Untitled

Transcrição

Untitled
Stephanie Geise
Vision that matters
Stephanie Geise
Vision that matters
Die Funktions- und Wirkungslogik
Visueller Politischer Kommunikation
am Beispiel des Wahlplakats
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
.
1. Auflage 2011
Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Lektorat: Dorothee Koch / Priska Schorlemmer
VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien.
Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.vs-verlag.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist
ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere
für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-17819-6
Danke.
Ich danke meinem Doktorvater: Lieber Herr Brettschneider, vielen Dank! Für vier
spannende Jahre, für Ihre Passion, Freiräume als Herausforderung anzubieten, für
Ihr Talent, Kreativität auch in der Forschung zu fördern. Und ich danke der Fritz
Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung, dass sie die dem Foschungsprojekt
zugrunde liegenden Studien in dieser Form ermöglicht hat. Allen anderen, die direkt
oder indirekt an diesem Projekt beteiligt waren, danke ich mit Freuden lieber
persönlich.
Stephanie Geise
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... 11
Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 13
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ 18
1
Visualisierung der Politik – Politik der Visualisierung ............................ 21
1.1 Visuelle Politische Kommunikation am Beispiel von Wahlplakaten.......... 21
1.2 Visuelle Politische Kommunikation ................................................................ 22
1.3 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen............................. 24
1.3.1 Arbeitsthesen zur theoretischen und empirischen Analyse des
Gegenstandsbereichs Visueller Politischer Kommunikation............... 30
1.3.2 Leitfragen der theoretischen Fundierung................................................ 31
1.3.3 Leitfragen der methodischen Fundierung............................................... 31
1.3.4 Leitfragen der empirischen Fundierung .................................................. 31
1.4 Ein Phasenmodell der Funktions- und Wirkungslogik Visueller
Kommunikation.................................................................................................. 32
1.5 Vorgehensweise und Struktur ........................................................................... 37
2
Der Modus Visueller Kommunikation und seine Funktionslogik...........39
2.1 Visuelle Kommunikation in Forschung und Diskurs ................................... 40
2.1.1 Visuelle Kommunikation in wissenschaftlicher Forschung ................. 40
2.1.2 Visuelle Kommunikation im kritischen Diskurs.................................... 49
2.2 Visuelle Kommunikation................................................................................... 53
2.2.1 Visuelle Kommunikation und Bildkommunikation .............................. 54
2.2.2 Was ist ein Bild? Definitionen des Bildbegriffs...................................... 55
2.2.3 Bildbegriff, Gegenstandsbereich und Definition
Visueller Kommunikation ......................................................................... 62
2.2.4 Der spezifische Modus Visueller Kommunikation ............................... 68
8
Inhalt
2.3
Grundlegende Prozesse (Visueller) Wahrnehmung und
Informationsverarbeitung.................................................................................. 72
2.3.1 Der klassische Wahrnehmungsprozess ................................................... 74
2.3.2 Wahrnehmung als Aufmerksamkeits- und Aktivierungsprozess ........ 75
2.3.3 Wahrnehmung als Entfaltungsprozess.................................................... 76
2.3.4 Wahrnehmung als Konstruktionsprozess............................................... 79
2.3.5 Wahrnehmung und Informationsverarbeitung ...................................... 82
2.3.5.1
Die Schematheorie ............................................................................. 82
2.3.5.2
Framingprozesse: Strategisches, perzeptives und
applikatives Framing .......................................................................... 86
2.3.5.3 Das Involvement-Konzept ............................................................... 92
2.3.5.4
Das Hemisphären-Modell ................................................................. 94
2.3.5.5
Das Elaboration Likelihood Model ................................................. 96
2.4 Spezifische Theorien zu Bildwahrnehmung und Bildverstehen.................. 99
2.4.1 Bildwahrnehmung und Bildverstehen als ‘Konstruktionsprozess’ ..... 99
2.4.2 Bilder als mentale Repräsentationen...................................................... 101
2.4.3 Die Theorie der Dualen Codierung ....................................................... 103
2.4.4 Mentale und reale Bilder .......................................................................... 104
2.4.5 Bildverstehen, Bildkompetenz und Visual Persuasion........................ 107
3
Der Modus Politischer Kommunikation und seine Funktionslogik ..... 109
3.1 Politische Kommunikation und Politikvermittlung .................................... 110
3.2 Funktionen von Politischer Kommunikation .............................................. 114
3.3 Bedeutung der Medien für Politik und Politikvermittlung......................... 116
3.4 Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft................................ 118
3.4.1 Charakteristika der Mediengesellschaft ................................................. 118
3.4.2 Konsequenzen eines neuen Strukturwandels ....................................... 119
3.4.2.1
Die Entertainisierung der Politik ................................................... 121
3.4.2.2
Die Personalisierung und Prominenzierung der Politik ............. 122
3.4.2.3
Die Theatralisierung der Politik ..................................................... 125
3.4.2.4
Die Inszenierung der Politik ........................................................... 126
3.4.2.5
Die Symbolisierung der Politik....................................................... 128
3.4.2.6
Die Visualisierung der Politik ......................................................... 129
3.5 Entscheidungspolitik versus Darstellungspolitik:
‘Spielen wir nicht alle Theater?’ ...................................................................... 133
3.6 Konsequenzen für den Modus der Visuellen Politischen
Kommunikation................................................................................................ 137
Inhalt
4
9
Integration: Der Modus Visueller Politischer Kommunikation
und seine Funktionslogik am Beispiel des Wahlplakats ....................... 139
4.1 Politische Kommunikation im Wahlkampf .................................................. 140
4.1.1 Themenmanagement: Strategisches Agenda Setting und Priming.... 142
4.1.1.1
Die Agenda-Setting-Funktion der Medien ................................... 144
4.1.1.2
Der Priming-Effekt der Medien..................................................... 149
4.1.1.3
Strategisches Themenmanagement im Wahlkampf .................... 150
4.1.2 Kampagnenmanagement, Wahlwerbung und
Negative Campaigning ............................................................................. 153
4.1.2.1
Die strategische Medienkampagne ................................................ 154
4.1.2.2
Die strategische Werbekampagne .................................................. 155
4.1.2.3
Image-Konstruktion und Negative Campaigning ....................... 156
4.1.2.4
Wirkung von Wahlwerbung – Zum Forschungsstand ............... 160
4.1.3 Visuelles Kommunikationsmanagement als
Integrierte Visuelle Kommunikation ..................................................... 164
4.1.3.1
Das Konzept der Integrierten Kommunikation.......................... 164
4.1.3.2
Die Praxis Integrierter Kommunikation in der Politik ............... 165
4.1.3.3
Integrierte Visuelle Kommunikation in der Politik..................... 170
4.2 Politische Kommunikation durch das Wahlplakat ...................................... 172
4.2.1 Das Plakat – Definition und Charakteristika des Mediums ............... 172
4.2.2 Die Wirkung von Wahlplakaten – Zum Forschungsstand................. 175
4.2.3 Das Wahlplakat als typisches Medium Visueller
Politischer Kommunikation .................................................................... 185
5
Methodik der Studie zur Analyse der Funktions- und Wirkungslogik
am Beispiel des Wahlplakats .................................................................. 187
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
Überblick über den Untersuchungsaufbau und die Erhebungsmethoden
in Testreihe I und II ......................................................................................... 188
Die Integration von Befragung, Eyetracking und RTR
im experimentellen Setting .............................................................................. 190
Ablauf der Erhebungen in Testreihe I und II .............................................. 195
Auswahl und Zusammensetzung des Stimulusmaterials ............................ 201
Auswahl und Zusammensetzung der Stichproben von
Testreihe I und II.............................................................................................. 203
10
6
Inhalt
Empirie: Der Modus Visueller Politischer Kommunikation und seine
Wirkungslogik am Beispiel des Wahlplakats ......................................... 207
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
7
Die Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation
am Beispiel des Wahlplakats ........................................................................... 207
Pre-attentive Prädisposition und ‘Erster Eindruck’ .................................... 208
Allokation von Aufmerksamkeit und Aktivierung und Hierarchie
der Wahrnehmungssequenz ............................................................................ 221
Reflektierte post-kommunikative Evaluation und Akzeptanz................... 265
Memorizationen: Erinnerungswirksamkeit, Wiedererkennung
und Zuordnungssicherheit .............................................................................. 277
Agenda-Setting .................................................................................................. 289
Priming ............................................................................................................... 310
Applikatives Framing und Relatives Priming ............................................... 324
Vision that matters ................................................................................. 337
7.1
7.2
7.3
7.4
Die Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation ......................... 337
Vision that matters............................................................................................ 339
Reflektion und Perspektiven ........................................................................... 344
Epilog: Ein utopisches Projekt ....................................................................... 352
Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 355
Anhang ............................................................................................................................... 391
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
A
ANOVA
AOI
B
BVerfGE
CBS
ComLab
ELM
EOS 12 Kl.
fMRI
fMRT
G
G1
G2
G3
G4
HI
KK
LI
M1
M2
MANOVA
MRA
MW
Mx,1
Mx,2
NBC
OB
OC
OH
OL
Erklärung
Alter
Univariante Varianzanalyse
Area of Interest
Bildungsgrad
Bundesverfassungsgericht-Entscheid
Columbia Broadcasting Systems
Communication Laboratory
Elaboration Likelihood Model
Erweiterte Oberschule 12. Klasse
Functional Magnetic Resonance Imaging
funktionale Magnet-Resonanz Tomographie
Geschlecht
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Gruppe 4
High Interest (Hohes Interesse)
(Subjektiv wahrgenommene) Kandidatenkompetenz
Low Interest (Geringes Interesse)
Vorher-Messung
Nachher-Messung
Multivariate Varianzanalyse
Multiple Regressionsanalyse (MRA)
(grundsätzliche Haltung zum) Medium Wahlplakat
Messwelle x Vorher
Messwele x Nachher
National Broadcasting Company
Betrachtungsdauer der Bildmotivs
Betrachtungsdauer des Claims
Betrachtungsdauer der Headline
Betrachtungsdauer der Logos
12
OS
OT
PA
PC
PET
PID
PIN
POS 10 Kl.
RA
RTR
T1
T2
TB
TH
TL
TS
TVN
VIF
W1
W2
W3
W4
ZN
ZwM
Abkürzungsverzeichnis
Betrachtungsdauer der Subline
Betrachtungsdauer des Copy-Texts
Pre-attentive Plakat-Bewertung
Personal Computer
Positronenemissionstomographie
Parteiidentifikation
Politisches Interesse
Erweiterte Oberschule 10. Klasse
(reflektiert evaluierte) Akzeptanz
Realtime Response
Testreihe 1
Testreihe 2
Time to First Fixation Bildmotiv
Time to First Fixation Headline
Time to First Fixation Logo
Time to First Fixation Subline
Intensität der TV-Nutzung
Varianzinflationsfaktor
Welle 1
Welle 2
Welle 3
Welle 4
Zeitungsnutzung
Zwei Meinungen zum Medium Wahlplakat
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsnummer
Abbildung 01
Abbildung 02
Abbildung 03
Abbildung 04
Abbildung 05
Abbildung 06
Abbildung 07
Abbildung 08
Abbildung 09
Beschreibung
Ein Phasenmodell der Funktions- und
Wirkungslogik Visueller Kommunikation.
‘Unframed’ Wahlplakate der SPD aus dem
Kommunalwahlkampf 2008 in Bayern (SPD
Landesverband Bayern) sowie negative
Campaigning-Plakat der SPD im ‘CDUDesign’ aus dem Bundestagswahlkampf 2005
(SPD Bundespartei).
Typen politischer Kommunikation
(Bentele 1998a: 131).
Schrift-Bild-Plakate der CDU (CDU
Bundespartei) sowie von Bündnis90/Die
Grünen aus dem Bundestagswahlkampf 2002
(Bündnis 90/Die Grünen Bundespartei).
Typoplakate der SPD aus dem
Bundestagswahlkampf 2005 (SPD
Bundespartei). CDU-Wahlplakat aus dem
Bundestagswahlkampf 1994: Kohls ‘Bad in
der Menge’ (Agentur von Mannstein).
Das ‘Lehrer-Plakat’ der FDP aus dem
Landtagswahlkampf in NRW 2000 (FDP
Landesverband NRW) sowie das ‘LehrerPlakat’ der Bündnis 90/Die Grünen aus dem
Bundestagswahlkampf 2002 (Bündnis 90/Die
Grünen Bundesverband).
Überblick über die eingesetzte
Methodenkombination in T1.
Exemplarisches Stimulusmaterial aus
Testreihe I (Eigenes Layout; Bildquelle
Thomas Kerzner: „Pretty W_oma_n“;
photocase.com; Wahlplakat der SPD
Niedersachsen) sowie aus Testreihe II
(Wahlplakat der FDP Bayern).
Exemplarisches Stimulusmaterial aus
Testreihe II (ab Welle 2): Auswahl erstellter
Einzelmotive der Testkampagne zum Thema
Familienpolitik.
Seite
35
91
113
174
175
184
190
202
203
14
Abbildung 10
Abbildung 11
Abbildung 12
Abbildung 13
Abbildung 14
Abbildung 15
Abbildung 16
Abbildung 17
Abbildung 18
Abbildung 19
Abbildungsverzeichnis
Die spontan am besten bewerteten Plakate
der Flash-Phase aus Testreihe I.
Die spontan am besten bewerteten Plakate
der Flash-Phase aus Testreihe II, W1.
Die spontan am schlechtesten bewerteten
Plakate der Flash-Phase aus Testreihe I.
Die spontan am schlechtesten bewerteten
Plakate der Flash-Phase aus Testreihe II,
Welle 1.
Exemplarische Auswahl der selbst erstellten
Einzelmotive der Testkampagne für die
Wirkungsstudie.
Scanpath- oder Gazeplot-Analyse als
Vergleich exemplarisch ausgewählter
Blickverläufe aus T1 bei einer
Betrachtungszeit von 5 sec mit den
Ergebnissen aus T2 bei einer
Betrachtungszeit von 3,5 sec (Eigene
Darstellung; Originalplakat: CDU
Niedersachsen)
Scanpath- oder Gazeplot-Analyse der
Blickverläufe der Probanden der Gruppe
‘Nur Bild’ aus T1 bei einer Betrachtungszeit
von 0,5 sec (Eigene Darstellung;
Originalplakat: CDU Niedersachsen) sowie
Hot-Spot-Analyse der aggregierten
Blickverläufe der Probanden der Gruppe
‘Nur Bild‘ aus T1 bei einer Betrachtungszeit
von 0,5 sec (Eigene Darstellung;
Originalplakat: CDU Niedersachsen).
Vergleich der Aufmerksamkeitslandschaften
aus verschiedenen Test-Gruppen in T1:
Long-Phase der Gruppe ‘Nur Bild’ sowie
Long-Phase der Gruppen ‘Themen A’ und
‘Themen B’.
Vergleich der Gaze-Plot-Analysen aus
verschiedenen Test-Phasen. Flash-Phase der
Gruppe ‘Themen A’ sowie Long-Phase der
Gruppe ‘Themen A’.
Aktive Erinnerung an Plakatinhalte.
(Nennungen insgesamt: 328; Auswertung auf
213
213
214
215
236
239
241
243
244
280
15
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 20
Abbildung 21
Abbildung 22
Abbildung 23
Abbildung 24
Abbildung 25
Abbildung 26
Abbildung 27
Abbildung 28
Abbildung 29
Basis der stimulusheterogenen Gruppen
‘Themen A’ und ‘Themen B’ in T1).
Aktive Erinnerung an Plakatinhalte.
(Nennungen insgesamt: 4078; Auswertung
auf Basis der stimulusheterogenen Gruppen
‘Themen A’ und ‘Themen B’ in T2.
Top5-Plakate der ungestützten Erinnerung in
Testreihe II über Gruppe 1 und Gruppe 2.
Flop5-Plakate der ungestützten Erinnerung
in Testreihe II über Gruppe 1 und Gruppe 2.
Gegenüberstellung der prozentualen
Erinnerungsleistung von Bild- versus
Textplakaten der Wellen 1 bis 4.
Die Recognition-Top-Five auf Basis der 8500
Wiedererkennungen im Vergleich mit den
jeweiligen Recognition-Ergebnissen der
entsprechenden Textplakate; Auswertung
über G1 und G2 in T2, W1 bis W4.
Absolute Entwicklung der neun untersuchten
Themenfelder in der Berichterstattung.
Veränderung der Themenwichtigkeiten auf
Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (von W2
bis W4) nach Treatmentexposition für G1.
Veränderung der Themenwichtigkeiten auf
Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (von W2
bis W4) nach Treatmentexposition für G2.
Absolute Differenz der Themenwichtigkeiten
‘vorher’ zu Themenwichtigkeiten ‘nachher’
auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (W2
bis W4) nach Treatmentexposition für G1;
basiert auf der Bewertung der Themenwichtigkeit auf einer Skala von -5 als
‘überhaupt nicht wichtig’ bis +5 ‘sehr
wichtig’.
Absolute Differenz der Themenwichtigkeiten
‘vorher’ zu Themenwichtigkeiten ‘nachher’
auf Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (W2
bis W4) nach Treatmentexposition für G2;
basiert auf der Bewertung der Themenwichtigkeit auf einer Skala von -5 als
‘überhaupt nicht wichtig’ bis +5 ‘sehr
282
283
284
285
287
292
298
299
301
302
16
Abbildung 30
Abbildung 31
Abbildung 32
Abbildung 33
Abbildung 34
Abbildung 35
Abbildung 36
Abbildung 37
Abbildungsverzeichnis
wichtig’.
Themenkongruenter Stimulus für W2, G1:
Dargeboten wurden 7 Bildplakate aus der
fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik
für jeweils 3,5 sec.
Themeninkongruenter Stimulus für W2, G2:
Dargeboten wurden 3 Bildplakate aus der
fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik
sowie 4 andersartige Plakatmotive für jeweils
3,5 sec.
Themenkongruenter Stimulus für W3, G1:
Dargeboten wurden 20 Plakate aus der
fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik
(davon 10 Bildplakate und 10 Textplakate)
für jeweils 0,5 sec in der Flash-Phase sowie
3,5 sec in der Long-Phase.
Themeninkongruenter Stimulus für W3, G2:
Dargeboten wurden 10 Plakate aus der
fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik
(davon 5 Bildplakate und 5 Textplakate)
sowie 10 andersartige Plakatmotive (davon 5
Bildplakate und 5 Textplakate) für jeweils 0,5
sec in der Flash-Phase sowie 3,5 sec in der
Long-Phase.
Themenkongruenter Stimulus für W4, G1:
Dargeboten wurden 7 Plakate aus der fiktiven
SPD-Kampagne zu Familienpolitik (alle
Bildplakate) für jeweils 3,5 sec in der LongPhase.
Themeninkongruenter Stimulus für W4, G2:
Dargeboten wurden 7 andersartige
Plakatmotive (alle Bildplakate, davon 2 mit
Familienbezug) für jeweils 3,5 sec in der
Long-Phase.
Themenkongruenter Stimulus für W2, G1:
Dargeboten wurden 7 Bildplakate aus der
fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik
für jeweils 3,5 sec.
Themeninkongruenter Stimulus für W2, G2:
Dargeboten wurden 3 Bildplakate aus der
fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik
303
303
306
306
307
308
316
316
17
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 38
Abbildung 39
Abbildung 40
Abbildung 41
Abbildung 42
sowie 4 andersartige Plakatmotive für jeweils
3,5 sec.
Themenkongruenter Stimulus für W3, G1:
Dargeboten wurden 10 Bildplakate sowie 10
Textplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne
zu Familienpolitik für jeweils 3,5 sec.
Themeninkongruenter Stimulus für W3, G2:
Dargeboten wurden 5 Bildplakate sowie 5
Textplakate aus der fiktiven SPD-Kampagne
zu Familienpolitik sowie 10 andere
Wahlplakate (5 Bild- und 5 Textplakate) für
jeweils 3,5 sec.
Themenkongruenter Stimulus für W4, G1:
Dargeboten wurden 7 Bildplakate aus der
fiktiven SPD-Kampagne zu Familienpolitik
für jeweils 3,5 sec.
Themeninkongruenter Stimulus für W4, G2:
Dargeboten wurden 7 Wahlplakate für jeweils
3,5 sec.
Ein Phasenmodell der Funktions- und
Wirkungslogik Visueller Kommunikation.
318
319
320
321
340
Tabellenverzeichnis
Tabellennummer
Tabelle 01
Tabelle 02
Tabelle 03
Tabelle 04
Tabelle 05
Tabelle 06
Tabelle 07
Tabelle 08
Tabelle 09
Tabelle 10
Tabelle 11
Tabelle 12
Tabelle 13
Tabelle 14
Beschreibung
Der Bildbegriff in seinen konstituierenden
Elementen.
Eingesetzte Treatmentvariationen für Gruppe 1,
2, 3 und 4 in Testreihe I im Überblick.
Eingesetzte Treatmentvariationen für Gruppe 1
und 2 in Testreihe II im Überblick.
Überblick über Aufbau und Methodenkombination in Testreihe II.
Übersicht über das in Testreihe II eingesetzte
Stimulusmaterial.
Quotierungsplan mit Besetzung der
Quotierungszellen.
Plakat-Bewertung von zwei exemplarisch
ausgewählten Testplakaten aus Experimentalreihe
I nach Parteiidentifikation.
Plakat-Bewertung von zwei exemplarisch
ausgewählten Testplakaten aus Experimentalreihe
II nach Parteiidentifikation.
Überblick über Prämissen, Indikatoren und
Hypothesen der Eyetracking-Analysen zur
Aktivierungs- und Aufmerksamkeitswirkung
Visueller Kommunikation.
Strukturelemente und Auswahlkriterien der AOISelektion.
Durchschnittliche Zeit bis zur ersten Fixation
ausgewählter AOIs bei Betrachtung der
Bildplakate in T1.
Durchschnittliche Betrachtungszeit ausgewählter
AOIs der Bildplakate in T1 (Rezeptionszeit von
0,5 und 5 sec)
Durchschnittliche Zeit bis zur jeweils ersten
Fixation ausgewählter AOIs bei Betrachtung der
Bildplakate in T2 (Rezeptionszeit von 0,5 und 3,5
sec).
Durchschnittliche Betrachtungszeit ausgewählter
AOIs der Bildplakate in T2 (Rezeptionszeit von
Seite
63
191
193
197
200
205
216
217
224
226
229
231
233
235
19
Tabellenverzeichnis
Tabelle 15
Tabelle 16
Tabelle 17
Tabelle 18
Tabelle 19
Tabelle 20
Tabelle 21
Tabelle 22
Tabelle 23
Tabelle 24
Tabelle 25
Tabelle 26
Tabelle 27
Tabelle 28
Tabelle 29
0,5 und 3,5 sec).
Durchschnittliche Betrachtungszeit ausgewählter
AOIs der Bildplakate in T2-W3 (für eine
Rezeptionszeit von 0,5 und 3,5 sec).
Durchschnittliche Zeit bis zur jeweils ersten
Fixation ausgewählter AOIs bei Betrachtung der
Bildplakate in T2-W3 (für eine Rezeptionszeit
von 0,5 und 3,5 sec).
Gruppenstatistik der Diskriminanzanalyse.
Überblick über die Faktoren und abhängigen
Variablen der einfaktoriellen multivariaten
Varianzanalysen.
Übersicht möglicher Hypothesen der Einflüsse
von Moderatorvariablen auf die
Betrachtungsdauer.
Überblick über die Faktoren und abhängigen
Variablen der einfaktoriellen multivariaten
Varianzanalysen.
Übersicht möglicher Hypothesen der Einflüsse
von Moderatorvariablen auf die Time to First
Fixation.
Überblick der durchschnittlichen Bewertungen
der jeweils präsentierten Bild- und Textplakate im
Wellenvergleich.
Überblick der durchschnittlich ‘besten’ und
‘schlechtesten’ Bewertungen der jeweils
präsentierten Bild- und Textplakate im
Wellenvergleich.
Übersicht der Top-Plakate in der Bewertung nach
dem selbsterstellten Scoring-Modell.
Übersicht der Flop-Plakate in der Bewertung
nach dem selbsterstellten Scoring-Modell.
Pearson’sche Korrelationsanalyse der spontanen
RTR-Bewertung des Erstem Eindrucks und der
reflektierten Bewertung
Ergebnisse der Zuordnung der Aussagen
(Vergleich Bild- vs. Textplakate).
Prozentuale Verteilung der neun untersuchten
Themenfelder in der Berichterstattung.
Deskriptive Ergebnisse der Bewertung der
237
238
250
253
254
262
263
269
270
271
272
275
286
293
294
20
Tabelle 30
Tabelle 31
Tabelle 32
Tabelle 33
Tabelle 34
Tabelle 35
Tabelle 36
Tabellenverzeichnis
subjektiv eingeschätzten Wichtigkeit aktuell
relevanter Themen ‘Themenwichtigkeit_Vorher’
nach G1 und G2 getrennt).
Deskriptive Ergebnisse der Bewertung der
subjektiv eingeschätzten Wichtigkeit aktuell
relevanter Themen ‘Themenwichtigkeit_Vorher’
durchschnittliche Bewertung aller Probanden, d.h.
über G1 und G2 zusammen.
Veränderung der Themenwichtigkeiten für das
Thema Familienpolitik auf Aggregatdatenbasis im
Zeitverlauf.
Veränderung der Themenwichtigkeiten auf
Aggregatdatenbasis im Zeitverlauf (W2 bis W4)
nach Treatmentexposition.
Verteilung der Häufigkeiten zum Item
‘Themenwichtigkeit Familienpolitik’, Ergebnisse
der Vorher-Messung in W2 für G1 und G2 im
Vergleich.
Übersicht der in die Regressionsanalyse zur
Kandidatenkompetenz eingegangenen
unabhängigen Variablen.
Übersicht der Regressionsgleichungen
(Steinmeier) für W2, W3 und W4.
Übersicht der Regressionsgleichungen (Merkel)
für W2, W3 und W4.
295
297
300
304
313
322
335
1
Visualisierung der Politik – Politik der
Visualisierung
1.1 Visuelle Politische Kommunikation am Beispiel von Wahlplakaten
Im vorliegenden Forschungsprojekt wird das Forschungsgebiet der Visuellen Politischen
Kommunikation, ihre Funktion und Wirkung am Beispiel von Wahlplakaten untersucht.
Diese Fokussierung war nicht die einzig denkbare; ebenso möglich wäre gewesen,
Wahlwerbespots oder bildhafte Medienberichterstattung als Untersuchungsobjekt
auszuwählen.
Dennoch ist der Fokus auf das Wahlplakat als spezifisches Medium Visueller Politischer Kommunikation folgerichtig: Wahlplakate stellen eine prototypisch verdichtete
Form Visueller Politischer Kommunikation dar, ebenso, wie der Wahlkampf an sich
eine prototypisch verdichtete Form Politischer Kommunikation darstellt. Wahlplakate sind Kristallisationspunkte, an denen die Funktions- und Wirkungslogik Visueller
Politischer Kommunikation prägnant zum Ausdruck kommt. Daher bietet sich das
Wahlplakat in ganz besonderer Weise an, um die Wahrnehmung, Verarbeitung und
Wirkung von Visueller Kommunikation im Prozess politischer Informationsvermittlung zu untersuchen.
Letztlich ist es aber die Faszination der Visuellen Kommunikation, die das Forschungsprojekt und die ihm zugrunde liegenden Fragestellungen motiviert hat. Das
Wahlplakat, bei aller Faszination, die das Medium auslöst, dient lediglich als ein
Katalysator, eine Reflexionsfläche, eben als ein Medium, dessen sich die Visuelle
Kommunikation bedient. Das Visuelle hingegen ist der spezifische Kommunikations- und
Wirkungsmodus, der sich im Plakat, wie auch in anderen visuellen Medien, manifestiert, vergleichbar mit einer fremden Sprache, die es zu verstehen, zu analysieren,
zu erklären gilt.
Dieser Herausforderung soll sich das hier präsentierte Forschungsprojekt stellen, um einen Beitrag zu leisten, die bis heute wenig entschlüsselte ‘Sprache’ Visueller
Politischer Kommunikation, ihre Funktion, ihre Wahrnehmung und ihre Wirkung zu begreifen. Der gewählte Fokus auf das Wahlplakat ermöglicht hierbei den Zugang zur
Analyse: Visuelle Politische Kommunikation ist nicht nur im Wahlplakat oder
Wahlkampf von außergewöhnlicher Relevanz, doch lässt sich ihre Funktions- und
Wirkungslogik gerade hier außerordentlich konzentriert studieren.
S. Geise, Vision that matters, DOI 10.1007/978-3-531-92736-7_1,
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
22
Visuelle Politische Kommunikation
1.2 Visuelle Politische Kommunikation
Politik ist seit jeher fundamental auf Vermittlung angewiesen, bedarf seit jeher der
öffentlichen „Darstellung, Begründung und Rechtfertigung“, der „Legitimation
durch Kommunikation“ (Sarcinelli 1998c: 148; vgl. Wolf 1996). Die demokratietheoretische Relevanz dieser Erkenntnis ist nicht erst im Medienzeitalter Anlass für
die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Rezeption politischer Informationen und ihrer Wirkung auf politische Einstellungen und politisches Handeln.
Doch im Medienzeitalter nehmen die Konsequenzen eines ansteigenden Information
Overload und einer zunehmend mediatisierten Gesellschaft Einfluss auf die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen der Politikvermittlung. Wechselseitige Anpassungsprozesse, von denen politische Akteure ebenso betroffen sind wie Bürger
und Medienorganisationen induzieren eine Veränderung in der Art der Politikvermittlung, einen Paradigmenwechsel in der politischen Kultur, der pointiert als Wandel von einer eher logozentrischen zu einer eher ikonozentrischen (politischen) Kultur (Hofmann
1999; 2004; 2009) identifiziert wird. Tatsächlich fördert der zunehmende Wettbewerb um Aufmerksamkeit nicht nur die Erkenntnis einer zunehmenden Bedeutung
Visueller Politischer Kommunikation (vgl. Müller 1999b; Altendorfer 2004), sondern
rechtfertigt auch die zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem
Forschungsgebiet: Die Kommunikation der politischen Botschaft in der „Medienkonkurrenzgesellschaft“ verlangt nach aufmerksamkeitsstarken Strategien und Methoden; „Bilder spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle, denn sie
sind Aufmerksamkeitsgaranten Nummer eins“ (Meckel 2001: 26).
Die Erkenntnis, dass Bilder früher, schneller und unmittelbarer wahrgenommen werden als Texte, über ein höheres Aktivierungspotential verfügen, bessere
Gedächtnisleistungen erzielen sowie tiefer und emotionaler beeinflussen können
(vgl. Kobayashi 1986; Kroeber-Riel 1993; Müller 2003), führt damit zu einer verstärkten Integration von Visualisierungen in das Feld der politischen Kommunikation. „Die optische Präsenz und die dabei entstehenden ‘Bilder im Kopf’ bleiben
hängen. Weniger, was gesagt wurde, als vielmehr, wie man ankam, setzt sich im
Gedächtnis fest“ pointiert hierzu Sarcinelli (2005: 103). Insofern kann durchaus von
einer „Wiederentdeckung des Bildlichen“, von einem „revival of the image“ (Paivio
1979: 6) gesprochen werden. „Auch in der Politik hat der visualistic turn (…) längst
stattgefunden“ (Lesske 2005: 236; vgl. Hofmann 2004).
Doch soll die Formulierung eines Turns nicht in die Irre führen: Die Bedeutung von Visualität ist auch im Bereich der politischen Repräsentation und Legitimation kein modernes Phänomen. Der „Streit um die Macht der Bilder“ (Müller
1997a: 23) begleitet die menschliche Kultur von Anfang an. Seit jeher geht das Streben nach politischer Macht bzw. deren Legitimation mit Formen visueller Repräsentation einher, sei es in Form von Herrschaftsarchitektur, Münzprägung, Königsportraits oder zeitgenössischen Wahlplakaten: „Alle Epochen sind von verschiede-
Visuelle Politische Kommunikation
23
nen Erscheinungsformen der Dramaturgie, Theatralität und Körperlichkeit von
Macht und Herrschaft geprägt“ (Arnold/Fuhrmeister/Schiller 1998: 9; vgl. Warnke
2006; Zanker 2006). Bereits in der Antike lassen sich Vorformen öffentlicher politischer Werbung finden; aus Pompeji etwa sind gemalte ‘Wandplakate’ bekannt, die
explizit auch zur Wahlwerbung eingesetzt wurden (vgl. Kämpfer 1985: 13; Langguth
1995: 7) und auch die politischen und sozialen Bedingungen im Mittelalter, der
Renaissance oder im Barock wurden „durch enorme Mengen an Bildwerken handlungsbezogen gestaltet“ (Schneider 2009: 20).
Exemplarisch mündete die Erkenntnis, dass die sinnlich wahrnehmbare Präsenz einen „positiven Einfluss auf die Überzeugungs- und Überredungskraft der
politischen Botschaft“ nimmt (Arnold/Fuhrmeister/Schiller 1998: 20), bereits bei
Kaiser Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) in ein strategisch eingesetztes Programm
Visueller Politischer Kommunikation. Ein komplexes System von Visualisierungen
umspannte nicht nur große Teile des antiken gesellschaftlichen Lebens (religiöse
Rituale, Kleidung, Staatsakte, Verhaltensweisen des Herrschers), sondern wurde
prägend für die Bilderwelt der gesamten Epoche, die auch nachfolgende Herrscher
immer wieder zitierten (vgl. Zanker 2003; 2006). Entsprechend interpretiert die
Althistorikerin Alföldi (1999: 206; 9; vgl. 1970) die Funktion von Visueller Kommunikation, von Bild und Bildersprache bereits für die Antike als „politische Waffe
im Dienste der römischen Kaiser“, als „politisches Geschäft“ mit dem Anliegen der
bildlichen Mitteilung „(tages)politischer Inhalte.“
An diesen frühen Beispielen Visueller Politischer Kommunikation lässt sich
beispielhaft nachvollziehen, dass die politischen Visualisierungen keineswegs ‘nur’
als Träger politischer Botschaften fungieren, sondern im Zeitverlauf prägend für die
politische Sozialisation werden können, indem sie als Ausdruck von Werten, Positionen und Urteilen verinnerlicht werden (vgl. Zanker 2003: 13; 2006). In dieser
tiefgreifenden Wirkung spiegelt sich die Bedeutung Visueller Politischer Kommunikation als gesellschaftlich-relevanter Faktor, denn bestimmte Werte gewinnen erst
„in dem unendlichen Widerhall der entsprechenden Bildpolitik Realität“ (Zanker
2003: 1; vgl. Lesske 2005: 238).
Wenngleich mit einem derartigen Blick auf die (Kunst-)Geschichte zu diskutieren ist, inwieweit heute tatsächlich von einer „immer offensichtlicher werdende[n]
Verwandtschaft von Politik und Theater“ sowie einer „Verschmelzung von Politik
und Werbung“ (Drechsel 2005: 65) ausgegangen werden kann, ist klar erkennbar,
dass der Visuellen Kommunikation von Macht und Herrschaft auch, oder insbesondere, in den modernen demokratischen Staaten eine zentrale Bedeutung zukommt (vgl. Drechsel 2005: 65; Warnke 2006; Arnold/Fuhrmeister/Schiller 1998:
11). Die „Sichtbarkeit der Macht“ (Hofmann 1999) gewinnt im Zeitalter moderner
Kommunikationstechnologien nicht nur an multimedialer Präsenz, sondern nimmt
auch an Geschwindigkeit und Verfügbarkeit zu. Bilder wie die Schlüsselszenen beim
Fall der Berliner Mauer, der Anschläge des 11. Septembers 2001 in New York, die
24
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
Fotografien aus dem US-Gefängnis Abu Ghraib im Irak oder von Bushs Landung
auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln im Mai 2003 wirken im kollektiven visuellen Gedächtnis nach und entfalten damit eine Wirkung (vgl. Kap. 4.1.3.2), die über
die mediale Dokumentation des aktuellen politischen Geschehens weit hinausreicht
(vgl. Mitchell 2006). Dies gilt nicht weniger für den Bereich der politischen Werbung: Auch hier werden prägnante visuelle Schlüsselbilder Bestandteil des kollektiven visuellen Gedächtnisses und damit prägend für die politische Kultur. Motive
wie das umstrittene ‘Hitler-Plakat’ der FDP aus dem NRW-Landtagswahlkampf
2000, die ‘Rote-Socken-Kampagne’ der CDU oder Kohls ‘Bad in der Menge’ aus
dem Bundestagswahlkampf 1994 zeigen dies eindrücklich (vgl. Kap. 4.2.1).
Der ‘medialen Flüchtigkeit’ und ‘Bilderflut’ zum Trotz sind politische Visualisierungen keineswegs nur im Moment der Betrachtung existent, sondern können
das Potential besitzen, sich „dauerhaft als Symbole, als Repräsentation von Ereignissen oder sogar als symbolhafte Darstellungen komplexer Prozesse und Zusammenhänge in unseren Köpfen“ zu verankern (Meckel 2001: 25), sich „tief in unser
Gedächtnis einzubrennen“ (Paul 2009b: 39). Insbesondere in Wahlkämpfen, Kriegen und Skandalen wird die Tragweite Visueller Politischer Kommunikation greifbar – und mit ihr die Notwendigkeit der Thematisierung ihrer demokratietheoretischen Implikationen. Denn: „Ob als entscheidende Beweismittel im Kosovo oder
als Produkte der US-amerikanischen Zensur im Irak: Bilder haben für die öffentliche Wahrnehmung bewaffneter Konflikte, aber auch für deren tatsächlichen Verlauf, heute entscheidende Bedeutung“ (Drechsel 2005: 69; vgl. Paul 2009b).
Dies wird auch dort deutlich, wo moralisch-ethisch weniger auf dem Spiel
steht. Auch die boulevardeske Bunte-Reportage über den ehemaligen Verteidigungsminister Scharping oder die gewollt-kontroverse Inszenierung der Landrätin
Pauli in Latex-Handschuhen im Personality-Magazin Park Avenue hatten spürbare
Konsequenzen im politischen Raum: „Mit Bildern [wird] Politik gemacht“ (Lesske
2005: 239), ob dies medienethisch bzw. demokratietheoretisch befürwortet wird
oder nicht. Wo aber „Bildlichkeit (wieder) zu einem wesentlichen Instrument [der]
Durchsetzung politischer Interessen geworden ist“ (Schiller 2002: 109; vgl. Altendorfer 2004), kann die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Analyse von Visueller Kommunikation, ihrer Funktion und ihrer Wirkung als eine zentrale Herausforderung der
Gegenwartsgesellschaften interpretiert werden.
1.3 Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
Vor diesem Hintergrund verwundert die bis heute defizitäre Forschungslage im
Forschungsfeld Visueller Kommunikation (vgl. Müller 2007a; 2003; Wolf 2006).
Trotz seiner Bedeutung stellt der Gegenstandsbereich ‘Visualisierung/Visuelle
Kommunikation’ für die Wissenschaft bis heute eine große Herausforderung dar
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
25
(vgl. Wolf 2006: 13; Müller 2007a). Zwar lassen sich in verschiedenen Teildisziplinen, etwa der Bildwissenschaft (Belting 2005; 2007; Sachs-Hombach 2005a; 2005b;
Müller 2001; Boehm 1994), der Politischen Ikonographie (Drechsel 2005; 2010;
Müller 1997a; 1997b), der Psychologie Visueller Wahrnehmung (Bundesen/Habekost 2008; Cantoni/Marinaro/Petrosino 2002; Bullier 2001; Burdick 1997; Childers/Heckler/Houston 1986) oder der Werbewirkungsforschung (Felser 2007;
Kroeber-Riel/Esch 2004; Kroeber-Riel 1990; 1993), doch mangelt es noch an wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die die speziellen Zugänge integrieren und
in eine ganzheitliche Betrachtungs- und Analyseperspektive überführen.
Bei Betrachtung der einzelnen Teildisziplinen (vgl. zu den einzelnen Ansätzen und
dem Forschungsstand Kap. 2.1) wird zudem deutlich, dass die Perspektive auf den Gegenstandsbereich stark divergiert: Während beispielsweise der Kunstgeschichte
verwandte Zugänge Visuelle Kommunikation eher aus einer stilgeschichtlichen,
ästhetischen Perspektive betrachten, stellt die Wahrnehmungspsychologie eher auf
die physiologischen Voraussetzungen der sensorischen Wahrnehmung und ihre
weitergehende Verarbeitung ab.
Dass die wissenschaftliche Standpunkte in divergente analytische Zugänge
zum Forschungsbereich münden, ist hierbei nachvollziehbar. Auffällig ist dennoch,
wie sehr gerade die Visuelle Kommunikationsforschung mit einer facettenreichen,
teilweise auch ‘ideologisch’ geprägten, Theorie- und Forschungssituation konfrontiert ist. Exemplarisch wird dies an der verbreiteten, normativen Kritik an Visueller
Kommunikation deutlich: „Visualisierung und Visibilität sind politikanalytische
Begriffe, die (...) kritisch an die Verhältnisse herantreten“, erklärt etwa Münkler, in
das Forschungsfeld einführend, die Bedeutung von „Strategien der Visualisierung“
(2009: 8). Ebenso deutlich wird diese Prägung für die populäre, an Postman (1989)
angelehnte, kritische Interpretation von Visueller Kommunikation als Motor der
Sinnenentleerung, Entpolitisierung und Entfremdung von Politik (vgl. Meyer 2009;
2001; 1998). Hierzu resümiert Hofmann (2009: 110-111): „Die Omnipräsenz der
Bilder [hat] bereits früh zu Unbehagen geführt. (...) Die kritische Thematisierung
(...) von visueller Politik ist (...) dominant“ (vgl. zum kritischen Diskurs Visueller Kommunikation Kap. 2.1.2).
Hier ist einerseits plausibel, dass sich das skizzierte Theoriedefizit auf die empirische Forschungslage auswirkt; so wurde der Bereich der Visuellen Kommunikation aus politik- oder kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bis Mitte der
1990er Jahre kaum empirisch analysiert (vgl. Drechsel 2005: 67; van Leeuwen/Jewitt 2001; 2006). Andererseits ist die fragmentale Forschungslage angesichts
der erlebbaren „Omnipräsenz der Bilder“ (Hofmann 2009: 111) und der ihr zugeschriebenen Wirkungsmacht aber auch verwunderlich: Gerade weil Bilder in ihrer
spezifischen Funktions- und Wirkungslogik als so eindringlich und „verhängnisvoll“
(vgl. Hofmann 2009: 110) eingeschätzt werden, gerade weil für die Gesellschaft
dysfunktionale Wirkungen vermutet werden (vgl. Postman 1989; Meyer 2001; 1998),
26
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
ist die Analyse der Wirkung und der ihr zugrunde liegenden Mechanismen fundamental, um die Einschätzung zu relativieren oder besser mit der Wirkungsmacht der
Bilder umgehen zu können (vgl. Rose 2007). Denn entgegen der populären und
weithin spürbaren Kritik, der „Stil der visuellen Eindrücklichkeit“ verdränge die
„diskursive Erfahrung der sozialen Welt, die rationale Verständigung und den kritischen Diskurs (...) von den Medienbühnen der Öffentlichkeit“ (Meyer 2009: 56),
wäre auch ein Zugang zur Visualisierung von Politik denkbar, der deren Wirkung
nicht per se wertend einschätzt, sondern diese Einschätzungen kontextabhängig
und empirisch analysiert (vgl. van Leeuwen/Jewitt 2006; 2001). Oder anders formuliert: Die Frage, wie sich die theoretisch begründbare Funktions- und Wirkungslogik
Visueller Politischer Kommunikation in den jeweils zu untersuchenden Kommunikationskontexten auswirkt, sollte als empirische Frage verstanden werden, nicht als
normative.
Hier zeigt sich zwar in jüngerer Zeit ein wachsendes Interesse am Forschungsgebiet der Visuellen Kommunikation, systematische Forschungen zur empirischen
Fundierung ihrer Rezeption und Wirkung stehen allerdings noch aus. Eine mögliche
Ursache für die unbefriedigende Forschungslage ist vielleicht, dass die Analyse
Visueller Kommunikation hohe Anforderungen an die Methodenauswahl und Forschungsdurchführung stellt (Knieper/Müller 2001: 13; vgl. Rose 2007). Dass der
visuellen Informationsvermittlung bis heute eine „unterbelichtete Rolle“ zukommt
(vgl. Sarcinelli 2005: 100; Müller 2003), liegt, wie Knieper und Müller (2004: 9) vermuten, „primär an der Schwierigkeit einer sinnvollen Operationalisierung von Bildkommunikation“ und deren Wirkungen. In der Konsequenz existiert nach wie vor
eine bemerkenswerte Forschungslücke, ist das Visuelle nach wie vor „an understudied field of
communication research“ (Müller 2007a: 13), was erstaunt, da zahlreiche Autoren die
wachsende Bedeutung visueller Kommunikationsformen betonen (vgl. SachsHombach 2003a; Müller 2001). Insbesondere mangelt es auch an Studien, die die
Logik Visueller Kommunikation konkret auf den spezifischen Anwendungsbereich
der Politischen Kommunikation übertragen, hierfür eine theoretische Perspektive entwerfen und diese empirisch erforschen (vgl. Sarcinelli 2005: 100; Müller 2003).
Einen ersten theoretisch und empirisch fundierten Zugang zur Einschätzung
des Wirkungspotentials Visueller Kommunikation im politischen Kontext liefern
Ansätze zur Rezeptions- und Kognitionsforschung sowie Theorien zu Wahrnehmung, Lernen und Erinnern. Die in diesen Forschungsbereichen gewonnenen Erkenntnisse zur Wahrnehmung und Verarbeitung visuell kommunizierter Inhalte
belegen übereinstimmend den Picture Superiority Effect, ein Phänomen, das sich wie
folgt zusammenfassen lässt (vgl. Kobayashi 1986; Childers/Heckler/Houston 1986;
Childers/Houston 1984; Nelson/Castano 1984; Nelson 1979; Nelson/Reed/Walling 1976): Bilder generieren mehr Aufmerksamkeit und höhere Aktivierung als
Texte, sie werden mit geringerer kognitiver Kontrolle ganzheitlich und quasiautomatisch aufgenommen, extrem schnell entschlüsselt und verarbeitet, länger und
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
27
besser erinnert sowie besser und schneller wieder erkannt (vgl. Kroeber-Riel 1993:
14; Lachmann 2002: 130). Im Gedächtnis visuell verankerte Erinnerungen, Einstellungen und Verhaltensdispositionen sind damit prägnanter und nachhaltiger wirksam als solche, die lediglich begrifflich-verbal rekonstruiert werden können. Zudem
werden Bilder, da sie schneller erfasst und ganzheitlich verarbeitet werden als Texte,
in größeren Sinneinheiten rezipiert als Sprachinformationen, was Kroeber-Riel
(1993: 53) zu der bekannt gewordenen Formulierung „Bilder sind schnelle Schüsse
ins Gehirn“ veranlasste. Visuelle Kommunikation besitzt ein eigenes Kommunikationsprinzip, das erheblich von der sprachlich-textlich dominierten Kommunikation abweicht (Messaris 2003: 553). Visuelle Kommunikation folgt damit einer
eigenen „Logik“ (Müller 2001: 22; 2003). Gerade diese spezifische Logik macht die
visuelle Bedeutungsvermittlung für den Transfer kommunikativer Inhalte so attraktiv. Pointiert offenbart die Visualisierung komplexer politischer Sachverhalte Pontentiale, den Wähler trotz Krise der politischer Repräsentation zu erreichen, denn:
1.
2.
Es ist einleuchtend, dass die Erkenntnisse zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation nicht vom Kommunikationsinhalt abhängig sind, sondern die Vermittlung visueller Inhalte grundsätzlich charakterisieren und daher auch für
den Bereich der Politischen Kommunikation gelten, wobei
die bisherigen Erkenntnisse zu der These führen, dass der Einsatz Visueller
Kommunikation aufgrund ihrer spezifischen Funktions- und Wirkungslogik den Wahrnehmungs- und Wirkungsprozess positiv beeinflusst.
Folglich müssten sich auch politische Sachverhalte visuell prägnanter, nachhaltiger,
verständlicher und wirksamer kommunizieren lassen als über rein textliche Zeichen.
Das erscheint vor allem bei komplexen politischen Themen schlüssig, da hier eine
unmittelbare Erfahrung der objektiven Themenrealität wenig wahrscheinlich ist.
Zudem sind visuelle Inhalte auch Personen mit geringerer formaler Bildung eher
zugänglich. Setzt man außerdem voraus, dass vor jeder Meinungs- und Einstellungsänderung die Notwendigkeit ihrer Thematisierung steht, wird weiter deutlich,
welche Bedeutung der visuellen politischen Information zukommt: Bevor sich die
Rezipienten eine Meinung zu einem Thema bilden oder ihre bestehende Meinung
verändern können, müssen sie mit diesem, unter den Bedingungen eines permanenten Information Overload, erst einmal in Kontakt kommen. Bereits auf dieser ersten Stufe im Wahrnehmungsprozess müsste sich die ‘Überlegenheit’ Visueller
Kommunikation zeigen: Da Visualisierungen im Vergleich zu Texten über ein höheres Aktivierungspotential verfügen, ist der Kontakt bei visueller Informationsübermittlung nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch nachhaltiger. Denn aufgrund der Bildüberlegenheitswirkung führt die Betrachtung visueller Informationen
beim Rezipienten auch bei einer lediglich peripheren Wahrnehmung zu einer men-
28
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
talen Verankerung. Zudem gelingt die Übermittlung der Botschaften in einem
Bruchteil der Zeit, die die verbale Nachricht ‘kosten’ würde.
Der skizzierten These, dass sich die Erkenntnisse zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation auf den Bereich der Politischen Kommunikation übertragen lassen, steht gegenüber, dass sich die hier gewonnenen Ergebnisse
größtenteils auf Studien aus dem spezifischen Bereich der Konsumgüterwerbung
oder auf allgemeine Erkenntnisse zu Visueller Wahrnehmung beziehen. Daraus
wird häufig die Limitation abgeleitet, die dort ermittelten Wahrnehmungsmuster
und Wirkungen Visueller Kommunikation ließen sich nicht ohne weiteres auf den
Bereich der Politischen Kommunikation übertragen, da hier der Wahrnehmungsfilter ‘politische Prädispositionen’ berücksichtigt werden müsse (vgl. Geise/Brettschneider 2010). Die Filterwirkung politischer Prädispositionen wiesen Lazarsfeld,
Berelson und Gaudet (1965) in ihrer Studie „The People’s Choice“ nach. Menschen
wendeten sich vor allem jenen Informationen zu, die ihren politischen Voreinstellungen entsprächen. Sie mieden hingegen dissonante Informationen, und dies umso
mehr, je stärker ihre Prädispositionen ausgeprägt seien (z.B. die Parteineigung).
Daher könne die wertende Berichterstattung über eine Partei oder einen Spitzenpolitiker die vorhandenen Einstellungen der Rezipienten nicht in ihrer Richtung verändern, sondern sie lediglich verstärken (Verstärkerhypothese; vgl. Klapper 1960).
Doch obwohl Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1965: 164) als Wahrnehmungsgesetzmäßigkeit erkennen:
„The fact that people select their exposure along the line of their political predispositions is only a
special case of a more general law which pervades the whole field of communications research.
Exposure is always selective; in other words, a positive relationship exists between people‘s opinions
and what they choose to listen or read,“
steht dieser grundlegenden Beobachtung ein anderer Befund entgegen. Im Rahmen
seiner Untersuchung der Einflüsse von Konsonanz und Dissonanz und von formalen Merkmalen bei der Zeitungsrezeption konnte Donsbach (1991: 169; 1990)
nachweisen, dass die Barriere selektiver Wahrnehmung politischer Informationen
durch eine prominente, betonende Gestaltung (insbesondere: Bebilderung, Platzierung, Headline-Größe) umgangen (bei negativen Informationen) oder zumindest
reduziert werden kann (bei positiven Informationen). So führen alleine schon eine
prominente Platzierung sowie eine auffällige Aufmachung (Überschriftengröße,
Bebilderung, Farbe) von Zeitungsartikeln dazu, dass deren (textliche) Inhalte wahrgenommen werden, auch wenn sie den Prädispositionen der Rezipienten widersprechen. Den stärksten Einfluss auf die Beachtung und auf das Leseverhalten hat die
Platzierung eines Artikels (Donsbach 1991: 136). Auch die Größe der HeadlineTypen (Typen-Höhe), die Anzahl der Spalten sowie die Verwendung von Sublines
beeinflussen entscheidend, ob ein Artikel gelesen, angelesen, ob Überschrift oder
Unterschrift ‘überflogen’ werden oder ob der Artikel unbeachtet bleibt (Donsbach
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
29
1991: 136-137). Zudem generieren bildliche Darstellungen einen deutlich höheren
Aufmerksamkeitswert als Textinformationen: Die Beachtungschance von Fotos und
Karikaturen ist etwa doppelt so groß wie die der Artikel (Donsbach 1991: 135-136).
Die Ergebnisse zeigen damit eine eindeutige Selektionspräferenz für bildliche Darstellungen (vgl. Zillmann/Knobloch/Yu 2001; Knobloch/Hastall/Zillmann/Coy 2003).
Interessant für die Bedeutung Visueller Kommunikation ist dabei, dass die
Wirkung der formalen Betonung (Platzierung, Überschriftengestaltung, Bebilderung) die der Nachrichtenwerte bzw. der inhaltlichen Ereignismerkmale übersteigt
(vgl. Donsbach 1991: 143-144). Visuelle Kommunikation ist also auch unter dem
Aspekt der selektiven Wahrnehmung höchst interessant. Denn zum einen sind visuelle
Informationen weitaus weniger von Wahrnehmungsabbrüchen betroffen als textliche Informationen (vgl. Schierl 2001a; 2001b; Lachmann 2002), zum anderen werden sie auch weitaus weniger selektiv wahrgenommen als dies bei Textinformationen der Fall ist (vgl. Zillmann/Knobloch/Yu 2001), denen sich der Rezipient erst
bewusst analytisch-sequentiell zuwenden muss. Es ist also auch aus der Perspektive
selektiver Wahrnehmung plausibel, dass Visuelle Politische Kommunikation über
ein besonderes Wirkungspotential verfügt.
Da die hier vermuteten Überlegenheitseffekte Visueller Wahrnehmung und Visueller
Kommunikation aber bislang nicht wissenschaftlich valide auf ihr Wirkungspotential
im Bereich der Politischen Kommunikation hinterfragt wurden, spricht einiges
dafür, die Wahrnehmung und Wirkung Visueller Politischer Kommunikation eingehender zu
untersuchen. Geht man hierbei davon aus, dass
„die visuelle Wahrnehmung nun einmal eine unabdingbare Voraussetzung dazu [ist], dass es überhaupt zu einer anschließenden kognitiv-emotionalen Interpretation oder Wirkung des Wahrgenommenen kommt“ (Raab/Unger/Unger 2009: 140),
können die tatsächlichen Rezeptionsverläufe der Rezipienten als Indikator für das
grundsätzliche Wirkungspotential eines Kommunikationsmediums angesehen werden. Dies gilt besonders, da neben individuellen Prädispositionen und situativen
Einflüssen vor allem stimulusspezifische Faktoren den Rezeptionsprozess bzw. den
Blickverlauf steuern (Leven 1991: 15; vgl. 1986). Legt man dabei die Erkenntnisse
zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation zugrunde, müssten
Unterschiede in der Beschaffenheit des Kommunikationsträgers, insbesondere
visueller vs. textlicher Kommunikationsmodus, zu messbaren Wahrnehmungs- und
Wirkungsunterschieden führen. Die visuelle Beschaffenheit des Mediums wäre
entscheidend für die grundsätzliche Möglichkeit, eine intendierte Medienwirkung zu
erreichen: Je größer die visuelle Prägnanz einer Botschaft, desto größer die Prägnanz der Botschaft für den Wahrnehmungsprozess des Rezipienten und desto größer das Wirkungspotential
Visueller Kommunikation. Denn auf Basis dieser Eigenschaften sollten sich Rezeptionsverlauf und Wirkungsprozess strukturieren.
30
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
Ausgangspunkt des Forschungsprojekt sind damit die Fragen, wie sich die hier
skizzierte Funktionslogik Visueller Kommunikation tatsächlich gestaltet und wie sich die
Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation im Rezeptionsprozess auswirkt. Ziel
ist hierbei, den Forschungsstand mit neuen Erkenntnissen zur Funktions-, Rezeptionsund Wirkungsweise Visueller Politischer Kommunikation zu ergänzen. Dabei ist insbesondere notwendig, das Potential visueller Bedeutungsvermittlung im Raum der Politischen Kommunikation differenzierter zu beleuchten. Hier ist zunächst zu betonen,
dass Visuelle Kommunikation einer eigenen Logik folgt, die es auch methodisch
umfassend zu berücksichtigen gilt; ein „spezifisch visuell-wissenschaftliches Vorgehen“ ist daher unerlässlich (Knieper/Müller 2001: 13).
Aufgrund des bisher nur unzureichend formulierten theoretischen Rahmens,
bedingt die Fragestellung eine Zusammenführung verschiedener Theorien zur
Wahrnehmung, Rezeption und Wirkung Visueller Kommunikation, damit die visuellen Konzepte politischer Information in ihrer Komplexität erfasst und in ihren
Wirkungsdimensionen bewertet werden können. Einen zentralen Ausgangspunkt
der theoretischen und empirischen Erschließung der Funktions- und Wirkungslogik
Visueller Politischer Kommunikation bildeten hierfür die folgenden vier oben bereits eingeführten Arbeitsthesen:
1.3.1
Arbeitsthesen zur theoretischen und empirischen Analyse des Gegenstandsbereichs Visueller Politischer Kommunikation
Die Erkenntnisse zur Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation lassen sich auf den Bereich der Politischen Kommunikation übertragen.
Je größer die visuelle Prägnanz einer politischen Botschaft, desto größer ist die
Prägnanz der politischen Botschaft für den Wahrnehmungsprozess des Rezipienten und desto größer ist das Wirkungspotential Visueller Politischer
Kommunikation.
Unterschiede in der Beschaffenheit des Kommunikationsträgers, wie visueller
vs. textlicher Kommunikationsmodus, sollten zu messbaren Wahrnehmungsund Wirkungsunterschieden führen.
Aufgrund der spezifischen Funktions- und Wirkungslogik sollte der Einsatz
Visueller Politischer Kommunikation den Wahrnehmungs- und Wirkungsprozess politischer Informationsvermittlung positiv beeinflussen.
Die diesen Arbeitsthesen inhärenten Implikationen lassen sich in ein Set von Theorie- und Forschungsfragen überführen. Diese ergeben die dem hier präsentierten
Forschungsprojekt zugrunde liegende Aufgabenstellung. Die Bearbeitung erfordert
dabei nicht nur die Entwicklung eines ganzheitlichen interdisziplinären Zugangs,
sondern auch eine Erweiterung der bisherigen Auseinandersetzung mit dem For-
Theoretische Verortung, Thesen und Forschungsfragen
31
schungsgebiet hinsichtlich der drei Dimensionen Theorien Visueller Kommunikation,
Methoden der Analyse Visueller Kommunikation, Wirkungen Visueller Kommunikation. Hierbei sind insbesondere folgende Fragen zu klären:
1.3.2
1.3.3
1.3.4
Leitfragen der theoretischen Fundierung
Wie lässt sich Visuelle Kommunikation wissenschaftlich definieren, wie analysieren? Wie lässt sich der spezifische Modus Visueller Kommunikation theoretisch und interdisziplinär fassen?
Wie lassen sich die zugrunde liegenden, vielschichtigen Kommunikations-,
Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse in eine integrative Perspektive einer Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation zusammenführen?
Wie lassen sich die theoretischen und strategischen Implikationen der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Kommunikation auf den politischen Raum
übertragen? Wie lassen sich der spezifische Modus Visueller Kommunikation
und der spezifische Modus Politischer Kommunikation in eine ganzheitliche
Betrachtungsperspektive der Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation integrieren?
Leitfragen der methodischen Fundierung
Wie lässt sich die Funktions- und Wirkungslogik Visueller Politischer Kommunikation empirisch untersuchen?
Welche spezifische Analyseebene kann hierfür gewählt werden? Auf welches
Untersuchungsobjekt kann sich die empirische Analyse fokussieren, um die
Besonderheiten des Modus Politischer Kommunikation ebenso zu bedienen
wie die Charakteristika des Modus Visueller Kommunikation?
Welche empirischen Methoden können für die Analyse Visueller Politischer
Kommunikation zum Einsatz kommen? Welches Methodendesign ist zu wählen, um auf methodisch-analytischer Seite der Komplexität Visueller Kommunikation gerecht zu werden und ihre Wirkungen überhaupt messen zu können?
Welche Einschränkungen sind damit verbunden?
Leitfragen der empirischen Fundierung
Inwieweit lassen sich Erkenntnisse der Wirkung Visueller Kommunikation
(v.a. der Bildüberlegenheitseffekt) auf Politische Kommunikation übertragen,

Documentos relacionados