Wie ein System entstand, das nie eins war (Teil 1)
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Wie ein System entstand, das nie eins war (Teil 1)
ERINNERUNGEN – oder: ES WAR EINMAL Wie ein System entstand, das nie eins war (Teil 1) Von Hans-Jakob Baum mit Unterstützung deutscher und US-amerikanischer Kameraden Anmerkung der Redaktion: Bericht eines Beteiligten, der von 1985 bis 1990 die Erprobungsphase des Spürpanzers Fuchs hautnah sowohl im Inland wie im Ausland miterlebte und sie, gespickt mit interessanten und persönlichen Erlebnissen sowie Erfahrungen, für die Nachwelt dokumentierte. Die Geschichte liest sich wie ein spannender Roman (auf Zwischenüberschriften wurde deshalb verzichtet), der ab 1990 nach Fortsetzung verlangt. Paul Felbermair Blicken wir dreißig Jahre zurück: Die Aufklärungszüge der ABC-Abwehrtruppe des Heeres umfuhren oder durchstießen kontaminierte Gebiete mit ihren offenen MTW M113 ohne ABC-Schutz- und Belüftungsanlage, ausgerüstet mit Strahlenspür- und Verstrahlungsmessgerät, (SVG), sowie mit Prüfröhrchen, Pulver und Papier zum C-Spüren, also mit Gerätschaft, die auf mehrere Jahrzehnte alten Technologien beruhte. Die Aufklärer kämpften in Übungen mehr mit ihrer Ausrüstung als mit der Übungslage, die Besatzungen der M113 bekleidet mit Atemschutz und schweren, gummierten „Saunaanzügen“, so mancher mag sich an „Sonnenstunden im Zodiak“ erinnern. Da zeichnete sich am Horizont die Hoffnung der Truppengattung ab, eine neue Spürfahrzeug-Generation mit revolutionärer Technik. Die Truppenversuche mit Erprobungsmustern des „ABC-Spürpanzer Fuchs“ gingen dem Ende entgegen, eine neue Gerätegeneration zur ABC-Aufklärung war entwickelt worden und hatte ihre Brauchbarkeit bewiesen. Großräumiges A-Spüren sollte zukünftig mit dem ASG-1 stattfinden, - wofür das Kürzel wirklich stand, (Atom (?)-Spürgerat oder Automatisches A-(?)-Spürgerät…) dazu wurde wohl nie eine plausible Antwort gefunden -. Seine beiden Fahrzeugaußensonden erfassten den vollen Raumwinkel um das Fahrzeug herum und hätten in einem Fallout-Gebiet Messwerte geliefert, die den Messdaten des SVG-1 beim Spüren zu Fuß (etwa 1m über Grund, voller Raumwinkel) entsprachen. BORDEAUXROT 2/2012 Das zum C-Spüren entwickelte MM-1 war das erste mobile, digital gesteuerte Quadrupol Gaschromatograph-Massenspektrometer (GCMS). Mit seiner kombinierten Luft-Bodensonde und mittels Silikonsammelrad konnten das MM-1 während der Fahrt quasi kontinuierlich Luft- und Oberflächenkontaminationen detektieren und schnell identifizieren. Zusätzlich integrierte man die Fahrzeugorientierungsanlage FOA 25-10, mit deren Hilfe die aktuellen Positionsdaten unmittelbar digital verfügbar waren und jeder Messung direkt zugeordnet werden konnten. Neider, insbesondere Vertreter der Kampftruppen, behaupteten, die Soldaten der ABC-Abwehrtruppe bräuchten die FOA nur, weil sie nicht Karten lesen könnten. Nicht Farbumschläge oder abgelesene Zeigerausschläge, sondern digitale Messdaten waren von nun an das Ergebnis eines Spüreinsatzes, automatisch erstellte Druckerprotokolle, in denen Messwerte, gepaart mit zugehörigen Ortskoordinaten und Uhrzeit im NBC4-Format, protokolliert wurden. Erstmals konnte eine Fahrzeugbesatzung unter dem ABC-Schutz des Fahrzeugs mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten und großen Reichweiten im echten Sinne großräumiges Aund C-Spüren durchführen und somit im Gefecht der verbundenen Waffen mit den voll mechanisierten Verbänden mithalten. 31 Diese Aktivitäten in Deutschland erregten starkes Interesse der NATO-Partner, insbesondere der amerikanischen Streitkräfte. Obwohl der US-Grundsatz als unumstößlich gilt: „sell to your partners but buy American“ ahnte man in den USA, dass der deutsche ABCAufklärungspanzer „Fuchs“ der US-Entwicklung weit voraus war. Nun kam es darauf an, so fair wie möglich, dem NATO-Partner Deutschland seine Unvoreingenommenheit zu demonstrieren. Der COMTRADOC (Commander Training and Doctrine Command) verfügte deshalb eine Vergleichserprobung in Deutschland, die natürlich der Auftraggeber finanziell zu tragen hatte. Parallel zu den Testserien in Deutschland war das MM-1 auch in den USA intensiven Gerätetests unterzogen worden. Das „GEMS“ (GErman Mass Spectrometer), wie das MM-1 in den USA genannt wurde, hatte Aberdeen Proving Ground. Man fragte offiziell an, im Rahmen eines CEP (Concept Evaluation Program) vergleichende Tests zwischen deutschen Spürfüchsen und entsprechend ausgerüsteten amerikanischen M113 durchführen zu können. Diese Tests wurden der erste Schritt hin zu einer historischen Beschaffungsentscheidung. In bilateralen Gesprächen entstand ein Vertrag, wonach zwei Füchse und zwei M113 in Deutschland getestet werden sollten. Das Testpersonal stellten die US-Streitkräfte, die Testleitung (Test Directorate) kam aus Ft Knox (US-Army Armor School), die ABC-fachliche Beratung lag bei Ft McClellan (US Chemical School). Während die beiden M113 von Aberdeen Proving Ground (APG) aus den USA kamen und durch das Entwicklungsteam direkt betreut wurden, bekam die ABC- und Selbstschutzschule in Sonthofen den Auftrag, Ausbildung und fachliche Betreuung für die Spürpanzer Fuchs zu übernehmen. Die Ausbildung am Spürfuchs sollte in Sonthofen und auf dem Übungsplatz „Bodelsberg“ stattfinden, die wesentlichen Tests auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg. Weitere Tests waren gemeinsam mit Kräften der US 11st Cavalry in Hohenfels (TrÜbPl) und Schwimmtests in Ingolstadt mit Unterstützung der dortigen Pioniere geplant. Die deutsche Seite hatte, in Erkenntnis der Truppenvergleichstests Kampfpanzer Leopard vs. MBT Abrams – der Leo hatte verloren – darauf gedrungen, dass das Testprogramm unter Mitwirkung der deutschen Seite erstellt werden musste, was schließlich genehmigt wurde. Auch bei diesem Arbeitsschritt – bei HQ 32 TRADOC in Virginia – war es nicht leicht, deutsche Wünsche in das Programm zu integrieren. Der Spezialstab ATV der ABC/SeS bekam die Federführung für die deutschen Aufgaben, verstärkt durch Angehörige der Lehrgruppe B. Die Bundeswehr selbst hatte zu der Zeit nur wenige Truppenversuch-Systeme im Bestand, Vorschriften waren noch nicht vorhanden, in der Lehrgruppe B sammelte man gerade erste Erfahrungen mit der Ausbildung. Auch gab es noch keine Ausbildungshilfsmittel, von Simulatoren ganz zu schweigen. Schon in den 70er Jahren war beschlossen worden, die als Spürfahrzeuge genutzten M113 der ABC-Abwehrkompanien durch moderne, ABC-geschützte Radfahrzeuge (Basis TPz Fuchs) zu ersetzen. Um diesen Schritt sinnvoll machen zu können, musste zeitgleich die Entwicklung moderner Techniken für das A- und C-Spüren vorangetrieben werden. Insbesondere das C-Spüren war ein sehr ambitioniertes Projekt. Mitte der 70er Jahre ließ das BMVg Studien über die Verwendbarkeit moderner physikalischer Methoden zum C-Spüren verfassen. Dabei wurden die NMR- (Nuclear Magnetic Resonance = Kernspinresonanz, heute „Magnetresonanz“, denn „Kern“ oder „Nuclear“ macht den Menschen Angst), IR- (Infrarot-) und MS- (Massenspektrometrie-) Techniken in Studien auf ihre Anwendbarkeit hin untersucht. NMR schied im Wesentlichen durch die auch heute noch unerfüllbaren Ansprüche an den supraleitenden Magneten aus, der IRAnsatz wurde intern als „Heidebrenner“ bekannt; nur die Studie von Dr. Franzen, damals noch Leiter der Entwicklung des Massenspektrometer-Herstellers MAT in Bremen (persönliche Kommunikation Dr. Franzen), schien einen technisch realisierbaren Weg aufzuzeigen. 1977 gründete Dr. Franzen sein eigenes Unternehmen mit der Zielsetzung, ein erstes, voll digitalisiertes GC-MS-System für den Routinelaborbetrieb (GCMS 2001) zu entwickeln. Diese Firma ging 1980 in die BrukerFranzen Analytik GmbH (BFA) über. Anfang der 80er Jahre gewann sie den Auftrag des Bundes, ein mobiles Massenspektrometer zu entwickeln und konnte dazu auf die seit der Studie geleisteten Vorarbeiten der Teams zurückgreifen. Unterstützt durch Prof. Dr. Trinks an der TH Hamburg-Harburg mit den Doktoranden Gerd Matz (Bruker-Franzen Analytik GmbH, BFA) und Bernd Odernheimer (Wehrwissenschaftliche Dienststelle für ABC-Schutz, WWD) entwickelte BFA erste Gerätemuster, die erst in der BORDEAUXROT 2/2012 WWD, später in Truppenversuchen mehrere Nachbesserungsschleifen drehen durften. Insbesondere ein großes Hochspannungsnetzteil, oder was davon übrig blieb, wurde nach ersten Rütteltests auf dem Kehrblech zurückgegeben, der Monitor zeigte im Temperaturtest wundersame Bildverzerrungen, der Sondenkopf der Luft-Bodensonde hing nach Geländefahrten herab wie ein Lämmerschwanz und einige Bedienungsabläufe in der Software brachten die Bediener schier zur Verzweiflung. Aber all diese Mängel wurden Schritt für Schritt beseitigt und bis 1985 war ein Reifegrad erreicht, mit dem die Truppe hochzufrieden war. Anfang der 80er Jahre wurden die Fahrzeuge vom Typ Fuchs für die ABC-Abwehrtruppe verfügbar, aber die Spezialausrüstungen noch nicht. Deshalb erhielten die ABCAbwehrkompanien ihre TPz mit klassischer Mannschaftstransport-Ausrüstung (8 Sitze im Transportraum). Die Truppe behalf sich, indem sie das damals verfügbare STAN-Material (SVG, KSG, Markierungssatz, …) nun aus einem ABC-geschützten Fahrzeug heraus nutzte. Alsbald wurde eine neue C-Spürtechnik eingeführt, das „Rollenspüren“. Eine Tapezierrolle aus dem Baumarkt wurde mit Spürpapier umwickelt, an einer langen Stange durch eine Luke aus dem Heck des Spürfahrzeugs heraus hinter dem Fahrzeug über den Boden gerollt und auf Farbumschlag kontrolliert, das spätere „Radspüren“ ließ grüßen. Bei einer Kompaniebesichtigung der ABC-Abwehrkompanie 4 im November 1983 wurde das C-Spüren des Aufklärungszuges durch einsetzenden Schneefall beendet, die Tapetenrolle holperte über den Schnee – willkommen in der Realität. Als Haushalts- und Verfügbarkeitsgründen fand die Beschaffung der einzelnen Komponenten (Heck, Sitz Spürer 2, Geräteschrank für ASG-1 und MM-1, FOA 25-10, ASG-1 und MM-1) zeitlich nacheinander statt, die Einzelbeschaffungen wurden als Gerätebeschaffungen durch die Abteilung Heeresrüstung des Heeresamtes mit Hilfe der „Arbeitsgruppe Fuchs“ gesteuert, eine erfolgreiche Mischung aus Dienststellen und Industriepartnern. Erfahrene Vertreter der Truppengattung gingen davon aus, dass ein „System ABC-Aufklärung“ im Ministerium wegen der zeitlichen Steuerungsprobleme untergehen würde, somit gab es nie ein System „Spürpanzer Fuchs“. Als 1986 die Tests mit den US-Streitkräften liefen, war der Serienbeschaffungsvertrag für die Hauptkomponente MM1 noch nicht geschlossen, nur die wenigen Truppenversuchsfahrzeuge hatten schon etwa BORDEAUXROT 2/2012 den beabsichtigten Ausrüstungsstand. Diese Vorgehensweise, ein Fahrzeug zu beschaffen, obwohl die Ausrüstung noch nicht verfügbar war, hat der Bundesrechnungshof später einmal in einem Jahresbericht kritisiert. Der große politische und wirtschaftliche Exporterfolg des „Spürpanzer Fuchs“ rechtfertigte die koordinierte Vorgehensweise aller beteiligten Institutionen und Fachfirmen. Das unakzeptable Verhalten einzelner Manager in den 90er Jahren hingegen machte Negativschlagzeilen, kann aber diesen Erfolg nicht schmälern. Die heute weltweit im Dienst befindlichen ABC-Spürfahrzeuge sind Weiterentwicklungen der Philosophie und des Konzeptes „Spürpanzer Fuchs“, selbst die aktuellen Konzepte wandeln noch immer auf den alten Pfaden. Im Heeresamt musste der „Geräteoffizier“ – das System Fuchs wurde aus organisatorischen und Haushaltsgründen nicht als System von einem systemverantwortlichen Oberst im Generalstab geführt, sondern, David gegen Goliath, von einem hervorragenden FDHauptmann in der ABC-Rüstungsabteilung betreut - unglaublich viele Hindernisse wegräumen, was der mit hohem Dienstrad leichter geschafft hätte. So kämpfte dieser Kamerad sich mit riesigem persönlichen Einsatz, Mut und staunenswertem Erfolg durch alle Klippen der Bürokratie – immer das Ziel vor Augen, das Projekt optimal über die Runden zu bringen. Im November 1984, ein Jahr vor den CEPAktivitäten, hatte die Ausbildung von Kaderpersonal der Bundeswehr bei BFA in Bremen stattgefunden. Die Herren Dr. Franzen und Dr. Matz gaben sich redlich Mühe und waren sehr erfolgreich, innerhalb von knapp fünf Tagen zehn Personen an einem Gerät in die Grundlagen der Bedienung eines GC-MS einzuweisen und dabei hinreichendes Verständnis für die Funktionsprinzipien des MM-1 aufzubauen. (Bemerkung: der damalige Kommandoführer im Range Hauptmann steht bald an der Spitze der Truppengattung) Nach Rückkehr aus Bremen begann in der Lehrgruppe B die Erarbeitung von Konzepten für die Kommandanten- und Bedienerausbildung, um in ersten Pilotlehrgängen des Jahres 1985 Ausbildungserfahrungen mit dem Spürfuchs zu gewinnen und Grundlagen für die Vorschriften zu erarbeiten. Gleichzeitig jedoch wurden noch einige Ergänzungen am CSpürsystem vorgenommen. Insbesondere musste das Prinzip des Radspürens, des CSammelns mittels Silikonreifen, noch in Hardware umgesetzt werden. In einer ad-hoc-Aktion 33 zauberte ATV/T mit Unterstützung von BWB und Heeresamt in Zusammenarbeit mit den beteiligten Firmen das Doppelradspürgerät. Als das Ergebnis dieser Aktion in Sonthofen ankam und ich nach erster Benutzung spontan ernüchtert reagierte, nahm mich der Vertreter des HA zur Seite und bemerkte: „Halt jetzt den Mund, sonst bekommt ihr gar nichts.“ Diese offene Kommunikation pflegten wir über die Jahre erfolgreich weiter. wendbar zum großräumigen Spüren mit einem Fahrzeug. Von der US Army Chemical School aus Ft. McClellan stieß als Fachbeobachter Cpt. Gross hinzu, aber auch für ihn waren die operativen Möglichkeiten neu. Ebenfalls nach Deutschland verlegt wurde ein Entwicklungs-Team von Aberdeen Proving Ground, geleitet von Mr. Field, mit zwei M113 und einem altertümlichen FordWerkstattwagen. Die beiden M113, ausgestattet mit MM-1 (C-Spüren) und AN/VDR2 (ADas Technische Ausbildungszentrum (TAZ) der Spüren) hatten damals auch schon zusätzliche ABC/SeS konzipierte gleichzeitig die AusbilSensorik für Wetter. Darüber hinaus besaß das dung der Geräteinstandsetzung bis zur MateriUS-System einen sehr kleinen und handlichen alerhaltungsstufe 3. Dabei wurde es tatkräftig Computer, der Messdaten von den Sensoren durch zwei Kameraden der Schule Technische übernehmen und als Truppe in Aachen Liebe Leserinnen und Leser, NBC-4-Meldung über unterstützt. Ohne all diese Aktivitäten hätte mit dieser neuen Rubrik ERINNERUNGEN Funk absetzen konnte. der CEP des Jahres möchten wir Sie anregen, auch Ihre persön- Auch befanden sich an 1986 in einem Desaster lichen Erlebnisse und Erfahrungen für unser Bord die ersten CAM Mitteilungsblatt BORDEAUXROT niederzu- (Chemical Agent Mogeendet. schreiben. Nennen wir es doch einfach mal nitor, Graseby), wähAuch fehlten noch „erlebte Tradition“ und warten nicht allzu rend in den jegliche Einsatzkonzep- lange damit, die eine oder andere lesensSpürfüchsen als te für die neuen Mög- werte Geschichte für den „Rest der Welt“ zu Handgerät Drä-ger lichkeiten der ABC-Auf- dokumentieren. Und – natürlich dürfen diese Prüfröhrchen verklärung. Deshalb ent- Erzählungen auch lustig sein! wendet wurden. wickelte die Gruppe Mal ehrlich, wie oft haben SIE selbst schon Nun musste aus dem Truppenfachlehrer der bunten Verein ein Team ABC/SeS die Lehr- DIESEN legendären Satz gesagt? gebildet werden, das übung „Steigerwald“, „Da könnte ich ein ganzes Buch vergleichende Tests um darin die Einsatzdrüber schreiben!“ nach noch nicht vorhanprinzipien der SpürEinsatzgrundfüchse in den Gefechts- Na dann fangen Sie doch JETZT damit an – denen sätzen absolvieren arten vorstellen und es muss ja nicht gleich ein Buch werden konnte. Cpt. Prescott weiterentwickeln zu löste das ganz pragkönnen. matisch, indem er seiWir freuen uns Nach Abschluss der nem Test Director, Mr. auf Ihren Bericht. US-/GE Verhandlungen Schroeder (Ft. Knox), im Sommer 1985 nahm vorschlug, einen deutdas Vorhaben Gestalt schen Offizier der Ihre Redaktion an. Zeitpläne wurden ABC/SeS zum Aserstellt, Personal ausgesucht und Material versistant Test Officer zu machen. Dem Wunsch fügbar gemacht. entsprachen meine Vorgesetzten, indem sie Anfang 1986 kam US-Personal nach Sonthomich zum „Amerikaner“ machten. Die Arbeitsfen, allen voran der Test-Officer Cpt. Prescott teilung von nun an war einfach: Cpt. Prescott mit seinen Sergants aus Ft. Knox, Panzermänkoordinierte mit den Dienststellen, ich erstellte ner, die mit der ABC-Aufklärung nicht vertraut Übungsszenarien für Ausbildung und Test und waren. Von US-ABC-Einheiten in Deutschland das deutsche Team bildete die USwurden Unteroffiziere und Mannschaften an die Besatzungen an den Füchsen aus. Die USABC/SeS gesandt. Ihre Kenntnisse in ABCBesatzungen der M113 wurden vom AberdeenAufklärung bestanden in der klassischen USTeam an Fahrzeugen und Geräten in der Nähe Doktrin, dem „Kleeblatt-Spüren“, einem Spüren von Nürnberg geschult, nur der spürtaktische zu Fuß um die eigene Stellung herum, wobei Teil (Spür-Verfahren) musste für M113 später das Muster des Weges der Form eines vierin Hammelburg nachgeschult werden, denn blättrigen Kleeblattes entsprach, kaum an34 BORDEAUXROT 2/2012 Kleeblattmuster wollten Übungsplatz eingraben. wir nicht in den So begann die Ausbildung an den Spürpanzern in Sonthofen Anfang des Jahres 1986 mit Schulung der Kommandanten, Fahrer und Gerätebediener. Da es noch keine ausgereiften Ausbildungsunterlagen gab, waren die Ausbilder aus der Gruppe Chemie und der Lehrgruppe B in ihrer Fantasie stark gefordert, sich Szenarien vorzustellen und Abläufe zu entwickeln. Das wesentliche „Entwicklungslabor“ war dabei die Kantine, in der abends beim Bier auf einem Bierdeckel Skizzen zu den Spürverfahren „Umgehen“ und „Durchstoßen“ mit TPz Fuchs entstanden, die bis heute ihre prinzipielle Gültigkeit behalten haben. Im Gegensatz zum Versuch, eine Steuererklärung auf einen Bierdeckel zu bekommen, haben wir es damals geschafft…einige dieser Bierdeckel sollen noch im Privatbesitz existieren. Die US-Besatzungen waren hochmotiviert, es ging alles leicht von der Hand und sehr bald meinten wir, einzelne Spürtrupps mit den Füchsen auf die Straßen des Oberallgäu lassen zu können. Es war Winter, aber Eis und Schnee stellen für diese Fahrzeuge kein Problem dar. So gaben wir den Kommandanten Spüraufträge zum großräumigen A-Spüren und ließen sie alleine die Mission abarbeiten. Anhand der Karten und mit Unterstützung der FOA 25-10 sollte es ihnen schon gelingen, den rechten Weg zu finden. Da erreichte mich ein Anruf des Schirrmeisters der ABC/SeS (so etwas hatte die Schule damals noch). Er war von der Polizei angerufen worden, weil ein Fuchs den Weidezaun eines Bauern niedermachte. Der Bauer hatte beobachtet, dass aus dem Wagen Schwarze ausstiegen, die sich das von ihnen angerichtete Elend betrachteten und anschließend weiterfuhren. Er hatte die Polizei angerufen und wie der Zufall es will, war eine Streife bei der Unfallaufnahme eines anderen winterlichen Verkehrsunfalls, als besagter Fuchs sich näherte und die Polizisten aufgrund der „Personenbeschreibung“ messerscharf schlossen, wen sie da vor sich hatten. Was war geschehen: Der amerikanische Kommandant des Fuchs hatte, trotz Orientierungsanlage die Abzweigung zur Bundesstraße verpasst und war geradewegs in immer kleinere Seitenstraßen gefahren. Letztendlich überfuhr das Fahrzeug eine Brücke, die von der Belastbarkeit her sehr eingeschränkt war und auf dem nachfolgenden Weg geriet er in tiefe, vereiste Fahrspuren, an deren Kanten das Fahrzeug abrutschte und sich schräg zur Fahrbahn stellte. So drückte BORDEAUXROT 2/2012 der TPz auf dem schmalen Fahrweg mit einer Seite die Weidepfähle um, und da Differentialsperren in der Fahrerausbildung wohl noch ein Fremdwort geblieben waren, auch über eine längere Strecke. Mit gutem Zureden beschwichtigte der Schirrmeister den Bauern und so konnten die Schäden am Weidezaun am nächsten Samstag mit Hilfe von Weidepfählen, Stacheldraht, Werkzeug und einer Kiste Bier repariert werden. Den Vorfall an der Brücke (Überlast) untersuchte die Stadt und verzichtete auf weitere Maßnahmen. Die winterlichen Bedingungen begleiteten uns im Rahmen der Ausbildung in jenem Winter etwas länger und bei einer weiteren Übungsfahrt kam es zu einem Unfall in Oberstdorf. Der TPz fuhr auf einer teilweise noch vereisten Straße brav auf seiner Straßenseite. In der Sonne war der Schnee schon geschmolzen, aber im Schatten der Häuser hatten sich Eisspuren auf der Fahrbahn gebildet, was für unerfahrene Touristen eine große Herausforderung darstellte. So kam dem TPz ein Mercedes entgegen und, anstatt in der engen Ortsstraße an den Rand zu fahren und den TPz vorbei zu lassen, fuhr er weiter und die Fahrzeuge begegneten sich genau auf einer vereisten Stelle im Schatten eines Hauses. Der Mercedes rutsche auf dem Eis weg, seitlich gegen ein TPz-Rad. Und wieder hatten wir eine Unfall-Aufnahme, diesmal mit verärgerten Touristen, die aber auf ihrem selbst verantworteten Schaden sitzen blieben. Am TPz hatte die Berührung keinen Schaden hinterlassen. In späteren Zeiten wurden die Bewegungsmöglichkeiten der TPz im Oberallgäu zum Schutz uneinsichtiger Touristen erheblich eingeschränkt. Zur praktischen C-Spürausbildung verlegten wir auf den Übungsplatz Bodelsberg, ein langgezogenes Tal im Voralpenland, morgens eine Seite sonnenbeschienen, die andere im Schatten. Natürlich übten wir das C-Spüren in der Sonne, sprühten als Darstellungsmittel mittels Rückentragespritze das in der weltweiten ABCGemeinschaft weit verbreitete Methylsalicylat (MES) als Methylsalicylat-Wassergemisch auf den Fahrweg und schickten den Trupp los. Brav arbeitet das Team den Auftrag ab, wir ermittelten die Reaktionszeiten des Systems zur Optimierung der Abläufe und feilten an den Details der Technik. Bei einem etwas späteren Einsatz veränderten wir den Anmarschweg des Spürfahrzeugs und ließen ihn schon auf der schattigen Gegenseite des Tales mit dem Radspüren beginnen, um sich dann in einem Bogen der Übungskontamination in der Sonne zu 35 nähern. Wir beobachteten den TPz, wie er nach der befohlenen „Linie Spürbeginn“ zum Radspüren überging und plötzlich im Schatten stoppte und die Punktspür-Prozedur anschloss. Über Funk meldete der Kommandant eine NBC4 Chem. Wir waren total verwirrt, denn dort hatten wir weder eine Kontamination ausgebracht, noch war ein Fahrzeug mit kontaminierten Reifen dort lang gefahren. Wir führten deshalb einige kleine Experimente aus und kamen zu dem Ergebnis, dass das Methylsalicylat auf dem Weg, beschienen von der starken Märzsonne, verdampft war und sich im sehr kalten Schatten auf dem eisigen Untergrund niedergeschlagen hatte. Diese Beobachtung war eine wichtige Erfahrung für uns (in der Literatur des C-Kriegs durchaus erwähnt), denn bei den späteren Tests hatten wir mit ähnlichen Phänomenen zu kämpfen. Durch dieses Erlebnis relativierte sich für uns die Bedeutung der Bojen und Folien zur Markierung einer Grenze der Vergiftung und wir suchten nach Wegen, wie mögliche Ortsveränderungen von Kontaminationen der bedrohten Truppe mitgeteilt werden können. Das Problem ist wohl bis heute nicht grundsätzlich gelöst. Bradley, Fuchs und M113 vor Absolvieren des "Mobility Course". Nachdem die Besatzungen im I. Quartal das Fahren und Spüren gelernt hatten, kam der Zeitpunkt der Verlegung nach Hammelburg. Für das Funktionspersonal der ABC/SeS war ein Landgasthof in der Nähe des Truppenübungsplatzes, der „Schwarze Adler“ in Gauaschach, als Stützpunkt ausgesucht worden. Niemand hätte wohl je gedacht, dass dieser Gasthof von nun an für längere Zeit der Nabel der Welt in Sachen ABC-Aufklärung sein würde. Bei deftigem Essen und gutem Bier wurde hier an den freien Abenden große Politik gemacht, er wurde zum internationalen Treffpunkt aller Beteiligten (inwieweit „fremde Heere Ost“ anwesend waren, ist nicht bekannt). 36 Redaktionsschluss Ausgabe 3/2012 20. Juli 2012 Auf dem Truppenübungsplatz hatten die Aktivitäten des CEP-Tests absoluten Vorrang. Die Truppenübungsplatzkommandantur unterstütze nach Kräften und der damalige Schulkommandeur General Fuhr zeigte großes Interesse. In einem Gebäude wurden die Büros der Amerikaner und der Deutschen, das „Tactical Operation Center“ (TOC, Gefechtsstand) und technische Lagerräume, eingerichtet. Das US/GE Test Team, die Unterstützungsgruppen US (aus APG), GE (aus Sonthofen und Aachen) und die Besatzungen der vier Fahrzeuge, weiterhin Dolmetscher und Fotografin des Teams sowie Mitarbeiter von Battelle, die im Rahmen der Erprobung einen Mobility-Test durchzuführen hatten. Mitwirkende aus Ministerium, BWB, Heer und beteiligte Firmen gaben sich die Klinke in die Hand. Im Hintergrund wirkte die Logistik der Bundeswehr mit allen damals verfügbaren TPz-Ersatzteilen und der Kraft einer Heeres-Instandsetzungskompanie. Den nahezu kreisrunden Truppenübungsplatz mit seiner Mittelgebirgslandschaft umzieht eine auf etwas höheren Banketten liegende asphaltierte Randstraße. Das Innere des Übungsplatzes ist überwiegend offenes, hügeliges Grasland, durchzogen von einigen Fahrspuren, teils geschottert, teils unbefestigt, mit tiefen Wasserlöchern durch den Übungsbetrieb (und den darin wohnenden schützenswerten Arten). An einigen Hügeln sind noch die Terrassen-Stufen der früheren landwirtschaftlichen Nutzung erkennbar. Der Ablauf war grundsätzlich so geregelt, dass die Ringstraße zu meiden war und die Fahrzeuge nach jeder Übung in der Panzerwaschanlage gereinigt wurden. Begonnen wurde mit Eingewöhnungsübungen, Fahren im Gelände, Orientieren auf dem Truppenübungsplatz und Vertiefen der gelernten Spürabläufe. Alle Fahrzeuge bekamen Strecken vorgegeben, der Funkverkehr zum TOC wurde eingeübt und alles lief gut. Da erreichte uns ein Anruf mit dem Befehl, sich beim General zu melden. General Fuhr machte mittags regelmäßig Jogging auf der Ringstraße. An diesem Tag wurde er dabei jäh unterbrochen, als ein M113 aus dem Übungsplatz hervorschoss, und direkt vor ihm die Straßenböschung hinauffuhr, quer über die Ringstraße ratterte und auf der anderen Seite BORDEAUXROT 2/2012 (außerhalb des Übungsgeländes) wieder abtauchte. Die freundlichen GIs grüßten freundlich aus den Luken. Also kassierte ich meinen „Anschiss“, wir bewaffneten uns mit Schaufeln und Besen der Übungsplatzkommandantur, fuhren hinaus, reinigten die Fahrbahn und reparierten die Böschungen. von rechts: Joseph Schroeder, Test Director Ft Knox, Oberstlt Schober, SpezSt ATV-T, BrigGen Fuhr, Kdr KTrS Hammelburg, Olt Baum, Assistant Test Officer, ABC/SeS Lehr Grp B. Um C-Kontaminationen darzustellen, benutzen wir wieder MES, es gibt Wrigley´s Kaugummi den typischen scharfen Geschmack und Geruch, ist in Sportsalben und Kautabak enthalten und wenn man es erst einmal auf der Haut, in der Kleidung oder gar im Fahrzeug hat, ist man für alle Menschen leicht als „ABCist“ erkennbar. Mit ein paar Litern Wasser und einem Spritzer MES, wie während der Ausbildung angewendet, gaben wir uns jedoch nicht zufrieden, wir wollten höher hinaus. So brachten unsere amerikanischen Freunde ein US-System mit, das SPAL genannt wurde. In einem Abschussgestell standen mehrere etwa 1 Liter fassende Kunststoff-Flaschen, die mit reinem MES gefüllt wurden. Durch elektrische Zündung wurden die Flaschen mit Treibladungen etwa 50 Meter hochgeschossen und dann durch eine zweite Ladung zum Platzen gebracht. Der Inhalt regnete über größeren Flächen ab. So konnten wir mehrere Liter Flüssigkeit von einem Abschussgestell aus sternförmig ausbringen und Kontaminationen erzeugen, die amerikanischen Wünschen genügten. Man lernte dabei schnell, welchen Einfluss umlaufende Winde auf das Geschehen haben. Danach wurden wir aus dem Büro gejagt und im Schwarzen Adler mied man am Abend trotz Duschen und frischer Kleidung unsere Nachbarschaft. Aber nicht nur Spüraufträge bei Tage, sondern auch in der Nacht bei absoluter Dunkelheit mit Hilfe von Nachtsichtbrillen wurden durchgeführt. Das Warten im TOC auf die eingehenden BORDEAUXROT 2/2012 Spürmeldungen wurde zur Routine, nur ein M113-Spürtrupp antwortete nicht. Da ging die Türe auf und der vermisste Trupp stürmte schimpfend herein. Der Trupp war im Dunkel in eines der (ökologisch wertvollen) Wasserlöcher geraten und hatte den M113 versenkt. Mit geschlossenen Luken und trotz BildverstärkerFahrgerät im Periskop-Schacht hatten Fahrer und Kommandant das Wasserloch nicht erkannt und waren voll hineingeraten. Also Bergen bei Nacht, eine unangenehm kalte Schlammschacht. Bei einer weiteren Nachtübung, es war Übungsende und die Fahrzeuge zur Panzerwaschanlage befohlen, lief ein weiterer kurioser Funkspruch im TOC ein. Der Kommandant teilte mit, dass sein Fuchs einen Pfahl umgefahren habe. Das klang wenig dramatisch und er erhielt den Auftrag, den Pfahl mitzubringen. Die Antwort kam prompt: „Geht nicht, da hängt die Lampe dran“. Was war geschehen: Der Fuchs hatte in der Panzerwaschanlage beim Rückwärtsfahren die einzige Straßenlaterne umgefahren, jetzt standen sie im Dunkeln…und wieder durfte ich mir meinen „Anschiss“ abholen. Fortsetzung folgt in Ausgabe 3/2012 Hauptmann d. Res. Hans-Jakob Baum Liebe Leserinnen und Leser, mit dieser neuen Rubrik ERINNERUNGEN möchten wir Sie anregen, auch Ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen für unser Mitteilungsblatt BORDEAUXROT niederzuschreiben. Nennen wir es doch einfach mal „erlebte Tradition“ und warten nicht allzu lange damit, die eine oder andere lesenswerte Geschichte für den „Rest der Welt“ zu dokumentieren. Und – natürlich dürfen diese Erzählungen auch lustig sein! Mal ehrlich, wie oft haben SIE selbst schon DIESEN legendären Satz gesagt? „Da könnte ich ein ganzes Buch drüber schreiben!“ Na dann fangen Sie doch JETZT damit an – es muss ja nicht gleich ein Buch werden Wir freuen uns auf Ihren Bericht. Ihre Redaktion 37