Zehnter Newsletter der Union progressiver Juden in Deutschland

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Zehnter Newsletter der Union progressiver Juden in Deutschland
Union progressiver Juden in Deutschland
Liebe Mitglieder unserer Gemeinden, liebe Freunde und
Unterstützer!
Es ist endlich soweit. Nachdem
bereits vor der Sommerpause die Beschlussfassung im
Landeskabinett in NRW gefallen
war, die Union progressiver Juden mit den Körperschaftsrechten auszustatten, ist das Gesetzgebungsverfahren inzwischen
abgeschlossen und seit dem 30. September 2015 ist die UpJ eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts, K.d.ö.R.!
Wir haben lange darauf hingearbeitet und es gab unterwegs eine
Reihe von Rückschlägen. Ich möchte mich deshalb an dieser Stelle
von Herzen bei allen innerhalb und außerhalb unserer Bewegung
bedanken, die uns auf dem langen Weg begleitet und unterstützt
haben.
Wir arbeiten in Zukunft in der gleichen Rechtsform wie der
Zentralrat der Juden in Deutschland und können auch als Institution anknüpfen an den Pluralismus, die religiöse Liberalität und die
Weltoffenheit, die vor der Schoah das Kennzeichen der
Mehrheitsbewegung innerhalb des deutschen Judentums waren und es heute auch weltweit sind. Es
bedeutet uns viel, dass unser Erfolg sich vor
allem dieser historischen Bezugnahme
verdankt.
Wir werden in den kommenden Monaten
alle praktischen Punkte abarbeiten, die mit der
Statusänderung verbunden sind und natürlich auch strategische
Ausrichtungsfragen bearbeiten. Über alle diese Dinge werden wir
berichten!
Ein anderer Punkte ist mir in diesem Editorial sehr wichtig. Für
viele von uns unerwartet hat unser Land in den letzten Monat eine
große Welle von Flüchtlingen erreicht, vor allem aus den Kriegsgebieten Syriens. Die politische Diskussion darüber ist breit gefächert
und die Reaktionen der Bevölkerung reichten von großer Offenherzigkeit und Hilfsbereitschaft bis zu gewalttätiger Ablehnung. Die
UpJ ist keine politische Organisation und vor allem mit Blick auf
ihre Ausstattung nicht in der Lage, in dieser Frage öffentlich Position zu beziehen. An dieser Stelle in unserem Newsletter möchte ich
es, in bescheidener Form, dennoch tun und alle unsere Gemeinden beglückwünschen, die sich der Not der Flüchtlinge zugewandt
haben und, oft in Verbindung mit Veranstaltungen zum Mitzvah Day
im November, diesen Menschen mit Unterstützung in unterschiedlichster Form ein wenig Erleichterung und Hilfe, oft genug einfach
nur ein paar unbeschwerte Stunden, gegeben haben. Aus meiner
Sicht gibt es menschlicher wie aus religiöser Sicht keine andere
richtige Verhaltensweise.
Dabei sollen die Befürchtungen und Ängste nicht unerwähnt bleiben, die viele angesichts der großen Zahl der zu uns kommenden
Menschen erfahren. Oft sind es nicht materielle Überlegungen,
sondern die große Sorge, dass die Werte unseres Grundgesetzes
in Frage gestellt werden könnten. Hier ist die Politik gefordert,
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dafür zu sorgen, dass die Menschen, die in unserem Land bleiben
werden, eine Chance und gleichzeitig auch eine Verpflichtung erleben, sich auf der Grundlage des freiheitlichen und demokratischen
Konsenses, der unser Land prägt, in das Gemeinwesen einzubringen und dessen Werte im eigenen Verhalten zu respektieren und
durch aktives Zutun zu fördern.
Es ist eine gute Zeit für uns alle, auf unsere Familien und Gemeinden zu blicken, in denen so viele aus den unterschiedlichsten Gründen erleben mussten, was es bedeutet, die Heimat zu
verlieren oder aufgeben zu müssen und an einem anderen Ort neu
anzufangen. Ich hoffe und wünsche mir persönlich sehr, dass es
uns allen möglich sein wird, vor dem Hintergrund unserer eigenen
Erfahrungen, in der jetzigen Situation eine Kraft zum Guten zu sein
und eine helles, klares Licht der Menschlichkeit.
Mit den besten Wünschen zum bevorstehenden Lichterfest,
Chag Chanukka Sameach
Sonja Guentner
Inhaltsverzeichnis
Leitartikel, Sonja Guentner
Aktuelles:
• Ordination : Robert Fishman, Bielefeld
• Neues Erscheinungsbild der Union progressiver Juden
in Deutschland K.d.ö.R.
• Seminar für Vorbeter, Deborah Tal-Rüttger
• Mitzvah Day in Bielefeld, Irith Michelsohn
Religion:
• Chanukka, Deborah Tal-Rüttger
Hebräisch:
• Irvit für Jedermann, Deborah Tal-Rüttger
• Irvit für Neugierige, Deborah Tal-Rüttger
Aus den Gemeinden:
• Stellenangebot der Kita TAMAR, Hannover
• Buch „Beit Tikwa“, Irith Michelsohn
• Sukkot und Erntedank, Reinhard Liam Rickertsen
Jugendabteilung der UpJ:
• Mini-Machane in Regensburg, Exkursion nach Prag
und Theresienstadt, Assepha, Konstantin Seidler
Kinderseite:
• Yotams Geschichte zu Tu biSchwat, Deborah Tal-Rüttger
Termine:
• 22. – 24. Januar 2016: Presidents’ Day in Unna
• 26. – 28. Februar 2016 Leynen-Seminar in Bad Sobernheim,
Deborah Tal-Rüttger
Union progressiver Juden in Deutschland
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Aktuelles
Abraham Geiger Kolleg ordiniert vier liberale Rabbiner in Bielefeld, erste Frau seit 1945 übernimmt drei westdeutsche Gemeinden
Bielefeld. Für einen Nachmittag wurde Bielefeld am Montag (31.8.)
zur Hauptstadt des jüdischen Deutschland. Fünf Absolventen des
Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam erhielten in der
Bielefelder Synagoge Beit Tikwa ihre feierliche Amtseinführung. 350
Gäste, darunter NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sowie zahlreiche Bundes- und Landtagsabgeordnete klatschten begeistert, als
die jungen Rabbiner Eli Reich, Sonja Keren Pilz, Alexander Grodensky und Natalia (Natascha) Verzhbovska ihre Ordinationsurkunden
entgegennahmen.
Verzhbovska leitet seit dem 1. September als erste Frau seit der
Schoa drei jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen: Köln, Unna
und Oberhausen. Während der Perestrojka zum Ende der Sowjetunion entdeckte die heute 47jährige Kiewerin ihre Jüdischkeit. In der
liberalen Gemeinde der ukrainischen Hauptstadt fand sie ihre religiöse
Heimat und ihre Familie, obwohl sie die hebräischen Texte und Gebete dort anfangs nicht verstand. Sie heiratete den späteren Oberrabbiner der liberalen jüdischen Gemeinden in Russland Alexander
Lyskovoy und ging mit ihm nach Sankt Petersburg, wo sie jüdische
Religion unterrichtete. Gemeinsam ziehen beide jetzt nach Köln.
Im liberalen Judentum sieht sie „einen Weg, das Leben in einer
modernen Gesellschaft mit dem Glauben zu verbinden.“ Für die Gemeinenden in Deutschland wünscht sich die frisch ordinierte Rabbinerin „mehr Shalom“. Viele litten an inneren Konflikten. Sie wolle zur
Versöhnung beitragen und mehr junge Leute für die Gemeindearbeit
gewinnen. Junge Menschen sollten sich „Weise suchen, die ihnen
Rat und Unterstützung geben, wie ich sie am Abraham Geiger Kolleg
gefunden habe“. Wichtigstes Element des Lernens und für ihr persön-
liches Wachstum sei es, „Fragen zu stellen und weniger Antworten zu
geben“.
Rabbiner Walter Jacob, Präsident des Kollegs, nannte das Judentum
ein Kaleidoskop: „Man kann es immer wieder schütteln, erneut hinein
sehen und bekomme manchmal „ein ganz neues, wunderschönes
Bild“.
In diesem Sinne wählte Kantor Amnon Seelig für seine Investitur den
Spruch „Wende es immer von neuem, denn alles ist darin enthalten“ (Spruch der Väter 5.22) - auch Lebensformen, die in manchen
Gemeinden wenig Verständnis finden. Der frisch ordinierte Rabbiner Alexander Grodinsky hat in diesem Jahr seinen Lebenspartner
geheiratet. „In liberalen Gemeinden ist das kein Problem“, versichert
der groß gewachsene junge Mann mit dem klaren Blick. Aufgewachsen ist er in Sankt Petersburg. 2006 ging er zum Studium nach Wien,
wo er seinen Partner Isak Schneider kennen lernte. Der konvertierte
zum Judentum, bevor beide unter einer Chupa heirateten. Grodinsky übernimmt die liberale jüdische Gemeinde im luxemburgischen
35.000-Einwohner-Städtchen Esch. Beide loben sie die positive Atmosphäre dort. „Die Menschen mögen sich in der Gemeinde“ hat Grodinsky beobachtet. Eine Handvoll Mitglieder der 70 Familien zählenden
Gemeinde sind nach Bielefeld gekommen, um ihren neuen Rabbiner
in Empfang zu nehmen. Aus sieben Bewerbern hat ihn Luxemburgs
einzige liberale Gemeinde ausgewählt. Ehemann Isak Schneider freut
sich auf den Umzug ins Nachbarland.“Ich werd’ die Rebbeze von
Esch“, sagt er lachend.
Für Abraham Lehrer, Vizepräsident der Zentralsrats der Juden in
Deutschland, gelingt die Arbeit eines Rabbiners „nur mit einer großen
Liebe zu den Menschen.“
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Aktuelles
Landesrabbiner Henry G. Brandt erinnerte die Absolventen dabei an
die „große Verantwortung“, die nun auf sie zukomme. Viele Gemeindemitglieder aber „auch die Welt da draußen“ erwarte von den Rabbinern „geistige Führung: Es geht nicht um Euch, sondern um die Gemeinden, die Menschen und das jüdische Volk“. „Kol Israel Hawerim“,
ergänzte Brandt und ließ keinen Zweifel an seiner Liebe zum Land der
Väter. „Aber wir sind besorgt wenn dort Dinge passieren, die an unser
eigenes Schicksal erinnern“, nahm er Bezug auf Übergriffe wie den
jüngsten Brandanschlag auf eine palästinensische Familie in Samaria.
Religiöser Fanatismus habe mit der Torah nichts zu tun, „aber ihr als
Rabbiner werdet immer wieder danach gefragt werden.“
© Fotos und Text: Robert B. Fishman
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Aktuelles
Neues Erscheinungsbild der Union
Die Verleihung der Körperschaftsrechte an die Union progressiver
Juden in Deutschland drückt sich auch im Erscheinungsbild unseres
neuen Briefbogens und der Visitenkarten aus, wobei das Logo nicht
verändert wurde.
UNION PROGRESSIVER JUDEN in Deutschland . Körperschaft des öffentlichen Rechts
Diesterwegstraße 7 . 33604 Bielefeld und Postfach 120 852 . 10598 Berlin . Telefon: 0 521/ 30 431 84
Fax: 0521/30 431 86 . [email protected] . www.liberale-juden.de . Bankverbindung:
Hannoversche Volksbank . BIC: VOHADE2H . IBAN: DE 91 2519 0001 0523 4344 00
UNION PROGRESSIVER JUDEN . K.d.ö.R. . Diesterwegstraße 7 . 33604 Bielefeld
UNION PROGRESSIVER JUDEN
in Deutschland
.
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Sonja Guentner
Vorsitzende
Diesterwegstraße 7 . 33604 Bielefeld
Telefon: 0521/30 431 84 . Fax: 0521/30 431 86
[email protected] . www.liberale-juden.de
UNION PROGRESSIVER JUDEN
in Deutschland
.
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Deborah Tal-Rüttger
Stellvertretende Vorsitzende
Diesterwegstraße 7 . 33604 Bielefeld
Telefon: 0521/30 431 84 . Fax: 0521/30 431 86
[email protected] . www.liberale-juden.de
UNION PROGRESSIVER JUDEN
in Deutschland
.
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Irith Michelsohn
Geschäftsführerin
Diesterwegstraße 7 . 33604 Bielefeld . Telefon: 0521/30 431 84
Fax: 0521/30 431 86 . mobil: 0170/490 38 95
[email protected] . www.liberale-juden.de
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Aktuelles
Seminar für Vorbetende in Bad Sobernheim
06. – 08. November 2015
Zum ersten Mal konnten wir ein Seminar in Bad Sobernheim durchführen. Es war unser erstes Seminar für Vorbetende.
An zwei Tagen haben Michael Lawton und Deborah Tal-Rüttger die
etwa 30 Teilnehmer aus ganz Deutschland, von Kiel im Norden bis
Freiburg im Süden, in zwei Gruppen in die Kunst der SchaZ-Arbeit
(Schlichej Zibbur) begleitet. Die meisten Teilnehmer waren schon
mit der Leitung des Kabbalat Schabbat vertraut. Wir haben uns auf
die Leitung von Schacharit leSchabbat konzentriert. Während die
Anfängergruppe eher mit den praktischen Aspekten ihrer Aufgabe als
SchaZ beschäftigt haben, konnte die Fortgeschrittenengruppe auch
philosophische und theologische Fragen, Schacharit leSchabbat
betreffend, erörtern. Unsere Gottesdienste am Wochenende waren
gleich auch Lernstunden und so haben Fragen und Erklärungen unser
Beten begleitet. Es gab viel Zeit für Gespräche und Austausch. Am
Freitag nach dem Abendessen haben wir zusammengesessen und
Smirot leSchabbat gesungen. Das Haus hat einen hervorragenden
Mitzvah Day in Bielefeld
Zum zweiten Mal nahm die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld am
Mitzvah Day teil.
Dieser beruht auf der Überzeugung, dass jeder - wirklich Jeder - unsere Welt positiv beeinflussen kann. Das Konzept des Mitzwa Tages
basiert auf zentralen jüdischen Werten wie: Tikkun Olam („Verbesserung der Welt“), Tzedek („Gerechtigkeit“) und Gemilut Chassadim
(„Mildtätigkeit“). Juden sollen diese Werte leben und in ihrem Alltag
verwirklichen.
israelischen Koch engagiert und
das Essen war sehr gut – ein
wichtiger Faktor wenn man hart
lernt!
Die Teilnehmer und die Organisatoren freuen sich schon auf
das nächste Seminar – Leynen
lernen – 26. – 28. Februar in Bad
Sobernheim.
Deborah Tal-Rüttger
Daher haben Eltern und Kinder der Jüdischen Kultusgemeinde gemeinsam mit 29 Flüchtlingskindern und deren Eltern in der Großküche
„Emilio“ Kekse gebacken und dabei viel Spaß gehabt.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es für alle schwer mit
Keksen bepackt wieder in einem angemieteten Bus zurück in das
Zentrum Bielefelds.
Irith Michelsohn
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Religion
Chanukka
Chanukka ist
das Tempelweihe Fest.
Es dauert
vom 25. Kislew bis zum
2. Tewet.
Während der
acht Abende
von Chanukka werden in
der Synagoge und in
jeder Familie
Kerzen an
der achtarmigen
Menorah, der
Chanukkia,
entzündet.
Jeder Abend
kommt noch
ein Licht
hinzu.
Geschichte
An Chanukka
wird der Sieg
der Makkabäer über die
Seleukiden, die
ein Teil des griechischen Imperium
waren, erzählt. Die Makkabäer haben den Tempel
zu Jerusalem von den griechischen Götzen gereinigt und
wieder eingeweiht. Da während des
Krieges das Volk Sukkot nicht feiern konnte, holten sie nun das Fest nach. Deswegen feiern
wir Chanukka acht Tage lang. Die Apokrophyn berichten in
den Makkabäerbüchern darüber und auch Flavius Josephus
schrieb über diesen Kampf und den Sieg der Makkabäer.
Im Talmud ist die Geschichte vom Ölwunder überliefert.
Die Makkabäer fanden nur einen einzigen Krug, der
verwendet werden darf, weil er das Siegel des
Hohenpriesters besitzt. Doch sein Öl reicht
nur für eine einzige Nacht aus. Ein Wunder
geschah, und das Öl reichte
Acht Tage lang bis neugepresstes Olivenöl zur
Verfügung stand.
Dieses Wunder gilt es für immer zu verkünden.
Der Chanukkaleuchter wird daher an ein Fenster
oder neben
die Haustüre gestellt.
Jeder, der
vorbeigeht,
kann ihn
sehen
und sich
an das
Wunder
von Chanukka
erinnern.
Bräuche
und
Gebete:
Im
Festkalender ist
Chanukkah ein
ziemlich
unbedeutendes
Fest und
gilt als ein
Halbfeiertag.
Acht Abende
werden die
Lichter in der
Chanukkiah
angezündet;
jeden Abend ein
zusätzliches Licht.
Die Rabbinen haben
bewusst den kriegerischen
Charakters des Sieges der
Makkabäer über die Griechen nicht
betont. Es gibt kein besonderes Gebet für
Chanukkah, nur einen Einschub für Chanukkah im
täglichen Gebet.
Es werden Milchspeisen gegessen, weil an Chanukka die
heldenhaften Handlungen von Ja’el, die Sisera besiegt
hatte und Judith, die Holofernes enthauptet hatte,
erwähnt werden.
Beide Frauen, Ja’el und Judith, gaben
ihren Opfern Milch zu trinken. Es werden
Speisen bevorzugt, die in Öl gebraten
werden (Sufganijot, Latkes), um an das
Ölwunder zu erinnern.
Deborah Tal-Rüttger
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Hebräisch
Ivrit für Jedermann
Maos Zur ‫מעוז צור‬
Ivrit für Fortgeschrittene
MAKKABI mit kaf oder mit kuf?
Wir alle singen immer die erste Strophe des Liedes Maos Zur zu Chanukkah. Das Lied hat sechs Strophen. In Seder Hatefilot sind vier Strophen abgedruckt. In meiner Gemeinde singen wir die erste und die
fünfte Strophe (in ST ist es die vierte).
Die erste Strophe singt von der Einweihung des Tempels – chanukkat
hamisbe’ach ַ‫חֲ נֻ ַכּת הַ מִ ּ ְז ֵבּח‬.
In Ivrit ist es üblich, Makkabi mit kaf zu schreiben ‫מכבי‬. So geschrieben,
ist Makkabi ein Kürzel aus mi kamocha beElim Adonai?
‫?מי כמוכה באלים יי‬
Die zweite Strophe erzählt vom Auszug aus Ägypten.
Die dritte von dem Exil nach Babylon,
Die vierte von Hamman in Persien,
Die fünfte vom Ölwunder zu Chanukkah,
Die sechste von der Hoffnung auf den Messias.
Das Lied stammt aus dem 13. Jh. Wer war der Verfasser? Vielleicht ein
gewisser Mordechai ‫מרדכי‬, wie der Akrostichon der ersten Buchstaben
am Anfang jeder Strophe ergibt.
ַ‫מָ עֹוז צּור י ְׁשּועָ תִ י לְ ָך נָאֶ ה לְ שַ ׁבֵח‬
ַ‫ּתֹודה ְנ ַז ֵבּח‬
ָ
‫תִ ּּכֹון ֵבּית תְ ּפִ לָ ּתִ י וְשָ ׁם‬
ַ‫לְ עֵ ת תָ ּכִין מַ טְ ֵבּחַ מִ ָצּר הַ מְ ַנ ֵבּח‬
ַ‫ָאז אֶ גְמֹור ְבּשִ ׁיר מִ זְמֹור חֲ ֻנ ַכּת הַ מִ ּ ְז ֵבּח‬
Einige Worte aus dieser Strophe kennen wir alle schon aus dem
Siddur:
Fels – zur ‫צור‬
Dir – lecha ‫לך‬
Zu loben – leschabeach ‫לשבח‬
Danke - toda ‫תודה‬
Mit Gesang – beschir
Lied – mismor ‫מזמור‬
Andere Wörter sind zum Teil auch nicht ganz fremd:
• Meine Rettung – jeschu’ati ‫ ישועתי‬klingt fast wie ‚die Rettung‘ – jeschu’ah ‫ישועה‬
• Das Haus meiner Gebete (= Tempel) – bet tefilati ‫ בית תפילתי‬erinnert
an ‚das Haus Gottes‘ – bet Adonai ‫ בית אדוני‬und ‚das Gebet‘ – tefila
‫תפילה‬
• Zur Zeit – le’et ‫ לעת‬kommt in Sim Schalom vor: lechol et ulechol
scha’a – zu jeder Zeit und zu jeder Stunde.
Den Rest müssen wir doch im Wörterbuch nachschauen – oder die
wunderbare Übersetzung in Seder Hatefilot genießen.
Deborah Tal-Rüttger
? ‫מכבי או מקבי‬
Wer ist wie du unter den Göttern, Adonai?
Dieser Name stellt die Makkabäer als Werkzeug Gottes dar. Sie haben
im Namen Gottes das jüdische Volk von den Griechen befreit und Gottes Tempel in Jerusalem gereinigt.
Es ist aber die Schreibeweise mit kuf überliefert ‫מקבי‬, was mein Hammer bedeutet. Dieser Name deutet an, dass die Makkabäer mutige und
starke Kämpfer waren. Es ist ihr Kampfkraft zu verdanken, dass die
Griechen besiegt und der Tempel in Jerusalem von den Götzen gereinigt wurde.
Wir wissen aus dem Talmud, dass die Weisen Chanukkah nicht als ein
Siegesfest als Folge eines Krieges sehen wollten. Sie haben die Geschichte vom Ölwunder in den Talmud aufgenommen und nichts über
Makkabäer, Hasomonäer oder Hannah mit ihren sieben Söhnen. All
diese Geschichten kennen wir nicht aus dem Talmud sondern aus den
beiden Makkabäerbüchern, die nicht in den Kanon der Hebräischen
Bibel aufgenommen wurden, und aus den Büchern von Josephus Flavius.
Da erklärt, weshalb die Schreibweise mit kaf - ‫ מכבי‬- sich in unserer Tradition durchgesetzt hat. Selbst die Sportorganisation, die ja auf
Kraft und Mut baut, hat nicht die militante Schreibweise mit kuf übernommen.
Deborah Tal-Rüttger
Union progressiver Juden in Deutschland
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Aus den Gemeinden
Die jüdische Kindertagesstätte Tamar in Hannover der
Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover K.d.ö.R.
sucht zur Verstärkung Ihres Teams
eine/n staatlich anerkannte/n Erzieher/in oder
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E-Mail an: [email protected] oder
per Post an: Jüdische Kita Tamar, z.Hd. Frau Grossmann, Fuhsestr. 6a,
30419 Hannover.
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Sukkot und Erntedank – Gelebte Ökumene in der Synagogengemeinde Sukkat Schalom Berlin
Sukkot und Erntedank fielen in diesem Jahr kalendarisch zusammen. Die evangelische Kirchengemeinde am Lietzensee hatte uns
eingeladen, den Gottesdienst am Erntedankfest gemeinsam zu feiern. So wurde dieser am Sonntagvormittag von unserem Rabbiner
Dr. Nachama und unserer Kantorin Esther Hirsch mitgestaltet. Bei
schönem Wetter war der Gottesdienst sehr gut besucht, und auch
einige Mitglieder unserer Gemeinde hatten sich eingefunden.
Am Abend fand dann der Gottesdienst zu Erew Sukkot in unserer
Synagoge statt. Auch dieser war wieder sehr gut besucht und
wurde neben der bewährten Leitung durch unseren Rabbiner und
unsere Kantorin auch von unserem Synagogenchor musikalisch
hervorragend umrahmt. Wie auch schon in der morgendlichen Predigt führte unser Rabbiner aus, dass die Früchte des Feldes und
der Bäume nur durch den Segen Gottes hervorgebracht werden.
Wie lange auch immer man an einem Grashalm zieht, es geschieht
nichts, wenn der Ewige diesen nicht wachsen lässt.
Auch die Geschichte von dem Alten, der einen Johannisbrot-
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
baum pflanzt, verdeutlicht dies noch einmal. Der vorbeiziehende
Monarch sagt zu dem Alten: „Was machst du da? Weißt du nicht,
dass der Baum erst in sieben Jahren Früchte trägt? Du wirst das
gewiss nicht mehr erleben!“ Der Alte antwortet dem Monarchen:
„Als ich heranwuchs, aß ich von den Früchten der Bäume, die die
Generationen vor mir gepflanzt hatten. Und so wird es auch sein:
wenn ich die Früchte nicht mehr genießen kann, so werden es
die tun, die nach mir kommen.“ Der Monarch kehrte nach sieben
Jahren aus dem Kriege heim. Der Krieg war verloren, der Staat war
nicht vergrößert sondern verkleinert, der Souverän verarmt. Der
Johannisbrotbaum aber trug seine ersten Früchte und jeder konnte
davon genießen. So wird es auch in den Gebeten und Gesängen
zu Sukkot weitergegeben – von Generation zu Generation – Ledor
wador.
Traditionsgemäß wurde der zweite Teil des Gottesdienstes in der
Sukka verbracht, wo die Segnungen über Brot, Wein, den Früchten
des Feldes und der Bäume stattfanden und die Gemeinde noch
eine geraume Zeit bei Liedern und Gesprächen zusammen saß.
Reinhard Liam Rickertsen
Das Buch können Sie zum Preis von 49,90 €,
ISBN 978-3-934658-74-5 plus Versandkosten, unter [email protected], im Buchhandel oder gegen
Barzahlung in der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld, Detmolder Straße 107, 33604 Bielefeld erwerben.
Die Gemeinde erreichen Sie zu einer Terminabsprache unter
0521-12 30 83.
Beit Tikwa
Aus einer Kirche wird eine Synagoge
Bilder des Umbaus
Herausgegeben von Matthias Hauke
Beit Tikwa
Ein Bildband dokumentiert auf mehr als 190 Seiten den Umbau
einer entwidmeten Kirche in die Synagoge BEIT TIKWA, der in der
jüdischen Verlagsanstalt Berlin erschienen ist. Matthias Hauke, der
bereits die künstlerischen Ideen während des Bauprojektes umsetzte,
gestaltete das Buch und ist auch der Herausgeber.
Aus einer Kirche wird eine Synagoge – Bilder des Umbaus
Bildband Synagoge Bielefeld
Auszeichnung vorbildlicher Bauten in Nordrhein – Westfalen
Irith Michelsohn
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Jugendabteilung der UpJ
Mini-Machane
Nach der Sommermachane hatte Netzer vor allem zwei große Aktivitäten von denen wir euch gerne berichten wollen. Vom 02.10.15 bis
zum 04.10.15 fand durch die großartige Unterstützung der Madrichim
des Südens, Gabriela Falk und Rabbiner Tom Kucera nach 2 ½ Jahren
endlich wieder ein Netzer Mini-Machane statt. Im wunderschönen Regensburg trafen über 50 Juden zusammen um Machaneluft zu riechen
und gemeinsam viel Spaß zu haben.
Das Wochenende war gespickt mit Aktivitäten, Peulot und Abendprogrammen. Stockbrot, Lagerfeuer und Nachtwanderung gehörten
natürlich genauso dazu, wie eine Schnitzeljagd durch die Stadt. Alles
in allem hat es uns so gut gefallen, dass wir versuchen werden die Mini-Machanot wieder jährlich zwei bis drei mal stattfinden zu lassen. Also
Augen und Ohren aufhalten. Und schon bald kommt die Mini-Machane
auch in Ihre Region.
Pragreise
Vom 18.10.15 bis zum 25.10.2015 ist Netzer mit 13 Madrichim auf eine
Bildungsreise nach Prag gefahren. Zu Anfang trafen wir uns gemeinsam in den Räumlichkeiten der Union progressiver Juden in Deutschland um dort gemeinsam zu kochen und uns, mit einer Session zu
unseren Erwartungen an die Pragreise, einzustimmen. In den frühen
Morgenstunden sind wir dann mit dem Bus nach Prag aufgebrochen.
In Prag bezogen wir ein Apartment, welches uns ermöglichte für uns zu
sein und über die Woche immer wieder gemeinsam zu kochen.
Prag hat uns als Gruppe sehr begeistert. Die „goldene Stadt“ zeigte
sich uns über die gesamte Reise von ihrer sonnigen Seite. Dies war
gerade für die Vielzahl an kulturellen Angeboten die wir nutzten von
großem Wert. Die angeleitete Prager Stadtführung, die ihren Abschluss
mit der Erkundung der großen Prager Burg fand, brachte den jungen
Erwachsenen die tschechische Geschichte näher. Auf dieser Grundlage aufbauend erkundeten wir am folgenden Tag das ehemalige jüdische Viertel. In besonderer Erinnerung blieben dabei die spanische
Synagoge, die Jerusalemer Synagoge, sowie der verwitterte, der Zeit
trotzende, alte jüdische Friedhof. Sehr viel Zeit verbrachten unsere
Madrichim in der Pinkas-Synagoge, deren Wände die Namen der ermordeten tschechischen Juden tragen.
Ein weiterer wichtiger Baustein unserer Reise war eine Exkursion nach
Terezin. Die Begehung des Arbeitslagers und die Informationen über
die „besondere“ Behandlung denen Juden unterworfen waren, bewegten uns sehr. Wir schlossen die Führung mit dem Kaddish vor den jüdischen Gräbern. Der Tag führte uns noch zu dem jüdischen Ghetto
und abschließend zu den Krematorien. Es war ein tröstlicher Umstand
diese Erlebnisse als jüdische Gruppe zu erfahren. Mit Workshops und
unterschiedlichen Methoden haben wir die Emotionen der Gruppe im
weiteren Verlauf bearbeitet.
Am Kabbalat Shabbat wurden wir von der Gemeinde Beit Simcha zum
Gottesdienst eingeladen. Eine schöne Erfahrung. Nicht zuletzt weil wir
dort mit Netzer Niederlande zusammen trafen und im weiteren Verlauf
unsere Netzwerke vertiefen konnten.
Auch Spaß-Aktivitäten haben wir unternommen. Am beliebtesten waren tatsächlich Spaziergänge durch die Prager Altstadt sowie durch
das Botschafterviertel. Wenngleich die Go-Kart Fahrt ein ganz besonderes Gruppenerlebnis war. Leider endete die Reise viel zu schnell. Wir
freuen uns bereits jetzt auf unsere Israel-Reise im Frühling!
Assepha
Zuletzt noch ein wenig Eigenwerbung. Im November beginnt wieder
unser Jahreszyklus mit der Madrichimausbildung. Wieder einmal haben 9 Jugendliche sich entschieden Madrichim zu werden. Sie werden
mit den Jugendlichen im zweiten Ausbildungsjahr zusammen auf das
Führen und Leiten der Machanot ausgebildet. Und im Idealfall werden
Sie so wichtige Bestandteile innerhalb der Jugendarbeit in unseren jüdischen Gemeinden. Parallel zu der Ausbildung findet im November
immer die Vollversammlung der Netzer-Madrichim in Deutschland statt.
Dort geben sich die Madrichim eine eigene Satzung und stimmen über
Verfahrensweisen für die Zukunft ab. Wir sind glücklich schreiben zu
können, dass sich erstmals über 40 Personen bei unserem Madrichim-Seminar angemeldet haben.
Wir freuen uns auf eine spannende Zukunft und fiebern schon unserer
Wintermachane im Bergischen Land entgegen.
Konstantin Seidler
UpJ/Netzer
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Kinderseite
Tu BiSchwat
Der Talmud fragt uns: ,,Warum hat der Baum ein Neujahr?“ Rabbi
Elasar antwortet im Namen Rabbi Oschaja. ,,Weil in dieser Zeit
der meiste Regen schon gefallen ist.“ Und Raschi fügt hinzu und
erklärt: ,,Wenn der meiste Regen schon gefallen ist, dann ist es
die Zeit der Baumblüte. Der Saft steigt hoch, und die Knospen
setzen die Früchte an«. Die Tosefta (Zusatz zur Mischnah) fügt
hinzu und präzisiert, dass jeder Baum, dessen Knospen noch vor
Tu BiSchwat Früchte tragen, diese für den ,Zehnt‘ im vergangenen Jahr bestimmt sind. Der Baum, aber dessen Knospen nach
Tu BiSchwat Früchte ansetzen sind als ,Zehnt‘ für das kommende
Jahr bestimmt. (Babylonischer Talmud, Traktat Rosch HaSchana
14a, Tosefta Schwi’it 7,2)
Bevor der Tempel zerstört wurde, legte man an Tu BiSchwat
fest, welcher ,Zehnt‘ und welche Erstlingsopfer für die Priester
Kohanim und Lewi‘im, sowie für Israels Arme, gebracht werden
sollten. Seit der Zerstörung des Tempels wurde eingeführt, Früchte aus Erez Israel zu essen, damit wir uns erinnern, des dies das
Land der ,sieben Früchte‘ ist; und es ist geschrieben: ,,Denn der
Ewige, dein Gott, bringt dich in ein schönes Land, in ein Land
mit Wasserbächen, mit Quellen und Strömen, die in der Ebene
und im Gebirge entspringen. In ein Land mit Weizen und Gerste,
mit Wein, Feigen und Granatäpfeln, in ein Land mit Oliven und
Honig“. (5. Mose 8, 7-8)
Deborah Tal-Rüttger
Termin | Dank | Impressum
Termin:
Leynen-Seminar in Bad Sobernheim 26.02. – 28.02.2016
Michael Lawton und Debbie Tal-Rüttger bieten allen, die interessiert sind, die Möglichkeit das Vorlesen aus der Torah zu lernen. Wir werden die Te’amim nach alter deutschen
Tradition lernen.
Voraussetzung ist die Lesekompetenz in Hebräisch.
Die Teilnehmerzahl ist auf 20 begrenzt.
Anmeldung bis zum 15.01.2016 bei Debbie [email protected]
Herausgeber: Union progressiver Juden
in Deutschland, Diesterwegstraße 7,
33604 Bielefeld, Telefon: 0521-3043184,
[email protected]
Redaktion:
Deborah Tal-Rüttger, Irith Michelsohn, Sonja Guentner V.i.S.D.P.
Übersetzungen: Alex Egorov, Michael Lawton, David Holinstat
Layout: Werbeagentur mosaic GmbH Fotos: Die Rechte liegen bei
den einzelnen Gemeinden – Herzlichen Dank für die Beiträge