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Stephanie Geise Vision that matters Stephanie Geise Vision that matters Die Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation am Beispiel des Wahlplakats Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. . 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch / Priska Schorlemmer VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17819-6 Danke. Ich danke meinem Doktorvater: Lieber Herr Brettschneider, vielen Dank! Für vier spannende Jahre, für Ihre Passion, Freiräume als Herausforderung anzubieten, für Ihr Talent, Kreativität auch in der Forschung zu fördern. Und ich danke der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung, dass sie die dem Foschungsprojekt zugrunde liegenden Studien in dieser Form ermöglicht hat. Allen anderen, die direkt oder indirekt an diesem Projekt beteiligt waren, danke ich mit Freuden lieber persönlich. Stephanie Geise Inhalt Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... 11 Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 13 Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ 18 1 Visualisierung der Politik – Politik der Visualisierung ............................ 21 1.1 Visuelle Politische Kommunikation am Beispiel von Wahlplakaten.......... 21 1.2 Visuelle Politische Kommunikation ................................................................ 22 1.3 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen............................. 24 1.3.1 Arbeitsthesen zur theoretischen und empirischen Analyse des Gegenstandsbereichs Visueller Politischer Kommunikation............... 30 1.3.2 Leitfragen der theoretischen Fundierung................................................ 31 1.3.3 Leitfragen der methodischen Fundierung............................................... 31 1.3.4 Leitfragen der empirischen Fundierung .................................................. 31 1.4 Ein Phasenmodell der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation.................................................................................................. 32 1.5 Vorgehensweise und Struktur ........................................................................... 37 2 Der Modus Visueller Kommunikation und seine Funktionslogik...........39 2.1 Visuelle Kommunikation in Forschung und Diskurs ................................... 40 2.1.1 Visuelle Kommunikation in wissenschaftlicher Forschung ................. 40 2.1.2 Visuelle Kommunikation im kritischen Diskurs.................................... 49 2.2 Visuelle Kommunikation................................................................................... 53 2.2.1 Visuelle Kommunikation und Bildkommunikation .............................. 54 2.2.2 Was ist ein Bild? Definitionen des Bildbegriffs...................................... 55 2.2.3 Bildbegriff, Gegenstandsbereich und Definition Visueller Kommunikation ......................................................................... 62 2.2.4 Der spezifische Modus Visueller Kommunikation ............................... 68 8 Inhalt 2.3 Grundlegende Prozesse (Visueller) Wahrnehmung und Informationsverarbeitung.................................................................................. 72 2.3.1 Der klassische Wahrnehmungsprozess ................................................... 74 2.3.2 Wahrnehmung als Aufmerksamkeits- und Aktivierungsprozess ........ 75 2.3.3 Wahrnehmung als Entfaltungsprozess.................................................... 76 2.3.4 Wahrnehmung als Konstruktionsprozess............................................... 79 2.3.5 Wahrnehmung und Informationsverarbeitung ...................................... 82 2.3.5.1 Die Schematheorie ............................................................................. 82 2.3.5.2 Framingprozesse: Strategisches, perzeptives und applikatives Framing .......................................................................... 86 2.3.5.3 Das Involvement-Konzept ............................................................... 92 2.3.5.4 Das Hemisphären-Modell ................................................................. 94 2.3.5.5 Das Elaboration Likelihood Model ................................................. 96 2.4 Spezifische Theorien zu Bildwahrnehmung und Bildverstehen.................. 99 2.4.1 Bildwahrnehmung und Bildverstehen als ‘Konstruktionsprozess’ ..... 99 2.4.2 Bilder als mentale Repräsentationen...................................................... 101 2.4.3 Die Theorie der Dualen Codierung ....................................................... 103 2.4.4 Mentale und reale Bilder .......................................................................... 104 2.4.5 Bildverstehen, Bildkompetenz und Visual Persuasion........................ 107 3 Der Modus Politischer Kommunikation und seine Funktionslogik ..... 109 3.1 Politische Kommunikation und Politikvermittlung .................................... 110 3.2 Funktionen von Politischer Kommunikation .............................................. 114 3.3 Bedeutung der Medien für Politik und Politikvermittlung......................... 116 3.4 Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft................................ 118 3.4.1 Charakteristika der Mediengesellschaft ................................................. 118 3.4.2 Konsequenzen eines neuen Strukturwandels ....................................... 119 3.4.2.1 Die Entertainisierung der Politik ................................................... 121 3.4.2.2 Die Personalisierung und Prominenzierung der Politik ............. 122 3.4.2.3 Die Theatralisierung der Politik ..................................................... 125 3.4.2.4 Die Inszenierung der Politik ........................................................... 126 3.4.2.5 Die Symbolisierung der Politik....................................................... 128 3.4.2.6 Die Visualisierung der Politik ......................................................... 129 3.5 Entscheidungspolitik versus Darstellungspolitik: ‘Spielen wir nicht alle Theater?’ ...................................................................... 133 3.6 Konsequenzen für den Modus der Visuellen Politischen Kommunikation................................................................................................ 137 Inhalt 4 9 Integration: Der Modus Visueller Politischer Kommunikation und seine Funktionslogik am Beispiel des Wahlplakats ....................... 139 4.1 Politische Kommunikation im Wahlkampf .................................................. 140 4.1.1 Themenmanagement: Strategisches Agenda Setting und Priming.... 142 4.1.1.1 Die Agenda-Setting-Funktion der Medien ................................... 144 4.1.1.2 Der Priming-Effekt der Medien..................................................... 149 4.1.1.3 Strategisches Themenmanagement im Wahlkampf .................... 150 4.1.2 Kampagnenmanagement, Wahlwerbung und Negative Campaigning ............................................................................. 153 4.1.2.1 Die strategische Medienkampagne ................................................ 154 4.1.2.2 Die strategische Werbekampagne .................................................. 155 4.1.2.3 Image-Konstruktion und Negative Campaigning ....................... 156 4.1.2.4 Wirkung von Wahlwerbung – Zum Forschungsstand ............... 160 4.1.3 Visuelles Kommunikationsmanagement als Integrierte Visuelle Kommunikation ..................................................... 164 4.1.3.1 Das Konzept der Integrierten Kommunikation.......................... 164 4.1.3.2 Die Praxis Integrierter Kommunikation in der Politik ............... 165 4.1.3.3 Integrierte Visuelle Kommunikation in der Politik..................... 170 4.2 Politische Kommunikation durch das Wahlplakat ...................................... 172 4.2.1 Das Plakat – Definition und Charakteristika des Mediums ............... 172 4.2.2 Die Wirkung von Wahlplakaten – Zum Forschungsstand................. 175 4.2.3 Das Wahlplakat als typisches Medium Visueller Politischer Kommunikation .................................................................... 185 5 Methodik der Studie zur Analyse der Funktions- und Wirkungslogik am Beispiel des Wahlplakats .................................................................. 187 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Überblick über den Untersuchungsaufbau und die Erhebungsmethoden in Testreihe I und II ......................................................................................... 188 Die Integration von Befragung, Eyetracking und RTR im experimentellen Setting .............................................................................. 190 Ablauf der Erhebungen in Testreihe I und II .............................................. 195 Auswahl und Zusammensetzung des Stimulusmaterials ............................ 201 Auswahl und Zusammensetzung der Stichproben von Testreihe I und II.............................................................................................. 203 10 6 Inhalt Empirie: Der Modus Visueller Politischer Kommunikation und seine Wirkungslogik am Beispiel des Wahlplakats ......................................... 207 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 7 Die Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation am Beispiel des Wahlplakats ........................................................................... 207 Pre-attentive Prädisposition und ‘Erster Eindruck’ .................................... 208 Allokation von Aufmerksamkeit und Aktivierung und Hierarchie der Wahrnehmungssequenz ............................................................................ 221 Reflektierte post-kommunikative Evaluation und Akzeptanz................... 265 Memorizationen: Erinnerungswirksamkeit, Wiedererkennung und Zuordnungssicherheit .............................................................................. 277 Agenda-Setting .................................................................................................. 289 Priming ............................................................................................................... 310 Applikatives Framing und Relatives Priming ............................................... 324 Vision that matters ................................................................................. 337 7.1 7.2 7.3 7.4 Die Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation ......................... 337 Vision that matters............................................................................................ 339 Reflektion und Perspektiven ........................................................................... 344 Epilog: Ein utopisches Projekt ....................................................................... 352 Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 355 Anhang ............................................................................................................................... 391 Abkürzungsverzeichnis Abkürzung A ANOVA AOI B BVerfGE CBS ComLab ELM EOS 12 Kl. fMRI fMRT G G1 G2 G3 G4 HI KK LI M1 M2 MANOVA MRA MW Mx,1 Mx,2 NBC OB OC OH OL Erklärung Alter Univariante Varianzanalyse Area of Interest Bildungsgrad Bundesverfassungsgericht-Entscheid Columbia Broadcasting Systems Communication Laboratory Elaboration Likelihood Model Erweiterte Oberschule 12. Klasse Functional Magnetic Resonance Imaging funktionale Magnet-Resonanz Tomographie Geschlecht Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4 High Interest (Hohes Interesse) (Subjektiv wahrgenommene) Kandidatenkompetenz Low Interest (Geringes Interesse) Vorher-Messung Nachher-Messung Multivariate Varianzanalyse Multiple Regressionsanalyse (MRA) (grundsätzliche Haltung zum) Medium Wahlplakat Messwelle x Vorher Messwele x Nachher National Broadcasting Company Betrachtungsdauer der Bildmotivs Betrachtungsdauer des Claims Betrachtungsdauer der Headline Betrachtungsdauer der Logos 12 OS OT PA PC PET PID PIN POS 10 Kl. RA RTR T1 T2 TB TH TL TS TVN VIF W1 W2 W3 W4 ZN ZwM Abkürzungsverzeichnis Betrachtungsdauer der Subline Betrachtungsdauer des Copy-Texts Pre-attentive Plakat-Bewertung Personal Computer Positronenemissionstomographie Parteiidentifikation Politisches Interesse Erweiterte Oberschule 10. Klasse (reflektiert evaluierte) Akzeptanz Realtime Response Testreihe 1 Testreihe 2 Time to First Fixation Bildmotiv Time to First Fixation Headline Time to First Fixation Logo Time to First Fixation Subline Intensität der TV-Nutzung Varianzinflationsfaktor Welle 1 Welle 2 Welle 3 Welle 4 Zeitungsnutzung Zwei Meinungen zum Medium Wahlplakat Abbildungsverzeichnis Abbildungsnummer Abbildung 01 Abbildung 02 Abbildung 03 Abbildung 04 Abbildung 05 Abbildung 06 Abbildung 07 Abbildung 08 Abbildung 09 Beschreibung Ein Phasenmodell der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation. ‘Unframed’ Wahlplakate der SPD aus dem Kommunalwahlkampf 2008 in Bayern (SPD Landesverband Bayern) sowie negative Campaigning-Plakat der SPD im ‘CDUDesign’ aus dem Bundestagswahlkampf 2005 (SPD Bundespartei). Typen politischer Kommunikation (Bentele 1998a: 131). Schrift-Bild-Plakate der CDU (CDU Bundespartei) sowie von Bündnis90/Die Grünen aus dem Bundestagswahlkampf 2002 (Bündnis 90/Die Grünen Bundespartei). Typoplakate der SPD aus dem Bundestagswahlkampf 2005 (SPD Bundespartei). CDU-Wahlplakat aus dem Bundestagswahlkampf 1994: Kohls ‘Bad in der Menge’ (Agentur von Mannstein). Das ‘Lehrer-Plakat’ der FDP aus dem Landtagswahlkampf in NRW 2000 (FDP Landesverband NRW) sowie das ‘LehrerPlakat’ der Bündnis 90/Die Grünen aus dem Bundestagswahlkampf 2002 (Bündnis 90/Die Grünen Bundesverband). Überblick über die eingesetzte Methodenkombination in T1. Exemplarisches Stimulusmaterial aus Testreihe I (Eigenes Layout; Bildquelle Thomas Kerzner: „Pretty W_oma_n“; photocase.com; Wahlplakat der SPD Niedersachsen) sowie aus Testreihe II (Wahlplakat der FDP Bayern). Exemplarisches Stimulusmaterial aus Testreihe II (ab Welle 2): Auswahl erstellter Einzelmotive der Testkampagne zum Thema Familienpolitik. Seite 35 91 113 174 175 184 190 202 203 14 Abbildung 10 Abbildung 11 Abbildung 12 Abbildung 13 Abbildung 14 Abbildung 15 Abbildung 16 Abbildung 17 Abbildung 18 Abbildung 19 Abbildungsverzeichnis Die spontan am besten bewerteten Plakate der Flash-Phase aus Testreihe I. Die spontan am besten bewerteten Plakate der Flash-Phase aus Testreihe II, W1. Die spontan am schlechtesten bewerteten Plakate der Flash-Phase aus Testreihe I. Die spontan am schlechtesten bewerteten Plakate der Flash-Phase aus Testreihe II, Welle 1. Exemplarische Auswahl der selbst erstellten Einzelmotive der Testkampagne für die Wirkungsstudie. Scanpath- oder Gazeplot-Analyse als Vergleich exemplarisch ausgewählter Blickverläufe aus T1 bei einer Betrachtungszeit von 5 sec mit den Ergebnissen aus T2 bei einer Betrachtungszeit von 3,5 sec (Eigene Darstellung; Originalplakat: CDU Niedersachsen) Scanpath- oder Gazeplot-Analyse der Blickverläufe der Probanden der Gruppe ‘Nur Bild’ aus T1 bei einer Betrachtungszeit von 0,5 sec (Eigene Darstellung; Originalplakat: CDU Niedersachsen) sowie Hot-Spot-Analyse der aggregierten Blickverläufe der Probanden der Gruppe ‘Nur Bild‘ aus T1 bei einer Betrachtungszeit von 0,5 sec (Eigene Darstellung; Originalplakat: CDU Niedersachsen). Vergleich der Aufmerksamkeitslandschaften aus verschiedenen Test-Gruppen in T1: Long-Phase der Gruppe ‘Nur Bild’ sowie Long-Phase der Gruppen ‘Themen A’ und ‘Themen B’. Vergleich der Gaze-Plot-Analysen aus verschiedenen Test-Phasen. Flash-Phase der Gruppe ‘Themen A’ sowie Long-Phase der Gruppe ‘Themen A’. Aktive Erinnerung an Plakatinhalte. (Nennungen insgesamt: 328; Auswertung auf 213 213 214 215 236 239 241 243 244 280 15 Abbildungsverzeichnis Abbildung 20 Abbildung 21 Abbildung 22 Abbildung 23 Abbildung 24 Abbildung 25 Abbildung 26 Abbildung 27 Abbildung 28 Abbildung 29 Basis der stimulusheterogenen Gruppen ‘Themen A’ und ‘Themen B’ in T1). Aktive Erinnerung an Plakatinhalte. (Nennungen insgesamt: 4078; Auswertung auf Basis der stimulusheterogenen Gruppen ‘Themen A’ und ‘Themen B’ in T2. Top5-Plakate der ungestützten Erinnerung in Testreihe II über Gruppe 1 und Gruppe 2. Flop5-Plakate der ungestützten Erinnerung in Testreihe II über Gruppe 1 und Gruppe 2. Gegenüberstellung der prozentualen Erinnerungsleistung von Bild- versus Textplakaten der Wellen 1 bis 4. Die Recognition-Top-Five auf Basis der 8500 Wiedererkennungen im Vergleich mit den jeweiligen Recognition-Ergebnissen der entsprechenden Textplakate; Auswertung über G1 und G2 in T2, W1 bis W4. Absolute Entwicklung der neun untersuchten Themenfelder in der Berichterstattung. Veränderung der Themenwichtigkeiten auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (von W2 bis W4) nach Treatmentexposition für G1. Veränderung der Themenwichtigkeiten auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (von W2 bis W4) nach Treatmentexposition für G2. Absolute Differenz der Themenwichtigkeiten ‘vorher’ zu Themenwichtigkeiten ‘nachher’ auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (W2 bis W4) nach Treatmentexposition für G1; basiert auf der Bewertung der Themenwichtigkeit auf einer Skala von -5 als ‘überhaupt nicht wichtig’ bis +5 ‘sehr wichtig’. Absolute Differenz der Themenwichtigkeiten ‘vorher’ zu Themenwichtigkeiten ‘nachher’ auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (W2 bis W4) nach Treatmentexposition für G2; basiert auf der Bewertung der Themenwichtigkeit auf einer Skala von -5 als ‘überhaupt nicht wichtig’ bis +5 ‘sehr 282 283 284 285 287 292 298 299 301 302 16 Abbildung 30 Abbildung 31 Abbildung 32 Abbildung 33 Abbildung 34 Abbildung 35 Abbildung 36 Abbildung 37 Abbildungsverzeichnis wichtig’. Themenkongruenter Stimulus für W2, G1: Dargeboten wurden 7 Bildplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik für jeweils 3,5 sec. Themeninkongruenter Stimulus für W2, G2: Dargeboten wurden 3 Bildplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik sowie 4 andersartige Plakatmotive für jeweils 3,5 sec. Themenkongruenter Stimulus für W3, G1: Dargeboten wurden 20 Plakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik (davon 10 Bildplakate und 10 Textplakate) für jeweils 0,5 sec in der Flash-Phase sowie 3,5 sec in der Long-Phase. Themeninkongruenter Stimulus für W3, G2: Dargeboten wurden 10 Plakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik (davon 5 Bildplakate und 5 Textplakate) sowie 10 andersartige Plakatmotive (davon 5 Bildplakate und 5 Textplakate) für jeweils 0,5 sec in der Flash-Phase sowie 3,5 sec in der Long-Phase. Themenkongruenter Stimulus für W4, G1: Dargeboten wurden 7 Plakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik (alle Bildplakate) für jeweils 3,5 sec in der LongPhase. Themeninkongruenter Stimulus für W4, G2: Dargeboten wurden 7 andersartige Plakatmotive (alle Bildplakate, davon 2 mit Familienbezug) für jeweils 3,5 sec in der Long-Phase. Themenkongruenter Stimulus für W2, G1: Dargeboten wurden 7 Bildplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik für jeweils 3,5 sec. Themeninkongruenter Stimulus für W2, G2: Dargeboten wurden 3 Bildplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik 303 303 306 306 307 308 316 316 17 Abbildungsverzeichnis Abbildung 38 Abbildung 39 Abbildung 40 Abbildung 41 Abbildung 42 sowie 4 andersartige Plakatmotive für jeweils 3,5 sec. Themenkongruenter Stimulus für W3, G1: Dargeboten wurden 10 Bildplakate sowie 10 Textplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik für jeweils 3,5 sec. Themeninkongruenter Stimulus für W3, G2: Dargeboten wurden 5 Bildplakate sowie 5 Textplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik sowie 10 andere Wahlplakate (5 Bild- und 5 Textplakate) für jeweils 3,5 sec. Themenkongruenter Stimulus für W4, G1: Dargeboten wurden 7 Bildplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik für jeweils 3,5 sec. Themeninkongruenter Stimulus für W4, G2: Dargeboten wurden 7 Wahlplakate für jeweils 3,5 sec. Ein Phasenmodell der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation. 318 319 320 321 340 Tabellenverzeichnis Tabellennummer Tabelle 01 Tabelle 02 Tabelle 03 Tabelle 04 Tabelle 05 Tabelle 06 Tabelle 07 Tabelle 08 Tabelle 09 Tabelle 10 Tabelle 11 Tabelle 12 Tabelle 13 Tabelle 14 Beschreibung Der Bildbegriff in seinen konstituierenden Elementen. Eingesetzte Treatmentvariationen für Gruppe 1, 2, 3 und 4 in Testreihe I im Überblick. Eingesetzte Treatmentvariationen für Gruppe 1 und 2 in Testreihe II im Überblick. Überblick über Aufbau und Methodenkombination in Testreihe II. Übersicht über das in Testreihe II eingesetzte Stimulusmaterial. Quotierungsplan mit Besetzung der Quotierungszellen. Plakat-Bewertung von zwei exemplarisch ausgewählten Testplakaten aus Experimentalreihe I nach Parteiidentifikation. Plakat-Bewertung von zwei exemplarisch ausgewählten Testplakaten aus Experimentalreihe II nach Parteiidentifikation. Überblick über Prämissen, Indikatoren und Hypothesen der Eyetracking-Analysen zur Aktivierungs- und Aufmerksamkeitswirkung Visueller Kommunikation. Strukturelemente und Auswahlkriterien der AOISelektion. Durchschnittliche Zeit bis zur ersten Fixation ausgewählter AOIs bei Betrachtung der Bildplakate in T1. Durchschnittliche Betrachtungszeit ausgewählter AOIs der Bildplakate in T1 (Rezeptionszeit von 0,5 und 5 sec) Durchschnittliche Zeit bis zur jeweils ersten Fixation ausgewählter AOIs bei Betrachtung der Bildplakate in T2 (Rezeptionszeit von 0,5 und 3,5 sec). Durchschnittliche Betrachtungszeit ausgewählter AOIs der Bildplakate in T2 (Rezeptionszeit von Seite 63 191 193 197 200 205 216 217 224 226 229 231 233 235 19 Tabellenverzeichnis Tabelle 15 Tabelle 16 Tabelle 17 Tabelle 18 Tabelle 19 Tabelle 20 Tabelle 21 Tabelle 22 Tabelle 23 Tabelle 24 Tabelle 25 Tabelle 26 Tabelle 27 Tabelle 28 Tabelle 29 0,5 und 3,5 sec). Durchschnittliche Betrachtungszeit ausgewählter AOIs der Bildplakate in T2-W3 (für eine Rezeptionszeit von 0,5 und 3,5 sec). Durchschnittliche Zeit bis zur jeweils ersten Fixation ausgewählter AOIs bei Betrachtung der Bildplakate in T2-W3 (für eine Rezeptionszeit von 0,5 und 3,5 sec). Gruppenstatistik der Diskriminanzanalyse. Überblick über die Faktoren und abhängigen Variablen der einfaktoriellen multivariaten Varianzanalysen. Übersicht möglicher Hypothesen der Einflüsse von Moderatorvariablen auf die Betrachtungsdauer. Überblick über die Faktoren und abhängigen Variablen der einfaktoriellen multivariaten Varianzanalysen. Übersicht möglicher Hypothesen der Einflüsse von Moderatorvariablen auf die Time to First Fixation. Überblick der durchschnittlichen Bewertungen der jeweils präsentierten Bild- und Textplakate im Wellenvergleich. Überblick der durchschnittlich ‘besten’ und ‘schlechtesten’ Bewertungen der jeweils präsentierten Bild- und Textplakate im Wellenvergleich. Übersicht der Top-Plakate in der Bewertung nach dem selbsterstellten Scoring-Modell. Übersicht der Flop-Plakate in der Bewertung nach dem selbsterstellten Scoring-Modell. Pearson’sche Korrelationsanalyse der spontanen RTR-Bewertung des Erstem Eindrucks und der reflektierten Bewertung Ergebnisse der Zuordnung der Aussagen (Vergleich Bild- vs. Textplakate). Prozentuale Verteilung der neun untersuchten Themenfelder in der Berichterstattung. Deskriptive Ergebnisse der Bewertung der 237 238 250 253 254 262 263 269 270 271 272 275 286 293 294 20 Tabelle 30 Tabelle 31 Tabelle 32 Tabelle 33 Tabelle 34 Tabelle 35 Tabelle 36 Tabellenverzeichnis subjektiv eingeschätzten Wichtigkeit aktuell relevanter Themen ‘Themenwichtigkeit_Vorher’ nach G1 und G2 getrennt). Deskriptive Ergebnisse der Bewertung der subjektiv eingeschätzten Wichtigkeit aktuell relevanter Themen ‘Themenwichtigkeit_Vorher’ durchschnittliche Bewertung aller Probanden, d.h. über G1 und G2 zusammen. Veränderung der Themenwichtigkeiten für das Thema Familienpolitik auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf. Veränderung der Themenwichtigkeiten auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (W2 bis W4) nach Treatmentexposition. Verteilung der Häufigkeiten zum Item ‘Themenwichtigkeit Familienpolitik’, Ergebnisse der Vorher-Messung in W2 für G1 und G2 im Vergleich. Übersicht der in die Regressionsanalyse zur Kandidatenkompetenz eingegangenen unabhängigen Variablen. Übersicht der Regressionsgleichungen (Steinmeier) für W2, W3 und W4. Übersicht der Regressionsgleichungen (Merkel) für W2, W3 und W4. 295 297 300 304 313 322 335 1 Visualisierung der Politik – Politik der Visualisierung 1.1 Visuelle Politische Kommunikation am Beispiel von Wahlplakaten Im vorliegenden Forschungsprojekt wird das Forschungsgebiet der Visuellen Politischen Kommunikation, ihre Funktion und Wirkung am Beispiel von Wahlplakaten untersucht. Diese Fokussierung war nicht die einzig denkbare; ebenso möglich wäre gewesen, Wahlwerbespots oder bildhafte Medienberichterstattung als Untersuchungsobjekt auszuwählen. Dennoch ist der Fokus auf das Wahlplakat als spezifisches Medium Visueller Politischer Kommunikation folgerichtig: Wahlplakate stellen eine prototypisch verdichtete Form Visueller Politischer Kommunikation dar, ebenso, wie der Wahlkampf an sich eine prototypisch verdichtete Form Politischer Kommunikation darstellt. Wahlplakate sind Kristallisationspunkte, an denen die Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation prägnant zum Ausdruck kommt. Daher bietet sich das Wahlplakat in ganz besonderer Weise an, um die Wahrnehmung, Verarbeitung und Wirkung von Visueller Kommunikation im Prozess politischer Informationsvermittlung zu untersuchen. Letztlich ist es aber die Faszination der Visuellen Kommunikation, die das Forschungsprojekt und die ihm zugrunde liegenden Fragestellungen motiviert hat. Das Wahlplakat, bei aller Faszination, die das Medium auslöst, dient lediglich als ein Katalysator, eine Reflexionsfläche, eben als ein Medium, dessen sich die Visuelle Kommunikation bedient. Das Visuelle hingegen ist der spezifische Kommunikations- und Wirkungsmodus, der sich im Plakat, wie auch in anderen visuellen Medien, manifestiert, vergleichbar mit einer fremden Sprache, die es zu verstehen, zu analysieren, zu erklären gilt. Dieser Herausforderung soll sich das hier präsentierte Forschungsprojekt stellen, um einen Beitrag zu leisten, die bis heute wenig entschlüsselte ‘Sprache’ Visueller Politischer Kommunikation, ihre Funktion, ihre Wahrnehmung und ihre Wirkung zu begreifen. Der gewählte Fokus auf das Wahlplakat ermöglicht hierbei den Zugang zur Analyse: Visuelle Politische Kommunikation ist nicht nur im Wahlplakat oder Wahlkampf von außergewöhnlicher Relevanz, doch lässt sich ihre Funktions- und Wirkungslogik gerade hier außerordentlich konzentriert studieren. S. Geise, Vision that matters, DOI 10.1007/978-3-531-92736-7_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 22 Visuelle Politische Kommunikation 1.2 Visuelle Politische Kommunikation Politik ist seit jeher fundamental auf Vermittlung angewiesen, bedarf seit jeher der öffentlichen „Darstellung, Begründung und Rechtfertigung“, der „Legitimation durch Kommunikation“ (Sarcinelli 1998c: 148; vgl. Wolf 1996). Die demokratietheoretische Relevanz dieser Erkenntnis ist nicht erst im Medienzeitalter Anlass für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Rezeption politischer Informationen und ihrer Wirkung auf politische Einstellungen und politisches Handeln. Doch im Medienzeitalter nehmen die Konsequenzen eines ansteigenden Information Overload und einer zunehmend mediatisierten Gesellschaft Einfluss auf die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen der Politikvermittlung. Wechselseitige Anpassungsprozesse, von denen politische Akteure ebenso betroffen sind wie Bürger und Medienorganisationen induzieren eine Veränderung in der Art der Politikvermittlung, einen Paradigmenwechsel in der politischen Kultur, der pointiert als Wandel von einer eher logozentrischen zu einer eher ikonozentrischen (politischen) Kultur (Hofmann 1999; 2004; 2009) identifiziert wird. Tatsächlich fördert der zunehmende Wettbewerb um Aufmerksamkeit nicht nur die Erkenntnis einer zunehmenden Bedeutung Visueller Politischer Kommunikation (vgl. Müller 1999b; Altendorfer 2004), sondern rechtfertigt auch die zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Forschungsgebiet: Die Kommunikation der politischen Botschaft in der „Medienkonkurrenzgesellschaft“ verlangt nach aufmerksamkeitsstarken Strategien und Methoden; „Bilder spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle, denn sie sind Aufmerksamkeitsgaranten Nummer eins“ (Meckel 2001: 26). Die Erkenntnis, dass Bilder früher, schneller und unmittelbarer wahrgenommen werden als Texte, über ein höheres Aktivierungspotential verfügen, bessere Gedächtnisleistungen erzielen sowie tiefer und emotionaler beeinflussen können (vgl. Kobayashi 1986; Kroeber-Riel 1993; Müller 2003), führt damit zu einer verstärkten Integration von Visualisierungen in das Feld der politischen Kommunikation. „Die optische Präsenz und die dabei entstehenden ‘Bilder im Kopf’ bleiben hängen. Weniger, was gesagt wurde, als vielmehr, wie man ankam, setzt sich im Gedächtnis fest“ pointiert hierzu Sarcinelli (2005: 103). Insofern kann durchaus von einer „Wiederentdeckung des Bildlichen“, von einem „revival of the image“ (Paivio 1979: 6) gesprochen werden. „Auch in der Politik hat der visualistic turn (…) längst stattgefunden“ (Lesske 2005: 236; vgl. Hofmann 2004). Doch soll die Formulierung eines Turns nicht in die Irre führen: Die Bedeutung von Visualität ist auch im Bereich der politischen Repräsentation und Legitimation kein modernes Phänomen. Der „Streit um die Macht der Bilder“ (Müller 1997a: 23) begleitet die menschliche Kultur von Anfang an. Seit jeher geht das Streben nach politischer Macht bzw. deren Legitimation mit Formen visueller Repräsentation einher, sei es in Form von Herrschaftsarchitektur, Münzprägung, Königsportraits oder zeitgenössischen Wahlplakaten: „Alle Epochen sind von verschiede- Visuelle Politische Kommunikation 23 nen Erscheinungsformen der Dramaturgie, Theatralität und Körperlichkeit von Macht und Herrschaft geprägt“ (Arnold/Fuhrmeister/Schiller 1998: 9; vgl. Warnke 2006; Zanker 2006). Bereits in der Antike lassen sich Vorformen öffentlicher politischer Werbung finden; aus Pompeji etwa sind gemalte ‘Wandplakate’ bekannt, die explizit auch zur Wahlwerbung eingesetzt wurden (vgl. Kämpfer 1985: 13; Langguth 1995: 7) und auch die politischen und sozialen Bedingungen im Mittelalter, der Renaissance oder im Barock wurden „durch enorme Mengen an Bildwerken handlungsbezogen gestaltet“ (Schneider 2009: 20). Exemplarisch mündete die Erkenntnis, dass die sinnlich wahrnehmbare Präsenz einen „positiven Einfluss auf die Überzeugungs- und Überredungskraft der politischen Botschaft“ nimmt (Arnold/Fuhrmeister/Schiller 1998: 20), bereits bei Kaiser Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) in ein strategisch eingesetztes Programm Visueller Politischer Kommunikation. Ein komplexes System von Visualisierungen umspannte nicht nur große Teile des antiken gesellschaftlichen Lebens (religiöse Rituale, Kleidung, Staatsakte, Verhaltensweisen des Herrschers), sondern wurde prägend für die Bilderwelt der gesamten Epoche, die auch nachfolgende Herrscher immer wieder zitierten (vgl. Zanker 2003; 2006). Entsprechend interpretiert die Althistorikerin Alföldi (1999: 206; 9; vgl. 1970) die Funktion von Visueller Kommunikation, von Bild und Bildersprache bereits für die Antike als „politische Waffe im Dienste der römischen Kaiser“, als „politisches Geschäft“ mit dem Anliegen der bildlichen Mitteilung „(tages)politischer Inhalte.“ An diesen frühen Beispielen Visueller Politischer Kommunikation lässt sich beispielhaft nachvollziehen, dass die politischen Visualisierungen keineswegs ‘nur’ als Träger politischer Botschaften fungieren, sondern im Zeitverlauf prägend für die politische Sozialisation werden können, indem sie als Ausdruck von Werten, Positionen und Urteilen verinnerlicht werden (vgl. Zanker 2003: 13; 2006). In dieser tiefgreifenden Wirkung spiegelt sich die Bedeutung Visueller Politischer Kommunikation als gesellschaftlich-relevanter Faktor, denn bestimmte Werte gewinnen erst „in dem unendlichen Widerhall der entsprechenden Bildpolitik Realität“ (Zanker 2003: 1; vgl. Lesske 2005: 238). Wenngleich mit einem derartigen Blick auf die (Kunst-)Geschichte zu diskutieren ist, inwieweit heute tatsächlich von einer „immer offensichtlicher werdende[n] Verwandtschaft von Politik und Theater“ sowie einer „Verschmelzung von Politik und Werbung“ (Drechsel 2005: 65) ausgegangen werden kann, ist klar erkennbar, dass der Visuellen Kommunikation von Macht und Herrschaft auch, oder insbesondere, in den modernen demokratischen Staaten eine zentrale Bedeutung zukommt (vgl. Drechsel 2005: 65; Warnke 2006; Arnold/Fuhrmeister/Schiller 1998: 11). Die „Sichtbarkeit der Macht“ (Hofmann 1999) gewinnt im Zeitalter moderner Kommunikationstechnologien nicht nur an multimedialer Präsenz, sondern nimmt auch an Geschwindigkeit und Verfügbarkeit zu. Bilder wie die Schlüsselszenen beim Fall der Berliner Mauer, der Anschläge des 11. Septembers 2001 in New York, die 24 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen Fotografien aus dem US-Gefängnis Abu Ghraib im Irak oder von Bushs Landung auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln im Mai 2003 wirken im kollektiven visuellen Gedächtnis nach und entfalten damit eine Wirkung (vgl. Kap. 4.1.3.2), die über die mediale Dokumentation des aktuellen politischen Geschehens weit hinausreicht (vgl. Mitchell 2006). Dies gilt nicht weniger für den Bereich der politischen Werbung: Auch hier werden prägnante visuelle Schlüsselbilder Bestandteil des kollektiven visuellen Gedächtnisses und damit prägend für die politische Kultur. Motive wie das umstrittene ‘Hitler-Plakat’ der FDP aus dem NRW-Landtagswahlkampf 2000, die ‘Rote-Socken-Kampagne’ der CDU oder Kohls ‘Bad in der Menge’ aus dem Bundestagswahlkampf 1994 zeigen dies eindrücklich (vgl. Kap. 4.2.1). Der ‘medialen Flüchtigkeit’ und ‘Bilderflut’ zum Trotz sind politische Visualisierungen keineswegs nur im Moment der Betrachtung existent, sondern können das Potential besitzen, sich „dauerhaft als Symbole, als Repräsentation von Ereignissen oder sogar als symbolhafte Darstellungen komplexer Prozesse und Zusammenhänge in unseren Köpfen“ zu verankern (Meckel 2001: 25), sich „tief in unser Gedächtnis einzubrennen“ (Paul 2009b: 39). Insbesondere in Wahlkämpfen, Kriegen und Skandalen wird die Tragweite Visueller Politischer Kommunikation greifbar – und mit ihr die Notwendigkeit der Thematisierung ihrer demokratietheoretischen Implikationen. Denn: „Ob als entscheidende Beweismittel im Kosovo oder als Produkte der US-amerikanischen Zensur im Irak: Bilder haben für die öffentliche Wahrnehmung bewaffneter Konflikte, aber auch für deren tatsächlichen Verlauf, heute entscheidende Bedeutung“ (Drechsel 2005: 69; vgl. Paul 2009b). Dies wird auch dort deutlich, wo moralisch-ethisch weniger auf dem Spiel steht. Auch die boulevardeske Bunte-Reportage über den ehemaligen Verteidigungsminister Scharping oder die gewollt-kontroverse Inszenierung der Landrätin Pauli in Latex-Handschuhen im Personality-Magazin Park Avenue hatten spürbare Konsequenzen im politischen Raum: „Mit Bildern [wird] Politik gemacht“ (Lesske 2005: 239), ob dies medienethisch bzw. demokratietheoretisch befürwortet wird oder nicht. Wo aber „Bildlichkeit (wieder) zu einem wesentlichen Instrument [der] Durchsetzung politischer Interessen geworden ist“ (Schiller 2002: 109; vgl. Altendorfer 2004), kann die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Analyse von Visueller Kommunikation, ihrer Funktion und ihrer Wirkung als eine zentrale Herausforderung der Gegenwartsgesellschaften interpretiert werden. 1.3 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen Vor diesem Hintergrund verwundert die bis heute defizitäre Forschungslage im Forschungsfeld Visueller Kommunikation (vgl. Müller 2007a; 2003; Wolf 2006). Trotz seiner Bedeutung stellt der Gegenstandsbereich ‘Visualisierung/Visuelle Kommunikation’ für die Wissenschaft bis heute eine große Herausforderung dar Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen 25 (vgl. Wolf 2006: 13; Müller 2007a). Zwar lassen sich in verschiedenen Teildisziplinen, etwa der Bildwissenschaft (Belting 2005; 2007; Sachs-Hombach 2005a; 2005b; Müller 2001; Boehm 1994), der Politischen Ikonographie (Drechsel 2005; 2010; Müller 1997a; 1997b), der Psychologie Visueller Wahrnehmung (Bundesen/Habekost 2008; Cantoni/Marinaro/Petrosino 2002; Bullier 2001; Burdick 1997; Childers/Heckler/Houston 1986) oder der Werbewirkungsforschung (Felser 2007; Kroeber-Riel/Esch 2004; Kroeber-Riel 1990; 1993), doch mangelt es noch an wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die die speziellen Zugänge integrieren und in eine ganzheitliche Betrachtungs- und Analyseperspektive überführen. Bei Betrachtung der einzelnen Teildisziplinen (vgl. zu den einzelnen Ansätzen und dem Forschungsstand Kap. 2.1) wird zudem deutlich, dass die Perspektive auf den Gegenstandsbereich stark divergiert: Während beispielsweise der Kunstgeschichte verwandte Zugänge Visuelle Kommunikation eher aus einer stilgeschichtlichen, ästhetischen Perspektive betrachten, stellt die Wahrnehmungspsychologie eher auf die physiologischen Voraussetzungen der sensorischen Wahrnehmung und ihre weitergehende Verarbeitung ab. Dass die wissenschaftliche Standpunkte in divergente analytische Zugänge zum Forschungsbereich münden, ist hierbei nachvollziehbar. Auffällig ist dennoch, wie sehr gerade die Visuelle Kommunikationsforschung mit einer facettenreichen, teilweise auch ‘ideologisch’ geprägten, Theorie- und Forschungssituation konfrontiert ist. Exemplarisch wird dies an der verbreiteten, normativen Kritik an Visueller Kommunikation deutlich: „Visualisierung und Visibilität sind politikanalytische Begriffe, die (...) kritisch an die Verhältnisse herantreten“, erklärt etwa Münkler, in das Forschungsfeld einführend, die Bedeutung von „Strategien der Visualisierung“ (2009: 8). Ebenso deutlich wird diese Prägung für die populäre, an Postman (1989) angelehnte, kritische Interpretation von Visueller Kommunikation als Motor der Sinnenentleerung, Entpolitisierung und Entfremdung von Politik (vgl. Meyer 2009; 2001; 1998). Hierzu resümiert Hofmann (2009: 110-111): „Die Omnipräsenz der Bilder [hat] bereits früh zu Unbehagen geführt. (...) Die kritische Thematisierung (...) von visueller Politik ist (...) dominant“ (vgl. zum kritischen Diskurs Visueller Kommunikation Kap. 2.1.2). Hier ist einerseits plausibel, dass sich das skizzierte Theoriedefizit auf die empirische Forschungslage auswirkt; so wurde der Bereich der Visuellen Kommunikation aus politik- oder kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bis Mitte der 1990er Jahre kaum empirisch analysiert (vgl. Drechsel 2005: 67; van Leeuwen/Jewitt 2001; 2006). Andererseits ist die fragmentale Forschungslage angesichts der erlebbaren „Omnipräsenz der Bilder“ (Hofmann 2009: 111) und der ihr zugeschriebenen Wirkungsmacht aber auch verwunderlich: Gerade weil Bilder in ihrer spezifischen Funktions- und Wirkungslogik als so eindringlich und „verhängnisvoll“ (vgl. Hofmann 2009: 110) eingeschätzt werden, gerade weil für die Gesellschaft dysfunktionale Wirkungen vermutet werden (vgl. Postman 1989; Meyer 2001; 1998), 26 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen ist die Analyse der Wirkung und der ihr zugrunde liegenden Mechanismen fundamental, um die Einschätzung zu relativieren oder besser mit der Wirkungsmacht der Bilder umgehen zu können (vgl. Rose 2007). Denn entgegen der populären und weithin spürbaren Kritik, der „Stil der visuellen Eindrücklichkeit“ verdränge die „diskursive Erfahrung der sozialen Welt, die rationale Verständigung und den kritischen Diskurs (...) von den Medienbühnen der Öffentlichkeit“ (Meyer 2009: 56), wäre auch ein Zugang zur Visualisierung von Politik denkbar, der deren Wirkung nicht per se wertend einschätzt, sondern diese Einschätzungen kontextabhängig und empirisch analysiert (vgl. van Leeuwen/Jewitt 2006; 2001). Oder anders formuliert: Die Frage, wie sich die theoretisch begründbare Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation in den jeweils zu untersuchenden Kommunikationskontexten auswirkt, sollte als empirische Frage verstanden werden, nicht als normative. Hier zeigt sich zwar in jüngerer Zeit ein wachsendes Interesse am Forschungsgebiet der Visuellen Kommunikation, systematische Forschungen zur empirischen Fundierung ihrer Rezeption und Wirkung stehen allerdings noch aus. Eine mögliche Ursache für die unbefriedigende Forschungslage ist vielleicht, dass die Analyse Visueller Kommunikation hohe Anforderungen an die Methodenauswahl und Forschungsdurchführung stellt (Knieper/Müller 2001: 13; vgl. Rose 2007). Dass der visuellen Informationsvermittlung bis heute eine „unterbelichtete Rolle“ zukommt (vgl. Sarcinelli 2005: 100; Müller 2003), liegt, wie Knieper und Müller (2004: 9) vermuten, „primär an der Schwierigkeit einer sinnvollen Operationalisierung von Bildkommunikation“ und deren Wirkungen. In der Konsequenz existiert nach wie vor eine bemerkenswerte Forschungslücke, ist das Visuelle nach wie vor „an understudied field of communication research“ (Müller 2007a: 13), was erstaunt, da zahlreiche Autoren die wachsende Bedeutung visueller Kommunikationsformen betonen (vgl. SachsHombach 2003a; Müller 2001). Insbesondere mangelt es auch an Studien, die die Logik Visueller Kommunikation konkret auf den spezifischen Anwendungsbereich der Politischen Kommunikation übertragen, hierfür eine theoretische Perspektive entwerfen und diese empirisch erforschen (vgl. Sarcinelli 2005: 100; Müller 2003). Einen ersten theoretisch und empirisch fundierten Zugang zur Einschätzung des Wirkungspotentials Visueller Kommunikation im politischen Kontext liefern Ansätze zur Rezeptions- und Kognitionsforschung sowie Theorien zu Wahrnehmung, Lernen und Erinnern. Die in diesen Forschungsbereichen gewonnenen Erkenntnisse zur Wahrnehmung und Verarbeitung visuell kommunizierter Inhalte belegen übereinstimmend den Picture Superiority Effect, ein Phänomen, das sich wie folgt zusammenfassen lässt (vgl. Kobayashi 1986; Childers/Heckler/Houston 1986; Childers/Houston 1984; Nelson/Castano 1984; Nelson 1979; Nelson/Reed/Walling 1976): Bilder generieren mehr Aufmerksamkeit und höhere Aktivierung als Texte, sie werden mit geringerer kognitiver Kontrolle ganzheitlich und quasiautomatisch aufgenommen, extrem schnell entschlüsselt und verarbeitet, länger und Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen 27 besser erinnert sowie besser und schneller wieder erkannt (vgl. Kroeber-Riel 1993: 14; Lachmann 2002: 130). Im Gedächtnis visuell verankerte Erinnerungen, Einstellungen und Verhaltensdispositionen sind damit prägnanter und nachhaltiger wirksam als solche, die lediglich begrifflich-verbal rekonstruiert werden können. Zudem werden Bilder, da sie schneller erfasst und ganzheitlich verarbeitet werden als Texte, in größeren Sinneinheiten rezipiert als Sprachinformationen, was Kroeber-Riel (1993: 53) zu der bekannt gewordenen Formulierung „Bilder sind schnelle Schüsse ins Gehirn“ veranlasste. Visuelle Kommunikation besitzt ein eigenes Kommunikationsprinzip, das erheblich von der sprachlich-textlich dominierten Kommunikation abweicht (Messaris 2003: 553). Visuelle Kommunikation folgt damit einer eigenen „Logik“ (Müller 2001: 22; 2003). Gerade diese spezifische Logik macht die visuelle Bedeutungsvermittlung für den Transfer kommunikativer Inhalte so attraktiv. Pointiert offenbart die Visualisierung komplexer politischer Sachverhalte Pontentiale, den Wähler trotz Krise der politischer Repräsentation zu erreichen, denn: 1. 2. Es ist einleuchtend, dass die Erkenntnisse zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation nicht vom Kommunikationsinhalt abhängig sind, sondern die Vermittlung visueller Inhalte grundsätzlich charakterisieren und daher auch für den Bereich der Politischen Kommunikation gelten, wobei die bisherigen Erkenntnisse zu der These führen, dass der Einsatz Visueller Kommunikation aufgrund ihrer spezifischen Funktions- und Wirkungslogik den Wahrnehmungs- und Wirkungsprozess positiv beeinflusst. Folglich müssten sich auch politische Sachverhalte visuell prägnanter, nachhaltiger, verständlicher und wirksamer kommunizieren lassen als über rein textliche Zeichen. Das erscheint vor allem bei komplexen politischen Themen schlüssig, da hier eine unmittelbare Erfahrung der objektiven Themenrealität wenig wahrscheinlich ist. Zudem sind visuelle Inhalte auch Personen mit geringerer formaler Bildung eher zugänglich. Setzt man außerdem voraus, dass vor jeder Meinungs- und Einstellungsänderung die Notwendigkeit ihrer Thematisierung steht, wird weiter deutlich, welche Bedeutung der visuellen politischen Information zukommt: Bevor sich die Rezipienten eine Meinung zu einem Thema bilden oder ihre bestehende Meinung verändern können, müssen sie mit diesem, unter den Bedingungen eines permanenten Information Overload, erst einmal in Kontakt kommen. Bereits auf dieser ersten Stufe im Wahrnehmungsprozess müsste sich die ‘Überlegenheit’ Visueller Kommunikation zeigen: Da Visualisierungen im Vergleich zu Texten über ein höheres Aktivierungspotential verfügen, ist der Kontakt bei visueller Informationsübermittlung nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch nachhaltiger. Denn aufgrund der Bildüberlegenheitswirkung führt die Betrachtung visueller Informationen beim Rezipienten auch bei einer lediglich peripheren Wahrnehmung zu einer men- 28 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen talen Verankerung. Zudem gelingt die Übermittlung der Botschaften in einem Bruchteil der Zeit, die die verbale Nachricht ‘kosten’ würde. Der skizzierten These, dass sich die Erkenntnisse zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation auf den Bereich der Politischen Kommunikation übertragen lassen, steht gegenüber, dass sich die hier gewonnenen Ergebnisse größtenteils auf Studien aus dem spezifischen Bereich der Konsumgüterwerbung oder auf allgemeine Erkenntnisse zu Visueller Wahrnehmung beziehen. Daraus wird häufig die Limitation abgeleitet, die dort ermittelten Wahrnehmungsmuster und Wirkungen Visueller Kommunikation ließen sich nicht ohne weiteres auf den Bereich der Politischen Kommunikation übertragen, da hier der Wahrnehmungsfilter ‘politische Prädispositionen’ berücksichtigt werden müsse (vgl. Geise/Brettschneider 2010). Die Filterwirkung politischer Prädispositionen wiesen Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1965) in ihrer Studie „The People’s Choice“ nach. Menschen wendeten sich vor allem jenen Informationen zu, die ihren politischen Voreinstellungen entsprächen. Sie mieden hingegen dissonante Informationen, und dies umso mehr, je stärker ihre Prädispositionen ausgeprägt seien (z.B. die Parteineigung). Daher könne die wertende Berichterstattung über eine Partei oder einen Spitzenpolitiker die vorhandenen Einstellungen der Rezipienten nicht in ihrer Richtung verändern, sondern sie lediglich verstärken (Verstärkerhypothese; vgl. Klapper 1960). Doch obwohl Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1965: 164) als Wahrnehmungsgesetzmäßigkeit erkennen: „The fact that people select their exposure along the line of their political predispositions is only a special case of a more general law which pervades the whole field of communications research. Exposure is always selective; in other words, a positive relationship exists between people‘s opinions and what they choose to listen or read,“ steht dieser grundlegenden Beobachtung ein anderer Befund entgegen. Im Rahmen seiner Untersuchung der Einflüsse von Konsonanz und Dissonanz und von formalen Merkmalen bei der Zeitungsrezeption konnte Donsbach (1991: 169; 1990) nachweisen, dass die Barriere selektiver Wahrnehmung politischer Informationen durch eine prominente, betonende Gestaltung (insbesondere: Bebilderung, Platzierung, Headline-Größe) umgangen (bei negativen Informationen) oder zumindest reduziert werden kann (bei positiven Informationen). So führen alleine schon eine prominente Platzierung sowie eine auffällige Aufmachung (Überschriftengröße, Bebilderung, Farbe) von Zeitungsartikeln dazu, dass deren (textliche) Inhalte wahrgenommen werden, auch wenn sie den Prädispositionen der Rezipienten widersprechen. Den stärksten Einfluss auf die Beachtung und auf das Leseverhalten hat die Platzierung eines Artikels (Donsbach 1991: 136). Auch die Größe der HeadlineTypen (Typen-Höhe), die Anzahl der Spalten sowie die Verwendung von Sublines beeinflussen entscheidend, ob ein Artikel gelesen, angelesen, ob Überschrift oder Unterschrift ‘überflogen’ werden oder ob der Artikel unbeachtet bleibt (Donsbach Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen 29 1991: 136-137). Zudem generieren bildliche Darstellungen einen deutlich höheren Aufmerksamkeitswert als Textinformationen: Die Beachtungschance von Fotos und Karikaturen ist etwa doppelt so groß wie die der Artikel (Donsbach 1991: 135-136). Die Ergebnisse zeigen damit eine eindeutige Selektionspräferenz für bildliche Darstellungen (vgl. Zillmann/Knobloch/Yu 2001; Knobloch/Hastall/Zillmann/Coy 2003). Interessant für die Bedeutung Visueller Kommunikation ist dabei, dass die Wirkung der formalen Betonung (Platzierung, Überschriftengestaltung, Bebilderung) die der Nachrichtenwerte bzw. der inhaltlichen Ereignismerkmale übersteigt (vgl. Donsbach 1991: 143-144). Visuelle Kommunikation ist also auch unter dem Aspekt der selektiven Wahrnehmung höchst interessant. Denn zum einen sind visuelle Informationen weitaus weniger von Wahrnehmungsabbrüchen betroffen als textliche Informationen (vgl. Schierl 2001a; 2001b; Lachmann 2002), zum anderen werden sie auch weitaus weniger selektiv wahrgenommen als dies bei Textinformationen der Fall ist (vgl. Zillmann/Knobloch/Yu 2001), denen sich der Rezipient erst bewusst analytisch-sequentiell zuwenden muss. Es ist also auch aus der Perspektive selektiver Wahrnehmung plausibel, dass Visuelle Politische Kommunikation über ein besonderes Wirkungspotential verfügt. Da die hier vermuteten Überlegenheitseffekte Visueller Wahrnehmung und Visueller Kommunikation aber bislang nicht wissenschaftlich valide auf ihr Wirkungspotential im Bereich der Politischen Kommunikation hinterfragt wurden, spricht einiges dafür, die Wahrnehmung und Wirkung Visueller Politischer Kommunikation eingehender zu untersuchen. Geht man hierbei davon aus, dass „die visuelle Wahrnehmung nun einmal eine unabdingbare Voraussetzung dazu [ist], dass es überhaupt zu einer anschließenden kognitiv-emotionalen Interpretation oder Wirkung des Wahrgenommenen kommt“ (Raab/Unger/Unger 2009: 140), können die tatsächlichen Rezeptionsverläufe der Rezipienten als Indikator für das grundsätzliche Wirkungspotential eines Kommunikationsmediums angesehen werden. Dies gilt besonders, da neben individuellen Prädispositionen und situativen Einflüssen vor allem stimulusspezifische Faktoren den Rezeptionsprozess bzw. den Blickverlauf steuern (Leven 1991: 15; vgl. 1986). Legt man dabei die Erkenntnisse zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation zugrunde, müssten Unterschiede in der Beschaffenheit des Kommunikationsträgers, insbesondere visueller vs. textlicher Kommunikationsmodus, zu messbaren Wahrnehmungs- und Wirkungsunterschieden führen. Die visuelle Beschaffenheit des Mediums wäre entscheidend für die grundsätzliche Möglichkeit, eine intendierte Medienwirkung zu erreichen: Je größer die visuelle Prägnanz einer Botschaft, desto größer die Prägnanz der Botschaft für den Wahrnehmungsprozess des Rezipienten und desto größer das Wirkungspotential Visueller Kommunikation. Denn auf Basis dieser Eigenschaften sollten sich Rezeptionsverlauf und Wirkungsprozess strukturieren. 30 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen Ausgangspunkt des Forschungsprojekt sind damit die Fragen, wie sich die hier skizzierte Funktionslogik Visueller Kommunikation tatsächlich gestaltet und wie sich die Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation im Rezeptionsprozess auswirkt. Ziel ist hierbei, den Forschungsstand mit neuen Erkenntnissen zur Funktions-, Rezeptionsund Wirkungsweise Visueller Politischer Kommunikation zu ergänzen. Dabei ist insbesondere notwendig, das Potential visueller Bedeutungsvermittlung im Raum der Politischen Kommunikation differenzierter zu beleuchten. Hier ist zunächst zu betonen, dass Visuelle Kommunikation einer eigenen Logik folgt, die es auch methodisch umfassend zu berücksichtigen gilt; ein „spezifisch visuell-wissenschaftliches Vorgehen“ ist daher unerlässlich (Knieper/Müller 2001: 13). Aufgrund des bisher nur unzureichend formulierten theoretischen Rahmens, bedingt die Fragestellung eine Zusammenführung verschiedener Theorien zur Wahrnehmung, Rezeption und Wirkung Visueller Kommunikation, damit die visuellen Konzepte politischer Information in ihrer Komplexität erfasst und in ihren Wirkungsdimensionen bewertet werden können. Einen zentralen Ausgangspunkt der theoretischen und empirischen Erschließung der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation bildeten hierfür die folgenden vier oben bereits eingeführten Arbeitsthesen: 1.3.1 Arbeitsthesen zur theoretischen und empirischen Analyse des Gegenstandsbereichs Visueller Politischer Kommunikation Die Erkenntnisse zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation lassen sich auf den Bereich der Politischen Kommunikation übertragen. Je größer die visuelle Prägnanz einer politischen Botschaft, desto größer ist die Prägnanz der politischen Botschaft für den Wahrnehmungsprozess des Rezipienten und desto größer ist das Wirkungspotential Visueller Politischer Kommunikation. Unterschiede in der Beschaffenheit des Kommunikationsträgers, wie visueller vs. textlicher Kommunikationsmodus, sollten zu messbaren Wahrnehmungsund Wirkungsunterschieden führen. Aufgrund der spezifischen Funktions- und Wirkungslogik sollte der Einsatz Visueller Politischer Kommunikation den Wahrnehmungs- und Wirkungsprozess politischer Informationsvermittlung positiv beeinflussen. Die diesen Arbeitsthesen inhärenten Implikationen lassen sich in ein Set von Theorie- und Forschungsfragen überführen. Diese ergeben die dem hier präsentierten Forschungsprojekt zugrunde liegende Aufgabenstellung. Die Bearbeitung erfordert dabei nicht nur die Entwicklung eines ganzheitlichen interdisziplinären Zugangs, sondern auch eine Erweiterung der bisherigen Auseinandersetzung mit dem For- Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen 31 schungsgebiet hinsichtlich der drei Dimensionen Theorien Visueller Kommunikation, Methoden der Analyse Visueller Kommunikation, Wirkungen Visueller Kommunikation. Hierbei sind insbesondere folgende Fragen zu klären: 1.3.2 1.3.3 1.3.4 Leitfragen der theoretischen Fundierung Wie lässt sich Visuelle Kommunikation wissenschaftlich definieren, wie analysieren? Wie lässt sich der spezifische Modus Visueller Kommunikation theoretisch und interdisziplinär fassen? Wie lassen sich die zugrunde liegenden, vielschichtigen Kommunikations-, Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse in eine integrative Perspektive einer Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation zusammenführen? Wie lassen sich die theoretischen und strategischen Implikationen der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation auf den politischen Raum übertragen? Wie lassen sich der spezifische Modus Visueller Kommunikation und der spezifische Modus Politischer Kommunikation in eine ganzheitliche Betrachtungsperspektive der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation integrieren? Leitfragen der methodischen Fundierung Wie lässt sich die Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation empirisch untersuchen? Welche spezifische Analyseebene kann hierfür gewählt werden? Auf welches Untersuchungsobjekt kann sich die empirische Analyse fokussieren, um die Besonderheiten des Modus Politischer Kommunikation ebenso zu bedienen wie die Charakteristika des Modus Visueller Kommunikation? Welche empirischen Methoden können für die Analyse Visueller Politischer Kommunikation zum Einsatz kommen? Welches Methodendesign ist zu wählen, um auf methodisch-analytischer Seite der Komplexität Visueller Kommunikation gerecht zu werden und ihre Wirkungen überhaupt messen zu können? Welche Einschränkungen sind damit verbunden? Leitfragen der empirischen Fundierung Inwieweit lassen sich Erkenntnisse der Wirkung Visueller Kommunikation (v.a. der Bildüberlegenheitseffekt) auf Politische Kommunikation übertragen,