Inka-TraIl 2014 reIseberIchT

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Inka-TraIl 2014 reIseberIchT
Inka-Trail 2014
Reisebericht
Im Frühjahr 2013 beschlossen meine Frau und ich, dass wir den Inka-Trail nach Machu Picchu
gehen wollten. Nun muss man wissen, dass ich ziemlich unsportlich bin und körperliche Bewegung mit körperlicher Arbeit gleichsetze und beides tendenziell eher vermeide.
Der Inka-Trail in Peru hat mich aber gereizt: Ich werde im nächsten Jahr 50 Jahre alt und ­wollte
mir wohl selbst beweisen, dass ich diese Herausforderung noch packe. Gebucht haben wir die
Reise im Sommer 2013, also hatte ich ein gutes Jahr für die Vorbereitung: 12 Monate zum
Abspecken (ich hatte gute 20 kg zu viel) und um eine entsprechende Fitness aufzubauen.
­Immerhin ging es darum, in 4 Tagen 48 Entfernungskilometer zurückzulegen und das auf einer
Höhe von 3.500 bis 4.000 m über dem Meeresspiegel. Alleine die Höhe sei schon eine große
Herausforderung, wurde mir von Freunden und erfahrenen Wanderern immer wieder erzählt.
Aber ok, als Unternehmer muss ich auch immer wieder irgendwie meine Ziele erreichen, dann
soll es auf dem Inka-Trail doch wohl auch gehen.
So beschloss ich zunächst, mich von meinen überflüssigen Pfunden zu trennen und das möglichst ohne Sport. „Geht nicht“, sagten alle. „Geht doch“, dachte ich. Also zunächst ein neues
App auf`s Handy installiert, in dem man alle Speisen und Getränke des Tages eintragen kann
und so seinen täglichen Kalorienverbrauch immer in Blick hat.
Schnell merkte ich, dass es damit alleine nicht getan ist. Vielmehr muss man tatsächlich seine
gesamte Ernährung umstellen. Also beschloss ich zunächst, Zucker komplett wegzulassen,
Latte Macciatos durch normalen Kaffee zu ersetzen und jede überflüssige Kalorie irgendwie
zu sparen.
Ok – ganz ohne Sport ging es auch nicht – meine Frau und ich schoben an dem einen oder anderen Wochenende eine längere Wanderung ein, immer bei uns im unmittelbaren Umfeld.
Und um die Höhe zu testen, stiegen wir auf eine nahe gelegene Abraumhalde aus dem Braunkohletagebau, die einzige Erhöhung im Umkreis von zig Kilometern. Als wir die 200 Höhen­
meter mit Keuchen und Japsen hinter uns gebracht hatten, fühlten wir uns schon wie die Bergsteigerhelden. Dass da zur Höhe der peruanischen Berge noch eine Kleinigkeit von 3.800
Höhenmeter fehlten, ließen wir einfach mal außer Acht – das wurde uns erst später klar.
Nun, was sage ich, das war es an Vorbereitung für mich. Aber immerhin gelang es mir, bis zum
Antritt der Reise doch noch gute 10 Kilo abzunehmen, so dass ich mich damit trösten konnte,
dass ich nun in der Lage sein würde, die 10 Kilo Extragepäck, die ich auf dem Trail im Rucksack
tragen würde, ohne Probleme zu tragen. Zumindest dachte ich das.
Die Zeit rückte näher und damit auch der Check der Ausrüstung. Ich erkannte schnell, dass ich
hier noch einigen Nachholbedarf hatte, da ich weder Schlafsack noch Rucksack besaß. Und
auch keine sonstigen Utensilien, die man sinnvollerweise beim Trecking mitnehmen sollte.
Also ab in eines der größten Fachgeschäfte für Outdoor-Zubehör in Köln und die nächste
­Verkäuferin angesprochen: „Ich habe hier eine Liste an Ausrüstungsgegenständen für meine
Expedition – können Sie mir das alles verkaufen?“ Klar konnte sie und als sie meine umfang­
reiche Liste sah, hellte sich ihr Blick sichtlich auf, wohl in der Erwartung der Provision, die sie
alleine bei mir verdienen konnte. Auch der Ausdruck „Expedition“ lies ihr ein Grinsen übers
Gesicht wandern.
Immerhin hat sie mich super beraten und nach ca. 8 Stunden verließ ich den Laden bepackt mit
4 großen Tüten und allem, was man in der Wildnis so braucht, um überleben zu können. Erst
später ging mir auf, dass unsere Reise gar nicht wirklich in die Wildnis führte und das einzige,
was mit dem Campen und Trecking zu tun hatte, die 4 Tage auf dem Inka-Trail waren. Und
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selbst da wurden Zelte gestellt und war ein Team von Trägern und ein Guide dabei, der für alle
Probleme und Unwägbarkeiten der Stadt-Indianer bestens gewappnet war.
Aber sei es drum: Mitunter hatte ich tolle Wanderschuhe erworben, die auch wirklich einen
treuen und guten Dienst erwiesen.
Auf diese Art und Weise verbrachten wir die Vorbereitung bis es schließlich im Oktober daran
ging die Reise anzutreten. Neben meiner Frau und mir hatte meine Schwägerin beschlossen,
sich ebenfalls diesem Abenteuer zu stellen und so machten wir uns zu dritt auf dem Weg.
Da uns im Vorfeld klar geworden ist, dass es für Schönwetter-Naturburschen, die gewohnt
sind, auf der Höhe des Meeresspiegel zu leben, sinnvoll ist, sich langsam an die Höhe zu gewöhnen, buchten wir noch einige Tage Rundreise vor dem eigentlichen Trail. Insgesamt waren
so nun also 3 Wochen eingeplant und wir besuchen zunächst weite Teile Perus. Eine Woche
vor dem Trail begaben wir uns dann auf ca. 2.600 Höhenmetern nach Arequipa und besuchten
noch einige Städte und Sehenswürdigkeiten in der Nähe. Die letzten Tage verbrachten wir in
Cusco, um uns so an die Höhe vollständig anzupassen. Neben einigen kleineren gesundheit­
lichen Problemen, wie Kopfschmerzen und Magenproblemen, die aber nach einigen Tagen
wieder verschwanden, lief alles glatt und wir gewöhnten uns schnell an die Höhe. Wir waren
sogar in der Lage, noch einmal zu trainieren, indem wir mehrere Wanderungen in den Bergen
Perus absolvierten. Dann ging es am 25.10.2014 wirklich auf den Weg: Bei Kilometer 82
­begann die Wanderung. Neben uns 3 Personen waren auf einmal noch sechs Träger, ein Koch
und ein Guide für uns und unser Wohl da. Ein wenig dekadent kam mir das schon vor, aber so
konnten wir uns ganz auf die persönliche Herausforderung konzentrieren, der wir uns stellen
wollten.
Nachdem die Registrierung für den Trail erledigt war, begann der erste Tag der Wanderung:
12 Kilometer gut ausgebauter Weg mit zunächst leichter Steigung.
Start am Kilometer 82 des Inka-Trails
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Der Weg zog sich nun über die gesamte Strecke mit wirklich angenehmen Bedingungen vorbei
an wunderschönen Tälern und Flüssen. Da wir oft direkt am Abhang eines Berges entlang
­liefen, hatten wir meistens eine wunderschönen Blick ins Tal. Neben den letzten Behausungen,
in denen Einheimische wohnten und sich etwas Geld dazu verdienten, indem Sie Wasser oder
andere Speisen und Getränke an die vorbeilaufenden Wanderer verkauften, gab es immer
wieder nahezu unberührte Täler zu bestaunen, die von der Außenwelt gleichsam abgeschnitten
waren. Wir hatten sogar das Glück, einige Wildpferde zu beobachten, die auf der anderen Seite
des Tales auf einer Anhöhe lebten.
Wildpferde auf der anderen Seite des Tales
Und immer wieder ging es vorbei an Einrichtungen und Ruinen der Inka-Zeit, zu denen wir
immer wieder den wirklich spannenden Erklärungen unseres Guides lauschen durften. Die
meisten Inka-Städte sind zur Zeit der spanischen Eroberer bewusst zerstört worden. Nur die
Städte, die geschützt in der Bergen lagen, waren den Spaniern lange Zeit unbekannt und konnten
die Zeit unbeschadet überstehen. So sieht man immer wieder die klassischen Terrassen, die
rund um jede Stadt und um jede Opferstätte gebaut sind.
Die Patallacta-Ruinen
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Eine weitere, besondere Herausforderung für meine Frau und mich war die Übernachtung im
Zelt, die für die Tage des Inka-Trails obligatorisch war. Da wir beide nicht so die Freunde einer
Zeltübernachtung sind, waren wir von vornherein bereits sehr skeptisch und gespannt, was da
auf uns zukommen würde. Fairerweise muss man sagen, dass unsere Träger alles so eingerichtet
haben, dass es den Umständen entsprechend sehr komfortabel war: Wir erhielten zwei mal
am Tag ein reichhaltiges, frisch zubereitetes warmes Essen und unser Koch überschlug sich
förmlich, indem er immer wieder frisches Popkorn oder andere Köstlichkeiten auf seinem
Campingherd zauberte.
Trotzdem war es für uns sehr ungewohnt im Zelt zu übernachten. Außerdem waren wir zwar
körperlich erschöpft, wenn wir im Nachtlager angekommen waren, hatten aber oft genug Zeit,
über die Eindrücke des Tages umfassend nachzudenken.
Erstes Camp
Ein bisschen unglücklich war es auch, dass wir die Reise gerade zu Beginn der Regenzeit
­gebucht hatten. Tagsüber war das insofern von Vorteil, weil es nicht übermäßig heiß war und
somit angenehmen zum Wandern. Nachts hingegen regnete es sehr stark, so dass auch bald
unser Zeit feucht wurde und damit auch alle Kleidungsstücke, die wir mitgenommen hatten.
Zudem habe ich mit einer Körpergröße von fast zwei Metern das Problem, dass ich mich in
einem zwei Meter langen Zelt kaum ganz ausstrecken kann, ohne dass der Schlafsack oben am
Kopf oder unten an den Füßen nass wird. Neben dem Regen wurde es auch schon recht frisch
nachts, was aber unser treuer Koch dadurch ein wenig kompensierte, dass er uns eine „Schlafe­
flasche“ (Originalton!) gebracht hat. Diese entpuppte sich als eine herkömmliche Plastik­
flasche, die mit warmen Wasser gefüllt war und somit den Fußraum des Schlafsacks sofort auf
kuschelige Betriebstemperatur brachte.
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Unsere Zelte
Am zweiten Tag ging es früh morgens weiter. Die Herausforderung: 800 Höhenmeter Anstieg
mit zig hundert Treppen bis zum ersten Pass. Schon der Begriff „Treppe“ muss an dieser Stelle
etwas erklärt werden: Der Weg besteht im Grunde aus Steinen, die grob zugeschlagen sind,
aber alle eine andere Höhe und Breite haben. So findet man viele Stufen vor, die aber sehr
schwer zu begehen sind, weil sie sehr unregelmäßig sind und viele Steine zudem noch nach
vorne oder hinten abschüssig sind, so dass man als Reihenhausbesitzer eine neue Vorstellung
von „Treppe“ bekommt. Zudem ist das Ersteigen dieser Steine körperlich sehr anstrengend, so
dass man irgendwann anfängt, jede Möglichkeit zu nutzen, die Steine zu umlaufen. Durch diese
Technik werden zwar die Gelenke ein wenig geschont und der Krafttank wird nicht so schnell
leer, aber der Weg wird natürlich länger.
Die „Treppen“
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Nach mehreren Stunden erreichten wir den ersten Pass und genossen die Pause und Aussicht,
die uns reichlich für die Anstrengungen entschädigte. Anschließend ging es wieder 600
Höhen­meter runter. Wer glaubt, dass das nun ja viel leichter ist, weil es nicht so anstrengend
ist, der irrt. Nun ja, oder doch nicht: Der Abstieg kostet nicht so viel Kraft, geht aber wahnsinnig
auf die Gelenke – ein echter Härtetest für die Knie.
Insgesamt war für diesen Tag eine Strecke von 12 Kilometern eingeplant bis zum 2. Camp.
Vorbei an den unterschiedlichsten Landschaften, an verschiedenen Inka-Gebäuden liefen wir
über Geröll und Stufen, Stufen und nochmals Stufen.
Auf der Wanderung
Die besondere Herausforderung bei einer Wanderung in dieser Höhe liegt darin, mit seinen
­Kräften gut zu haushalten und langsam zu gehen. Wie bereits erzählt, entwickelt man automatisch
eine Strategie, jede unnötige Anstrengung zu erkennen und möglichst jede Stufe und jeden Stein
zu umlaufen. Leider ist das nur sehr selten möglich und so musste ich damit klar kommen, langsam
und beständig, Schritt für Schritt an meinem Weiterkommen zu arbeiten. Belohnt wurden wir
­allerdings immer wieder: Durch wunderschöne Aussichten und eine wirklich spannende Natur.
„Brücke“ auf dem Inka-Trail
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Nachdem wir am Ende des 2. Tages unser Basislager erreicht hatten, beschloss ich, nie wieder
in meinem Leben auch nur einen einzigen Schritt zu gehen. Ich ertappte mich bei der Frage,
welchen Preis die Träger wohl aufrufen würden, wenn ich sie engagieren würde, mich den
Rest des Weges zu tragen und das Gepäck liegen zu lassen.
Aussicht im 2. Basislager
An dieser Stelle muss ich auch einmal mein Staunen darüber zum Ausdruck bringen, welche
fast unmenschliche Leistung die Träger Tag für Tag ablieferten. Morgens bereiteten sie unser
Frühstück und warteten, bis wir fertig gegessen hatten. Dann machten wir uns auf den Weg
für die jeweils nächste Etappe. Sie hingegen bauten die Zelte ab, verstauten das ganze Equipment in große Säcke mit ca. 20 Kg und packten sich diese Säcke auf den Rücken. Dann begannen
sie, den gleichen Weg zu gehen, der wir für die jeweils nächste Etappe zurücklegen mussten –
und dies mit einer Leichtigkeit und einer Geschwindigkeit, die mir absolut unglaublich ­erschien.
So überholten sie uns nach kurzer Zeit und zogen an uns vorbei, um im nächsten Halt oder im
nächsten Camp ein Zelt für unser Mittag- oder Abendessen aufzubauen und das Essen zuzubereiten. Sie waren in der Regel so schnell, dass alles fix und fertig war, wenn wir endlich fix
und fertig von unserer Tagesetappe kamen und uns auf einen heißen Tee und ein leckeres
­Essen freuten.
Da täglich aber mehrere Gruppen auf dem Inka-Trail unterwegs sind und zu jeder Gruppe
mehrere Träger gehören, laufen alles in allem rund 500 Personen pro Tag auf dem Trail. So
kommt es, dass man als Wanderer ständig von Trägern überholt wird und so immer wieder vor
Augen geführt bekommt, wie sie mit 20 Kilo auf dem Rücken in gazellenartiger Leichtigkeit
über die Stufen springen, die einem selbst das Grauen ins Gesicht und die Luft aus der Lunge
zwingen.
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Die Träger mit ihren 20-kg-Säcken
Besondere Highlights bietet der Weg noch in sofern, weil er an mehren Stellen durch große
Felsbrocken hindurch führt und somit in absoluter Dunkelheit verschwindet. Man muss nur
auf den Kopf aufpassen und gleichzeitig in der Dunkelheit die Stufen ertasten. Und vor allen
Dingen darauf vertrauen, dass da schon irgendwelche Stufen sein werden. Dies fällt schwer,
denn man sieht ja nichts. An einer anderen Stelle geht der Weg, der dort normalerweise gut
ein Meter breit ist, um einen Felsvorsprung herum, der gut 80 cm in den Weg hineinragt.
So muss der geneigte Wanderer nun auf den verbleibenden 20 cm um den Vorsprung herumgehen. An sich ja kein Problem. Etwas blöd ist nur, dass es auf der linken Seite unmittelbar
­gefühlte 200 Meter in die Tiefe geht und man unten einen Wald sieht, der gefährlich dunkel
aussieht. Sie glauben gar nicht, wie sehr ein Abgrund einen Wanderer in die Tiefe ziehen kann,
wenn man auf 20 cm daran vorbei gehen muss. Gut, dass ich keine Höhenangst habe und das
ganze schnell hinter mich bringen konnte. Der eine oder andere Wanderer braucht aber ­sicher
eine helfende Hand und den festen Blick auf den Felsen gerichtet, um diese Herausforderung
mental zu bestehen. Anmerkung unseres Guides: „In Deutschland würde es das wohl nicht
geben – da gäbe es sicher ein Gesetzt, dass eine Sicherung verlangt“. Wie recht er hat, das
kann ich mir auch nicht vorstellen: Im Land der Gesetze und Regeln würde der Inka-Trail so
nicht begehbar sein. Aber in Peru ist das anders: Der Trail ist halt Weltkulturerbe und darf
nicht verändert werden und die Menschen der Inka-Zeit haben leider die Absicherung aus
rostfreiem Edelstahl für die Touristen vergessen. Nun müssen die Wanderer da eben durch.
Also lieber Leser, damit kein falscher Eindruck entsteht: Es geht schon gut und bisher ist bei
500 Menschen pro Tag trotzdem noch nichts passiert. Also lassen Sie sich nicht abschrecken,
wenn Sie planen sollten, den Inka-Trail auch einmal zu gehen. Es geht schon!
Wie bereits erzählt, brachte mich die Anstrengung dieses Tages an meine körperlichen Grenzen,
so dass ich das Menü unseres Koch’s sehr genießen konnte und glücklich war, am 2. Tag nicht
mehr laufen zu müssen.
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Magische Extra-Belohnungen unseres Kochs
Die Nacht war allerdings nicht besser, als die erste Nacht: Regen die ganze Zeit! Als wir am
nächsten Morgen aufgestanden waren und meine Frau sich ein wenig ärgerlich über den Regen
äußerte, bemerkte unser Guide, dass es eine Möglichkeit gäbe, den Inka-Trail auch in 3 statt in
4 Tagen zu erlaufen und man so die Möglichkeit hätte, die nächste Nacht in einem Hotel statt
im Zelt zu verbringen. Ein Leuchten ging auf im Gesicht meiner Frau – und ok – ich fand die
Idee auch nicht schlecht. Allerdings gab es ein klitzekleines Wermutströpfchen: Statt der für
den 3. Tag geplanten 14 Kilometer müssten wir in diesem Fall die klitzekleine Strecke des
4. Tages dann noch hinten dran hängen. Und da das ja nur schlappe 6 Kilometer seien, wäre das
fast kein Problem. Sie können sich sicher meine Begeisterung vorstellen: Am Vortag hatte ich
bei einer Strecke von 12 Kilometern daran gedacht, Haus und Hof zu verpfänden und die Träger
zu bestechen, dass sie mich tragen sollten statt des Gepäcks und nun planten diese Frauen
doch tatsächlich, mich 20 Kilometer durch die Höhen Perus zu jagen! Ja sind die denn des
Wahnsinns? Ich dachte kurz darüber nach, ob meine Frau wohl geplant hatte, mich schneller
zu beerben, als von mir eigentlich geplant. Aber was macht man nicht alles, um sich dem Zorn
einer Ehefrau zu entziehen, die eine ganze Nacht schlecht geschlafen hat, der kalt war und die
nun die Aussicht auf Rettung unmittelbar vor Augen hatte?
Unser Guide machte auch mir die Sache schließlich schmackhaft, indem er erklärte, man würde
so Machu Picchu am Sonnentor gegen Nachmittag erreichen und so sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Sonne scheinen würde und man mit einem traumhaften Blick über den Berg
und die alte Stadt belohnt würde. Die anderen, so erklärte er, die die letzte Etappe am 4. Tag
absolvierten, würden diese Stelle gegen 8 oder 9 Uhr morgens erreichen und das wäre in
­dieser Jahreszeit insofern blöd, weil das Tal meistens noch ganz oder zumindest teilweise im
Nebel liegen würde. Und der Nebel würde sich leider auch nicht von den Touristen vorschreiben
lassen, wann er sich zu verziehen hat. Ok – ich habe schon verstanden! Dann mal los!
So machten wir uns am dritten Tag also eine Stunde früher auf als ursprünglich geplant und
begannen die Wanderung in der ersten Morgendämmerung. Wie mir später aufging, war diese
Entscheidung insofern gar nicht schlecht, da der Weg auf diese Art und Weise fast völlig menschenleer war und wir so die einmalige Landschaft fast in völliger Stille genießen konnten.
Auch meine Schwägerin fand das richtig klasse und wies mich in einer Pause immer wieder
darauf hin, wie toll das sei, dass man die Landschaft in völliger Ruhe auf sich wirken lassen
könne. Nach einigen Wiederholungen dieser wichtigen Information wies ich sie liebevoll darauf
hin, dass dies noch viel besser möglich sei, wenn sie selbst auch das Reden einstellen würde.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nicht, dass sie glauben, dass sie eine von diesen Dauer-Quas-
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selstrippen ist, die man so kennt. Aber in dieser Situation war sie so beeindruckt, dass sie gar
nicht anders konnte, als dies immer wieder kundzutun. Und mir war klar, dass meine Bemerkung auch nicht ohne eine entsprechende Retourkutsche bleiben würde, die allerdings im
Rahmen der weiteren Reise erstaunlicherweise ausblieb. Aber ich denke, ich kann mit Sicherheit damit rechnen, wenn Sie irgendwann einmal diese Zeilen liest.
So begann der 3. Tag dann wieder mit einem kleinen Anstieg und der Überquerung des 3. Passes.
„Halb so wild“ war die Auskunft unseres Guides – und dann seine aufmunternden Worte: „Du
schaffst das!“
Die Wanderung ging weiter und wir durchquerten wunderschöne, verwunschene Wälder und
feuchte, regenwaldähnliche Passagen. Der Weg geht durch mehrere Subklimazonen, lerne ich
von unserem Guide und sieht alle paar Meter wirklich komplett anders aus.
Nach dem Anstieg zum 3. Pass ging es wieder gefühlte tausend Stufen hinunter und mit jedem
Schritt zweifelte ich mehr und mehr, ob die Entscheidung, die Strecke des 4. Tages noch hinten
anzuhängen, wohl richtig war. So erreichten wir schließlich den letzten Rastplatz mit einem
guten Mittagessen und einer kleinen Pause von nur einer knappen Stunde. Dann verabschiedeten wir uns von den Trägern, die auch sehr froh waren, einen Tag eher als geplant nach Hause zu kommen. Man konnte Ihnen die Freude richtig ansehen – oder lag das an dem Trinkgeld,
das wir überreichten, in dem wir versuchten, die zu erwartende schlechte Trinkgeldquote einer Gruppe mit nur 3 Personen zu kompensieren, indem wir etwas großzügiger waren. Auch
ich hatte fast Tränen in den Augen, was aber mehr darauf zurückzuführen war, dass mit dem
Verschwinden der Träger auch jede Chance verschwand, dass ich mich tragen lassen könnte.
Abschied von den Trägern und von unserem phantastischen Koch
Nach dem Essen machten wir uns wieder auf den Weg die nächste Etappe anzugehen. Der
Weg war, wie alle Tage vorher auch: Anstrengend aber wunderschön. Gegen Mittag ertappte
ich mich bei der Frage an den Guide, was denn wohl passieren würde, wenn mal wirklich
­jemand zusammenklappt und nicht weiter kann. In diesem seltenen Fall, so sagte er, könne
man sich auch per Helikopter ausfliegen lassen. Aber das sei wahnsinnig teuer und ich solle
besser nicht darüber nachdenken. Ok – aber nun interessierte es mich doch: „Wie teuer denn
genau?“ „Mindesten 3.000 Dollar“. Keine Ahnung, ob das stimmt, oder ob mich das nur ab11
schrecken sollte. Also weiter zu Fuß – Abschreckung gelungen.
Also weiter und weiter. Wir unterhielten uns nur noch über Treppen. Auch meine Frau und
meine Schwägerin konnten keine Stufen mehr sehen. Aber immer, wenn wir gerade so vor uns
hin murrten, gab es wieder etwas Erstaunliches zu sehen und zu besichtigen, so dass wir das
Gejammer schnell wieder vergassen und weiter gingen. So erreichten wir schließlich Wiñayhuayna, eine gigantische Anlage, die sich plötzlich zu unseren Füßen erstreckte.
Wiñayhuayna
Gegen Mittag erreichten wir den letzten Kontrollpunkt. Hier sollte eigentlich die Reise für
heute enden und unser Camp sein. Nun war hier nur ein leerer Platz. Also eine kleine Pause
und dann geht’s weiter. Auf einmal drängt unser Guide zu wahnsinniger Eile – „Schneller,
schneller, wir müssen bis 14 Uhr den letzten Kontrollpunkt passiert haben, sonst machen die
zu“. Nach 14 Uhr kommt keiner mehr auf den letzten Abschnitt des Trails weil nur so sicher­
gestellt werden kann, dass bis 16 Uhr alle Wanderer auch Machu Picchu erreicht haben. ­Gegen
14.05 kamen wir am Kontrollpunkt an und das Personal war gerade dabei, ihre Utensilien
­zusammen zu packen. Aber Dank der Überredungskunst unseres Guides war es dann doch
möglich, dass wir noch durchschlüpfen konnten. Für diesen Fall hatte er sich schon überlegt,
irgendeine Räuberpistole zu erzählen, dass ich krank geworden sei und dringend nach Hause
müsste. Ich fragte mich, warum er gerade mich als Opfer auserkoren hatte, aber wahrscheinlich hätte ich mir die Frage auch selbst beantworten können, wenn ich mich an dieser Stelle
nach 14 km Wanderung hätte in einen Spiegel sehen können. Ok, der gute Mann hat’s geglaubt
und wir konnten weiter.
Und wieder zeigte sich, dass diese Entscheidung unseres Guides optimal war: Bei strahlenden
Sonnenschein konnten wir nun als letzte Besucher des Trails an diesem Tag den letzten
­Abschnitt ganz in Ruhe bewandern und hatten so jedes Stück des Weges ganz für uns alleine.
Da dieser Teil auch als der schönste des ganzen Weges gilt, hat sich das echt gelohnt.
Wieder ging es durch malerische Landschaften und durch einen Wald mit den schönsten
­Bäumen, Sträuchern und sogar Orchideen. Irgendwie erinnerte die Landschaft manchmal ein
wenig an einen Märchenwald und man glaubt, Elben und Feen kommen auf einmal aus den
Ecken gesprungen. Manchmal denkt man aber auch, auf der Wanderung im Düsterwald zu
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sein, der kein Ende zu nehmen scheint und wo man außer dem Weg und den Bäumen umher
kaum etwas sieht. Wer das Buch „Der Herr Ringe“ oder „Der Hobbit“ kennt oder den Film gesehen hat, der weiss, wovon ich rede. Manchmal war ich echt versucht „Frodo, komm raus!“ zu
rufen. So geht es vorbei an den schönsten Bäumen und Sträuchern und an wunderschönen
Orchideen.
Orchidee am Wegesrand
Nach weiteren 2 Stunden ging es auf einmal sehr steil bergan. Schon wieder Treppen und diesmal sehr steile und sehr kleine. Und sehr viele. Dies war der Anstieg zum Sonnentor, dem letzten
Pass und Aussichtsturm vor Machu Picchu. Das Sonnentor ist der Höhepunkt der Reise und
­leider auch der Höhepunkt der Strapazen. Meine Schwägerin beschloss, die Treppen auf Händen und Füßen zu erklimmen und nur meine Frau rannte mal wieder voran. Gut, ich gebe es zu,
sie ist körperlich viel fitter als ich, läuft regelmäßig und ist kleiner und handlicher und natürlich
auch schöner, aber das tut hier nichts zur Sache. Wie auch immer, während sich meine Schwägerin
und ich die Treppen im wahrsten Sinne des Wortes hoch quälen, ruft sie von oben. „Theo, beeil
Dich, das Sonnentor liegt voll in der Sonne – und Machu Picchu liegt auch voll in der Sonne!“
Ok, das spornt an: Die letzten Stufen schaffe ich auch noch. Und dann bin ich oben und sehe,
was sie meint: In atemberaubender Schönheit liegt die Stadt zu unseren Füßen und die Sonne
scheint uns warm und freundlich ins Gesicht.
Machu Picchu vom Sonnentor aus gesehen
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Die Erleichterung ist auf allen Gesichtern zu sehen und nach den Anstrengungen des Anstiegs
stehlen sich auch ein paar Tränen in meine Augen: Geschafft! Dies ist der Moment, an dem
sich gezeigt hat, was noch in mir steckt! Geschafft! Oft hatte ich es selbst nicht geglaubt. Ich
glaube, die Erleichterung und Freude dieses Moments kann nur jemand nachempfinden, der
eine ähnliche Erfahrung bereits gemacht hat. Nun konnte ich die Worte meines Guides auch
verstehen, der mir am 1. Tag erklärt hat, dass sich das Geheimnis des Weges und der Stadt
Machu Picchu nur dem wirklich erschließt, der diesen Weg wirklich zu Fuß geht. „Mit dem Bus
hoch zu Machu Picchu zu fahren, ist einfach nicht das Gleiche. Das Geheimnis der Inkas bleibt
Dir verborgen. Dann ist Machu Picchu nur eine alte Stadt.“
Wir drei Stadt-Indianer am Sonnentor mit Machu Picchu im Hintergrund
Die Pause am Sonnentor hatten wir uns nun gut verdient, aber es war natürlich noch nicht das
Ende des Tages, denn nun begann der Abstieg runter ins Tal und die letzte Strecke nach Machu
Picchu war noch zu bewältigen. Also rafften wir uns wieder auf, denn nun wollten wir auch die
Stadt sehen, die für die fast magischen Baukünste der Inkas stand, ein greifbares Ziel, der Endspurt sozusagen.
Für einen Rundgang in der Stadt hatte ich aber keine Kraft mehr. In Machu Picchu angekommen,
hatten wir nur noch den Wunsch mit den Bus runter in’s Tal zu fahren und möglichst schnell ins
Hotel zu kommen. Wir hatten ja noch den 4. Tag, den wir nun planten, komplett in Machu Picchu
zu verbringen und die Stadt dann ganz in Ruhe zu erkunden. Mir war es recht, ich war echt am
Ende meiner Kräfte, als ich endlich im Bus saß, mit der Aussicht nun im Hotel eine warme D
­ usche
zu genießen und mit dem festen Willen, mich den ganzen Tag nicht mehr zu bewegen. Und auf
gar keinen Fall würde ich heute noch eine einzige Treppe mehr steigen. Würde auch gar nicht
gehen, wahrscheinlich würde ich sang- und klanglos wegsterben oder so. In solche Gedanken
vertieft genoss ich das ruhige Schaukeln des Busses und die Gedanken an das schöne Hotel.
Nach gut einer halben Stunde erreichten wir dann auch unser Hotel und ich freute mich wie
König auf mein Zimmer und die warme Dusche, die ich gleich bekommen würde. Freundlich
drückte der Rezeptionist mir auch sofort meinen Zimmerschlüssel in die Hand: Zimmer 301!
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Eine grausame Vorahnung beschlich mich. „Wo ist der Aufzug?“, fragte ich. „Wir haben keinen“ –
kaum hatte er es ausgesprochen, wich er einen guten Schritt zurück mit Panik im Gesicht.
Das lag wohl daran, dass ich mit rot unterlaufenen Augen und panikverzerrtem Gesicht auf ihn
zugetrottet bin, wie man es bei den Zombies im Film „Der Kettensägenmörder“ sehen kann.
Meine Frau erzählte mir später, dass das sinnlose Brabbeln und der Sabber, der aus meinem
Mund lief, wohl erheblich noch zu diesem Eindruck beigetragen haben müssen. Glaubt der echt,
dass ich jetzt noch 3 Etagen HOCHLAUFEN kann?
Ich weiss nicht mehr, wie ich oben angekommen bin, aber ich erinnere mich noch genau daran,
wie wohlig es sich anfühlte, als mein Körper sich endlich auf dem Bett ausbreiten konnte. Das
Letzte, was meine überreizten Sinne wahrnahmen, war das Handtuch, das als Hund zusammengebunden mein Bett bewachte. Meine Frau fand das so schön, dass sie unbedingt ein Foto
davon machen musste – ich selbst warf ihm einen letzten verächtlichen Blick zu und verschwand in mein ganz privates Inkareich der Träume, wo ich von Hunden, Treppen, Inka-Häuptlingen, Frodo und was weiss ich noch, träumte.
Der Hund, der mich in meine Träume begleitete
Nun gut, irgendwann musste ich doch wieder raus und es ging zum Abendessen – und danach
ging es mir auch wieder besser. Ist schon erstaunlich, was ein bis zwei Stunden Schlaf bewirken
können. An diesem Tag kam ich definitiv an meine körperlichen und mentalen Grenzen und ich
musste den ganzen Abend den Hohn und Spott meiner beiden Begleiterinnen ertragen, die
noch erstaunlich fit waren.
Am nächsten Tag, dem 4. ging es mir wieder richtig gut. Die Tanks waren wieder bis zum
­Anschlag voll und ich freute mich total auf die Besichtigung von Machu Picchu. Meine Schwägerin und meine Frau konnten sich allerdings nun kaum mehr bewegen und schleppten sich
stöhnend und jammernd von einer Ecke zur anderen, immer im Gedanken, ja keinen unnötigen
Schritt tun zu müssen. Sie hatten Muskelkater in Muskeln, von denen sie vorher gar nicht
wussten, dass sie sie haben. Das war natürlich der Moment meiner Rache für all die bösen
Anmerkungen vom Abend zuvor. Nun konnte ich lästern und zotige Witze machen!
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So machten wir uns dann mit mehr oder minder guter Laune mit dem Bus zurück auf den Weg,
um die alte Inka-Stadt Machu Pitcchu näher zu erkunden. Zusammen mit unserem Guide von
Trail verbrachten wir dort den Vormittag und bekamen eine Privatführung durch die Stadt.
Den Nachmittag nutzen wir dann für eine freie Besichtigung und ich machte gefühlte eintausend Fotos.
Es ist schon sehr interessant, die technischen Errungenschaften der Inka-Zeit mit eigenen
­Augen zu sehen und an dem Ort zu stehen, den ich zuvor nur in Fernseh-Reportagen gesehen
hatte, der mich aber schon immer fasziniert hat.
In diesen Stunden reifte in mir eine Idee, die sich immer wieder schon an den Tagen zuvor in
mein Unterbewusstsein geschlichen hatte: Ich will den Weg noch ein zweites Mal gehen. Und
dann intensiver auf die Besonderheiten, auf die Gedanken und Impulse achten, die sich im
Laufe des Weges zwangsläufig einstellen. In Machu Picchu kam mir dann die finale Idee, dieses
Erlebnis mit Menschen zu teilen, die daran – wie ich selbst – ein Stück weiter wachsen wollen.
Es wäre doch eine tolle Idee, passend zu der Reise verschiedene Workshops anzubieten, die
mentale Unterstützung für den Weg bieten und gleichzeitig die Reflektion ermöglichen, sich
einmal intensiv mit seinen Stärken und Schwächen auseinander zu setzen. Ich entdeckte viele
mentale Parallelen zwischen dem Weg und meiner täglichen Arbeit als Coach, Unternehmer
und Führungskraft. Neben den theoretischen Gedanken zur eigenen Person, neben den Überlegungen zum Team hat man so die Möglichkeit, die Impulse des Vortages direkt an nächsten
Tag live zu erleben. Nur über die Zeit sollte ich noch nachdenken, so der Tip meines Guides.
„Besser ist der September, da regnet es auch nachts nicht so stark“. Ok, Marco, Dein Wort in
Gottes Ohr!
Ich hoffe, ich kann Sie mit diesem Bericht ein wenig inspirieren, mir zu folgen und würde mich
freuen, mit Ihnen zusammen eine der Inka-Trail-Seminarreisen zu verbringen. Aber auch wenn
Sie an dieser Reise nicht teilnehmen können oder wollen, empfehle ich Ihnen einmal etwas zu
unternehmen, bei dem Sie ihre persönliche Komfortzone verlassen müssen, eine Heraus­
forderung anzunehmen und sich – vielleicht sogar ein bisschen naiv – darauf einzu­lassen. Die
Erlebnisse werden es Ihnen danken und Sie werden mit neuem Mut, mit neuer Entscheidungskraft und mit neuen Erfolgserlebnissen im Alltag neu durchstarten können.
Ihr Theo Prinz
Weitere Informationen unter www.theo-prinz.de/events
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