NAD 3020 Verstärker Story
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NAD 3020 Verstärker Story
KLASSIKER Best Buy Ever 1978 sorgte ein kleiner, unscheinbarer Verstärker für Aufsehen. Denn der NAD 3020 war anders als die meisten Mitbewerber – er klang einfach besser. So schrieb er HiFi-Geschichte – und geriet zum Bestseller von Tom Frantzen iel des Entwicklerteams war ein bezahlbarer, einfacher, vor allem aber klanglich herausragender Verstärker. Wenn man so will, ein audiophiler Volksamp. Die Federführung des Projektes oblag dem Norweger Björn Erik Edvardsen, kurz „BEE“ genannt. Der Ausnahmeingenieur hatte erkannt, dass ein Hauptproblem selbst weitaus größerer und kräftigerer Verstärker darin bestand, dass sie eher über statisch mit Messgeräten ermittelte, werbewirksame Prospektdaten als beim Betrieb an dynamischen Lasten wie einem Lautsprecher, glänzten. Es ging folglich darum, ein „Real World“-Gerät zu kreieren. Übrigens ein Ansatz, der sich bis heute in NAD-Verstär- Z 2 STEREO 2/2005 kerschaltungen wie „PowerDrive“ findet. Äußerlich war der NAD 3020, wie das Originalmodell hieß, von zeitlosem Understatement geprägt. Weniger charmant könnte man ihn auch als „hässliches Entlein“ bezeichnen. Schön, wie etwa seine ZeitgenosDie Phonoplatine des Original-3020. Zwar rauschte die Schaltung etwas, aber klanglich setzte sie ganz sicher Maßstäbe im „Low Budget HiFi“. Eine „New Acoustic Dimension“ (NAD) sen aus der „blauen Serie“ von Pioneer, war er zumindest nicht. Erwartungsgemäß sorgten auch die seinerzeit so elementaren Datenblätter nicht für Euphorie. Kaum mehr als 20 Watt an 8 Ohm je Kanal, war das alles? Auch Bauteile und Finish waren keineswegs außergewöhnlich, die Sparabsicht durchaus zu erkennen. Und dennoch zog jeder, der Autor eingeschlossen, die Augenbraue hoch, wenn dieses unscheinbare Kistchen spielte. Die Konkurrenz zu Zeiten der Wattgefechte mit Verstärkern und Receivern im halben bis ganzen Zentnerbereich sowieso. Der NAD tönte gar nicht technisch, dafür erheblich größer und teurer als er war. Ein wenig auf der warmen und dunkel timbrierten Seite vielleicht, was vie- NAD 3020 Vollverstärker 1978 (original) bis 1992 (3020i), verwandte Nachfolger bis heute (320BEE). Weit verbreitet (fast 2 Mio. stück), hohe Nachfrage Der kluge Kopf hinter dem 3020 und dem Rest der „Series 20“, die von der Vorstufe 1020 bis zum Tapedeck 6020 reichte: Björn Erik Edvardsen. Der Norweger, heute Technischer Direktor bei NAD, studierte in Edinburgh und arbeitete unter anderem bei ITT, bei den Dolby-Laboratorien und dann bei Acoustic Research. BEE kam 1977, von NAD-Gründer Martin Borish berufen, zum Unternehmen. Auch der moderne 320 BEE stammt wieder von seinem Reißbrett len härter klingenden Lautsprechern dieser Epoche ebenso gut tat wie wenig später den ersten CD-Playern, mit gutem Timing – und besonders in den Mitten ungeheuer musikalisch. Für ein abgestimmt neutrales System wäre er heute wohl etwas zu soft und zurückhaltend im Hochton und ginge wohl auch etwas zu lässig mit dem Bass um. Einladend ist es immer noch, „BEE“ und sein Team wussten ganz genau, was sie da tun. Schon die Phono-MM-Stufe galt als geraAktuell im Programm und auch ein superb klingendes „Kind“ von Björn Erik Edvardsen: Der C320 BEE (um 400 Euro) markiert den Einstieg bei NAD dezu visionär. Immerhin weist sie Gemeinsamkeiten mit denen sehr viel höher angesiedelter Gerätschaften von Apt-Holman/Advent auf. Björn Erik Edvardsen hatte gemeinsam mit Tom Holman – bekannt als Namensgeber für THX – an einem Receiverprojekt gearbeitet. Allenfalls, dass sie etwas rauschte, kreideten ihr (wenige) Kritiker an. Sämtliche Versorgungsspannungen waren stabilisiert. Die schwache Endstufe war eher Theorie, denn sie war laststabil bis 2 Ohm! Das heißt, die auf dem Papier versprochenen Watt kamen auch tatsächlich beim Lautsprecher an. Der 3020 stach seinen mit überdimensio- KLASSIKER niertem Trafo ausgestatteten Vorgänger 3030 in jeder Beziehung aus, so „BEE“ in einem Interview. Ausstattungsseitig blieb kaum ein Wunsch offen. Eine Klangregelung, Loudness, die Auftrennmöglichkeit von Vor- und Endstufe, eine Soft-Clipping-Schaltung für den Partybetrieb und eine Kette von fünf LEDs als Leistungsanzeige. Die wollten insbesondere jüngere Kunden haben, sie half aber auch mal bei der Argumentation, warum wenig Leistung oft völlig ausreicht. Im Wesentlichen blieb der 3020 über die Modellvarianten 3020A (1983), 3020B (1984), wohl mit Abstand meistverkaufte Verstärkerserie der Welt. Sie erhielt bis heute über 80 Preise und Auszeichnungen und gilt als Meilenstein der HiFi- und Verstärkergeschichte. Die Bezeichnung „Volks-Amp“ ist also absolut begründet. Man darf auch nicht vergessen, dass solch ein Einstiegsgerät prägt und den Zum Verwechseln ähnlich: Der Vorverstärker NAD 1020 ist (nicht nur) äußerlich bis auf die Leistungsanzeige fast ein Zwilling des 3020 Der passende Tuner hörte auf den Namen NAD 4020 und galt ebenfalls als Sonderangebot für anspruchsvolle Klangliebhaber 3020e (1986) und 3020i (1990) derselbe, wenngleich natürlich stets etwas angepasst (etwa Phono MC beim Modell A, höhere Leistung und verbesserte Lautsprecherklemmen bei Modell B) und überarbeitet. Unseres Wissens nach fiel auch irgendwann einmal die Vor-/ Endstufen-Auftrennung dem Rotstift zum Opfer, was den Fans allerdings missfiel. Der nächste 3020 hatte sie wieder. Zählt man die Modelle 3120, 302, 310, 320 und den zum 30jährigen Firmenjubiläum von Edvardsen persönlich geschaffenen C 320BEE hinzu – und das muss man angesichts der fortgeführten Technologie tun – so ist diese Baureihe mit annähernd 1,9 Millionen Exemplaren die Erstkunden stark an eine Marke binden kann. Übrigens machte NAD schon früh Gebrauch vom „Teileregal“. Die Vorstufe 1020 etwa basiert unübersehbar auf dem 3020. NAD sparte die Endstufe samt LED-Kette, der Kunde einen 4 STEREO 2/2005 Das markante Gesicht des kleinen NAD 3020, die anthrazitfarbene Frontplatte, im Laufe der Produktgenerationen vom 3020 (1978, oben) bis zum 3020i (1992, unten). Erst einige spätere Modelle des CD-Zeitalters verzichteten auf das bis dahin obligatorische Phonoteil Und dann gab es da noch – für rund 500 Mark – den Receiver NAD 7020, der nahezu exakt dieselben Spezifikationen aufwies wie die getrennten Komponenten Hunderter. STEREO befand damals: Angehende Spitzenklasse, Preis-Gegenwert-Relation: Sehr Gut. Auch der mit dem 3020 und dem Tuner 4020 stark verwandte Receiver 7020 schlug sich für 500 Mark wacker, unser Urteil damals: „Der 7020 kann sich auch mit wesentlich teureren Geräten messen“ – Mittelklasse, Preis-Gegenwert-Relation: Sehr gut. Kein Wunder, dass auch „Series 20“ bei NAD ein Qualitätssiegel bedeutete und einige Mitbewerber diese „20“ in der Hoffnung auf positive Assoziation bei der Namensgebung aufgriffen. Leider ist es übrigens gar nicht leicht, heute einen NAD 3020 zu ergattern, egal welchen. Die gesuchtesten dürften aber der erste, 3020, und der letzte, 3020i, sein. In Internetauktionen gibt es zwar stets welche, aber die Nachfrage übersteigt das Angebot meist deutlich. Das lässt die Preise steigen. Die meisten aber, die einen besitzen, behalten ihn ohnehin. Und das völlig zu Recht. www.nad.de www.ecoustics.audioreview.com /pscAudioReview/Amplification/ Integrated+Amplifiers/3020/PRD _116008_2717crx.aspx