Eine Reise in die zentralanato
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Eine Reise in die zentralanato
Reportage Zwischen Hirtenhunden und Doktorfischen Eine Reise in die zentralanatolische Heimat des Kangals In der trockenen Hochebene der türkischen Provinz Sivas liegt die Stadt Kangal. Hier leben die gleichnamigen Herdenschutzhunde noch wie früher – ohne Leinen, Zwinger und Zäune. Ihre Aufgabe ist es seit jeher, Schaf-, Ziegen- oder Rinder herden zu beschützen und die Dörfer zu bewachen. Text & Fotos: Carolin Hlawatsch T rockenes Grasland und baumfreie Hügel soweit das Auge reicht. Seit Stunden rollt unser VW-Bus durch das Hochland, genauer durch die Provinz Sivas mitten in der Türkei. Hin und wieder streifen wir Städte, die 1.200 Meter und höher über dem Meeresspiegel liegen. Wir halten an, wenn von großen Hirtenhunden angetriebene Kuh- und Schafherden die Straße überqueren. Hinter der nächsten Kurve erscheint im staubigen Dunst der Abendsonne der Ort Kangal. Gibt es da nicht auch eine gleichnamige Hunderasse, frage ich mich, als uns am Ortseingang eine vier Meter hohe Hunde-Statue begrüßt. Im Ortskern der rund 10.500 Einwohner zählenden Kleinstadt treffen wir auf etwa ein Dutzend großer Hunde mit beigem Fell und dunklen Gesichtern. Kangals sind wertvoll Keiner von ihnen ist angeleint. Das sind wohl alles Streunerhunde? „Nein, das hier ist kein Streuner. Er gehört meiner Familie“, erfahren wir am nächsten Tag von Eyüp, der den Hund hinter den schwarzen Ohren krault. Eyüp hat einige Jahre in Deutschland gelebt und kann uns deshalb in ausgezeichnetem Deutsch erklären, dass „Kangals sehr wertvoll sind“. Einen Namen hat der Vierbeiner mit geschätzter Widerristhöhe von 75 Zentimetern nicht, dafür aber viele Freunde. Immer wieder streicheln Passanten dem gelassenen Gefährten Vier Meter hohe KangalStatue am Ortseingang von Kangal im Vorbeigehen über den Kopf. Zwei Jungs ergattern im Fleischerladen einen Knochen für den Hund. „Zu Menschen ist er sehr freundlich“, sagt Eyüp. „Aber für andere Tiere, die in sein Revier oder seiner Schafherde zu nahe kommen, ist er sehr gefährlich!“ Dieses Verhalten entspricht eben den Herdenschutzhunden, zu denen der Kangal zählt. In der trockenen Hochebene der Provinz Sivas ist es seit jeher seine Aufgabe, Schaf-, Ziegen- oder Rinderherden vor Wölfen zu schützen und Dörfer zu bewachen. Die Viehzucht stellt hier eine Überlebensgrundlage dar. Lange Zeit war das karge Hochplateau aufgrund der fehlenden Verkehrsanbindung isoliert. Deswegen kamen die Hunde, die, so wird vermutet, ursprünglich mit Nomaden-Karawanen aus Ländern wie dem Iran oder Irak in die Region gelangten, kaum mit anderen Rassen in Kontakt. Camping mit Streunern Ein frei laufender Kangal ruht sich vor einem Supermark t aus Das erklärt, warum sich die meisten Hunde, ob nun Streuner oder nicht, in und um Kangal so ähnlich sehen. Im Laufe unseres Aufenthalts in der zentralanatolischen Kleinstadt meinen wir die Streunerhunde aber immer besser von den gezüchteten Kangals unterscheiden zu können. Die Streuner sind anhänglicher und lassen sich eher anlocken. Sie suchen sogar die Nähe des Menschen und begleiten uns, wenn wir mit gut duftenden Einkaufstüten vom Markt zu unserem VWBus laufen. Während wir am Campingtisch essen, leisten sie uns Gesellschaft. Unter unserem Bulli suchen sie Schutz vor der brennenden Sonne. Das Fell der Streuner hat teilweise eine andere Färbung. Viele sind zudem zierlicher gebaut als die Kangals, die sich Fremden gegenüber eher misstrauisch geben. Die robusten Kangals passen ideal ins einsame türkische Hochland, wo im Sommer die Sonne das Gras versengt und im Winter die Temperaturen bis unter Minus 40 Grad sinken. Noch heute haben sie mehr die Funktion eines Arbeitstieres als eines Haustieres. Sie werden nicht an der Leine herumgeführt, 51 Erziehungsratgeber Viele Streunerhunde in der Gegend sehen den Kangals ähnlich Sorgen für zarte Haut: Die Kangal-Fische im Fluss von Balikli Kaplica en, Dieser Kangal hat zwar keinen Nam dafür aber viele Freunde Der Kangal Namensgeber für die großen, robusten Herdenschutzhunde, die in ihrer heutigen Form seit dem 12. Jahrhundert existieren, ist die einflussreiche Familie Kangal – die noch heute in der Provinz Sivas lebt. Neben dem Kangal gibt es in der Türkei weitere Hirtenhunderassen wie den Akbas (Weißkopf), Karabas (Schwarzkopf) und Kafkas (Kars-Hund). Sie gelten bei uns laut dem kynologischen Dachverband Fédération Cynologique Internationale als Schläge des Anatolischen Hirtenhundes. Die Rasse "Anatolischer Hirtenhund" kennt man in der Türkei nicht, den Kangal hingegen schon lange. Seit 1998 ist er dort offiziell als Rasse anerkannt und man bemüht sich um die internationale Akzeptanz. Obwohl schon immer eine reinrassige Zucht angestrebt wurde, gab es früher keine Zuchtbücher für den Kangal. Heute führt die kynologische Vereinigung der Türkei Forschungen zum Rassestandart durch. Der Kangal ist in der Türkei ein Kulthund, der auf Münzen, Briefmarken und sogar beim Fußball zu sehen ist. So war der Kangal-Welpe Kanki das Maskottchen der in diesem Jahr in der Türkei ausgetragenen U20-Fußball-Weltmeisterschaft. Kangal-Fische Ein Schafhirte entdeckte 1917 die heilende Wirkung der kleinen Fische, die im 36 Grad warmen Quellbach bei Kangal schwimmen. Er hatte sich am Fuß verletzt und tauchte die Wunde ins Wasser. Viele Fische kamen angeschwommen und knabberten an der Wunde, die daraufhin auffällig schnell verheilte. Heute reisen Menschen mit Hautkrankheiten wie zum Beispiel Schuppenflechte oder Akne zu den angelegten Thermal-Becken Balikli Kaplica. Touristen erleben die Kangal-Fische im Fluss nebenan. Kur-Gästen wird eine Behandlung über drei Wochen mit täglich acht Stunden empfohlen. Weil sie bei Kangal entdeckt wurden, heißen sie KangalFische. Aufgrund ihrer Wirkung sind die bis zu 14 Zentimeter großen Fische auch unter dem Namen Doktorfische bekannt. Der wissenschaftliche Name der zu den Karpfenartigen gehörenden Fische mit rötlicher Schwanzflosse lautet Garra rufa - Rötliche Saugbarbe. Sie leben in nährstoffarmem Wasser und gleichen diesen Mangel durch knabbern an menschlicher Haut aus. Das Sekret, das die Fische beim Knabbern ausstoßen, trägt zusätzlich zum Heilungsprozess bei. reagieren nicht auf „Sitz“ und lernen die Arbeit mit der Herde vorwiegend voneinander, da oft Hunde unterschiedlichen Alters zusammen die Schafe behüten. In Kangal werden die Hunde, so scheint es uns, noch wie früher gehalten – ohne Leinen, Zwinger und Zäune. Dessen sollte sich jeder bewusst sein, der in Deutschland einen Kangal halten möchte, wo sich Hunde anpassen und Begleiter in allen Lebenslagen sein sollen. Dafür sind Kangals aber nicht geschaffen. Diese Hunde kamen erst Mitte der 1960er-Jahre nach England und in die USA. Von da an nahm ihre inzwischen fast weltweite Verbreitung ihren Lauf. Fische und Frikadellen An den zehn Kilometer vom Ort Kangal entfernt zwischen kargen Hügeln eingebettet liegenden Thermalquellen Balikli Kaplica begegnen wir einer In der Nähe der Thermalquellen ruht sich ein Kangal-Welpe aus Kangal-Familie. Die Tiere sind in festem Besitz, laufen aber stets frei herum. Unter den wachsamen Augen ihrer Mutter tollen vier tapsige KangalWelpen auf den Rasenflächen nahe der Quellen herum. Streicheln lassen sie sich ebenso wie ihre Artgenossen in der Stadt nicht. Aber beobachten macht ja auch Spaß! Besonders, wenn man dabei seine Füße in den von warmen Quellen gespeisten Fluss halten kann. Auf diese Weise haben wir irgendwie doch Körperkontakt zu Kangals. Zwar nicht zu den Hunden, dafür aber zu den Kangal-Fischen. „Ah, das kitzelt ja!“, rufen die Besucher von Balikli Kaplica, wenn sie ihre Füße das erste Mal ins Wasser halten. Und tatsächlich, es ist gewöhnungsbedürftig, wenn sich Hunderte kleine Fische an die Haut saugen, sobald wir die Gliedmaßen ins Wasser tauchen. Doch schon nach wenigen Minuten empfinden wir das Knabbern als angenehm und nehmen entspannt auf den Holzbänken Platz, die mitten im Fluss stehen. Viele stecken nicht nur ihre Füße, sonder auch die Hände ins Wasser. Wer eine Weile durchhält, darf sich über eine zarte und von alten Hautschuppen befreite Haut freuen. Neben neugierigen Touristen reisen vor allem auch Menschen mit Hautkrankheiten wie zum Beispiel Neurodermitis aus aller Welt an diesen einmaligen Ort, um sich in speziellen Thermalbecken von den Kangal-Fischen therapieren zu lassen. In schön angelegten Grill-Gärten legen die Einheimischen nach einem Thermal-Tag die türkischen Frikadellen „Köfte“ auf Roste und bauen auf den Tischen regelrechte Büffets auf. Die Türken sind wahre Picknickkünstler und tauschen ihre Leckereien untereinander aus. Obwohl wir nichts zu geben haben und nur an unserer Limonade schlürfen, beziehen sie uns mit ein. Wir dürfen Fleisch und Salat kosten. Auch die Kangal-Familie ist mit von der Partie. Angelockt vom Grillduft scharwenzeln sie zwischen den Menschen und ergattern heruntergefallene oder hingeworfene Fleischstückchen. Erfrischt und mit zarter Haut fahren wir von Balikli Kaplica zurück nach Kangal. Auf dem zentralen Platz lassen wir den Tag mit frisch gebackenem Pide (Fladenbrot aus Hefeteig) und Wassermelone ausklingen. So wie am Ortseingang steht auch hier eine bronzene Kangal-Statue. Diese zeigt den Vierbeiner bei der Arbeit neben Hirten und Schafen. Wie wir es schon während unserer Reise in anderen Teilen der Türkei erlebt haben, ist die Gastfreundschaft der Einwohner Kangals riesig. Es dauert nicht lange und wir sitzen nicht mehr alleine am Platz. Der gesellige Abend endet inmitten einer Gruppe netter Türken, die uns einen Cay (schwarzer Tee) nach dem anderen einschenken. Hin und wieder läuft ein stattlicher Kangal vorbei, aber daran haben wir uns inzwischen längst gewöhnt. Kleinhunde sind in. Das ist nachvollziehbar, bieten sie doch Vorteile: man kann sie ohne Probleme auch in einer Wohnung halten und sie stoßen auf größere Akzeptanz in der Gesellschaft. Auf der anderen Seite werden sie oft als modisches Accessoire missbraucht, was ihren Bedürfnissen nicht gerecht wird. Denn auch ein kleiner Hund ist ein Hund! 160 Seiten, Format 170mm x 240mm ISBN: 978-3-275-01910-6 Basierend auf Erfahrung und Kompetenz und unter Berücksichtigung verhaltensbiologischer Aspekte, verfasste das Erfolgsautoren-Team diesen umfassenden Ratgeber. Ansprechend aufgemachte »Praxis-Checks« ermöglichen dem Hundehalter, den eigenen Fortschritt der Übungsschritte zu kontrollieren, Fehler aufzudecken und zu korrigieren. 208 Seiten, Format 170mm x 240mm ISBN: 978-3-275-01941-0 c 24,90 Überall wo es Bücher gibt oder unter www.mueller-rueschlikon.de Service-Hotline: 0711/ 98 80 99 84 52 c 19,95