Sexuelle Übergriffe durch Kinder und Jugendliche. Expertise im

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Sexuelle Übergriffe durch Kinder und Jugendliche. Expertise im
Sexuelle Übergriffe
durch Kinder und Jugendliche
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Sexuelle Übergriffe durch Kinder und Jugendliche
Expertise
im Auftrag der Geschäftsstelle AG I „Prävention – Intervention – Information―
des runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und
Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären
Bereich―
Dr. Andrej König
Institut für Forensische Psychiatrie
der Universität Duisburg-Essen
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Inhalt
Vorwort .................................................................................................................................................. 4
1) Hintergrund und theoretische Einführung..................................................................................... 6
1.1 Begriffsdefinition: Sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend .................................................. 6
1.2 Generelle erkenntnistheoretische und methodische Probleme .................................................... 10
2) Forschungsstand zu sexuell übergriffigem Verhalten von Minderjährigen .............................. 12
2.1 Die psychosexuelle Entwicklung im Kindes- und Jugendalter ................................................... 12
2.2 Die Verbreitung sexuell übergriffigen Verhaltens im Kindes- und Jugendalter ......................... 16
2.2.1 Nationale und internationale Erkenntnisse aus dem Hell- und Dunkelfeld .......................... 17
2.3 Charakteristika von sexuellen Übergriffen durch Minderjährige ................................................ 29
2.3.1 Sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche ....................................................................... 29
2.3.2 Betroffene Kinder und Jugendliche ...................................................................................... 31
2.3.3 Gefährlichkeit und Risiken sexuell übergriffiger Kinder und Jungendlicher ....................... 35
2.3.4 Befunde zur Wirksamkeit der Behandlung sexuell übergriffiger Minderjähriger ................ 39
2.4 Zusammenfassung des aktuellen empirischen Wissensstands .................................................... 41
3) Modellprojekte und Leitlinien zum Umgang mit sexuellen Übergriffen ................................... 43
3.1 Fachspezifische Einrichtungen für sexuell übergriffige Minderjährige ...................................... 43
3.2 Leitlinien und Präventionsmaßnahmen ....................................................................................... 48
4) Handlungsbedarfe und Empfehlungen ......................................................................................... 54
4.1 … für die Behandlungsforschung................................................................................................ 54
4.2 … für eine bundesweite Bestandserhebung fachspezifischer Einrichtungen .............................. 62
4.3 … für eine bundesweite Vernetzung fachspezifischer Institutionen ........................................... 63
4.4 … für den praktischen Umgang mit sexuell übergriffigem Verhalten ........................................ 64
4.5 … für primärpräventive Maßnahmen im Schul- und Freizeitbereich ......................................... 66
5) Literatur........................................................................................................................................... 69
6) Anhang ............................................................................................................................................. 77
6.1 Bundesweite Liste fachspezifischer Einrichtungen ..................................................................... 78
6.2 Bundesweite Liste der Jugendarrest und -strafanstalten ............................................................. 91
6.3 Bundesweite Liste jugendforensischer Standorte ........................................................................ 94
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Vorwort
„Die Debatte ist hitzig. Der Grat, auf dem wir uns meist überaus unvorsichtig bewegen, ist
schmal, der Grat zwischen Verharmlosung und Katastrophierung. Fast jeder kippt auf der einen
oder anderen Seite in den Abgrund. Die Neigung zur Polarisierung und Entdifferenzierung ist
groß. Alle Argumente sind vorgetragen, wieder und wieder. In der Regel schlägt man sie sich um
Ohren, die längst hochgeklappt sind. …― postulierte Gunter Schmidt (1999, S. 133) zur
Charakterisierung der sexuellen Missbrauchsdebatte. Der Grat ist im letzten Jahrzehnt nicht
wahrnehmbar breiter geworden. Die Ohren in Politik, Gesellschaft und Medien scheinen derzeit
jedoch weit aufgeklappt. Daher wird sich auch diese Expertise — deren wesentliches Ziel in einer
Zusammenfassung der empirischen Befundlage zu sexuellen Übergriffen durch Kinder und
Jugendliche, sowie der Ableitung von Empfehlungen für Forschung und Praxis liegt — aufgrund
einer häufig unbefriedigenden Datenlage und einem sensibilisierten gesellschaftspolitischem
Klima nahe am Abgrund bewegen.
Folgt man Freund und Riedel-Breidenstein (2004), dann sind sexuelle Übergriffe durch Kinder
nicht als „kleine Kopie oder Kinderversion― von sexuellem Kindesmissbrauch zu verstehen. Als
Straftatbestand setzt „sexueller Missbrauch― ein Maß an Eigenverantwortlichkeit des Täters oder
der Täterin voraus, wie es einem Kind vor seinem 14. Lebensjahr nicht unterstellt werden kann.
Anders verhält es sich mit strafmündigen Jugendlichen oder Heranwachsenden. Diese
strafrechtlich relevante Altersdifferenzierung bleibt in Forschung und Praxis jedoch nicht selten
unberücksichtigt. Genau genommen müsste im Rahmen der Expertise von sexuell übergriffigen
Kindern und jugendlichen oder heranwachsenden Sexualstraftätern oder Tatverdächtigen die Rede
sein. Allerdings lässt sich diese Diktion wegen der besseren Lesbarkeit nicht durchgängig
einhalten. So spreche ich im Folgenden meist von sexuell übergriffigen Kindern und Jugendlichen
oder sexuell übergriffigen Minderjährigen, wobei sexuelle Übergriffe bei Jugendlichen und
Heranwachsenden auch strafrechtlich relevante Verhaltensweisen einschließen können.
Die empirische Befundlage zu weiblichen sexuell übergriffigen Minderjährigen ist so spärlich,
dass diese in der vorliegenden Expertise keine Berücksichtigung findet. Dennoch sei erwähnt,
dass in den letzten Jahren minderjährige Mädchen — ebenso wie Jungen — wegen sexueller
Übergriffe deutlich häufiger bei der Polizei angezeigt wurden. Die absoluten Zahlen für Mädchen
sind jedoch vergleichsweise gering. Je nach Altersgruppe werden sexuell übergriffige Jungen bis
zu 50-mal häufiger polizeilich registriert als Mädchen.
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Nach Enders und Eberhardt (2006) haben Kinder und Jugendliche „ … ein Recht auf eigene
Räume, in denen sie nicht ständig unter der direkten Kontrolle von Erwachsenen stehen‖. Und
gleichzeitig haben sie „ … ein Recht auf Schutz vor (sexuellen) Übergriffen‖. Die größte
Herausforderung der Politik, Gesellschaft und Medien wird es sein, auch zukünftig diese Balance
zu halten, ohne auf der einen oder anderen Seite in den Abgrund zu stürzen.
Essen, im Oktober 2011
Andrej König
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1) Hintergrund und theoretische Einführung
Blickt man in die Geschichte zurück, so gab es unterschiedliche Diskurse über Kinder und
Jugendliche. Ihnen wurde eine romantische Unschuld zugeschrieben, die vor einer grausamen
Welt geschützt werden musste. Sie wurden als „black box― betrachtet, die darauf wartet,
Erfahrungen zu sammeln und geformt zu werden. Man schrieb ihnen eine Wildheit zu, die es zu
disziplinieren
galt
oder
sie
wurden
als
Produkt
eines
genetisch
determinierten
Entwicklungsprozesses angesehen. Der heutigen Generation wird häufig eine Promiskuität und
sexuelle Tabulosigkeit unterstellt, was ihnen in den Medien aktuell die Umschreibung
"Generation Porno" eingebracht hat. Auch das wissenschaftliche Interesse an sexuellen
Übergriffen durch Kinder und Jugendliche ist im letzten Jahrzehnt deutlich angestiegen. Eine
Onlinerecherche wissenschaftlicher Datenbanken ergab für den Suchbegriff „juvenile sex
offenders―1 im Zeitraum von 1990 bis 1999 insgesamt 579 und im Zeitraum von 2000 bis 2010
insgesamt 1.550 neu erschienene Veröffentlichungen. Demnach wurden im letzten Jahrzehnt etwa
dreimal so viele wissenschaftliche Beiträge zu dieser Thematik publiziert als in den 1990er
Jahren.
1.1 Begriffsdefinition: Sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend
Bis heute hat sich in der empirischen Forschung keine einheitliche Definition etabliert, was unter
„sexueller Übergriffigkeit― in Kindheit und Jugend zu subsumieren ist (z.B. Wetzels, 1997;
Hamby & Finkelhor, 2000; Deegener & Körner, 2005; Chaffin et al., 2006). Je nach Fachrichtung,
Stichprobenselektion,
Übergriffigkeit―
auf
Studiendesign,
Probandenalter
unterschiedlichste
Weise
und
erfasst.
Fragestellung
wird
Strafregisterauszüge,
„sexuelle
Selbst-
/Fremdauskünfte, Altersdifferenz zwischen Opfer und Täter, sexuelle Handlungen mit
Körperkontakt und/oder körperlicher Gewalt, sexualisierter Sprachgebrauch, Vorliegen einer
Störung der Sexualpräferenz, Verurteilungen für Sexualdelikte, Traumatisierung der Opfer,
Skalenwerte in psychometrischen Verfahren, beobachtetes Verhalten usw. stellen eine Auswahl
an Kriterien und Variablen dar, die in der Forschung zur Beschreibung des Phänomens „sexuelle
Übergriffigkeit― in Kindheit und Jugend Verwendung finden. Aufgrund der Vielfalt der
empirischen Herangehensweisen sollen zur Begriffsbestimmung zwei Definitionen näher
beleuchtet werden, die sich in der praktischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen national und
international weitgehend durchgesetzt haben.
1
„GoogleScholar―-Suche mit der kombinierten Wortgruppe „juvenile sex offenders― im Titel der Publikation vom
08.10.2011.
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Freund und Riedel-Breidenstein (2004) definieren sexuell Übergriffe anhand der Kriterien
Unfreiwilligkeit und Machtgefälle: „ … Ein sexueller Übergriff unter Kindern liegt dann vor,
wenn sexuelle Handlungen durch das übergriffige Kind erzwungen werden bzw. das betroffene
Kind sie unfreiwillig duldet oder sich unfreiwillig daran beteiligt. Häufig wird dabei ein
Machtgefälle zwischen den Beteiligten übergriffigen und betroffenen Kindern ausgenutzt, indem
z.B. durch Versprechungen, Anerkennung, Drohung oder körperliche Gewalt Druck ausgeübt
wird. Die zentralen Merkmale von sexueller Übergriffigkeit sind demnach Unfreiwilligkeit und
Machtgefälle.― Ein Machtgefälle kann sich z.B. durch einen Altersunterschied, Geschlecht, Status
in der Gruppe, sozialen Status, Intelligenz/Behinderung und Migrationshintergrund auszeichnen.
Das Machtgefälle und die Freiwilligkeit spielen beim Praktizieren erwachsener Sexualität — wie
z.B. jegliche Form der genitalen, oralen oder analen Penetration — nach Freund und RiedelBreidenstein (2004) keine Rolle, weil diese Handlungen den beteiligten Kindern grundsätzlich
schaden und nicht zur kindlichen Sexualität gehören. Die Autorinnen unterscheiden vier
Kategorien sexueller Übergriffe unter Kindern. Übergriffe können (1) nicht geplant und ohne
negative Absichten im Überschwang geschehen, sie können (2) in einer Situation beginnen, in der
sich die beteiligten Kinder zunächst wohlfühlen, dann ein Kind Handlungen vollzieht, die dem
anderen Kind aber nicht recht sind („gekippte Situation―) oder Übergriffe können (3) geplant sein
und mittels Druck (z.B. durch Ausnutzung eines Machtgefälles) oder Überreden darauf abzielen,
ein unterlegenes Kind zu sexuellen Handlungen zu bewegen, um sich überlegen oder mächtig zu
fühlen. Die vierte Kategorie beinhaltet Fälle, in denen (4) ein Kind sexuelle Übergriffe begeht, um
eigene psychische, körperliche und/oder sexuelle Gewalterfahrungen mittels Bedrohung oder
Gewalt an anderen Kindern auszuleben. Dem übergriffigen Kind geht es hier um die Verarbeitung
des eigenen Missbrauchserlebens. Nach Freund und Riedel-Breidenstein (2004) sind diese
Übergriffe Teil einer massiven Missbrauchsdynamik und schaden beiden Kindern erheblich.
Die Association for the Treatment of Sexual Abusers (ATSA) definiert im Rahmen eines Task
Force Reports sexuelles Problemverhalten wie folgt: „Sexuelles Problemverhalten im Kindesalter
beinhaltet
die
Initiation
von
Verhaltensweisen,
die
auf
primäre
oder
sekundäre
Geschlechtsmerkmale gerichtet sind (z.B. Genitalien, Anus, Hoden oder Brust), die entweder
nicht einer alterstypischen Entwicklung entsprechen oder potenziell schädlich für das Kind selbst
oder andere sind. Intention und Handlungsmotive können sexuelle Befriedigung oder sexuelle
Stimulation sein, müssen es aber nicht. Auch andere Gründe, wie z.B. Neugier, Unsicherheit,
Imitationsverhalten, Aufmerksamkeitssuche, Selbstberuhigung können handlungsleitend für
sexuelles Problemverhalten sein― (Chaffin et al., 2006, S. 3). Sexuelles Problemverhalten in der
Kindheit kann ausschließlich selbstfokussiert sein (z.B. exzessive Masturbation, Einführen von
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Gegenständen in Scheide oder Anus) oder andere Kinder betreffen. Wenn andere Kinder betroffen
sind, kann sexuelles Problemverhalten hinsichtlich der Dimension Einvernehmlichkeit vs.
Übergriffigkeit, der Art der sexuellen Handlungen und dem potenziellen Schaden der sexuellen
Handlungen variieren. Am bedenklichsten ist sexuelles Problemverhalten, bei dem substanzielle
Unterschiede hinsichtlich des Alters oder des Entwicklungsstandes der beteiligten Kinder
bestehen, bei dem altersunangemessene sexuelle Praktiken stattfinden, bei dem körperliche
Gewalt, Nötigung oder Druck ausgeübt wird und bei dem ein psychischer oder körperlicher
Schaden entsteht oder zu erwarten ist (Chaffin et. al., 2006). Bei der Entscheidungsfindung, ob
sexuelles Verhalten von Kindern altersangemessen ist, sind folgende Fragen zu klären (Chaffin et
al., 2006): Handelt es sich unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes und der Kultur um
ein weitverbreitetes oder seltenes Verhalten? In welcher Frequenz tritt das sexuelle
Problemverhalten auf (z.B. einmalig vs. mehrfach in unterschiedlichen Kontexten)? Wie viel
Raum nimmt Sexualität und/oder sexuelles Problemverhalten im Alltag und in der Gedankenwelt
des Kindes ein? Reagiert das Kind auf pädagogische Interventionen durch Erwachsene oder setzt
es das sexuelle Problemverhalten trotz korrektiver Interventionen fort? Kann das sexuelle
Problemverhalten,
z.B.
aufgrund
körperlicher Gewalt,
Bedrohung,
Erniedrigung oder
emotionalem Stress, zu physischen oder psychischen Schäden bei den beteiligten Kindern führen?
Die dargestellten Definitionen (Freund & Riedel-Breidenstein, 2004 und Chaffin et al., 2006)
gelten letztendlich auch für Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre), wobei im Rahmen der
Beurteilung sexuellen Verhaltens von Jugendlichen insbesondere reifungsbedingte körperliche,
kognitive und emotionale Unterschiede zu Kindern berücksichtigt werden müssen. Des Weiteren
ist das alterstypische Repertoire jugendlichen Sexualverhaltens nicht mit dem kindlichen
Sexualverhaltens vergleichbar. Ferner kann das gezeigte Verhalten eine strafrechtliche Relevanz
und ggf. juristische Konsequenzen zur Folge haben, da Jugendliche im Gegensatz zu Kindern
(unter 14 Jahren) nicht generell gem. § 19 StGB als schuldunfähig gelten.
Fasst man die in der Praxis gebräuchlichen Definitionen zusammen, so sind folgende zentrale
Aspekte bei der Abgrenzung von „nicht-übergriffiger Sexualität― von „sexueller Übergriffigkeit
bzw. sexuellem Problemverhalten― zu berücksichtigen:
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Machtgefälle
Freiwilligkeit
Handlungsmotive/-intention
Entwicklungsstand
Frequenz der Verhaltensweisen
Reaktion auf pädagogische/korrektive Interventionen
(potenzieller) Schaden für die beteiligten Kinder/Jugendlichen
alters- und kulturspezifische Normen
Art der sexuellen Handlungen
Es wird deutlich, dass sexuelle Übergriffigkeit in Kindheit und Jugend nicht ausschließlich an
konkreten Verhaltensweisen festzumachen ist, sondern einer mehrdimensionalen Beurteilung
inner-psychischer, reifungsabhängiger und sozialer Aspekte bedarf. Die Bewertung kindlicher
oder jugendlicher Sexualität im Alltag wird daher ebenso durch die subjektiven und moralischen
Sichtweisen von Erwachsenen (z.B. Eltern, PädagogInnen, ErzieherInnen, ÄrztInnen,
PsychologInnen etc.) bestimmt. Einigkeit ob sexuelles Verhalten als übergriffig zu klassifizieren
ist, herrscht insbesondere dann, wenn man die Enden des breiten möglichen Verhaltensspektrums
betrachtet (DiCataldo, 2009). Eine gewaltsame, anale Penetration durch einen körperlich und
geistig altersentsprechend entwickelten 16-jährigen Jungen an einem ihm unbekannten
minderbegabten 5-jährigen Mädchen würde zu Recht als massiver sexueller Übergriff und darüber
hinaus in einem rechtlichen Kontext als Straftat angesehen werden. Der spontane einmalige
„Hochzeitskuss― im Rahmen eines Vater-Mutter-Kind-Spiels zwischen einem 6-jährigen
altersentsprechend entwickelten Jungen und einem ebenso altersentsprechend entwickelten 6jährigem Mädchen würde mehrheitlich vermutlich nicht als sexuelle Übergriffigkeit bewertet
werden. Der Großteil sexueller Verhaltensweisen in Kindheit und Jugend ist jedoch in der Mitte
dieses Spektrums anzusiedeln, was eine eindeutige Differenzierung zwischen sexuell „nichtübergriffigem― und „übergriffigem― Verhalten erschwert.
Alleine die Feststellung, dass ein Kind oder Jugendlicher sexuell übergriffiges Verhalten gezeigt
hat, ist jedoch nicht mit einer therapeutischen Behandlungsnotwendigkeit gleichzusetzen (s.
Kapitel 4.4).
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1.2 Generelle erkenntnistheoretische und methodische Probleme
Bei grenzverletzender und einvernehmlicher Sexualität handelt es sich um menschliche
Verhaltensweisen, die zum Großteil im Verborgenen stattfinden und daher der empirischen
Forschung nur indirekt zugänglich sind. Bereits Kinsey, Pomeroy und Martin (1948; S. 3)
merkten an: „ … human sexual behavior represents one of the least explored segments of biology,
psychology and sociology. Scientificly more has been known about the sexual behavior of some
of the farm and laboratory animals―. Daran hat sich trotz einer Zunahme des wissenschaftlichen
Kenntnisstandes nichts geändert, so dass das Phänomen sexuelle Gewalt an Kindern und
Jugendlichen auch in Zukunft weitgehend im Dunkeln bleiben wird. Das gesamte Ausmaß ist
nicht zu beziffern und das Leid nicht zu quantifizieren.
Daher ist bei Hell- und Dunkelfeldstatistiken generell zu bedenken, dass diese lediglich als vage
Hinweise auf den „wahren― Anteil sexueller Übergriffe oder Missbrauchshandlungen angesehen
werden können. Die absoluten Zahlen der Hell- und Dunkelfeldstatistiken stehen unter einem
multifaktoriellen Einfluss, d.h. sie ergeben sich aus einem Zusammenspiel vieler Faktoren — wie
z.B. Anzeigeverhalten und Altersstruktur der Bevölkerung, polizeiliche Ermittlungstätigkeit,
Strafrechtsänderungen, Zählweise von Straftaten, gesellschaftspolitischen Gegebenheiten,
Bereitschaft zur Teilnahme an Untersuchungen, Art der Probandenrekrutierung, Interessen der
Auftraggeber u.v.m. — deren individueller Einfluss nur schwer zu quantifizieren ist. Ferner ist die
genaue Anzahl der relevanten Faktoren unbekannt.
Neben dem definitorischen Problem sexuellen Missbrauchs, unterliegt die forensischkriminologische Forschung einer Vielzahl genereller methodischer Probleme, wie der
Basisratenproblematik (z.B. Donaldson & Wollert, 2008; Nedopil, 2007), Heterogenität der
Stichproben (z.B. Dolan & Doyle, 2000), Kulturspezifität von Befunden (z.B. Cooke et al., 2005;
Frenken, 1999; Day, 2003) und weiteren die die Generalisierbarkeit von Befunden einschränken.
Interkulturelle Abweichungen zwischen Rechtssystemen und Rahmenbedingungen für die
Behandlung oder Unterbringung von Sexualstraftätern sowie sexuell übergriffigen Minderjährigen
stellen eine direkte Übertragung der meist aus dem anglo-amerikanischen Raum stammenden
Ergebnisse auf den deutschsprachigen Raum infrage.
Die
exemplarisch
dargestellten
erkenntnistheoretischen
und
methodischen
Probleme
verdeutlichen, dass die Erforschung des „wahren― Ausmaßes sexueller Übergriffe durch Kinder
und Jugendliche erheblichen Schwierigkeiten unterliegt. Ferner kann die Interpretation
empirischer Befunde und die Konzeption von Studien durch ideologische Interessen geleitet sein
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(Mosser,
2009).
Wetzels
(1997)
beschreibt
die
Problematik
dieser
ideologischen
Extrempositionen im Kontext der Erforschung sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen
folgendermaßen: „Es findet sich ein Spektrum, welches von dem Bemühen um Skandalisierung
einerseits bis zum Abwiegeln und Bagatellisieren sowie Legitimieren andererseits reicht, wobei
die empirische Grundlage der Vertreter von extremen Positionen wissenschaftlich nicht selten
recht wenig tragfähig, das methodische Vorgehen oft fragwürdig ist.―
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2) Forschungsstand zu sexuell übergriffigem Verhalten von Minderjährigen
2.1 Die psychosexuelle Entwicklung im Kindes- und Jugendalter
Ein Merkmal von sexueller Übergriffigkeit in Kindheit und Jugend besteht darin, dass
altersunangemessene oder -untypische sexuelle Verhaltensweisen gezeigt werden (Freund &
Riedel-Breidenstein, 2004; Chaffin et al., 2006). Nach Beier und Loewit (2011) lässt sich
Sexualität allgemein als eine biologisch, psychologisch und sozial determinierte Erlebnisqualität
des Menschen verstehen, die in ihrer individuellen Ausgestaltung von der lebensgeschichtlichen
Entwicklung geprägt wird. Hinsichtlich ihrer Funktionalität lässt sich Sexualität auf drei
Dimensionen beschreiben (Beier & Loewit, 2011, S. 12): (1) Fortpflanzungsdimension
(Reproduktion),
(2)
Lustdimension
(Lustgewinn
durch
sexuelles
Erleben)
und
(3)
Beziehungsdimension (Bedürfnisbefriedigung von Akzeptanz, Nähe, Sicherheit und Geborgenheit
durch sexuelle Kommunikation). Das Erleben und die Bedeutsamkeit dieser drei Dimensionen
variieren in Abhängigkeit der Lebensphasen. Deshalb werden zunächst einige ausgewählte
generelle Aspekte der psychosexuellen Entwicklung in Kindheit und Jugend zusammenfassend
dargestellt.
Unmittelbar nach der Geburt ist bei Mädchen und Jungen eine sexuelle Reaktionsfähigkeit
(Erektion/Lubrikation der Vagina) vorhanden (Masters, Johnson & Kolodny, 1982), so dass
Sexualität und sexuelle Verhaltensweisen ein Phänomen darstellen, welches sich über die
komplette Lebensspanne erstreckt. Bereits deutlich vor Eintritt der Geschlechtsreife (etwa ab dem
3. bis 7. Lebensjahr) beginnen Kinder den eigenen und den Körper anderer spielerisch zu
erforschen (z.B. Doktor- oder Vater-Mutter-Kindspiele), diese Verhaltensweisen finden ab dem 6.
bis zum 9. Lebensjahr i.d.R. im Verborgenen statt, da sich bei Kindern ein Bewusstsein für soziale
Normen und Regeln ausprägt (DeLamater & Friedrich, 2002). Während der frühen Kindheit (etwa
ab dem 3. Lebensjahr) entwickelt sich die Geschlechtsidentität mit den entsprechenden
gesellschaftlichen und geschlechtsstereotypen Rollennormen (Bussey & Bandura, 1999).
Die körperliche und psychosexuelle Reifung von Kindern und Jugendlichen ist geprägt durch
kulturelle Erwartungen sowie soziale Normen und Regeln. Im westlichen Kulturkreis findet
während der Präadoleszenz (etwa 8. bis 12. Lebensjahr) innerhalb der Peer-Gruppe meist eine
Trennung der Geschlechter statt. Sexuelles Neugier- und Explorationsverhalten in dieser Phase
findet daher bei etwa 5 bis 10% der Präadoleszenten mit gleichgeschlechtlichen Partnern oder
Freunden statt (Turner et al., 1998), und Masturbation gewinnt an Bedeutung (DeLamater &
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Friedrich, 2002). In einer Repräsentativbefragung berichteten lediglich etwa 5% der erwachsenen
Männer (n = 4.410) und etwa 30% der Frauen (n = 5.999), dass sie noch nie in ihrem Leben
masturbiert haben (Gerressu et al., 2007). Ferner bilden sich in der Präadoleszenz bei Mädchen
und Jungen erste körperliche Reifemerkmale (z.B. Schambehaarung, Stimmbruch, Menarche) aus.
Im Rahmen des bundesweiten Kinder- und Jugendsurveys (KiGGS; N = 17.641) berichteten im
Alter von 10 Jahren 42% der Mädchen und 36% der Jungen über eine beginnende
Schambehaarung. Die Ausprägung einzelner Reifemerkmale wies innerhalb der erhobenen
Altersgruppen eine hohe Varianz auf, und es ergaben sich korrelative Zusammenhänge zwischen
körperlicher Reife, sozialem Status, Body-Mass-Index (BMI) und ethnischer Herkunft (Kahl,
Schaffrath-Rosario & Schlaud, 2007).
Mit zunehmendem Alter und Beginn der Adoleszenz (13. bis 19. Lebensjahr) wird die
Geschlechtertrennung
immer
durchlässiger
und
gegengeschlechtliche
Peer-Beziehungen
gewinnen an Bedeutung. Dies ist gewöhnlich ein langsamer, experimenteller und kumulativer
Entwicklungsprozess, der das Fundament für die Fähigkeit legt, tragfähige und intime
Beziehungen im Erwachsenenalter eingehen zu können. In Abhängigkeit von individuellen
Merkmalen — wie z.B. der körperlichen Reifung, soziale Kompetenzen und Fähigkeiten,
persönlichen
Werten
und
Überzeugungen
zum
Thema
Sexualität
—
wird
dieser
Entwicklungsprozess von einigen langsamer und von anderen schneller durchlaufen (Thornton,
1990; Erikson, 1995). Ohne auf Einzelheiten weiter einzugehen, kommt dem in der Kindheit
entwickelten Bindungsstil in diesem Prozess eine hohe Bedeutung zu (Bowlby, 1977). Je sicherer
ein Kind gebunden ist, d.h., je unbefangener und angstfreier es Beziehungen aufzunehmen in der
Lage ist, desto besser wird dieser Prozess gelingen.
Als wesentliche Entwicklungsaufgabe in diesem gesamten Prozess ist die Festlegung der
endgültigen sexuellen Organisation anzusehen (vgl. Beier, Bosinski & Loewit, 2005). In dem
Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren entfaltet sich die
individuelle sexuelle Präferenzstruktur, die sowohl die sexuelle Orientierung als auch das
bevorzugte Körperschema und die bevorzugte sexuelle Praktik beinhaltet. Zudem festigt sich das
sexuelle Selbstkonzept, das seine endgültige Form im Erwachsenenalter erhält. Die Integration
des Sexuellen in die Persönlichkeit und die Erfahrungen, Sexualität partnerbezogen zu leben, sind
die Determinanten des sexuellen Selbstkonzepts. Dieser Prozess führt zu einer Integration der
bisherigen psycho- und soziosexuellen Entwicklungen in „den neuen Kontext der physischsexuellen Möglichkeiten― (Beier, Bosinski & Loewit, 2005, S. 113). Die Verunsicherungen, die
mit dieser Entwicklung in der Adoleszenz einhergehen, können nicht nur zu sexuell auffälligem
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oder übergriffigem Verhalten führen, sondern sind vor allem in der Behandlung dieser
problematischen Verhaltensweisen entsprechend zu berücksichtigen.
In den nun folgenden Abschnitten werden empirische Befunde zu in der Kindheit und Jugend
häufig gezeigten sexuellen Verhaltensweisen dargestellt.
Befragt man Eltern oder Erzieher nach dem Pornografiekonsum von Kindern (unter 14 Jahren), so
wird für Kinder mit sexuell übergriffigem Verhalten (n = 42) berichtet, dass diese in 67% der
Fälle bereits Pornografie konsumiert haben. In einer Gruppe von ausschließlich aggressiv
auffälligen Kindern (n = 30) wurde in 37% der Fälle und bei Schulkindern (n = 42) ohne bekannte
Verhaltensauffälligkeiten immerhin in 7% der Fälle die Nutzung pornografischen Materials
berichtet (Elsner & König, 2010). Auch hier ist davon auszugehen, dass nicht alle Kinder ihren
Eltern oder Erziehern offen erzählt haben, dass sie bereits pornografisches Material konsumiert
haben, so dass insbesondere in den Gruppen der aggressiv auffälligen Kinder und Schulkinder der
Pornografiekonsum vermutlich unterschätzt wird.
In einer europaweiten Befragung von N = 23.420 Kindern und Jugendlichen im Alter von 9 bis 16
Jahren berichten insgesamt 14% (6% der 9- bis 10-Jährigen; 9% der 11- bis 12-Jährigen; 17% der
13- bis 14-Jährigen und 24% der 15- bis 16-Jährigen), dass sie in den letzten 12 Monaten Bilder
oder Filme mit sexuellen Inhalten im Internet gesehen haben (Livingstone et al., 2010). Eltern
wussten lediglich in 35% der Fälle von dem Pornografiekonsum ihrer Kinder. Von den Kindern
und Jugendlichen, die pornografisches Material im Internet gesehen hatten, gaben 36% an, durch
die Darstellungen belastet zu sein. Davon konnten 62% die Belastung direkt überwinden, 31%
dachten noch einige Tage über die Inhalte nach, 6% einige Wochen und 2% einige Monate. Die
Ergebnisse von Livingstone et al. (2010) sind in etwa vergleichbar mit den Befunden von
Friedrich et al. (1998). Hier zeigte sich ebenfalls, dass rund 11 bis 15% der 10- bis 12-jährigen
Jungen versuchen, Nacktaufnahmen von Erwachsenen in Zeitschriften oder TV zu betrachten.
In einer retrospektiven Befragung erfassten Larsson und Svedin (2002) bei Oberstufenschülern (n
= 127 männliche Probanden; n = 147 weibliche Probanden) autoerotische, einvernehmliche und
sexuell übergriffige Erfahrungen vor ihrem 13. Lebensjahr. 81% der Jungen und 84% der
Mädchen berichteten von einvernehmlichen sexuellen Erfahrungen vor ihrem 13. Lebensjahr, und
13% der Stichprobe berichtete von selbst erlebten sexuellen Übergriffen in ihrer Kindheit.
Bemerkenswert ist, dass 85% der Befragten angaben, über die sexuellen Erlebnisse mit
niemandem gesprochen zu haben. Die große Mehrheit der Probanden (74%) sah sexuelle
Erfahrungen in der Kindheit als einen „normalen― Teil ihrer Entwicklung an.
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Auch in einer für die Bundesrepublik repräsentativen Wiederholungsbefragung von weiblichen (n
= 1.456) und männlichen (n = 1.354) deutschen Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren zum
Thema Jugendsexualität (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2010) zeigte sich, dass
64% der 14-jährigen, 77% der 15-jährigen, 89% der 16-jährigen und 92% der 17-jährigen
männlichen Jugendlichen bereits erste partnergerichtete sexuelle Erfahrungen gesammelt haben.
Sexuelle Erfahrungen mit Brustpetting (z.B. Streicheln der Brust eines Mädchens) wurden von
26% der 14-jährigen, 44% der 15-jährigen, 61% der 16-jährigen und 76% der 17-jährigen
männlichen Jugendlichen berichtet. Genitale passive oder aktive Pettingerfahrungen berichteten
12% der 14-jährigen, 27 bis 30% der 15-jährigen, 40 bis 46% der 16-jährigen und 65 bis 68% der
17-jährigen männlichen Jugendlichen. Erste Erfahrungen mit genitalem Geschlechtsverkehr
wurden von 4% der 14-jährigen, 17% der 15-jährigen, 34% der 16-jährigen und 65% der 17jährigen männlichen Jugendlichen berichtet. In Abbildung 1 wird das Alter beim ersten
Geschlechtsverkehr der deutschen 17-jährigen sexuell erfahrenen Jugendlichen dargestellt.
Abbildung 1
Bemerkung: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010).
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In etwas über der Hälfte der Fälle wurde der erste Geschlechtsverkehr mit einer festen Freundin
vollzogen und in etwas über einem Drittel der Fälle waren die Beteiligten gut oder nur flüchtig
bekannt. Etwa jeder zehnte Jugendliche hatte ein schlechtes Gewissen oder hat den ersten
Geschlechtsverkehr als unangenehm erlebt. Die große Mehrheit der männlichen Jugendlichen
(etwa 90%) erzählte ihren Eltern oder Geschwistern nichts über ihr „erstes Mal―. Allerdings
sprachen 57% mit Freunden über die Erfahrung.
Die
Ergebnisse
der
entwicklungspsychologischer
vorangegangenen
Befunde
legen
Studien
nahe,
und
dass
die
sexuelles
Zusammenfassung
Neugier-
und
Explorationsverhalten im Kindes- und Jugendalter keine Ausnahme ist, sondern als ein für die
Entwicklung partnerschaftlicher und intimer Beziehungen wichtiger Bestandteil angesehen
werden muss. Empirische Belege für einen Kausalzusammenhang zwischen Pornografiekonsum
und/oder Doktorspielen im Kindes- und Jugendalter und sexuell devianten Einstellungen oder
Verhaltensweisen liegen bisher nicht vor. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass ein überwiegend
im Internet stattfindender vermehrter Pornografiekonsum die sexuelle Entwicklung von Kindern
und Jugendlichen (z.B. sexuelle Skripte und Rollenvorbilder) beeinflussen kann (Beier & Loewit,
2011). Im Kindes- und Jugendalter sind sexuelle Verhaltensweisen — wie z.B. Küssen,
Masturbation, Petting, Pornografiekonsum und/oder genitaler Geschlechtsverkehr — keine
Ausnahme, sondern für einen Großteil der Menschen bestimmend für die Entwicklung einer
eigenen sexuellen Identität.
2.2 Die Verbreitung sexuell übergriffigen Verhaltens im Kindes- und Jugendalter
In den folgenden Abschnitten werden nationale und internationale Befunde aus dem Hell- und
Dunkelfeld zur Verbreitung sexueller Übergriffe durch Kinder und Jugendliche dargestellt. Wie
bereits diskutiert, erfolgt in vielen Untersuchungen keine an den Normen des deutschen
Strafgesetzbuches orientierte altersspezifische Differenzierung zwischen Kindern (unter 14
Jahren), Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahren) und Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahren), so
dass eine Aufschlüsselung der empirischen Befunde hinsichtlich des Alters nicht immer möglich
war. Ein weiteres methodisches Problem besteht darin, dass empirische Befunde zur Prävalenz
sexueller Übergriffe im Kindes- und Jugendalter in Abhängigkeit von der Datenquelle (z.B.
Kriminalstatistiken, Opfer- oder Täterbefragungen im Dunkelfeld, retrospektive Befragungen
Erwachsener etc.) deutlich variieren können. Interkulturelle Abweichungen zwischen den
Rechtssystemen, der polizeilichen Ermittlungstätigkeit, den Altersgrenzen für die Strafmündigkeit
S e i t e | 17
und den sozialen Rahmenbedingungen stellen eine direkte Übertragung internationaler Befunde
zur Prävalenz von sexuellen Übergriffen durch Kinder und Jugendliche auf den deutschsprachigen
Raum in Frage (Harrendorf, Heiskanen & Malby, 2010).
Die Bestimmung der „wahren― Jahres- oder Lebenszeitprävalenz, Opfer sexueller Übergriffe zu
werden oder sexuell übergriffiges Verhalten in Kindheit oder Jugend zu zeigen, ist aus den
angeführten methodischen Gründen nicht möglich. Kriminologisch-forensische Befunde aus dem
Hell- und Dunkelfeld müssen vorsichtig interpretiert werden. Eine unkritische Übertragung oder
Generalisierung einzelner empirischer Befunde auf andere Bezugspopulationen ist aus
methodischer Sicht daher unzulässig.
2.2.1 Nationale und internationale Erkenntnisse aus dem Hell- und Dunkelfeld
Dissoziales und normverletzendes Verhalten ist in der großen Mehrheit der Fälle auf das Kindesund Jugendalter beschränkt und stellt ein ubiquitäres Phänomen dar. Nur eine Minderheit setzt ihr
delinquentes oder normverletzendes Verhalten im Erwachsenenalter fort (Moffit, 1993). Dies gilt
ebenso für Kinder und Jugendliche, die sexuell übergriffiges Verhalten zeigen (Caldwell, 2002;
Letourneau & Miner, 2005). Aus entwicklungspsychologischer Sicht zeichnen sich Kinder und
Jugendliche dadurch aus, dass sie nur begrenzt die Perspektiven Erwachsener übernehmen
können, dass sie empfänglich für die Sichtweisen und Einflüsse Gleichaltriger sind, dass sie
Gruppendruck oft nachgeben, dass spontane Handlungsimpulse ausgelebt werden, und dass sie
eher bereit sind, Risiken einzugehen (Steinberg & Scott, 2003). Kurzum, normkonforme sowie
delinquente Verhaltensweisen in Kindheit und Jugend lassen sich nicht linear bis in das
Erwachsenalter fortschreiben, da sie auf einem noch unausgereiften Urteilsvermögen basieren.
Ein nicht genau zu beziffernder Teil sexuell-/delinquenter Kinder und Jugendlicher kommt im
Laufe ihrer Entwicklung einmalig oder mehrfach mit
heterogenen Hilfs- und/oder
Sanktionssystemen — z.B. öffentliche und freie Einrichtungen der Jugendhilfe, kinder/jugendpsychiatrische Kliniken, Jugendgerichte, Schulpsychologischer Dienst, Jugendämter,
Polizei, Maßregel-/Justizvollzug, fachspezifische Beratungsstellen etc. — in Berührung und wird
auf ebenso heterogene Weise statistisch erfasst.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS; Bundeskriminalamt, 2011) ist hinsichtlich der Altersund Straftatendifferenzierung die detailreichste und bekannteste kriminologische Hellfeldstatistik
der Bundesrepublik. Bei Betrachtung aller registrierten Straftaten im Hellfeld weisen die
S e i t e | 18
absoluten Tatverdächtigenzahlen2 der PKS in den letzten 10 Jahren für männliche Kinder,
Jugendliche und Heranwachsende einen deutlichen Rückgang von -17% bis -37% auf. Die
Tatverdächtigenzahlen für Erwachsenen sind dagegen weitgehend konstant (-2%) geblieben. Die
PKS erfasste im Berichtsjahr 2010 insgesamt 65.386 Kinder (2000: 103.497), 161.685
Jugendliche (2000: 220.328), 167.177 Heranwachsende (2000: 200.835) und 1.211.313
Erwachsene (2000: 1.232.740) als Tatverdächtige.
Ein gegenteiliges Bild ergibt sich hinsichtlich der polizeilich registrierten Tatverdächtigenzahlen
bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Diese machen für das Berichtsjahr 2010 etwa
2% (N = 31.793) aller polizeilich registrierten Tatverdächtigen (N = 1.605.561) aus. In den letzten
10
Jahren
sind
die
Tatverdächtigenzahlen
für
männliche
Kinder,
Jugendliche
und
Heranwachsende bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung massiv um +34% bis +43%
angestiegen, wohingegen bei erwachsenen Tatverdächtigen ein relativ geringer Anstieg von +9%
zu verzeichnen ist. Für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasste die PKS im
Berichtsjahr 2010 insgesamt 1.252 Kinder (2000: 908), 3.803 Jugendliche (2000: 2.654), 2.537
Heranwachsende (2000: 1.896) und 24.201 Erwachsene (2000: 23.601). Kinder, Jugendliche und
Heranwachsende machen somit etwa ein Viertel aller polizeilich ermittelten Tatverdächtigen im
Bereich der Sexualdelinquenz aus (s. Abbildung 2). Im Vergleich zum Bevölkerungsanteil —
etwa ein Sechstel der männlichen Wohnbevölkerung ist zwischen 8 und unter 21 Jahre (vgl.
Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2011) — treten Minderjährige (8 bis unter 18
Jahren) und Heranwachsende (18 bis unter 21 Jahren) damit überproportional häufig im
polizeilich registrierten Hellfeld mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in
Erscheinung.
2
Die Tatverdächtigenzahlen unterscheiden sich deutlich von der in der PKS registrierten Anzahl der Straftaten. Diese
liegen um ein Vielfaches höher, da ein und derselbe Tatverdächtige wegen mehrerer Straftaten innerhalb eines
Berichtsjahres verdächtigt werden kann.
S e i t e | 19
Abbildung 2
Bemerkung: Prozentuale Verteilung der männlichen Tatverdächtigenzahlen ab 8 Jahren für das
gesamte Bundesgebiet; Straftatengegen die sexuelle Selbstbestimmung, Schlüssel 100000 gem.
PKS 2010. (Bundeskriminalamt, 2011).
Mit
Hilfe
der
PKS
können
jedoch
nur
begrenzte
Aussagen
über
die
„wahre―
Kriminalitätsbelastung oder deren Veränderung getroffen werden. Die polizeilich registrierte
Kriminalität des Hellfeldes lässt keine Rückschlüsse auf das Dunkelfeld zu. Die PKS ist von einer
Vielzahl von Faktoren abhängig, z.B. dem Anzeigeverhalten der Bevölkerung, dem Umfang der
polizeilichen Ermittlungstätigkeit, dem Erlassen neuer Strafgesetze, Strafrechtsänderungen und
der Bevölkerungsentwicklung. Die in der PKS dargestellten Tatverdächtigenbelastungszahlen
(TVBZ) bezeichnen die Anzahl der durch die Polizei ermittelten deutschen Tatverdächtigen,
errechnet auf 100.000 Einwohner des entsprechenden Bevölkerungsanteiles eines Kalenderjahres.
Im Gegensatz zu den in der PKS veröffentlichten absoluten Häufigkeiten bilden die TVBZ
altersspezifische Unterschiede im Hellfeld besser ab, da zumindest die Altersstruktur der
Bevölkerung berücksichtigt wird. Alle anderen methodischen Einschränkungen gelten letztendlich
auch für die TVBZ. Im Gegensatz zu den absoluten Tatverdächtigenzahlen der PKS werden die
TVBZ nur für die deutsche Wohnbevölkerung bestimmt.
In den letzten 10 Jahren ist auch für die TVBZ bezüglich der insgesamt durch die Polizei
registrierten Kriminalität ein deutlicher Rückgang der tatverdächtigen deutschen männlichen
Kinder (-24%), Jugendlichen (-16%) und Heranwachsenden (-13%) zu beobachten. Die TVBZ für
Erwachsene (+2%) blieb dagegen weitgehend konstant. Im Vergleich zu Erwachsenen wurden im
Berichtsjahr 2010 Jugendliche und Heranwachsende etwa dreimal häufiger polizeilich registriert.
S e i t e | 20
Dagegen wurden Kinder (TVBZ: 2.364) im Vergleich zu Erwachsenen (TVBZ: 3.211) etwas
seltener bei der Polizei angezeigt.
Konträr zu den rückläufigen Zahlen der polizeilich registrierten generellen Kriminalität ist bei
Betrachtung der TVBZ für sexuellen Missbrauch insbesondere für Kinder, Jugendliche und
Heranwachsende, ein drastischer Anstieg seit 1993 zu verzeichnen (s. Abbildung 3). Für
erwachsene Tatverdächtige ist die TVBZ in den letzten beiden Jahrzehnten weitgehend konstant
geblieben.
Abbildung 3
Bemerkung: Tatverdächtigenbelastungszahlen der männlichen Deutschen ab 8 Jahren für das
gesamte Bundesgebiet; sexueller Missbrauch gem. §§ 176, 176a, 176b, 179, 182, 183, 183a StGB.
(Bundeskriminalamt, 2011).
Betrachtet man die unterschiedlichen Altersgruppen, zeigen die TVBZ für sexuellen Missbrauch,
dass im Vergleich zu Erwachsenen Kinder von 8 bis unter 14 Jahren etwa genauso häufig und
Jugendliche von 14 bis unter 18 Jahren etwa dreimal so häufig bei der Polizei angezeigt werden
(s. Abbildung 4). Es scheint demnach ein Entwicklungsfenster (etwa vom 12. bis zum 18.
Lebensjahr) zu geben, in welchem die Vulnerabilität für sexuell übergriffiges Verhalten und
Sexualstraftaten im Vergleich zu späteren Lebensabschnitten deutlich erhöht ist. Über die letzten
zwei Jahrzehnte scheint sich dieses Entwicklungsfenster im Hellfeld immer deutlicher
S e i t e | 21
auszuprägen (s. Abbildung 3), wobei Kinder in den Jahren 2009 und 2010 erstmalig nahezu
identische TVBZ aufweisen wie Erwachsene. Da es sich bei der PKS nicht um Längsschnittdaten
handelt, sollten diese Befunde ebenfalls nur vorsichtig interpretiert werden.
Abbildung 4
Bemerkung: Tatverdächtigenbelastungszahlen der männlichen Deutschen ab 8 Jahren für das
gesamte Bundesgebiet; sexueller Missbrauch gem. §§ 176, 176a, 176b, 179, 182, 183, 183a StGB.
(Bundeskriminalamt, 2011).
An dieser Stelle sei nochmals hervorgehoben, dass die registrierte Kriminalität der PKS nur eine
eingeschränkte Aussagekraft hat, da sie — neben vielen anderen methodischen Problemen — vor
allem von der Anzeigebereitschaft der Opfer sexueller Missbrauchshandlungen abhängt. Nach
einer Repräsentativbefragung (N = 20.000 Schüler) durch Baier (2008) ist die Anzeigebereitschaft
von Minderjährigen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, von 1998 (10%) bis 2000 (17%) um
etwa +77% gestiegen. Man kann also die Vermutung äußern, dass sich der Anstieg der im
Hellfeld registrierten sexuellen Missbrauchshandlungen durch Minderjährige zu einem nicht
unerheblichen Teil durch die gestiegene Anzeigebereitschaft der Opfer erklären lässt (Egg, 2008).
Seit
über
100
Jahren
liefert
die
vom
Statistischen
Bundesamt
veröffentlichte
Strafverfolgungsstatistik (StVSt; Statistisches Bundesamt, 2010a) Angaben über von deutschen
Gerichten rechtskräftig abgeurteilte und verurteilte Personen. Erfasst werden alle von ordentlichen
Gerichten Abgeurteilte, die sich wegen Verbrechen oder Vergehen nach dem Strafgesetzbuch
oder nach anderen Bundesgesetzen bzw. wegen Vergehen nach Landesgesetzen verantworten
mussten. Ordnungswidrigkeiten sowie strafunmündige Kinder (unter 14 Jahren) werden in der
S e i t e | 22
Strafverfolgungsstatistik nicht berücksichtigt. Abgeurteilte sind laut StVSt Angeklagte, gegen die
Strafbefehle erlassen wurden bzw. Strafverfahren eingeleitet wurden, die durch Urteil oder
Einstellungsbeschluss rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Somit setzt sich die Zahl der
Abgeurteilten aus Verurteilten und aus Angeklagten zusammen, gegen die andere Entscheidungen
(z.B. Einstellung des Strafverfahrens, Freispruch, Anordnung von Maßregeln der Besserung und
Sicherung) getroffen wurden. Verurteilte sind Angeklagte, gegen die Freiheitsstrafen, Strafarrest
oder Geldstrafen verhängt worden sind oder die nach Jugendstrafrecht mit Jugendstrafe,
Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßregeln geahndet wurden. Begeht eine Person mehrere Straftaten
in einem Berichtsjahr, die in mehreren Verfahren abgeurteilt werden, wird die Person für jedes
Verfahren gesondert gezählt. Ein Verurteilter wird nur einmal gezählt, wenn eine Verurteilung
wegen mehrerer Strafvorschriften erfolgt. Das Delikt mit der am schwersten bedrohten Strafe geht
in die StVSt ein.
Laut StVSt wurden im Jahr 2009 insgesamt 9.704 männliche Angeklagte wegen Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184e StGB) abgeurteilt (s. Abbildung 5). Dies
entspricht etwa 1% aller abgeurteilten männlichen Angeklagten (N = 677.322; ohne
Verkehrsdelikte).
Abbildung 5
Bemerkung: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gem. §§ 174 bis 184e StGB
(Strafverfolgungsstatistik; Statistisches Bundesamt, 2010a).
S e i t e | 23
Wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden im Jahr 2009 laut StVSt 81% (n =
7.879; davon Erwachsene 86%, n = 6.796; Heranwachsende 6%, n = 485; Jugendliche 7%, n =
558)
aller
männlichen
Angeklagten
(N
=
9.704)
verurteilt.
Betrachtet
man
die
Abgeurteiltenbelastungszahlen (ABZ) und die Verurteiltenbelastungszahlen (VBZ) wird deutlich,
dass auf 100.000 strafmündige Jugendliche und Heranwachsende der Wohnbevölkerung deutlich
mehr Aburteilungen und Verurteilungen entfallen als auf Erwachsene (s. Abbildung 6; für
detailliertere Analysen zur Entwicklung der Sanktionspraxis und methodischen Problemen der
StVSt, s. Heinz, 2010), wobei die Differenz zwischen den ABZ und VBZ für Erwachsene
geringer ausfällt als für Jugendliche und Heranwachsende.
Abbildung 6
Bemerkung: ABZ = Abgeurteiltenbelastungszahl der strafmündigen männlichen Bevölkerung;
VBZ = Verurteiltenbelastungszahl der strafmündigen männlichen Bevölkerung; Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung gem. §§ 174 bis 184e StGB (Strafverfolgungsstatistik;
Statistisches Bundesamt, 2010a).
S e i t e | 24
Demnach gehören insbesondere Jugendliche und Heranwachsende von 14 bis unter 21 Jahren zu
der Bevölkerungsgruppe, die am ehesten damit rechnen muss wegen Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung verurteilt zu werden.
Die Strafvollzugsstatistik (StVollz; Statistisches Bundesamt, 2010b) erfasst die Struktur der
Strafgefangenen (Alter, Geschlecht, Art der Straftat usw.) im Freiheits- und Jugendstrafvollzug
sowie der Sicherungsverwahrung. Allen Stichtagsergebnissen (Erhebung jeweils zum 31.03. eines
Berichtsjahres) der Strafvollzugsstatistik wohnt eine methodisch bedingte Verzerrung inne: Die zu
kurzzeitigen Strafen verurteilten Strafgefangenen sind im Vergleich zu den langzeitig
Einsitzenden unterrepräsentiert. Je kürzer die Freiheits- bzw. Jugendstrafe ist, desto geringer ist
die Wahrscheinlichkeit, in die jährlich nur einmal durchgeführte Stichtagserhebung einbezogen zu
werden. Dieser Umstand hat insofern Einfluss auf die Ergebnisse, als in den meisten Fällen die
Strukturdaten (z.B. Altersgruppe, Art der Straftat, Zahl der Vorstrafen) bei den kurzzeitig
Inhaftierten anders sein können als bei den langzeitig Einsitzenden. Laut Stichtagserhebung der
StVollz vom 31.03.2010 verbüßten im Strafvollzug insgesamt N = 3.990 männliche
Strafgefangene eine Freiheits- oder Jugendstrafe aufgrund von Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung (gm. §§ 174 bis 184g). Eine Jugendstrafe verbüßten davon n = 31 Jugendliche
von 14 bis unter 18 Jahren, n = 96 Heranwachsende von 18 bis unter 21 Jahren und n = 100
Heranwachsende über 21 Jahre. Weitere n = 274 erwachsene Personen (alle 30 Jahre und älter)
befanden sich in der Sicherungsverwahrung. Fasst man alle männlichen Strafgefangenen und
Sicherungsverwahrte, die wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt
wurden, zusammen (N = 4.264), so liegt der prozentuale Anteil der Jugendlichen (14 bis unter 18
Jahren) bei 0,7% und der Anteil der Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahren) bei 2,3%. Sexuelle
Übergriffe bzw. Sexualdelikte von Jugendlichen und Heranwachsenden werden demnach eher
selten mit freiheitsentziehenden Maßnahmen im Strafvollzug geahndet. Für eine bundesweite
Liste aller Jugendstrafanstalten s. Anhang.
Die Maßregelvollzugsstatistik (MRVSt; Statistisches Bundesamt, 2010c) beinhaltet Personen,
gegen die aufgrund einer Straftat eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63
StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet wurde. In die Erhebung sind auch
Unterbringungen nach Bestimmungen wie etwa § 93a JGG, die auf die entsprechenden
Vorschriften des StGB verweisen, mit einbezogen. Die Unterbringung erfolgt in Anstalten
außerhalb des Justizvollzugs, die meist der Sozial- oder Gesundheitsverwaltung der Länder
zugeordnet sind. Berichtspflichtig für die Statistik sind die Leiter der jeweiligen Einrichtungen.
Im Jahr 2010 waren laut Stichtagserhebung (31.03.2010) der MRVSt insgesamt N = 849
männliche Personen unter 25 Jahren aufgrund strafrichterlicher Anordnung in einem
S e i t e | 25
psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt untergebracht. Eine Differenzierung
hinsichtlich Alter und Straftaten ist der MRVSt nicht zu entnehmen. Nach Weissbeck und Günter
(2010) verfügen derzeit 10 Einrichtungen über ein spezialisiertes Angebot für Jugendliche und
Heranwachsende im Maßregelvollzug (s. Anhang), wobei sich zwei der forensischen Standorte
noch im Aufbau befinden. Eine klare Trennung zwischen jugendlichen und erwachsenen
Patienten im
Maßregelvollzug fand 2006
in drei Bundesländern statt.
Laut
einer
Basisdatenerhebung waren 2007 bundesweit insgesamt n = 39 männliche Jugendliche wegen
eines Sexualdelikts im Maßregelvollzug untergebracht, was mehr als einem Drittel aller
jugendlichen Patienten (N = 100) entsprach (Weissbeck & Günter, 2010). Betrachtet man die
absoluten Zahlen der Straf- und Maßregelvollzugsstatistik, so befanden sich in den Jahren 2007
bis 2010 rund N ≈ 80 Jugendliche aufgrund von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
in einem geschlossenen Setting (MRV und JVA).
Ein Großteil sexuell übergriffiger Kinder und Jugendlicher wird vermutlich nie polizeilich
angezeigt oder strafrechtlich verfolgt, erhält aber dennoch entsprechend des Kinder- und
Jugendhilfegesetzes (KJHG) erzieherische Hilfen. Laut den Statistiken der Kinder- und
Jugendhilfe (Statistisches Bundesamt, 2011) begannen im Berichtsjahr 2009 insgesamt N =
223.784 männliche Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) eine Hilfsmaßnahme bei einem
öffentlichen (n = 75.570) oder freien (n = 148.214) Träger der Jugendhilfe. Einer Heimerziehung
oder sonstiger betreuter Wohnform (gem. § 34 SGB VIII) wurden insgesamt N = 16.471
männliche Kinder und Jugendliche zugeführt. Als Hauptgründe für eine entsprechende
Hilfegewährung wurden am häufigsten (n = 3.184) „Auffälligkeiten im sozialen Verhalten
(dissoziales Verhalten), wie z.B. Geschwisterrivalität, Weglaufen, Aggressivität, Drogen/Alkoholkonsum, Delinquenz/Straftaten, Gehemmtheit, Isolation)―, gefolgt von (n = 2.777)
„Eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern/Sorgeberechtigten― und (n = 2.322)
„Gefährdung des Kindeswohls― benannt (s. Abbildung 7).
S e i t e | 26
Abbildung 7
Bemerkung: N = 16.471 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren; Statistiken der Kinder- und
Jugendhilfe (Statistisches Bundesamt, 2011).
Erzieherische Hilfen (gem. § 34 SGB VIII) für männliche Kinder und Jugendliche wurden in 41%
(n = 6.736) der Fälle durch Soziale Dienste (z.B. Jugendamt), in 35% (n = 5.724) durch
Sorgeberechtigte (z.B. Eltern) und in 10% (n = 1.696) durch den Minderjährigen selbst angeregt.
Lediglich in 3% (n = 570) der Fällen waren Gerichte, Staatsanwaltschaften und die Polizei für die
Anregung der Hilfe verantwortlich. Die Kinder- und Jugendhilfestatistik (Statistisches
Bundesamt, 2011) weist unter den Aufnahmegründen der erzieherischen Hilfe „sexuelle
Übergriffigkeit― nicht dezidiert aus. Man kann nur vermuten, dass ein Teil der wegen dissozialen
Verhaltens untergebrachten männlichen Kinder und Jugendlichen — n = 6.354 (inkl. 2. u. 3.
Grund) — auch oder wegen sexueller Übergriffe eine erzieherische Hilfe (gem. § 34 SGB VIII)
gewährt wurde. Nach einer ersten bundesweiten Schätzung verfügen fachspezifische
Einrichtungen über etwa 700 bis 1.000 Plätze für sexuell übergriffige Minderjährige (s. Kapitel
3.1).
Im Gegensatz zu der dramatischen Zunahme der polizeilich registrierten Straftaten gegen die
sexuelle
Selbstbestimmung
durch
Kinder
und
Jugendliche
weisen
US-amerikanische
repräsentative Opferbefragungen seit den frühen 1990ern einen deutlichen Rückgang (-40 bis -
S e i t e | 27
70%) für sexuelle Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend auf (Finkelhor & Jones, 2006).
Auch in den Jahren zwischen 2003 (N = 2.030; 2 bis 12 Jahre) und 2008 (N = 4.046; 2 bis 12
Jahre) zeigte sich hinsichtlich sexueller Übergriffe durch Peers eine signifikante Reduktion (50%) der Jahresprävalenz von 1,2% auf 0,6% (p < .05) in US-amerikanischen Dunkelfeldstudien
(Finkelhor et al., 2010).
Die US-amerikanischen Zahlen zur Jahresprävalenz sexueller Gewalterfahrungen sind
vergleichbar mit einer Schülerbefragung (N = 44.610) von Baier et al. (2009). Hier berichtete
insgesamt 1% der befragten Jugendlichen (1,8% der Mädchen und 0,4% der Jungen) in den
letzten 12 Monaten sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Als Täter sexueller Gewalthandlungen
(Jahresprävalenz) klassifizierten sich 1,5% der weiblichen und männlichen Jugendlichen und
0,7% beschrieben sich als Mehrfachtäter (mind. 5 sexuelle Übergriffe). Je nach Schulform gibt es
geringfügige Unterschiede hinsichtlich der eingeräumten sexuellen Gewalthandlungen (12Monatsprävalenzen: Gymnasium 0,9%; Gesamtschule 1,9%; Realschule 1,5%; Hauptschule 1,9%;
Förderschule 2,7%). Bei einer geschlechtsspezifischen Betrachtung räumten 0,3% der Mädchen
und 2,6% der Jungen ein, in den letzten 12 Monaten sexuelle Gewalthandlungen begangen zu
haben. Demnach begingen Jungen etwa 9-mal häufiger sexuelle Übergriffe im Dunkelfeld als
Mädchen. Hier zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zur PKS, in der männliche Jugendliche im
Vergleich zu weiblichen Jugendlichen etwa 30-mal häufiger wegen Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung angezeigt werden.
Nach den Befunden der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010) berichten 13% der
deutschen und 19% der Mädchen mit Migrationshintergrund, zu sexuellen Handlungen gedrängt
worden zu sein3. Bei den deutschen Jungen waren es lediglich 1% und bei Jungen mit
Migrationshintergrund 3%. Für Mädchen deutscher Nationalität wird tendenziell seit 1998 (16%)
bis 2009 (13%) eine Reduktion (-19%) der Opfererfahrung berichtet. Sexuell erfahrene deutsche
Mädchen (n = 125) haben ein mehr als doppelt so hohes Risiko (22%), zu sexuellen Handlungen
gedrängt worden zu sein als sexuell unerfahrene deutsche Mädchen (9%; n = 83). Hinsichtlich des
Täterkreises benannten deutsche sexuell erfahrene Mädchen (n = 125), in 11% der Fälle ihre (Ex)Partner, in 6% der Fälle einen Mitschüler/Freund/Arbeitskollegen, in 6% der Fälle eine neue
Bekanntschaft, in 3% der Fälle einen unbekannten Mann/Jungen und in 1% der Fälle einen Mann,
von dem sie abhängig waren. Nach Angaben der deutschen sexuell erfahrenen Mädchen (n = 125;
Mehrfachnennung möglich) kam es in 23% der Fälle zu „Zärtlichkeiten― (z.B. Küssen oder
Petting), in 24% der Fälle zu Geschlechtsverkehr, in 9% der Fälle zu anderen sexuellen
3
Hat ein Junge oder ein Mann schon einmal versucht, Sie gegen Ihren Willen zu Sex oder Zärtlichkeiten zu bringen,
indem er Sie unter Druck gesetzt hat?
S e i t e | 28
Handlungen, und in 50% der Fälle konnte die sexuelle Handlung abgewehrt werden. Bei
deutschen sexuell unerfahrenen Mädchen (n = 83; Mehrfachnennung möglich) kam es in 42% der
Fälle zu „Zärtlichkeiten― (z.B. Küssen oder Petting), in 0% der Fälle zum Geschlechtsverkehr, in
6% der Fälle zu anderen sexuellen Handlungen und in 47% der Fälle konnte die sexuelle
Handlung abgewehrt werden. Eine Altersdifferenzierung der männlichen Täter fand nicht statt.
Man kann nur vermuten, dass es sich bei einem beträchtlichen Teil um männliche Jugendliche
(z.B. Partner oder Mitschüler) handelte. Sexuelle Übergriffe durch Mädchen oder Frauen blieben
in der Befragung unberücksichtigt. Aufgrund der geringen Fallzahl der männlichen Opfer (1 bis
3%) fehlen Angaben zu Merkmalen der Täter. Entgegen dem generell rückläufigen Trend
sexueller Übergriffe scheint es Mädchen heute jedoch schwerer zu fallen, diese erfolgreich
abzuwehren (2009: 50% vs. 2001: 65%).
Als mögliche generelle Faktoren für den Rückgang von Viktimisierungserfahrungen in Kindheit
und Jugend seit den 1990ern nennen Finkelhor und Jones (2006): Die zunehmende Verbreitung
hormoneller Kontrazeptiva („Antibabypille―), den wachsenden ökonomischen Wohlstand, den
Ausbau des psycho-sozialen Versorgungssystems und die Fortschritte der Psychopharmakologie.
Die Autoren betonen, dass die Kausalzusammenhänge zwischen den genannten Faktoren und der
Häufigkeit von Viktimisierungserfahrungen bisher unzureichend erforscht sind. Welche psychosozialen Faktoren speziell sexuelle Übergriffigkeit durch Kinder und Jugendliche beeinflussen, ist
ebenfalls ungewiss.
Regelmäßige,
repräsentative
und
nach
einer
einheitlichen
Systematik
durchgeführte
Dunkelfeldbefragungen liegen für die Bundesrepublik nicht vor. Daher sind Aussagen über
historische Entwicklungen und Trends zur Jahresprävalenz sexueller Missbrauchshandlungen und
-erfahrungen derzeit nicht möglich. Es kann vermutet werden, dass die von Finkelhor und Jones
(2006) beschriebenen Faktoren auch in Deutschland zu einem generellen Rückgang sexueller
Übergriffe und Missbrauchshandlungen an Kindern und Jugendlichen im Dunkelfeld geführt
haben (vgl. Wetzels, 1997; Egg, 2008; Baier et al., 2009; BZgA, 2010; Bieneck, Stadler &
Pfeiffer, 2011). Aufgrund der aktuellen spärlichen Datenlage entzieht sich diese Vermutung
jedoch einer empirischen Überprüfung.
S e i t e | 29
2.3 Charakteristika von sexuellen Übergriffen durch Minderjährige
2.3.1 Sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche
In der Entwicklungsgeschichte sexuell übergriffiger Kinder und Jugendlicher finden sich
verschiedene Faktoren und Auffälligkeiten, die das sexuelle Problemverhalten möglicherweise
begünstigen.
Derzeit
existieren
im
Wesentlichen
drei
multifaktorielle
theoretische
Erklärungsansätze zu Entstehungsbedingungen von Sexualdelinquenz. Marshall und Barbaree
(1990) gehen davon aus, dass Sexualstraftäter im Vergleich zu anderen Straftätern in ihrer
Kindheit mehr psychische, physische und sexuelle Gewalt erleiden mussten, Defizite in sozialen
Fertigkeiten aufweisen, Probleme in der Selbstregulation zeigen und sexuelle Erregung
hinsichtlich Kindern oder gewaltsamen Sexualpraktiken verspüren. Hall und Hirschman (1992)
identifizierten vier Faktoren, die Sexualdelinquenz erklären sollen: Persönlichkeitsprobleme,
Auffälligkeiten im Bereich der affektiven Regulation, deliktfördernde Kognitionen (Gedanken)
oder Überzeugungen, eine sexuelle Ansprechbarkeit für Kinder oder gewalttätige sexuelle
Handlungen. Ward und Beech (2005) integrierten in ihren Erklärungsansatz neben den bereits
genannten Faktoren auch Makrofaktoren, wie z.B. einen evolutionären Selektionsdruck,
soziokulturelle Einflüsse und individuelle genetische Prädispositionen.
Seto und Lalumière (2010) untersuchen in ihrer aktuellen Meta-Analyse (k = 59 Studien),
inwiefern sich sexuell übergriffige Minderjährige (n = 3.855) von Minderjährigen mit einer
generellen Delinquenzproblematik (n = 13.393) in den theoretisch abgeleiteten und anderen
Merkmalen unterscheiden. Keine signifikanten Unterschiede ergaben sich in Bezug auf
deliktfördernde Kognitionen oder Überzeugungen, Kommunikationsprobleme innerhalb der
Familie, Eltern-Kind-Bindung, körperliche Gewalterfahrungen, soziale Kompetenz und
Fertigkeiten,
altersentsprechende
sexuelle
Erfahrungen,
kognitive
Defizite
(i.S.
einer
Intelligenzminderung), Alter bei erster Straftat, Störungen des Sozialverhaltens, dissoziale
Persönlichkeitseigenschaften, Delinquenz innerhalb der Familie, Alkohol-/Drogenprobleme
innerhalb der Familie, Fähigkeit heterosexuelle Beziehungen zu Peers (Gleichaltrigen)
aufzubauen, Alter beim ersten sexuellen Kontakt, generelle psychopathologische Auffälligkeiten,
Depressivität, Neurotizismus (emotionale Labilität), psychotische Symptome, Suizidalität,
neurologische Auffälligkeiten so wie Leugnen oder mangelnde Verantwortungsübernahme. Dies
bedeutet nicht, dass sexuell übergriffige Minderjährige in den genannten Merkmalen keine
Auffälligkeiten aufweisen. Die Auffälligkeiten sind jedoch nicht stärker oder schwächer
ausgeprägt als bei Minderjährigen mit einer generellen Delinquenzproblematik. Tabelle 1 fasst die
S e i t e | 30
Merkmale zusammen, in denen sich signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen
ergaben. Negative Effektstärken (d) stehen für eine signifikant geringere Ausprägung des
jeweiligen Merkmals bei sexuell übergriffigen Minderjährigen im Vergleich zu Minderjährigen
mit einer generellen Delinquenzproblematik und positive Effektstärken für eine entsprechend
stärkere Ausprägung des jeweiligen Merkmals.
Tabelle 1
Studienzahl
Anzahl sexuell
übergriffige
Minderjährige
Anzahl der
Minderjährigen mit
genereller Delinquenz
Effektstärke
Konfidenzintervall
(k)
(n)
(n)
(d)
(95% CI)
Vorstrafenbelastung
17
1.772
9.483
-0.54
-0.68 bis -0.40
Kontakte zu delinquenten Peers
8
535
708
-0.45
-0.71 bis -0.19
Alkohol-/Drogenmissbrauch
20
1.289
3.336
-0.38
-0.52 bis -0.24
Sexuelle Missbrauchserfahrung
31
1.894
2.449
0.62
0.46 bis 0.77
Beobachten sexueller Gewalt in
der Familie
4
327
292
0.24
0.01 bis 0.46
Emotionale Vernachlässigung
11
562
709
0.28
0.05 bis 0.50
Soziale Isolation/Introversion
16
872
1.019
0.25
0.04 bis 0.46
8
332
270
0.27
0.05 bis 0.49
8
1.135
3.937
0.67
0.28 bis 1.06
12
528
670
0.28
0.16 bis 0.40
Merkmal
Beobachten sexueller Handlungen
bei Anderen oder
Pornographiekonsum
Atypische sexuelle
Interessen/Aktivitäten
Ängstlichkeit/Soziale Ängste
Niedriger Selbstwert
7
336
385
0.24
0.02 bis 0.46
Lernbehinderung
15
1.378
4.789
0.19
0.06 bis 0.32
Schulische Leistung
11
714
948
-0.12
-0.22 bis -0.02
Bemerkung: vgl. Seto & Lalumière (2010); nach Cohen (1992) sind Effektstärken (d) ≤ .20 als
gering, Effektstärken um die .50 als moderat und Effektstärken ≥ .80 als stark zu bezeichnen.
Signifikanzen (p) und mittlere Effektstärken (d) für sich genommen, haben nur eine geringe
Aussagekraft. Bei der Interpretation von Effektstärken ist auch die Unsicherheit der Effekte (i.S.
95% CI) zu berücksichtigen. Des Weiteren benötigt die Beurteilung der praktischen Relevanz von
Effektstärken einen Referenzwert. In der psychologischen Forschung wird häufig eine Studie von
Rosnow & Rosenthal (1989) herangezogen, die die prophylaktische Wirkung von Aspirin auf das
Herzinfarktrisiko an einer Experimentalgruppe von N = 11.037 und einer Placebogruppe von N =
11.034 Probanden untersuchte. Die gefundene Effektstärke betrug d = 0.07 (p < .00001) und wird
allgemein als ein geringer Effekt bezeichnet. Nimmt man Rosnow und Rosenthal‘s (1989)
gefundene Effektstärke (d = 0.07) als Referenzwert, so zeigen sich für die Merkmale
„Vorstrafenbelastung―, „Kontakte zu delinquenten Peers―, „Alkohol-/Drogenmissbrauch―,
S e i t e | 31
„sexuelle
Missbrauchserfahrung―,
„atypische
sexuelle
Interessen/Aktivitäten 4―
und
„Ängstlichkeit/soziale Ängste― Effektstärken, die signifikant über der prophylaktischen Wirkung
von Aspirin auf das Herzinfarktrisiko liegen. Dies bedeutet nicht, dass die von Seto und
Lalumière (2010) gefundenen signifikanten Unterschiede zwischen sexuell übergriffigen
Minderjährigen und Minderjährigen mit einer generellen Delinquenzproblematik keine praktische
Relevanz haben. Es zeigt aber, dass höhere Fallzahlen erhoben werden müssen, um Effekte mit
einer hinreichenden statistischen Teststärke (Power) nachweisen zu können. Dementsprechend
müssen die Befunde von Seto und Lalumière (2010) derzeit noch als vorläufig angesehen werden.
Sie können aber als wichtiger Hinweis für weitere Forschungsbedarfe dienen.
Fasst man die relativ robusten empirischen Befunde zusammen, so weisen sexuell übergriffige
Minderjährige im Vergleich zu Minderjährigen mit einer generellen Delinquenzproblematik eine
geringere Vorstrafenbelastung auf, sie haben weniger Kontakte zu delinquenten Peers, sie fallen
seltener
durch
Alkohol-/Drogenmissbrauch
auf,
sie
haben
häufiger
sexuelle
Missbrauchserfahrungen erlitten und sie zeigen ein höheres Maß an Ängstlichkeit und sozialer
Unsicherheit. In der großen Mehrheit der untersuchten Merkmalsbereiche ergaben sich keine
substantiellen Unterschiede, so dass einige Autoren (z.B. Chaffin & Bonner, 1998; Chaffin et al.,
2006; DiCataldo, 2009) die Trennung zwischen sexuell übergriffigen Minderjährigen und
Minderjährigen mit einer generellen Delinquenzproblematik als eine „künstliche― Trennung
ansehen.
2.3.2 Betroffene Kinder und Jugendliche
Je
nach
Stichprobenselektion
(z.B.
klinische
Stichproben
vs.
Stichproben
aus
der
Allgemeinbevölkerung), Definition von sexuellem Missbrauch (z.B. nur extrafamiliärer
Missbrauch) und methodischem Vorgehen (z.B. retrospektive Befragung zur Lebenszeitprävalenz
vs. Jahresprävalenz) liegen die Zahlen der betroffenen Mädchen und Jungen zwischen 3% und
76% (Finkelhor, 1994). Ein direkter Vergleich von Studienergebnissen ist aufgrund methodischer
Unterschiede daher meist nicht möglich.
4
Seto und Lalumière (2010) merken an, dass die gefundenen Gruppenunterschiede hinsichtlich atypischer sexueller
Interessen und Aktivitäten einer gewissen Tautologie unterliegen. Das Einräumen sexueller Übergriffe wurde in den
gefundenen Studien häufig als Merkmal für deviante oder atypische sexuelle Interessen gewertet. Die Autoren weisen
daher auf die Notwendigkeit von Studien hin, die atypische sexuelle Interessen und Aktivitäten jenseits der sexuellen
Übergriffigkeit selbst untersuchen (z.B. gesteigerte Masturbationsfrequenz, Sexualität als Coping-Strategie etc.).
S e i t e | 32
Die Gesellschaft für Konsumforschung5 (GfK) führte kürzlich im Auftrag des Kriminologischen
Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) anhand einer Quotenstichprobe (N = 11.428) eine für
die Bundesrepublik Deutschland repräsentative Befragung zum Thema sexueller Missbrauch
durch (Bieneck, Stadler & Pfeiffer, 2011). Die Altersrange der Befragten wurde im Vorfeld auf 16
bis 40 Jahre festgelegt. Die Formulierung der Items entsprach der Vorläuferstudie aus dem Jahre
1992 (Wetzels, 1997; N =3.289), um eine Vergleichbarkeit der erhobenen Daten zu gewährleisten.
Insgesamt zeigt sich ein deutlicher Rückgang der berichteten sexuellen Missbrauchserfahrungen
von etwa -20% bis -50% im Vergleich zur Erhebung von Wertzels (1997).
Tabelle 2
Sexueller Missbrauch
mit Körperkontakt
1992
2011
Frauen
8,6%
6,4%
Exhibitionismus
Männer
2,8%
1,3%
Frauen
8,9%
5,7%
Männer
2,9%
1,4%
Bemerkung: Sexuelle Missbrauchserfahrungen mit und ohne Körperkontakt (Exhibitionismus)
nach Bieneck, Stadler & Pfeiffer, (2011; S. 25-26).
Bei sexuellem Missbrauch mit Körperkontakt sind die Täter am häufigsten bekannte männliche
Personen (bei männlichen Betroffenen 25,3% und bei weiblichen 44,0%) und männliche
Familienangehörige (bei männlichen Betroffenen 44,4% und bei weiblichen 39,6%). Sexueller
Missbrauch mit Körperkontakt findet in den meisten Fällen entweder in der Wohnung des Opfers
oder Täters statt (Bieneck, Stadler & Pfeiffer, 2011). Die Befunde von Bieneck, Stadler und
Pfeiffer (2011) sind vergleichbar mit den Ergebnissen einer ebenfalls für Deutschland
repräsentativen Erhebung (N = 2.504) durch Häuser et al. (2011). Dort berichteten 6,3% der
Befragten über geringe/mäßige, 4,3% über mäßig/schwere und 1,9% über schwere/extreme
sexuelle Missbrauchserfahrungen in der Kindheit.6
Die Wiederholung der Dunkelfeldbefragung von Wetzels (1997) durch Bieneck, Stadler und
Pfeiffer (2011) ist als Ganzes sehr zu begrüßen. Opfererfahrungen durch sexuelle Übergriffe von
Kindern und/oder Sexualstraftaten von Jugendlichen werden aufgrund der Formulierung der
Fragen („ … mindestens fünf Jahre ältere Person―) jedoch ausgeklammert. Wenn man bedenkt,
dass Minderjährige im Hellfeld etwa 16% (s. Kapitel 2.2) und im Dunkelfeld etwa ein Drittel aller
5
Genaue Angaben, durch wen (z.B. studentische Interviewer), wie (z.B. mit Hilfe einer
Aufwandsentschädigung) und wo (z.B. Straßenbefragung) die GfK die Probanden rekrutierte, sind dem
Forschungsbericht des KFN nicht zu entnehmen. Die Probandenanzahl (N) für einzelne Subgruppen wird leider
nicht durchgängig in den Tabellen angegeben, sodass sich Konfidenzintervalle für die gefundenen Prozentzahlen
nur schwer bestimmen lassen.
6
Die Erhebung erfolgte mit Hilfe des Childhood Trauma Questionnaire (CTQ).
S e i t e | 33
Tatverdächtigen ausmachen (z.B. Deegener, 1999; Snyder & Sickmund, 1999), so handelt es sich
um
eine
nicht
zu
vernachlässigende
Gruppe.
Auch
Jugendliche
in
Heimen
oder
psychiatrischen/heilpädagogischen Einrichtungen blieben unberücksichtigt. Problematisch daran
ist, dass es sich um Populationen handelt, die besonders häufig unter psychischen, physischen und
sexuellen Missbrauchserfahrungen (vgl. Kindler & Schmidt-Ndasi, 2011) leiden und ebenso einen
Teil der deutschen Gesellschaft abbilden. Repräsentative Daten zu Opfermerkmalen von sexuellen
Übergriffen durch Kinder und Jugendliche liegen für Deutschland nicht vor.
In Tabelle 3 werden daher Opfermerkmale des US-amerikanischen National Incident-Based
Reporting System (NIBRS) dargestellt (vgl. Finkelhor, Ormrod & Chaffin, 2009). NIBRS besteht
neben der US-amerikanischen Kriminalstatistik (UCR) und erfasst so genannte „Class A―
Straftaten, wie beispielsweise Sexualdelikte, detaillierter (s. Tabelle 3). Eine vergleichbare
Statistik wäre aus forensisch-kriminologischer Sicht für die Bundesrepublik Deutschland
wünschenswert.
Tabelle 3
Sexuell übergriffige Minderjährige
Merkmal
Weibliche Täter
Herkunft des jüngsten Opfers
Familie
Bekannte
Fremde
Opfer ist auch Täter gewesen
Unbekannt
Ort des sexuellen Übergriffs
Private Wohnung / Haus
Schule
Öffentliches Gebäude
Öffentliche Plätze
Unbekannt
Opfergeschlecht (jüngstes Opfer)
Weiblich
Männlich
Alter des jüngsten Opfers in Jahren
0-6
7-10
11-14
15-17
Art des schwerwiegendsten sexuellen Übergriffs
Vergewaltigung
Penetration (engl. Sodomy)
Penetration mit Objekten
Begrapschen (engl. Fondling)
Nicht gewalttätiger Übergriff
< 12 Jahre
N = 2.104
≥ 12 Jahre
N = 11.367
14,6%
5,9%
31,6%
56.0%
1,6%
1,0%
9,7%
23,8%
64,5%
2,7%
0,8%
8,2%
73,0%
10,8%
2,9%
5,0%
8,2%
68,1%
12,1%
4,0%
7,4%
8,3%
63,4%
36,6%
80,1%
19,9%
57,1%
31,2%
10,9%
0,8%
21,0%
15,5%
43,2%
10,5%
11,0%
15,4%
7,2%
61,3%
5,1%
26,4%
11,9%
4,2%
47,2%
10,5%
S e i t e | 34
Körperlicher Schaden
keiner
gering
gravierend
Tageszeit des sexuellen Übergriffs
Morgens
Nachmittags
Abends
Nachts
88,8%
9,6%
1,6%
86,9%
10,6%
2,5%
28,9%
45,6%
22,7%
2,8%
26,3%
42,5%
25,7%
5,6%
Bemerkung: vgl. Finkelhor, Ormrod & Chaffin, 2009; Nicht gewalttätiger Übergriff (nonforcible
sex offense) wird definiert als ―unlawful, nonforcible sexual intercourse‖ mit einem nicht
einwilligungsfähigen Opfer (z.B. Kinder). Eine direkte Übertragung der Begrifflichkeiten auf den
deutschsprachigen Raum ist aufgrund kulturspezifischer Unterschiede der rechtlichen
Definitionen und Rahmenbedingungen nicht möglich (s. Kapitel 1.2).
Fasst man die Ergebnisse von Finkelhor, Ormrod und Chaffin (2009) zusammen, zeigt sich, dass
auch sexuell übergriffige Minderjährige überwiegend bekannte Opfer wählen, wobei der Anteil
der innerfamiliären Opfer etwa ein Drittel bis ein Viertel beträgt. Dies weist auf die Problematik
des Geschwisterinzests hin, die in der Forschung bisher relativ wenig Beachtung gefunden hat
(vgl. Klees, 2008). Der Anteil weiblicher Täterinnen scheint bei jungen sexuell übergriffigen
Minderjährigen (14,6%) deutlich höher zu sein als bei erwachsenen Tätern (5,4%) und auch der
Anteil männlicher Opfer (19,9 bis 36,6%) ist im Vergleich zu erwachsenen Tätern (13,4%) höher
(Finkelhor, Ormrod & Chaffin, 2009). Hinsichtlich der Tatorte (bis auf Schulen) gibt es kaum
Unterschiede zu erwachsenen Tätern; die große Mehrheit sexueller Übergriffe unter
Minderjährigen findet ebenfalls in privaten Räumlichkeiten statt. Sexuelle Übergriffe durch
Minderjährige sind in etwa der Hälfte der Fälle als „unsittliche Berührungen (Begrapschen)― zu
bewerten und ein Viertel bis ein Drittel fällt in die Kategorie „Vergewaltigung/Penetration―. Die
Mehrheit sexueller Übergriffe unter Minderjährigen findet — ähnlich wie bei erwachsenen Tätern
(37,3%) — am Nachmittag statt. Der Anteil fremder Opfer ist mit ca. 2 bis 5% sowohl bei sexuell
übergriffigen Minderjährigen als auch bei erwachsenen Tätern eher gering. Ältere sexuell
übergriffige Minderjährige wählen etwa zur Hälfte Opfer von 11 bis 17 Jahren. Die große
Mehrheit der Opfer jüngerer sexuell übergriffiger Minderjähriger ist unter 10 Jahre alt.
Die in Tabelle 3 dargestellten US-amerikanischen Befunde zu Opfer- und Tätermerkmalen sexuell
übergriffiger Minderjähriger zeigen, dass es einige Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede
zwischen jüngeren und älteren sexuell übergriffigen Minderjährigen gibt. Dies ist ein wichtiger
Hinweis darauf, dass es sich bei sexuell übergriffigen Minderjährigen nicht um eine homogene
Gruppe handelt, sondern es deutliche altersspezifische Unterschiede gibt, die es im Rahmen der
Prävalenz- und Behandlungsforschung zu berücksichtigen gilt. Daher sind Studiendesigns mit
einer breiten Altersspanne (z.B. unter 21-Jährige) zu vermeiden, da sie ein unnötiges Maß an
S e i t e | 35
Varianz zur Folge haben, was die Interpretation und Generalisierbarkeit empirischer Befunde
erschwert.
2.3.3 Gefährlichkeit und Risiken sexuell übergriffiger Kinder und Jungendlicher
In der Praxis — insbesondere bei Kindern und Jugendlichen — ist die Prognose delinquenten
Verhaltens im Einzelfall eine der schwierigsten Aufgaben, da sie eine Vielzahl von
Determinanten
beinhaltet,
die
in
einen
prospektiven
wahrscheinlichkeitstheoretischen
Zusammenhang gestellt werden müssen. Im Alltag treffen Menschen jedoch nur selten
Entscheidungen auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitstheorien, im Gegenteil: „ … man is
not a conservative Bayesian: he is not Bayesian at all.― (Kahneman, Slovic & Tversky, 1982; S.
46).
Die Gefährlichkeit und/oder Behandlungsnotwendigkeit sexuell übergriffiger Minderjähriger wird
häufig aus dem Befund abgeleitet, dass 40 bis 60% der erwachsenen Sexualstraftäter berichten,
bereits in der Kindheit oder Jugend Auffälligkeiten in ihrer sexuellen Entwicklung oder sexuell
übergriffiges Verhalten gezeigt haben (z.B. Longo & Groth, 1983; Abel, Osborne & Twigg,
1993). Der Umkehrschluss, dass 40 bis 60% der Kinder und Jugendlichen mit sexuellen
Verhaltensauffälligkeiten
bzw.
sexuell
übergriffigem
Verhalten
gefährdet
sind,
im
Erwachsenenalter erneut Sexualstraftaten zu begehen, ist aus erkenntnistheoretischer Sicht jedoch
unzulässig (Kahneman, Slovic & Tversky, 1982). Retrospektive Wahrscheinlichkeiten —
erwachsene Straftäter berichten rückblickend über sexuelles Problemverhalten in ihrer Kindheit
oder Jugend — lassen sich nicht in prospektive Wahrscheinlichkeiten umkehren.
Keine der in den vorangegangenen Kapiteln diskutierten Zahlen sagt etwas darüber aus, wie hoch
die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein sexuell übergriffiger Minderjähriger erneut sexuell
übergriffiges Verhalten zeigt oder als Erwachsener Sexualstraftaten begeht. Um empirisch
begründete Aussagen über die Wahrscheinlichkeit zukünftigen Verhaltens treffen zu können,
bedarf es prospektiver Längsschnittdaten. Tabelle 4 gibt einen Überblick über die Rückfälligkeit
sexuell übergriffiger Kinder, Jugendlicher und Heranwachsender (vgl. Quenzer, 2010; S. 79-81).
Einschlägige Rückfälligkeit umfasst erneute Sexualdelinquenz, und allgemeine Rückfälligkeit
bezieht sich auf Delikte, die nicht dem Bereich der Sexualdelinquenz zuzuordnen sind.
S e i t e | 36
Tabelle 4
Studie
N
Alter in
Jahren
Katamnese in
Monaten
Rückfallkriterium
einschlägig
rückfällig
allgemein
rückfällig
Alexander (1999)
1.025
< 18
6-60
Anklage
7%
k.A.
Atecheson & Williams
(1954)
116
12 - 16
12
Anklage
3%
41%
Auslander (1998)
124
M = 15
34,3
Verhaftung
8%
63%
Becker (1990)
52
13 - 18
12
Selbstangabe
10%
k.A.
Borduin et al. (1990)
16
M = 14
36
Verhaftung
43%
37%
Boyd (1994)
73
13 - 16
34,3
Verurteilung
11%
k.A.
Brannon & Troyer
(1995)
36
14 - 19
48
Verhaftung
3%
17%
Bremer (1992)
193
14 - 16
48
Verurteilung
8%
k.A.
Caldwell (2007)
184
M = 17
60
Anklage
7%
74%
Caldwell (2010)
11.219
M = 15
59
Verhaftung/Verurteilung
7%
43%
< 18. Lj.
13%
Dahle et al. (2008)
451
14-21
98
polizeiliche Registrierung
k.A.
18. – 21. Lj.
20%
Doshay (1943)
108
k.A.
108
Inhaftierung
11%
40%
Elkovitch et al. (2008)
166
M = 15
M = 80
Anklage
8%
10%
Elsner & König (2010)
53
< 14
M = 19
Angaben der Behandler
23%
60%
Elz (2003)
48
< 21
72
Verurteilung
23%
98%
Gretton et al. (2001)
220
12 - 18
55
Anklage/Verurteilung
15%
51%
Hagan & Cho (1996)
100
12 - 19
24 - 60
Verurteilung
9%
46%
Hagan & Gust-Brey
(1999)
50
12 - 19
60 und
120
Verurteilung
8% und
16%
74% und
90%
Hagan et al. (2001)
100
12 - 19
96
Verurteilung
18%
k.A.
Hagan et al. (1994)
50
12 - 19
24
Verurteilung
10%
58%
Hecker et al. (2002)
54
M = 16
120 - 144
Verurteilung
11%
k.A.
Kahn & Chambers
(1991)
221
8 - 18
20
Verurteilung
8%
45%
Kahn & Lafond (1988)
350
M = 14
36
Verurteilung
9%
17%
Kennedy & Hume
(1998)
114
10 - 17
34,3
Anklage
4%
k.A.
Lab et al. (1993)
152
M = 14
12 - 36
Verurteilung
3%
19%
Långström (2002)
117
15 - 20
115
Verurteilung
30%
79%
Långström & Grann
(2000)
46
15 - 20
60
Verurteilung
20%
65%
Mazur & Michael
(1992)
10
13 - 17
6
Angaben Elter/Eigene
Angaben
0%
k.A.
McCann & Lussier
(2008)
3.189
6 -20
60
Verurteilung/Anklage
12%
53%
Milloy (1994)
59
M = 16,5
36
Verurteilung
2%
44%
S e i t e | 37
Miner et al. (1997)
96
M = 18
19,3
Anklage
8%
36%
Miner (2002)
86
M = 17,2
50
Verhaftung
8%
55%
Inhaftierung
9%
Nisbet et al. (2004)
303
M = 16
87
Verurteilung
5%
k.A.
Nowara & Pierschke
(2008)
137
< 21
M = 24
Angaben der Täter
4%
41%
Parks & Bard (2006)
156
M = 14
max. 134
Inhaftierung
6%
k.A.
Prentky et al. (2000)
75
9 -20
12
Anklage
4%
11%
Rasmussen (1999)
170
M = 14
60
Verurteilung
14%
58%
Rubinstein et al. (1993)
19
M = 15
96
Verurteilung
37%
89%
Anklage
12%
51%
Schram et al. (1991)
197
M = 14
60
Verurteilung
10%
48%
Sipe et al. (1998)
124
11 - 18
72
Verhaftung
10%
33%
Skowron (2004)
110
12 - 19
47
Anklage
35%
62%
Smets & Cebula (1987)
21
13 - 18
36
Anklage
5%
k.A.
Smith & Monastersky
(1986)
112
10 - 16
28
Anklage
14%
33%
Steiger & Dizon (1991)
105
< 21
78
Verurteilung
11%
69%
Vandiver (2006)
300
10 - 16
36 - 72
Inhaftierung
4%
53%
Waite et al. (2005)
256
M = 18
61
Anklage
5%
k.A.
Worling (2001)
112
12 - 19
24 - 120
Anklage
11%
46%
Worling & Curwen
(2000)
148
12 - 19
72
Anklage
5%
21%
Bemerkung: Die Tabelle wurde aus Quenzer (2010; S. 79-81) leicht modifiziert übernommen.
Ergänzend wurden einige Studien hinzugefügt und eine Literaturangabe korrigiert. N = Anzahl
der Probanden; M = Mittelwert; k.A. = keine Angaben.
Die mittlere ungewichtete7 einschlägige Rückfälligkeit (Sexualdelinquenz) liegt bei 11% (95%
CI 8 – 14%; k = 48) und die mittlere ungewichtete allgemeine Rückfälligkeit liegt bei 49%
(95% CI 41 – 56%; k = 35). Sexuell übergriffige Minderjährige begehen demnach etwa viermal
häufiger allgemeine Delikte — also nicht dem Bereich der Sexualdelinquenz zuzuordnende
Delinquenz — als Sexualdelikte. Nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand tritt demnach
nur eine Minderheit (etwa 10%) der sexuell übergriffigen Kinder und Jugendlichen als
Heranwachsende oder Erwachsene mit Sexualstraftaten in Erscheinung. Ferner scheinen sich
sexuell übergriffige Minderjährige nicht hinsichtlich des Risikos für erneutes sexuell übergriffiges
Verhalten oder Sexualstraftaten im Erwachsenenalter von Minderjährigen zu unterscheiden, die
durch aggressive oder andere delinquente Verhaltensweisen auffällig geworden sind. Auch in
dieser Gruppe traten etwa 10% mit Sexualdelikten im Erwachsenenalter in Erscheinung (z.B.
7
Die Stichprobengröße wurde bei Bestimmung des Mittelwerts nicht berücksichtigt, so dass jede Studie unabhängig
von ihrem Stichprobenumfang mit gleichem Gewicht zum Mittelwert beitrug.
S e i t e | 38
Rubenstein et al., 1993; Caldwell, 2007). Sexuell übergriffige Minderjährige haben jedoch — wie
auch Minderjährige mit einer generellen Delinquenzproblematik — ein deutlich erhöhtes Risiko,
im Erwachsenenalter mit Straftaten in Erscheinung zu treten, die nicht der Kategorie
Sexualdelinquenz zuzuordnen sind. Es sei nochmals auf die generellen erkenntnistheoretischen
und methodischen Probleme im Bereich der forensisch-kriminologischen Forschung hingewiesen
(s. Kapitel 1.2). Aufgrund der relativ geringen Basisraten von Sexualdelikten ist es daher bis heute
nicht möglich, für sexuell übergriffige Minderjährige valide prospektive Aussagen über die
Rückfälligkeit mit Sexualdelinquenz zu treffen (Vitacco et al., 2009). Zudem fehlen bislang
belastbare Erkenntnisse darüber, welche Risikofaktoren für diese Altersgruppen relevant sind
(Worling & Långström, 2006). Für sexuell übergriffige Minderjährige weisen derzeit weder
standardisierte Risikoprognoseinstrumente (Quenzer, 2010) noch klinische Einschätzungen
(Vitacco et al., 2009; Elkovitch et al., 2008; Righthand et al., 2005) eine hinreichende Validität
für Einzelfallentscheidungen auf. Ferner fehlt es an repräsentativen deutschen Normdaten.
Worling und Långström (2006) fassen dennoch einige Faktoren zusammen, die mit erneuten
sexuellen Übergriffen bei Minderjährigen assoziiert sein können (s. Abbildung 8). Zu bedenken
ist, dass keiner der Faktoren, für sich genommen und auch nicht die Summe einzelner Faktoren,
eine individuelle Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit vorhersagen. Es handelt sich lediglich um
eine Liste von Punkten, die im Rahmen einer multimodalen Eingangsdiagnostik und biografischen
Anamnese mit berücksichtigt werden sollten (s. Kapitel 4.4).
Abbildung 8
S e i t e | 39
Bei risikoprognostischen Beurteilungen von Kindern und Jugendlichen kommt erschwerend
hinzu, dass substanzielle Entwicklungsphasen noch ausstehen, d.h., dass weder kognitivemotionale noch körperliche Reifungsprozesse als abgeschlossen angesehen werden können. Wie
diese Entwicklungsphasen im Einzelfall durchlaufen werden, ist abhängig von individuellen
Ressourcen und Lernerfahrungen sowie dem konkreten Lebensumfeld. Risikoprognosen müssen
daher gerade bei Kindern und Jugendlichen multimodal erfolgen, d.h. auch unter
Berücksichtigung der zu erwartenden Lebensumstände. Aufgrund ausstehender Reifungsprozesse
sollten Risikoprognosen einen prospektiven Zeitraum von 6 Monaten nicht überschreiten. Die
hohe Variabilität von Entwicklungsverläufen bei Adoleszenten mag neben den relativ geringen
Basisraten von Sexualdelinquenz eine mögliche Ursache für die geringe Validität von
forensischen Risikoprognosen im Kindes- und Jungendalter sein.
2.3.4 Befunde zur Wirksamkeit der Behandlung sexuell übergriffiger Minderjähriger
Die empirischen Befunde zur Wirksamkeit der Sexualstraftäterbehandlung (i.S. der Reduktion des
einschlägigen Rückfallrisikos) sind widersprüchlich. Aktuelle Meta-Analysen (Hanson et al.,
2009; Hanson et al., 2002; Lösel & Schmucker, 2005) zeigen, dass behandelte Sexualstraftäter ein
um -27 bis -43% geringeres einschlägiges Rückfallrisiko aufweisen als unbehandelte
Sexualstraftäter. Hinsichtlich der Rückfallraten von Straftätern zeigen einige Reviews (Borduin,
Schaeffer & Heiblum, 2009; Hanson, Broom & Stephenson, 2004) und Studien mit hoher
methodischer Qualität entweder keinerlei (Marques et al., 2005) oder auch negative
Behandlungseffekte, die zu einer Erhöhung der Rückfälligkeit führen können (z.B. Lowenkamp,
Latessa & Holsinger, 2006). Eine Ursache hierfür ist die relativ hohe Anzahl von
Sexualstraftätern, die Behandlung vorzeitig abbrechen (etwa 15 bis 85%; Olver & Wong, 2009).
Sexualstraftäter die Behandlung abbrechen, haben im Vergleich zu Sexualstraftätern, die
Behandlung beenden ein deutlich höheres Rückfallrisiko (z.B. Larochelle et al., 2011; Hanson et
al., 2002). Die Wirksamkeit der Behandlung sexuell übergriffiger Minderjähriger (i.S. der
Reduktion einer einschlägigen Rückfälligkeit) ist kaum untersucht. Nach einem Review von
Lipsey und Cullen (2007) können rehabilitative Interventionsmaßnahmen für delinquente
Jugendliche und Heranwachsende die generelle Rückfälligkeit um etwa -20% reduzieren.
Eine Meta-Analyse von Reitzel und Carbonell (2006; N = 2.986; Anzahl der Studien k = 9)
untersuchte die Effektivität der spezifischen Behandlung sexuell übergriffiger Minderjähriger und
Heranwachsender (Alter 7 bis 20 Jahre) im Vergleich zu einer unspezifischen und keiner
Behandlung. Es zeigten sich in allen Studien positive Behandlungseffekte hinsichtlich der
S e i t e | 40
einschlägigen
Rückfälligkeit
(Katamnesedauer
8
bis
84
Monate)
für
spezifische
Behandlungsprogramme. Die Autoren merken jedoch an, dass die gefundenen Effekte einer hohen
Varianz unterliegen und vorsichtig zu interpretieren sind, da z.B. häufig Therapieabbrecher aus
der Behandlungsgruppe ausgeschlossen wurden und Behandlungs- oder Vergleichsgruppen sich
hinsichtlich relevanter Probandenmerkmale
erheblich unterschieden.
Die
einschlägigen
Rückfallraten mit Sexualdelikten lagen nach spezifischen Behandlungsmaßnahmen zwischen 1
und 13%, nach unspezifischen Behandlungsmaßnahmen zwischen 2 und 75% und nach keinerlei
Behandlung zwischen 2 und 14%.
Es liegen demnach keine methodisch adäquaten Studien vor, die die Effektivität der Behandlung
(i.S. der Reduktion der einschlägigen Rückfälligkeit) sexuell übergriffiger Minderjähriger
nachweisen. Für Deutschland finden sich lediglich zwei Evaluationsstudien zur Wirksamkeit der
Behandlung sexuell übergriffiger Minderjähriger und Heranwachsender (Nowara & Pierschke,
2005; Elsner & König, 2010). Beide Studien weisen jedoch methodische Mängel auf, die ihre
Aussagekraft einschränken.
Bei Nowara und Pierschke (2005) wurden 1,8% (n = 2) der n = 109 Probanden einschlägig
rückfällig, die die Behandlungsmaßnahme beendeten und 14,3% (n = 4) der n = 28 Probanden, die
die Maßnahme vorzeitig abgebrochen haben. Nicht-einschlägige Rückfälle berichteten 38,9% (n =
42) der „Beender― und 48,3% (n = 14) der „Abbrecher―. Der Katamnesezeitraum betrug im Mittel
24 Monate und Rückfälligkeit wurde durch Selbstauskunft der Probanden erfragt. Aus
methodischer Sicht ist es problematisch Probanden, die eine Behandlung vorzeitig abbrechen, als
Kontroll- oder Vergleichsgruppe zu wählen (s. Kapitel 4.1), da diese ebenfalls zur Population der
behandelten Probanden zu zählen sind. Nach den Befunden von Nowara und Pierschke (2005)
lassen sich keine Aussagen darüber treffen, ob behandelte sexuell übergriffige Minderjährige ein
niedrigeres, gleiches oder höheres einschlägiges Rückfallrisiko haben als Unbehandelte. Ferner
umfasste die untersuchte Stichprobe nicht nur Minderjährige, sondern auch Heranwachsende bis
21 Jahre.
In der Studie von Elsner und König (2010) wurde die Behandlung von sexuell
(Experimentalgruppe) und aggressiv übergriffigen strafunmündigen Jungen (Vergleichsgruppe)
prospektiv evaluiert. Die Abbruchquoten sexuell (35%) und aggressiv (41%) übergriffiger Jungen
unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Auch hinsichtlich besonderer Vorkommnisse
(z.B. Entweichungen, Alkohol-/Drogenkonsum, körperliche Angriffe gegen andere Kinder etc.)
ergaben sich keine Gruppenunterschiede. Insbesondere bei der Betrachtung sexuell übergriffigen
Verhaltens zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Rund
S e i t e | 41
23% (n = 12) der sexuell übergriffigen (n = 53) und 6% (n = 2) der aggressiv übergriffigen Jungen
(n = 32) zeigten sexuell übergriffiges Verhalten während der Behandlungsmaßnahmen (Dauer ≈ 2
Jahre). Im Hinblick auf sexuell übergriffiges Verhalten in der Gruppe der sexuell übergriffigen
Jungen ist anzumerken, dass es sich zumindest in zwei Fällen um offensichtlich einvernehmliche
sexuelle Kontakte zwischen zwei Teilnehmern einer Ferienfreizeit gehandelt hat, welche jedoch
als Regelverstoß und damit als sexuell übergriffiges Verhalten durch die Einrichtung bewertet
wurden.
Trotz
vorhandener
altershomogener
Vergleichsgruppe
unterliegt
auch
diese
Untersuchung methodischen Einschränkungen. Es konnten nur sexuelle Übergriffe erfasst
werden, die während der Behandlung durch Betreuer angegeben wurden, so dass auch diese
Ergebnisse keine validen Rückschlüsse auf die Wirksamkeit einer fachspezifischen Behandlung
sexuell übergriffiger Kinder zulassen.
Zusammenfassend liegen bis heute keine validen Befunde vor, die die Wirksamkeit von
spezifischen deliktorientierten Behandlungsmaßnahmen (i.S. der Reduktion des einschlägigen
Rückfallrisikos) für sexuell übergriffige Minderjährige belegen. Zu bedenken ist, dass
Behandlungsmaßnahmen ihre Wirksamkeit auch in anderen für die sexuell übergriffigen Kinder
und Jugendlichen wichtigen Lebensbereichen (z.B. Steigerung des Selbstwertes, schulische
Leistungen etc.) entfalten können, aber auch hier ist die Datenlage widersprüchlich (vgl. Nowara
& Pierschke, 2005; Elsner & König, 2010).
2.4 Zusammenfassung des aktuellen empirischen Wissensstands
Unter Berücksichtigung genereller erkenntnistheoretischer und methodischer Probleme der
kriminologisch-forensischen Forschung (s. Kapitel 1.2) lassen sich folgende, relativ robusten
wissenschaftliche Befunde zusammenfassend festhalten:
Die Zahl der polizeilich registrierten sexuell übergriffigen männlichen Minderjährigen hat
sich im letzten Jahrzehnt vervielfacht.
Männliche Minderjährige treten im Vergleich zur Altersgruppe der Erwachsenen sowohl
im Hell- als auch im Dunkelfeld häufiger mit sexuellen Übergriffen beziehungsweise
Sexualdelikten in Erscheinung.
Der im Hellfeld beobachtete Anstieg von sexuell übergriffigen Minderjährigen
Tatverdächtigen, lässt sich im Dunkelfeld nicht nachweisen. Es gibt im Gegenteil
Hinweise darauf, dass sexuelle Übergriffe unter Minderjährigen im Dunkelfeld eher
rückläufig sind.
S e i t e | 42
Nur
eine
Minderheit
sexuell
übergriffiger
Jugendlicher
wird
aufgrund
von
Sexualstraftaten dem Justiz- oder Maßregelvollzug zugeführt. Ein weitaus größerer Teil
befindet sich in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Mädchen werden häufiger Opfer sexueller Übergriffe durch Peers (Gleichaltrige) als
Jungen. Bei sexuell übergriffigen Kindern (unter 14 Jahren) scheint der Anteil männlicher
Opfer jedoch größer zu sein.
Kinder und Jugendliche, die bereits psychische oder physische Opfererfahrung erleiden
mussten, haben ein höheres Risiko, auch Opfer sexueller Übergriffigkeit zu werden.
Die große Mehrheit sexuell übergriffiger Minderjähriger wählt ihnen bekannte Opfer.
Kleinkinder (unter 6 Jahren) scheinen weniger häufig Opfer sexueller Übergriffe zu sein
als ältere Kinder oder Jugendliche.
Nur eine Minderheit (≈ 10%) sexuell übergriffiger Minderjähriger begeht im
Erwachsenenalter im Hellfeld erneut Sexualdelikte. Die Rückfälligkeit mit anderen
Delikten ist jedoch um ein Vielfaches höher.
Das Risiko für Sexualdelikte im Erwachsenenalter ist für Minderjährige mit einer
generellen Delinquenzproblematik nicht geringer als bei sexuell übergriffigen
Minderjährigen.
Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen sexuell übergriffigen
Minderjährigen und Minderjährigen, die durch andere delinquente Verhaltensweisen
aufgefallen sind. In beiden Gruppen finden sich ähnliche soziale und psychische
Belastungsfaktoren.
Eine statistisch valide einschlägige Risikoprognose für sexuell übergriffige Minderjährige
lässt sich derzeit weder mit klinischen Methoden noch mit standardisierten
Risikoprognoseinstrumenten erzielen.
Die Wirksamkeit (i.S. der Reduktion einschlägiger Sexualstraftaten) spezifischer
deliktorientierter Behandlungsmaßnahmen für sexuell übergriffige Minderjährige ist
ungewiss.
Etwa jeder dritte bis vierte sexuell übergriffige Minderjährige bricht begonnene
Behandlungsmaßnahmen ab.
S e i t e | 43
3) Modellprojekte und Leitlinien zum Umgang mit sexuellen Übergriffen
Die folgenden Kapitel betrachten zunächst den auf Länderebene im Rahmen von Modellprojekten
geförderten Auf- und Ausbau fachspezifischer Einrichtungen für sexuell übergriffige Kinder und
Jugendliche. Auf Basis einer bedauerlicherweise rudimentären Datenlage werden deskriptive
Befunde über Zielgruppen und Einrichtungsstrukturen dargestellt. Darüber hinaus wird eine erste
Schätzung der bundesweit verfügbaren Behandlungsplätze vorgenommen. Verlässliche Statistiken
zur Versorgungssituation für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche liegen nicht vor, so dass
die vorliegenden Befunde vorsichtig interpretiert werden sollten.
3.1 Fachspezifische Einrichtungen für sexuell übergriffige Minderjährige
Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist in den letzten 10 Jahren ein Zuwachs fachspezifischer
Einrichtungen für sexuell übergriffige Minderjährige zu verzeichnen. In den 1990er Jahren
existierten nur wenige spezifische Angebote für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche, so
dass sie entweder unspezifischen Behandlungsmaßnahmen zugeführt wurden oder gar keine Hilfe
erhielten. Seit Anfang der 2000er Jahre wurde in einzelnen Bundesländern die Arbeit vieler
fachspezifischer Einrichtungen im Rahmen von Modellprojekten gefördert und ausgebaut (z.B.
NRW und Hamburg). Belastbare Statistiken über die Anzahl fachspezifischer oder integrativer
Einrichtungen, die Anzahl von Behandlungs-/Beratungsplätzen oder die Anzahl behandelter
sexuell übergriffiger Minderjähriger liegen bis heute nicht vor (s. Kapitel 2.2), so dass derzeit
keine fundierten Aussagen über weitere Bedarfe im Sinne eines Ausbaus getroffen werden
können.8
Eine vorläufige bundesweite Liste mit insgesamt 74 fachspezifischen stationären und ambulanten
Einrichtungen/Beratungsstellen/Praxen für sexuell übergriffige Minderjährige findet sich im
Anhang. Die Angaben der Einrichtungen — insbesondere zur Anzahl der vorhandenen Plätze —
sind teilweise lückenhaft, daher können die in den folgenden Abschnitten dargestellten Ergebnisse
lediglich als Schätzungen angesehen werden und unterstreichen die Notwendigkeit einer
systematischen Bestandserhebung (s. Kapitel 4.2).
Die Mehrheit der fachspezifischen Einrichtungen (n = 41) behandelt oder berät sowohl Kinder
unter 14 Jahren als auch Jugendliche von 14 bis unter 18 Jahren (s. Abbildung 9). Hinsichtlich des
8
Im persönlichen Gespräch klagten jedoch viele MitarbeiterInnen fachspezifischer Einrichtungen über
Personalmängel, lange Wartezeiten für Klienten und eine unzureichende langfristige finanzielle Absicherung von
Behandlungs- oder Beratungsmaßnahmen.
S e i t e | 44
Geschlechts der sexuell übergriffigen Minderjährigen ist die Mehrheit der fachspezifischen
Einrichtungen ausschließlich auf männliche Kinder und Jugendliche ausgerichtet. Etwa ein Drittel
der Einrichtungen (n = 23) arbeitet jedoch mit männlichen als auch weiblichen Klienten (s.
Abbildung 10). Angaben bezüglich der kognitiven Voraussetzungen für die Teilnahme an
Behandlungsprogrammen fehlten bei gut einem Viertel (n = 20) der Einrichtungen (s. Abbildung
11; Intelligenzminderung IQ < 70; Lernbehinderung IQ 70 bis < 80; Normalbegabung IQ > 80).
Abbildung9 9
9
Die Zahl der fachspezifischen Einrichtungen in den Abbildungen weicht von der Gesamtzahl (N = 74) ab, da zwei
ambulante Praxen der Liste kurzfristig hinzugefügt wurden.
S e i t e | 45
Abbildung 10
Abbildung 11
Die Angaben hinsichtlich der Anzahl der verfügbaren Plätze für sexuell übergriffige
Minderjährige in fachspezifischen Einrichtungen sind ebenfalls lückenhaft (28%, n = 20, keine
Angaben). Im Mittel verfügte jede Einrichtung über rund 11 Behandlungsplätze (95% CI 9 – 13).
Hochgerechnet, bestehen in den 74 fachspezifischen Einrichtungen schätzungsweise bundesweit
S e i t e | 46
rund 700 bis 1.000 Behandlungs-/Beratungsplätze für sexuell übergriffige Kinder und
Jugendliche. Die absoluten Zahlen der in fachspezifischen Einrichtungen behandelten sexuell
übergriffigen Minderjährigen liegen vermutlich deutlich höher, da z.B. einige Klienten lediglich
einmalig einen Beratungstermin wahrnehmen und keine weiteren Interventionsmaßnahmen
veranlasst werden oder weil Klienten begonnene Maßnahmen vorzeitig abbrechen (etwa ein
Viertel bis ein Drittel, Nowara & Pierschke, 2005; Elsner & König, 2010), so dass Plätze
innerhalb eines Kalenderjahres mehrfach belegt werden können. Ein Rückschluss auf die
absoluten Zahlen der behandelten oder beratenen Fälle lässt sich aus der Anzahl der Plätze daher
nicht ableiten. Unbestritten ist jedoch, dass die Zahl sexuell übergriffiger Kinder und Jugendlicher
in Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe um ein Vielfaches höher ist als die Zahl der wegen
Sexualdelikten verurteilten Jugendlichen im Straf- und Maßregelvollzug (N ≈ 80).
Ein einheitliches therapeutisches Vorgehen für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche hat
sich in der Praxis bisher nicht durchgesetzt. Die Behandlungsinhalte werden meist durch die in
den
fachspezifischen
Einrichtungen
arbeitenden
Professionen
(z.B.
PädagogInnen,
SozialarbeiterInnen und/oder PsychologInnen) sowie das jeweilige Behandlungssetting (stationär
vs. ambulant) bestimmt, so dass sich eine Methodenvielfalt10 therapeutischer Herangehensweisen
etabliert hat.
Die therapeutischen Angebote der fachspezifischen Einrichtungen reichen daher von Einzel- oder
Gruppentherapie (vor allem kognitiv-behavioral, vereinzelt aber auch tiefenpsychologisch
orientiert) bis zu familientherapeutischen, multisystemischen oder erlebnispädagogischen
Behandlungskonzepten. Durchgängig besitzt die deliktorientierte Arbeit in allen fachspezifischen
Einrichtungen einen wesentlichen Stellenwert (vgl. Elsner & König, 2010). Dies ist den
Beschreibungen der Behandlungsinhalte zu entnehmen: Deliktarbeit, Offenlegung des Delikts,
Verantwortungsübernahme, Arbeit am Tatzyklus, Deliktszenario, Täterstrategien, Auflösen von
kognitiven Verzerrungen und Rückfallprävention.
Neben dieser deliktorientierten Arbeit stehen Inhalte, die die Ressourcen der sexuell übergriffigen
Kinder und Jugendlichen stärken und ihre Entwicklung fördern: Zugang zu und Umgang mit
Emotionen,
Wahrnehmen
von
Bedürfnissen,
biografische
Rekonstruktion
und
eigene
Traumatisierungen, Förderung sozialer Kompetenzen, des Selbstwerts und der Selbstkontrolle.
Vereinzelt
kommen
einzelne
Trainingsprogramme
zur
Anwendung,
bspw.
das
Affektkontrolltraining. Im Rahmen der Sexualpädagogik kommt der Aufklärung und dem
10
Deggelmann, D., & Hartkopf, M. (2011). Stellungnahme zur „Evaluation der Behandlung sexuell übergriffiger
strafunmündiger Jungen―.
http://www.dgfpi.de/tl_files/pdf/news/2011-01-10_Stellungnahme_zur_Evaluation_von_Elsner_Koenig.pdf
S e i t e | 47
Gespräch über angemessenes Sexualverhalten eine bedeutende Rolle zu. Wenn möglich, wird eine
Aussöhnung mit dem Opfer für sinnvoll erachtet. Für alle Einrichtungen ist das Einbeziehen der
Eltern oder sorgeberechtigter Personen ein zentraler Aspekt der Arbeit. Es geht um eine intensive
Einflussnahme auf das Herkunftsmilieu insbesondere dann, wenn das Kind in der Familie
verbleibt oder aber nach der Maßnahme in die Familie zurückkehrt. Vereinzelt werden
Familientherapien durchgeführt. Die Vernetzung und Kooperation mit anderen Institutionen, vor
allem mit der Schule, wird als wichtig erachtet.
Seit 2009 existiert ein manualisiertes Behandlungsprogramm11 für 12- bis 21-jährige sexuell
übergriffige
männliche
und
weibliche
Kinder,
Jugendliche
und
Heranwachsende.
Voraussetzungen für die Anwendung sind eine Fortbildung (3 bis 6 Tage) durch autorisierte
Fachkräfte, der Erwerb der Behandlungsmaterialien (z.B. Fragebögen, Arbeitsblätter etc.) und das
Teil- oder Vollgeständnis des Klienten. Primäre Ziele sind die Entwicklung von langfristigen
Strategien der Rückfallprävention, die Entwicklung einer legalen selbstbestimmten Sexualität, die
Bewahrung potenzieller Opfer und die beratende Begleitung des familiären und sozialen Umfelds.
Das Behandlungsprogramm besteht aus insgesamt 21 Bausteinen (z.B. Opferprofil, Tatszenario
und -zyklus, Fantasiespirale, delikt- und beziehungsbezogene Bedürfnisse, Training der
Selbstwahrnehmung, Unterscheidung von Opfer- und Täteranteilen, Rückfallprävention,
Empathie für das Opfer, Verantwortungsübernahme für die Tat u.a.), die von allen Klienten in der
Gruppe durchlaufen werden. Zuvor findet für jeden Klienten eine ausführliche Diagnostik und
Risikoeinschätzung anhand
standardisierter
Verfahren
statt.
Eine
Differenzierung der
Behandlungsbausteine hinsichtlich des Klientenalters oder der Art der sexuellen Übergriffe bzw.
Sexualstraftaten ist der Beschreibung nicht zu entnehmen. Als Zielgruppe werden Kinder,
Jugendliche und Heranwachsende benannt, die zur Gruppe der „jugendlichen Sexualstraftäter―
zusammengefasst werden.
Ein Teil der sexuell übergriffigen Kinder und Jugendlichen befindet sich (häufig gem. § 34 SGB
VIII) in vollstationären Behandlungsmaßnahmen. Diese sollen gem. § 34 SGB VIII Kinder und
Jugendliche „… durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und
therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern―. Hier stehen die Einrichtungen und
deren MitarbeiterInnen häufig vor dem Dilemma, einerseits potenzielle Opfer vor sexuellen
Übergriffen zu schützen und andererseits Bedingungen für eine altersentsprechende (sexuelle)
Entwicklung zu schaffen. Um andere Kinder und Jugendliche zu schützen, werden sexuell
übergriffige
11
Minderjährige
häufig
in
homogenen
und
gleichgeschlechtlichen
Mielke, F. (2009). Behandlungsprogramm für die Arbeit mit jugendlichen Sexualtätern (BMJS 12/21).
Beratungsstelle im Packhaus, pro familia Landesverband Schleswig-Holstein e.V.
S e i t e | 48
Wohngruppensettings behandelt. Viele der fachspezifischen vollstationären Einrichtungen bieten
eine interne Beschulung an, und sexuelle Kontakte innerhalb der Gruppe werden meist als
Regelverstoß bewertet (Elsner & König, 2010). In einigen vollstationären Einrichtungen
beinhalten die Gruppenregeln auch „freiwillige― freiheitseinschränkende Maßnahmen (z.B.
Ausgangssperren, begleitete Ausgänge). Einheitliche Leitlinien, für wen, wann und welche
pädagogischen Maßnahmen in vollstationären Einrichtungen der Jugendhilfe angemessen sind,
existieren nicht.12
Zusammengefasst haben sich die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im letzten Jahrzehnt
zum größten fachspezifischen Versorgungsanbieter für sexuell übergriffige Kinder und
Jugendliche entwickelt. Die Behandlungsprogramme und -maßnahmen sind so heterogen wie ihre
Klientel. Diese Vielfaltet bietet auch große Chancen. Ein Vergleich der Effektivität
unterschiedlicher Behandlungsmaßnahmen (i.S. der Reduktion der einschlägigen und generellen
Rückfälligkeit) kann dazu beitragen, positive und negative Wirkfaktoren zu identifizieren. Die
gewonnenen Erkenntnisse — wozu Programme mit negativen Behandlungsresultaten (i.S. einer
Steigerung der Rückfälligkeit) zumindest aus methodischer Sicht einen ebenso wichtigen Beitrag
leisten — könnten in der Praxis unmittelbar zur Verbesserung der Versorgungssituation sexuell
übergriffiger Minderjähriger genutzt werden und würden somit einen direkten und nachhaltigen
Beitrag zum Opferschutz leisten. Auf der anderen Seite sind aufgrund der unbefriedigenden
Datenlage und der Heterogenität der vorhandenen Behandlungsprogramme und -maßnahmen
generalisierende evidenzbasierte Aussagen über die Wirksamkeit der Behandlung sexuell
übergriffiger Kinder und Jugendlicher derzeit nur schwer möglich (s. Kapitel 2.3.4).
3.2 Leitlinien und Präventionsmaßnahmen
Laut Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor
sexueller Gewalt und Ausbeutung13 sollen folgende Leitlinien zum Umgang mit sexueller
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch den Runden Tisch zu sexuellem Missbrauch
verabschiedet werden:
„Die Leitlinien sehen vor, dass die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich über tatsächliche
Anhaltspunkte zu informieren sind, die auf die Begehung einer Straftat nach dem 13. Abschnitt
12
Selbstverständlich sind Hilfemaßnahmen gem. § 34 SGB VIII kein rechtsfreier Raum. Eine sachkundige, juristische
Bewertung, welche pädagogischen Maßnahmen (z.B. Ausgangssperren) unter welchen rechtlichen
Rahmenbedingungen angewendet werden können, entzieht sich meiner Fachkenntnis.
13
http://www.rundertisch-kindesmissbrauch.de/documents/Aktionsplan2011derBundesregierung.pdf
S e i t e | 49
des Strafgesetzbuchs („Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung―) innerhalb der Institution
oder Vereinigung hindeuten. Eine möglichst frühe und effektive Einbeziehung der
Strafverfolgungsbehörden dient der Sicherung der Beweislage, soll aber auch eine fortbestehende
Gefährdung durch den Verdächtigen abwehren. Zugleich sollen die Leitlinien gewährleisten, dass
die Institutionen und Vereinigungen ihrer fortbestehenden Verantwortung für das Wohl des
betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen durch eigene Maßnahmen gerecht werden können. Zur
Beurteilung der Verdachtsmomente wie auch im Hinblick auf notwendige weitere Maßnahmen
zur Stützung und zum Schutz des Opfers sollte beratender Sachverstand hinzugezogen werden,
der unabhängig von der betroffenen Institution ist.
Wollen das Opfer oder dessen Erziehungsberechtigte keine Strafverfolgung des Täters14, so ist
dies bei der Entscheidungsfindung über die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden zu
berücksichtigen. Ein solcher entgegenstehender Wille allein verpflichtet die Institution aber nicht,
auf diese Einschaltung zu verzichten. Insbesondere wenn es der Schutz des Opfers erfordert, kann
es jedoch ausnahmsweise – unabhängig von dem Willen des Opfers – gerechtfertigt sein,
zeitweise von der Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden abzusehen. Dies gilt vor allem,
wenn aufgrund der Belastung durch das Strafverfahren die Gefahr eines Suizids des Opfers
besteht. (S. 46)―
Die Leitlinien wenden sich an staatliche und nicht-staatliche Institutionen und Vereinigungen, in
denen Kinder und Jugendliche sich rechtlich oder aufgrund des Näheverhältnisses faktisch in
Abhängigkeits- oder Machtverhältnissen befinden. Sie haben den Charakter modellhafter
Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Verdachtsfällen und sind grundsätzlich
vergleichbar mit anderen Leitlinien zum Umgang mit sexuellen Übergriffen im institutionellen
Kontext.15
Laut Zwischenbericht16 des Runden Tisches „sexueller Missbrauch― (Band II, S. 47) kann bei
geringfügigen Übertretungen von einer Anzeige abgesehen werden, wenn sich der Verdacht gegen
einen sexuell übergriffigen Jugendlichen richtet. Vorrausetzung hierfür ist jedoch, dass durch
erzieherische Maßnahmen oder psychologische Unterstützung sowie effektiven Schutz und
Betreuung des betroffenen Kindes oder Jugendlichen die Gefahr von Wiederholungen mit hoher
Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Geringfügige Übertretungen liegen nicht vor, wenn ein
14
Zum Zeitpunkt der Anzeige handelt es sich um Tatverdächtige und nicht bereits um Täter oder Täterinnen. Im
Rahmen der finalen Formulierung der Leitlinien, sollte — trotz der relativ geringen absoluten Zahlen — berücksichtigt
werden, dass auch Frauen oder weibliche Minderjährige sexuelle Missbrauchshandlungen oder Übergriffe begehen
können.
15
http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse/2010-132a-Leitlinien.pdf
16
http://www.rundertisch-kindesmissbrauch.de/documents/Zwischenbericht_RTKM_fBand2_000.pdf
S e i t e | 50
erhebliches Machtgefälle zwischen dem möglichen Täter (Anm. d. Verf.: oder der Täterin) und
seinem Opfer besteht oder wenn die Tat sich aus Sicht des Opfers als erheblich darstellt. Dies
entspricht weitgehend, der in der Praxis gängigen Definition von „sexueller Übergriffigkeit― (s.
Kapitel 1.1).
Weder dem Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
vor sexueller Gewalt und Ausbeutung noch dem Zwischenbericht des Runden Tisches „sexueller
Missbrauch― ist zu entnehmen, wie bei sexuell übergriffigem Verhalten von strafunmündigen17
Kindern (unter 14 Jahren) vorzugehen ist. Die Tatverdächtigenbelastungszahlen der PKS zeigen,
dass 2010 erstmals genauso viele männliche Kinder wie Erwachsene aufgrund sexueller
Übergriffe bei der Polizei angezeigt wurden (s. Kapitel 2.2.1). Hier muss ein Konsens gefunden
werden, ob eine durch Institutionen grundsätzlich zu initialisierende polizeiliche Anzeige gegen
sexuell übergriffige strafunmündige Kinder einen sinnvollen Beitrag zum Opferschutz leisten
kann. Dagegen spricht, dass keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten sind und der
polizeiliche Ermittlungsprozess aus entwicklungspsychologischer Perspektive sowohl für das
Opfer (z.B. Ausbleiben strafrechtlicher Konsequenzen) als auch für das sexuell übergriffige Kind
(z.B. Stigmatisierungserleben) negative Konsequenzen haben kann. Dafür spricht, dass sexuelle
Übergriffe durch Kinder auch im Dunkelfeld keine Seltenheit sind und eine polizeiliche Anzeige
zu einer statistischen Erfassung im Hellfeld beiträgt. Im Rahmen der finalen Formulierung der
Leitlinien zum Umgang mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, sollte die Gruppe
der sexuell übergriffigen strafunmündigen Kinder ebenfalls Berücksichtigung finden. Auch bei
Kindeswohlgefährdung durch sexuell übergriffige Kinder hat eine Hinzuziehung einer externen
Fachkraft gemäß § 8a SGB VIII zu erfolgen.
Die genaue Zahl spezifischer jugend-/kindzentrierter primärpräventiver Programme zur
Verhinderung sexueller Übergriffe unter Minderjährigen ist aufgrund der Vielfalt der
Anbieter und Angebote schwer abzuschätzen (Kapella, Schmidt & Hohenegger, 2010). Nach
Kapella, Schmidt und Hohenegger (2010) existieren im deutschsprachigem Raum n = 171
Anbieter für primärpräventive Programme zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen
Minderjährige. Methodisch adäquate Wirksamkeitsstudien zu primärpräventiven Maßnahmen (s.
Kapitel 3.2), die eine tatsächliche Verhaltensänderung untersuchen, liegen für Deutschland nicht
vor (für Details vgl. Kindler & Schmidt-Ndasi, 2011). Internationale Meta-Analysen (z.B. Davis
& Gidycz, 2000) belegen, dass insbesondere primärpräventive Maßnahmen, an denen Kinder und
Jugendliche aktiv beteiligt werden, eine höhere Wirksamkeit aufweisen. Deshalb werden in
17
gem. § 19 StGB (Schuldunfähigkeit des Kindes): „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn
Jahre alt ist.―
S e i t e | 51
Tabelle 5 die deutschen Anbieter aus der Liste von Kapella, Schmidt und Hohenegger (2010)
zusammengefasst, die jugend-/kindzentriert arbeiten (z.B. in Schulen und/oder im institutionellen
Freizeitbereich). Häufig war den Internetauftritten der Anbieter nicht zu entnehmen, ob sie
ausschließlich Präventionsworkshops für Erwachsene organisieren oder ob sie auch direkt aktiv
mit Kindern arbeiten. Die Liste der Anbieter (s. Tabelle 5) ist daher als vorläufig zu betrachten.
Tabelle 5
Name des Programms
Zielgruppe
Dauer
Kontakt
„ACHTUNG GRENZE!―
Kinder und Jugendliche im
Alter von 6 bis 16 Jahren
5 aufeinander aufbauende Module
(zu je 1,5 Stunden)
Deutscher
Kinderschutzbund
Kreisverband Nürnberg
e.V.
Dammstraße 4
90443 Nürnberg
Ein Präventionsprojekt für Kinder und
Jugendliche zur Förderung von
Selbstbewußtsein und sozialer Kompetenz.
Gib' (sexueller) Gewalt keine Chance!
ACHTUNG GRENZE!sports
Ein Präventionsprojekt für Kinder und
Jugendliche in Sportvereinen zur Förderung
von Selbstbewusstsein und sozialer
Kompetenz.
oder
Workshops an 2 Tage zu je 5
Schulstunden
Kinder und Jugendliche mit
und ohne Behinderung im
Alter von 7 bis 16 Jahren
Durchführung: je nach
Voraussetzung im Sportverein, z.B.
statt einem Training oder auch am
Block
T 0911 929190-08
Deutscher
Kinderschutzbund
Kreisverband Nürnberg
e.V.
Dammstraße 4
90443 Nürnberg
Bei Bedarf …
T 0911 2748858-4
Workshop ca. 10 Stunden
TrainerInnenfortbildung
(Zeitumfang je nach Bedarf, aber
mindestens 3,5 Stunden)
ICH BIN ICH und NEIN heißt NEIN
Ein Projekt zur Prävention von sexualisierter
Gewalt an bzw. unter Kindern und
Jugendlichen mit Behinderungen.
„Ich bin ich, du bist du und das sind wir!―
Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen im Alter von 8
bis 18 Jahren
3. und 4. Grundschulklassen
Eltern und LehrerInnen
Elterninformationsabend (1,5
Stunden)
Workshop (18 Stunden)
Elternabend (2 Stunden)
Fortbildung für MitarbeiterInnen
(3,5 Stunden
7 Einheiten (Gesamtdauer 28
Schulstunden)
Deutscher
Kinderschutzbund
Kreisverband Nürnberg
e.V.
Dammstraße 4
90443 Nürnberg
T 0911 2748858-3
Kinderschutz-Zentrum
Oldenburg
Friederikenstraße 3
26135 Oldenburg
ECHT STARK
Ein echt starkes Präventionsprojekt für die
Grundschule.
6 bis 10 Jahre
Hamburger Präventionsprojekt
Zündfunke e.V.
Schulkinder und Kinder in
Kindertagesheimen
Wöchenttliche Einheiten in der
Schule über 2 Monate und ein
Follow Up in der 4. Klasse
?
T 0441-17788
Pfiffigunde Heilbronn e.V.
Dammstr. 15
74076 Heilbronn
T 07131-166178
Zündfunke e.V.
Max-Brauer-Allee 134
22765 Hamburg
T 040-8901215
S e i t e | 52
Präventionsprojekt "Hau ab du
Angst" in der Grundschule
Kindergarten
Grundschulkinder
4 Einheiten (jeweils 1,5 Stunden)
Wendepunkt e.V.
Kronenstraße 14
79100 Freiburg im
Breisgau
"Ich bin kostbar"-Kurse
Kinder
?
T 0761-7071191
KOSTBAR e.V.
Mendelssohnstr.16a
81245 München
Theaterpädagogisches
Präventionsprogramm
Für Kinder in der 3. und 4. Klasse, mit
Adaptionen für Schüler mit besonderem
Förderbedarf Sehen / Hören / Lernen
3 Schulstunden, im Abstand von je
1 Woche
Mein Körper gehört mir!
Mit mir NICHT!
T 089 - 88919248
theaterpädagogische
werkstatt gGmbH
Lange Str. 15-17
49080 Osnabrück
Kinder von 5 bis 11 Jahren
4 Tage jeweils 4 Stunden
T 0541 5805463-0
Bundesarbeitsgemeinschaft
Prävention & Prophylaxe
e.V.
Weberstr. 11
12307 Berlin
Aufschrei ! - Ortenauer Verein
gegen sexuelle Gewalt an Kindern
und Erwachsenen
Schulkinder
Präventionsprogramm POWER
CHILD der Beratungsstelle
KOBRA
Schulkinder
Präventionsangebot für
Schülerinnen und Schüler ab der 5.
Klasse
Schulkinder
4-5 Unterrichtseinheiten jeweils 2
Stunden
T 030-76503104
Aufschrei e.V.
Hindenburgstraße 28
77654 Offenburg
6 Tage
2 Schulstunden
T 0781-31000
KOBRA e.V.
Hölderlinstr. 20
70174 Stuttgart
Wildwasser &
FrauenNotruf
Beratungsstelle
Hirschstr. 53 b
76133 Karlsruhe
Strohhalm e.V.
Grundschulkinder
Dauer ca. 3-6 Monate
Präventionsprogramm für 3. bis 5.
Grundschulklassen
Tauwetter e.V.
T 0721-85 91 73
Stohhalm e.V.
Luckauerstr. 2
10969 Berlin
für jugendliche Jungen ab der 7. Klasse
Mind. 2 Stunden
T 030-6141829
Tauwetter e.V.
Gneisenaustr. 2a
10961 Berlin
T 030 - 693 80 07
Bemerkung: Es gibt eine Reihe weiterer primärpräventiver Programme (z.B. „Faustlos―, „Koole
Kerle – Lässige Ladies―, „Cool in School―, „buddY-Programm― u.v.m) gegen (generelle) Gewalt
unter Minderjährigen. Die Liste beinhaltet lediglich Programme, die primär sexuelle
Übergriffigkeit durch Minderjährige adressieren und Minderjährige aktiv mit einbeziehen. Fort/Weiterbildungen und Informationsmaterialien für Eltern, Lehrkräfte oder PädagogInnen (z.B.
„E.R.N.S.T. machen. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen verhindern―, „Heartbeat- Herzklopfen.
Beziehungen ohne Gewalt―) sind daher nicht aufgeführt. Die Programmbeschreibungen einiger
Internetauftritte der Anbieter waren recht vage, sodass die Liste keinen Anspruch auf
Vollständigkeit hat. Anhand einer umfassenden Bestandserhebung fachspezifischer Einrichtungen
S e i t e | 53
für sexuell übergriffige Minderjährige (s. Kapitel 4.2) lassen sich möglicherweise auch weitere
primärpräventive Programme identifizieren.
Eine Akkreditierung der Anbieter primärpräventiver Programme existiert nicht, so dass über die
Qualität der Präventionsangebote und -inhalte keine Angaben gemacht werden können. Eine
generelle Beurteilung der Präventionsinhalte war auch deshalb nicht möglich, da diese meist nur
entgeltlich zu Erwerben sind. Den Internetauftritten der Anbieter sind folgende Präventionsinhalte
zu entnehmen: sexualpädagogische Aufklärung, Vermitteln von Täterstrategien, Nein-Sagen
lernen, Steigerung der Selbstsicherheit, angenehme und unangenehme Berührungen des eigenen
Körpers, Grenzen setzen und Grenzen anderer akzeptieren, Körperwahrnehmung, über Gefühle
reden, Umgang mit lästiger Anmache durch Jungen, Information und Aufklärung zu sexuellem
Missbrauch, sexuelle Übergriffe erkennen, Petzen ist manchmal richtig, Flirttraining u.v.m. Bis
auf eine Kundenbefragungen fanden sich keine empirischen Evaluationen hinsichtlich der
Wirksamkeit (i.S. der Reduktion sexueller Übergriffe). Somit können auch keine empirisch
begründeten Aussagen darüber getroffen werden, ob primärpräventive Maßnahmen sexuelle
Übergriffe durch Minderjährige reduzieren oder gar erhöhen.
S e i t e | 54
4) Handlungsbedarfe und Empfehlungen
In den folgenden Abschnitten werden Empfehlungen für den Umgang mit sexuell übergriffigem
Verhalten durch Kinder und Jugendliche formuliert. Diese sind als Ergänzung zu den
Empfehlungen vorangegangener Expertisen und Abschlussberichte zu verstehen. Aufgrund ihrer
Bedeutsamkeit werden an dieser Stelle einige bereits genannte zentrale Handlungsbedarfe sowie
Empfehlungen als Stichpunkte zusammenfassend wiederholt, da diese auch für sexuell
übergriffige Minderjährige eine hohe Relevanz haben (z.B. Zimmermann, 2010; Bundschuh,
2010; Kindler & Schmidt-Ndasi, 2011; Bergmann, 2011):
Aufklärung und Qualifizierung von (zukünftigen) Fachkräften
Förderung einer Kommunikationskultur der Offenheit und Transparenz
Aufklärung und regelmäßiger Austausch über die Kinderrechte
Etablierung eines unabhängigen Beschwerdemanagements
Handeln im besten Interesse des Kindes
Wahrung der Fürsorgepflicht gegenüber Fachkräften
Nachsorge für Betroffene bei begründetem oder erwiesenem Verdacht
Mitbestimmung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen
Kontrollierte Wirksamkeitsstudien zur Prävention und Intervention
Dunkelfeldforschung zur Prävalenz von sexuellem Kindesmissbrauch
Bundesweite Ermittlung von Präventions- und Interventionsbedarfen
Ausbau und Vernetzung vorhandener Beratungsstrukturen
Bekanntmachung von Beratungsstrukturen durch unterstützende Öffentlichkeitsarbeit
Verbindliche Verankerung öffentlicher Finanzierung von Beratungsangeboten
Selbstverpflichtung von Institutionen zur Einführung von Leitlinien
u.v.m.
4.1 … für die Behandlungsforschung
Die große Mehrheit sexuell übergriffiger Kinder und Jugendlicher wird i.d.R. nicht dem Strafoder Maßregelvollzug zugeführt, sondern vermehrt in fachspezifischen ambulanten oder
stationären Einrichtungen und Beratungsstellen der Kinder- und Jugendhilfe behandelt/beraten.
Die fachspezifischen Einrichtungen und Beratungsstellen verfügen derzeit schätzungsweise über
700 bis 1.000 Plätze für sexuell übergriffige Minderjährige. In den folgenden Abschnitten sollen
S e i t e | 55
die bereits in der Expertise von Kindler und Schmidt-Ndasi (2011, S. 90) formulierten
Empfehlungen und Forderungen zum Wirksamkeitsnachweis von Behandlungsmaßnahmen
präzisiert werden:
„Dabei sollten auch jugendliche Sexualstraftäter sowie -täterinnen berücksichtigt werden. Über
den Nachweis der prinzipiell erreichbaren Wirksamkeit hinaus sind Studien zu Wirkprozessen
und
zu
einer
verbesserten
Passung von
individuellen
Behandlungsbedürfnissen
und
Therapieangebot sinnvoll. Vor allem außerhalb des Strafvollzugs scheinen in Deutschland
Erhebungen zur Versorgungssituation und zur Versorgungsqualität erforderlich.―
Handlungsbedarf: Behandlungsevaluation fachspezifischer Einrichtungen
Im Verlauf ihrer Entwicklung erfahren Kinder und Jugendliche Kompetenzzuwächse in den
Bereichen Kognition, Selbstkontrolle und Sozialverhalten. Die Arbeit der fachspezifischen
Einrichtungen für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche (s. Anhang) zielt darauf ab, diese
natürlichen Entwicklungsprozesse zu unterstützen und zu fördern sowie delinquente
Entwicklungsverläufe
zu
verhindern.
Die
Wirksamkeit
und
Effektivität
von
Interventionsmaßnahmen zur Reduktion delinquenten Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen
weist eine hohe Varianz auf. Die Effektstärken bewegen sich im geringen bis moderaten Bereich,
so dass im Mittel eine Reduktion der Rückfallraten um rund -20% (s. Kapitel 2.3.4) zu erwarten
ist. Prospektive Längsschnittstudien und Meta-Analysen zeigen, dass die einschlägigen
Rückfallraten bei sexuell übergriffigen Kindern und Jugendlichen grob zwischen 4 und 25%
liegen (s. Kapitel 2.3.3), d.h. Behandlungsmaßnahmen könnten diese auf 3,2 bis 20% senken. Ein
empirischer Nachweis der Wirksamkeit i.S. einer Reduktion der Auftretenswahrscheinlichkeit
erneuter sexueller Übergriffe oder Sexualstraftaten durch gezielte Behandlungsmaßnahmen für
sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche steht bis heute aus. Interventionsmaßnahmen können
auch negative Effekte haben, wie eine Erhöhung der Rückfallwahrscheinlichkeiten (z.B.
Lowenkamp, Latessa, & Holsinger, 2006) oder keine Effekte haben (z.B. Marques et al., 2005), so
dass die Identifizierung wirksamer Behandlungsprogramme nicht nur aus ökonomischen Gründen
von Bedeutung ist, sondern gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zum Opferschutz leistet.
A priori Poweranalyse: Benötigte Fallzahlen
Mit Hilfe einer a priori Poweranalyse lässt sich die Fallzahl an Probanden (N) abschätzen, die
benötigt wird, um einen erwarteten Effekt (z.B. einer Interventionsmaßnahme) mit einer
hinreichenden statistischen Teststärke (Power) zu bestimmen. Unter Teststärke versteht man in
S e i t e | 56
der Statistik die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Signifikanztest zugunsten einer Hypothese —
z.B. „Behandelte sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche haben eine geringere
Rückfallwahrscheinlichkeit als unbehandelte.― — entscheidet, falls diese richtig ist (z.B. Lenth,
2001; Hoenig & Heisey, 2001; Motulsky, 1995). Eine a priori Poweranalyse basiert auf der in der
Literatur berichteten zu erwartenden Effektstärken. Fasst man die Forschungserkenntnisse zur
einschlägigen Rückfälligkeit sexuell übergriffiger Kinder und Jugendlicher zusammen, liegen die
Rückfallraten mit erneuten sexuellen Übergriffen oder Sexualstraftaten etwa zwischen 4 und 25%.
Die durch die Behandlung zu erwartende Reduktion der Rückfälligkeit liegt bei etwa -20%. Je
geringer die Rückfallraten, desto höher ist die benötigte Fallzahl „behandelter― und
„unbehandelter― Probanden (Interventionsgruppe vs. Kontroll-/Vergleichsgruppe), um einen
Behandlungseffekt mit hinreichender statistischer Power (mind. 80%) bei einem α-Fehler von .05
zu erfassen (vgl. Abbildungen 12 bis 14).
Abbildung 12
Bemerkung: Die auf der X-Achse angegebene benötigte Fallzahl (N) setzt sich je zur Hälfte aus
Interventions- und Kontroll-/Vergleichsgruppe zusammen. Die Bestimmung der Teststärke basiert
S e i t e | 57
auf der Annahme, dass durch Behandlung die Rückfälligkeit um -20% reduziert werden kann; αFehler .05.
Um einen Behandlungseffekt bei einer erwarteten einschlägigen Rückfallrate von 25% mit einer
hinreichenden statistischen Power (mind. 80%) nachweisen zu können bedarf es insgesamt rund N
= 1.800 Probanden, davon die eine Hälfte in der Interventionsgruppe (n = 900) und die andere in
der Kontroll-/Vergleichsgruppe (n = 900). Bei einer 4%igen einschlägigen Rückfallrate könnte ein
Behandlungseffekt lediglich an einer enorm großen Stichprobe von insgesamt N = 14.000
Probanden mit hinreichender Teststärke (mind. 80%) nachgewiesen werden (s. Abbildung 13).
Abbildung 13
Bemerkung: Die auf der X-Achse angegebene benötigte Fallzahl (N) setzt sich je zur Hälfte aus
Interventions- und Kontroll-/Vergleichsgruppe zusammen. Die Bestimmung der Teststärke basiert
auf der Annahme, dass durch Behandlung die Rückfälligkeit um -20% reduziert werden kann; αFehler .05.
S e i t e | 58
Ein empirischer Nachweis der Wirksamkeit von Behandlungsprogrammen bei solch geringen
einschlägigen Rückfallraten (4%) würde — bei bundesweit geschätzten 700 bis 1.000
Behandlungsplätzen (inkl. Justiz- und Maßregelvollzug) für sexuell übergriffige Kinder und
Jugendliche — inklusive eines mindestens 5-jährigen Katamnesezeitraums etwa drei Jahrzehnte
dauern. In der kriminologischen Forschung existieren einige wenige prospektive Langzeitstudien
(z.B. Laub & Sampson, 2003), die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken, dennoch erscheint
eine Behandlungsevaluation in dieser Größenordnung wenig praktikabel.
Bei Betrachtung der generellen Rückfälligkeit (jegliche Form von erneuten Straftaten) liegen die
Rückfallraten für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche deutlich höher (etwa 50 bis 60%).
Sie haben demnach ein weitaus größeres Risiko, mit Delikten strafrechtlich in Erscheinung zu
treten, die nicht dem Bereich der Sexualdelinquenz zu geordnet werden können (s. Kapitel 2.3.3).
Für einen Nachweis der Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen (i.S. der Reduktion der
generellen Rückfälligkeit) bedarf es daher deutlich geringerer Fallzahlen von etwa N = 600
Probanden (s. Abbildung 14).
Abbildung 14
S e i t e | 59
Bemerkung: Die auf der X-Achse angegebene benötigte Fallzahl (N) setzt sich je zur Hälfte aus
Interventions- und Kontroll-/Vergleichsgruppe zusammen. Die Bestimmung der Teststärke basiert
auf der Annahme, dass durch Behandlung die Rückfälligkeit um -20% reduziert werden kann; αFehler .05.
Fasst man die Ergebnisse der a priori Poweranalysen zusammen, ist für einen empirischen
Nachweis der Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen, die sexuelle Übergriffigkeit adressieren
und deren Ziel es ist, die einschlägige Rückfälligkeit zu reduzieren, eine Stichprobengröße von
mindestens 1.800 Probanden notwendig. Diese Fallzahl kann nur durch eine bundesweite
Vernetzung der fachspezifischen Einrichtungen erreicht werden. Ferner bedarf es der Bereitschaft
der Teilnahme an einer systematischen Evaluation auf Bundesebene. Fachspezifische
Einrichtungen für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche fokussieren meist nicht nur auf die
sexuelle Übergriffigkeit, sondern berücksichtigen auch andere delinquente Verhaltensweisen. Ein
empirischer Nachweis der Reduktion der generellen Rückfälligkeit ist aufgrund höherer
Rückfallraten von etwa 50% bereits mit geringeren Fallzahlen von etwa 600 Probanden erreichen.
S e i t e | 60
Empfehlungen für Studiendesigns zum Nachweis der Effektivität von
Interventionsmaßnahmen
Aktuelle deutsche Studien (Nowara & Pierschke, 2005; Elsner & König, 2010) zur Wirksamkeit
von Interventionsmaßnahmen für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche weisen
unterschiedlichste methodische Mängel auf, z.B. kleine Fallzahlen, kurze oder fehlende
Katamnesezeiträume,
keine
geeigneten
Vergleichs-/Kontrollgruppen
oder
lediglich
Datenerhebungen zu Behandlungsbeginn (s. Kapitel 2.3.4). Eine systematische empirische
Evaluation entsprechender Interventionsmaßnahmen nach nationalen und internationalen
Standards ist daher dringend erforderlich, um den Ausbau effektiver Behandlungsprogramme für
sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche zu fördern und Behandlungsprogramme mit
negativen Effekten zu identifizieren. Im Rahmen der Planung von Wirksamkeitsstudien für
sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche sind daher folgende Mindeststandards zu
berücksichtigen (vgl. auch Lengning, 2010):
1. Zum validen Nachweis der Wirksamkeit i.S. der Reduktion erneuter sexueller Übergriffe
werden Fallzahlen von mindestens N = 1.800 sexuell übergriffiger Kinder und
Jugendlicher benötigt, um eine hinreichende statistische Power zu erreichen (s.o.).
2. Es bedarf im Idealfall einer randomisierten Zuordnung der Probanden zu einer
Interventions- und Kontrollgruppe. Eine unbehandelte Kontrollgruppe lässt sich in der
Praxis aus ethischen Gründen häufig nur schwer realisieren, so dass zumindest eine
parallelisierte Vergleichsgruppe (z.B. Kinder und Jugendliche mit aggressiven oder
dissozialen
Auffälligkeiten
oder
ein
direkter
Vergleich
verschiedener
Behandlungsprogramme) rekrutiert werden sollte.
3. Die Erhebung der interessierenden Erfolgskriterien (z.B. psychische Belastung,
kognitive Fähigkeiten, Aggressivität und/oder sexuelle Übergriffigkeit) sollte zu Beginn
und am Ende der Intervention sowie nach einem Katamnesezeitraum (Follow-up)
erfolgen. Hier bieten sich beispielsweise der Einsatz standardisierter und normierter
psychometrischer
Testverfahren
und
die
anonymisierte
Auswertung
von
Bundeszentralregisterauszügen an.
4. Erst durch hinreichend lange Katamnesezeiträume (5 bis 8 Jahre) können Aussagen
darüber getroffen werden, wie lang anhaltend die Effekte von Interventionen sind, beziehungsweise ob sie Effekte erzielen, die sich erst nach einer gewissen Dauer zeigen.
Darüber hinaus werden potenzielle positive sowie negative Auswirkungen deutlich, die
sich unter Umständen erst in späteren Entwicklungsstadien oder im frühen
Erwachsenenalter zeigen.
S e i t e | 61
5. Unter
Alltagsbedingungen
ist
es
häufig
nicht
möglich,
die
Vorgaben
zur
Programmdurchführung genau einzuhalten. Folglich sollten Variablen, wie u.a. das
Behandlungssetting, die Behandlungsinhalte, die Dauer und Häufigkeit der
Intervention und die Abbrecherraten dokumentiert werden, um z.B. das Ausbleiben
gewünschter Effekte erklären zu können.
6. Angaben zur Generalisierbarkeit sind nur möglich, wenn Informationen zum Alter,
Geschlecht, der ethnischen Zusammensetzung und dem sozioökonomischen Status
der erhobenen Stichproben vorliegen.
7. Die Beurteilung der Effektivität einer Maßnahme wird durch den Vergleich mit den ProKopf-Kosten einer anderen Intervention mit einer vergleichbaren Wirkung ermöglicht.
Zur Erreichung der benötigten Fallzahl (vgl. Punkt 1) ist eine bundesweite Bestandserhebung und
Vernetzung der bestehenden Versorgungsanbieter notwendig (s. Kapitel 4.2 u. 4.3). Die reguläre
Dauer von spezifischen Interventionsmaßnahmen für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche
beträgt in etwa 1 bis 2 Jahre. Um Aussagen über die prospektive Wirksamkeit von
Interventionsmaßnahmen treffen zu können, wird daher eine Förderung von Forschungsvorhaben
von mindestens 5 bis 8 Jahren benötigt. Die Bereitstellung von Fördergeldern für „kurzfristige―
Forschungsprojekte von bis zu 3 Jahren ist sehr zu begrüßen, da sie insbesondere einen
Wissenszuwachs
in
den
Bereichen
der
Grundlagen-
und
Prävalenzforschung
(z.B.
neuropsychologische Studien, Validierung psychometrischer Verfahren, Dunkelfeldbefragungen)
ermöglichen.
Für Wirksamkeitsstudien zu spezifischen Interventionsmaßnahmen für sexuell übergriffige Kinder
und Jugendliche sind Förderdauern von 3 Jahren zu kurz gegriffen. Hierzu bedarf es der
Bereitstellung
von
finanziellen
Mitteln
zum
einen
für
prospektive,
langfristige,
interventionsbegleitende Forschungsprogramme (vgl. Punkte 1 bis 7) und zum anderen einer
dementsprechenden langfristigen, bundesweiten Absicherung der Versorgungsanbieter. Denkbar
wären hier die Gründung eines Sonderforschungsbereichs „Behandlungsevaluation sexuell
übergriffiger Kinder und Jugendlicher― im Rahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG)
und/oder
Bundesministerium
die
für
Bereitstellung
der
Bildung
Forschung
und
benötigten
finanziellen
(BMBF)
in
Mittel
Kooperation
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
durch
das
mit
dem
S e i t e | 62
4.2 … für eine bundesweite Bestandserhebung fachspezifischer Einrichtungen
Die genaue Zahl der Behandlungs- und/oder Beratungsplätze für sexuell übergriffige Kinder und
Jugendliche im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist ungewiss. Nach einer ersten Schätzung
bestehen derzeit bundesweit etwa 700 bis 1.000 ambulante und stationäre Plätze (Jungendhilfe,
Justiz- und Maßregelvollzug) für sexuell übergriffige Kinder und Jugendliche, weitgehend ohne
Berücksichtigung der Plätze in Kinder- und Jugendpsychiatrien sowie der Plätze bei
niedergelassenen
Kinder-
und
JugendpsychiaterInnen
und
Kinder-
und
JugendpsychotherapeutInnen. Die vorliegenden Informationen — z.B. hinsichtlich der Anzahl der
Behandlungsplätze, der kognitiven Voraussetzungen von potenziellen Klienten, des präferierten
Altersbereichs und Geschlechts — über fachspezifische Einrichtungen für sexuell übergriffige
Kinder und Jugendliche sind lückenhaft (s. Anhang).
Um fundierte Aussagen über die Bedarfsdeckung der Anlaufstellen für sexuell übergriffige
Kinder und Jugendliche treffen zu können, ist zunächst eine bundesweite Bestandserhebung der
Versorgungsanbieter dringend erforderlich. Folgende Variablen sollten dabei systematisch für
jede Einrichtung erfasst werden:
Anzahl stationärer und ambulanter Plätze
Mindest- und Maximalaufnahmealter
Geschlecht (z.B. ausschließlich Jungen)
Kognitive Voraussetzungen für eine Aufnahme (z.B. ab Intelligenzminderung)
Therapeutisches Setting (z.B. Einzel- oder Gruppenbehandlung)
Integrativer
Versorgungsrahmen
(z.B.
ausschließlich
sexuell
übergriffige
Kinder/Jugendliche/Heranwachsende vs. auch Kinder/Jugendliche/Heranwachsende mit
anderen Verhaltensproblemen)
Zur Bestimmung der Bedarfsdeckung müssen jedoch auch andere Variablen, wie z.B. reguläre
Behandlungs-/Beratungsdauer,
aktuelle
Wartezeiten
bei
Anfragen,
Mitarbeiter-Klienten-
Schlüssel, Anzahl der Behandlungs-/Beratungsabbrüche, Anzahl der telefonischen oder in
einmaligem Kontakt stattgefundenen Beratungen u.a. berücksichtigt werden. Hier sollte auf
Bundesebene in enger Kooperation mit den fachspezifischen Einrichtungen ein Erhebungsbogen
konzipiert werden, der alle wesentlichen Aspekte zur Bedarfsabklärung berücksichtigt.
S e i t e | 63
4.3 … für eine bundesweite Vernetzung fachspezifischer Institutionen
Eine bundesweite Vernetzung aller fachspezifischen Institutionen für sexuell übergriffige Kinder
und Jugendliche ist sowohl für die Ermittlung von Versorgungslücken als auch für den
empirischen Nachweis der Wirksamkeit von Präventions- und Interventionsmaßnahmen (s.
Kapitel 4.1) eine notwendige Voraussetzung. Im Rahmen einer bundesweiten Vernetzung und
Bestandsaufnahme sollten folgende Bereiche aus dem Bildungs-, Erziehungs-, Gesundheits- und
Sozialsektor berücksichtig werden:
Fachspezifische ambulante und stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe
Kinder- und Jugendpsychiatrische Kliniken
Niedergelassen Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen
Niedergelassene Kinder- und JugendpsychiaterInnen
Schulpsychologische Dienste
Beratungsstellen für sexuell übergriffige und betroffene Minderjährige
Vereine und Anbieter von Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Gewalt
Jugendämter
Jugendmaßregelvollzug
Jugendjustizvollzug
Fachspezifische Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung
Eine Vernetzung in Form eines bundesweiten institutionalisierten und interdisziplinären
Kooperationsbündnisses bietet die Möglichkeit eines fächerübergreifenden Wissenstransfers und
greift auf etablierte Versorgungs- und Beratungsstrukturen für sexuell übergriffige Kinder und
Jugendliche zurück. Als Grundlage für eine Vernetzung können bereits bestehende kleinere
Kooperationsbündnisse und Zusammenschlüsse dienen, die es auf Bundesebene langfristig zu
bündeln gilt. Es empfiehlt sich daher, gewachsene Kooperationsstrukturen, die zum Themenfeld
sexualisierte Gewalt etabliert wurden, auszubauen. Organisationen, die mit der Vernetzung
verschiedener Professionen betraut werden, sollten möglichst interdisziplinär besetzt sein, um alle
relevanten Berufsgruppen gleichermaßen zu berücksichtigen. Zudem bedarf es eines
umfangreichen Erfahrungshintergrundes in der Kooperation, Zusammenarbeit und Vernetzung
von Einrichtungen verschiedener Verbände.
Gleichzeitig kann und sollte eine bundesweite Vernetzung fachspezifischer Institutionen für
sexuell übergriffige Minderjährige dazu dienen praxisorientierte wissenschaftliche Behandlungs-
S e i t e | 64
und Versorgungsforschung flächendeckend zu fördern. Dies würde darüber hinaus einen
wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung ihrer eigenen Arbeit leisten.
4.4 … für den praktischen Umgang mit sexuell übergriffigem Verhalten
Fasst man die aktuelle Datenlage zu sexuell übergriffigem Verhalten von Minderjährigen
zusammen, so existiert bisher kein empirisch begründetes Verfahren, das eine für den Einzelfall
valide Risikoprognose zulässt Auch intuitive klinische Beurteilungen der Gefährlichkeit sexuell
übergriffiger
Kinder
und
Jugendlicher
weichen
nicht
signifikant
von
der
Münzwurfwahrscheinlichkeit ab. Der empirische Nachweis der Wirksamkeit spezifischer
Behandlungsmaßnahmen für sexuell übergriffige Minderjährige steht noch aus (s. Kapitel 2.3.4).
Daher gilt es im Einzelfall insbesondere vor Beginn stationärer Behandlungsmaßnahmen das Für
und Wider abzuwiegen. Ein Wohnortwechsel im Rahmen einer stationären Maßnahme stellt für
die meisten Minderjährigen einen massiven Eingriff in ihr gewohntes Lebensumfeld dar und kann
als stigmatisierend erlebt werden (Chaffin et al., 2006).
Um eine angemessene Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsmaßnahme treffen zu
können, sollten in der praktischen Arbeit mit sexuell übergriffigen Minderjährigen die in
Abbildung 15 dargestellten Fragen im Rahmen einer multimodalen Eingangsdiagnostik vor
Behandlungsbeginn geklärt werden. Für die diagnostische Abklärung psychischer Auffälligkeiten
und Verhaltensprobleme von Minderjährigen zeigen testpsychologische Verfahren, wie z.B. der
Youth Self Report (YSR 11-18, Selbstbeurteilung) und die Child Behavior Checklist (CBCL 4-18,
Fremdbeurteilung) in der Praxis und Forschung eine gute Reliabilität und Validität. Diese können
jedoch nicht eine ausführliche biografische Anamnese ersetzen, bieten aber die Möglichkeit einer
standardisierten Verlaufsdiagnostik. Eine ablehnende oder ambivalente Einstellung von wichtigen
Bezugspersonen (z.B. Eltern) gegenüber Behandlungsmaßnahmen erhöht das Risiko für einen
Behandlungsabbruch deutlich (von etwa 35% auf ca. 60% Abbrecher) und sollte bei der
Behandlungsplanung ebenfalls berücksichtigt werden (Elsner & König, 2010). Generell ist zu
bedenken, dass lediglich etwa 10% der sexuell übergriffigen Minderjährigen im Erwachsenenalter
erneut Sexualstraftaten begehen (s. Kapitel 2.3.3). Die Behandlungsnotwendigkeit sollte daher
nicht nur durch das Ausmaß und die Anzahl bekannter sexueller Übergriffe bestimmt werden,
sondern gleichermaßen das individuelle Lebensumfeld und andere individuelle Probleme des
psychischen Erlebens und Verhaltens berücksichtigen (s. Abbildung 15).
Abbildung 15
S e i t e | 65
Bemerkung: Die dargestellten Punkte sind lediglich als Hinweise zu verstehen, die es im Rahmen
einer multimodalen Eingangsdiagnostik zu berücksichtigen gilt. Ein Aufsummieren der negativen
oder positiven Antworten steht in keinerlei Zusammenhang mit der individuellen
Rückfallwahrscheinlichkeit oder Behandlungsnotwendigkeit. Auch andere individuelle Faktoren
können ausschlaggebend bei der Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsmaßnahme sein.
Im Rahmen einer multimodalen Eingangsdiagnostik besteht der praktische Nutzen von
standardisierten Risikoprognoseinstrumenten für sexuell übergriffige Minderjährige (z.B.
Estimate of Risk of Adolescent Sexual Offense Recidivism (ERASOR) Worling & Curwen, 2001;
Juvenile Sex Offender Assessment Protocol-II (J-SOAP-II) Prentky & Righthand, 2003; Juvenile
Sexual Offense Recidivism Risk Assessment Tool-II (J-SORRAT-II) Epperson et al., 2006)
vorwiegend darin, dass sie Items bzw. innerpsychische, klinische und/oder soziodemografische
Faktoren beinhalten, die mit Rückfälligkeit assoziiert sind. Inwieweit diese Faktoren auch im
jeweiligen Einzelfall von Bedeutung sind, kann nur anhand eines individuellen strukturierten
klinischen (»structured clinical judgement«) Vorgehens beurteilt werden (z. B. Dahle, 2006;
Dietiker, Dittmann & Graf 2007). Der Ansatz der individuellen strukturierten klinischen
Beurteilung versucht die Lücke zwischen rein aktuarischen Risikoprognoseinstrumenten und der
eher intuitiven klinischen Praxis zu schließen (z. B. Dolan & Doyle, 2000). Das primäre Ziel einer
strukturierten klinischen Beurteilung des Einzelfalls ist nicht, erneute Straftaten vorherzusagen,
sondern individuelle Risikomerkmale sowie protektive Faktoren zu identifizieren und daraus
entsprechende Interventionsmöglichkeiten abzuleiten. Im Prozess der Identifizierung von
S e i t e | 66
individuellen Risikomerkmalen können Risikoprognoseinstrumente eine sinnvolle Rolle spielen.
Individuelle Interventionsmöglichkeiten lassen sich anhand von Risikoscores jedoch nicht
ableiten (König, 2010).
Falls keine oder eine geringe Vergleichbarkeit zwischen der Normierungsstichprobe des
angewendeten Risikoprognoseinstrumentes und dem zu beurteilenden Einzelfall besteht, ist die
Bestimmung eines individuellen Risikoscores aus methodischer Sicht nicht zu rechtfertigen. In
diesem Fall können Risikoprognoseinstrumente, wie kürzlich von Boetticher et al. (2009)
formuliert, lediglich als Checklisten dienen, da eine unkritische Übernahme gruppenstatistischer
Erkenntnisse keine empirisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Einzelfall zulässt.
Neben der Vergleichbarkeit müssen auch die Basisraten für die vorherzusagenden Delikte
berücksichtigt werden. Ferner müssen repräsentative Normdaten für Risikoprognoseinstrumente
vorliegen.18
4.5 … für primärpräventive Maßnahmen im Schul- und Freizeitbereich
Im Rahmen der Primärprävention sexueller Übergriffe besteht ein breites Angebot (N = 472
Präventionsangebote; s. Kapitel 3.2 u. Kapella, Schmidt & Hohenegger, 2010), welches Kinder,
Jugendliche, Eltern, LehrerInnen und andere relevante Berufsgruppen beispielsweise durch
Kinder- und Jugendbücher, Flyer, Handreichungen, Workshops, Informationsveranstaltungen,
Onlineangebote,
Videos,
Spiele,
theaterpädagogische
Maßnahmen
u.v.m.
erreicht.
Wissenschaftliche und methodisch adäquate Evaluationsstudien zur Wirksamkeit (i.S. der
Reduktion sexueller Übergriffe oder Opfererfahrung) liegen bis heute für den deutschsprachigen
Raum leider nicht vor (vgl. Kindler & Schmidt-Ndasi, 2011). Die Empfehlungen von Kapella,
Schmidt und Hohenegger (2010, S. 9) lassen sich nach eigener Recherche bestätigen:
Überprüfung und Ergänzung der gesammelten Angebote durch große Anbieter von
präventiven Maßnahmen im Bereich sexueller Gewalt.
18
BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 3 StR 169/10. „Sofern es sich um Erkenntnisse aus standardisierten, auf
statistischen Erfahrungen beruhenden Prognoseinstrumenten handeln sollte, gilt Folgendes: Diese Instrumente listen
Umstände auf, die einen Zusammenhang mit Rückfälligkeit aufweisen. Sie sind jeweils das Ergebnis der
Untersuchung von unterschiedlich zusammengesetzten Stichproben verurteilter Straftäter. Ob ein bestimmtes
Prognoseinstrument für die Beurteilung des beim Angeklagten bestehenden individuellen Rückfallrisikos generell
tauglich ist, hängt zuerst einmal davon ab, ob die in die Stichprobe einbezogenen Täter bezüglich ihrer persönlichen
Umstände (z. B. Anlassdelikt, psychische Erkrankung, Alter) mit dem Angeklagten vergleichbar sind. Entsprechendes
gilt hinsichtlich des für den Angeklagten zukünftig zu erwartenden Umfelds und der für die Prognose als entscheidend
erachteten Zeitspanne. Gibt es keine oder eine geringe Vergleichbarkeit zwischen der Stichprobe des angewendeten
Prognoseinstruments und dem zu beurteilenden Einzelfall, ist die Bestimmung eines individuellen Risikogrades aus
methodischer Sicht nicht zu rechtfertigen (vgl. König, R&P 2010, 67, 71 f. mwN).―
S e i t e | 67
Ergänzung durch Angebote aus anderen Bereichen, wie z.B. einem Überblick über
Beratungsstellen oder fachspezifischer Einrichtungen (s. Anhang).
Entwicklung und Durchführung einer qualitativen Bewertung der Angebote, z.B. durch
ein Fachgremium oder Akkreditierung.
Analyse der Angebote, um zu überprüfen ob alle zentralen präventiven Botschaften durch
diese Angebote abgedeckt werden oder ob es einen weiteren Bedarf an spezifischeren
Angeboten gibt.
Ausbau der vorliegenden Recherche zu einer Datenbank, bzw. die Verfügbarkeit der
recherchierten Daten an Fachpersonen sicherstellen.
Die Phasen der sexuellen Entwicklung werden von Kindern und Jugendlichen unterschiedlich
durchlaufen und können bei einigen auch durch Verunsicherung und Ängste geprägt sein. Gerade
deshalb sollten auch primärpräventive Angebote hinsichtlich ihrer Qualität, Wirksamkeit und dem
Erreichen der angestrebten Präventionsziele wissenschaftlich überprüft werden. Dabei ist sich an
den bereits formulierten Mindeststandards (s. Kapitel
4.1) zu orientieren. Obwohl
Kundenzufriedenheitsbefragungen zu begrüßen sind, stellen sie keinen Nachweis der Wirksamkeit
im Sinne einer Reduktion sexueller Übergriffe oder Opfererfahrung dar.
Spezifische Empfehlungen welche primärpräventiven Programme für Schulen oder im
Freizeitbereich besonders geeignet sind, lassen sich aufgrund mangelnder empirischer Befunde
derzeit nicht aussprechen.
Auch Leitlinien zum Umgang mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in
Institutionen sind als Instrument der Primärprävention zu verstehen, da sie möglicherweise auf
einige potenzielle Täter und Täterinnen eine abschreckende Wirkung haben. Ziel von
institutionellen Leitlinien ist aber, über eine klare Handlungsorientierung für den Umgang mit
sexueller Gewalt und Übergriffigkeit zu verfügen. Die im Aktionsplan 2011 der Bundesregierung
zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung formulierten
Leitlinien sind daher grundsätzlich zu begrüßen.
Bei der finalen Ausformulierung sollte beachtet werden, dass auch weibliche Tatverdächtige oder
Beschuldigte zu berücksichtigen sind. Weiter empfiehlt es sich durchgängig von Tatverdächtigen
oder Beschuldigten zu sprechen, anstatt von Tätern oder Täterinnen, da der Nachweis der
Täterschaft bei bekannt werden sexueller Übergriffe oder Missbrauchshandlungen innerhalb einer
S e i t e | 68
Institution oftmals noch aussteht.19 Weder dem Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung noch dem
Zwischenbericht des Runden Tisches „sexueller Missbrauch― ist zu entnehmen, wie bei sexuell
übergriffigem Verhalten von strafunmündigen Kindern (unter 14 Jahren) vorzugehen ist. Hier ist
es notwendig einen Konsens dahingehend zu finden, ob eine durch Institutionen grundsätzlich zu
initialisierende polizeiliche Anzeige gegen sexuell übergriffige strafunmündige Kinder einen
sinnvollen Beitrag zum Opferschutz leisten kann.
19
§ 25 StGB (Täterschaft): (1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2)
Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).
S e i t e | 69
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6) Anhang20
6.1 Bundesweite Liste mit fachspezifischen Einrichtungen für sexuell übergriffige Kinder
und Jugendliche21
6.2 Bundesweite Liste mit Jugendarrest und Jugendstrafanstalten
6.3 Bundesweite Liste mit Jugendmaßregelvollzugseinrichtungen
20
Neben den aufgeführten Institutionen existieren weitere Angebote, wie z.B. Kinder- und Jugendpsychiatrien,
niedergelassene Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen, niedergelassene Kinder- und JugendpsychiaterInnen,
Schulpsychologische Dienste und Beratungsstellen, Jugendämter etc., die sich beratend oder therapeutisch mit sexuell
übergriffigen Kindern und Jugendlichen arbeiten.
21
Diese Liste wurde bereits überwiegend durch die DGfPI e.V. erstellt (Stand: 08 / 2010), um einige Einrichtungen
aktualisiert und bezüglich der Übersichtlichkeit systematisiert. Mein Dank gilt an dieser Stelle sowohl Frau Dr. Esther
Klees als auch Herrn Matthias Nitsch für die Zurverfügungstellung. Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit,
hierzu wäre eine umfassende bundesweite Bestandaufnahme notwendig (s. Kapitel 4.2).
Im Rahmen der Aktualisierung ist aufgefallen, dass einige Einrichtungen aufgrund des gesellschaftlichen Klimas
gegenüber sexuell übergriffigen Kindern und Jugendlichen namentlich nicht genannt werden wollten. Andere
Einrichtungen wollten nur die Hauptanschrift des Trägers angeben. „Angst vor Beschwerden aus der Nachbarschaft―
oder „Sorge um die Sicherheit ihrer Klienten― wurden von den kontaktierten Einrichtungen ebenfalls häufig als
Bewegründe für den Wunsch nach Anonymität benannt. Die Entscheidung für oder gegen eine namentliche
Veröffentlichung der in Liste 6.1 aufgeführten Einrichtungen obliegt dem Auftraggeber.
S e i t e | 78
6.1 Bundesweite Liste fachspezifischer Einrichtungen
PLZ
Ort
Name der
Wohn-/ Therapiegruppe
o. Beratungsstelle
01455
Radebeul
Kinderarche Sachsen
Ambulante Therapie für
Jugendliche mit sexuell
grenzverletzendem Verhalten
Anschrift
Ansprechpartner/in
Telefon/ Fax/E-Mail
Träger
Ansprechpartner/in
Telefon/ Fax/E-Mail
Alter
Geschlecht
IQ-Bereich
Augustusweg 62
Kinderarche Sachsen
Alter 12 – 18 J
Ute Troike
T (0351)8372310
[email protected]
T (0351) 83723-0
F (0351) 83723- 71
[email protected]
Geschlecht ♂/♀
Kamenzer Str. 38
01936 Königsbrück
04275
Leipzig
Louisenstift gGmbH
IWG "Kastanienhof" Uhyst
Kinderschutz-Zentrum
Leipzig
Ambulante Gruppe für
sexuell grenzverletzende
Jugendliche
Steffen Winkler
T (035795)31557
[email protected]
pro familia Beratungsstelle
Halle/Saale
T (035795) 31557
[email protected]
Brandvorwerkstraße 80
Gerald Gruß, Anke Leitzke
T (0341) 9602837
[email protected]
[email protected]
W.-v.-Klewitz-Str.11
06132
Halle/ Saale
Louisenstift gGmbH
Andras Magyar
T (0345)5220636
[email protected]
Angebot
Plätze
Einzel-/Gruppentherapie
6 Plätze
Einzeltherapie
Nachsorgeeinrichtung
amb. Betreuung + Therapie
stationäre WG
Beratung
1 Platz
Einzel-. Gruppentherapie;
Elternberatung; Familientherapie;
Fachberatung
12 Plätze
Familien-/Einzeltherapie
8 Plätze
IQ ab < 70
Alter > 14 J
Geschlecht ♂/♀
IQ > 70
Alter 14 - 18 J
Wabe e.V.
Geschlecht ♂
[email protected]
IQ > 70
pro familia LV Sachsen-Anhalt e.V.
T (0345) 5220636
[email protected]
Alter 5 - 21 J
Geschlecht ♂/♀
IQ > 70
S e i t e | 79
06507
Gernrode
10178
Berlin
10719
Berlin
12247
Berlin
16303
Schwedt (Oder)
17498
Greifswald
Steinbergstr. 28
Kinder- +Jugendhilfswerk Gernrode
Alter 12 - 16 J
Simone Bebermeyer
T (039485)610402
[email protected]
T (039485)5930
F (03948) 59339
[email protected]
Geschlecht ♂
Neue Schönhauser Str. 16
EJF-Lazarus
Alter > 13 J
Lucyia Wronska
T (030)2828977
[email protected]
T (030) 76884-0
F (030) 76884-200
[email protected]
Geschlecht ?
Meinekestr. 12
EJF-Lazarus
Alter > 12 J
Karsten Köster
T (030)773271-93
[email protected]
T (030) 790980-0/
F (030) 7934528
[email protected]
Geschlecht ♂
Alt Lankwitz 9
EJF-Lazarus
Alter > 12 J
Karsten Köster
T (030)773271-93
[email protected]
T (030)790980-0
F (030) 7934528
[email protected]
Geschlecht ♂
EJF-DSPZ "Am Talsand"
"Respekt" amb.
Therapiegruppe in
Kooperation mit WG der
stationären Jugendhilfe
Am Aquarium 2
EJF-Lazarus
Alter 14-12 J
Hans-Joachim Zinke
T (03332) 434722
[email protected]
T (030) 790980-0/
F (030) 7934528
[email protected]
Geschlecht ?
Sozialtherapeutische Gruppe
"Janus" für Jungen mit
sexuellen
Missbrauchserfahrungen und
Täterproblematik
Weidenweg 25
Sozialtherapeutische
Wohngemeinschaft für
sexuell übergriffige Kinder
und Jgdl. Gruppe "Ampel"
Kind im Zentrum –
Sozialtherapeutische Hilfen
für sexuell missbrauchte
Kinder und ihre Familien
Therapeutische
Wohngemeinschaft
MALE II
Therapeutische
Wohngemeinschaft
MALE I
Herr Domin
T (03834)507062
[email protected]
NBS Greifswald
T (03834) 83570
[email protected]
IQ > 70
IQ > 70
Einzel-/Gruppentherapie
Sexualpädagogik
Inhouse-Beschulung
stationäre WG
6 Plätze
Beratung Therapie
Täter-/Sexualpäd. Gruppe
Gruppe für junge Erwachsene
Beratung
amb. Therapie
6 Plätze
Einzel-/ Gruppentherapie
Zusammenarbeit mit
KIDS e.V.
stationäre WG
8 Plätze
IQ > 70
IQ > 80
Einzel-/ Gruppentherapie
Zusammenarbeit mit
KIDS e.V.
Stationäre WG
8 Plätze
Einzel-/ Gruppentherapie
10 Plätze
Einzel-/ Gruppentherapie
Sexualtherapie
Stationäre WG
7 Plätze
IQ > 70
Alter 10 - 16 J
Geschlecht ♂
IQ > 70
S e i t e | 80
Lindenstr. 27
20099
Hamburg
Männer gegen
MännerGewalt Hamburg
Hans-Jürgen Wielsch
T (040)2201277
[email protected]
Alter Postweg 48
21075
Hamburg
22765
Hamburg
S&S gemeinnützige
Gesellschaft für Soziales
mbH
Wendepunkt e.V. /
Hamburger Modellprojekt
für sexuell auffällige
Minderjährige
Andrea Kolle
T (040)7566860
[email protected]
Max-Brauer-Allee 40
Bernd Priebe
T (040)70298761 (62)
[email protected]
Beselerallee 69a
24105
Kiel
Beratungsstelle im Packhaus
Klaus-Peter David
T (0431)578896
[email protected]
Fritz-Reuter-Str.57
24159
Kiel
EvA Kiel / Außenstelle
Friedrichsort
Bianca Schierer
T (0431/ 395977)
[email protected]
Boltwisch 3
24582
Bordesholm
Kinder- und
Jugendgemeinschaft Ebener
Rolf Ebener
T (04322) 691820
[email protected]
Männer gegen MännerGewalt
Hamburg
Alter 8 - 18 J
Geschlecht ♂
T (040) 2201277
[email protected]
S&S gemeinnützige Gesellschaft für
Soziales mbH
Wendepunkt e.V. Elmshorn
T (04121) 47573-0
[email protected]
Profamilia LV Schleswig-Holstein
T (0461) 9092620
[email protected]
Diakonisches Hilfswerk SH
T (04331)5930
[email protected]
Margit Rosinski-Ebener
Rolf Ebener
F (04322) 691822
www.kjg-ebener.de
Lt. Anfrage
Begleitende verpflichtende ambulante
Therapie durch Wendepunkt e.V.
innewohnende Betreuerin
stationäre WG
6 Plätze
Einzel-/ Gruppentherapie
Sexualpädagogik
Fortbildung
Beratung
ambulante Therapie
Lt. Anfrage
amb. Einzel-/ Gruppentherapie
Beratung
ambulante Therapie
8 Plätze
IQ?
Alter 10 - 14 J
Geschlecht ♂
T (040) 43136911
[email protected]
Einzelgespräche
begleitende Elterngespräche
Beratung
IQ ?
Alter ?
Geschlecht ♂/♀
IQ > 70
Alter 12 - 21 J
Geschlecht ?
IQ > 70
Alter 12 - 21 J
Geschlecht ♂
stationäre WG
8 Plätze
IQ < 80
Alter
> 14 J (WG I)
> 12 J (WG II)
Geschlecht ♂/♀
IQ > 70
Einzeltherapie
soziales Kompetenztraining
Sexualpädagogik
Interner Unterricht
stationäre WG
5 Plätze
(WG I)
8 Plätze
(WG II)
S e i t e | 81
24582
Mühbrook
24819
Haale
Haus Narnia
stationäre therapeutische
Lebensgemeinschaft/
Facheinrichtung für
Jungenarbeit +
Gewaltpädagogik
Evangelische
Arbeitsgemeinschaft Kiel
Außenstelle Krummhorn
Vollstationäre
Jugendhilfeeinrichtung
Bordesholmer Weg 7
Thomas Hölscher
T (04322) 4398
[email protected]
26105
Oldenburg
Wendepunkt e.V. Elmshorn
Fachberatung gegen sexuelle
Kindesmisshandlung /
Jugendamt Oldenburg
26135
Oldenburg
Harald Reyle
(Dipl. Psychologe,
Psychologischer
Psychotherapeut)
28195
Bremen
Fachstelle für
Gewaltprävention
T (04322) 4398
[email protected]
T (04874) 900 19 28
[email protected]
Alter > 14 J
Gruppenorientiertes Alltagserleben
Therapeutische Angebote
8 Plätze
?
7 (+1) Plätze
Einzel-/ Gruppentherapie
Fachberatung / Fortbildungen Beratung
Ambulante Therapie
Lt. Anfrage
Beratung
Lt. Anfrage
?
?
lt. Anfrage
Alter ?
Einzel-/ Gruppentherapie
Fachberatungen
Schulungen
Beratung
amb. Therapie
Lt. Anfrage
Geschlecht ♂
IQ ?
Alter 12-16 J
Krummhorn 10
Gärtnerstr. 10-14 (Gewerbepark)
25335
Elmshorn
Haus Narnia
?
Geschlecht ♂
IQ ab < 70 - < 80
Wendepunkt e.V. Elmshorn
Alter 10-21 J
Geschlecht ♂/♀
Uwe Ladleif
T (04121)475730
[email protected]
(04121)475730
[email protected]
Bergstr. 25
Jugendamt Oldenburg
Alter < 21 J
ggf. auch älter
Stefan Kanke
T (0441)2352467
[email protected]
(0441) 2352154
[email protected]
Geschlecht ?
IQ > 70
IQ ?
Friederikenstr. 3
?
[email protected]
Herdentorsteinweg 37
Gabriele Hegerfeld
T (0421) 7942567
[email protected]
Fachstelle Gewaltprävention
T (0421) 7942567
[email protected]
Geschlecht ♂/♀
IQ > 70
S e i t e | 82
30449
Hannover
Projekt SgJ / Männerbüro
Hannover e.V.
Ilse-ter-Meer-Weg 7
Männerbüro Hannover
Alter > 12 J
Ekkehard Ehler
T (0511)123589-0
[email protected]
T (0511) 1235890
F (0511) 12358920
[email protected]
Geschlecht ♂
Fröbelstr. 20
30451
Hannover
mannigfaltig e.V.
Verein für Jungen-und
Männerarbeit
Christoph Grote
T (0511) 4582162
[email protected]
Schulstr. 22
33330
Gütersloh
32108
Bad Salzuflen
32108
Bad Salzuflen
32423
Minden
Beratungsstelle Wendepunkt
Sozialtherapeutische
Intensivgruppe für sex.
grenzverletzende Jungen
Heilpäd./therap.Einr.
Grünau-Heidequell
Sozialtherapeutische
Intensivgruppe für sex.
grenzverletzende Mädchen
Heilpäd./ therap. Einrichtung
Grünau-Heidequell
mannigfaltig MindenLübbecke
Beratungsstelle gegen
sexuelle Gewalt an und
von Jungen / jungen
Männern
mannigfaltig e.V.
T (0511) 4582162
[email protected]
Stadt und Kreis Gütersloh
7 Plätze
Einzelberatung
Beratung
amb. Therapie
Lt. Anfrage
Beratung
Lt. Anfrage
Einzel-/ Gruppen-/ Familientherapie
Affekt-Kontroll-Training
Sexualpädagogik
Interne Beschulung
stationäre WG
6 Plätze
Einzel-/ Gruppen-/ Familientherapie
Affekt-Kontroll-Training
Sexualpädagogik
Interne Beschulung
Arbeit mit Pferd
stationäre WG
6 Plätze
Einzelberatung
Lt. Anfrage
IQ > 80
Alter > 10 J
Geschlecht ♂
IQ ?
Alter ?
Geschlecht ♂/♀
Siegfried Gerbert
T (05241) 822199
[email protected]
T (05241) 821
www.guetersloh.de
Mittelstr. 45
Evang.Johanneswerk e.V. Bielefeld
Alter < 14 J
Werner Engelhardt
T (05222)9471-0 (-21)
[email protected]
T (05222) 9471-0 /
F (05222) 947110
[email protected]
Geschlecht ♂
Evang. Johanneswerk e.V. Bielefeld
Alter < 14 J
Birgit Ogieniewski (05222)9471-0
[email protected]
T (05222) 9471-0 /
F (05222) 947110
[email protected]
Geschlecht ♀
Simeonstraße 20
mannigfaltig Minden-Lübbecke e.V.
Alter > 12 J
Franz Gerd Ottemeier-Glücks
T (0571)8892684
[email protected]
T (0571) 8892684
[email protected]
Geschlecht ♂
Mittelstr. 45
Einzel-/ Gruppentherapie
Beratung
amb. Therapie
IQ ?
IQ > 80
IQ > 80
IQ < 70
S e i t e | 83
Salvatorstr.45
33161
Hövelhof
33602
Bielefeld
35390
Gießen
Salvator Kolleg Hövelhof
Martin Konz
T (05257) 503100
F (05257) 503270
[email protected]
Prävent Bielefeld Ambulante Arbeit zur
Rückfallprophylaxe mit
sexuell aggressiven
Jugendlichen
Marktstr. 35
LIEBIGneun - amb.
Beratungsstelle für sexuell
übergriffige Mädchen und
Jungen, deren Eltern und
pädagogische Fachkräfte
Liebigstr. 9
Hans Eilinghoft
T (0521) 1644551
[email protected]
Ingried Kaiser
T (0641)7970958
[email protected]
Weststraße 12
39104
Magdeburg
39104
Magdeburg
Beratungsstelle ProMann
"AUSWEG" im MAPP Fachstelle für sexuell
übergriffige Kinder und
Jugendliche
Rene Lampe
T (0391) 7217441
[email protected]
Harnackstr. 7
Kerstin Gläser
T (039226)919822
[email protected]
Stephanienstr. 34
40211
Düsseldorf
Beratungsstelle Gewalt in
Familien
Heiko Cochius
T (0211) 60101157
[email protected]
Verein Jugendhilfe Erzbistum
Paderborn
T (05251) 209358
F (05251) 209362
[email protected]
Verein Jugendhilfe Erzbstum
Paderborn
T (05251) 209358
F (05251) 209362
[email protected]
Wildwasser Gießen e.V.
T (0641)76545
[email protected]
Deutscher Familienverband SA e.V.
T (0391) 7217470
[email protected]
Albert-Schweitzer-Familienwerk e.V.
T (03923)74040
[email protected]
Diakonie Düsseldorf
T (0211)60101157
www.diakonie-duesseldorf.de
Alter 14-27 J
Geschlecht ♂
Einzel-/Gruppentherapie
Familientherapie
stationäre WG
21 Plätze +
7 Nachsorge
Einzel-/ Gruppentherapie
Familientherapie
Aufklärung
Diagnostik
Fachberatung
Beratung
amb. Therapie
15 Plätze
IQ <70
Alter < 27 J
Geschlecht ♂
IQ <70
Alter 8 – 21 J
Geschlecht ♂/♀
Einzel-/ Gruppentherapie
Beratung + Fortbildung für Institutionen
5 Plätze Einzel
IQ ?
Alter > 10 J
Geschlecht ♂
IQ > 80
Alter 12 - 18 J
Geschlecht ♂
IQ > 70
Alter 8 - 27 J
Geschlecht ♂/♀
IQ ab < 70
10 Plätze
Gruppe
Einzel-/ Gruppentherapie
Familientherapie
Fachberatung / Fortbildungen
Beratung
amb. Therapie
Lt. Anfrage
Einzel-/ Gruppentherapie
Fortbildungsangebote Thematik
sex.Übergriffe + Sexualpädagogik
Beratung
amb. Therapie
12 Plätze
amb. Behandlung
Familienarbeit
Fachberatung / Schulungen
Beratung
ambulante Arbeit
14 Plätze
S e i t e | 84
Oberbilker Allee 287
40227
Düsseldorf
Fach- und Beratungsstelle
AUS.WEGE
Maximilian Hartkopf
T (0211) 60025853
[email protected]
Einbrunger Str.82
40489
Düsseldorf
41334
NettetalKaldenkirchen
Ev.JH Graf-Recke-Stiftung;
Educon
Mädchenwohngruppe
Kaldenkirchen
Schloss Dilborn - Die
Jugendhilfe
Thomas Kaufhold
T (0211)9407124
[email protected]
Poststr. 18
Ottilie Schöttner
T (02163) 954098
[email protected]
Kantstr. 20
41464
Neuss
Praxis Dr.med. H. Peteler
Dr.Helga Peteler
T(02131)940131
[email protected]
Krefelder Str. 122
41539
Dormagen
Jugendhilfezentrum
Raphaelshaus/
Otmar-Alt-Gr.
Herr Lachnitt
T (02133)50554
[email protected]
Horionstr. 14
41749
Viersen
Gerhard-Bosch-Haus
LVR Klinik Viersen
Thomas Gruber
T (02162)965021
[email protected]
AWO Düsseldorf Familienglobus
gGmbH
Alter 10 - 23 J
Geschlecht ♂/♀
T (0211)60025213
www.awo-duesseldorf.de
Graf-Recke-Stiftung
T (0211)9407-0
[email protected]
Martia Hilf NRW gGmbH
T (02163) 95400
[email protected]
Praxis Dr.med. Helga Peteler
T(02131)940131
[email protected]
Kathol. Erziehungsverein
Rheinprovinz
IQ ?
Alter < 18 J
Geschlecht ♂
Landschaftsverband Rheinland
T(02162)965406
www.rk-viersen.lvr.de
Einzel-/ Gruppentherapie
Eltern-/ Familienarbeit
Erlebnispädagogische Angebote
stat. Wohngruppen
30 Plätze
7 Plätze <14 J
8 Plätze >14 J
IQ ab < 70
Alter > 10 J
Geschlecht ♀
IQ ?
Alter ?
Geschlecht ♂/♀
IQ ab < 70
Alter 12 - 14 J
Geschlecht ♂
T (02133)50588
www.raphaelshaus.de
Einzel-/ Gruppentherapie
Multimethodische Beratungs-und
Therapieformen
Fachberatung
Beratung
ambulante Therapie
IQ >80
Einzel- / Gruppentherapie
Arbeit an traumat. Erfahrungen
Elternabeit
stat. Wohngruppe
9 Plätze
Gruppentherapie
Einbeziehung Bezugspersonen
tiefenpsychol.fundierte
psychotherap.Arbeit
lt.Anfrage
Einzelförderung
Gruppengespräche/ Familienarbeit
Erlebnispäd./ Rapaelschule
stationäre WG
7 Plätze
stat. Krankenhausbehandl. Mit anschl.
Weiterbetreuung in der Schleusengr. =
Jugendhilfe
10 Plätze +
9 Plätze Nachsorge
Alter 14 - 18 J
Geschlecht ♂
IQ > 70
S e i t e | 85
42287
Wuppertal
44137
Dortmund
Komm An
Fachstelle für
Gewaltprävention
und Beratung
Die Brücke e.V. ambulante Therapie für
minderjährige
Sexualdelinquenten
Zeughausstr. 31a
Herr Waschlewski
T (0202)97444680
[email protected]
Adlerstr. 81
Volker Schattenberg
T (0231)31731010
[email protected]
Overwegstr. 31
44625
Herne
44789
Bochum
Pädagogisch - therap.
Intensivgruppe
"Komm-Pass'―
"Neue Wege" Ärztliche u. psychsoziale
Beratungsstelle gegen
Misshandlung, Vernachl
u. sex.Missb.
Marcel Schmidt
T 017610986810
[email protected]
Lohbergstr. 2a
Werner Meyer-Deters
T (0234)9650349
[email protected]
Imbuschplatz 11
44791
Bochum
44892
Bochum
Sozialtherapeutische
Jungenwohngruppe
St. Vinzenz e.V.
Ev.Kinder- und Jugendheim
Overdyck
Diakonie Wuppertal
T (0202)974440
[email protected]
Die Brücke Dortmund e.V.
T (0231)146044
[email protected]
Ev. Kinderheim Herne
T (02323)9949452
[email protected]
Caritas Verband Bochum
T (0234)964220
[email protected]
St.Vinzenz e.V.
Alter 11 - 13 J
Geschlecht ♂
Einzel-/Gruppentherapie
Päd. 24 Stunden-Betreuung
Beratung + ambulante Therapie
8 Plätze
Einzel-/Gruppentherapie
Beratung
7 Plätze Gr. +
Einzelplätze
Einzel-/Gruppentherapie
amb.Koop. Neue Wege Bochum
stationäre WG
7 Plätze
Einzel-/Gruppentherapie
Kooperation St.Vinzenz e.V.;
Overdyck und Kompass Herne
Abt. Ambulante Rückfallvorbeugung
3 Gr.je 8 Pl.
weitere Plätze
Einzeltherapie
amb. Koop. Neue Wege Bochum
Einzel-/Gruppentherapie
stationäre WG
6 Plätze
amb.Koop. Neue Wege Bochum
Einzel-/Gruppentherapie
stationäre WG
7 Plätze
IQ > 70
Alter 14 - 21 J
Geschlecht ♂/♀
IQ > 80
Alter ab 13 J
Geschlecht ♂
IQ ab < 70
Alter bis 18 J
Geschlecht ♂/♀
IQ > 80
Alter unter 14 J
Geschlecht ♂
Herr Bihler
T (0234)3243814
[email protected]
T (0234)91310
[email protected]
Alte Bahnhofstr. 147
Stiftung Ev.Kinder-und Jugendheim
Alter > 14 J
Udo Pankoke
T (0234)9278100
[email protected]
T (0234)9133155
[email protected]
Geschlecht ♂
IQ > 80
IQ ?
S e i t e | 86
45879
Gelsenkirchen
47506
Neukirchen-Vluyn
47506
Neukirchen-Vluyn
Beratungsstelle für
Kinder,Jugendliche und
Eltern der Stadt
Gelsenkirchen
Therapeutische
Interventionsgruppen (TIG)
Kinder-und Jugenddorf des
Neukirchener
Erziehungsverein
Andreas Bräm Haus, AWG
Andreas-Bräm-Straße
Neukirchener
Erziehungsverein
Rotthauser Str. 48
Rainer Kulessa
T (0209)3894860
[email protected]
Vluyn Heckrathstr. 27
Kirsten Borgwardt
T (02845)392411
[email protected]
Heckrathstr.19
Markus Wieck
T (02845)392459
[email protected]
Dreikönigenstr. 90 – 94
47798
Krefeld
Deutscher Kinderschutzbund
OV Krefeld
Dietmar Siegert
T (02151)9619232
[email protected]
Stadt Gelsenkirchen
T (0209)1696000
www.gelsenkirchen.de
48149
Münster
Praxis für Psychotherapie
Piontek
Ärztliche
Kinderschutzambulanz
Münster
Dipl.-Psych. Kristina Piontek
T (0251)3945 6394
Geschlecht ♂/♀
amb. Beratung und Therapie
lt. Anfrage
Einzel-/Gruppentherapie
Stufenkonzept
Interne Beschulung (integrativ)
stationäre WG
12 Plätze +
7 Pl. Nachsorge in
Außen-WG
Einzel-/Gruppentherapie
soziales Gruppentraining
Elternarbeit
stationäre WG
7 Plätze
amb. Gruppenangebot
ambulante Beratung
8 Plätze
Diagnostik
amb. Einzeltherapie
lt. Anfrage
Einzel-/Gruppentherapie (2 Gr.)
Beratung + amb. Therapie
lt. Anfrage
IQ ?
Alter 12 - 16 J
Neukirchener Erziehungsverein
Geschlecht ♂
T (02845)3920 / Fax 392392
[email protected]
Neukirchener Erziehungsverein
T (02845)3920/ Fax 392446
[email protected]
Deutscher Kinderschutzbund OV
Krefeld
IQ > 80
Einzelfall < 80
Alter 12 - 20 J
Geschlecht ♂
IQ >70
Alter 13 - 17 J
Geschlecht ♂
T (02151)961920
[email protected]
IQ > 70
Alter > 12 J
Drubbel 20
48143
Münster
Alter < 21 J
-
Geschlecht ♂/♀
IQ > 80
Melchersstraße 55
DRK Kreisverband Münster
Alter 0 - 18 J
Ralph Berlinghoff
T (0251)418540
[email protected]
T (0251)3788-0
F (0251)378855
[email protected]
Geschlecht ♂/♀
IQ ab < 70
S e i t e | 87
Sprakeler Straße 370
48159
Münster
48301
Nottuln
LWL Jugendheim
Tecklenburg
Intensivwohngruppe Münster
Martinistift Geschl.Intensivgruppe für
sexuell übergriffig agierende
männl.Kinder u. Jugendl.
Gruppe 14 (SAJ)
Frau Schmidt
T (0251)1442418
[email protected]
Buxtrup 11
Petra Beckmann
T (02509)88166
Gruppe 88214
[email protected]
LWL-Jugendheim Tecklenburg
Alter 14 - 18 J
T (05482)66-0
F(05482)6617
[email protected]
Geschlecht ♂
Martinistift gGmbH
Alter 12-16 J
T (02509)88-0
F (02509)88-111
[email protected]
Geschlecht ♂
IQ > 70
Einzel-/Gruppentherapie
Kooperation mit
Kinderschutzambulanz Münster
stationäre WG
4 Plätze
Einzel-/Gruppentherapie
Kooperation mit
Kinderschutzambulanz Münster
9 Plätze
Einzel-/Gruppentherapie
12 Plätze
Einzeltherapie
Beratung + ambulante Therapie
lt. Anfrage
Einzel-/Gruppenarbeit
Beratung Angehörige
Kooperation Institutionen
Beratung + amb. Therapie
lt. Anfrage
Einzeltherapie
Beratung
6-8 Plätze
Beratung offen
IQ > 70
Alter 14 – 18
48431
Rheine
Deutscher Kinderschutzbund
Rheine e.V.
An der Stadtmauer 9
Deutscher Kinderschutzbund
Geschlecht ♂/♀
T (05971)914390
IQ ab < 70
Bremer Str.6
49377
Vechta
Ambulante Psychotherapie
Hartmut Nagel
Hartmut Nagel
T (04441)9190250
[email protected]
Frankfurter Str. 30
51065
Köln
50677
Köln
Punktum
Fachspezifische
Beratungsstelle
Zartbitter Köln e.V.
(Kontakt- u.
Informationsstelle gegen
sex.Missbrauch an Mädchen
u. Jungen)
Hartmut Nagel
niedergelassener Psychotherapeut
[email protected]
Caritasverband für den RheinischBergischen Kreis e.V.
Alter < 21 J
Geschlecht ?
IQ ?
Alter 12 - 21 J
Geschlecht ♂/♀
T (0221)16861012
F (02201)16918048
[email protected]
T (0221)2010-0
F (0221)2010-100
IQ ?
Sachsenring 2 – 4
Zartbitter Köln e.V.
Alter 3 - 11 J
Ursula Enders
T (0221)312055
[email protected]
T (0221)312055
F (0221)9320397
[email protected]
Geschlecht ♂/♀
IQ ?
S e i t e | 88
Cederwaldstr. 22
51465
Bergisch Gladbach
Beratungsstelle Punktum
Ruth Haberland
T (02202)1008715
[email protected]
Caritas Rheinisch-Bergischer Kreis
e.V.
Geschlecht ♂/♀
T (02202)10080
[email protected]
Kölnstr. 54
53111
Bonn
Praxis für Psychotherapie
Strodick
Dipl.-Psych. Christina Strodick
T (0151) 11080148
[email protected]
www.psychotherapie-strodick.de
Puricellistr. 1
54298
Welschbillig
59065
Hamm
JHZ Don Bosco Helenberg
Gruppe Pinardi +
Gruppe Turin
Intensivtherapeutische
Wohngruppe mit
spezialisiertem
Behandlungskonzept für sex.
übergriffige Kinder - nano
Station A20
LWL-Klinik Hamm
20 Plätze
( 3 Plätze für
Mädchengr.)
Diagnostik
amb. Einzeltherapie
lt. Anfrage
Einzel-/ Gruppentherapie
stationäre WG
zusätzlich ambulante Beratung
Pinardi: 10 Pl.
Turin: 7 Plätze
spezialisiertes Behandlungskonzept
für sexuell übergriffige Kinder
10 Plätze
stationäre Psychotherapie für
psychisch Kranke und sexuell
grenzverletzende Jugendliche
stationäre Psychotherapie
10 Plätze
Mobile Behandlung im Lebensumfeld
des Jugendlichen
vor Ort
lt. Anfrage
Alter > 12 J
-
Geschlecht ♂/♀
IQ > 80
Salesianer Don Bosco
Alter > 14 J
Geschlecht ♂
T (089)48008421
[email protected]
Reginenstraße 5
MW Malteser Werke gGmbH
Alter 8 - 14 J
Dr.Kristina Scheuffgen
T (02385)7090321 /-320
[email protected]
T (0221)9822-571
F (0221)9822-579
[email protected]
Geschlecht ♂
Stationstherapeuten
T (02381)893202
[email protected]
Einzelgespr.-/Gruppenbehandl.
Netzwerkarbeit/ Familientherapie
Fallberatung für Institutionen
IQ ab >70
Herr Lang
T (06506)899130
[email protected]
Heithofer Allee 64
59071
Hamm
Alter 12 – 21 J
LWL-Klinik Hamm
T (02381)8930
[email protected]
IQ ab < 70
IQ > 80
Alter 14 - 17 J
Geschlecht ♂
IQ > 70
Alter 12 - 18 J
59368
Werne
"Handschlag" Mobile
Sozialpädagogische Praxis
Frank Liebetrau
[email protected]
?
Geschlecht ♂
IQ ?
S e i t e | 89
63450
Hanau
Sozialpädagogische
Intensivgruppe für
grenzverletzende Jungen
Albert-SchweitzerKinderdorf
Am Pedro-Jung-Park 3
Albert Schweitzer Kinderdorf Hessen
Alter 6 - 13 J
Gabriela Halter-Dofel
T (06181)270612
[email protected]
T (06181)2709-0
F (06181)2709-15
[email protected]
Geschlecht ♂
Adelheidstr. 28
65185
Wiesbaden
66115
Saarbrücken
BIZeps - Beratungs-und
Informationsstelle für
Männer und Jungen
Neue Wege Saar
Ambulante
Rückfallvorbeugung für
sexuell übergriffige
Jugendliche
Norbert Isner
T (0611) 6097606
[email protected]
Seniger Str.20
Harald Conrad
T (0681)7559498
[email protected]
Rudolf-Breitscheidt-Str.42
67653
Kaiserslautern
SOS-Familienzentrum
Kaiserslautern
Michael Breiner
T (0631)31440
[email protected]
Marstallgasse 3
73230
Kirchheim / Teck
75196
Remchingen
Kompass
Beratungsstelle gegen
sexuelle Gewalt
Kinder-und Jugendheim
Sperlingshof
Heilpädagogisches
Jugendhilfezentrum
(2 integrative stationäre
Wohngruppen)
Herr Utendorf
T (07021)6132
[email protected]
An der B10
Raffael Biscardi
T (07232)304446
[email protected]
Profamilia Wiesbaden
T (0611)376516
[email protected]
AWO Saarland/
SPNsozialpäd.netzwerk
IQ > 70
Alter 12 - 25 J
Geschlecht ♂
IQ ab < 70
SOS-Kinderdorf Kaiserslautern
T (0631)31440
www.sos-familienzentrum.de
Gemeindeverwaltung Lenningen
T (07026)6090
[email protected]
Ev.-Luth.Kinderfreundgesellschaft
e.V.
Einzel-/ Gruppenberatung
Elterngespräche
Fortbildungen
ambulante Therapie
bis 10 Plätze
Rückfallvorbeugung für sexuell
übergriffige Jugendliche
lt. Anfrage
Einzel-/Gruppentherapie
Gruppe für unter 14 Jahre
Beratung + ambulante Therapie
lt. Anfrage
Tätertherapie
ambulante Tätertherapie
10 Plätze
Einzel-/Gruppentherapie
Kunst-/Gestalttherapie (U 14J.)
Höchstalter für Aufnahme: 16 Jahre
4Pl. unter 14J.
4Pl. über 14 J.
IQ ?
Alter bis 17 J
Geschlecht ♂/♀
IQ > 70
Alter 12 - 27 J
Geschlecht ♂
IQ ?
Alter ab < 14
Geschlecht ♂
T (072321)304451
[email protected]
7 Plätze
Alter ab 12 J
Geschlecht ♂/♀
T (0681)7559498
www.awo-saarland.de
Einzel-/Gruppentherapie
Traumapädag.Angebote;Sex.päd.
Motopädagogik; Musikpädagogik
stationäre WG
IQ > 70
S e i t e | 90
Schöllbronner Str. 78
76275
Ettlingen
St. Augustinusheim
Silke Ihle
T (07243)774020
[email protected]
Kapuzinerstraße 9 D
80337
München
KinderschutzZentrum
München
Michael Schwarz
T (089)555356
[email protected]
Kathi-Kobus-Str. 11
80797
München
97421
Schweinfurt
Kibs
Kinderschutz e.V.
Erziehungsberatungsstelle
für Eltern und Jugend
für die Stadt und den
Landkreis Schweinfurt
Peter Mosser
T (089)2317169122
[email protected]
Am Kornmarkt 17
Jimmy Weber
T (09721)51765 o. 51415
[email protected]
St. Augustinusheim
T (07243)774013
[email protected]
Deutscher Kinderschutzbund OV
München
Alter 12 - 16 J
Geschlecht ♂
Kinderschutz- und Mutterschutz e.V.
T (089)2317160
[email protected]
Stadt Schweinfurt
T (09721)51-0
[email protected]
16 Plätze
Einzel-/Gruppentherapie
Beratung
6 Plätze
Beratung der Jungen
Elternarbeit
Institutionsberatung
lt. Anfrage
Einzeltherapie
Beratung
lt. Anfrage
IQ > 70
Alter 12 - 20 J
Geschlecht ♂
T (089)555359
F (089)5503699
[email protected]
Einzel-/Gruppentherapie
hochstrukturierter päd. Rahmen
heiminterne Schule+Ausbildung
IQ ab < 70
Alter 0 - 10 J
Geschlecht ♂
IQ ?
Alter < 21 J
Geschlecht ♂/♀
IQ ?
S e i t e | 91
6.2 Bundesweite Liste der Jugendarrest und -strafanstalten
PLZ
Ort
Bezeichnung
Kontakt
Am Kirchtor 20 a
06108
Halle (Saale)
Jugendarrestanstalt
12307
Berlin-Lichtenrade
Jugendarrestanstalt
12309
Berlin-Lichtenrade
Jugendstrafanstalt
Untersuchungshaftbereich Kieferngrund
13587
Berlin-Spandau
Jugendstrafanstalt
Haus A - Offener Vollzug -
13627
Berlin-Plötzensee
Jugendstrafanstalt Berlin
Häuser 1-8
Telefon (03 45) 2 20-0
Telefax (03 45) 2 20-11 55
E-Mail [email protected]
Lützowstraße 45
Telefon (0 30) 70 55 08 - 0
Telefax (0 30) 70 55 08 - 26
Kirchhainer Damm 64-66
Telefon (0 30) 76 49 17 - 0
Telefax (0 30) 76 49 17 - 88
Niederneuendorfer Allee 140-150
Telefon (0 30) 35 59 44-0
Telefax (0 30) 35 59 44-17
Friedrich-Olbricht-Damm 40
Telefon (0 30) 90 14 4 – 0
Telefax (0 30) 90 14 4 - 2560
S e i t e | 92
Hinterbrack 25
21635
Hahnöfersand
Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand mit Teilanstalt für Jugendarrest
28239
Bremen
Jugendvollzug
Telefon (0 40) 428 36 0
Telefax (0 40) 428 36 204
Sonnemannstraße 2
Telefon (04 21) 3 61 - 62 79
Telefax (04 21) 3 61 - 1 54 13
Tündernsche Straße 50
31789
Hameln
31785
Hameln
Jugendanstalt Hameln
mit Freigängerabteilung
Telefon (0 51 51) 90 40
Telefax (0 51 51) 90 49 00
Eugen-Reintje-Straße 2-4
Telefon (0 51 51) 1 06 500
Telefax (0 51 51) 5 33 48
Rosdorfer Weg 76
37081 Göttingen
Jugendarrestanstalt
Telefon (05 51) 5 07 27 72
Telefax (05 51) 5 07 27 27
Ulmenstr. 95
40476
Düsseldorf
Justizvollzugsanstalt mit Jugendhaus
40625
Düsseldorf
Jugendarrestanstalt Düsseldorf
Telefon (02 11) 94 86 - 0
Telefax (02 11) 94 86 - 237
E-Mail poststelle@jva-duesseldorf. nrw.de
Internet www.jva-duesseldorf.nrw.de
Heyestr. 63
Telefon (0211) 20 99 58-0
E Mail [email protected]
S e i t e | 93
Wesselwerth 10
45239
Essen
Jugendarrestanstalt
46236
Bottrop
Jugendarrestanstalt
63571
Gelnhausen
Zweiganstalt und Abteilung für den Vollzug
Jugendarrest Gelnhausen
Telefon (02 01) 49 43 12
Gerichtsstraße 26
Telefon (0 20 41) 69 20 52
Jahnstraße 3
73001
Göppingen
Telefon (0 60 51) 92 48 40
Telefax (0 60 51) 92 48 44
Marstallstraße 11
Verwaltung:
Pfarrstraße 25 73033 Göppingen
Jugendarrestanstalt
Telefon (0 71 61) 63 - 24 41
Telefax (0 71 61) 63 - 24 47
E-Mail [email protected]
Hochfeldstr. 28
86159
Augsburg
Jugendarrestanstalt
Telefon (08 21) 59 66 69
Telefax (08 21) 50 38 225
S e i t e | 94
6.3 Bundesweite Liste jugendforensischer Standorte
PLZ
Ort
Bezeichnung
Kontakt
Chefarzt PD Dr. Peter Hummel
01477
Arnsdorf
Sächsisches Krankenhaus
Hufelandstr. 15
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
T 035-200 - 260
F 035-200 - 262862
E [email protected]
Dr. Helmut Niederhofer
Sächsisches Krankenhaus Rodewisch
08209
Rodewisch
Bahnhofstr. 3
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Forensische Station
T 03744 - 366
E [email protected]
Chefärztin Aglaja Stöver
13437
Berlin
Vivantes
Oranienburgerstr. 285
Klinik für Forensische Psychiatrie des Jugendalters und der Adoleszenz
T 030 - 13011 - 6200
F 030 - 13011- 6208
E [email protected]
Chefarzt Prof. Dr. Detlef Schläfke
18147
Rostock
Universität Rostock
Gehlsheimerstr. 20
Klinik für forensische Psychiatrie
T 0381 - 4944 - 800
F 0381 - 4944 – 802
E [email protected]
Chefarzt Dr. Falk Burchard
34431
Marsberg
Westfälische Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Bredelarerstr. 33
St. Johannes-Stift Marsberg
T 02992 - 6013100
F 029920 - 6013103
E [email protected]
S e i t e | 95
Klinikdirektor Dr. Christian Wolf
35039
Marburg
Cappelerstr. 98
Vitosklinik Lahnhöhe
T 06421 - 4041
F 06421 - 404217
E [email protected]
Oberarzt Dr. Wolfgang Weissbeck
Pfalzklinikum für Neurologie und Psychiatrie
76889
Klingenmünster
Pfalzinstitut Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie
Weinstr. 100
T 06349 - 9003501
F 06349 - 9003099
E [email protected]
Ärztlicher Direktor Hans Espach
92331
Parsberg
BKH II
(Unterbringung ausschließlich gem. § 64 StGB)
Fachklinik für jugendliche und heranwachsende Drogenabhängige
Pfarrer-Fischer-Str. 4
T 09492 - 6001 – 89271
E [email protected]
Kliniken im Aufbau
Oberärztin Bettina Hackenbroch-Hicke
26160
Bad Zwischenahn
Psychiatrieverbund Oldenburger Land
Karl-Jaspers-Klinik Oldenburg
Hermann-Ehlers-Str. 7
T 0441 – 9615 – 424
E [email protected]
Therapeutischer Abteilungsleiter Klaus Elsner, Dipl.-Psych., PP
41749
Viersen
LVR-Klinik Viersen
Abteilung für Forensische Psychiatrie II
Johannisstr. 70
T 02162 – 964054
E [email protected]
S e i t e | 96
Korrespondenzadresse:
Dr. rer. nat. Andrej König, Dipl.-Psych.
Institut für Forensische Psychiatrie
der Universität Duisburg-Essen
Virchowstr. 174
D-45147 Essen
T +49 (0) 201 7227 -101
F +49 (0) 201 7227 -105
E [email protected]
www.forensik-essen.de

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