0408_266 Babor.ind

Transcrição

0408_266 Babor.ind
NEW BARBOUR
Cocktailkleider
statt Perlenohrringe:
Vor allem Popstars
interpretieren die
Wachsjacke neu
THE KLAXONS
LILY ALLEN
PEACHES GELDOF
ALEX TURNER
TRENDBREAKER
Robust, wetterfest, urbritisch – die Wachsjacken von Barbour waren alles,
nur nie angesagt. Gerade deshalb erleben sie jetzt ihr Comeback
D
iese Entwicklung galt
als ungefähr so wahrscheinlich wie die
Hoff nung, Louis Vuitton würde einmal den
Schlussverkauf einführen. Aber die Gesetze der Mode folgen eben einer eigenen
Logik. Und eines davon lautet: Alles bekommt eine zweite Chance. Selbst wenn
es so komisch riecht wie die Jacken von
Barbour.
Egal, ob Kate Moss, Sienna Miller, die
Sängerin Lily Allen oder Alex Turner von
den Arctic Monkeys – sie alle tragen die
grünen oder blauen Wachsjacken heute
wieder so selbstverständlich, als habe es
die 80er-Jahre nie gegeben. Damals, als in
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VA N I T Y FA I R
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England die „Sloane Rangers“ herrschten,
jene properen Mittel- und Oberschichtssprösslinge, die einen Stil pflegten, der so
adrett war wie frisch gejätete Rabatten in
einem Rosamunde-Pilcher-Film.
Ihre Galionsfigur: Lady Diana Spencer,
die spätere Princess of Wales. Ihre Uniform: die urbritische, unglaublich nach
Wachs stinkende Barbour-Jacke aus South
Shields nahe Newcastle. Dass sie auch in
das Deutschland dieser Zeit gehörte, beschrieb keiner so gut wie Christian Kracht
in seinem Roman „Faserland“. Seine drei
meistverwendeten Wörter: „irgendwie“,
„Haargel“ und „Barbour-Jacke“.
In den 90ern schließlich hatte man sich
so sehr an ihr und ihren Trägern sattgesehen, dass sie eigentlich nur noch auf
Reiterhöfen und in Hamburg-Eppendorf
geduldet war. Ansonsten galt die BarbourJacke als Accessoire der Spießbürger.
In London dagegen scherte sich das
Königshaus wenig um solche Stimmungswechsel: Für die Queen und ihre Familie
gehören die Jacken zur Tradition wie EarlGrey-Tee. Barbour ist Hoflieferant seit Jahrzehnten. Und ironischerweise sind die
gegen jeden Trend resistenten Royals nicht
ganz unschuldig an der Rückkehr der
Barbour-Jacken.
Als vor gut einem Jahr Stephen Frears’
Film „The Queen“ anlief, trug die Hauptdarstellerin Helen Mirren das klassisch
olivgrüne Modell zum Hermès-Kopftuch
und sah darin ungleich lässiger aus als in
den sonst üblichen Kostümen in Bonbon-
STIL
CAMILLA
PARKERBOWLES
PRINZ
WILLIAM
HELEN MIRREN
IN „THE QUEEN“
OLD BARBOUR
Für das britische Königshaus gehören BarbourJacken zum Alltag wie die Teestunde. Selbstverständlich trug auch Helen Mirren in ihrer Rolle
als Queen Elizabeth ein olivgrünes Modell
LADY DIANA
GESCHICHTSSTOFF
FOTOS : AC T I O N P R E S S (2) , B U L L S P R E S S , G E T T Y (2) , I N T ER TO P I C S , R E X , R AG N A R S C H M U C K , A N DY W I L L S H ER , P R (8)
Katalogmotive aus den Jahren 1912 und
1931, aktuelles Anzeigenmotiv (v. l.)
1910
1934
1954
1979
2001
MUSTERARBEIT Das Logo sowie das Tartanfutter wurden immer wieder verändert
farben. In Amerika verdoppelte sich daraufhin der Absatz des Modells „Beaufort“.
Bei Opening Ceremony, einem der angesagtesten Läden in New York, hingen zwischen Top-Shop-Sachen und Acne-Jeans
plötzlich Wachsjacken. Und auch in Europa trug man sie nicht mehr nur zu Perlenohr ringen und Polohemd, sondern zu
Cocktailkleidern und Hotpants.
In South Shields, wo John Barbour sein
Unternehmen für Regen- und Ölzeug 1894
gründete, hat sich dadurch aber kaum etwas verändert, außer dass der Umsatz im
vergangenen Jahr um ein Viertel auf rund
77 Millionen Euro gestiegen ist. Und die
Prognose für 2008 fällt spätestens seit der
„Observer“ Barbour zum Look des Jahres
erklärte, mindestens genauso positiv aus.
In South Shields scheint das niemanden zu
beeindrucken: Die rund 120 Näherinnen
sitzen wie eh und je an ihren alten SingerNähmaschinen und kämpfen sich mit gewachstem Faden durch gewachste Baumwolle, damit die Jacken auch wirklich
wasserdicht sind.
In einem Nebenraum werden alte Liebhaberstücke neu mit Wachs bestrichen.
Denn jährlich schicken rund 13 000 Kunden ihre gebrauchten Jacken ein. Das Designteam sitzt ganz unprätentiös in dem
Großraumbüro, nur eine Bürowabe neben
der Marketingabteilung.
Über all dem wacht noch immer Margaret Barbour, die seit 1968 das Unternehmen
leitet – Dame Margaret Barbour, um genau zu sein. Denn 2001 wurde sie für ihre
Verdienste von der Queen zur Dame geadelt. Spätestens seitdem wird sie von
ihren Mitarbeitern auch wie eine echte
Adelige verehrt.
Die heute 67-Jährige war erst 28, als ihr
Mann, ein Ururenkel von John Barbour,
plötzlich verstarb. Sie sagt, es sei „ihre
Mission“ gewesen, das Unternehmen weiterzuführen. Obwohl sie eigentlich Lehrerin war und kaum Ahnung vom Geschäft
hatte, war sie es, die die bekanntesten Modelle „Beaufort“ und „Bedale“ einführte.
Heute gehört sie zu den reichsten Frauen Großbritanniens und streut im Gespräch
gern ein, dass Cherie Blair persönlich bei
ihr anruft, wenn Tony mal wieder eines
seiner Barbour-Stücke auf einer Landpartie verloren hat.
Die traditionsbewusste, fast schon königlich-anachronistische Haltung der
Barbour-Familie ist sicher auch ein Grund
für die Wiederentdeckung der Marke.
Wirklich lässig sind eben nur die, die es
nicht darauf anlegen. Und neben all der
schnellen Mode von großen Ketten wie
H & M oder Zara suchen immer mehr
Modebewusste nach Produkten mit einer
eigenen Geschichte.
Und davon hat Barbour mehr als genug.
Die „Beaufort“ und „Bedale“ wurden seit
den 70ern nicht einmal verändert. So gibt
es auch weiterhin die Drainagen vorn in
den Taschen, die der Duke of Edinburgh
sich einmal wünschte, damit das Regenwasser besser abliefe. Und auch das Fach
am Rücken, das ursprünglich zum Verstauen von frisch geangelten Fischen dienen
sollte, ist nach wie vor da.
Kein Wunder also, dass die englische
Marke ihre Geschichte als Marketinginstrument entdeckt hat und vermehrt in
den Archiven wühlt. Dame Margaret hat
alle Verkaufskataloge, die seit 1908 bis auf
die Falklandinseln verschickt wurden, wie
die Brockhaus-Enzyklopädie gebunden in
ihrem Büro stehen. Daraus wurde bereits
die „International“ wiederaufgelegt, eine
gewachste Motorradjacke mit Gürtel aus
den 30er-Jahren, die später auch Steve McQueen trug. Sie zählt schon jetzt zu den erfolgreichsten Modellen – vor allem
bei Frauen, die einen eleganten Bikerstil
pflegen.
Mittlerweile entdecken sogar andere
Marken das robuste Material für sich. Fred
Perry, ebenfalls eine britische Traditionsmarke, hat bereits in diesem Frühjahr einige Jacken aus Wachs in der Kollektion.
Vielleicht kommt ja im nächsten Sommer
irgendwie selbst das Haargel zurück.
– Silke Wichert
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