Kurzfassung NS klein - Forum Städtli Neunkirch

Transcrição

Kurzfassung NS klein - Forum Städtli Neunkirch
Städtli Neunkirch
am historischen Erbe weiterarbeiten
Den Aussenraum aufwerten
Das Städtli als Begegnungsort
Wohnen im Städtli
Den Aufbruch wagen
Die ersten Schritte
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Auszug aus der Nutzungsstrategie Neunkirch vom
Netzwerk Altstadt, Januar 2014
Vereinigung für Landesplanung VLP-ASPAN
3007 Bern
www.netzwerk-altstadt.ch
Autoren
Paul Dominik Hasler
Martin Eggenberger
Auftraggeber
Forum Städtli Neunkirch
www.forum9k.ch
[email protected]
Gekürzt und aktualisiert von
Heinz Michel, Forum Städtli Neunkirch,
April 2014
Bilder: Netzwerk Altstadt, Sammlung Wessendorf,
Sammlung Sternegg, Forum Städtli Neunkirch
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Die Arbeiten an der Nutzungsstrategie wurden begleitet von:
Michel Heinz, Forum
Baumann Martin, Forum
Biedermann Roger, Forum
Chanson Anne, Forum
Ebnöther Franz, Gemeindepräsident
Friedmann Reto, Forum
Girard Claudia, Forum
Hiltbrunner Hermann, Gemeinderat
Maag Hans Henry, Forum
Müller Hansueli, Gemeinderat
Novelli Daniela, Forum
Pescatore Flurina, Denkmalpflegerin
Pestalozzi Heinrich, Forum
Tödtli Jürg, Forum
Vogel Sigi, Gemeinderat
!
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Die Geisterstadt
Altstadt sagte sich leicht, doch war es nur eine alte
Stadt. Es gab keine neue. Die Ackerbürgerstadt
hatte zwei Jahrhunderte verpasst, das 19. und das
20. Die Überreste der Dunglegine waren das
Denkmal dafür. Die alte Stadt war damals eine AStadt. Hier lebten die Alten, die Armen, die Ausländer und die anonymen Alkoholiker. Selbstverständlich nicht nur, aber doch. Sogar die Gemeindeverwaltung war ausgezogen. Es wohnte kaum noch
jemand von Einfluss und gesellschaftlichem Gewicht
hier. Man müsste eine Karte der damaligen Steuerkraft zeichnen. Sie zeigte, wo das Geld zu Hause
war: Um die alte Stadt herum. Selbst viele ihrer
Verteidiger wohnten im Hüslineunkirch. Ein Gespenst schlich um Neunkirch, das Gespenst der
Verslumung. Bereits standen einige Häuser leer.
wären alle Hüslimenschen die bohrende Frage los
geworden: Was tun mit der alten Stadt?
Leider war sie da und nicht leicht aus der Welt zu
schaffen. Sie verrotten lassen, das erlaubte die protestantische Ethik nicht, die nichts wegwerfen darf.
Eine zerfallende alte Stadt wäre zum Denkmal einer
Niederlage geworden: Neunkirch war nicht im
Stande seine Erbschaft zu erhalten. Trotzdem, die
Vorstellung einer Geisterstadt als romantische Ruine im Klettgau wäre ein Memento mori für die ganze Konsumschweiz gewesen. Man hätte nur einen
Zaun darum herum bauen müssen und eine Inschrift anbringen: Hier Sehen Sie, was geschieht,
wenn Ihr Geld nicht arbeitet.
Auszug aus „Slum oder Schmucktruckli?“ von
Benedikt Loderer, Biel, 19. Oktober 2042
Da machte ich mir unzüchtige Gedanken. Eigentlich
brauchte es die alte Stadt gar nicht mehr. Sie war
nur eine Belastung. Das Hüslineunkirch könnte ohne sie ungestört weiter florieren. Es wäre dann endlich ein von seiner Altlast befreites Agglodorf geworden, wie hunderte im Umkreis. Vermutlich sogar
steuergünstiger. Für die sogenannte Identität würde
die Bergkirche vollkommen ausreichen. Vor allem
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Neunkirch
darf stolz sein auf seine einzigartige Stadtanlage,
auch wenn sie nicht mit Einkaufenden und Gästen
gefüllt ist. Es ist die stille Qualität, die gefällt. Auf
dieser Basis möchte das Forum Städtli Neunkirch
einen stimmigen Weg in die Zukunft zu finden. Damit aber eine Entwicklung stattfinden kann, braucht
es ein gemeinsames Bekenntnis zu diesem besonderen Juwel Altstadt. Nur eine Bevölkerung und
Behördenmitglieder, die diesen Wert erkennen,
können behutsam den heutigen Zustand weiterentwickeln. Da keine akute Not auszumachen ist, besteht die Gefahr, dass man alles beim Alten lässt,
weil es praktisch ist und weil es ja funktioniert. Das
wäre schade. Eine Befreiung aus der langen Lethargie des Untertanenstädtchens wird nötig. Schön
wäre, der visionäre Geist der Stadtgründer im 13.
Jahrhundert würde zurückkehren. Neunkirch könnte
ein Modell werden für ein modernes, stimmungsvolles und verdichtetes Wohnen in historischer
Substanz, das von weit her besucht wird.
Auszug aus der Stadtanalyse vom Netzwerk Altstadt
Oktober 2012
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Seit über dreissig Jahren haben Gruppen von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, haben initiative
Einzelpersonen und auch Hochschulen Vorschläge
und Ideen präsentiert, die alle das Gleiche wollten:
das Städtli und das Leben darin attraktiver gestalten.
Ihre Geschichte zeigt, dass es in Neunkirch nicht an
Projekten und Konzepten mangelt. Es fehlt am Umsetzen. Am gemeinsamen, durch eine Mehrheit gestützten Willen.
Vielleicht haben Lösungsvorschläge heute bessere
Chancen, verwirklicht zu werden, weil die Mängel
und Probleme nun spürbarer geworden sind, als sie
es früher waren.
Das Forum Städtli Neunkirch reiht sich ein in diese
Kette von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Es
greift die bestehenden Vorschläge auf, ergänzt sie
mit eigenen, aktuellen und prüft sie auf ihre Machbarkeit. Dank einem Kredit von Bund, Kanton und
Gemeinde kann der Verein das nötige Fachwissen
beschaffen und die Bewohner über die Arbeitsschritte umfassend orientieren. So hat er das Netzwerk Altstadt mit einer Stadtanalyse und anschliessend mit der Nutzungsstrategie beauftragt und im
November 2013 in einer Ausstellung die Ergebnisse
den Bewohnern vorgestellt.
Die Vorhaben können in vier Handlungsfelder
gegliedert werden.
• Den Aussenraum aufwerten
Parkierung und Wohnlichkeit
Alleen und Gräben
Die Dachlandschaft schonen
Dunglegen
• Das Städtli als Begegnungsort
Die Nebengassen bereichern
Die Vordergasse aufwerten
Den historischen Kern entfalten
Den Detailhandel vernetzen und stärken
Tourismus und Kultur fördern
• Wohnen im Städtli
Das Wohnen im Städtli fördern
Mit der Denkmalpflege zusammenarbeiten
• Den Aufbruch wagen
Die ersten Schritte
Sehr viel hat sich noch nicht verändert
!
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Den Aussenraum aufwerten
Parkierung und Wohnlichkeit
Was tun
"Neunkirch ist der schönste Parkplatz der Schweiz",
kann man gelegentlich hören. Das ist leider nicht
ganz falsch. Diese Luftaufnahme zeigt die heute
bestehenden Stellplätze für Autos. Es sind über 400
Parkplätze und Garagen für rund 400 Bewohner.
Die schleichende Umnutzung des Städtli zu einem
Parkhaus ist schon seit Jahrzehnten ein Thema,
und man wundert sich, warum man den Prozess
nicht gestoppt hat. Im Bericht der Arbeitsgruppe
Städtli von 1981 heisst es: "Erhalten wir unsere romantischen Nebengassen als ursprüngliche, natürliche Wohngassen! Warten wir nicht, bis die letzte
Mistlegiparzelle, der letzte Kiesvorplatz für die Autos
öldicht, glatt und kahl gemacht wird!". Der Aufruf
hatte bekanntlich keine Wirkung.
• Parkierung, Garagierung und Verkehr neu
konzipieren und schrittweise umsetzen.
Dabei:
‣ die Anzahl parkierter Autos im Städtli und
in den Alleen verringern, die Aufreihung
der Parkplätze unterbrechen,
‣ Parkplätze und Garagierungsmöglichkeiten am Städtlirand anbieten,
‣ die Parkplätze bewirtschaften, Mehrfachnutzung Tag - Nacht,
‣ in den Nebengassen Parkflächen nur
noch vor den Scheunentoren erstellen,
nicht mehr vor dem ehemaligen Stall auf
den Dunglegen,
Im Städtli hat es 400 Autoabstellplätze und 400 Bewohner
‣ die Parkierungsdisziplin und -kontrolle
erhöhen.
• Eine Ersatzabgabe einführen, die im Städtli
von der Pflicht befreit, Garagen und Abstellplätze auf privatem Grund zu erstellen.
Parkieren 1922, 1924 u
nd 2013
Die Menge an parkierten Fahrzeugen ist für das
Städtli zur Belastung geworden. Sie haben ihm einen Teil seines ursprünglichen Charmes genommen. Die Umfragen*) und Workshops*) zeigten deutlich, dass ein Umdenken stattgefunden hat: Die
Mehrheit wünscht mehr Wohnqualität. Dabei geht
es nicht darum, die Autos aus dem Städtli zu verbannen. Es hatte immer Fuhrwerke und Fahrzeuge
im Städtli, teilweise parkiert in und vor den Scheunen. Aber die Anzahl der Fahrzeuge ist auf ein Mass
zu reduzieren, das die Stimmung des Landstädtlis
nicht zerstört. Dazu kann in einem Gesamtkonzept
eine neue Verkehrs- und Parkierungsregelung entwickelt und schrittweise umgesetzt werden. Mit
ersten provisorischen Massnahmen kann eine definitive Lösung getestet werden.
*)
An der Erarbeitung der Nutzungsstrategie wurden die
Bewohner und die Eigentümer im Städtli mit je einer Umfrage beteiligt. Und es wurden zwei öffentliche Workshops durchgeführt.
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Alleen und Gräben
Die einmalige Stadtanlage wird umgürtet von Alleen
und den beiden Gräben, die beide noch fast unbebaut sind. Auch das ist einmalig.
In vielen Städten wurden im beginnenden 19. Jahrhundert die Stadtmauern geschleift und die Stadtgräben aufgefüllt. Die entstehenden freien Flächen
wurden vielerorts für neue Strassen oder Repräsentationsbauten genutzt. Nicht so in Neunkirch. Da
kein Entwicklungsdruck bestand, wurden die freien
Flächen bepflanzt. So entstanden der Wetti- und
der Mühlegraben und angrenzend die Stadtrandgärten.
Die Alleen und Gräben wirken heute eher lieblos
und ungepflegt. Das gilt vor allem für den Wettigraben. Breite asphaltierte Bereiche, auf denen Fahrzeuge herumstehen, vereinzelte Sitzbänke am randlosen Kiesweg, zerfallende Mäuerchen.
Aber die Alleebäume beeindrucken. Sie kennzeichnen nicht nur Ein- und Ausgang zum Städtli, sie
nützen uns auch: sie verwandeln unseren Kohlendioxydabfall in Sauerstoff, reinigen die Stadtluft,
spenden Schatten und befeuchten ihre Umgebung
Mit einem Gesamtkonzept kann schrittweise ein
einladender, durchgehender Grünraum um das
Städtli gestaltet werden. An ausgewählten und klar
begrenzten Stellen könnten grundsätzlich auch
Parkplätze vorgesehen werden.
Der Alleen und die Gräben haben das Potenzial zu einem
hochwertigen Grünraum rund ums Städtli
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Was tun
• In einem Konzept die langfristige Entwicklung vorzeichnen und diese dann schrittweise umsetzen. Dabei:
‣ einen Spazierweg bauen mit kleinen Orten
zum Verweilen,
‣ die Asphaltflächen im Wettigraben reduzieren,
‣ den Graben von baulichen Elementen
„entrümpeln“,
‣ Mistlegiplätze hervorholen, sie teilweise
wiederherstellen und bepflanzen.
!
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Die Dachlandschaft schonen
Auch die Dachlandschaft ist noch weitgehend intakt
und offenbart von aussen die Geschlossenheit des
Stadtkerns. Ihr muss Sorge getragen werden.
Jeder Eingriff verändert das Dach für immer. Da bei
vielen Häusern die Dachfläche grösser als die Fassadenfläche ist, prägt vor allem die Dachlandschaft
die Geschlossenheit einer Altstadt. Jeder Eigentümer muss wissen, dass sein Dach eine sensible
Zone ist und nur soweit verändert werden darf, wie
dies für die nötige Belichtung des Dachraumes unumgänglich ist.
Die Dachlandschaft prägt das Bild; jeder Eingriff verändert
das Dach unwiederbringlich und muss schonend geschehen
Was tun
• Eine Altstadtkommission mit Fachleuten
bilden, die Bauvorhaben in der Altstadt begutachtet und begleitet.
• In den Bauvorschriften Rücksicht auf die
besondere Dachlandschaft nehmen. Für die
exponierten Lagen strengere Regelungen
einführen.
• In einem Konzept Dachlandschaft die möglichen und die unzulässigen Dachaufbauten
und -einschnitte aufzeigen.
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Dunglegen
Die Dunglegi gehört zu Neunkirch wie die Bergkirche und das Obertor. Sie gibt dem Landstädtchen
diese Ausstrahlung, die es so besonders macht.
Und sie stiftet Identität. Weniger als 10% der befragten Bewohner möchten die Dunglegen aufheben. Anderseits ist ihr Zustand weitgehend lamentabel. Nur wenige der ehemals mit Mauern umfassten Mistplätze sind noch erhalten. Da es keinen Mist
mehr zu lagern gibt, wurde der grösste Teil eingeebnet und wird nun als Parkplatz genutzt. Einige
Mistlegen sind zu schönen Blumengärten geworden, andere laden als Sitzplätze zum Verweilen ein.
Die Dunglegen haben eine in die Jahrhunderte zurückreichenden Rechtsform. Am ehesten vergleichbar mit einer Allmend: Eigentümer sind alle Nutzer
gemeinsam, die einzelnen Parzellenteile sind je einem Gebäude zur Nutzung zugewiesen. Entlang
den Hausfassaden besteht ein etwa ein Meter breiter Streifen auf öffentlichem Grund.
Mit gepflegten Mistlegen liesse sich die Lebensqualität in den Nebengassen weiter steigern, und
Neunkirch könnte seinen Besuchern eine weitere
touristische Attraktion bieten.
Dazu müssen einige wenige Regeln eingeführt und
beachtet werden:
• Die Dunglegi, als einst klar definierter Bereich,
soll unabhängig von der Nutzung ablesbar
bleiben. Idealerweise mit den urspr nglichen
Mäuerchen.
• Autos sollen vor den Scheunentoren und nicht
auf den alten Mistlegeplätzen abgestellt werden.
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• Muss eine Mistlegi zwingend als Parkfeld genutzt werden, darf das Auto nicht in den öffentlichen Bereich hinausragen, weder in die Gasse
noch in den öffentlichen Gehbereich entlang
der Häuser.
• Pflanzplätze und Sitzbereiche lassen sich gut
innerhalb der M uerchen realisieren. Dabei
muss aber auf eine Versiegelung der Fläche mit
Teer oder Beton verzichtet werden.
Die Dunglegen haben ihre ursprüngliche Nutzung verloren, nicht aber ihre Bedeutung für das Landstädtchen; sie
prägen die Gassen - im Guten und Schlechten
Was tun
• Gemeinsam mit der kantonalen Denkmalpflege klare Spielregeln aufstellen. Dabei
zulässige und unzulässige Nutzungen und
Materialisierungen festlegen.
• Einen "Fonds Dunglegi" äufnen, mit dem
gute Restaurationsprojekte von verloren
gegangenen Dunglegen unterstützt werden
können.
• Die Rechtsnatur der Dunglegen klären.
!
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Das Städtli als Begegnungsort
Die Nebengassen bereichern
Was tun
• Pro Gasse Bereiche bezeichnen, wo private
Pflanzen und Möbel aufgestellt werden dürfen.
• In einer Gasse gemeinsam und zusammen
mit der Gemeinde einen Kodex für die
halbprivaten Aussenräume entwickeln, der
Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit in den
Nebengassen regelt und garantiert.
Die Nebengassen sind Wohngassen. Hier spielt sich
das Quartierleben ab. Mit einer Reduktion der Abstellplätze und mit der Aufwertung der Dunglegen
liesse sich die Wohnqualität deutlich steigern.
Da die Dunglegen aber im Schatten der Häuser
liegen und Altstadthäuser oft keinen Balkon haben,
besteht auch ein Bedürfnis, sich auf der Sonnenseite aufhalten und Pflanzen ziehen zu können. Eine
solche Nutzung des Gassenraumes kann einen
stimmungsvollen Ersatz bieten.
Dies hätte auch weitere Vorteile:
• Eine gestaltete Gasse betont ihren privaten
Charakter. Die stellenweise entstehenden Verengungen verlangsamen den Verkehr und reduzieren die Durchfahrten und die Anzahl
Parkplätze. Weitere Einschränkungen wie Parkoder Fahrverbote werden so überflüssig.
• Gestaltete Räume vermindern das wilde Parkieren.
Das Bedürfnis, auch in den Gassen zu leben, ist unübersehbar; es liesse sich entfalten ohne die Durchfahrt zu
verhindern
Allerdings muss dabei die Durchfahrt für die Abfallbeseitigung und für Notfallfahrzeuge gewährleistet
bleiben. Auch muss ein Minimum an Pflege und
Ordnung garantiert sein.
All das kann durch eine Vereinbarung zwischen der
Gemeinde und den Grundeigentümern geregelt
werden.
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Die Vordergasse aufwerten
1907 wurden die Mistlegiparzellen aus der Vordergasse entfernt, damit diese "städtischer" werde. Sie
war schon immer etwas Besonderes, die Vordergasse. Neben der Landwirtschaft beherbergte sie
auch den Handel, das Gewerbe und repräsentative
Funktionen. Und sie war eine Durchfahrtsachse,
allerdings mit Schritttempo. Sie war der Ort, wo sich
das Leben abspielte, wo man sah und gesehen
wurde. Zwar hat es noch Läden, doch sind diese so
weit auseinander, dass keine Einkaufsstimmung
mehr entsteht. Man fühlt sich etwas verloren auf
dieser Hauptachse, in diesem geraden Schlauch
mit Autos. Wirklich attraktiv ist das nicht.
Aus den Umfragen und Workshops gingen die folgenden Wünsche hervor:
• Die Vordergasse soll ihren öffentlichen Charakter behalten,
• sie soll Geschäfte, Gewerbe und Dienstleister
beherbergen,
• sie soll räumlich intimer werden, die Autozeilen
sollen mit stimmungsvollen Teilräumen unterbrochen werden,
• im Bereich Gemeindehaus soll es eine Zäsur
geben, da hier das historische Zentrum des
Städtli liegt.
Veränderungen in der Vordergasse müssen schrittweise und über einen längeren Zeitraum hinweg
umgesetzt werden. Eine durchgehend gepflästerte
Gasse von Hausfront zu Hausfront zum Beispiel ist
wohl nur auf längere Sicht denkbar. Aber wichtig
sind die ersten Schritte. In anderen Altstädten ha-
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ben die folgenden Massnahmen einen wertvollen
Beitrag zur Verbesserung der Stimmung geliefert:
• "Inseln" im Strassenverlauf mit Pflanzen und
Sitzbereichen, vor den Restaurants werden
Sitzplätze geschaffen.
• Parkierte Fahrzeuge verdecken nicht mehr
nahtlos die ganze Front, sondern sind nur abschnittweise und versetzt angeordnet, um die
Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren.
• Parkplätze mit einer blauen Zone bewirtschaften.
Die Vordergasse von ihrem Strassen-Schlauch-Charakter
befreien, sie gliedern und möblieren
Was tun
• Eine Gestaltungsskizze erarbeiten, die die
wichtigsten Anliegen enthält und die wertvollen Ansätze aus früheren Studien einbezieht. Diese Skizze in einem gemeinsamen
Prozess verfeinern.
• Sofortmassnahmen einführen, die bald zeigen, dass es in der Vordergasse gemütlicher und attraktiver aussehen kann. Der
Anfang ist an einigen Stellen ja bereits gemacht.
• Eine langfristige Investitionsplanung für die
Vordergasse erarbeiten, die auch als
Grundlage dienen kann für die finanzielle
Unterstützung durch Bund und Kanton.
!
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Den historischen Kern entfalten
Dem Städtli fehlt ein zentraler Platz. Aber es hat
seine Mitte. In den Umfragen und Workshops zeigte
sich: das alte Gemeindehaus ist das gefühlte Zentrum des Städtlis. Hier kreuzt die Nord-Süd-Achse
die Hauptachse, und hier steht der repräsentativste
Bau der Vordergasse. Seine Nutzung sollte dieser
Lage und der aussergewöhnlichen Bausubstanz
Rechnung tragen. Mit dem Restaurant ist eine ideale Basis geschaffen in diesem stattlichen Gemäuer.
Bankette und Festivitäten sind hier sehr gut aufgehoben. Wichtig ist, dass der Betrieb seine wirtschaftliche Basis erhalten kann. Es sind darum Wege zu finden, wie das Haus zu einem Treffpunkt
werden kann, nicht nur für die lokale Bevölkerung,
sondern auch für Gäste aus Nah und Fern.
Was tun
• Im Rahmen der Gestaltungsskizze für die
Vordergasse den Kernbereich um das Gemeindehaus besonders hervorheben.
• Für die Erdgeschosse in den Gebäuden
rund ums Gemeindehaus publikumsorientiert Nutzungen finden.
Auch für das Erdgeschoss und den ehemaligen
Archivraum sollte eine Nutzung gefunden werden,
die mehr Leben an diesen zentralen Ort bringt.
Es braucht nicht viel, aber einen gestalterischen
Akzent zwischen Gemeindehaus, Sollerhaus und
Brunnen wäre nötig, um diesen zentralen Bereich
im Städtli zu betonen und mit Leben zu füllen.
• Das Sollerhaus in seiner historischen Qualität erhalten, damit es den Kernbereich mittragen kann.
• Das Restaurant Gemeindehaus in ein Tourismuskonzept einbinden und es als wichtige Adresse für Gastronomie und Festivitäten empfehlen.
Auch ein Belag zeichnet besondere Orte aus; 1890 gab‘s
noch kein Trottoir; Gächlingen ehrt seine Brunnen mit
Pflästerung (oben); Freiburg öffnet eine Wasserrinne und
in Wiedlisbach ist die ganze Hauptstrasse gepflastert
(links)
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Den Detailhandel vernetzen und stärken
Wie in vielen andern historischen Zentren ziehen
auch im Städtli Neunkirch die Läden aus. Man fährt
halt zum nächsten Shoppingzentrum. Damit geht
nicht nur die lokale Wertschöpfung verloren, sondern auch eine Kultur: man begegnet sich nicht
mehr beim Einkauf im eigenen Städtli. Ortskerne
veröden oder werden zu reinen Wohnquartieren.
Die vorhandenen Läden im Städtli sollten möglichst
nahe beieinander liegen. So können sie den Kunden
eine kleinräumige Einkaufslandschaft bieten, wo
man unterschiedliche Besorgungen machen kann.
Die Nähe der Läden zueinander fördert das Einkaufen im Ort.
Andererseits hat Neunkirch mit Coop und Migros
eine überdurchschnittlich gute Versorgung. Leider
liegt nur der Coop nahe genug beim Städtli, um
einen direkten Einfluss auszuüben. Damit wird die
Verbindung Städtli - Gemeindeverwaltung - Coop Bahnhof wichtig für publikumsorientierte Nutzungen. Mittelfristig sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, um zwischen Bahnhof und Vordergasse weitere Nutzungen mit öffentlichem Charakter entstehen zu lassen. Mit dem alten Feuerwehrmagazin und dem "Werkhof“ wären Potenziale
vorhanden.
Mit der Bäckerei und dem Restaurant Sonne liegen
bereits zwei wichtige Anbieter auf dieser Achse.
Und der Platz rund um den Brunnen ist sehr attraktiv und erlaubt einen schönen Blick in die einzelnen
Teilräume. Ideal wäre, zur Bäckerei käme ein weiteres Element des täglichen Bedarfs, z.B. Gemüse
aus regionaler Produktion.
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Die Migros sollte über ihre mittelfristigen Pläne befragt werden, um sie aktiv in die räumliche Entwicklung einzubinden. Ein Umzug der Migros in den
Raum zwischen Bahnhof und Vordergasse wäre ein
Gewinn.
Was tun
• Dem Raum zwischen Bahnhof und Vordergasse besondere Beachtung schenken und
publikumsintensive Nutzungen begünstigen.
• Die Absprache unter den Detailhändlern
fördern. Eine Konzentration ums Gemeindehaus und am Westende der Vordergasse
suchen.
• Den Dialog mit den Grossverteilern suchen.
Das Städtli an den Grossverteiler, den Bahnhof und ans
Gemeindehaus anknüpfen; im Raum dazwischen hat es
noch Potenzial; den Kunden eine anziehende kleinräumige Einkaufslandschaft anbieten
!
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Tourismus und Kultur fördern
Wie die Umfrage und die Workshops gezeigt haben, wünscht man sich eine sanfte touristische
Entwicklung. Eine, die auf den vorhandenen Stärken
aufbaut: Auf dem Städtli mit seinen besonderen
Bauten, auf der Landschaft, der Geschichte und der
Kultur des Klettgaus.
Einiges Potenzial bestünde in der Parahotellerie in
Form von Bed&Breakfast-Angeboten. Daraus könnte sich ein Tourismus entwickeln ohne riskante Investitionen. Auch ein kleiner Standplatz für Wohnwagen wäre sinnvoll.
Damit ein Bed&Breakfast-Angebot genutzt wird,
braucht es aber verstärkende Faktoren.
• So sollte ein Thema gefunden werden, mit dem
sich das Landstädtli in Verbindung bringen liesse. Eignen könnte sich zum Beispiel das alte
Handwerk: Schmied, K fer, Töpfer. Dazu könnten F hrungen und Workshops f r Gruppen
angeboten oder ein historischer Handwerkermarkt abgehalten werden.
• Neben den erfolgreichen Nachtwächterführungen sollten weitere Erlebnispakete geschaffen
werden: Besuch im Oberhof, Apéro im Obertorturm, Besuch in der alten Schmiede, Rundgang zu den drei Bergkirchen, Ausflug in die
Reben und Keller der Umgebung und Ähnliches.
• Es sind Synergien mit vergleichbaren Bestrebungen im Klettgau zu suchen. So lassen sich
Pakete bilden und vermarkten, z.B. "Ein Wochenende im ruhigsten Städtli der Welt".
• All diese Elemente sollten in ein touristisches
und gastronomisches Konzept einfliessen, mit
dem Betrieb und Vermarktung koordiniert und
geb ndelt werden können.
Mit dem Ortsmuseum und der alten Schmiede hat
des Städtli zwei Zeugen, die aus der Vergangenheit
in unsere Zeit hineinragen, und die wir sorgsam weiterentwickeln und ergänzen sollten. Dazu braucht
es eine Gruppe initiativer Bürger.
Was tun
• Eine Arbeitsgruppe "Kultur und Tourismus"
bilden, die ein touristisches und gastronomisches Konzept entwickelt und dieses
über längere Zeit schrittweise umsetzt.
• Einen Kultur- und Museumsverein gründen,
der die bestehenden Museen schrittweise
ausbaut und sie mit andern Museen vernetzt.
Auch kulturell und für Gäste hätte das Städtli einiges zu
bieten - das ist aber noch zu vielen nicht bekannt
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Wohnen im Städtli
Das Wohnen im Städtli fördern
Alles spricht vom verdichteten Bauen. Das Städtli
Neunkirch ist verdichtet gebaut, seit Jahrhunderten
und damit modern. Es bietet hochwertiges Wohnen
mit städtischer Ambiance in einem intakten ländlichen Raum.
Das ist zu würdigen und zu fördern. Dabei ist nicht
ein exklusiver Wohnort das Ziel. Dazu sind die Häuser und Wohnungen oft auch gar nicht geeignet.
Gesucht wird eine Mischung aus unterschiedlichen
Wohntypen, Einkommensklassen und familiären
Konstellationen. Was aber allen gemein sein muss,
ist die Liebe zum Städtli und der darin möglichen
Wohnformen.
Dieses Bekenntnis ist heute zu einem grossen Teil
vorhanden. In der Umfrage der Bewohner zeigte
sich, dass fast alle Antwortenden das Städtli aufgrund seiner Stimmung und Qualität als Wohnort
gewählt haben. Über die Hälfte besitzen ihre Liegenschaft erst seit 5 oder weniger Jahren. Offenbar
besteht derzeit eine gute Nachfrage.
Eine historische Stadt lebt davon, dass man ihre
Substanz pflegt. Nicht nur die Fassade, auch innen,
die alten Öfen, das historische Täfer, die Fenster, die
alten Türen und Beschläge. So bleibt das Wertvollste an diesem Städtli auch der nächsten Generation
erhalten.
Die Liebe zur historischen Substanz zeigt sich aber
auch im Aussenraum. Das Städtli braucht Bewohner, die bereit sind, auf kleine Annehmlichkeiten zu
verzichten. Zum Beispiel auf das Parkieren direkt
vor der Tür.
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Es gibt Möglichkeiten, solche Liebhaber zu finden.
Der beste Weg ist, bestehende Eigentümer zu Liebhabern zu machen. Neue findet man vor allem in
Kreisen, die nach einem überschaubaren städtischen Umfeld suchen. Diese schätzen Qualitäten
wie Identität, Stimmung und Einmaligkeit. Personen,
die nach einem Einfamilienhaus mit Garten und
Doppelgarage Ausschau halten, sind meist nicht zu
überzeugen vom Wohnen im Städtli. Das hat ihnen
zu viele Nachteile.
Das Städtli ist ein attraktiver Wohnort; es braucht Liebhaber, die der historischen Bausubstanz Sorge tragen, mit
Liebe zum Detail und Respekt vor der Geschichte und
den alten Handwerkskünsten
Was tun
• Auf unterschiedlichen Wegen den Bewohnern und den Eigentümern den Wert des
Städtlis und der historischen Bausubstanz
näher bringen.
• Mit einem Fonds qualitativ hochstehende
Sanierungen von Altstadtbauten fördern.
• In einer Serie in regionalen Zeitungen aufzeigen, wie Bewohner mit Liebe zur historischen Bausubstanz ihre Häuser umgebaut
haben.
• Die Wohnungsinserate mit einem Label
"Wohnen in der Altstadt" versehen, um einen Wiedererkennungseffekt zu erreichen.
Den Mehrpreis durch den Fonds decken.
• An einem "Neunkircher Wohntag" Interessenten aus der weiteren Region, bis Zürich
und Basel, durch Wohnungen und Häuser
führen, die zu kaufen oder zu mieten sind.
!
Mit der Denkmalpflege zusammenarbeiten
Die Häuser im Städtli stehen schon mehrere Menschenleben und sie werden noch stehen, wenn von
uns niemand mehr lebt. Das Städtli gab es schon,
als weder Autos, noch Post, noch Eisenbahn oder
Buchdruck erfunden waren. Uns ist damit ein Erbe
gegeben, das wir zwar weitertragen aber nicht zu
leichtfertig an unsere eher kurzfristigen Bedürfnisse
und Moden anpassen sollten. Lohnt es sich, das
Erdgeschoss für einen Laden aufzubrechen? Lohnt
es sich, die Dachlandschaft aufzuschneiden, wenn
ein Aussensitzplatz auch anderswo, zum Beispiel im
Gassenraum gestaltet werden könnte?
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Auch für die Bauvorschriften kann gemeinsam mit
der Denkmalpflege nach Lösungen gesucht werden.
Ein intaktes historisches Ensemble trägt massgebend dazu bei, den Wert der Häuser und der getätigten Investitionen zu erhalten.
Die Auflagen der Denkmalpflege sind im Einzelfall
vielleicht lästig, in der Summe aber nötig für einen
fachmännischen Umgang mit dem baulichen Erbe;
manchmal entstehen auch überraschend neue Lösungen
Diese Fragen zu stellen, ist Auftrag der Denkmalpflege. Und sie kommt gelegentlich zu anderen Einschätzungen als der Hausbesitzer, der für die
nächsten 15 Jahre ein weiteres Zimmer im Dach
oder eine Garage im Haus wünscht.
Eine gute Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege
ergibt sich meistens, wenn man mit Nutzungswünschen und nicht mit fertigen Plänen zu ihr geht.
Wenn gemeinsam versucht wird, Schutzgedanke
und Änderungswunsch in Einklang zu bringen.
Nicht selten entstehen dabei Lösungen, die weder
Bauherr noch Architekt in Betracht gezogen hatten.
Die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege kann
aber auch weiter gehen. Anstatt bei jedem Baugesuch einzeln zu prüfen, wie Nutzungsbedürfnisse
verwirklicht werden könnten, lässt sich zu typischen
Anliegen ein Konzept mit einem Leitfaden erarbeiten. So kann geklärt werden, an welchen Gassenfronten Balkone oder Terrassen denkbar sind oder
wo welche Art von Dachaufbauten mehr Licht in die
grossen Dachräume bringen.
Was tun
• Eine Altstadtkommission mit Fachleuten
bilden, die die Hauseigentümer kostenlos
berät und sie bei Umbauanliegen im Städtli
begleitet.
• Ein Konzept und einen Leitfaden erarbeiten
mit Vorschlägen für Balkone, Terrassen und
Dachaufbauten. In der Bauordnung die entsprechenden Regelungen verankern.
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Den Aufbruch wagen
Etwas Verrücktes anpacken
Neunkirch hat sich gut gehalten. Nach fast 800 Jahren ist sein Stadtgrundriss immer noch modern,
besser sogar als vieles, was einem heute als "Stadt"
oder "verdichtetes Bauen" begegnet. Doch trotz
diesem historischen Hintergrund oder gerade wegen ihm, soll es erlaubt sein, auch über Verrücktes
nachzudenken. Anlass dazu können seit längerem
bekannte Defizite sein oder Potenziale, die noch
schlummern.
Eine solche verrückte Idee ist der Neubau eines
Untertorturms. Der alte brannte am 9. April 1825
nieder und wurde, dem allgemeinen Zeitgeist folgend, wonach Stadttore unpraktisch und zu entfernen sind, nicht wieder aufgebaut. Aus heutiger Sicht
schade. Man könnte aber die Frage stellen, wie wir
Heutigen ein solches Stadttor oder offener gesagt,
einen neuen Eingang ins Städtli bauen würden.
Schon die Frage belebt. Ein Studienauftrag oder ein
öffentlicher Wettbewerb könnten Neunkirch berühmt machen (auch wenn nichts gebaut würde).
Eine andere Idee ist, die gotische Holzdecke zurückzuholen, die früher im Oberhof einen Saal zierte
und heute im Keller des Landesmuseums Zürich
eingelagert ist. Ohne vorerst auf juristische Spitzfindigkeiten oder Besitzverhältnisse einzugehen, könnte man die Idee postulieren, dass die Decke an ihren ursprünglichen Ort gehöre. Man würde in der
NZZ der Sache nachgehen, über das aufmüpfige
Landstädtchen schreiben, und man würde über
Neunkirch reden.
leeres Bauvolumen. Seine Fassade wurde kürzlich
renoviert, doch offen ist, wie das Gebäude genutzt
werden soll. Ein Teil eignet sich für Wohnungen.
Damit der Unterhalt des Gebäudes längerfristig gesichert werden kann, braucht es noch weitere Nutzungen. Aber welche? Dank seiner Lage und seinem repräsentativen Charakter könnte das Haus zu
einem regionalen Begegnungsort der besonderen
kulturellen und touristischen Art umgebaut werden.
Wie schaffen wir das?
Neues dürfen auch wir Heutigen wagen. Schliesslich gäbe es Neunkirch in seiner einmaligen Form
nicht ohne die Vision, den Pioniergeist und die Tatkraft seines Gründers. Wie sonst wäre ein Bischof
auf das Rechteck gekommen, hätte er sich nicht
von einer Vision leiten lassen?
Was tun
• Eine Kultur der Visionen und Ideen fördern
und pflegen. Dies stünde in der Tradition
des Städtligründers, würde der eigenen
Lebendigkeit dienen und könnte die Bekanntheit Neunkirchs steigern.
Ein weiteres grossen Haus an ganz besonderer Lage und von historischer Bedeutung hat seine definitive Bestimmung noch nicht gefunden: das alte
Feuerwehrmagazin beim Untertor. Mittelfristig soll
der Raum zwischen Bahnhof und Vordergasse mit
publikumsorientierten Nutzungen belebt werden.
Welchen Beitrag könnte das alte Magazin da leisten?
• Aufbruch 1: Mit vereinten Kräften den
Oberhof zu einem prosperierenden
Begegnungszentrum aufbauen.
• Aufbruch 2: Für das alte Feuerwehrmagazin
eine neue publikumsorientierte Nutzung
finden.
• Aufbruch 3: Einen Wettbewerb für einen
neuen Untertorturm in die Wege leiten.
Im Oberhof steht ein grosses Volumen in einem repräsentativen Bau leer. Schaffen wir es, daraus einen Begegnungsort der besonderen Art zu machen? Schön wär‘s
Auf den ersten Blick verrückt; aber warum eigentlich nicht
etwas Neues wagen? Es kann ja etwas Leichteres sein
als in Lenzburg
?
Etwas näher liegen die dritte und die vierte Möglichkeit zum Aufschwung: Im Oberhof steht ein grosses
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Name:
Adresse:
Vorname:
!
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
Die ersten Schritte
• Den Bereich der Alleen und der beiden
Gräben neu konzipieren und danach Schritt
um Schritt sanieren.
• Eine Ersatzabgabe einführen, die im Städtli
von der Pflicht befreit, Garagen und Abstellplätze auf privatem Grund zu erstellen.
• Beim Gemeindehaus eine provisorische
Gestaltung der Vordergasse umsetzen.
• Eine Altstadtkommission mit Fachleuten
bilden, die sich um bauliche Fragen kümmert und Spielregeln für die Aussenräume
entwirft.
• Parkierung, Garagierung und Verkehr neu
konzipieren und schrittweise umsetzen.
Dabei:
‣ neue Regeln zum Parkieren im Städtli
einführen und ihre Auswirkungen prüfen,
‣ versuchsweise Parkplätze und Garagierungsmöglichkeiten am Städtlirand
anbieten und ihre Benutzung fördern,
‣ in den Nebengassen Abstellflächen
nur noch vor den Scheunentoren zulassen, nicht mehr vor dem ehemaligen Stall auf den Dunglegen,
‣ die Parkplätze bewirtschaften, Mehrfachnutzung Tag - Nacht,
‣ die Parkierungsdisziplin und -kontrollen verstärken.
• Mit vereinten Kräften den Oberhof zu einem
prosperierenden Begegnungszentrum aufbauen.
• Für das alte Feuerwehrmagazin eine neue
publikumsorientierte Nutzung finden.
• Einen Wettbewerb für einen neuen Untertorturm in die Wege leiten.
• Eine Tafel an der Landstrasse aufstellen:
Neunkirch – historische Altstadt.
• Die Information für Städtli-Besucher ausbauen. An historisch wichtigen Gebäuden
Informationstafeln anbringen.
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
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!
Die Urbanen kommen
Doch es kam alles anders. (...)
Die Neunkirchner waren keine Städter und an der
besonderen Prägung ihrer Stadt nicht interessiert.
Zum Glück aber gab es die Urbanen. Die kamen
aus den grossen Städten, vor allem aus Zürich. Sie
hatten Geld und Bildung und suchten in Neunkirch
das Echte, genauer, die historische Bausubstanz.
Sie investierten, bauten ihre relativ billig erworbenen
Häuser um, privatisierten ihre Dungleginen, kurz,
errichteten ein Seldwyla des einundzwanzigsten
Jahrhunderts. Die Denkmalpflege freute sich, denn
die Neuen veredelten überall das Alte. Einzig für den
Wunsch nach Balkonen und Terrassen musste von
Fall zu Fall eine Kompromisslösung gefunden werden. Auch zwei halbunterirdische Stadtparkhäuser
waren leider unumgänglich. Schritt für Schritt, genauer, Haus um Haus übernahmen die Zuzüger die
Altstadt. Denn jeder, der schon da war, lockte durch
sein Beispiel weitere seinesgleichen an. Die Ackerbürgerstadt wurde zur gehobenen Rentnerkolonie.
Noch nie in seiner über 800-jährigen Existenz war
Neunkirch so sauber, so aufgeräumt, so schmucktrucklig. (...)
Das bauliche Symbol dieser Entwicklung ist das
Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
wieder aufgebaute Untertor. Soll es eine Rekonstruktion sein oder eine zeitgemässe Neuinterpretation? Diese Frage spaltete die Neunkirchner, ob
Hüslimensch oder Urbane. Es siegte die Landfraktion, jene Leute, die überzeugt waren: Zwar ist
Neunkirch eine Stadt, trotzdem leben wir auf dem
Land. Sie setzten die historisch fast gerechte Rekonstruktion des Torturms durch. Zwar hatte man
kaum aussagekräftige Unterlagen für den getreuen
Wiederaufbau, doch das Postkartenbild, das sich
heute zeigt, sieht überzeugend alt aus. Die Stadtpartei mit ihren intellektuellen Bedenken und ihrem
Projekt eines zeitgemässen, sprich, eisengittrigen
Stadttors ging in der Volksabstimmung kläglich unter.
Pro civitate rara
Von selbst kam der Umbau zum Schmucktruckli
nicht in Gang. Woher die Investitionen, genauer die
Bauherren? Einzelbauten nützen nichts, es braucht
mehrere, es muss die kritische Masse zusammen
kommen. Sie erst setzt die allgemeine Erneuerung
in Bewegung. Neunkirch hatte Glück. Die Stiftung
„Pro civitate rara“ machte Neunkirch zum Demonstrationsvorhaben. Hier wollte sie mit einer Probe aufs
Exempel zeigen, was ihr Stiftungszweck vorschreibt: Das Retten der gefährdeten historischen
Kleinstädte in der Eidgenossenschaft. Die Stiftung
sammelt Stadtkleinode. Im Welschland ist Grandson das vielgelobte Beispiel, auch in Ilanz und in Le
Landeron hat die Stiftung segensreich gewirkt. Allerdings schon Murten und Porrentruy waren ihr zu
gross und zu städtisch.
Die Unterstützung durch „Pro civitate rara“ machte
klar, dass die alte Stadt von aussen gerettet werden
musste. In Neunkirch selbst war weder die Kraft,
noch der Wille dazu vorhanden. Es gibt unterdessen genügend wohlhabende Urbane, die von aussen kamen und die Erhaltungsbewegung in Gang
halten. Leute, die sich nach dem Übersichtlichen
sehnen und das Dörfliche in der Kleinstadt suchen.
Neunkirch ist das vielbeachtete Vorzeigebeispiel
dieser Sehnsucht. Eines der wenigen Quartiere im
Millionenzürich, das den Charme der Ackerbürgerstadt bewahrt hat. Das „Netzwerk Altstadt“ hatte
recht gehabt: Noch ist Neunkirch nicht verloren.
Auszug aus „Slum oder Schmucktruckli?“ von
Benedikt Loderer, Biel, 19. Oktober 2042
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Städtli Neunkirch - am historischen Erbe weiterarbeiten
www.forum9k.ch
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