Erfahrungsbericht: Erasmus-Semester in Groningen (WS 2011/2012)
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Erfahrungsbericht: Erasmus-Semester in Groningen (WS 2011/2012)
Erfahrungsbericht: Erasmus-Semester in Groningen (WS 2011/2012) Name: Studiengang: Benjamin Schmidt Wirtschaftswissenschaften Vorbereitung Nachdem ich mich über das Erasmusprogramm erfolgreich für ein Auslandssemester an der Universität Groningen beworben hatte, mussten zunächst einige Vorbereitungen getroffen werden, um einen erfolgreichen Semesterstart zu garantieren. Als erstes sollte ich mich über einen per Mail zugesandten Link an der Rijksuniversiteit registrieren und einige Unterlagen an das Exchange Office schicken, u.a. eine Kopie meines Ausweises, 2 Passfotos für den Studentenausweis und einen Nachweis meiner Englischkenntnisse. Als Nachweis diente eine Bestätigung vom International Office in Würzburg, welche erklärte, dass meine Sprachkenntnisse ausreichend sind. Allerdings weiß ich nicht, ob dies in Zukunft auch noch so sein wird, da die Uni Groningen i.d.R. einen IELTS-Test oder ähnliches verlangt. Hierzu findet man Informationen unter folgendem Link: http://www.rug.nl/feb/Informatievoor/exchangestudents/EnglishProficiency. Nachdem ich all diese Unterlagen verschickt hatte, bekam ich einen „Letter of Acceptance“ der erklärte, dass ich im folgenden Semester an der Universität Groningen studieren werde. Nun musste ich an der Uni Würzburg mein Urlaubssemester beantragen und mich natürlich um eine Wohnung in Groningen kümmern. Unterkunft Mein Zimmer in einem Wohnheim habe ich über das sog. „Housing Office“ bekommen, das für die Verwaltung der Wohnheime zuständig ist und Bewerber auch an private Anbieter weiter vermittelt sofern in den eigenen Heimen kein Platz mehr vorhanden ist. Die Bewerbung spielt sich dabei folgendermaßen ab: Zuerst muss ein Bewerbungsformular online ausgefüllt werden. Anschließend wird geprüft, ob man tatsächlich an der Uni Groningen für das kommende Semester eingeschrieben ist, daher ist es äußert wichtig vorher alle Voraussetzungen der Uni erfüllt und bereits den „Letter of Acceptance“ erhalten zu haben. Daraufhin muss man insgesamt 675€ an das Housing Office überweisen, davon sind 300€ Bearbeitungsgebühren und 375€ umfasst die Kaution, die man nach Beendigung des Mietverhältnisses wieder zurückbekommt. Außerdem besteht die Möglichkeit das erste vorgeschlagene Zimmer abzulehnen, allerdings muss der zweite Vorschlag dann angenommen werden, andernfalls wird der Suchauftrag als hinfällig betrachtet und man muss sich selbst nach einem Zimmer umschauen. Ich wurde an den Vermieter eines privaten Wohnheimes weitergeleitet, das sog. „Goethe Huis“. Dieses Wohnheim wurde erst zum Wintersemester 2011/2012 eröffnet, was den Vorteil hatte, dass die Einrichtung der Zimmer noch unbenutzt war. Allerdings muss ich trotzdem eher davon abraten dort ein Zimmer zu mieten, da der allgemeine Zustand des Hauses doch sehr zu wünschen übrig lässt und gleichzeitig sehr hohe Mieten verlangt werden. So musste ich für 18 m² 395€ monatlich zahlen, die Duschen und WC’s werden gemeinschaftlich genutzt, sind sehr alt und wurden nicht renoviert. In manchen Zimmern gab es darüber hinaus erhebliche Mängel, wie z.B. ein Loch im Fenster, um das sich die Hausverwaltung aber nicht gekümmert hat. Positiv ist dagegen der Gemeinschaftsraum, welcher früher eine Kapelle war, da das Haus ursprünglich einmal ein Kloster war. So befinden sich darin immer noch die Buntglasfenster, was einen ziemlich guten Eindruck macht. Anreise Aufgrund der geographischen Nähe zu Deutschland, entschied ich mich mit dem Zug nach Groningen zu fahren. Dabei fährt man mit dem ICE bis nach Bremen, um anschließend mit zwei unterschiedlichen Regionalbahnen über Leer in Groningen anzukommen. Da meine Anreise durch Gleisarbeiten und Aufräumarbeiten aufgrund eines Sturms etwas chaotisch ausfiel, würde ich die Anreise per Zug nicht mehr unbedingt empfehlen. Ich hatte letztlich zweimal zwei Stunden ungeplanten Aufenthalt, wodurch sich meine Anreise auf zehn Stunden statt sechs Stunden ausdehnte. Etwas bequemer und einfacher ist sicherlich die Anreise per Bus. Hierbei fährt man wiederum mit dem ICE bis nach Bremen und von dort gibt es eine direkte Busverbindung nach Groningen. Nähere Informationen lassen sich auf dieser Internetseite finden: http://www.publicexpress.de/ Studium an der Rijksuniversiteit Groningen Zunächst möchte ich ein paar Details über die Uni selbst darlegen, bevor ich auf die von mir besuchten Kurse zu sprechen komme. Die Universität Groningen ist eine der größten und ältesten Universitäten in den Niederlanden, sie wurde bereits im 17. Jahrhundert gegründet und hat aktuell mehr als 20000 Studenten. Es gibt einerseits einen Campus, den sog. „Zernike Complex“, auf dem beispielsweise die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät angesiedelt ist, andererseits gibt es auch Lehrstühle und Fakultäten die sich in der Innenstadt befinden. Trotz ihrer langen Geschichte ist Universität sehr modern ausgestattet und bietet optimale Lernbedingungen, so besitzt sie u.a. die zweitgrößte Universitätsbibliothek der Niederlande. Außerdem wurden viele Gebäude am Campus kürzlich renoviert oder sogar erst vor 2 Jahren fertig gestellt. Anders als in Deutschland ist das Semester in den Niederlanden noch einmal in zwei Abschnitte („terms“) unterteilt die jeweils ca. 8 Wochen andauern. Es besteht die Möglichkeit sowohl Kurse für 5 ECTS-Punkte zu belegen, die sich nur über einen Term erstrecken, oder aber sich für Kurse im Umfang von 10 ECTS-Punkten zu entscheiden, die dann beide Terms umfassen. Im Anschluss an jeden Kurs gibt es in der Regel eine schriftliche Prüfung, die immer gleich nach dem Semesterabschnitt stattfindet, in dem man den Kurs belegt hat. Allerdings muss man sagen, dass sich das Studiensystem in den Niederlanden in einigen Punkten stark vom deutschen unterscheidet. So ist es in vielen Fächern Pflicht zusätzlich zur Prüfung schon während des Semesters einen oder mehrere Assignments anzufertigen, die sich auch auf die Gesamtnote auswirken. Darüber hinaus wird sehr viel mehr Wert auf Präsentationen und selbstständiges Arbeiten gelegt, so ist es durchaus üblich, dass man für das nächste Tutorium zuhause Aufgaben lösen muss, die dann nur noch grob besprochen werden ohne auf alle Details einzugehen (außer man natürlich Fragen dazu). Allerdings muss man auch sagen, dass bei Weitem nicht jeder Kurs einen Essay oder eine Präsentation verlangt, es gibt auch ganz einfache Vorlesungen, in denen der Leistungsnachweis allein durch die schriftliche Prüfung erfolgt. Ich habe die folgenden vier Kurse während des Wintersemesters 2011/2012 belegt: 1. Public Finance – ein Kurs mit Vorlesung und Tutorien, der die Finanzierung und Investitionen des öffentlichen Haushalts zum Thema hat und u.a. die Wirkungsweisen von verschiedenen Steuerarten untersucht 2. Global Development Studies – dieser Kurs beschäftigt sich mit verschiedenen Theorien, die sich mit der Frage beschäftigen, weshalb in den letzten Jahrhunderten die westlichen Länder und ihre Wertvorstellungen weltweit derart prägend waren. Außerdem werden die Voraussetzungen besprochen, die benötigt werden, um die Entwicklung eines Landes voranzubringen. Dies ist ein sehr anspruchsvoller Kurs, der zwar nur aus einer Vorlesung und Tutorien besteht, aber eine sehr umfangreiche Hintergrundlektüre beinhaltet. 3. Environmental Economics – ein Kurs, der aus einer Vorlesung und dem Anfertigen eines Essays zu einem vorgegebenen Themas besteht. Wie der Name schon sagt, wird im Kursverlauf versucht, ökologische Probleme aus wirtschaftlicher Sicht zu betrachten und Lösungsansätze zu vermitteln, das Ganze wird mit empirischen Beispielen sehr anschaulich dargestellt. 4. International Industrial Economics – dieser Kurs umfasst mikroökonomische Themen, wie Cournot- und Bertrand-Wettbewerb, Stackelberg-Modelle und ähnliches. Er besteht darüber hinaus nur aus Tutorien ohne weitere Vorlesungen, in denen ausschließlich mathematische Modelle gelöst werden. Alltag und Freizeit Schon ein paar Tage nach der Ankunft wird man zwei Dinge feststellen: Groningen ist eine richtige Studentenstadt mit sehr vielen jungen Menschen (und Fahrrädern) und in den Niederlanden ist ein normales Studentenleben sicherlich noch einmal ein Stück teurer als in Deutschland. Als ErasmusStudent besitzt man zwar den Vorteil keine Studiengebühren zahlen zu müssen und zusätzlich noch die Mobilitätsbeihilfe zu beziehen, dennoch ist man schnell bei durchschnittlichen Lebenshaltungskosten zwischen 700€ und 800€ angelangt. Dies liegt vor allem daran, dass in den Niederlanden das Preisniveau für alltägliche Dinge wie Lebensmittel höher liegt als in Deutschland, daher sollte man sich vor dem Aufenthalt einen kleinen finanziellen Spielraum zulegen. Doch nun ein paar allgemeine Tipps zum Leben in Groningen. In dieser Stadt ist das allgemeine Fortbewegungsmittel das Fahrrad, ohne einen eigenen Drahtesel ist man wirklich ziemlich aufgeschmissen und daher sollte dies eines der ersten Dinge sein, die man sich zulegt. Hierbei gibt es mehrere Möglichkeiten: Man kann einerseits ein Fahrrad direkt beim Händler kaufen, allerdings sind diese aufgrund der hohen Nachfrage relativ teuer, oder andererseits versuchen ein Fahrrad privat zu ergattern, dafür empfehle ich die Facebook-Gruppe „For sale in Groningen“ oder alternativ die Facebook-Seite „Bikes in Groningen“. Sollte man außerdem noch Möbel oder ähnliches benötigen, gibt es in Groningen auch einen IKEA. Für den normalen Lebensmitteleinkauf gibt es einerseits die in Deutschland üblichen Discounter wie ALDI, andererseits auch niederländische Ketten wie z.B. „Albert Heijn“. Diese Supermarktkette kann ich sehr empfehlen, da es in jedem Laden eine Backtheke mit einer großen Auswahl an Muffins, Donuts, Baguettes und ähnlichem gibt, darüber hinaus sind die Preise relativ billig, da immer wieder Rabattaktionen („korting“) stattfinden. Für größere Shoppingtouren bietet sich die “Herestraat“ im Stadtzentrum von Groningen an, welche die Haupteinkaufstraße ist. Das Nachtleben in Groningen ist sehr vielfältig und eigentlich sollte für jeden etwas dabei sein. Ein „Muss“ für jeden Austauschstudenten ist ein Besuch im „Drie Gezusters“ einem der größten Pubs Europas. Außerdem sollte man die Einführungswoche des ESN Groningen (Erasmus Student Network) mitmachen, bei der man eine Überblick über das Nachtleben erhält aber auch verschiedene Sport und Kulturangebote wahrnehmen kann. Fazit Groningen ist sicher eine Reise wert und auch ein Auslandssemester lässt sich in dieser Stadt sehr gut verbringen. Die holländische Kultur ist in vielen Dingen der deutschen sehr ähnlich, aber in vielen auch völlig anders, so dass das Semester auf jeden Fall eine Bereicherung für die eigene Erfahrung ist. Darüber hinaus ist die Universität eine der besten Europas, so dass das akademische Niveau sehr anspruchsvoll ist und man auch in dieser Hinsicht viel aus diesem halben Jahr mitnimmt.