„Weinmacher lieben es, über sich selber zu reden“
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„Weinmacher lieben es, über sich selber zu reden“
Fotos: z.V.g. 64 Eine Stunde mit Charles Smith, Weinproduzent in Washington „Weinmacher lieben es, über sich selber zu reden“ Wikinger meets Winemaker: Er managte Rockbands in Dänemark, bevor er zum SyrahStar von Washington State wurde. Charles Smith im Gespräch – laut und leise. Text: Britta Wiegelmann Foto: Cornelia Biotti Charles Smith, erst Rockband-Manager in Dänemark, jetzt Selfmade-Weinmacher in Walla Walla, Washington State – was haben Sie eigentlich gelernt? Als ich 18 war, sagte meine Mutter: «Arbeite im Restaurant, da hast du jeden Tag Essen auf dem Tisch und Geld in der Tasche.» Bei meinem ersten Job in einem Hotel in Palm Springs habe ich versehentlich dem Chairman von General Motors ein Tablett voller Orangensaft über die Hose gekippt. Der Chef hat mich mit dem Küchenmesser aus dem Haus gejagt. Das wurde dann so ein Muster: Ich wollte immer die Jobs, die eigentlich eine Nummer zu gross für mich waren. Also wurden Sie Sommelier. Genau, irgendwann habe ich beschlossen: Das ist der coolste Job im Restaurant. Man kommt als Letzter, geht als Erster, probiert den ganzen Abend Wein und wird am besten bezahlt. Also habe ich mich mit meinem Lohn durch die Restaurantkeller getrunken, an den Wochenenden Weingüter abgeklappert und mich hochgeackert bis zum Sommelier bei «Ritz-Carlton». Dann, als ich mit 29 nach Dänemark ging . . . . . . warum? Girlfriend, you know. Also jedenfalls, in Dänemark wollte mich keiner einstellen. Ich konnte anfangs ja kein Dänisch. Also habe ich in einer Bar gearbeitet, dort Konzerte organisiert und später Bands gemanagt. Von Kopenhagen nach Walla Walla ist es ein weiter Weg. 1999 musste ich mich entscheiden, ob ich in Dänemark bleibe oder zurück in die USA gehe. Also bin ich mit einem Freund wochenlang kreuz und quer durchs Land gefahren. In Washington habe ich einen französischen Weinmacher kennengelernt, Christophe Baron von Cayuse, und ihm erzählt, dass ich schon immer meinen eigenen Wein keltern wollte. Geld hatte ich keines, aber er sagte: «Mach das doch bei mir und bezahl mich, wenn du die Flaschen verkauft hast.» Das war’s: der Moment, in dem die Engel sangen. Aber bisher hatten Sie Wein ja, wenn ich richtig verstehe, nur getrunken. Woher wussten Sie, wie das Machen geht? Die Idee spukte mir schon lange im Kopf rum, und in Europa hatte ich gute Kontakte zur Weinszene. Klar, kein Weinmacher plaudert gerne seine Geheimnisse aus, aber je der Weinmacher liebt es, über sich selber zu reden. In Dänemark war ich zum echten Wi- kinger geworden – glauben Sie mir, ich konnte sehr viel trinken. Also habe ich getrunken und geredet, mit Profis in Frankreich, in Spanien. Sie dachten, wir unterhalten uns bloss, aber im Kopf machte ich mir die ganze Zeit Notizen. 2001 gründeten Sie Ihr eigenes Gut. Wer hat das finanziert? Ich hatte erstklassige Trauben, Topberater und coole Labels von meiner besten Freundin, der Dänin Rikke Korff, Chefdesignerin für Levi’s. Die Bank war also interessiert. Aber sie wollten meinen Wein probieren. Ich also mit der Flasche unter dem Arm zum Vizepräsidenten, schenke ihm ein Glas ein, er schwenkt, schnuppert, probiert und sagt: «Herzlichen Glückwunsch, wir geben Ihnen 250 000 Dollar.» So entstand K Vintners. Was heisst das K? Ich wollte ein Symbol, eine Art Brandzeichen, so wie die Farmer früher ihr Vieh markierten. Die Leute sollen meine Flaschen wiedererkennen, auch wenn sie nicht «Wein» sprechen. Meine Labels haben ihr eigenes Vokabular. Sie kleben einem im Gedächtnis wie Lehm unter den Füssen. Und wenn man Syrah macht, na ja, dann drängt sich das K praktisch auf. («K Syrah» ergibt auf Englisch ausgesprochen «Qué será», den 50er-JahreSchlager von Doris Day, Anm. d. Red.) Warum Syrah? Vor zehn Jahren gab es in Washington 200 Produzenten, die Cabernet und Merlot kelterten; vier machten Syrah. Ich konnte also einer von 200 sein oder einer von fünf. Dazu kommt, dass die Syrah-Traube ihr Terroir einmalig ausdrückt. Das war mein Ziel: Ich wollte Einzellagenweine machen, old style, fussgetreten, mit Spontangärung, sehr prä zise und raffiniert. Echte Terroir-Weine. Ihre Syrah haben teils über 16 Grad Alkohol. Hat das Terroir da noch eine Chance? Probieren Sie mal einen jungen Top-Burgunder, etwa La Tâche 2007. Schmeckt nicht besonders toll. Aber in fünf, zehn, 15 Jahren wird die Raupe zum Schmetterling. Genauso ist das bei meinen Syrah-Weinen. Anfangs spürt man die Frucht und den Alkohol, doch mit der Reife kommt plötzlich die Essenz zum Vorschein. Erst wenn sich das Wasser zurückzieht, sieht man die Austernbänke. Der totale Kontrast zum 2007er Royal City Syrah, Ihrem mächtigen 99-Parker-PunkteWein, ist der Kungfu Girl Riesling. Vita Charles Smith Der gebürtige Kalifornier und Weinautodidakt tauchte vor zehn Jahren auf der Weinbühne von Washington State auf und sammelt seit her Parker-Punkte für seine Syrah. In ihrer Jugend mächtig, mit ausladender Frucht und spürbarem Alkohol, werden seine besten Ge wächse mit der Reife hochkomplex, fleischig und erdig, mit Noten von Trüffel und Unter holz. «It’s just booze – drink it», lässt Smith sich gerne zitieren und öffnet angeblich auch mal einen 53er Haut-Brion zum Hamburger. Neben den Topweinen Royal City, Heart, Skull und Bones und lohnenden Mittelpreisern wie dem Ovide (Cabernet mit circa einem Drittel Syrah), die alle das Label K Vintners tragen, produziert er unter dem Namen Charles Smith auch Kassenschlager wie den Kungfu Girl Riesling oder den Eve Chardonnay. Das ist der Wein, auf den ich am meisten stolz bin. Ein echter Cool-Climate-Wein, knackig, sauber, mit Trauben aus einer Einzellage, nur elf Volumenprozent Alkohol, einem abgefahrenen, fast feministischen Label, und das alles für gerade mal zwölf Dollar (Endverbraucherpreis in den USA, Anm. d. Red.). Wissen Sie, wenn Leute mich zum ersten Mal treffen, mit meinen wilden Haaren, dem Rock-’n’Roll-Style und dem losen Mundwerk, denken sie automatisch, ich könnte nur dicke, fette Rote. Und dann knalle ich ihnen so was hin. Sie lieben die Extreme? Denken Sie an die Musik: Die aufregendsten Momente in einer Symphonie sind die, wo es ganz laut wird (hebt die Stimme und gestikuliert), und dann die (flüstert), wo es absolut still ist. (Pause) Alles dazwischen ist nicht besonders interessant. Dabei geht es mir gar nicht mal um die Extreme. Es geht darum, zu verstehen, dass man selber mehr als nur eine Note hat. Welchen Wein möchten Sie im Leben noch machen? Mit meinem Freund Charles Bieler habe ich das Charles-&-Charles-Projekt, wir machen Rosé zusammen, nur zum Spass. Den Erlös sparen wir an, bis wir uns ein Château in Bordeaux kaufen können. Dann kreuzen wir da auf in unseren Jeans und T-Shirts und mischen die Bude mal richtig auf.