2. Traum von der Ferne „Ein heimlich Sehnen zieht, wo
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2. Traum von der Ferne „Ein heimlich Sehnen zieht, wo
2. Traum von der Ferne „Ein heimlich Sehnen zieht, wo ich bin, zu allen Schönen mich traulich hin.“ (Cherubino) Theater und Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg Wolfgang Amadeus Mozart Le nozze di Figaro Uraufführung im Wiener Hoftheater am 1. Mai 1786 Wolfgang Amadeus Mozart Le nozze di Figaro * 31.03.07 Opera buffa in vier Akten Libretto von Lorenzo da Ponte In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Wir bedanken uns bei allen, die ihre Schuhe für den Schuhschrank der Gräfin gespendet haben. Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle, Kassel 4 Besetzung Cherubino Jana Kurucová Graf Sebastian Geyer Bartolo Wilfried Staber Gräfin Larissa Krokhina / Maraile Lichdi Marcellina Carolyn Frank Figaro Gabriel Urrutia Benet Basilio Winfrid Mikus Susanna Silke Schwarz Barbarina Ulrike Machill 5 Antonio Bühnenbild Philipp Stelz Jürgen Franz Kirner Zwei Frauen Kostüme Claudia Schumacher Viola Schütze Elena Trobisch Choreographie Inszenierungsteam Francisco Sanchez Musikalische Leitung Lichtdesign Cornelius Meister Andreas Rinkes Regie Chor Aron Stiehl Tarmo Vaask 6 Dramaturgie & Übertitel Regieassistenz, Abendspielleitung Bernd Feuchtner Solvejg Franke Musikalische Assistenz Ausstattungsassistenz und Studienleitung Bettina Ernst Michael Klubertanz Kostümhospitanz Musikalische Einstudierung Julia Schuffenhauer und Cembalo Sebastian Kennerknecht Souffleuse Michael Klubertanz Delia Tedeschi Joana Mallwitz Inspizienz & Leitung Statisterie Timothy Schwarz Uwe Stöckler 7 Sprachcoach Technische Einrichtung Filippo Deledda Martin Fuchs Opernchor und Philharmonisches Ton Orchester der Stadt Heidelberg Magali Deschamps Wolfgang Freymüller Andreas Legnar Die Kostüme und Kulissen wurden in den theatereigenen Werkstätten Leiterin der Kostümabteilung angefertigt Viola Schütze Technik & Werkstätten Leiterin der Maske Kerstin Geiger Technische Leitung Ivica Fulir 8 Leiterin der Requisite Esther Hilkert Leiter des Malsaals Dietmar Lechner Dekorationswerkstatt Markus Rothmund Leiter der Schlosserei Karl-Heinz Weis Leiter der Schreinerei Klaus Volpp 9 Lorenzo da Ponte Inhalt H Handlung 1. Akt Seit Graf Almaviva seine angebetete Rosina geheiratet hat, ist einige Zeit vergangen. Inzwischen hat er Appetit auf andere Mädchen bekommen, zum Beispiel auf die Dienerin seiner Gattin, Susanna, die Braut seines Dieners Figaro. Dafür will er sogar jenes feudale „Recht der ersten Nacht“ wiederbeleben, auf das er großzügig verzichtet hatte. Der einzige, der das nicht mitbekommt, ist Figaro selbst. Er freut sich, dass der Graf dem Brautpaar ein Zimmer zwischen seinem Zimmer und dem der Gräfin zugewiesen hat, ohne zu ahnen, dass der Graf nur Susanna näher bei sich haben will. Nun denkt Figaro 10 sich zahlreiche Intrigen aus, um den Grafen davon abzubringen. Doch er steckt auch selbst in der Klemme: Als Sicherheit für ein Darlehen hat er Marzelline die Heirat versprochen, der alten Hausdame des Doktors Bartolo. Seit Figaro und der Graf Rosina aus Bartolos Vormundschaft entführt haben, ist der Zorn des Doktors gegen Figaro nicht kleiner geworden, und so tut er alles, um Marzelline bei ihrem Heiratsplan zu unterstützen. Der Page Cherubino soll entlassen werden, weil der Graf ihn mit Barbarina erwischt hat – Cherubino ist eigentlich in alle Frauen verliebt und kleidet seine Sehnsucht in hübsche Lieder. Als der Graf kommt, versteckt er sich im Sessel und hört mit an, wie dieser Susanna zum Rendez-vous in den Garten locken will. Als Basilio auftaucht, muss auch der Graf sich verstecken, bis er von dem Intriganten hören muss, dass Cherubino in die Gräfin verliebt ist. Nun kommt Figaro mit den Dorfbewohnern dazwischen, um dem Grafen für seinen Verzicht auf das feudale Recht zu danken. Danach schickt der Graf Cherubino nach Sevilla zum Militär. 11 2. Akt Die Gräfin leidet unter der Entfremdung zwischen ihr und ihrem Mann und erfährt von Susanna, dass der Graf ihr Geld für eine Liebesnacht geboten habe. Figaro entwirft eine Doppelintrige: Der Graf soll aus einem fingierten Brief auf einen Liebhaber der Gräfin schließen, während zum Rendezvous im Garten statt Susanna Cherubino gehen soll, den sie dafür in Frauenkleider stecken. Doch der Graf kommt dazwischen, was zur größten Verwirrung führt: Cherubino versteckt sich, der Graf schöpft Verdacht. Er holt Werkzeug, um das verschlossene Kabinett zu öffnen, während Susanna Cherubino herauslässt, der in den Garten springt; Susanna schließt sich an Cherubinos Stelle ein. Der Graf sieht sich gezwungen, um Verzeihung zu bitten. Da platzt der Gärtner Antonio herein und beschwert sich, dass jemand aus dem Fenster gesprungen sei und die Blumentöpfe zerschlagen habe. Figaro erklärt, er sei das gewesen, und das Offizierspatent, das Cherubino beim Sprung verloren hatte, habe er dabei gehabt, weil das Siegel fehlt. Als Bartolo, Marzelline und Basilio kommen, um das Eheversprechen einzufordern, 12 sieht der Graf wieder Hoffnung und kündigt erst einmal eine genaue Prüfung an. Alle sind verwirrt und wissen nicht, wie dieser tolle Tag enden soll. 3. Akt Um den Grafen zu überführen, verabredet Susanna mit der Gräfin, ihm ein Rendez-vous vorzuschlagen, unter der Bedingung, dass er ihr eine Mitgift zahlt, mit der sie Marzelline auszahlen kann. Bei der Verhandlung über Marzellines Vertrag stellt sich heraus, dass Figaro ihr einst entführter Sohn ist – und Bartolo sein Vater, der nun seine Zustimmung nicht nur zur Hochzeit von Susanna und Figaro, sondern auch seiner eigenen mit Marzelline gibt. Die Gräfin sinnt den vergangenen Zeiten nach und schreibt mit Susanna einen Brief, in dem der Graf in den Pinienhain eingeladen wird. Die Gräfin will dort in den Kleidern Susannas erscheinen. Unter den Mädchen, die der Gräfin Blumen bringen, entdeckt man den verkleideten Cherubino, doch als der Graf wütend wird, bittet Barbarina ihn, er möge ihr einen Wunsch erfüllen, wie er es versprochen hatte, wenn er sie küsste: Sie möchte 13 Cherubino zum Mann. Graf und Gräfin müssen nun die beiden Brautpaare schmücken. Währenddessen bekommt der Graf den Brief Susannas und sticht sich an der Nadel, mit der er versiegelt ist. Die Nadel soll er als Zeichen des Einverständnisses zurücksenden. 4. Akt Barbarina hat die Nadel verloren, die der Graf ihr für Susanna gegeben hat. So trifft sie ausgerechnet auf Figaro und verplappert sich. Nun glaubt Figaro, dass Susanna ihn betrügen will, und prangert die Dummheit der Männer und vor allem die Grausamkeit der Frauen an. Susanna will Figaro für seine Eifersucht bestrafen und singt in Erwartung des Grafen ein Liebeslied. Die Gräfin und Susanna erscheinen in den Kleidern der jeweils anderen – und nun beginnt im Dunkel ein brillantes Verwechslungsspiel aller mit allen, in dem Cherubino kräftig mitmischt. Am Ende glaubt der Graf seine Gattin mit Figaro in flagranti erwischt zu haben und droht mit Bestrafung – bis die echte Gräfin hervortritt. Nun ist es an dem Grafen, seine Gattin um Vergebung zu bitten. Alles eilt zum Fest. 14 Zur Inszenierung v Authentische Menschen Von Aron Stiehl Der Mensch schwankt ständig zwischen seiner Existenz als autonomes Individuum, das Gefahr läuft, frei aber einsam zu sein, und der Bindung an die Gesellschaft mit ihren Regeln, wo er dann vielleicht Geborgenheit und Halt findet, aber sein eigenes Selbst verliert. Um diese Freiheit, vor allem aber um die Liebe, geht es in „Le nozze di Figaro“. Hochzeit ist mit einem Vertrag verbunden, der zwei Menschen aneinander bindet, manchmal aber auch fesselt. Der Mensch versucht die Liebe zu kultivieren und den Trieb in geregelte Bahnen zu lenken. Als sei dies möglich. Der Graf hat Rosina geheiratet, will aber gleichzeitig seine Freiheit behalten, ohne seiner Gattin das Gleiche zuzugestehen. Er fühlt sich gleicher als die anderen, ist ein Egomane – was zu Problemen und Enttäuschungen in seiner Ehe führt, auch zu Irritationen in 15 seiner Umwelt. Figaro, Susanna und die Gräfin haben sich gleichfalls für die Ehe entschieden – spüren aber, dass das Herz seine Gründe hat, die die Vernunft nicht kennt. Sie übernehmen die gesellschaftlichen Normen unhinterfragt, merken aber, dass die Liebe nicht so einfach zu kanalisieren ist. Cherubino entscheidet sich für die Freiheit. Oder besser: Es entscheidet in ihm. Er ist vielleicht die authentischste Figur des Stückes, weil er das auslebt, was der unfreie Bürger nicht darf: Den Eros, der sich nicht steuern lässt. Auch er soll am Ende verheiratet und damit ruhiggestellt werden: mit Barbarina. Aber er wird sich nicht fügen, ein Libertin bleiben. Diese Geschichte hätte Mozart auch zu einer ordentlichen Tragödie führen können. Er aber schafft es, das Ganze in eine Komödie zu kleiden: Lachen als Waffe gegen die Tragik des Lebens. Dabei wechselt er zwischen höchst realen Szenen, übernommen von den Buffo-Opern, durchbricht diese Form aber immer wieder auf einmalige Weise und zeigt dabei die Psyche des Menschen mit ihren Abgründen, blättert die Seele des Menschen auf. Er lässt die Szenen transzendieren und hebt diese Figuren – und damit auch uns – in andere Dimensionen. Das macht ihn so unglaublich aktuell. Auch nach 200 Jahren: mit gerade so viel Noten als nötig. 16 Szene aus dem ersten 17 Akt (Stich von Jean-Baptiste Liénard, 1785) Zum Libretto v Das Komödienpersonal auf dem Weg in die Weltgeschichte Die Figaro-Stücke von Beaumarchais Von Bernd Feuchtner „Figaro hier, Figaro da, Figaro, Figaro, Figaro, Figaro!“ – wohl jedem ist der Name des Barbiers von Sevilla zuerst in dieser grandiosen Selbstdarstellungsarie mit der Musik von Rossini begegnet. Und noch mit einer zweiten berühmten Oper ist sein Name verbunden: mit Mozarts Le nozze di Figaro, der Fortsetzungsgeschichte des spanischen Schlaukopfs. Darüber ist der Autor, auf den beide Stücke zurückgehen, beinahe in Vergessenheit geraten. Als 18 hätte er das geahnt, reagierte er gar nicht entzückt, als er von der Idee erfuhr, dass er veropert werden sollte. Mit allen Mitteln versuchte er das Operntextbuch zu verhindern, das Lorenzo da Ponte für Mozart schrieb; da es damals noch kein Urheberrecht gab, war er allerdings machtlos. Mit Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht (Le barbier de Séville ou La précaution inutile) und Der tolle Tag oder Die Hochzeit des Figaro (La folle journée ou Le mariage de Figaro) hatte der Abenteurer Pierre Augustin Caron de Beaumarchais in den Jahren 1775 und 1784 in Paris die beiden größten Erfolge seines Lebens gelandet, die er 1792 mit Die Schuld der Mutter oder Ein zweiter Tartuffe vergeblich auf eine Trilogie auszudehnen versuchte. Seine beiden Figaro-Komödien machten ihn in ganz Europa berühmt. Das lag nur zur Hälfte daran, dass Beaumarchais damit die französische Komödie, die am Ende war, neu belebt hatte. Der kühle, analytische Witz, der die aufklärerischen Komödien des eine Generation älteren Marivaux ausgezeichnet hatte, 19 war längst verloren gegangen. Wichtiger war, dass Beaumarchais den Nerv der Zeit getroffen hatte. Die Bosheit, mit der Cloderlos de Laclos' Briefroman Gefährliche Liebschaften im Jahr 1782 den dekadenten Adel zeichnete, erreichte er zwar nicht, doch war auch seine Komödie brisant, denn sie gab die Herrschenden dem Gelächter preis. Die erste Barbier-Oper kam 1782 in St. Petersburg heraus: Der auch von Mozart hoch geschätzte Giovanni Paisiello war Hofkomponist bei Katharina der Großen, und sein Barbiere di Siviglia trat von Russland aus sogleich seinen Siegeszug über sämtliche europäischen Opernbühnen an. An der Wiener Hofoper amüsierte man sich seit 1783 über Paisiellos Oper, das Personal war dem Wiener Publikum also schon vertraut, als das Gerücht aufkam, Mozart plane die Komposition der Fortsetzung. Doch bei diesem Werk führte kein Weg am Kaiser vorbei: Joseph II. war immerhin der Bruder von Marie-Antoinette, der französischen Königin, deren Gatte Ludwig XVI. den Tollen Tag verboten 20 hatte: Da könne man ja gleich die Bastille einreißen, hatte er in selten prophetischer Klarheit ausgerufen. Die leichtsinnige Marie-Antoinette fand jedoch Spaß an diesen Komödien, die mit dem Feuer spielten, und setzte 1784 auch die Uraufführung des Tollen Tags durch. Nun konnte der österreichische Reformkaiser dem geschätzten Mozart das Stück schwer abschlagen. Der machte sich mit Lorenzo da Ponte im Herbst 1785 an die Arbeit, die beiden schafften im Frühjahr den Marsch durch die Zensur und am 1. Mai 1786 konnte in einer Atmosphäre der größten Spannung die Uraufführung von Le nozze di Figaro in Wien stattfinden. Im Tollen Tag ging Beaumarchais einen entscheidenden Schritt weiter. Nun ist der Graf mit Rosina verheiratet, und zwar schon so lange, dass sie nur noch Gräfin heißt. Figaro ist sein Kammerdiener geworden – mit dem Leben als freier Unternehmer hat es also nicht wirklich geklappt – und will Suzanne, die Kammerzofe der Gräfin, heiraten. Natürlich langweilt sich der Graf in der 21 Ehe und hat so ein Auge auf Suzanne geworfen. Wie sehr auch Suzanne einem Abenteuer nicht abgeneigt ist, bleibt dem jeweiligen Regisseur überlassen. Nachdem ihn seine Verlobte aufgeklärt hat, droht Figaro, er werde dem Grafen schon das Tanzen beibringen – wie sehr er dabei zum Rebellen wird, bleibt wiederum dem jeweiligen Regisseur überlassen. Tatsache ist, dass der Graf in dieser Komödie mit seinen Vorstößen immer ins Leere läuft. Dieser Aristokrat wird gründlich demontiert. Am Ende der Komödie haben nur die Frauen Recht, selbst Figaro bekommt einen Denkzettel, und die Herren müssen sich allesamt bei den Damen entschuldigen. Dies wiederum führt das Stück über das Rebellentum hinaus auf eine höhere humanistische Ebene. Wolfgang Amadeus Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte haben diesen humanen Weg und damit die Frauen insgesamt erheblich gestärkt. Sie interessieren sich nur für wirkliche Menschen, deren Stand ist ihnen herzlich gleichgültig. Ihre Oper Le nozze di Figaro ist vielleicht die vollkom- 22 menste musikalische Komödie. Sie gibt allen Figuren menschliche Tiefe und Mehrschichtigkeit, sie denunziert niemanden, nicht einmal den alten Säufer Antonio, Gärtner und Vater der jungen Barbarina. Die geniale Struktur der Komödie des Beaumarchais hat auch Mozart zu ganz neuartigen musikalischen Strukturen inspiriert. Das Nummernschema der Buffa-Oper wird aufgebrochen und neu vernäht. In diesen Übergängen liegen die spannendsten Neuerungen. Große Ensembles beschließen den zweiten wie den vierten Akt und beschleunigen die Ver- und Entwicklungen enorm. Die konservativen Kreise Wiens haben das alles misstrauisch beäugt und ihrerseits intrigant bekämpft. Nach der 3. Vorstellung verbot der Kaiser, Arien zu wiederholen, um die Aufführungsdauer herabzudrücken, und schließlich verschwand das Stück ganz aus dem Spielplan der Hofoper, um Martín y Solers Cosa rara Platz zu machen. Erst die Prager Aufführung von 1786/87 setzte die Oper im Repertoire durch. 23 Dirigent Cornelius Meister Cornelius Meister studierte Klavier und Dirigieren in seiner Geburtsstadt Hannover bei Konrad Meister, Zvi Meniker, Martin Brauß und Eiji Oue sowie in Salzburg bei Dennis Russell Davies und Karl Kamper. 1996 gewann er den 1. Preis beim Südwestdeutschen Kammermusikwettbewerb, 1998 den Radeberger Förderpreis und den Publikumspreis des Schleswig-Holstein Musik Festival und 2000 den Preis der Deutschen Stiftung Musikleben beim Deutschen Musikwett- 24 bewerb. 2006 wurde er als einziger Dirigent unter Deutschlands „100 Köpfe von morgen“ gewählt. 2001 wurde Cornelius Meister Assistent des GMD am Theater Erfurt, im darauf folgenden Jahr debütierte er an der Hamburgischen Staatsoper. 2003 gab er sein Debüt an der Staatsoper Hannover, der er als Kapellmeister bis zum Jahre 2005 verbunden blieb. Als Gast dirigiert Cornelius Meister u. a. an der Hamburgischen, Bayerischen und Stuttgarter Staatsoper, den Opernhäusern Leipzig, Köln und Tokio, an der Komischen Oper Berlin, im Wiener Musikverein sowie demnächst an der Opéra National in Paris. Darüber hinaus tritt er regelmäßig als Pianist auf und ist Duopartner von Clemens Trautmann (Klarinette). Seit September 2005 ist der jetzt 27-jährige Cornelius Meister jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands am Theater und Philharmonischen Orchester der Stadt Heidelberg. Sein Konzertprogramm für die Saison 2006_07 wurde vom Verband der Musikverleger als „bestes Konzertprogramm“ ausgezeichnet. 25 Regie Aron Stiehl Aron Stiehl wurde in Wiesbaden geboren. Er studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg unter der Leitung von Götz Friedrich das Fach Musiktheater-Regie, das er mit Auszeichnung abschloß. Von 1996 bis 2001 war er als Spielleiter an der Bayerischen Staatsoper engagiert, wo er 2001 Dido und Aeneas von Henry Purcell und 2005 Medusa von Arnaldo di Felice ein Auftragswerk der Staatsoper, inszenierte. 26 Seit 2001 wohnt Aron Stiehl in Berlin und ist freiberuflich tätig. Er inszenierte beim Tollwood-Festival in München (Die Zauberflöte), im Münchner Gasteig (Cosi fan tutte) und an den Stadttheatern Passau (Die lustige Witwe, Der Vetter aus Dingsda), Halberstadt (Orpheus in der Unterwelt), Coburg (Im Weißen Rößl, Der Vogelhändler), Görlitz (UA Bahnwärter Thiel, UA Fürst Pückler), Bielefeld (Jenufa), St. Gallen (Zar und Zimmermann, Lady Macbeth von Mzensk), Staatstheater Oldenburg (Hello, Dolly!), Kammeroper Hamburg (Undine von E.T.A. Hoffmann) und am Theater Erfurt (UA Wut von Andrea Scartazzini). In den nächsten Spielzeiten wird er in Meiningen (Il Trovatore) und Flensburg (Der Zigeunerbaron) arbeiten. Geplant ist ebenso eine szenische Aufführung der Entführung aus dem Serail in Tel Aviv mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta. 27 Bühne Jürgen Franz Kirner Musiktheater und Tanz u. a. in Berlin, Hamburg, Amsterdam, Salzburg und Wien tätig. Er stattete u. a. Massenets Werther am Theater Krefeld und die Uraufführungen mehrerer zeitgenössischer Ballette von Kevin O´Day am Nationaltheater Mannheim aus. Lebt und arbeitet in Berlin als freier Mit Aron Stiehl verbindet ihn eine langjäh- Bühnen und Kostümbildner. Er studierte rige Zusammenarbeit, u. a. mit Schosta- Visuelle Kommunikation und Bühnen- kowitschs Lady Macbeth von Mzensk am bild in Kassel, Hamburg und Berlin und Theater St.Gallen sowie der Uraufführung assistierte u. a. Florian Etti und Robert Medusa an der Bayerischen Staatsoper Wilson. Seit 1999 ist er für Schauspiel München. 28 Kostüme Viola Schütze FHTW in Berlin war sie Kostümassistentin an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, am Nationaltheater Weimar und bei diversen Filmen. Sie entwarf das Kostümbild für den Kinofilm Gomez - Kopf oder Zahl von Edward Berger und war Leiterin der Kostümabteilung Viola Schütze stammt aus Potsdam-Ba- an den Theatern von Stendal, Detmold, belsberg und machte eine Maßschneider- Rostock und Krefeld/Mönchengladbach. ausbildung im DEFA-Studio für Spielfime. Sie entwarf u. a. Kostüme für Tosca und Nach einem Studium der Kostüm- und Jesus Christ Superstar. Seit der Spiezeit Modegestaltung an der Hochschule für 06_07 leitet sie die Kostümabteilung des Bildende Künste in Dresden und an der Heidelberger Theaters. 29 Choreographie Francisco Sanchez dung zu vollenden. Bei Engagements in Karlsruhe, Nürnberg, Kapstadt, Düsseldorf und Krefeld arbeitete er mit Choreographen wie Hans van Manen, Erich Walter, Uwe Scholz, Heinz Spoerli und Marvin Smith. Von 1995 bis 2004 war er am Berliner Friedrichstadtpalast engagiert, Francisco Sanchez stammt aus Zürich, wo nebenbei studierte er Choreographie bei er zuerst Eiskunstlauf und dann Ballett Dietmar Seyffert. Neben eigenen Cho- lernte, das er dann professionell bei der reographien schuf er choreographische Bosl-Stiftung in München studierte. Ein Bewegungen in Opern- und Operetten- Stipendium der Stadt Zürich und eines der inszenierungen verschiedener Regisseure, Migros-Stiftung halfen ihm, seine Ausbil- darunter Aron Stiehl. 30 Marcellina Carolyn Frank fort. Von 1979 bis 1983 war Carolyn Frank als Mezzosopranistin am Staatstheater Saarbrücken engagiert. Seit 1986 ist sie Solistin in Heidelberg. Außerdem tritt sie als Konzert- und Oratoriensängerin auf. Am Heidelberger Theater ist sie in dieser Spielzeit als Suzuki in Giacomo Puccinis Carolyn Frank wurde in Georgia / USA Oper Madama Butterfly und Venus in geboren. Nachdem sie am Converse Paul Linckes Operette Frau Luna zu College in South Carolina ihr Bachelor of erleben. Music-Diplom mit Auszeichnung erworben hatte, setzte sie ihre Studien am Curtis Institute of Music in Philadelphia 31 Graf Sebastian Geyer Robert-Saar-Gesangswettbewerbs 1998 in Bad Kissingen, des Mozart-Fest-Gesangswettbewerbs 2002 in Würzburg und des Internationalen Gesangswettbewerbs der Kammeroper Schloss Rheinsberg 2002 und 2003. Engagements führten ihn nach Baden-Baden, an die Staatsoper Stuttgart Geboren in Ulm, erhielt Sebastian Geyer und das Stadttheater Gießen. In Heidel- seine Gesangsausbildung an der Hoch- berg singt er die Titelrolle in der gefei- schule für Musik in Würzburg, anschlie- erten Don Giovanni-Inszenierung von ßend an der Opernschule in Mannheim Sandra Leupold. Seit 2006_07 ist er festes und der Universität Mainz. Er ist Preis- Ensemblemitglied. träger mehrerer Wettbewerbe, u. a. des 32 Gräfin Larissa Krokhina in Karlsruhe. Anschließende Engagements führten die junge Sopranistin nach Colmar, Bruchsal, Dortmund, Bremen, Hamburg, Karlsruhe und nach Japan. Seit der Spielzeit 05_06 ist sie Ensemblemitglied am Theater und Philharmonischen Orchester der Stadt Heidelberg, wo sie Geboren 1974 in Kurgan in Russland, zur Zeit auch als Donna Elvira in Mozarts studierte sie von 1994 bis 2000 Gesang an Don Giovanni, Cio Cio San in Puccinis der Chorkunstakademie in Moskau. Ein Madama Butterfly und als Frau Luna in DAAD Stipendium ermöglichte ihr weitere Paul Linckes gleichnamiger Operette zu Studien an der Staatlichen Hochschule für erleben ist. Musik und am Institut für Musiktheater 33 Cherubino Jana Kurucová beta Bukoveczka auf den Operngesang zu spezialisieren. Im Jahr 2003 wechselte sie an die Universität für Musik und Darstellenden Kunst Graz zu Prof. Agathe Kania und Prof. Gottfried Hornik. In der Saison 2005_06 war sie als Mitglied des Jungen Ensembles an der Bayerischen Staats- Jana Kurucová wurde 1982 in Kezmarok oper Münschen engagiert. Seit dieser in der Slowakei geboren und studierte Saison ist sie Ensemblemitglied in Hei- zunächst am Konservatorium von Banska delberg. Bei den Schlossfestspielen wird Bystrica Orgelspiel, Chorleitung und sie die Rosina in Gioacchino Rossinis Der Operngesang, um sich ab 2001 am Kon- Barbier von Sevilla verkörpern. servatorium von Bratislava bei Prof. Alz- 34 Gräfin Maraile Lichdi Würzburg. Ihr Operndebüt gab sie 1998 am Staatstheater Stuttgart als Solistin in Al gran sole carico d’amore von Luigi Nono unter Lothar Zagrosek. Des Weiteren sang sie unter Kwamé Ryan, Roland Kluttig, Alexander Rumpf, Roland Böer und Paolo Carignani. Seit 2000 ist Maraile Aus Schwaigern bei Heilbronn stammend, Lichdi als Ensemblemitglied am Heidel- studierte Maraile Lichdi Gesang bei Maria berger Theater engagiert, wo sie zur Zeit Venuti, Charlotte Lehmann, Hilde Zadek auch als Donna Anna im Don Giovanni und Carmen Duran sowie Musik-Kinäs- und als Frau Luna in Paul Linckes gleich- thesie bei Dr. Ernst Huber-Contwig. 1999 namiger Operette zu sehen ist. machte sie ihren Diplomabschluss in 35 Basilio Winfrid Mikus Heidelberg. Ab 1991 ist er am Theater der Stadt Heidelberg als Spieltenor, ab 2002 als Charaktertenor und jugendlicher Heldentenor engagiert. Gastspiele führten ihn an Opernhäuser u. a. in Hamburg, Berlin (Komische Oper), Stuttgart, Frankfurt, Köln, Zürich. Er wirkte mit bei Festspie- Geboren in Paderborn, bekam er seine len, Konzertreisen ins europäische Aus- erste musikalische Ausbildung im land sowie nach Israel, USA und Japan. In Knabenchor Hannover bei Prof. Heinz dieser Saison ist er u. a. als Goro in Puc- Hennig. Ersten Gesangsunterricht erhielt cinis Madama Butterfly und Versucher in er von Peter Sefcik und von Prof. Naan Brittens Der verlorene Sohn zu erleben. Pöld. Seit 2002 lernt er bei Ute Hornung in 36 Susanna Silke Schwarz Paula-Salomon-Lindberg-Wettbewerb und beim Würzburger Mozartfestwettbewerb 2002 erhielt sie den 1. Platz. Gastspiele führten sie nach Halle, Baden-Baden, Freiburg, Bern, das Mozartfest Würzburg, das Schleswig-Holstein-Festival sowie in die Türkei, Polen, Russland, Frankreich Ab 1999 studierte sie Gesang an der und Spanien. Seit 2005_06 ist sie Ensem- Hochschule für Musik in Freiburg. Die blemitglied am Heidelberger Theater. In Sopranistin ist u. a. Preisträgerin des dieser Spielzeit ist sie u. a. als Marie in Bruno-Frey-Preises, des Förderpreises Linckes Frau Luna, Zerlina in Mozarts beim 53. ARD-Wettbewerb und des Don Giovanni und Rosina in Rossinis Il Europäischen Kulturförderpreises. Beim barbiere di Siviglia zu erleben. 37 Bartolo Wilfried Staber burg. Daneben ist er als Oratorien- und Liedsänger tätig. Er war 2003 Finalist beim 4. Internationalen Wagnerstimmenwettbewerb in Bayreuth und im Januar 2004 Preisträger beim Francisco-VinasGesangs-wettbewerb in Barcelona. Seit der Spielzeit 04_05 ist Wilfried Staber Nach dem Gesangsstudium an der Mitglied des Opernensembles am Heidel- Universität für Musik und Darstellende berger Theater, wo er auch als Masetto Kunst in Graz und an der Hochschule für in Mozarts Don Giovanni und bei den Musik und Theater in München folgten Schlossfestspielen 07 als Basilio in Rossi- Verpflichtungen zu Opernproduktionen nis Der Barbier von Sevilla zu sehen ist. in Graz, München, Andechs und Regens- 38 Figaro Gabriel Urrutia Benet Universität der Künste abschloss. Erste Engagements führten ihn zur Kammeroper Schloss Rheinsberg und nach Berlin. In Heidelberg ist er als Ensemblemitglied zur Zeit u. a. als Leporello inMozarts Don Giovanni, als Sharpless in Puccinis Madama Butterfly und bei den Schloss- Geboren 1976 in Valencia (Spanien). festspielen 07 als Bartolo in Rossinis Il Nach einem Gitarren-, Klavier- und barbiere di Siviglia zu sehen. Kompositionsstudium am Conservatorio Elemental de Musica de Valencia begann er sein Gesangsstudium, das er nach Anfängen in Valencia 2004 an der Berliner 39 Antonio Philipp Stelz stammt aus Osnabrück. Er besuchte Meisterkurse bei Peter Anton Ling und Kurt Widmer. Von 1996 bis 2002 war er Mitglied des Jungen Vokalensembles Hannover. Er wirkte in mehreren Aufführungen der Festwochen Herrenhausen mit. Seit 04_05 singt er im Heidelberger Opernchor. Barbarina Ulrike Machill führten Konzertreisen nach Hamburg und Lübeck und sie wirkte bei verschiedenen Musiksendungen des ZDF mit, so auch bei den populären Sonntagskonzerten. Seit 1989 ist sie im Heidelberger Opernchor, wo sie auch immer wieder Solopartien übernimmt - zuletzt die Stella in Paul Linckes Frau Luna. 40 Eine Frau Elena Trobisch sang bereits als Kind in den Kinderchören der Dresdner Semperoper und der Komischen Oper Berlin. Nach ihrer Gesangsausbildung an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin sang sie in den Chören der Theater in Eisenach, Leipzig und Franfurt/Oder. Seit 1998 singt sie im Heidelberger Opernchor. Eine Frau Claudia Schumacher absolvierte ihre Gesangsausbildung an der Musikhochschule Maastricht. Sie nahm an Meisterkursen von Inge Borkh, Ingeborg Hallstein, Hans Hotter, Sena Jurinac, Robert Holl, Nelly Miricioiu und Francisco Araiza teil. Zur Zeit singt sie im Opernchor des Heidelberger Theaters. 41 Hintergrund v Das Lebensdrama des wahren Menschen Von Georgi W. Tschitscherin Der jähe Umbruch zu auswegloser Finsternis und Dominanz des Schmerzes geschah zwischen Figaro und Don Giovanni. Wenn Idomeneo und der Entführung aus dem Serail noch gewisse Spuren französischer und italienischer Einflüsse anhaften, so hat sich im Figaro der Genius Mozart endgültig von ihnen frei gemacht und steht nun im vollen Glanz seiner unverwechselbaren Persönlichkeit vor uns. Figaro wird von einigen Kommentatoren noch über den Don Giovanni gestellt, weil dort Menschen aus dem Leben agieren, während der Don Giovanni geprägt ist von übermenschlichen Dimensionen, alles ins 42 Kolossale gesteigert wird und wilde, wahnsinnsgepeitschte Leidenschaften toben. Doch Mozarts psychologischer Realismus wirkt überall, bei ihm finden sich stets die an Shakespeare erinnernde Vielfalt und Mannigfaltigkeit der Charaktere, immer auch die wahrheitsgetreue Abbildung des lebendigen Menschen, die lebendige Psychologie echter Menschen, und was er auch komponierte: «Er konnte nur Menschen schildern, menschlich bis in die Urtriebe hinein», selbst wenn es sich um die Königin der Nacht oder um Papageno handelt. Etliche erblicken im «Figaro» das reinste Musterbeispiel für die Darstellung lebensvoller Gestalten. Leopold Schmidt schreibt dazu in seinem Mozart-Büchlein: «Je mehr daher eine Zeit in der Gattung der Oper hauptsächlich ein dramatisches Kunstwerk sieht, um so höher wird sie den Figaro über den Don Giovanni stellen müssen.» Und er fährt fort, niemals wieder, weder vor noch nach Figaro, habe es eine so unendlich reiche und gründliche Individualisierung der Charaktere unter steter Wahrung der stilistischen Einheitlichkeit gegeben. «Mit Recht ist 43 oft darauf hingewiesen worden, dass Mozart durch die psychologische Vertiefung und Verinnerlichung des dramatischen Vorwurfes, durch lebensvollen, künstlerischen Realismus wie durch eine stupende Beherrschung des Ensembles in seinem Figaro die heitere Spieloper auf einen nie wieder erreichten Höhepunkt gehoben hat», schreibt Paumgartner * und fügt hinzu: «...Don Giovanni und die Zauberflöte lassen den Blick von derselben strahlenden Bergeshöhe dramatischer Kunst in die Ferne schweifen. Nur nach anderen Regionen, nach dunklen Felszacken tragischer Dämonie und über die seligen Gefilde mystischer Verklärung.» Das aber ist psychologischer Realismus im Sinne Shakespeares und geht weit über ein Alltagsdrama hinaus. Wie Abert ** betont, galten Mozarts «künstlerische Absichten ganz anderen Zielen als einem zeitgenössischen Sittenspiegel als * Bernhard Paumgartner: Leiter des Salzburger Mozarteums und Mozart-Biograph (1927) ** Hermann Abert: Mozart-Biograph (1919) 44 solchem». Abert stellt in seiner Studie fest, dass es dem Komponisten weit mehr um psychologische Wahrhaftigkeit, Vertiefung der Charaktere und der geschaffenen Situationen als um die Fabel selbst ging und dass Mozart unter eben diesem Gesichtspunkt auch seine Libretti gewählt und behandelt hat. Der Romantiker E. T. A. Hoffmann sieht in Figaro eine Art Schauspiel mit Gesang und stellt damit die Bedeutung seines Textbuches heraus. Für Lert ist die Oper ein musikalisches Lustspiel und gerät so in die Nähe zu den psychologischen Komödien. Figaro lieferte Mozart die gewünschte Galerie von Charakteren und gab ihm Gelegenheit, die Individualitäten und Situationen zu vertiefen. Die Wahl des Stoffes geschah durch Mozart selbst und war ein echtes Wagnis sowohl in politischer Sicht (Beaumarchais stand in Österreich auf dem Index) als auch unter künstlerischem Aspekt, denn es galt als völliges Novum, statt der üblichen Libretti als Textvorlage ein bedeutendes Werk der Weltliteratur zu nehmen. Napoleon sah in Beaumarchais‘ Komödie ein Stück Revolution: 45 «Die Revolution ist schon im Gange.» Abert kommentiert: «Dadurch ist sein Werk für uns Moderne tatsächlich zum wichtigsten literarischen Sturmvogel der Revolution geworden.» Wir haben es hier mit einem unsterblichen, menschheitsgeschichtlich bedeutsamen Werk der Weltliteratur zu tun. Von den drei Teilen der Bühnentrilogie besitzt gerade Le nozze di Figaro unmittelbare politische und gesellschaftliche Brisanz, während diese Bezüge in den anderen beiden Teilen nur indirekt zum Ausdruck kommen. Jene revolutionäre Bedeutung unterstreicht auch W. Fritsche in seinem «Abriss der Entwicklung der westeuropäischen Literaturen». Mozart war gezwungen, die politischen Tiraden des Figaro auszulassen, weil Joseph II. die Oper sonst natürlich nicht hätte aufführen lassen, es kostete auch so schon Mühe genug, die Lizenz von ihm zu erhalten, aber insgesamt war der Inhalt eines solchen Kunstwerkes schwerlich zu entstellen, ebenso wie auch noch etliches von dem ursprünglichen Intrigenspiel erhalten blieb. Immerhin nennt Storoshenko («Abriss der Geschichte der westeuropäischen Literatur») 46 den französischen Dramatiker einen «genialen Vertreter der Intrigenkomödie». Allerdings finden wir weder im Sujet noch in der Musik irgendwelche Italienismen. Die Titelgestalt ist ein Kind des Sturm und Drang. So lesen wir bei Paumgartner: «Dieser Figaro ist keine gefällige Type der Buffa mehr, sondern eine echte Figur des Sturmes und Dranges. Trotz Vermeidung jeder politischen Anspielung kommt er dem revolutionären Urbilde des Beaumarchais sehr nahe.» Und Abert meint zum ersten Finale der Oper: «Das ist so unitalienisch wie nur möglich.» Er weist aber auch darauf hin, dass die von der Liebe zum Leben und zu den Menschen merkwürdig durchwärmte Ironie des Figaro den «Italienern bis auf den heutigen Tag unverständlich geblieben ist». In seinem geschichtlichen Abriss der Buffo-Oper führt Abert im Hinblick auf Paisiello aus, dass Mozart dessen Kunstfertigkeit auf dem Gebiet der Buffa nicht erreichen konnte, weil das nicht seine Domäne war, und erst Rossini habe diese Kunst dann weiterentwickelt (apropos Rossini: In seinem Barbier hat er Beaumarchais eindeu- 47 tig italienisiert; Mozarts Figaro und Rossinis Barbier sind der vollkommenste Gegensatz, der größte Kontrast, den man sich denken kann). Die Aufgabe Mozarts lautete ganz anders, lag auf einem anderen Gebiet, nicht in der Opera buffa. In seine universale Stilsynthese fanden auch italienische Elemente Eingang, aber sie kamen völlig verändert und umgeschmolzen wieder zurück. Hören wir dazu Hermann Abert selbst: «Erreicht oder gar überboten hat dagegen Mozart diese echte Buffokunst seines Vorgängers auf diesem Gebiete nicht, das war erst Rossini beschieden. Es geht nicht an, Mozart einen Lorbeer aufzudrängen, der ihm nicht gebührt und nach dem er in seinen reifen Werken auch nicht gestrebt hat. Sein dramatisches Kunstwerk ruhte auf anderen Grundlagen; die zahlreichen Bausteine, die ihm die Italiener, dazu liefern konnten, nahm er willig, doch nicht ohne Kritik hin, aber das Gebäude, das er damit errichtete, sah ganz anders aus als der kecke und luftige Bau der italienischen opera buffa. 48 Die Kluft, welche Mozarts Musikdrama von der italienischen Buffa trennt, wird offenkundig, wenn wir Figaro mit der Vielgestaltigkeit und inneren Mannigfaltigkeit seiner realen Figuren neben Rossinis Barbier und dessen Karikaturen von Menschen stellen. Im Figaro bewährt sich Mozart als großartiger Meister der musikalischen Charakterzeichnung. Noch zur Partie des Osmin aus der Entführung hatte Abert geschrieben: «Mozart kennt überhaupt keine Komik im älteren Sinne mehr. Es war wohl seine größte geistige Tat, dass er die Oper von dem künstlerischen Gegensatz verstiegener Heroendarstellung und nicht minder unwahrer komischer Verzerrung befreite und für Tragik und Komik auf die letzte Quelle, das menschliche Leben selbst, zurückging. Er ist der größte Realist des musikalischen Dramas, seine Gestalten stehen ausschließlich auf dem Boden der Wirklichkeit und sind allein auf sie bezogen. Er hat damit die Kenntnis vom Menschen, soweit es das musikalische Drama betrifft, ganz ungeheuer erweitert, indem er Tragik und Komik in ganz eigentümlicher Weise verschmolz 49 und das Niederste dem Höchsten zugesellte». Darum nennt man Mozart einen «Zersprenger der Gattungen»: Er hat die Formen von Seria und Buffa aufgesprengt, weil er an ihre Stelle das Lebensdrama des wahren Menschen gesetzt hatte. Mozarts Weltbild, sein Weltempfinden sind äußerst problematisch und erfassen alle denkbaren Widersprüche, und als ein ebensolches Knäuel von Widersprüchen sieht er jetzt jeden lebendigen Charakter: Jeder ist für sich problematisch. Darin liegt Mozarts Lebensweisheit, und gerade diese Erkenntnis bringt ihn in die Nähe zum Roman des 19.Jahrhunderts, besonders zu Balzac oder gar Dostojewski. Der Wesenskern der Mozart-Oper liegt in ihrem psychologischen Wahrheitsgehalt, nicht in der äußeren Illusion, und die gleiche Parole haben sich die jüngsten Gruppierungen unter den Komponisten auf ihre Fahnen geschrieben: nicht länger die Illusionsoper vom Typ Wagner, welche die schöpferische Bewegungsfreiheit beschneidet, sondern die Spieloper (freilich im Sinne nicht eines heiteren Treibens, sondern echten Schauspiels), wo 50 keine äußerlichen Illusionen angestrebt werden und das Schaffen grenzenlose Freizügigkeit genießt. «Es gilt, formelhaft gesprochen, in der Oper Mozarts nicht nur die geniale Musiker-, sondern gerade die geniale Künstlernatur zu erkennen», fordert Paul Bekker auf. Nicht nur Mozart als Musiker, sondern was das Wichtigste ist, Mozart als Konzeption, als Typ des Bühnenschaffens; so lautet hier und heute die wesentlichste Aufgabenstellung. Otto Jahn gebührt das Verdienst, mit ungewöhnlicher Sorgfalt und bewundernswertem Einfühlungsvermögen die Charaktere des Figaro analysiert zu haben mit all ihren inneren Widersprüchen in jeder Situation, auf jeder Handlungsstufe. Die gesamte spätere Mozart-Literatur fußt auf dieser kapitalen Analyse. Abert fügt ihr eine ausführliche Untersuchung darüber bei, wie sich diese komplexe, tieflotende Psychologie in der Orchesterpartitur niederschlägt. Mersmann verweilt speziell bei der psychologischen Auffächerung in den instrumentalen Vorspielen zu den einzelnen Arien, beispielsweise zur Arie der Gräfin: «Wie reich ist das Bild 51 der Gräfin, welches die sechzehn Einleitungstakte der Cavatine am Anfang des zweiten Aktes des Figaro enthüllen: Aus der gebundenen, feierlichen Hoheit der ersten beiden Takte wächst die schwellende, warme Melodik der folgenden. Die Elemente sammeln sich, gleiten aber sofort wieder ab, binden sich von neuem und sinken diesmal noch tiefer zurück, bis in die verstörten, fragenden Synkopen mit dem Schluss in c-Moll. Da drängen noch einmal alle Kräfte in schärfster rhythmischer Bindung aufwärts; in ihr letztes Entgleiten setzt die Singstimme ein. Das ist das Bild des ringenden Menschen, wie er am Anfang des Dramas vor uns steht, von hohem Wesen und heißem Herzen, schwankend zwischen Resignation und leidenschaftlichem Begehren. Bis zu welchem Grad Mozart in dieser Oper die Psyche der dargestellten Personen gleichsam bloßlegt, weist Abert am Beispiel der ersten Arie des Cherubino nach: «Dieses unbestimmte heiße Sehnen nimmt wohl immer wieder Anläufe zu voller Entladung der Leidenschaft und träumt sich auch gelegentlich in Glück und Seligkeit hinein, 52 aber dann reißt den Knaben der Strom der Gefühle wieder unaufhaltsam fort, neuen Zielen zu, die ihm freilich ebenso wenig festen Boden gewähren. Mozart ist gerade einem solchen Seelenzustand gegenüber, wo alles flutende Bewegung ist, besonders in seinem Element. Das ist, wie etwa die berühmte Arie Don Giovannis oder Taminos Bildnisarie, keine musikalische Schilderung oder Nachahmung, eines bestimmten natürlichen Zustandes mehr, sondern selbst ein Stück elementarster Natur, das sich mit all seiner schillernden Bewegung unmittelbar in Töne umsingt.» Auch hier brechen aus der menschlichen Persönlichkeit, ausgelöst durch ihre tiefschürfende Darstellung, wahre Urgewalten hervor und jenes Kosmosgefühl - in der spontanen Leidenschaft der verwirrten Gefühle des Cherubino verbirgt sich eine abgründige, amorphe Naturmacht, und wir denken an die Worte Fjodor Tjutschews: «Nicht singe mir dies grause Lied, in dem uraltes Chaos brodelt.» Ich sage noch einmal: Figaro ist alles andere als italienische Musik, und darum konnte diese Oper in Italien auch nie Erfolg haben. 53 Impressum Nachweise Herausgeber: Theater und Philharmonisches Die Texte von Aron Stiehl und Bernd Feuchtner Orchester der Stadt Heidelberg sind Originalbeiträge für dieses Heft. Der Text Das Intendant: Peter Spuhler Lebensdrama des wahren Menschen von Georgi Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp W. Tschitscherin ist seinem Buch Mozart: Eine Redaktion: Bernd Feuchtner Studie (Rowohlt Reinbek 1987) entnommen. Gestaltung: Danica Schlosser Herstellung: abc druck GmbH, Heidelberg Wenn wir trotz unserer Bemühungen Rechte- Anzeigen: Greilich / Neutard inhaber übersehen haben sollten, bitten wir um Nachricht. Internet: www.theaterheidelberg.de Theater und Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg 2006_07, Programmheft Nr. 16 RECHTSANW Ä LT E Dr. Klaus Zimmermann Wirtschafts- u. Technologierecht Gesellschaftsrecht Eberhard Gretz Vertragsrecht, Technologierecht Bau-, Immobilien- u. Mietrecht Gerda Trautmann-Dadnia Fachanwältin für Familienrecht a. Erb-, Miet- u. Int. Privatrecht Tim Bäuerle, LL. M. Int. u. Nat. Vertragsrecht Produkthaftungs- u. Gesellschaftsrecht Tel 50 25 60 · Fax 50 25 610 www.zimmermann-kollegen.de Weberstr. 2 · 69120 · Heidelberg Ihr Partner für Umwelt und Bauen Projektmanagement Schadstoffsanierung Boden - Grundwasser - Gebäude Gebäuderückbau und Entsorgung Risikobewertung, Gutachten Festpreislösungen Internet: www.arcadis.de E-Mail: m.kessel @arcadis.de Telefon: 07 21 / 9 85 80 - 15 Infrastruktur, Umwelt, Bauwerke In einer erfolgreichen Partnerschaft ist es wichtig, zuhören zu können. Als führende Regionalbank kennen wir Land und Leute und sind im wahrsten Sinne des Wortes nah dran. Durch die Leistungsverflechtung mit der international agierenden LBBW können Sie auch von unserer gebündelten Kompetenz profitieren. Wir bieten fundiertes Research sowie ausgezeichnete Beratung und erreichen mit innovativen Lösungen ein Höchstmaß an nachgewiesener Kundenzufriedenheit. Lernen Sie uns kennen: bei einem persönlichen Gespräch ganz in Ihrer Nähe oder im Internet unter www.bw-bank.de Baden-Württembergische Bank. 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