„Weinmacher lieben es, über sich selber zu reden“

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„Weinmacher lieben es, über sich selber zu reden“
Fotos: z.V.g.
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Eine Stunde mit Charles Smith, Weinproduzent in Washington
„Weinmacher lieben es,
über sich selber zu reden“
Wikinger meets Winemaker: Er managte Rockbands in Dänemark, bevor er zum SyrahStar von Washington State wurde. Charles Smith im Gespräch – laut und leise.
Text: Britta Wiegelmann
Foto: Cornelia Biotti
Charles Smith, erst Rockband-Manager in
Dänemark, jetzt Selfmade-Weinmacher in
Walla Walla, Washington State – was haben
Sie eigentlich gelernt?
Als ich 18 war, sagte meine Mutter: «Arbeite
im Restaurant, da hast du jeden Tag Essen
auf dem Tisch und Geld in der Tasche.» Bei
meinem ersten Job in einem Hotel in Palm
Springs habe ich versehentlich dem Chairman von General Motors ein Tablett voller
Orangensaft über die Hose gekippt. Der Chef
hat mich mit dem Küchenmesser aus dem
Haus gejagt. Das wurde dann so ein Muster:
Ich wollte immer die Jobs, die eigentlich eine
Nummer zu gross für mich waren.
Also wurden Sie Sommelier.
Genau, irgendwann habe ich beschlossen:
Das ist der coolste Job im Restaurant. Man
kommt als Letzter, geht als Erster, probiert
den ganzen Abend Wein und wird am besten bezahlt. Also habe ich mich mit meinem
Lohn durch die Restaurantkeller getrunken,
an den Wochenenden Weingüter abgeklappert und mich hochgeackert bis zum Sommelier bei «Ritz-Carlton». Dann, als ich mit 29
nach Dänemark ging . . .
. . . warum?
Girlfriend, you know. Also jedenfalls, in Dänemark wollte mich keiner einstellen. Ich
konnte anfangs ja kein Dänisch. Also habe
ich in einer Bar gearbeitet, dort Konzerte organisiert und später Bands gemanagt.
Von Kopenhagen nach Walla Walla ist es ein
weiter Weg.
1999 musste ich mich entscheiden, ob ich
in Dänemark bleibe oder zurück in die USA
gehe. Also bin ich mit einem Freund wochenlang kreuz und quer durchs Land gefahren.
In Washington habe ich einen französi­schen
Weinmacher kennengelernt, Chris­tophe Baron von Cayuse, und ihm erzählt, dass ich
schon immer meinen eigenen Wein keltern
wollte. Geld hatte ich keines, aber er sagte:
«Mach das doch bei mir und bezahl mich,
wenn du die Flaschen verkauft hast.» Das
war’s: der Moment, in dem die Engel sangen.
Aber bisher hatten Sie Wein ja, wenn ich
richtig verstehe, nur getrunken. Woher
wussten Sie, wie das Machen geht?
Die Idee spukte mir schon lange im Kopf
rum, und in Europa hatte ich gute Kontakte
zur Weinszene. Klar, kein Weinmacher plaudert gerne seine Geheimnisse aus, aber je­
der Weinmacher liebt es, über sich selber zu
reden. In Dänemark war ich zum echten Wi-
kinger geworden – glauben Sie mir, ich konnte sehr viel trinken. Also habe ich getrunken
und geredet, mit Profis in Frankreich, in Spanien. Sie dachten, wir unterhalten uns bloss,
aber im Kopf machte ich mir die ganze Zeit
Notizen.
2001 gründeten Sie Ihr eigenes Gut. Wer hat
das finanziert?
Ich hatte erstklassige Trauben, Topberater
und coole Labels von meiner besten Freundin, der Dänin Rikke Korff, Chefdesignerin
für Levi’s. Die Bank war also interessiert.
Aber sie wollten meinen Wein probieren. Ich
also mit der Flasche unter dem Arm zum
Vizepräsidenten, schenke ihm ein Glas ein,
er schwenkt, schnuppert, probiert und sagt:
«Herzlichen Glückwunsch, wir geben Ihnen
250 000 Dollar.» So entstand K Vintners.
Was heisst das K?
Ich wollte ein Symbol, eine Art Brandzeichen, so wie die Farmer früher ihr Vieh markierten. Die Leute sollen meine Flaschen
wiedererkennen, auch wenn sie nicht «Wein»
sprechen. Meine Labels haben ihr eigenes
Vokabular. Sie kleben einem im Gedächtnis
wie Lehm unter den Füssen. Und wenn man
Syrah macht, na ja, dann drängt sich das K
praktisch auf. («K Syrah» ergibt auf Englisch
ausgesprochen «Qué será», den 50er-JahreSchlager von Doris Day, Anm. d. Red.)
Warum Syrah?
Vor zehn Jahren gab es in Washington 200
Produzenten, die Cabernet und Merlot kelterten; vier machten Syrah. Ich konnte also
einer von 200 sein oder einer von fünf. Dazu
kommt, dass die Syrah-Traube ihr Terroir
einmalig ausdrückt. Das war mein Ziel: Ich
wollte Einzellagenweine machen, old style,
fussgetreten, mit Spontangärung, sehr prä­
zise und raffiniert. Echte Terroir-Weine.
Ihre Syrah haben teils über 16 Grad Alkohol.
Hat das Terroir da noch eine Chance?
Probieren Sie mal einen jungen Top-Burgunder, etwa La Tâche 2007. Schmeckt nicht
besonders toll. Aber in fünf, zehn, 15 Jahren
wird die Raupe zum Schmetterling. Genauso
ist das bei meinen Syrah-Weinen. Anfangs
spürt man die Frucht und den Alkohol, doch
mit der Reife kommt plötzlich die Essenz
zum Vorschein. Erst wenn sich das Wasser
zurückzieht, sieht man die Austernbänke.
Der totale Kontrast zum 2007er Royal City
Syrah, Ihrem mächtigen 99-Parker-PunkteWein, ist der Kungfu Girl Riesling.
Vita
Charles Smith
Der gebürtige Kalifornier und Weinautodidakt
tauchte vor zehn Jahren auf der Weinbühne
von Washington State auf und sammelt seit­
her Parker-Punkte für seine Syrah. In ihrer
Jugend mächtig, mit ausladender Frucht und
spürbarem Alkohol, werden seine besten Ge­
wächse mit der Reife hochkomplex, fleischig
und erdig, mit Noten von Trüffel und Unter­
holz. «It’s just booze – drink it», lässt Smith
sich gerne zitieren und öffnet angeblich auch
mal einen 53er Haut-Brion zum Hamburger.
Neben den Topweinen Royal City, Heart, Skull
und Bones und lohnenden Mittelpreisern wie
dem Ovide (Cabernet mit circa einem Drittel
Syrah), die alle das Label K Vintners tragen,
produziert er unter dem Namen Charles Smith
auch Kassenschlager wie den Kungfu Girl
Riesling oder den Eve Chardonnay.
Das ist der Wein, auf den ich am meisten stolz
bin. Ein echter Cool-Climate-Wein, knackig,
sauber, mit Trauben aus einer Einzellage, nur
elf Volumenprozent Alkohol, einem abgefahrenen, fast feministischen Label, und das alles für gerade mal zwölf Dollar (Endverbraucherpreis in den USA, Anm. d. Red.). Wissen
Sie, wenn Leute mich zum ersten Mal treffen,
mit meinen wilden Haaren, dem Rock-’n’Roll-Style und dem losen Mundwerk, denken
sie automatisch, ich könnte nur dicke, fette
Rote. Und dann knalle ich ihnen so was hin.
Sie lieben die Extreme?
Denken Sie an die Musik: Die aufregendsten
Momente in einer Symphonie sind die, wo es
ganz laut wird (hebt die Stimme und gestikuliert), und dann die (flüstert), wo es absolut
still ist. (Pause) Alles dazwischen ist nicht
besonders interessant. Dabei geht es mir gar
nicht mal um die Extreme. Es geht darum, zu
verstehen, dass man selber mehr als nur eine
Note hat.
Welchen Wein möchten Sie im Leben noch
machen?
Mit meinem Freund Charles Bieler habe ich
das Charles-&-Charles-Projekt, wir machen
Rosé zusammen, nur zum Spass. Den Erlös
sparen wir an, bis wir uns ein Château in Bordeaux kaufen können. Dann kreuzen wir da
auf in unseren Jeans und T-Shirts und
mischen die Bude mal richtig auf.

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