Intraduktales Karzinom der ProstataIntraductal carcinoma of the

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Intraduktales Karzinom der ProstataIntraductal carcinoma of the
Schwerpunkt: Uropathologie
Pathologe 2016 · 37:27–32
DOI 10.1007/s00292-015-0138-4
Online publiziert: 18. Januar 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
G. Kristiansen1 · M. Varma2 · G. Seitz3
1 Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
2 Department of Histopathology, University Hospital of Wales, Cardiff, UK
3 Gemeinschaftspraxis für Pathologie am Klinikum Bamberg, Bamberg, Deutschland
Schwerpunktherausgeber
A. Hartmann, Erlangen
R. Knüchel-Clarke, Aachen
G. Kristiansen, Bonn
Intraduktales Karzinom
der Prostata
Historisches
das kribriforme Karzinom ausgedehnt
intraduktal zu finden sei.
Dieses Thema vertieften McNeal et
al. in der Folge und untersuchten eine
größere Serie von radikalen Prostatektomiepräparaten hinsichtlich des
intraduktalen Karzinoms [15]. In dieser
reich illustrierten Schrift finden sich auch
erstmals definierende Charakteristika
dieser Läsion, die die Autoren bewusst
von dysplastischen Vorläuferläsionen
abgrenzten und als fortgeschrittenes
Stadium eines invasiven Karzinoms interpretierten. Neben einer Vielzahl positiver
Assoziationen mit Parametern der
Tumorprogression findet sich in dieser
Arbeit eine Kaplan-Maier-Analyse, die
einen Trend der Fälle mit intraduktaler
Komponente zugunsten kürzerer erkrankungsfreier Überlebenszeiten darlegt.
Die Läsion selber beschrieben die Autoren
als Herde mit malignen epithelialen
Zellen, die die Lumina präexistenter
Gänge und Azini ausfüllen und dabei den
ganzen Querschnitt überbrücken, sei es in
Form von Trabekeln oder soliden Tumorzellverbänden. Auch das Kriterium der
Die älteste uns bekannte Beschreibung
eines intraduktalen Karzinoms findet
sich in der sehr systematischen Autopsiestudie zum Prostatakarzinom von Dr. E.P.
Gaynor [7], der diese im PathologischAnatomischen Institut des Krankenhauses der Stadt Wien unter der Leitung
von Prof. Jakob Erdheim durchführte.
In dieser auch heute noch nicht allein
historisch interessanten Arbeit wird auch
das intraduktale Karzinom beschrieben,
allerdings nicht als solches benannt. Der
Autor schrieb, das Schicksal der „alten
im Karzinom eingeschlossenen Tubuli“
sei es, entweder durch Obliteration zu
atrophieren oder durch intraalveolär
wachsende Karzinommassen ausgefüllt zu werden (S. 632). Auch eine
Illustration intraduktalen Wachstums
durch ein kribriformes Karzinom, dessen
kribriforme Morphologie der Autor als
Bimssteinstruktur bezeichnete, findet sich
(. Abb. 1, originale Abb. 11).
Kovi et al. [12] untersuchten 1985
eine kleinere Serie von 139 Prostatakarzinomen. In dieser Serie, die überwiegend aus TUR-P-Fällen (transurethrale
Prostataresektion) bestand, fanden sie in
48 % der Fälle eine intraduktale Tumorausdehnung, was v. a. mit der lokalen
Tumorausdehnung und weniger mit dem
Grad der Läsion assoziiert war. Wenig
später untersuchten McNeal et al. [16]
in einer kleinen Serie von 46 radikalen
Prostatektomiepräparaten kribriforme
und nicht kribriforme Prostatakarzinome.
Sie stellten fest, dass kribriforme Tumoren
größer waren und häufiger Areale mit
wenig differenziertem Gleason-Muster 4
bis 5 beherbergten und in vielen Fällen
ausgefüllten verzweigten Gänge sowie
die prinzipiell erhaltene Basalzelllage beschreiben sie.
Definitionen des intraduktalen
Karzinoms der Prostata
In den bisherigen Beschreibungen der
Weltgesundheitsorganisation (2004) oder
der Empfehlung der Internationalen Gesellschaft für Uropathologie (ISUP 2005)
sucht man das intraduktale Karzinom
vergebens [1, 5]. Erst die aktuelle ISUPKonferenz aus dem Jahr 2014 befasst
sich mit dieser Läsion und auch in
der kommenden Ausgabe des WHOBandes zu urogenitalen Tumoren wird
das intraduktale Karzinom der Prostata
definiert als intraazinäre und/oder
intraduktale neoplastische epitheliale
Proliferation, die einige Eigenschaften
der High-grade-PIN (prostatische
intraepitheliale Neoplasie) besitzt, aber
eine größere architekturelle und/oder
zytologische Atypie aufweist, welche
typischerweise mit einem hochgradigen
fortgeschrittenen Prostatakarzinom
Abb. 1 9 Historische
Abbildung von 1938
eines intraduktalen
Karzinoms bei Gaynor
(aus [7]). Einbruch des
Karzinoms in einen
alten Tubulus (Vergrößerung 128:1).
a Altes Epithel,
b Beginn der Bimssteinstruktur,
c Karzinomepithel
Der Pathologe 1 · 2016 | 27
Schwerpunkt: Uropathologie
Abb. 2 8 Typisches Beispiel eines intraduktalen Karzinoms der Prostata. a Die Übersicht zeigt aufgeweitete Gänge mit intraduktalen kribriformen Proliferaten (Vergrößerung 100:1), b, c Die Ausschnittsvergrößerung illustriert die erhaltene Basalzelllage (HE-Färbung, p63/AMACR; Vergrößerung 400:1)
assoziiert ist [6]. Diese offene Definition
lässt natürlich noch assoziativen Raum,
und präzisere Ansätze sind vonnöten.
Eine sehr gebräuchliche Definition ist
die von Guo u. Epstein [8] aus dem Jahr
2006. Sie definierten ein intraduktales
Karzinom als Ausbreitung maligner
epithelialer Zellen in großen Azini und
prostatischen Gängen mit erhaltener
Basalzelllage und solidem oder dichtem
kribriformem Wachstumsmuster bzw.
lockerem, kribriformem oder mikropapillärem Muster mit entweder betonter
nukleärer Atypie (nukleäre Größe 6-mal
normal oder größer) und/oder nicht
fokaler Komedonekrose. Eine ähnliche,
aber etwas differenziertere Definition
lieferten Cohen et al. [4], die neben
Majorkriterien (größere Gänge [> 2-mal
normal]), erhaltener Basalzelllage, zytologisch malignen Zellen, Zellen, die das
Lumen überbrücken, Komedonekrosen)
auch Minorkriterien (rechtwinkelige Verzweigung ausgefüllter Gänge, eine glatte
28 | Der Pathologe 1 · 2016
schiedlich angewendet wurde und sich bei
einigen auf die Kernfläche, bei anderen auf
den Kerndurchmesser bezog. Sinnhaft erscheint allerdings lediglich die Kernfläche,
da eine Anisokaryose mit Kaliberunterschieden um das 6-fache im Prostatakarzinom praktisch unbekannt ist. Drei
Viertel der Befragten verwendeten das
Kriterium der nichtfokalen Komedonekrose als hilfreiches definierendes
Kriterium für das intraduktale Karzinom,
während eine Aufweitung eines Gangs auf
das 2-fache der Norm nur von wenigen
als diagnostisches Kriterium verwendet
wurde.
Iczkowski et al. [10] befragten ebenfalls mehrere Uropathologen (n = 39) und
widmeten sich insbesondere der Frage
der Interobservervariabilität zwischen
den Diagnosegruppen High-grade-PIN,
intraduktales Karzinom der Prostata
[IDC-P] und invasives Karzinom. Es
zeigte sich für die High-grade-PIN und
das invasive Karzinom eine befriedigende
Interobserverübereinstimmung von über
70 %, während sich für das intraduktale
Karzinom der Prostata nur eine Übereinstimmung von 43 % fand. Dies belegt die große Unsicherheit bzgl. der
diagnostischen Kriterien selbst unter uropathologischen Experten.
Drüsenbegrenzung, 2 Populationen von
Zellen) beschrieben.
Differenzialdiagnose des
intraduktalen Karzinoms
Interobservervariabilität des
intraduktalen Prostatakarzinoms
Die Differenzialdiagnose intraduktaler
Karzinome ist breit und reicht von vollständig benignen Veränderungen aus
dem hyperplastisch-reaktiven Formenkreis über Vorläuferläsionen, dem eigentlichen intraduktalen Karzinom bis hin
zu intraduktalen Manifestationen nicht
primär prostatischer Tumoren, wobei
sich in der Prostata insbesondere das
Urothel- und das Kolonkarzinom gehäuft finden. Streng auseinanderzuhalten
sind ferner die bisweilen miteinander verwechselten Begriffe des duktalen Adenokarzinoms der Prostata, welches der zweithäufigste Subtyp des Adenokarzinoms
nach dem azinären Adenokarzinom ist,
vom intraduktal wachsenden, zumeist
azinären Adenokarzinom der Prostata,
welches das eigentliche intraduktale
Karzinom ist. Eine Differenzierung eines
intraduktalen Wachstums eines azinären
Verschiedene Studien haben sich der
Diagnostik des intraduktalen Karzinoms
durch uropathologische Experten gewidmet. In einer eigenen Studie (MV, GK)
wurden europäische Uropathologen nach
der Präferenz diagnostischer Kriterien
für das intraduktale Karzinom befragt.
Intraduktale Proliferate mit solidem und
dicht kribriformem Wachstumsmuster
wurden von der weit überwiegenden
Mehrheit der Befragten als wichtige
Kriterien anerkannt. Schwieriger waren
lockere mikropapilläre oder kribriforme
Formationen mit prominenter Kerngröße, vor allem, da sich im Verlaufe
der Befragung herausstellte, dass die
Definition „> 6-mal normal“ recht unter-
Zusammenfassung · Abstract
und eines duktalen Karzinoms wird bislang nicht vorgenommen.
Pathologe 2016 · 37:27–32 DOI 10.1007/s00292-015-0138-4
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Klarzellhyperplasie
G. Kristiansen · M. Varma · G. Seitz
Die Klarzellhyperplasie gilt als hyperplastische, benigne Proliferation, welche
zumeist mit einer sog. benignen Prostatahyperplasie assoziiert ist. Es finden
sich gering aufgeweitete Drüsen mit
lockeren kribriformen und trabekulären
Epithelproliferaten. Die Zellkerne sind
unauffällig, klein, nur gelegentlich am
Rand etwas vergrößert, prominente
Nukleolen und andere Zeichen der Kernatypie fehlen. Aufgrund ihrer Harmlosigkeit ist diese Läsion von primär malignen
oder malignen Differenzialdiagnosen
sicher abzugrenzen, welches am Einzelfall
jedoch gerade am Nadelbiopsat schwierig
sein kann (. Abb. 2a).
Prostatische intraepitheliale
Neoplasie
Die prostatische intraepitheliale Neoplasie
(HGPIN) ist in ihren einfacheren Formen
mit einem flachen, wellenförmigen oder
angedeutet papillären Proliferationsmuster
verhältnismäßig unproblematisch zu
diagnostizieren (. Abb. 2b). Schwieriger
wird es, wenn kribriforme oder trabekuläre
Muster vorliegen, da dann die Differenzialdiagnose des intraduktalen Karzinoms
aufkommt. Da zwischen beiden Läsionen
ein erheblicher Grauzonenbereich anzunehmen ist, in dem eine zweifelsfreie Zuordnung schwierig sein kann, lassen sich die
viel beobachtete diagnostische Unsicherheit und die hohe Interobservervariabilität leicht erklären. Ein pragmatischer Ansatz ist, bei der Diagnose des intraduktalen
Karzinoms in Abgrenzung von einer Highgrade-PIN, gerade am Nadelbiopsat verhältnismäßig konservativ zu bleiben und
sich dabei an den Kriterien von Guo u.
Epstein zu orientieren, um eine Überdiagnose dieser Läsion zu vermeiden.
Extraprostatische Läsionen
unter dem Bild eines IDC-P
Ein Carcinoma in situ (CIS) der Harnblase
oder der prostatischen Urethra kann sich
retrograd in die Prostata ausdehnen und
gerade beim Stanzbiopsat diagnostische
Intraduktales Karzinom der Prostata
Zusammenfassung
Bei vielen Tumorentitäten, insbesondere
der Mamma, versteht man unter einem
intraduktalen Karzinom eine Vorläuferläsion, die fakultativ der Entstehung eines invasiven Karzinoms vorausgeht. Gerade auch
in der Mammadiagnostik spielen Angaben
zur Ausdehnung und Beschaffenheit einer
intraduktalen Tumorkomponente neben den
Parametern des invasiven Karzinoms seit
jeher eine besondere, die Therapieplanung
modulierende Rolle. Anders verhält es sich
bei der Prostata, bei der der gleiche Begriff
zwar existiert und von wenigen seit längerem
propagiert, aber dennoch selten und uneinheitlich verwendet wird. Dies liegt zum
einen sicher in den vereinfachten Therapieoptionen des Prostatakarzinoms, bei dem
fokale und organerhaltende Therapien eine
bislang noch untergeordnete Rolle spielen,
sicher aber auch in der erheblichen Interobservervariabilität und dem uneinheitlichen
Verständnis des intraduktalen Karzinoms.
Dieser kleine Artikel will eine Übersicht über
die gegenwärtige Literatur zum Thema
geben und erläutern, warum es sich lohnt,
diese Läsion zu diagnostizieren. Im Gegensatz zur Mamma stellt das intraduktale
Karzinom bei der Prostata ganz überwiegend
eine postinvasive Läsion dar, bei der ein dazu
geeigneter, zumeist aggressiver Tumor in das
präexistente Gangsystem einbricht. Seltener
scheint es sich jedoch auch um eine echte
Vorläuferläsion handeln zu können.
Schlüsselwörter
Diagnostische Kriterien · Therapieoptionen ·
Interobservervariabilität · Postinvasive
Läsion · Vorläuferläsion
Intraductal carcinoma of the prostate
Abstract
For many tumor entities, especially in breast
cancer, an intraductal carcinoma is generally perceived as a precursor lesion, which
precedes the emergence of invasive carcinoma. Therefore, in addition to parameters
of the invasive carcinoma, histological parameters of the intraductal component have
always played an important role in therapy
planning of breast cancer. This is different in
prostate cancer and although the term “intraductal carcinoma” has long been propagated by some authors, its routine use
remains rare and inconsistent. This is certainly not only due to the far simpler therapy
options of prostate cancer, in which focal
and organ-preserving therapies still play a
subordinate role, but also due to substan-
Schwierigkeiten bereiten (. Abb. 3c).
Morphologische Hinweise sind die
urotheltypische Kernpleomorphie, die
ungleich stärker ausgeprägt ist, als prostatische Läsionen es an sich haben.
Im Zweifelsfall hilft die Immunhistochemie (durch Negativität für prostataspezifisches Antigen [PSA] und Positivität für urotheliale Marker wie GATA3
und p63; . Abb. 3d). Analog kann eine
intraprostatische Manifestation eines
kolorektalen Karzinoms aufgrund des
intestinalen Kernbildes, der besonders
tial interobserver variation and our inconsistent perception of intraductal carcinomas.
This article gives a brief overview of currently available literature on this topic and
explains why intraductal carcinoma of the
prostate deserves our attention. In contrast
to breast cancer, intraductal carcinoma of
the prostate usually represents a post-invasive lesion, in which an aggressive tumor exhibits spread into pre-existing ducts; however, in rare cases, intraductal carcinoma
may represent a true precursor lesion.
Keywords
Diagnostic criteria · Therapy options ·
Interobserver variation · Postinvasive lesion ·
Precursor lesion
prominenten Schmutznekrosen und des
Immunphänotyps (CDX2-positiv, CK20positiv, PSA-negativ) von primären prostatischen Läsionen abgegrenzt werden.
Duktales Karzinom
Das duktale Karzinom ist einerseits durch
seine häufig villoglanduläre Architektur
(. Abb. 3e), mehr noch aber durch seine
Kerncharakteristika mit elongierten, beinahe intestinal imponierenden Kernen
mit sehr prominenten Nukleolen cha­
Der Pathologe 1 · 2016 | 29
Schwerpunkt: Uropathologie
Abb. 3 9 Differenzialdiagnose zum IDC-P.
a Kribriforme (Klarzell-)
Hyperplasie, typischerweise mit einer benignen
Prostatahyperplasie (BPH)
vergesellschaftet, Fehlen
markanter Kernatypie.
b High-grade-PIN. c CIS des
Urothels mit Kanzerisierung
größerer prostatischer
Gänge. d Immunhistochemie (p63) mit starker
nukleärer Anfärbung der
malignen urothelialen
In-situ-Komponente, zugleich wird die präexistente
Basalzelllage dargestellt.
e Typische Architektur
eines duktalen Adenokarzinoms der Prostata.
f Gleicher Fall, typische
Zytologie mit elongierten,
stark atypischen Zellkernen. Gehäuft auch
Mitosen. PIN prostatische
intraepitheliale Neoplasie,
CIS Carcinoma in situ
rakterisiert (. Abb. 3f) und ist vom azinären
Karzinom abzugrenzen. Nicht selten wächst
es auch intrazystisch bzw. intraduktal, was
bislang wenig untersucht ist.
Immunhistochemie des IDC-P
Das IDC-P ist bis heute rein morphologisch definiert. Immunhistochemische
Marker zur zweifelsfreien Identifizierung
eines intraduktalen Karzinoms der
Prostata, insbesondere in Abgrenzung
zur High-grade-PIN, befinden sich noch
im Forschungsstadium. Der vermutlich am besten charakterisierte Markerkandidat ist das Tumorsuppressor-
30 | Der Pathologe 1 · 2016
protein „phosphatase and tensin homolog“ (PTEN), welche nach Zahlen von
Lotan et al. [13] in nahezu zwei Dritteln
der intraduktalen Karzinome verlorengeht, während es in einer High-gradePIN noch erhalten sei. Zusätzlich mag
die Expression von ERG hilfreich sein, da
intraduktale Karzinome, ihren Daten zufolge, in 56 % der Fälle ERG exprimieren,
während nur 3 % der High-grade-PINLäsionen ERG-positiv seien. Dieses ist
auch in einer neuerlichen Studie der
gleichen Arbeitsgruppe belegt worden,
bedarf aber, bevor diese Marker zur
Diagnostik allgemein empfohlen werden
können, einer weiteren, v. a. externen Bestätigung [19].
Epidemiologie des intraduktalen
Prostatakarzinoms
Das intraduktale Karzinom der Prostata
ist eine relativ häufige Läsion und findet
sich älteren Studien zufolge in etwa
30 % der Fälle. Neuere Daten haben die
Inzidenz auf etwa 20 % reduziert. In
konsekutiven Biopsieserien findet sich ein
intraduktales Karzinom in knapp 3 % der
Fälle (. Tab. 1).
Tab. 1 Epidemiologie des intraduktalen Karzinoms der Prostata (IDC-P)
Autor
Kovi et al.
McNeal et al.
McNeal et al.
Wilcox et al.
Rubin et al.
Shah et al.
Miyai et al.
Watts et al.
Jahr
1985
1986
1996
1998
1998
2010
2014
2013
Fallzahl
139
64
476
252
114
117
901
1176
Probenart
RPE
RPE
RPE
RPE, pT3N0
RPE
RPE
RPE
Bx
% IDC-P
48
26,5
29,8
42,8
37,7
17,9
17,2
2,8
RPE radikale Prostatektomie, Bx Biopsie.
Tab. 2 Häufige und wichtige Fragen für die Praxis
Wird das intraduktale Karzinom
der Prostata gradiert (wie etwa
bei der Mamma in "low grade",
"high grade")?
Hat das IDC-P einen eigenen
Gleason-Score und soll dieser
bei der Gradierung von
Stanzbiopsaten berücksichtigt
werden?
Hat ein intraduktales Karzinom
eine Bedeutung, wenn das invasive Karzinom von niedrigem
Grad ist (Gleason-Score 6)?
Antwort: Nein, derzeit nicht. Wichtiger erscheint, diese Läsion
zu kennen, von der high grade-PIN abzugrenzen und im Befund zu vermerken. In Zweifelsfällen (HG-PIN versus IDC-P)
sollte man die Läsion als Borderline-atypische intraduktale
Proliferate bezeichnen
Anwort: Derzeit nicht. Auf der Chicagoer Konsenskonferenz
der ISUP 2014 wurde beschlossen, das intraduktale Karzinom
nicht zu gradieren, aber in einem Kommentar auf seine Bedeutung für die Klinik hinzuweisen. Eine Gradierung eines
isolierten intraduktalen Karzinoms (z. B. mit einem GleasonScore von 4 + 4 = 8) mag sonst den flüchtigen Leser zu Fehlern
bei der Therapieplanung verleiten
Antwort: Offenbar ja, da sich nach radikaler Ektomie nicht
nur ausgedehntere Anteile eines intraduktalen Karzinoms,
sondern auch gehäuft höhere Gleason-Scores finden, wie die
Daten von Khani et al. [11] nahelegen
IDC-P Intraduktales Karzinom der Prostata, ISUP Internationale Gesellschaft für Uropathologie.
Klinische Bedeutung der
intraduktalen Tumormanifestation im radikalen
Prostatektomiepräparat
Mittlerweile kann als gesichert gelten,
dass eine intraduktale Tumorkomponente
der Prostata mit höheren Gleason-Scores,
größeren Tumoren, höheren Raten positiver
Schnittränder und extraprostatischer
Ausdehnung sowie häufigerer nodaler
Metastasierung assoziiert ist. Lange blieb
jedoch unklar, ob diese Assoziation einen
additiven prognostischen Wert habe oder
mehr als Epiphänomen zu betrachten sei.
Neuere Arbeiten legen allerdings einen
unabhängigen prognostischen Wert
nahe. Trudel et al. [27] untersuchten 246
radikale Ektomiepräparate und fanden
einen sowohl uni- als auch multivariat
signifikanten prognostischen Wert für die
intraduktale Tumorkomponente mit einer
Hazard-Ratio von 2,98 (bei Vorliegen eines
intraduktalen Karzinoms). Zao et al. [32]
untersuchten Prostatabiopsien von primär
metastasierten Patienten und zeigten, dass
Fälle mit einer intraduktalen Karzinomkomponente kürzere Überlebenszeiten bis
zum Auftreten eines hormonrefraktären
Prostatakarzinoms aufwiesen als solche
ohne intraduktale Komponente. Gleiches
fanden sie für das Gesamtüberleben.
Auch für Patienten, die mit einer
Strahlentherapie behandelt werden, hat das
intraduktale Karzinom, in der Stanzbiopsie
diagnostiziert, einen prognostischen Wert.
Van der Kwast et al. [29] untersuchten
eine Hochrisikogruppe von 132 Patienten,
die strahlentherapiert wurden: 22 %
dieser Patienten wiesen eine intraduktale
Tumorkomponente auf und zeigten uniund multivariat eine deutlich schlechtere
Prognose mit einer Hazard-Ratio von 2,33
in der Cox-Analyse. Die Autoren schlussfolgerten, dass ein intraduktales Karzinom
in der Biopsie immer angegeben werden
sollte, auch wenn es von einem invasiven
Karzinom begleitet wird.
Klinische Bedeutung der intraduktalen Tumormanifestation
im Biopsat
Die prognostische Bedeutung eines isolier­
ten, biopsatdiagnostizierten intraduktalen
Karzinoms (ohne begleitende invasive
Komponente) war lange unklar. Robinson
et al. [21] untersuchten eine Serie von 83
Fällen mit einer isolierten intraduktalen
Tumorkomponente, von denen 23
durch eine radikale Prostatektomie behandelt worden waren; 21 dieser Fälle
konnten histologisch reevaluiert werden
und es fanden sich in 19 Fällen invasive
Karzinome, während hingegen in 2
Fällen (10 %) im Ektomiepräparat nur
die intraduktale Tumorkomponente
nachgewiesen werden konnte. Die invasiven Karzinome hatten überwiegend
prognostisch ungünstige Charakteristika:
58 % waren organüberschreitend, der
mittlere Gleason-Score lag bei 7,9 und
48 % der Fälle hatten eine GleasonMuster-5-Komponente. Die Autoren
schlussfolgerten, dass eine unmittelbare
definitive Therapie nach Diagnose eines
reinen, intraduktalen Karzinoms gerechtfertigt sei. Aus medikolegalen Gründen
erscheint es uns allerdings vernünftiger,
durch eine unmittelbare Rebiopsie das
invasive Karzinom, dem die definitive
Therapie gelten sollte, zu sichern.
Die 10 % negativen Fälle nach Ektomie
werfen erneut die Frage auf, ob es tatsächlich eine Vorläuferversion des IDC-P
gibt, die über das gewöhnliche Maß einer
High-grade-PIN hinaus geht und darum
als intraduktales Karzinom bezeichnet
werden kann, welches jedoch der Entstehung eines invasiven Karzinoms
vorangeht und nicht nachfolgt. Dies legen
auch die Untersuchungen von Miyai et
al. [17] nahe, die in einer größeren Kohorte radikaler Ektomiepräparate die
Lokalisationen des intraduktalen und
des invasiven Karzinoms miteinander
abglichen. Sie fanden, dass 10 % der
intraduktalen Karzinome ohne räumlich
assoziiertes invasives Karzinom auftreten
können und hypothetisieren dies als
Vorläuferläsions-intraduktales Karzinom.
Einen Überblick über häufig gestellte
Fragen zum IDC-P sowie die aktuellen
Antworten gibt . Tab. 2.
Der Pathologe 1 · 2016 | 31
Schwerpunkt: Uropathologie
Fazit für die Praxis
55Die vorgenannten Daten belegen,
dass Pathologen ein gesteigertes
Bewusstsein für das intraduktale
Karzinom entwickeln sollten, um
dieses kompetent zu diagnostizieren
und den Klinikern in einem
Kommentar zu erläutern.
55Dies spiegelt sich auch in der
steigenden Anzahl neuer Übersichten
zu diesem Themenfeld [2, 3, 9, 14, 18,
20, 22–26, 28, 33].
55Selbst in Fällen mit einem invasiven
Karzinom stellt die Koexistenz eines
intraduktalen Prostatakarzinoms
einen unabhängigen diagnostischen
Faktor für die Erkrankungsprogression
dar. Dies gilt für Biopsate und
Ektomiepräparate gleichermaßen.
55Eine isolierte intraduktale Tumorkomponente in Biopsien sollte unmittelbar weitere Abklärung finden.
55Es gibt Stimmen, die eine unmittelbare definitive Therapie empfehlen,
dies ist jedoch angesichts 10 % falschpositiver Fälle aus Sicht der Autoren
nicht ratsam.
55Das intraduktale Karzinom sollte im
Gleason-Score nicht berücksichtigt
werden.
55Bislang ist in Ermangelung besserer
Kriterien die Interobservervariabilität verhältnismäßig schlecht. Dies
betont die Notwendigkeit, unsere
diagnostischen Kriterien und ihre Anwendung besser zu standardisieren
und wird ein Arbeitsfeld der Internationalen Gesellschaft für Urologische Pathologie sein.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. G. Kristiansen
Institut für Pathologie,
Universitätsklinikum Bonn
Sigmund-Freud-Str. 25, Gebäude 329
53127 Bonn
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. G. Kristiansen, M. Varma und G.
Seitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen
oder Tieren.
32 | Der Pathologe 1 · 2016
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