kulissen: Wie nähern Sie sich den unterschiedlichen Themen, die an Sie herangetragen werden, und wie entsteht daraus ein informativer und unterhaltsamer Film? J. Schmelzle: Nachdem wir die zu erklärende Materie in einem Briefing übermittelt bekommen haben, gehen Projektmanager und Konzepter den gesammelten Input gemeinsam durch und analysieren ihn. Dann beginnt die Arbeit des Konzepters. Der Stoff wird regelrecht „auseinandergenommen“ und auf den Prüfstand gestellt. Wir fragen uns: Ist diese oder jene Informa tion für den Gesamtzusammenhang wirklich relevant? Für uns ist ein Drehbuch erst dann gut, wenn man kein weiteres Wort weglassen kann, ohne dass das Konzept seinen Sinn verliert. Auch die spätere Visualisierung wird hier schon entworfen, da sie sehr eng mit dem Text zusammenhängt. Nach der Storyboard-Phase entsteht in unserer Produktionsabteilung am Ende ein Video. Es übernimmt nun die Aufgabe, die Botschaft überall und ohne Moderation verständlich zu übermitteln. Sie können sich das am Beispiel „Wie erklärt man die digitale Transformation?“ ansehen. DMR: Auch Ihre Geschäftsplattform ist das Internet. Sehen Sie sich als Teil der digitalen Transformation? J. Schmelzle: Wir sind ursprünglich als Digitalagentur gestartet. Aus einem einzigen Kundenauftrag ein sympathisches Erklärvideo mit begrenztem Budget zu erstellen, wurde innerhalb kürzester Zeit die simpleshow. Wir haben in unserer Firmengeschichte also eher die Position des „Digital Native“. Heute helfen wir großen Unternehmen wie Mercedes-Benz, E.ON, Roche, Postbank, Bosch und anderen auf dem Weg, ihre Botschaften in digitalen Videos an ihre Zielgruppen heranzutragen. Vielen Firmen ist noch gar nicht bewusst, wie leicht wir ihre Kommunikationsprobleme mit unseren Videos lösen können. DMR: Welche Branchen gehören aus Ihrer Sicht zu den Trendsettern der digitalen Welt und wo sehen Sie Potenzial, das aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist? J. Schmelzle: Ich glaube, das Thema „Bildung“ im Allgemeinen wird die digitale Zukunft entscheidend prägen. Die technischen Errungenschaften der letzten 15 Jahre haben unser Sozialverhalten verändert, unsere Seh- und Hörgewohnheiten. Sie werden auch unseren Begriff des Lernens neu definieren. Früher stand ein Professor im Hörsaal und gab sein Wissen an eine kleine Gruppe von Studenten weiter. Heute gibt es im Netz so genannte MOOCs (Massive Open Online Courses), bei denen sich Lernende vernetzen, gegenseitig austauschen und im Selbstlernprozess voneinander profitieren. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Die digitale Welt ist kein digitales Abbild der alten Welt, sie wird anders sein. simpleshow ist Marktführer für E rklärvideos. Seit der Gründung im Jahr 2008 hat das Unternehmen mehrere tausend Videos für Kunden in mehr als 50 Sprachen produziert – darunter globale Akteure wie Microsoft, eBay, Audi, Deutsche Bank und Novartis. Bekannt geworden ist simpleshow mit der von ihr maßgeblich DMR: Haben Sie ein Lieblingsthema? J. Schmelzle: Wir haben schon mehrere tausend Erklärvideos für verschiedenste Branchen produziert. Es ist kaum möglich, einzelne Clips miteinander zu vergleichen. Am Ende ist jede simpleshow ein Einzelstück und ich freue mich immer, wenn der Kunde begeistert ist. Mir fällt dazu ein Kekshersteller ein, dessen Clip wir spontan mit dem Krümelmonster als Handmodel gedreht haben. Bei der Abnahme ist er vor Lachen vom Stuhl gefallen! Auch das beweist wieder: Oft sind es eben die einfachen Dinge im Leben... geprägten Papier-Legetrick-Technik. Heute bietet das Unternehmen Erklärvideos in verschiedenen Formaten, die komplexe Sachverhalte innerhalb weniger Minuten vermitteln. Eine eigene Academy garantiert die fundierte Ausbildung aller Teammitglieder. Die über 100 Mitarbeiter sind in Berlin, Stuttgart, Luxemburg, New York, Singapur, Hongkong und London tätig. 35 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Customer Self-Services Empirische Studie belegt hohes Potenzial aus Unternehmens- und Kundensicht Self-Services sind automatisierte Prozesse in Customer Care und Verkauf, die Kunden vollständig oder teilweise ohne jegliche Hilfe seitens des Unternehmens durchführen. Technologie ist der Enabler. Im Zuge der digitalen Transformation erzielen Customer Self-Services als strategisches Instrument eine große Wirkung. Unternehmen können dem steigenden Druck auf die Servicekosten erfolgreich begegnen und gleichzeitig hohe Kundenerwartungen an einfache und zu jederzeit verfügbare Services bedienen. Die aktuelle empirische Studie von Detecon untersucht das Potenzial von Customer Self-Services aus Unternehmens- und Kundensicht in den fünf Branchen Telekommunikation, Energie, Banking, E-Commerce und öffentliches Verkehrswesen. Interviewt wurden 88 Unternehmen und 442 Verbraucher. Bestandteile der Studie waren eine Reifegradanalyse des strategischen Entwicklungs- und Umsetzungsstandes auf Unternehmensseite, die Bewertung der Kundenwahrnehmung und -erwartung in Bezug auf Self-Services sowie ein Benchmarking und die Exploration der Best Practices über alle ins Visier genommenen Branchen hinweg. 36 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 >> Self-Services werden bereits von 78% der Konsumenten branchenübergreifend positiv wahrgenommen. Nach Produkt und Preis sind Self-Services für 60% ein wichtiger Entscheidungsfaktor für oder gegen einen Anbieter. >> Unternehmen der befragten Kernbranchen bestätigen mit 96% die hohe strategische B edeutung von Customer SelfService. 81% nennen Kundenzufriedenheit als oberstes Ziel gleich auf mit Kosteneinsparung. >> In der Realität bewertet über die Hälfte der Kunden die angesprochene Einfach- heit und Sicherheit von Self-Services derzeit mit der Schulnote 3 oder schlechter, obwohl die Unternehmen die Bedeutung bekannt ist. >> 85% der Kunden sind bei Self-Services die Aspekte Einfachheit und Übersichtlichkeit der Nutzung wichtig, 69% nennen die S icherheit der persönlichen Daten. Interesse an weiteren Ergebnissen? Bestellen Sie die vollständige Studie unter [email protected] ! Die Autoren der Studie Andreas Penkert, Managing Consultant, und Patrick Eberwein, Senior Consultant, beraten Unternehmen zu den Themen Organisation und Prozesse, Service Management und Customer Experience sowie innovativen Vertriebsansätzen im digitalen Zeitalter. 37 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Customer Self-Service in der Versicherungsbranche “Do it digital!” Digitalisierung in der Versicherungswirtschaft heißt vor allem Digitalisierung der Kundenschnittstelle. Hier spielt Customer Self-Service eine wichtige Rolle. Haben Versicherer alles bedacht? ür die Versicherungswirtschaft spielte Customer Self-Service F bis Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts keine olle. Erst mit dem Aufkommen digitaler Technologien und der R Notwendigkeit, Prozesse in der Versicherungswirtschaft effizienter zu gestalten, gewann das Thema an Bedeutung. In den Anfängen ging es beim Customer Self-Service aus Sicht der Versicherungsunternehmen darum, Kunden am Prozess der Leistungserstellung zu beteiligen und dadurch vor allem Kosten zu sparen. Heute rücken die Ubiquität von Internet-Technologien und die Digitalisierung der Kundenschnittstelle diejenigen Prozesse in den 38 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Fokus, mit denen sich eine Stärkung der Kundenbeziehung und eine kundenorientierte Ausrichtung des Produkt- und Serviceportfolios der Unternehmen erreichen lassen. Self-Service: Mehr als Einzelmaßnahmen Die Diskussion um Online-Self-Service in der Versicherungsbranche dreht sich derzeit um den Nutzen einzelner Maßnahmen und Funktionalitäten, zum Beispiel um Online-Bedarfsanalysen, Beratungsvideos, Chat-Funktionen, Online-Kundenakten oder – mit einem Blick in die Zukunft – um Virtual Reality. Die Unternehmen sind im Rahmen ihres Multikanalmanagements weiterhin bestrebt, den Online-Kanal möglichst effizient in die bestehenden Vertriebs- und Servicekanäle zu integrieren und Spannungen, insbesondere mit ihren A usschließlichkeitsvertrieben, zu vermeiden. Zwei Aspekte kommen jedoch in der gegenwärtigen Diskussion deutlich zu kurz: • Was motiviert Kunden zur Nutzung von Online-Self-Services und was lässt sich für die Gestaltung dieser Services daraus l ernen? • Kann man über Online-Self-Service eine strategische Differenzierung vom Wettbewerb erreichen oder sind im Wettlauf um die Einführung von Funktionalitäten bestenfalls kurzfristige Aufmerksamkeitserfolge zu erzielen? Kundenmotivation entscheidet über Nutzung von Self-Services Nicht nur Versicherungsunternehmen gehen fast selbstverständlich davon aus, dass neue Self-Service-Funktionalitäten von ihren Kunden auch angenommen werden, sofern die „Usability“, also die gute „Bedienbarkeit“ der Services, stimmt und die Kunden einen wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen können. Wirtschaftliche Vorteile können vor allem Kosten- und Zeitersparnis sowie Qualitätsgewinne, beispielsweise durch die eigene Online-Pflege von Stammdaten, sein. Zu kurz kommt dagegen der Blick darauf, dass Kunden mit der Ausübung von Self-Services eine eigenständige Leistung erbringen, und wie diese Leistung im Wechselspiel der oben genannten wirtschaftlichen Vorteile mit psychologischen Beteiligungsmotiven am besten gefördert werden kann. Zu den psychologischen Beteiligungsmotiven gehört der Wunsch nach Kontrolle über die Prozesse, die Vermeidung von Unsicherheit und Risiken hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse, also zum Beispiel hinsichtlich der Eignung eines „selbst gewählten“ Versicherungsproduktes für die Lebenssituation des Kunden. Weiterhin ist wichtig, wie der Wunsch nach persönlichem Kontakt, bei einer nicht geringen Zahl von Kunden auch der Wunsch nach Kontaktvermeidung, am besten bedient werden kann.1 1 Vgl. Marion Büttgen, 2009: Beteiligung von Konsumenten an der Dienstleistungserstellung: Last oder Lust? 2 Richard Sennett, 2008: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. 3 Byung Chul-Han, 2012: Transparenzgesellschaft. Auch Aspekte, die die Beteiligungsmotivation herabsetzen, sollten bei der Gestaltung der Self-Services stärker berücksichtigt werden. Motivationshemmend wirkt sich in erster Linie der Aufwand aus, der mit dem Erbringen der Services für den Kunden verbunden ist. In letzter Zeit kommt die Frage hinzu, wie die Versicherungsunternehmen mit den digitalen Spuren, die ihre Kunden auch im Rahmen von Self-Service-Aktivitäten hinter lassen, umgehen. Strategische Differenzierung über Multikanalmanagement und Kundenerfahrung Die meisten Versicherungsunternehmen schöpfen bei w eitem nicht alle Möglichkeiten aus, die sich ihnen durch Online Customer Self-Service entlang der Wertschöpfungskette in Beratung und Vertrieb sowie Kundenservice (After Sales) bieten. Dem mag die Einsicht zugrunde liegen, dass sich über neue Self- Service-Funktionalitäten allein keine nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb erreichen lässt. Dabei ist unbestritten, dass Versicherungsunternehmen in diesen Kanal investieren müssen. Die bislang häufig noch weitgehend getrennten Online- und Offline-Angebote müssen verzahnt werden, denn neue Generationen von Kunden differenzieren nicht mehr zwischen Online- und Offline-Angeboten. Somit wird eine Vereinheitlichung bestehender Kundeninteraktionspunkte über alle Vertriebskanäle sowie die Bereitstellung und Weiterentwicklung innovativer Online-Self-Service-Lösungen unausweichlich. Die Schlagworte „Multikanalmanagement“ und „Kundenerlebnismanagement“ (Customer Experience Management) prägen diese Diskussion. Wir möchten dennoch anregen, das Differenzierungspotenzial, das in einem Satz von Richard Sennetts liegt, zu bedenken. Sennett schreibt: „Der Narziss ist nicht auf Erfahrungen aus, er will erleben – in allem, was ihm gegenübertritt, sich selbst erleben.“2 Im Online Self-Service begegnet man nur sich selbst, erlebt sich selbst. Bei Erfahrungen hingegen, schreibt ByungChul Han, begegnet man dem Anderen.3 Ist nicht die Zeit reif für Kundenerfahrungen – auch in der Versicherungswirtschaft? Christof Strohkark, Mitglied im Partnerteam Financial Services, ist seit mehr als 15 Jahren im Finanzsektor tätig und berät Banken und Versicherungen zu strategischen Themen, Kundenservice und zur digitalen Transformation. Sandra Minervini ist Senior Consultant und berät Unternehmen der Finanzindustrie zu Fragestellungen des IT-Managements, Servicemanagements und an der Schnittstelle von Innovation und Technologie. 39 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Leading Digital! VMS, Fabasoft und Next Kraftwerke gewinnen Detecon ICT Award Big Data, Cloud und virtuelles Kraftwerk: Das sind die Themen, mit denen die diesjährigen Gewinner die Jury des Detecon ICT Award überzeugen konnten. Zum zweiten Mal vergab die Management beratung Detecon International in Kooperation mit dem Bundes ministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) in drei Kategorien Preise für außergewöhnliche Leistungen und Produkte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT). Unter dem Motto „Leading digital!“ fand die Feier zur Preisverleihung dieses Jahr im Kunst- und Ausstellungshaus der Langen Foundation in Neuss statt. Die Jury-Mitglieder: Hansjörg Baur (T-Venture), Dr. Andreas Bereczky (ZDF), Prof. Dr. Peter Buxmann (TU Darmstadt), Dr. Bettina Horster (VIVAI Software AG), Thomas Lünendonk (Lünendonk GmbH), Dr. Pero Micic (FutureManagementGroup), Prof. Dr. Arnold Picot (LMU München), Prof. Dr. Radu Popescu- Zeletin (Fraunhofer-Institut F OKUS), D aniel Schleidt (F.A.Z.-Institut), Dr. Christian S chmidt (DLR), Andreas G. Scholz (Deutsches Anleger Fernsehen), Rudolf Schulze (VDI-Nachrichten), Harald Stöber (Vodafone D2 GmbH), Dr. Alexander Tettenborn (BMWi), Heinrich Vaske (Computerwoche), Prof. Dr.-Ing. habil. Anette Weisbecker (Fraunhofer-Institut IAO). 40 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 In Kooperation mit 41 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 42 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Innovationspreis: Der diesjährige Innovationspreis ging an die VMS AG aus Heidelberg, die den großen IT-Trend Big Data für Unternehmen praktisch nutzbar macht. Die Big-Data-Applikation SCOOP erleichtert vor allem Finanzchefs das Leben: Sie nutzt die Datenbanktechnologie SAP HANA und durchsucht in Sekundenschnelle Millionen von Daten in den Unternehmensanwendungen nach Möglichkeiten zur Kapitalfreisetzung. Dabei greift sie auf vorhandene SAP-Systeme zu und simuliert auf dem iPad, wie sich die Änderungen operativer Prozesse auf die Liquiditätslage auswirken können. SCOOP veranschaulicht sowohl die zeitliche als auch die finanzielle Dimension von Veränderungen und macht große Datenmengen leicht handhabbar. Rund um die prämierte Anwendung SCOOP wurde inzwischen ein neues Unternehmen ausgegründet: die deutsche Trufa GmbH und die US-amerikanische Trufa Inc. Leistungspreis: Das europäische Softwarehaus Fabasoft AG mit Hauptsitz in Linz, Österreich, hat den Leistungspreis für eine Cloud-Lösung mit besonders hohen Sicherheitsstandards gewonnen. Mit der „Fabasoft Cloud“ erhalten Unternehmen eine Plattform für die sichere Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern und Kunden im Internet. Fabasoft speichert die Daten eines Kunden ausschließlich im von ihm gewünschten Land und gewährleistet damit Rechts- und Datensicherheit. Als einziger Cloud-Betreiber bietet Fabasoft mit der Authentifizierung mittels neuem deutschen Personalausweis oder der österreichischen Bürgerkarte mit Handy-Signatur die derzeit höchstmögliche Sicherheit für internationale Zusammenarbeit im Internet. Mit der Lösung erfassen, ordnen und speichern Nutzer alle digitalen Dokumente, Geschäftsunterlagen und Geschäftsakten in der Cloud. Die Software unterstützt zudem die informelle Zusammenarbeit und dient der Digitalisierung von firmenübergreifenden Geschäftsprozessen. Förderpreis: Das junge Kölner Unternehmen Next Kraftwerke GmbH, entstanden aus einem Spin-Off des Energiewissenschaftlichen Instituts der Universität zu Köln, hat den Förderpreis gewonnen. Ihre Lösung verbindet mehr als tausend dezentrale Kleinanlagen von privaten Ökostromherstellern zu einem virtuellen Verbund, das wie ein Großkraftwerk arbeitet. Eine automatische Steuerung regelt, wie viel speicherbare Energie etwa aus Biomasse und wie viel Strom aus wetterabhängiger Solar- und Windenergieerzeugung produziert wird. So kann der Verbund flexibel auf Verbrauchsschwankungen im Stromnetz reagieren und Versorgungssicherheit gewährleisten. Als virtuelles Kraftwerk agiert Next Kraftwerke als Stromhändler am Spotmarkt der Strombörse (EPEX) und kann die gebündelten Strommengen ihrer Kunden direkt vermarkten. Die Kunden profitieren dadurch von Zusatzerlösen gegenüber der fixen gesetzlich garantierten EEG-Einspeisevergütung. Gemäß eigenen Angaben hat Next Kraftwerke bereits über sechs Millionen Euro an Mehrerlösen für seine Kunden erzielt. 43 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 „In diesem Jahr haben wir wieder ganz besondere Unternehmen ausgezeichnet.“, sagt Francis Deprez, CEO der Detecon. „Sie zeigen, wie wir Informations- und Kommunikationstechnologien einsetzen können, um effizienter, sicherer und nachhaltiger zu wirtschaften. Es freut mich sehr, dass die diesjährigen Preisträger einen Beitrag dazu leisten, Big Data praktisch anwendbar zu m achen, das sichere Arbeiten in der Cloud unterstützen und zur Energiewende beitragen, indem sie die Vermarktung nachhaltig produzierten Stroms ermöglichen.“ Wir fragten unsere Gewinner, worin sie persönlich den größten Nutzen sehen, den digitale Technologien in der Zukunft leisten können? 44 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Andreas Dangl Geschäftsführer der Fabasoft Cloud GmbH Ralph Treitz CEO Trufa Inc. Hendrik Sämisch Co-Gründer und Co-Geschäftsführer von Next Kraftwerke „Digitale Technologien stehen für Automatisierung, Mobilisierung, Optimierung und Effizienzsteigerung. Unternehmen profitieren naturgemäß am meisten davon. Verschweigen darf man aber nicht die Nachteile und Gefahren dieser Neuerungen. So öffnet etwa die steigende mobile Arbeitsweise noch unbekannte Sicherheitslücken, auf die Unternehmen umgehend reagieren müssen. Zudem bringen nur besonders anwenderfreundliche Techniken wirklichen Nutzen für den User. Unternehmen müssen auch für die notwendigen Rahmenbedingungen sorgen, damit das sichere Arbeiten mit moderner Hard- und Software gewährleistet ist. Darunter fällt auch die Wahl der richtigen Partner, die digitale Technologien bereitstellen. Nur hochwertige Businessanwendungen „Made in Europe“ sorgen für sichere Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern. Zertifizierungen sind eine weitere Bestätigung für höchstmögliche Sicherheit. Unter Berücksichtigung der sicherheitsrelevanten Aspekte sehe ich digitale Technologien wie Cloud Computing als Unternehmensvorteil. Der größte Nutzen, den Firmen daraus ziehen können, ist die steigende Mobilität der Mitarbeiter, die daraus resultierende schnellere Bearbeitung von Anfragen und das Zugreifen auf Firmendaten von unterwegs. Mit zusätzlichen automatisierten Geschäftsprozessen und optimierten Workflows können Wettbewerbsvorteile gewinnbringend realisiert werden.“ „Digitalisierung von Informationen ist eine wesentliche Grundlage für deren automatische Verarbeitung. Das Tempo der Digitalisierung einerseits und deren Verarbeitung andererseits haben sich enorm erhöht. Kaum jemand nutzt heute noch analoge Landkarten zur Routenfindung im Auto. Der Mensch bestimmt, wohin die Reise geht, das Navigationssystem findet schnell und unproblematisch den richtigen Weg – einschließlich Stauplanung und anderen spontan auftretenden Hindernissen. Ähnlich verhält es sich bei Unternehmen. Das klassische Reporting gleicht der analogen Straßenkarte. Sie zeigt das „Ist“. Die Lösung der Frage „Wie komme ich von München nach Hamburg?“ muss der Leser selbst beisteuern. Und so ist ein CFO beim Studium des Reports über das gebundene Kapital im Unternehmen ein Analog-Karten-Leser: Er sieht das „Ist“ – aber wäre er bei geringerer Investition in Lagerware noch lieferfähig? Wie könnte er das Zahlungsverhalten von Kunden verbessern? Das sind betriebswirtschaftliche Fragen der Art „Wie komme ich von hier nach da“. Unsere Möglichkeit, diese Aufgaben mit SCOOP als Navigationssystem im Unternehmensprozess zu lösen, basiert auf der Digitalisierung der betriebswirtschaftlichen Vorgänge in ERP-Systemen, wie sie seit 20 Jahren eingeführt werden. Hinzu kommt nun die enorm schnelle Auswertung durch in-memory Technologie. Fertig ist das Navi für die Finanzabteilung!“ „Wie kann im Zuge der Energiewende das Gleichgewicht zwischen Stromerzeugern und Stromabnehmern hergestellt werden, auch wenn der Wind einmal nicht weht und die Sonne nicht scheint? Unsere Lösung, die ohne ICT nicht denkbar wäre: Mit einem virtuellen Kraftwerk, das viele hundert dezentrale Anlagen der Erneuerbaren Energien vernetzt und den Erfordernissen der Netze entsprechend hoch- und herunterschaltet. Seit 2009 haben wir über 1.000 dieser Anlagen – hauptsächlich gut regelbare Biogasanlagen mit einer Leistung von 250kW bis über 1MW – in unser virtuelles Kraftwerk Next Pool integriert. Dazu haben wir Fernsteuereinheiten an den Anlagen verbaut. Über diese „Next Boxen“ wird eine gesicherte Verbindung zwischen der Steuerung der Anlage und unserem Leitsystem hergestellt. Dazu wird eine getunnelte Verbindung per Mobilfunk oder DSL aufgebaut. Sobald diese M2M-Kommunikation steht, kann unser Leitsystem auf Daten der Anlage zugreifen. Im Fall eines Abrufs unseres virtuellen Kraftwerks zur Bereitstellung von Regelenergie verteilt das Leitsystem die Leistungsanforderungen vollautomatisch auf die einzelnen Anlagen. Durch die Vernetzung mittels ICT wird ein Potenzial gehoben, das sehr wertvoll ist: die Flexibilität der Anlagen, die oft über eigene, bauseits gegebene Speichermöglichkeiten verfügen. Erst durch die Vernetzung ist diese Flexibilität für den Strommarkt und die Stabilität der Stromnetze verfügbar.“ 45 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Interview mit Bernd Gebert, Gründer und Leiter der Initiative: IT- und Medienbildung an deutschen Schulen ist Basis für digitalen Wandel Unser Nachwuchs braucht mehr IT- und Medienkompetenz. Um das bereits in der Schule zu fördern, vermittelt eine gemeinnützige Initiative PC-Spenden von Unternehmen an Schulen und wirkt damit einem fatalen Trend entgegen: der digitalen Spaltung der Gesellschaft. Initiative Das macht Schule. Die Idee: Schüler übernehmen Verantwortung – für sich und ihre Schule. Sie erleben, was Initiative und Erfolg miteinander zu tun haben. Das bringt Werte wie Eigeninitiative, Verantwortung und Gemeinsinn in die Gesellschaft. Und zwar genau dort, wo der Hebel am wirkungsvollsten ist: in der Schule. Das macht Schule initiiert, fördert und betreut Projekte, in denen Schüler beispielsweise ihre Klasse renovieren, sich um Mensa, Klimaschutz und die Computerausstattung der Schule kümmern oder ihre Projekte selbst finanzieren. Dafür bekommen sie Projektpläne, Beratung, Impulse und Ermutigung – also Hilfe zur Selbsthilfe, kostenlos. Jedes Projekt wird zum Vorbild und kann „Schule machen“. Deutschlandweit konnten bereits über 120.000 Schüler an 1.200 Schulen in allen Schulformen und Klassenstufen davon profitieren. Lehrer bestätigen die Wirkung: 79 Prozent sagen, dass sich die Schüler nach so einem Projekt in ihrer Schule wohler fühlen. Und wer sich wohl fühlt, lernt auch besser, schwänzt weniger, Gewalt und Vandalismus nehmen ab. In den Projekten werden wichtige Handlungs- und Sozialkompetenzen wie Teamfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft und Eigeninitiative verbessert. Die Plattform ist seit 2007 online, gemeinnützig und unabhängig. Die Initiative arbeitet mit einem kleinen schlagkräftigen Team, erhält keine öffentliche Förderung und finanziert sich vor allem durch Unternehmensförderer, Stiftungen, Fördermitglieder und Spenden. Ashoka und die Bertelsmann Stiftung bestätigen: Der Ansatz ist geeignet, effizient und langfristig gesellschaftlichen Wandel zu bewirken. 46 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Bernd Gebert ist Physik ingenieur. Über 20 Jahre lang hat er als Unternehmer im Bereich Produkt didaktik, Öffentlichkeitsarbeit und Mar ketingkommunikation gearbeitet und Erfahrung im Aufbau einer Pionierdienstleistung gesammelt. Seine Talente: Einfühlungsvermögen, Sinn für Abläufe und – mit wenig Aufwand viel zu erreichen. Genau das setzt er jetzt für den gesellschaftlichen Wandel ein und begeistert Menschen, Dinge selbst anzupacken und zum Besseren zu verändern. 2006 hat er seinen Job an den Nagel gehängt und ist als Social Entrepreneur durchgestartet – schnell ausgezeichnet von Ashoka, der weltweit größten Organisation führender Social Entrepreneurs. DMR: Herr Gebert, was ist das Besondere an der Initiative „Das macht Schule“? B. Gebert: Wir initiieren, fördern und betreuen Projekte, in denen Schüler Verantwortung für sich und ihre Schule übernehmen und als glaubwürdige Vorbilder aus den eigenen Milieus „Schule machen“. Als Impulsgeber, Ermutiger und Begleiter bringen wir Lehrer dazu, mit ihren Schülern Projekte zu starten. Das alles verbinden wir mit dem gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen und schaffen dadurch zusätzliche Anreize für Schulen mit Vorteilen, von denen alle Beteiligten profitieren. Als Deutschlands größte Plattform für die Vermittlung gebrauchter IT aus Unternehmen an Schulen schaffen wir bessere Voraussetzungen für Medien- und IT-Bildung und fördern auch hier die Beteiligung der Schüler. DMR: Wie beurteilen Sie den Stand der IT- und Medienbildung an deutschen Schulen? B. Gebert: Der ist oft Mau. Vielen Schulen fehlt einfach die IT-Ausstattung gänzlich oder sie ist mangelhaft oder defekt. Zwei von drei deutschen Schulen haben keinen PC im Klassenzimmer, jede fünfte nicht einmal einen Computer-Raum. Dabei erwarten 98 Prozent der Schüler, dass ihnen die S chule die Computerkenntnisse vermittelt, die sie später brauchen. 90 Prozent der Eltern sehen das genauso. Firmen erwarten, dass Schulabgänger sicher mit dem PC umgehen können. Die Realität: Für 61 Prozent der Schüler ist die Nutzung elektronischer Medien im Unterricht immer noch die Ausnahme. Insbesondere für sozial Benachteiligte bedeutet das dramatisch schlechtere Chancen beim Berufseinstieg. Und erklärt auch, warum Lehrer schon mal ein paar hundert Kilometer fahren, wenn sie umsonst PCs für ihre Schule bekommen können. DMR: Unternehmen, die besonders engagiert spenden, erhalten von Ihnen das Siegel „Ausgezeichneter PC-Spender“. Wie profitieren Unternehmen darüber hinaus von Ihrer Initiative? B. Gebert: Kurz zum Siegel: Vorbildliches Engagement sollte sichtbar sein und Schule machen, damit sich die Idee weiter verbreitet, zum Beispiel bei Geschäftspartnern, Kunden und auch den Mitarbeitern. Schließlich vermittelt das auch Werte, für die das Unternehmen steht. Und zu Ihrer Frage: Jugend ist Zukunft. Sie muss die Chance haben, Schlüsselkompetenzen zu erwerben. Wir brauchen Menschen mit den sogenannten „21st century skills“, wie es Hannes Schwaderer von Intel sagt. Schulabgänger müssen teamfähig, kreativ, innovativ und in der Lage sein, Probleme zu lösen. Und selbstverständlich müssen sie IT- und Medienkompetenz mitbringen. Berit Heintz vom DIHK bestätigt, dass wir genau die Kompetenzen fördern, die Unternehmen von künftigen Auszubildenden erwarten. DMR: Welche Möglichkeiten sehen Sie außerdem, diese Schlüsselkompetenz bereits in Schulen zu vermitteln? Wo können wir noch ansetzen? B. Gebert: Kinder wollen dazugehören, ernst genommen werden und Verantwortung übernehmen. Selbst Hand anlegen und die eigene Wirksamkeit erfahren ist ein prägendes Erlebnis. Wir begeistern die Jugend dafür, dass Eigeninitiative und Verantwortung der Schlüssel zum Erfolg sind. Hier können Unternehmen ansetzen und uns helfen, diese wichtige Arbeit zu tun. Denn das alles muss auch finanziert werden: die Entwicklung von Projektvorlagen, die systematische Betreuung durch unseren Schulkontakt, die Vermittlung von Hardware oder der Betrieb der Website. Wer das unterstützen will, einmalig mit einer Spende oder als Fördermitglied auf lange Sicht, findet auf unserer Website unser Spendenkonto oder kann dort direkt online spenden. Die Hebelwirkung ist enorm. Im Bereich PCSpende hebeln wir mit einem Euro Geldspende bis zu 50 Euro Gegenwert an Hardware. Ein super Mehrwert für den Unternehmensförderer und die Gesellschaft, oder? DMR: Und wie funktioniert das Spenden ganz konkret? B. Gebert: Ganz einfach: Unternehmen tragen auf www.pcspende.de ein, was sie an gebrauchten PCs, Monitoren und Druckern spenden wollen. Schulen können sich dann auf unserer Internet-Plattform unter www.das-macht-schule.net das Angebot ansehen und sich melden. Schulen können auswählen, was sie brauchen, und profitieren durch die meist große Zahl baugleicher Geräte. Das vereinfacht die Installation und Netzwerkeinbindung. Wir sorgen für eine professionelle, einfache und zuverlässige Abwicklung. U nsere intelligente Drehscheibe spart Aufwand – bei Schulen und Unternehmen. Detecon wurde 2012 und 2013 mit dem Siegel „Ausgezeichneter PC-Spender“ prämiert. 47 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 M2M-Geschäftsmodelle Sprungbrett zu mehr Wachstum auf der Basis von Partnering 48 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Neue Geschäftsmodelle mit Maschine-to-Maschine-Prägung bieten Wachstumspotenziale. Ein kollaboratives Vorgehensmodell führt „Smart M2M Business Networks“ zum Erfolg. er Erfolgsfaktor von Machine-to-Maschine (M2M)- D Geschäftsmodellen liegt im unmittelbaren, automatisierten Datenaustausch zwischen Maschinen, die hierdurch im Prozess Mehrwert generieren. M2M findet sowohl im Consumer-Bereich als auch in der industriellen Produktion, dem B2B-Bereich, Anwendung. Das weltweite Marktvolumen liegt bei konservativer Abgrenzung laut Analysis Mason bei rund zehn Milliarden US-Dollar und ist damit noch übersichtlich. Der M2M-Markt wächst allerdings stark. Im westeuropäischen Markt liegt nach Schätzungen des IDC das Wachstum im Zeitraum 2012-2017 mengenmäßig bei 25 Prozent jährlich, wertmäßig immerhin bei 19 Prozent. Hier wird bereits ein Preisverfall pro Verbindung deutlich. Informa Telecoms & Media sagen sogar einen Anstieg der Verbindungen von 150 auf 220 Millionen Verbindungen bis Ende 2013 voraus. Mindestens vier Treiber sind für den Ausbau der M2M-Kommunikation verantwortlich. Das Feld bereitet eine wachsende Infrastruktur, denn drahtlose Kommunikation ist durch die Ausweitung von mobilem Breitband, Hot Spots, LTE und WiFi großzügig verfügbar, was den Nutzen und die Verbreitung von mobilen Anwendungen beschleunigt. Auch die Software für Big Data ist ein begünstigender Faktor – die Möglichkeiten, große Mengen an Daten zu verarbeiten, haben sich deutlich verbessert. Die erforderlichen Endgeräte und Komponenten werden immer günstiger und kleiner, wenn man an die Miniaturisierung von Computern, Sensoren, den Preisverfall von SIM oder kostengünstige RFID Chips denkt. Und schließlich treibt der Kosten- und Wettbewerbsdruck neue Lösungen voran – Unternehmen suchen nach neuen Möglichkeiten zur Einsparung, Sicherheit oder auch zur Differenzierung. Änderungen in vielen Lebensbereichen durch M2M M2M-Lösungen besitzen das Potenzial, unsere zentralen Lebensbereiche zu verändern. Derzeit konzentrieren sich die Anwendungen auf die Bereiche Automotive, Gesundheitswesen, Industrie, Energiemessung, Consumer-Elektronik, Payment & Billing sowie Sicherheit. Konkrete Beispiele zeigen, wo schon heute der Einsatz selbstverständlich ist: Stolpersteine Folgende Marktfaktoren behindern derzeit den Rollout von M2M: 1. Wechselkosten (CAPEX und OPEX) zum Aufbau von M2M sind vielfach noch höher als die Einsparungen, die p rimär im OPEX wirksam werden. 2. Schleppende Standardisierung: Viele Medienbrüche durch nicht abgestimmte Schnittstellen reduzieren die Prozessgeschwindigkeit, insbesondere wenn es um branchenübergreifende Lösungen geht. 3. Nachfrage nimmt verhalten zu: Der B2B-Bereich hat eine Vorreiterstellung, da er seit Jahren repetitive Beschaffungsvorgänge von Verbrauchsmaterialien bearbeiten muss. 4. Fragmentierte Marktteilnehmer: Die Akteure für neue Wertschöpfungsketten stammen aus unterschiedlichen Branchen. 5. Migrationen und Prozessumstellungen sind häufig komplex: Die erforderliche Migrationsnachhaltigkeit wird gescheut oder Umstellungserfordernisse unterschätzt. 6. Kundenorientierung in der Lösung nicht ausgereift: Technikwunder oder tatsächliche Verbesserung der Wertschöpfung? 7. Konnektivität: Verfügbarkeit und Qualität von Bandbreite steht nicht immer ausreichend zur Verfügung. 8. Sicherheit: Die Datenverbindung zwischen den Geräten muss verschlüsselt oder anderweitig gesichert sein. Beispiel Energieverteilung: Smart Grids passen die Last im Energienetz dem Bedarf an und führen die Energie dorthin, wo sie wirklich gebraucht wird. Das System steuert sich automatisch und aktiviert nach festgelegten Regeln die einzelnen Energie träger. Beispielsweise kann es Präferenzen für Energien aus nachhaltigen Rohstoffen oder Sonnen- und Windenergie aussteuern. Im privaten oder industriellen Verbrauch unterstützen Smart Meter den Nutzer darin, die Stromnutzung einfacher zu monitoren und den Stromverbrauch aktiv zu managen. Doch auch für Energieversorger ergeben sich Einsparpotenziale: Sie können die Flotte der Ableser durch das „Ablesen remote“ der Smart Meter deutlich reduzieren. 49 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Beispiel Smart Home: Mehr Komfort durch mehr Kontrolle – im Haus der Zukunft lassen sich alle Lebensbereiche wie Küche, Entertainment, Bad und Heizung von unterwegs wie auch innerhalb des Hauses durch ein ICT-gesteuertes Kontroll-Panel steuern. Ein intelligenter Spiegel verrät neben News, Wetter und Temperatur, in welcher Stimmung Sie selbst sind – und dimmt das Licht entsprechend. Dienstleistungsgewerbe: In der Esso-Tankstelle im britischen Thetford gibt es immer heißen Kaffee! Bevor der K affeemaschine das Pulver ausgeht oder eine Wartung ansteht, setzt sie auf B asis einer Software für M2M-Kommunikation automatisch einen Ruf an den Aufsteller Simply Coffee ab. Dessen Außendienst kann rechtzeitig Abhilfe schaffen. Die Software wird in einer Cloud betrieben, Simply Coffee mietet sie und spart Investitionskosten von rund 70 000 Euro. Im Gesundheitswesen wird medizinisches Gerät vernetzt und die Archivierung digitalisiert, so dass der Zugriff auf Patienten- sowie Therapiedaten einfach und jederzeit möglich ist. M2M im Gesundheitswesen basiert auf der Idee, Herzfrequenz, Blutdruck und andere Parameter per Sensoren kontinuierlich aufzunehmen und in ein Gesundheitssystem mit Kontrollservern einzuspeisen. Dort werden die Daten analysiert und Empfehlungen an den Patienten oder das betreuende Ärzte- und Pflegeteam gesendet. Dies steigert die Effizienz der Behandlung und senkt die Gesundheitskosten. Beispiel Verkehr: In smarten Städten erfolgt der Transport reibungsloser! Echtzeitverkehrssysteme steuern den Verkehr in der Stadt. Vernetzte Verkehrsträger und multimediale Autos tragen zu mehr Sicherheit, mehr Effizienz und zu mehr Entertainment beim Fahrerlebnis bei. Beispiel industrielle Produktion: In der industriellen Produktion und Dienstleistung schaffen durchgängige Workflows Produktivitätsvorteile. M2M deckt hier den kompletten Lebenszyklus einer Maschine ab, von der Initialkonfiguration und Aktivierung von Investitionsgütern und der unterstützenden Bereitstellung der Installationsdokumentation bis hin zur Unterstützung bei Bedienung, optimierten Konfiguration oder Überwachung, von der Wartung in Form von automatisierter Störungsmeldung und Wartung remote bis hin zum Austausch – Ersatzgerät finden und bestellen sowie Transfer der Konfiguration von Alt- auf Neugerät. Insgesamt sorgt der Austausch von Daten für eine reibungslose Fertigung. Selbst in der Landwirtschaft wird die Produktivität durch automatische Erntemaschinen unterstützt. Sensoren in und an Tieren geben beispielsweise Auskunft über Melkzeiten oder Niederkunft von Kälbern: Auf dem Hof Josef Schreiber sind 80 Kühe mit hochsensorigen Halsbändern ausgestattet, die jede Bewegung registrieren. Die Daten gelangen anschließend automatisch zum Stallcomputer. Ziel des Datensammelns ist es, den optimalen Zeitpunkt für die Befruchtung der Tiere zu finden. Das Abbildung: Partnermanagement in M2M-Projekten Value Chain Analyse Partnerselektion • SWOT-Analyse zur Identifikation von Verbesserungspotenzialen im Prozess • Long list / Short list der Partner • Exit nicht-performanter Partner M-O-P-S Entscheid • Entscheidung über Make, Outsource, Partner oder Buy Monitor Run • Angang/Bindung von Partnern in LOI/Kooperationsverträgen Connect/Disconnet • Integration neuer Partner • Ausphasen schwacher Partner Abweichungsmanagement Transformation • Proaktive Frühwarn-Signale • Korrekturmaßnahmen • Anpassung von Schnittstellen, Applikationen und Datenverbindungen sowie Standorte Quelle: Detecon 50 Build Partner/ schaftliches Vorgehen im M2M Leistungsmessung • Einsatz von KPIs, die die Leistung des Partnernetzwerks messen • Definition Ziele, Screening Trends Partnerinitiierung & Vertragsgestaltung Plan Detecon Management Report blue • 1 / 2014 gelingt mit Hilfe einer Analysesoftware, die ihre Ergebnisse per SMS an Schreibers Handy schickt. Trotz der Investitionskosten amortisiert sich diese M2M-Lösung für den Familienbetrieb, sagt Schreiber im Handelsblatt vom 23.10.2013: „Ob die Kuh befruchtet wird oder nicht, beeinflusst ihre Wirtschaftlichkeit enorm.“ Wird der richtige Zeitpunkt verpasst, muss Schreiber wieder wochenlang warten. formiert, muss das Partnernetzwerk zum Laufen gebracht – und anschließend am Laufen gehalten werden. Traditionelle Regelungsmechanismen wie Organisation und Prozesse sorgen zwar für die Rahmenbedingungen der Leistungserbringung. An den Schnittstellen der Zusammenarbeit entscheidet sich aber, ob sich diese Arbeitsteilung effizient entfaltet – das Alignment der Beteiligten entscheidet über den Erfolg. Neben die Technologie tritt überlegene Partnering-Kompetenz In vielen Beratungsprojekten hat sich ein 4-Stufen-Vorgehensmodell bewährt, das den ganzen Lebenszyklus des Wertschöpfungsnetzes abdeckt (siehe Abbildung). In M2M-Applikationen werden verschiedenartige Technologien kombiniert. Dies initiiert eine horizontale, branchenübergreifende Integration – Branchen wachsen zusammen. Neben die technologische Kompetenz tritt das Management der Marktteilnehmer: Unternehmen müssen die kombinierten Stärken der globalen Player ins Spiel bringen. Professor Böcker von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Präsidiumsmitglied der M2M-Allianz e.V., stellt als Schlüsselfaktoren fest: „Sicher ist die technologische Lösungskompetenz die erste Wettbewerbs visitenkarte solcher Netzwerke. Partnering ist aber der wichtigste Hygienefaktor. Sowohl die Partnerauswahl als auch das Management der Partner im laufenden Betrieb ist erfolgsentscheidend, genauso wie die Fähigkeit, sich von schwachen Partnern zu trennen und diese schnell durch leistungsfähigere Kooperationspartner zu ersetzen.“ Überzeugende M2M-Lösungen sind deshalb unweigerlich mit dem Aufbau und Betrieb eines professionellen Partnermanagements verbunden. Heute konkurrieren häufig nicht mehr einzelne Unternehmen miteinander, sondern firmenübergreifende Unternehmensallianzen und virtuelle Unternehmensnetzwerke. Diese als Smart Business Networks bezeichneten Netzwerke sind stark verzahnte Geschäftsmodelle zwischen den Akteuren. Die Ausgestaltung der Wertkette mit konkreten Partnern, die individuelle Konfiguration des Wertschöpfungsangebots und die Betonung einzelner Stufen und Funktionalitäten bestimmen über die Besonderheiten des Angebots und das Renditepotenzial. Merkmale sind Flexibilität und Agilität, um neue Geschäftsverbindungen eingehen zu können und auch wenig erfolgreiche Kooperationen wieder schnell aufzulösen (Quick Connect & Disconnect). Sie können automatisch an einzelne Geschäftsprozesse andocken (Plug & Play) und folgen smarten und einfachen Geschäftslogiken für Informationsfluss und Entscheidungsfindung. Um im netzzentrierten Wettbewerb mit einem partnerzentrierten Ansatz zu bestehen, sind zwei große Schritte notwendig: Die strategische Business Transformation erfordert die Neuausrichtung der Wertschöpfungsaktivtäten auf die angestrebte Wettbewerbsposition des jeweiligen Unternehmens. Ist die Partnerallianz Das Prozessdesign in der Transformationsphase ist erfolgsentscheidend. Für jede Art von Zusammenarbeit gilt, dass Aufgaben anders aufgeteilt und somit Prozesse, Prozessschritte und Verantwortlichkeiten durchleuchtet, angepasst und umgestaltet werden müssen. Die organisatorische Optimierung beginnt bereits bei der Einigung auf einen neuen Zuschnitt und die Optimierung der fortan gemeinsam zu durchlaufenden Prozessketten. Ziel ist es, zu einem gemeinsamen, sinnvollen und durchgängigen Prozess zu gelangen. Basis des Managementmodells ist das Entrepreneurship der Mitglieder. Die Kontrollmöglichkeiten nehmen an anderer Stelle zu: IT-Standards und die Existenz von M2MKontroll-Systemen machen die Überwachung der Warenströme der Wertschöpfungsketten sowie der Kunden-Response immer einfacher. Das Erfolgs-Tracking der Partnerschaft und der gemessene Wertbeitrag jedes Partners wird in der Zukunft noch mehr in den Steuerungssystemen der Unternehmen Einzug halten. Und: Partnerschaften sind auf Zeit angelegt. Geeignete Exit-Mechanismen sind vorzusehen, um ein faires und reibungsloses Disconnect zu ermöglichen, falls die Kooperation nicht funktioniert. Virtuelle Wertschöpfungsnetzwerke werden zukünftig den M2M-Markt beherrschen. Eine Komponente der Kontrolle fällt allerdings weg: Die Kontrolle durch Eigentum. Zusammenarbeit ist der Rohstoff, ein gemeinsames Verständnis das Ideal. Dr. Christian Krämer ist als Managing Consultant in der Organisations- und Strategieberatung aktiv und forscht auf dem Gebiet „Business Collaboration“. M2M-Anwendungen verfolgt er im Branchenumfeld der Consumer-, High Tech- und Telekommunikationsindustrie. Als EFQMAssessor engagiert er sich in der Verbesserung von Unternehmen unter Höchstleistergesichtspunkten. 51 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Next Generation Digital Health Services Diabetes Präventionsportal gibt die Richtung vor Die Anforderungen an Next Generation Digital Health Services haben Parallelen zur Telekommunikation. Wie hervorragend sich erprobtes K now-how übertragen lässt, zeigt das Diabetes Präventionsportal. iabetes mellitus ist eine Volkskrankheit, die besonders in D den industrialisierten Ländern zunimmt. Für die Betroffenen können sich aus dem Diabetes schwerwiegende Folgeerkrankungen ergeben, von einer Schädigung der Blutgefäße, Nerven und Augen bis hin zu Krebs. Für das Gesundheitssystem hat dies enorme Behandlungskosten zur Folge. Studien belegen klar, dass eine Steigerung von Adhärenz die Gesundheitsergebnisse signifikant verbessern. Die Anzahl der Neueinweisungen nach Operationen kann reduziert werden, wenn der Patient umfassend zuhause überwacht und versorgt wird. Selbstbestimmtheit und Informiertheit der Patienten sind klare Ziele der Next Generation Health. Aktuelle Produktentwicklungen konzentrieren sich auf die Realisierung dieser Ziele. In diesem Kontext entstand das Diabetes Präventionsportal. Das gemeinsam von Detecon, T-Systems und Central Krankenversicherung entwickelte Präventionsportal Diabetes bietet die Möglichkeit, Bewegungs- und Blutzuckerwerte kontinuierlich selbst zu kontrollieren. Mit Unterstützung eines persönlichen Coaches lernt der Teilnehmer, wie er seinen Gesundheitszustand aktiv selbst verbessern kann. 52 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Ein entscheidender Erfolgsfaktor war die Übertragung von Know-how aus der Telekommunikation auf die Gestaltung des Präventionsportals. Interaktives Webportal bietet Komplettlösung für Diabetiker Die Diabetiker können mittels Schrittzähler, Blutzuckermessgerät und Smart Phone kontinuierlich ihre korrelierten Bewegungs- und Blutzuckerdaten kontrollieren. Berater des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums und auf Wunsch auch eigene Angehörige begleiten die Teilnehmer des Präventionsprogramms. T-Systems bietet ihren Kunden somit eine Komplettlösung. Sie umfasst die Einbindung seiner Patienten in ein Coaching-Programm, sichere Übertragung und Korrelation der Daten, eine anwenderfreundliche Nutzeroberfläche sowie den laufenden technischen Support. Das System ist modular aufgebaut, Kunden können die Leistung auf weitere Serviceangebote für ihre Versicherten ausbauen. Um das interaktive Webportal nutzen zu können und die eigenen Protokolle im Tagebuch abzurufen, melden sich die Teilnehmer in wenigen Schritten selbstständig an. Bei Problemen mit der Anmeldung oder während des weiteren Betriebs bietet die Central über Telefon- und E-Mail-Hotline den First Level Support. Den Second Level Support leistet T-Systems. Über das Präventionsportal erhalten Versicherte und deren Betreuer bei der Central ein tägliches Protokoll über Bewegung und Blutzuckerwerte beziehungsweise können diese jederzeit online einsehen. Anhand der korrelierten Werte lassen sich Verbesserungen des persönlichen Lebensstils ableiten. Alle Teilnehmer können auch ihren Angehörigen einen Datenzugang gewähren und sich somit eine noch breitere Unterstützung sichern. Begleitend dazu wird das Präventionsportal in seiner nächsten Ausbaustufe auch eine informative Community-Plattform anbieten. Telekommunikations-Know-how sichert Qualität und reduziert Risiko und Zeiteinsatz Die umfassende Betreuung der Programmteilnehmer erfordert einen ganzheitlichen Lösungsansatz. Es muss sichergestellt werden, dass die Einschreibung neuer Teilnehmer, die Aktivierung der Geräte und des Coaching Service als auch der laufende Betrieb bis hin zum Billing reibungslos und effizient funktioniert. Lösungen wie das Diabetes Präventionsportal müssen hoch skalierbar sein, die Kosten müssen dabei im Rahmen gehalten werden. Der Betrieb eines solchen Portals erfordert Prozesse für die Kernbereiche Management von Kundenanfragen zum Produkt, Management verschiedener Produktvarianten, Bereitstellung (Provisionierung) von Diensten (Coaching & mobile Geräte), Management von Problemen im Betrieb, Abrechnung der bereitgestellten Dienste. Für die Modellierung der Managementprozesse bietet sich das Prozessmodell eTOM an. Bereits 2012 hat Detecon begonnen, dieses auf den Bereich Healthcare zu übertragen und erhielt hierfür im Juni 2013 eine Auszeichnung vom TMForum®. Das Wiederverwenden bestehender Best-Practice-Lösungen aus dem Telekommunikationsbereich sichert nicht nur eine hohe Qualität, sondern reduziert Risiko und Zeit bei der Modellierung und Umsetzung. Beispielsweise verhält sich der Prozess „Einschreiben eines neuen Teilnehmers“ wie ein „Order-Prozess“ für ein Mobilfunkprodukt. Bei der Bestellung eines Mobilfunkservice wird in der Regel eine Kreditprüfung durchgeführt, gegebenenfalls die Verfügbarkeit der Endgeräte geprüft und die einzelnen Produktanteile aktiviert. Analog hierzu durchläuft der Patient erst eine „Eignungsbewertung“ mittels eines Anamnesebogens. Nach erfolgreicher Freigabe werden die einzelnen Servicebestandteile beauftragt: Starterpaket mit Messgeräten versenden, Online-Konto für Messgeräte aktivieren, Coach zuweisen. Wanted: Next Generation Digital Health Services Klassisch gesehen gibt es getrennte Bereiche im Healthcare, deren Märkte in ihren eigenen Silos betrachtet werden. So kann man zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention, akuter medizinischer sowie chronischer Versorgung unterscheiden. Durch neue Technologien, eine ständig wachsende Zahl neuer Marktteilnehmer, zum Teil aus nicht medizinischen Bereichen, wird diese strikte Trennung immer weiter verschwimmen. Mit dem Diabetes Präventionsportal wurde bereits eine technische Basis für moderne Präventionsprogramme geschaffen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für Next Generation Digital Health Services ist die Fähigkeit, schnell auf neue Marktanfor derungen zu reagieren und entsprechende Produktbündel anbieten zu können. Beispielhaft genannt seien Lösungen, die aufgrund von Pandemien schnell entsprechend geschnürte Pakete für Informationsbereitstellung, Sammeln von Vitalparametern und ärztliche Betreuung anbieten können. Viele dieser Anforderungen zeigen hohe Parallelen zur Telekommunikation. Zentrale Erfolgskriterien für neue Geschäftsmodelle sind • Skalierbarkeit, • Wiederholbarkeit, • Erweiterbarkeit für andere Dienstleistungen oder Krankheitsbilder, • Business Interoperabilität entlang der neuen Wertschöpfungsketten. Detecon leitet seit Ende 2012 ein Catalyst Programm des TM Forum. Hier wird die Adaption der Telco Best Practice Suite für Prozesse, Informationsmodelle und Applikationsarchitektur Framworx® auf den Gesundheitsbereich vorangetrieben. Die Central ist ein Unternehmen der Generali Deutschland Gruppe. Sie bietet passgenaue Krankenversicherungen – als Vollversicherung sowie als Zusatzversicherung für gesetzlich Versicherte. Mit Beitragseinnahmen von rund 2,2 Milliarden Euro und knapp 1,8 Millionen Kunden zählt die Central zu den führenden privaten Krankenversicherungen in Deutschland. Mit speziellen Gesundheitsprogrammen kümmert sich die Central um die Belange von chronisch kranken Versicherungsnehmern. B ereits seit zehn Jahren bietet die Central eine besondere Betreuung für Diabetiker an. Sven Schuchardt, Managing Consultant, berät Unternehmen der Pharma- und Health-Industrie zu innovativen Themen. 53 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Ambient Assisted Living Hohes Marktpotenzial, aber der Anstoß fehlt AAL-Produkte erhöhen die Lebensqualität von älteren und hilfsbedürftigen M enschen. Rechtliche, finanzielle und technische Hürden erschweren den Durchbruch. Politik und Wirtschaft sind gefordert. 2060 wird in Europa jeder Dritte älter als 65 Jahre Ialt msein.JahrDieser demografische Wandel führt dazu, dass immer mehr Personen im Renten- und Pflegealter von immer weniger Erwerbstätigen finanziert werden müssen. Die Mobilitätsanforderungen unserer Gesellschaft trennen Familien, die über drei Generationen gehen, räumlich immer stärker, so dass Senioren weitestgehend auf sich selbst angewiesen sind, gepaart mit dem Wunsch, so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in ihren eigenen vier Wänden zu führen. Diese Entwicklung lässt die Nachfrage nach Assistenzlösungen im Alten- und Pflegebereich stetig steigen, die aufgrund suboptimaler Arbeitsverhältnisse hinsichtlich Entlohnung und Arbeitszeiten auf ein bestenfalls stagnierendes Angebot in der personalintensiven Altenpflege trifft. AAL steht für mehr Lebensqualität Einen Ausweg aus diesem Alten- und Pflegedilemma verspricht die stärkere Konzentration und Förderung von „Ambient Assisted Living“ („umgebungsunterstütztes L eben“), vielfach nur unter der Abkürzung AAL bekannt. AAL fasst Konzepte, technische Lösungen, Produkte und Dienstleistungen zusammen, die neue Technologien und soziales Umfeld miteinander verbinden, um die Lebensqualität von älteren und hilfe bedürftigen Menschen zu erhöhen, in dem sie in ihren eigenen vier Wänden ein weitgehend autonomes Leben führen können. 54 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Das Anwendungsgebiet technischer Assistenzsysteme ist sehr umfangreich. Diese reichen vom mobilen Hausnotruf, Sensoren in Wänden, Teppichen oder Kleidern über PC- oder TV-basierten visuellen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten mit Freunden, Verwandten, Arzt, Pflegedienst oder Dienstleistern für den täglichen, häuslichen Bedarf bis hin zu kompletten Smart-Home-Lösungen, die alle Aspekte der Sicherheit, Betreuung, Familie, Freizeit, Notruf und Medizin zum Wohle der Nutzer einbeziehen. Die Politik ist sich der Herausforderungen des demographischen Wandels bewusst, so dass das Thema AAL Bestandteil der High-Tech-Strategie der Bundesregierung wurde. Im November 2011 verabschiedete das Bundeskabinett die „Forschungsagenda für den demographischen Wandel: Das Alter hat Zukunft“. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt seit 2008 die Durchführung des jährlichen AALKongresses, zudem wurden eine Vielzahl von Förderprojekten – allein im Jahr 2012 starteten über 20 neue, vom BMBF geförderte Forschungsprojekte für altersgerechte Assistenzsysteme – und die Einrichtung von Masterstudiengängen zum Thema AAL initiiert. Neben der sozialen und gesellschaftspolitischen Komponente hat AAL jedoch auch einen signifikanten ökonomischen Aspekt. Die EU-Kommission geht davon aus, dass der AAL-Markt in Europa in den nächsten zwei Jahren um jährlich 14 Prozent auf einen Umsatz von 38 Milliarden Euro anwachsen wird. Herausforderungen erschweren Markteintritt von AAL-Lösungen Während viele technische AAL-Entwicklungen vorangetrieben, Förderprojekte anlaufen beziehungsweise abgeschlossen werden und bereits eine Reihe von Prototypen existieren, ist ein breiter Markteintritt von AAL-Produkten immer noch nicht von Erfolg gekrönt. Abgesehen von einigen bescheidenen Anfangserfolgen bei Aktivitätsmessgeräten oder Notruf-Armbändern hat bisher kaum eine AAL-Lösung den Durchbruch geschafft. Dies kann mehrere Gründe haben. Datenschutz: In der Bevölkerung existieren gewisse Vorbehalte gegen eine ständige Überwachung in den eigenen vier Wänden. Der Vorteil eines Mehr an Lebensqualität darf nicht durch mögliche Probleme beim Datenschutz und der Verletzung der Privatsphäre kompensiert werden. Hier sollte angestrebt und dem Nutzer auch entsprechend kommuniziert werden, dass die Intelligenz, die die erhobenen Daten auswertet, sich bei ihm vor Ort befindet und nur dann eine Datenkommunikation nach außen erfolgt, wenn ein vorab definierter Grund dafür vorliegt. Finanzierung: Da die potenzielle AAL-Käuferschicht überwiegend über Einkommen aus Rente oder Pensionen verfügt, sind die Budgets für Investitionen in AAL-Lösungen, Produkte oder Services in den meisten Fällen eher limitiert. Hier sind diejenigen gesellschaftlichen Institutionen als Financier gefragt, bei denen Ausgaben im Bereich AAL durch entsprechende Einsparungen kompensiert werden können. Dies ist insbesondere im Bereich der Telemedizin der Fall. Dort wurde mittlerweile nachgewiesen, dass durch die Ausstattung von Patienten mit Geräten zur häuslichen Messung von Vitaldaten wie Gewicht, Blutdruck und Herzfrequenz und deren automatischer Weiterleitung an das Pflegepersonal oder den Arzt die hohen Kosten für stationäre Krankenhausaufenthalte deutlich reduziert werden können. Nach jahrelangem vergeblichen Ringen und dem Verstreichen von Fristen der Bundesregierung, dass Ärzte ihre telemedizinischen Leistungen über den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abrechnen können, haben der Spitzenverband des GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) und die KBV (Kassenärztlichen Bundesvereinigung) nun Mitte 2013 eine gemeinsame Rahmenvereinbarung aufgesetzt, in der der EBM auf die mögliche Finanzierung der Telemedizin hin zu prüfen sein soll. Konsortien und Standards: Da die verschiedenen Bereiche ineinander greifen, müssen sie entsprechend verzahnt sein. Das erhöht die Komplexität deutlich. Diese Tatsache und die häufig noch fehlenden Standards, insbesondere bei den Schnittstellen zwischen den verschiedenen Systemen, erhöhen die Anforderungen an die intelligenten Assistenzsysteme. Da bei komplexeren AAL-Lösungen eine ganze Reihe von Unternehmen zusammenarbeiten muss, stellt sich die Frage, wer hier die Verantwortung trägt. Bisher sind dies in den Förderprojekten entweder Unternehmen aus dem Bau- oder aus dem ICT-Sektor, die eine Vielzahl von Unternehmen zusammenbringen und Lösungen für die unterschiedlichen Schnittstellen definieren müssen. Steigender Druck zur Einführung von AAL-förderlichen Rahmenbedingungen Da Länder aus Skandinavien und Großbritannien rechtliche Fragen, Fragen der Finanzierung und der technischen Standards schon weitgehend gelöst haben, entwickelt sich dort zunehmend der Markt für AAL Lösungen. Dadurch wächst in Deutschland der Druck auf Gesetzgeber, Sozialversicherungen und technische Standardisierungsinstitutionen, auch hierzulande AAL-förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, so dass in den kommenden Jahren mit einem signifikanten Marktdurchbruch zu rechnen ist. Deutsche Telekom und Detecon als kompetente Partner im AAL-Markt Die Deutsche Telekom hat sich schon früh dem Thema AAL zugewandt und eine Vielzahl von Applikationen in der T-City Friedrichshafen implementiert. Das über drei Jahre laufende Pilotprojekt Smart Senior wurde im Jahr 2012 erfolgreich abgeschlossen. Der Forschungsverbund von 28 Partnern unter Leitung der Deutschen Telekom brachte eine Vielzahl von technischen Möglichkeiten zu Tage, um die Herausforderungen aufgrund der Überalterung unserer Gesellschaft anzugehen. Unter dem Namen Qivicon bietet die Deutsche Telekom jetzt ein umfassendes AAL-Konzept mit einer Reihe von Industriepartnern an. Detecon ist seit Jahren als kompetenter Ansprechpartner in den verschiedensten AAL-Bereichen bei der Erstellung und Implementierung von ICT-Lösungen tätig, die von der Umsetzung von Videokommunikationskonzepten, der Erstellung von Service Portal Lösungen bis hin zur Implementierung von Telemonitioring-Applikationen reichen. Jürgen Richter ist Managing Consultant und berät Unternehmen aus der Pharma- und Health-Industrie zu den Themen AAL, Telemedizin, Medikationsadhärenz und Behaviour Intervention. 55 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 eGovernment-Gesetz Drei Thesen zur Zukunft der digitalen Behörde 56 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Im Jahre 2022 hat die deutsche Verwaltung ein digitales Wissensmanagement in ihren horizontalen und vertikalen Verwaltungsebenen eingeführt. 2022 wird durch die Institutionalisierung des digitalen Wissensmanagements der verwaltungsinterne Austausch von Dokumenten, Informationen und Erfahrungen etabliert. Blaupausen dienen allen Verwaltungsebenen als Wissensgrund lage für zukünftige Vorhaben und werden für alle Mitarbeiter jederzeit zugänglich abgelegt. Institutionalisiertes digitales Wissensmanagement ermöglicht der Verwaltung, Synergie effekte zu realisieren, um bei schwindender Personaldichte dieselben Aufgaben effizienter und effektiver zu bewerkstelligen. >> Die digitale Erfassung von Erfahrungswerten einzelner Mitarbeiter führt dazu, Prozessoptimierungen auf Basis der Nutzung von bereichsübergreifendem Wissen aus den horizontalen und vertikalen Verwaltungsebenen zu ermöglichen. >> Die kollaborative Kultur des digitalen Wissensmanagements im Jahre 2022 fördert dezentrales Arbeiten durch Austausch von Dokumenten, Informationen und Erfahrungen. Dokumente, zum Beispiel Blaupausen, sind aus einem Netzwerk oder von einem bestimmten Computer aus zugänglich und werden über behördliche Grenzen hinweg geteilt. >> Trotz ausscheidender Mitarbeiter steht das Wissen der Verwaltung auch in Zukunft allen zur Verfügung. Verbesserte Kommunikationskanäle und Datentransfers über alle föderalen Ebenen werden bis 2020 etabliert, schaffen Synergieeffekte und ermöglichen eine signifikante Effizienzsteigerung. Durch das eGovernment-Gesetz werden Schnittstellen zwischen Staat und Wirtschaft geschaffen, die ein medienbruchfreies Melde-, Berichtund Dokumentationswesen ermöglichen. Die gesetzlich verankerte Digitalisierung der Bundesbehörden, wie sie im eGovernment-Gesetz festgeschrieben ist, ermöglicht eine bessere und vor allem schnellere Vernetzung der unterschiedlichsten Behörden. Somit wird es 2020 möglich sein, dass Verwaltungen, soweit es die Datenschutzrichtlinien erlauben, gemeinsam auf ein Datennetzwerk zugreifen können. >> Verwaltungsanfragen werden im Jahr 2020 über alle Verwaltungsebenen hinaus über den medienbruchfreien digitalen Kommunikationsweg gestellt und beantwortet. Dies schließt sowohl den Austausch von Aktenbeständen als auch rechtsverbindliche Unterschriften via qualifizierte elektronische Signatur mit ein. >> Verfügbare Datenbestände können ohne gesonderte Anfragen von verschiedenen Behörden gleichzeitig genutzt und der bestehende Amtsweg dadurch massiv verkürzt werden. Beispiel: Die Immatrikulationsbescheinigung eines Studenten kann nach dessen Einverständnis den zuständigen Behörden direkt digital im Datennetzwerk zur Verfügung gestellt werden. >> Digital unterstützte innerbehördliche Kommunikation und Datentransfers senken die heute sehr hohen Bürokratiekosten in den kommenden sieben Jahren erheblich. >> Computerunterstützte Kommunikations- und Datenkanäle helfen der Verwaltung, bekannte Fehler und Verfahrensänderungen schneller in die Regelprozesse zu implementieren. Eine fortlaufende Digitalisierung der Bundesbehörden wird nicht nur interne Prozesse, sondern auch die Kommunikation mit externen Beteiligten verändern. In Zukunft wird das aufwendige Melde-, Bericht- und Dokumentationswesen, dass heute noch weitestgehend papierbasiert an die zuständigen Behörden übermittelt werden muss, digital an die Verwaltung übertragen. >> Unternehmen mit einer h ohen Meldepflicht gegenüber Behörden bilden bereits heute den Großteil ihrer Prozesse digital ab. Neue Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Verwaltung und Wirtschaft (Government-to-Business – G2B) machen auf beiden Seiten ein erhebliches finanzielles Einsparpotenzial möglich. >> Die digitale Übermittlung von geforderten Unterlagen befähigt die Behörden, nahezu ohne zeitlichen Verlust auf Erkenntnisse aus diesen Dokumenten zu reagieren und notwendige Maßnahmen einzuleiten. Damit können Anträge schneller bearbeitet und Forderungen schneller übermittelt werden. Dies verbessert die Handlungsfähigkeit und allgemeine Aufgabenerfüllung von Behörden. >> Positive wirtschaftliche Impulse treten in Kraft, da Firmengründungen, Bauanträge und ähnliche Verwaltungsvorgänge ortsunabhängig eingereicht werden. Allein der dadurch entfallende zeitliche Aufwand hat große Implikationen für den Wirtschaftsstandort. >> Auf europäischer Ebene werden der gemeinsame europäische Markt und die Freiheit der Bürger weiter gestärkt, da Ummeldungen und Anträge im EU-Ausland ohne persönlichen Gang zur Behörde zu realisieren sind. Michael von Uechtritz und Steinkirch ist Partner und Head of Public Sector. Er berät den öffentlichen Bereich zur digitalen Transformation, zu nachhaltigen Lösungen und Effizienzsteigerungen. Philipp Pytel ist als Business Analyst im Public Sektor tätig. Schwerpunkt sind die Themen Digitalisierung von Prozessen und Verfahren sowie Innovationen im ICT-Umfeld. 57 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Wenn einer eine Reise tut … Ein Bericht über die eGovernment-Städtelandschaft Deutschlands 58 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 „Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ Das bekannte Zitat eines Gedichts von Matthias Claudius aus dem Jahr 1786 ist so aktuell wie eh und je. Mehr als 200 Jahre später im digitalen Hier und Jetzt berichten wir von unserer Reise in die Welt des Electronic Government – kurz „eGovernment“ – 39 deutscher Städte. ommunen sind derzeit die aktivsten Treiber für eGovernK ment-Anwendungen und die Digitalisierung des kommunalen Verwaltungshandelns. Viele Städte sehen sich in ihren Initiativen jedoch mit vielfältigen Randbedingungen konfrontiert: Schuldenbremse und demographischer Wandel auf der einen Seite, Anforderungen der diversen Interessengruppen wie Bürger, Unternehmen, Vereine und Verbände, Politik und die eigene Verwaltung auf der anderen Seite. Hinzu kommt das am 1. August 2013 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (eGovernment-Gesetz), das die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung sowie von Behörden untereinander vereinfachen soll. Es wird die Digitalisierung auch in den Kommunen weiter vorantreiben. eGovernment-Innovationshaus und Kompass Anlass genug, uns auf den Weg in das digitale Zeitalter der deutschen Städte zu machen und den eGovernment-Puls zu fühlen. Unsere Reisen führten uns quer durch fast alle Bundesländer in 39 Städte – darunter die Bundesstadt Bonn, Landeshauptstädte und Städte unterschiedlichster Größe von 25.000 bis hin zu 600.000 Einwohnern. Detecon-Berater aus dem Public Sector führten intensive Dialoge mit unseren Gastgebern – Leitern für eGovernment, Beigeordnete, Kämmerer und Abteilungsleitern für Organisation beziehungsweise IT – zu ihren eGovernment- Zielen und aktuellen Maßnahmen, Best Practices und daraus ableitbaren Erfolgsfaktoren für die Modernisierung ihrer Verwaltung. Entlang des Detecon-Vorgehensmodells „eGovernment-Innovationshaus“ (siehe Abbildung) beleuchteten wir zusammen mit unseren Gesprächspartnern deren eGovernment-Strategie, Status und Erfolge in den Domänen eAssistenz, eAdministration, ePartizipation, Mobile Government, Open Government Data, eSignatur, Sicherheit, ePayment und ICT-Infrastruktur. Den Dialog stützte in der Regel die kostenlose Detecon-Applikation (App) „eGovernment Kompass“. Sie zeigte unseren Gesprächspartnern mittels des am eGovernment-Gesetz orientierten Detecon-Reifegradmodells, wie ausgereift ihre Maßnahmen im Bereich elektronischer Verwaltung bereits sind und in welchen Bereichen noch Handlungsbedarf besteht. Treten Sie ein! Das Stadtportal ist für Zugezogene, Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Touristen in der Regel der erste und primäre virtuelle Kontakt zu einer Stadt und ihren Leistungen. So unterschiedlich die von uns besuchten Städte sind, so unterschiedlich ist auch unsere Bewertung, was Klarheit, Struktur, Übersichtlichkeit, Inhalt und Nutzerfreundlichkeit ihres Internet-Auftrittes 59 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 betrifft. Bemerkenswert: Die eine oder andere kleinere Stadt stellt mit einem durchgängigen, nach dem Lebenslagenprinzip aufgebauten übersichtlichen Internet-Angebot, das einen mit zwei Klicks dort hinbringt, wo man hin möchte, so manche Großstadt in den Schatten. Darauf angesprochen, stellen die Vorreiter als Erfolgsfaktor die enge Zusammenarbeit von eGovernment-Verantwortlichen, den Referaten für Öffentlichkeitsarbeit und IT und – wenn zutreffend – der StadtmarketingGesellschaft heraus. Kommunen als Verwaltungseinheiten mit der häufigsten Kontaktfrequenz zu Bürgern müssen immer auch eine Reihe von Herausforderungen in der Optimierung ihres Stadtportals bewältigen: zum einen die laufende Weiterentwicklung bei Aufbau und Inhalt und damit verbunden die politische Einflussnahme sowie Interessenskonflikte zwischen den für die Inhalte stehenden Fachbereichen, zum anderen die Technik und zunehmend auch der in personeller Hinsicht wachsende Aufwand zur Betreuung des Portals. Immerhin: Viele Städte mit Nachholbedarf sind sich dessen nicht nur bewusst, sondern befinden sich mitten im Relaunch ihres Internet-Auftritts oder planen diesen zumindest. Im Dickicht der Städte In der Wahrnehmung als Bürger untrennbar mit dem Stadt portal verbunden sind die verfügbaren Services, also elektronische Verwaltungsdienste. Verwöhnt durch im Internet durchgängig online buchbare Leistungen für so gut wie alles Denkbare, stößt der digitale Weltenbürger oder das interna tional tätige Unternehmen hier an einige digitale Grenzen. Wer beispielsweise erwartet, seinen Antrag auf einen Bewohnerparkausweis oder eine Sonderflächennutzungsgenehmigung komplett online abzuwickeln, findet sich meist noch in der teil-digitalisierten Realität wieder. Nur sehr wenige Städte wie die Landeshauptstadt Stuttgart bieten die Online-Beantragung Abbildung: eGovernment-Innovationshaus eGovernment-Strategie Mobile Government eAssistenz eAdministration ePartizipation Open Government Data eSignatur Sicherheit IKT-Infrastrukur Quelle: Detecon 60 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 ePayment eines Bewohnerparkausweises und Bezahlung durch Lastschrift oder gar Kreditkarte an. Was ist der Grund für den heterogenen und in Summe deutlich verbesserungswürdigen Digitalisierungsgrad bei der Abwicklung von Verwaltungsverfahren? Warum endet der Online-Service noch so oft an der Schnittstelle zum Drucker zu Hause, wo das online ausgefüllte Formular eine händische Unterschrift erfordert und man in das analoge Zeitalter zurückfällt? Eine Vielzahl von kommunalen Verwaltungsleistungen hat keine besonderen Anforderungen an Formvorschriften. Hier fragen sich Verwaltungen, wann welche Identitätsnachweise wie die eID des neuen Personalausweises oder De-Mail einzusetzen sind. Viele eGovernment-Verantwortliche sprachen mit uns über die Akzeptanz des neuen Personalausweises sowie Verbreitung von De-Mail und das Ringen um die „beste“ Lösung für ihre eServices. Kommunen bewegen sich bei der Planung von elektronischen Services und der kompletten Digitalisierung im Zielkonflikt von Haushaltsknappheit, Ausräumen von Schnittstellenproblemen, Unsicherheiten bei der Klärung der Rechtslage wie der Schriftformerfordernis und notwendiger Schaffung von interner Akzeptanz und Veränderungswillen. Viele folgen daher dem „second mover“-Prinzip und übernehmen das, was andere bereits etabliert haben. Zukunft gestalten – die eGovernment Strategie eGovernment-Masterplan sei aus Ressourcengründen nicht fortgeschrieben worden und daher nicht mehr als richtungs weisendes Element brauchbar. Wille, konsequentes Handeln und ein langer Atem In Zeiten, wo sich auch hierzulande eine Open-GovernmentData-Bewegung entwickelt, befassen sich einige Kommunen, beispielsweise die Stadt Bonn, sehr intensiv mit diesem grundlegenden Paradigmenwechsel. Open Government Data – offene Verwaltungsdaten – ermöglicht neue digitale Geschäftsmodelle zwischen Verwaltung, Bürgern und Unternehmen und wird die bisherige Verwaltungsarbeit und -kultur langfristig stark verändern. Städte, die sehr früh und dauerhaft den politischen Willen zur Digitalisierung gefasst und umgesetzt, auf Prinzipien wie eine durchgängige Architektur gesetzt, Open Data und OnlineBürgerbeteiligung als Chance begriffen und ihre externen und internen eGovernment-Leistungen über die Jahre konsequent erweitert haben, werden heute dafür regelmäßig mit Preisen belohnt. Langfristige Ziele, ein klarer Plan, die Verankerung im Haushalt, das „Wollen“ aller Beteiligten und ein langer Atem zahlen sich durch deutliche Senkung von Verwaltungskosten und hohe Akzeptanz bei Bürgern und Unternehmen aus. Zeitreise ins Jahr 2034 Wo die eine Stadt ihren Fokus vorrangig auf digitale interne Verwaltungsprozesse mit dem Ziel der Kosteneinsparung setzt, fokussiert eine andere auf den Ausbau ihrer externen Services, der Digitalisierung von Leistungen gegenüber Unternehmen, Bürgern, Verbänden und Vereinen. Eher wenige planen jedoch aus einer ganzheitlichen Perspektive und mit konsequenter Betrachtung, wie und welche Verfahren unter Berücksichtigung der größten Nutzerdurchdringung als mobile Version angeboten werden können. Viele Kommunen sind sich bewusst, dass eine übergeordnete Agenda für die durchgängige externe wie interne Digitalisierung von Services und Prozessen notwendig ist, die Themen wie Mobile Government, elektronische Bezahlung, elektronische Akte, Dokumenten Management System und Archivierung mit einbezieht. Stellen wir uns vor, wir würden uns 20 Jahre in die Zukunft beamen können. Was würden wir von dieser Zeitreise in die eGovernment-Welt berichten? Wir glauben an die bis dahin durchgängig elektronische und papierlose Digitalisierung aller gängigen Verwaltungsverfahren. mWallet als sicheres, kontaktloses Bezahlen wird auch in der Verwaltung physische Äquivalente abgelöst haben. Services werden uns den Alltag erleichtern, deren Anbieter auf Basis von Open Government Data die Vorteile der digitalen Welt neu definiert haben. Über einfache Nutzung eines digitalen Assistenten werden wir das abwickeln, was wir heute noch als „Behördengang“ bezeichnen. Und der Duden wird dieses Wort mangels Gebräuchlichkeit bereits gar nicht mehr aufführen. Auf die Frage, ob und welche „eGovernment-Agenda“ sie sich gegeben haben, antwortete die überwiegende Anzahl unserer Gesprächspartner: Eine tatsächliche Strategie, ein Masterplan oder eine übergeordnete und umfassende Planung für ihre eGovernment-Ziele und Aktivitäten sei dringend notwendig, fehle heute jedoch. Oder ein in der Vergangenheit erstellter Claudia Skrobol berät als Managing Consultant Unternehmen und den öffentlichen Bereich zu den Themen Transformation und Restrukturierung, eGovernment und Verwaltungsmodernisierung. 61 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Interview mit Sven Hense, Leiter eGovernment und Open Government Data „Behördliche Onlinedienstleistungen müssen zu erledigen sein wie eine Bestellung im Onlineshop“ Detecon führt seit einiger Zeit mit der Bundesstadt Bonn einen intensiven Dialog zu eGovernment und unterstützt die Verantwortlichen in der Weiterentwicklung ihrer eService Strategie. Wir sprachen mit Sven Hense, Leiter des Bereiches eGovernment und Koordinator für Open Government Data, über die Herausforderungen, Erfolgs faktoren und Potenziale für die Digitalisierung der Verwaltung. 62 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 DMR: Welche – auch politischen - Faktoren haben eGovernment in der Stadt Bonn erfolgreich gemacht? Welche Maßnahmen haben besonders dazu beigetragen? ben und mit den eingesandten Fotos wertvolle Zusatzinformationen. Möglich ist eine medienbruchfreie digitale Bearbeitung, welche hilft, Bearbeitungszeiten zu verkürzen. Hense: Vielen Dank für Ihre positive Einschätzung. Sicherlich ist ein Schlüssel hierfür die Unterstützung durch die Führungs ebene, welche bereit ist, neue Projekte zu fördern und Freiräume in der Projektarbeit gibt. Gerade bei eGovernment-Themen sind technische, organisatorische und rechtliche Anforderungen neu zu entwickeln. Hier muss die Bereitschaft bestehen, neue Wege zu beschreiten und die Projekte erproben zu können. DMR: eGovernment verändert Arbeitsalltag, -prozesse und -strukturen der Beschäftigten einer Stadtverwaltung. Was sind Ihrer Erfahrung nach die Do´s und Don´ts für solch eine digitale Transformation? DMR: Welche Verwaltungsverfahren einer Kommune sind aus Ihrer Sicht für eine durchgängige Digitalisierung prädestiniert? Hense: Für eine durchgängige oder vielmehr eine w eitgehende Digitalisierung von Verwaltungsverfahren müssen zunächst noch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Das eGovernment-Gesetz ist ein erster Schritt, bedarf aber noch der Umsetzung auf Länderebene. Gute Chancen bestehen für eine Digitalisierung daher vorerst in freiwilligen Leistungsbereichen und überall dort, wo bereits technische Komponenten mit offener API zur Verfügung stehen. Steht diese nicht zur Verfügung, so sollte dies von Softwareanbietern spätestens bei der nächsten Ausschreibung unbedingt gefordert werden. DMR: Was fordern Bürger und Unternehmen der Stadt Bonn im Rahmen der Digitalisierung? Hense: Zunächst natürlich Informationen schnell im städtischen Angebot aufzufinden und direkte Interaktionsmöglichkeiten angeboten zu bekommen. Im Grunde müssten alle behördlichen Onlinedienstleistungen so einfach zu erledigen sein, wie man es von einer Bestellung im Onlineshop gewohnt ist. Es ist beispielsweise heute kaum mehr vermittelbar, warum man eine Leistung nicht auch direkt online bezahlen kann. DMR: Bei welchen digitalisierten Verfahren ist der Win-Win-Faktor für Bürger, Unternehmen und die Verwaltung am größten? Und woran machen Sie den Erfolg fest? Hense: Allgemein betrachtet sind dies aufgrund der großen Anwendungsbandbreite in erster Linie Geodienste. Lohnenswert ist aber auch ein Blick auf neue Kommunikationsformen. Wir konnten gute Erfahrungen mit unserem Anliegenmanagement (http://anliegen.bonn.de) sammeln, welches dem FixMyStreetPrinzip aus Großbritannien angelehnt ist. Die Bürger können online schnell und mobil ganz einfach Meldungen an die Stadtverwaltung schicken. Die Verwaltung erhält genauere Ortsanga- Hense: eGovernment ist vielleicht zu 30 Prozent Technik und zu 70 Prozent Organisation. Die organisatorische Komponente muss bei den Arbeitsabläufen und den personellen Strukturen intensiv gemeinsam mit den betroffenen Fachbereichen beleuchtet werden. Dies erfordert unter Umständen einen längeren Vorlauf. Ich bin aber überzeugt: Neue Technik ohne Beteiligung und Zustimmung der Fachbereiche einzuführen wird immer scheitern. DMR: Ein Blick ins Jahr 2025: Wie sieht Ihre Vision für eine öffentliche Verwaltung aus? Hense: Der gesellschaftliche Kulturwandel wird zu einer Weiterentwicklung hin zu Open Government führen. Offenes und transparentes Verwaltungshandeln wird sich auf die Informationsdarstellung auswirken und neue Interaktionsmöglichkeiten erfordern. Die allgemeinen und öffentlichen Informationen sind als Vision vernetzt abrufbar und frei zugänglich. Zudem ist Mobile Government als konsequente Weiterentwicklung des Internetangebotes bis dahin etablierter Standard. DMR: Vom Jahr 2025 zurück ins Hier und Jetzt: Stellen Sie sich vor, Sie könnten ohne Rücksicht auf jegliche Restriktionen wie beispielsweise das Budget drei eGovernment-Initiativen starten. Welche wären das? Hense: Die letzten zehn Jahre hätten aus eGovernment-Sicht besser laufen können. Wir haben in Deutschland durch die Einzelentwicklungen auf den jeweiligen föderalen Ebenen zu viele Reibungsverluste und zu lange Umsetzungsprozesse bei der Entwicklung von innovativen Ideen. Meine drei Initiativen wären daher eine gemeinsame Entwicklung mit allen föderalen Ebenen zu: 1. Entwicklung eGovernment Basisleistungen, 2. Open Data mit offenen Schnittstellenstandards und 3. Metadatenstandard unter Berücksichtigung 115. Das Gespäch führte Claudia Skobol, Detecon International. 63 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Pro-Bono-Projekt mit Desertec Foundation Wenn die Crowd den Klimaschutz in die Hand nimmt Ein Team von jungen, talentierten Beratern der Detecon unterstützte drei Monate lang die DESERTEC Foundation, um eine Finanzierungsstrategie auf Basis der „Crowd“ zu planen. ie Wüstenregionen unserer Erde empfangen in sechs Stunden D mehr Sonnenenergie, als die gesamte Menschheit in einem Jahr verbraucht. Beispielsweise können 125 km² der Wüstenregion genug Energie produzieren, um 25 europäische L änder mit sauberem Strom zu versorgen. „Ungenutztes Potenzial, das sich die Menschheit erschließen muss!“, so Dr. Ignacio Campino, Direktor der DESERTEC Foundation. Zudem ergänzt Campino: „Mittels verlustarmer Hochspannungs-Gleichstromübertragung könnten 90 Prozent der Menschheit mit Wüstenstrom versorgt und gleichzeitig der weltweite CO2-Ausstoß um ein Vielfaches reduziert werden.“ Eine potenzielle Lösung in Richtung Klimaschutz bietet die Vision der DESERTEC Foundation – eine Non-Profit-Orga- 64 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 nisation, welche sich für Klimaschutz, Energiesicherheit und globale Entwicklung durch erneuerbare Energien einsetzt. Im Jahre 2009 wurde die DESERTEC Foundation unter anderem durch den Club of Rome und das National Energy Research Centre Jordan – zu dessen Mitgliedern zum Beispiel Prinz Hassan bin Talal of Jordan zählt – gegründet. Seitdem verfolgt die DESERTEC Foundation das Konzept, die CO2-Emission zu senken und die Energieversorgung der Weltbevölkerung nachhaltig aus den Wüstenregionen der Welt zu ermöglichen, zu etablieren und zu realisieren. Bis Mitte des Jahres 2013 kooperierte die DESERTEC Foundation noch mit einem Netzwerk verschiedenster Unternehmen – der Dii. Die Zusammenarbeit scheiterte. Unterschiedliche Inte- ressenlagen von Industrie und Stiftung bezüglich Konsistenz der Umsetzung und der zukünftigen Strategie sowie abweichende Vorstellungen hinsichtlich des Erfolgskonzeptes zählten zu den wesentlichen Gründen. Die Vision DESERTEC ist davon unberührt – dafür kämpft die DESERTEC Foundation. Möglich wird dies allerdings nur, wenn sie es schafft sich als eigenständige Stiftung zu positionieren und zu etablieren. Innovative Finanzierungs konzepte sind gefragt, um eine entsprechend unabhängige Positionierung zu erlangen. Gesellschaftliches Interesse am Klimaschutz ermöglicht Finanzierungsalternative Spenden Detecon hat in einem Pro-Bono-Projekt verschiedene Alternativen für eine neue finanzielle Basis der Stiftung erarbeitet. Eine dieser Finanzierungsmöglichkeiten stellen Spenden dar. Die voranschreitende Digitalisierung und der zunehmende Einsatz von ICT in der Gesellschaft eröffnen im Bereich Spenden neue Chancen. Die erhöhte Akzeptanz von und das erhöhte Vertrauen in digitale Spendenkanäle verdeutlichen dies. In Deutschland wurden 2012 1,3 Prozent des Gesamtspendenvolumens von zirka 4,2 Milliarden Euro über digitale Kanäle generiert – mit steigender Tendenz. Denn für Digital Natives gewinnt das „online“ Spenden zunehmend an Attraktivität. Hierbei spielt die „Crowd“ beziehungsweise die Überzeugung der „Masse der Menschen“ – der sogenannte „Social Proof“ – eine zentrale Rolle. Sie fungiert als Spiegel der Gesellschaft für den Grad der Überzeugung von einer Idee, einer Vision oder einem Produkt. Eine Überzeugung zu erzielen, beinhaltet, Fakten und Wichtigkeit einer Zielgruppe nahezubringen, die durch mediale Präsenz sowie wirtschaftliche und politische Entscheidungen beeinflusst werden. Speziell bei den Themen Klimaschutz und erneuerbare Energie ist eine besonders starke Eigendynamik erkennbar. Seit Jahrzehnten sind Klimaschutz, CO2-Emission und Erneuerbare Energien stets präsente 65 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 emen in den Medien. Ihren Gipfel erreichen die Diskussionen Th in kritischen, zum Nachdenken anregenden Ereignissen, zum Beispiel der Katastrophe in Fukushima im Jahr 2011. Einige der großen Industrienationen, unter anderem Deutschland, haben bereits den langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Das Kyoto-Protokoll, welches die weltweite Reduktion von Treibhausgasen beinhaltet, wurde bis 2020 verlängert. Verschiedene nachhaltige Lösungen, wie Windanlagen, die Nutzung der Gezeiten der Ozeane oder die Förderung von Solarkraftwerken, werden intensiver angegangen. Es wird deutlich, dass sich die Gesellschaft intensiv mit dem Thema Versorgung mit bezahlbarer, sicherer Energie, die auch das Klima nicht gefährdet, auseinandersetzt. Die Gesellschaft hat erkannt, dass die Energiewende möglicherweise mit einem 66 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 „Top-Down“-Ansatz nur bedingt erfolgreich sein wird und nur ein ganzheitlicher Ansatz den Klimawandel stoppen kann. Um von der Eigendynamik der Gesellschaft zu profitieren, will die DESERTEC Foundation die „Crowd“ einladen, ein Teil der Lösung zu sein: „Be part of the solution“. Digitalisierung öffnet neue Wege der Spendenfinanzierung ICT bietet hierbei ein enormes Potenzial, diese gesellschaftliche „Crowd“ mit einem geringen Einsatz von Ressourcen zu erreichen und für die Vision zu gewinnen. In diesem Zusammenhang kann ICT verschiedenste Rollen einnehmen: Sie eröffnet beispielsweise Firmen und Institutionen neue Möglichkeiten, mit einem geringen Ressourceneinsatz einen großen Bekanntheitsgrad zu erzielen. Auch Initiativen können profitieren, wenn es darum geht, eine große Bewegung in kürzester Zeit zu starten. Für die DESERTEC Foundation kann sie als Alternative verstanden werden, um sich aus der Abhängigkeit von Industrieunternehmen zu lösen und eigenständig ihre Vision zum Wohle der Gesellschaft voranzutreiben. Der Einsatz eines zielgerichteten Portfolios innovativer Möglichkeiten zur Sammlung von Spenden über digitale Kanäle sowie die selektive Informationsverbreitung sind dabei maßgeblich, um den größtmöglichen Nutzen aus dem Phänomen „Crowd“ zu ziehen und deren Bestreben nachzukommen: Die Crowd nimmt den Klimaschutz selber in die Hand. „Crowdfunding“ nimmt hierbei eine bedeutende Rolle ein. Bei dieser Art der Finanzierung werden kleine Summen, die von einer Vielzahl an Geldgebern stammen, aggregiert, um Projekte und Geschäftsideen zu finanzieren. Realisiert wird dies durch die Nutzung von Plattformen, auf denen die Projekte sowie das zur Umsetzung benötigte Mindestkapital vorgestellt werden. Je nach Crowdfunding-Modell sind d iese Kleinbeträge entweder Fremdkapital, welches die „Investoren“ im Erfolgsfall verzinst zurückerhalten, oder aber Spenden, für die eine Rückzahlung nicht erwartet wird. Oft wird hierbei auch von „Crowd Donations“ gesprochen. So nutzte beispielsweise „Pebble Smart Watch“ die Online-Spendenplattform Kickstarter zur Finanzierung der Entwicklung einer Multifunktionsuhr. Innerhalb eines Monats kamen durch knapp 70.000 Spender über zehn Millionen Euro zusammen. Des Weiteren gab es im Bereich Umweltschutz das Projekt „AoTerra“, welches das Abfallprodukt Wärme, zum Beispiel in Serverräumen, nutzen möchte, um Gebäude zu beheizen. Insgesamt konnte bei diesem Projekt durch Crowdfunding über verschiedene Plattformen ein Volumen von zehn Millionen Euro erreicht werden. Diese Beispiele zeigen, dass sich durch die zunehmende globale Digitalisierung neue Möglichkeiten zur Finanzierung für Unternehmen, Start-ups und Stiftungen eröffnen. Kapitalbeträge können für die Umsetzung von Projekten generiert werden, ohne beispielsweise von großen Investoren abhängig zu sein. Diese Art der Finanzierung wird durch die Vernetzung der Social Crowd über soziale M edien als zentrales Element unterstützt. Wichtig ist, ein „digitales Ökosystem“ um die Crowdfunding-Plattform h erum zu bauen. Die Bereitschaft zur Nutzung digitaler Spendenkanäle ist dabei stark von der Technologieaffinität des Einzelnen abhängig und variiert folglich in verschiedenen Generationen. Die digitale Generation – Personen im Alter bis 30 Jahre – wird durch die Digitalisierung stärker berührt als die „Digital Immigrants“, Personen zwischen 30 und 60 Jahren. Bei letzteren ist es wichtig, den richtigen Mix aus analogen und digitalen Spendenmöglichkeiten zu finden: Einerseits möchte sie Teil der digitalen Generation sein, andererseits benötigt sie aber auch traditionelle analoge Wege. Die analoge Generation, Personen über ungefähr 60 Jahren, vertraut hierbei fast ausschließlich auf traditionelle Spendenmöglichkeiten. Folglich ist es wichtig, Spender nicht nur online zu erreichen, sondern einen ausbalancierten Mix aus online und analogen Kanälen anzubieten. Multikanalmanagement muss die effektive Kombination aus offline, online, mobil und Videokanälen sicherstellen. Der Aufbau einer nachhaltigen Beziehung zu Spendern sollte immer im Vordergrund stehen, beispielsweise durch die regelmäßige Kommunikation von Projekterfolgen oder individualisierten Informationen. Eine nachhaltig aufgebaute Beziehung kann mittelfristig zu einer Wiederholungsspende und langfristig zu einem gemeinsamen Projekt zwischen Spendern und Empfängern führen. Auch für die Zukunft gilt das Motto: „Viele kleine Quadrate ergeben ein Großes“ Die Idee des Pilotprojektes „Community-Kraftwerk“ soll die Vorteile der Digitalisierung und der daraus entstehenden, neuen Finanzierungsquellen durch die Gesellschaft selbst nutzen. Unter dem Motto „viele kleine Quadrate ergeben ein Großes“ plant die DESERTEC Foundation, innovative Methoden und neue Ansätze wie Crowdfunding einzusetzen, um ihre Finanzierung sicherzustellen. Verschiedene Szenarien sind dabei denkbar: digitale, kanalübergreifende, interne und externe Verknüpfungen können zu Spenden führen. Bei Vorträgen kann beispielsweise mit QR-Code Marketing gearbeitet werden. Social-MediaPlattformen und Apps unterstützen beim Aufbau einer intensiven und nachhaltigen Spenderbeziehung. Erste Erfolge der neuen Strategie zeichnen sich bereits ab und zeigen, dass die DESERTEC Foundation den richtigen Weg eingeschlagen hat. Wir wünschen Dr. Ignacio Campino und Dr. Thiemo Gropp mit ihrem Team weiterhin viel Erfolg und Durchhaltevermögen bei ihrer Mission. Auch für Detecon war es eine ganz besondere Erfahrung, mit unserem Beitrag einen Partner zu unterstützen, der unsere Gesellschaft einen weiteren wichtigen Schritt näher in Richtung Energiewende bringt. Denn eine nachhaltige Umwelt für nachfolgende Generationen zu erhalten, ist Sache der „Crowd“. Dr. Volker Rieger, Managing Partner, berät Klienten aus den Energie- und Telekommunikationssektoren zu neuen Geschäftsmodellen im Rahmen der digitalen Transformation. Florian Rummel berät Klienten verschiedener Branchen bei der Erstellung eines Finanzierungs- und Kommunikationskonzepts sowie zum Thema Reporting. 67 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 68 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Luzia Simons/VG Bild-Kunst Bonn • Stockage 76 (2009) Digitale Sinnlichkeit Tulpenschönheiten aus dem Scanner Computer statt Pinsel: Mit Scanogrammen von Tulpen verzaubert Luzia Simons ein internationales Publikum. 69 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Z weifellos gehört der Scanner zu den digitalen Errungenschaften, die das Arbeitsleben schneller und einfacher gestalten. Als Mittel der Kunst hat ihn Luzia Simons für sich entdeckt. Sie setzt Tulpen auf dem Scanner in Szene – einzeln oder in Sträußen arrangiert, die auf den Betrachter wie ein barockes Gemälde wirken. Scans, die sonst dazu dienen, unsere Arbeit zu beschleunigen, lassen uns innehalten. Scanogramme entstehen, indem man dreidimensionale Gegenstände auf die Scanner-Glasscheibe legt. Einmalig ist allen Scanogrammen die phantastische Auflösung, mit der eine äußerst feine Detailwiedergabe und Tiefenschärfe erzielt werden kann. Der Scanner, auf den Luzia Simons die Blumen legt, zeichnet streng linear das Ertastete auf. Nähe bewirkt Detailgenauigkeit, während Entferntes in ein undurchdringlich wirkendes Dunkel entschwindet. Objektiv und ungeschönt baut der Scanner Pixel für Pixel ein Abbild der Blumen auf, wobei auch Beschädigungen der zarten Blüten oder erste Anzeichen des hinter all der Pracht schon lauernden, unabwendbaren Verfalls sichtbar gemacht werden. Bis zu einer Stunde kann ein einzelner Scanvorgang im abgedunkelten Atelier dauern. Anschließend werden die Scandaten mit Hilfe eines Computers gelesen, visualisiert und wie eine analoge oder digitale Foto graphie als Lightjet belichtet. In Literatur und Kunst steht die Tulpe für Vergänglichkeit. In der Blumensprache dagegen ist sie ein Symbol für die Liebe. Bei Luzia Simons wird die Tulpe aufgrund ihrer “nomadischen” Geschichte zur Metapher für Mobilität, Globalisierung und interkulturelle Identität: „Sie ist für mich eine Metapher für die Existenz in der globalisierten Welt, in der die Menschen mobil sind, sich zwischen den Kulturen hin und her bewegen, ihre Wurzeln verlieren, aber auch neue schlagen.“ Die Tulpe wird zum Platzhalter für das Thema Migration – eine der zentralen Fragestellungen der Künstlerin. Matthias Hader, Hauptkurator der Helmut Newton Stiftung in Berlin, schreibt dazu: „Die Tulpe als Motiv einer ehemals urwüchsigen asiatischen Wildpflanze und inzwischen neuzeitlichen westeuropäischen Überzüchtung 70 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 mit den abenteuerlichsten Zeichnungen der Blütenblätter – als Motiv zwischen Natur und Kultur – wird zum bloßen Material auf dem Weg zu einer ätherischen Schönheitsutopie. In ihrem Nomadentum, auf der Wanderschaft von Asien nach Europa, wird sie gewissermaßen auch zum Alter Ego der Künstlerin auf deren Lebensweg von Brasilien über Frankreich nach Deutschland: Wo stecken die (eigenen) Wurzeln, wo sind sie abgeschnitten oder haben vielleicht bereits neu ausgeschlagen?“ Ihre Werke stellt Luzia Simons großformatig hinter Plexiglas aus. Bis zu drei mal fünf Meter intensive farbliche Brillianz, Schönheit und Sinnlichkeit sind das Ergebnis, wenn sie Natur und digitale Technik zusammenbringt. Luzia Simons/VG Bild-Kunst Bonn • Stockage 101, 104, 109 (2010) © Luzia Simons, Darius Ramazani Luzia Simons wurde 1953 in Quixadá, C eará, Brasilien geboren. Nach dem Studium der Geschichte und der Bildenden Künste führte ihr Weg 1986 nach D eutschland. In Stuttgart arbeitete sie bis 2010 als Dozentin an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Studiengang Figurentheater. Heute lebt und arbeitet Luzia Simons in Berlin. Sie wird von den Galerien Nara Roesler (São Paulo), Fabian & Claude Walter (Zürich), A lexander Ochs Galleries Berlin|Beijin (Berlin) repräsentiert. Ihre Werke werden in Europa und in Brasilien ausgestellt. www.luziasimons.de 71 Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Knowledge@Detecon Mission Zukunft: ICT 2032 45 Thesen für den Weg ins Morgen In 20 Jahren wird es die IT in klassischer Form nicht mehr geben. Doch welche Konsequenzen leiten sich daraus ab? Wie wirken sich die ICT-Entwicklungen auf die Gesellschaft, Individuen und Unternehmen aus? Wie beeinflussen nichttechnologische F aktoren die ICT-Landschaft 2032? Welche Nutzen bieten diese technologischen und nichttechnologischen Veränderungen? Und wo liegen die Chancen und Risiken? 45 Thesen umreißen – mal provokant, mal überraschend – wie die Informations- und Kommunikationstechnologie Leben, Gesellschaft und Wirtschaft im Jahre 2032 beeinflussen wird. Anwendungsbereiche wie Automotive, Energiewirtschaft, Finanzdienstleistungen, Leben und Wohnen sowie Gesundheit werden sich unter dem Einfluss von ICT radikal verändern und weiterentwickeln. ICT für jeden und überall, in nahezu jedem Gegenstand, das ist das charakteris tische Merkmal der Welt von Morgen. Online-Bestellung: Sie können ein Buch-Exemplar kostenfrei unter folgender Adresse bestellen: www.ict2032.de www.detecon-dmr.com Detecon Management Report leading digital! DMR blue Ausgabe 1 / 2014 Wir begleiten Unternehmen in die digitale Zukunft. www.leading-digital.com We make ICT strategies work• Detecon Management Report blue 1 / 2013 www.detecon.com Detecon Management Report blue • 1 / 2014 Alive! Zwischen Sicherheit und Fortschritt : Digitalisiert ist besser „Strategy is a Mentality“ : Innovation im Zentrum der digitalen Transformation Pro-Bono-Projekt mit DESERTEC-Foundation : Wenn die Crowd den Klimaschutz in die Hand nimmt