1/2 Irene Andessner: „I.M. Dietrich“, 2001, Projekt

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1/2 Irene Andessner: „I.M. Dietrich“, 2001, Projekt
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irene andessner Office Berlin P. Fabian · D-10965 Berlin · Schmiedehof 4 · +49(0)171-210.5200 · [email protected]
Irene Andessner: „I.M. Dietrich“, 2001, Projekt-Schlußbericht (1/02)
Für ein Artist-in-residence-Projekt, eingeladen vom Podewil, Zentrum für aktuelle Künste Berlin,
befasste sich Irene Andessner ein Jahr hindurch mit dem Mythos Marlene. Diesen Mythos hatte
Marie Magdalene Dietrich (1901–1992) bereits im Alter von elf Jahren durch eigenmächtiges
Zusammenziehen ihrer Vornamen namentlich begründet, dann strategisch aufgebaut, später
als Waffe gegen Hitler-Deutschland gerichtet und schließlich der Welt in Form von abertausenden
Belegen ihrer Biographie als Vermächtnis hinterlassen (Marlene Dietrich Collection Berlin).
Die ambivalente Aufladung des Begriffes von den „weiblichen Waffen“ durch Marlene Dietrich
bildete für Andessner die Voraussetzung zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dieser
Person. Dramaturgischer Ansatz war das Rollenkonzept von der schrittweisen Verwandlung in
eine Frau, die behauptet, „die Dietrich“ zu sein – und sich dabei von Fotografen, Kameraleuten,
Journalisten und Künstlern beobachten zu lassen. Der Verwandlungsprozess ist als Handlung
eines Kunstvideos vorbestimmt – eines Films, den Andessner zuletzt aus dem Material von 13
Kameraleuten zusammensetzen wird.
Zur Identifizierung, die über eine mentale Einstimmung und die äußere Verwandlung mittels
Frisur, Maske, Garderobe, Licht und Darstellungen sowie Auftritte auf einer Travestiebühne
hinausgeht, beinhaltete das Projektkonzept auch die Eheschließung mit einem Herrn namens
Dietrich – der nach einer Ausschreibung an 450 Berliner („M sucht Dietrich“) aus 28 Bewerbern
in einem Casting ermittelt wurde. Seit dem Standesamttermin am 24. November 2001 ist Irene
Andessner – mit ihrem zweiten Vornamen Maria – in der Lage, die Arbeitsergebnisse aus dem
Jahresprojekt mit „I. M. Dietrich“ zu signieren – eine Signatur, die sich wie „I am Dietrich“
aussprechen lässt.
Die Heiratsaktion wurde von der Berliner Tagespresse als Gesellschaftsereignis in großer
Aufmachung dokumentiert. Die Braut – hier im Frack des Wiener Herrenschneiders Knize (wo
schon Marlene Dietrich ihre Anzüge nähen ließ), dort im Papier-Remake des Brautkleids aus
„Flame Of New Orleans“. Im Vorfeld ließ Andessner verlauten, was hinter ihren Heiratsabsichten
steckt; sie legte es darauf an, dass die (bildende) Kunst als Heiratszweck in die Reihe der
gesellschaftskonformen Vernunftsgründe aufgenommen wird („Aus Liebe zur Kunst“,
Schlagzeile in der Berliner Zeitung).
In den überregionalen Besprechungen der Kunstfachpresse (Kunstzeitung, Art Magazin, Frame
u.a.) werden die künstlerischen Aspekte des Projekts erörtert – der doppelte
Persönlichkeitsbruch zur Selbstreflexion (bildende Künstlerin agiert als Person, die eine andere
darstellt), der Entfernungsprozess einer Selbstporträtkünstlerin vom eigenen Aussehen, der
gewandelte Autorenbegriff in Kunstproduktionen – das Vorbereiten, Anregen, Moderieren,
Provozieren, Zulassen von Bildern, die letztlich ein Selbstporträt darstellen… Im Projekt „I.M.
Dietrich“ hat Andessner Kollegen einbezogen, die das bildnerische Ergebnis der Werkgruppe
mitdefinieren – die Künstler Matthias Herrmann, Kiddy Citny, Wolf D. Wolf sowie Gunter Sachs
als Fotograf der Brautfotos. Herrmanns Kamera stand am Ausgangsort der Verwandlung – im
Café Urania, das als Location für Marlene Dietrichs biografische Wien-Station (Casting für „Café
Electric“, 1927) diente. Kiddy Citny hat das Dietrich-Casting im Berliner Restaurant Blauer Engel
mit der Webcam eingefangen. Wolfs Beitrag zeigt Andessners Auftritt als Entertainerin Dietrich
auf der Transvestitenbühne Timp; dieses Video läuft seit Dezember 2001 im „I.M. DietrichZimmer“, das Dr. Werner Peters mit Fotografien von Alex Majewski in seinem Kölner Hotel
Chelsea eingerichtet hat. Hier ist Andessner im Marokko-Outfit zu sehen, mit Frack und Zylinder;
Majewski hatte dafür das typische Sternberg-Licht gesetzt und die Dietrich-Darstellung bis zur
Verwechslungsfähigkeit mit der historischen Porträtvorlage getrieben.
Ein anderes Foto aus 1930, auf dem sich Marlene im offenen Herrenhemd mit ungebundener
Krawatte präsentiert, lieferte das Sujet für eine Performance in Wiens legendärer Eden-Bar:
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Dietrich alias Andessner hat die Hosen an, wenn sie ca. 50, überwiegend männliche Gäste
auffordert, ihr die Krawatte zu binden – vor laufender Kamera. Trotz Rollenverkehrung lief die
Aktion wie in der Lola-Lola-Liedzeile „Männer umschwirren mich, wie Motten das Licht“ ab. Die
Probanden – vom Museumsdirektor bis zum Nachtclubkönig – traten jeweils für fünf Minuten ins
Rampenlicht, bevor sie wieder ins Halbdunkel des Etablissements entlassen wurden. Eine
Szenerie des Marlene-typischen vorübergehenden Zulassens des Einzelnen und des Umgangs
von einer mit allen. Beim Krawattenbinden wurde etwas vom unvergänglichen Mythos Marlene
greifbar – verlebendigt in Gestalt der Gegenwartskünstlerin Irene M. Dietrich, die sich zuletzt mit
der Scheidung von Arnim Dietrich wieder für neue Rollen frei macht.
AUSSTELLUNGEN:
24. November 2001 (Hochzeitstag): Ausstellung des Brautkleides und von Brautfotos (Gunter
Sachs, Alex Majewski) mit Videoarbeit „The Flame Of New Orleans“ im Gotischen Saal des Viktoria
Quartiers, Berlin (Courtesy: Galerie Bernhard Knaus, Mannheim)
Ständige Ausstellung im „I.M.Dietrich-Zimmer“, Hotel Chelsea, Köln: Videoarbeit und Fotografien
von Andessners Marlene-Travestie in der Künstlerklause Timp (Wolf D. Wolf, Alex Majewski)
Herbst 2002 (geplant): Einzelausstellung mit Foto- und Videoarbeiten aus dem Projekt „I.M.
Dietrich“, kuratiert von Micky Kwella für das im Podewil, Zentrum für aktuelle Künste, Berlin
PROJEKTTEAM „I.M. DIETRICH“: Konzept/Darstellung/Regie: Irene Andessner alias Irene
M. Dietrich +++ Kurator: Micky Kwella, Podewil Berlin +++ Produktionsleitung: Jutta Itzinger +++
Kunstmanagement: Stefan Rothleitner +++ Courtesy: Galerie Bernhard Knaus +++ SchauspielCoaches: Willi Gleno-Geloneck, Michal Nocón +++ Fotografie: Matthias Herrmann, Christa
Filser, Alex Majewski, Gunter Sachs +++ Fotografie-/Video-Work: Kiddy Citny, Wolf. D. Wolf
+++ Video: Mark Hennicke, Irmin Kerck, Alex Majewski +++ Video-Script: Alfred Zellinger +++
Dokumentation Fotografie/Video: Clemens, Werner Berndorfer, Marion Bierling, Carrotti,
Christa Filser, Peter Korb, Melanie Swarovski, Tomsohn +++ Kostüme: Günter Adam, Gabriele
Albert, Melanie Swarovski, Rudolf Niedersüß (Knize), Till Reiter, Gino Venturini +++ Schmuck:
Herbert Schullin +++ Makeup: Werner Berndorfer, Sandra Jovic +++ Frisuren: Erich Joham +++
Grafik-Design: Florian Rutter +++ Print-Produktion/Setregie Eden-Bar: Peter Putz +++
Justiziare: Jürgen Drewes, Dr. Nikolaus Lehner, Werner Sixtus +++ Text/Pressearbeit: Peter
Fabian
DANK AN: Gabriele Albert +++ Artikel Editionen +++ Artprojekt Berlin +++ Ingrid Bierling +++
Blauer Engel Berlin +++ Café Urania Wien +++ Collection Fred Ostrowski Berlin +++ Axel
Dietrich +++ Matthias Dietrich +++ Er-Ich +++ Max Filser +++ Guerlain Paris +++ Hemdenherzog
Gino Venturini +++ Hotel Adlon Berlin +++ Hotel Chelsea Köln +++ Hotel Timp Köln +++ Hotel
Urania Wien +++ Karglmayer KG +++ Galerie Bernhard Knaus +++ Knize Wien +++
Ledermanufaktur Thomas Hicker +++ Make up for ever +++ Marlene Dietrich Collection Berlin
+++ Max Mobil +++ Reiter Schuhe Wien +++ Schau Schau Brillen +++ Anton Schmölzer +++
Josef Schinkowitsch +++ Schullin Wien +++ Swarovski Wattens +++ Sabine Weichel +++
Wolford AG +++ Wunderl Sollenau +++ SPEZIELLEN DANK AN: Arnim Dietrich
MEDIENBERICHTE: Berliner Zeitung 8.9.2001, Marin Majika +++ Elle Okt. 2001, Sabrina Kohl
+++ Kunstzeitung Nov. 2001, Elfi Kreis +++ Der Tagesspiegel 25.11.2001, Kirsten Wenzel +++
Berliner Zeitung 26.11.2001, Marin Majika +++ Köln Express 31.11.2001 +++ fashion.at/culture,
Karin Sawetz +++ Kronenzeitung 10.12.2001, Susanne Heinrich +++ ORF Treffpunkt Kultur
10.12.2001, Werner Horvath +++ Kölner Stadtanzeiger 15.12.2001, NR +++ Köln Express
15.12.2001, Robert Baumann +++ Falter Dez. 2001, Christopher Wurmdobler +++ Format Dez.
2001, Michaela Knapp +++ SFB-ORB/NDR 23.12.2001, „Marlenes Kleider“, Renate Beckmann
+++ 27.12.2002, SFDRS/3SAT (10 vor 10) +++ Handelsblatt 28.12.2001, Ulla Rogalski +++
Kunstjahr 2001, Jörg Restorff +++ Frame Jan.-März 2002, Alexander Pühringer +++ Art
Magazin Feb. 2002, Gunder Clauss +++ Kunstforum Jan.-März 2002